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Full text of "Nachrichten von der Königlichen gesellschaft der wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse"

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in 


Nachrichten 


von der 


Köni^l. Gesellschaft der Wissenschaften 

zu Göttingen. 


Philo logisch • hi storische Klasse 


aus dem Jahre 1897. 


Ghöttin^n, 

Commiasionsverlag der Dieterich'schen Univenitätsbachhandlimg 

Lfider Hontmann. 

1897. 


0«tiing«B, Draok dir Dleterich*8e]ieii UbiT^Bachdraekerel (W. Fr. KsfMiiiier). 


Register 

über 

die Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften 

pUlologiscli-liLstorische Klasse 
aus dem Jahre 1897. 


N. Bonwetsch, Die apokrj^hen Fragen des Bartho- 
lomäus S. 1 

Gr. Cohn, Ueber das Wesen des Industriestaates . . „ 217 

Ueber das Wesen der Krisen in der Volkswirth- 

schaft „283 

H. Degering, Ueber etruskischen Tempelbau .... „ 137 

F. Frensdorff, Zur Geschichte der deutschen Reichs- 

insignien n ^^ 

H. Harri sse, Uatterage de Cabot au continent am^ricain „ 326 

P. Kehr, Fapsturkunden in Pisa , Lucca und Ravenna . „ 17B 

Papsturkunden in Reggio nell' Emilia .... „ 223 

Papsturkunden in Padova, Ferrara und Bologna, 

nebst einem Nachtrag über die Papsturkunden in 
Venedig „349 

M. Elinkenborg, Papsturkunden in Nonantola, Modena 

und Verona „ 234 

Papsturkunden in Brescia und Bergamo .... „ 263 

H. Lüders, Die Sage von ^yaäraga »87 

U. von Wilamowitz-Moellendorff, Simonides der 

Epigrammatiker „ 306 


Die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 

Von 

N. Bonw etsch. 

Vorgelegt in der Sitzung am 21. November 1896. 

So fremdartig der überwiegende Inhalt der sogenannten apo- 
kryphen Literatur uns anmutet, so wenig darf doch die kirchen- 
geschichtliche Forschung von ihrer Untersuchung Abstand nehmen, 
denn jene hat als eine starke ünterströmung das religiöse Leben 
breiter Schichten sehr wirksam beeinflußt. Zudem weisen, in ihrer 
gegenwärtig noch vorliegenden Gestalt zumeist jüngeren Datums, 
die dieser Literatur angehörenden Schriften Bestandteile auf, die 
den Anfängen der £irche, besonders den gnostischen Kreisen im 
zweiten und dritten Jahrhundert, entstammen, ja zum Teil in die 
vorchristliche Zeit zurückgehen. Ihre Erforschung verheißt also 
schließlich doch einen lonenden Ertrag. Eine zusammenfassende 
Untersuchung dieser apokryphen Literatur nach ihrem ganzen Um- 
fang steht noch aus , sie kann auch nicht ernstlich in Angriff ge- 
nommen werden, bevor das Material — die erhaltenen Beste jener 
Literatur (denn nur um Beste handelt es sich noch) — in mög- 
lichster Vollständigkeit gesammelt und veröffentlicht ist. Hierzu 
einen bescheidenen Beitrag zu liefern war der Zweck meiner Ueber- 
tragung der sog. „Fragen des Bartholomäus an die Gottesmutter^ 
aus dem Altslavischen in's Deutsche. Erst nach Vollendung mei- 
ner Uebersetzung ward ich inne , daß A. Vassiliev'a Anecdota 
graeco - byzantina I (Moskau 1893) diese ^^Fragen^^ teils aus der 
slavischen Version, teils sogar im griechischen Urtext bereits der 
Wissenschaft erschlossen hatten. Ich glaubte doch meine der Ges. 
d. Wiss. schon vorgelegte Arbeit nicht unterdrücken, sondern sie 
nur durch den griechischen Text bereichern zu sollen. 

Von einer Bartholomäusapokalypse wußte man allerdings seit 
lange. £. Dulaurier hat nämlich 1835 aus einer sahidischen 
Handschrift ein Fragment einer Apokalypse des Bartholomäus mit 

KgLOM.4. W. HMhxi«htei. Phttolog .-^Mor. KImm. 1897. H«fl 1. 1 


i 


2 N. Bonwetsch, 

einer franzosischen üebersetzung herausgegeben („Fragment des 
r^völations apocryphes de S. Barthälemy, et de Thistoire des com- 
munaut^s religieuses fond^es par S. Fakhome. Traduit sar les 
textes Copteth^bains in^dits conservös k la Bibliothöque du Roi, par 
M. Edouard Dulaurier. Paris 1836), und die letztere ist von 
C. Tischendorf (Apokalypses apocryphae, Lpz. 1866, Proleg. 
S. XXIVf.) wiederabgedruckt worden. (Hierdurch mir bekannt.) 
Dies sahidische Fragment bekundet einen engen Zusammenhang 
mit den Adamlegenden, denn seinen ersten Teil bilden Mitteilungen 
über die Wiederannahme Adams und Evas auf Grund der Er- 
lösung , und über die Freude , welche hieräber herrscht : bei den 
Engeln wie bei Abraham, dem Freund Gottes, Isaak, dem die 
Sünde fem geblieben, dem heiligen Jakob, dem großen Dulder Hieb, 
Mose, dem ersten der Propheten, und allen, die den Willen Gottes 
getan haben. Ist in dem Fragment zunächst nicht recht deutlich, 
wer die Apostel und speciell den Bartholomäus anredet (Croyez- 
moi, o mes fr^res les apötres, croyez Barthölemy), so erscheint 
doch bald Bartholomäus als der, welcher selbst die geoffenbarte Herr- 
lichkeit schaut (Et moi, Barthälemy, j'ai passö plusieurs jours sans 
manger et sans boire, le splendeur du spectacle qui s'offrait k mes 
regards süffisant pour ma nourriture). Bartholomäus wird als Land- 
mann bezeichnet, wonend auf dem Landgut des Hierocates, des 
Hauptes der Stadt. Auf dem Oelberg ward ihm die Erscheinung 
des Herrn. Die alsdann folgende Segnung der zwölf Apostel durch 
die Trinität, welche den Petrus zum Haupt und Fürsten des Gottes- 
reichs weiht, weist die Apokalypse in ihrer gegenwärtigen Gestalt 
in eine spätere Zeit, aber warscheinlich bleibt doch, daß ältere 
Elemente in ihr nicht fehlen. 

Die slavische Bartholomäusapokalypse trägt die IJeberschrift 
^Die Frage des Bartholomäus^. Sie ist mir aus zwei Hand- 
schriften bekannt. Die Eine derselben ist ein Sammelcodex des 
Pai'sius aus dem 14. Jahrhundert in dem Kloster des Alexander 
Nevskij in St. Petersburg, welcher auf Bl. 136^ — 147^ diese Fragen 
des Bartholomäus enthält. Aus dieser Handschrift haben T i c h o n- 
ravoY in den ;,Denkmälern der apokryphen russischen Literatur^ 
(Pamjatniki otre6ennoj russkoj literatury), St. Petersburg 1868, 
Band II S. 18 — 22, und Py pin , Pseudepigraphen und Apokryphen 
des russischen Altertums (Lo2nyja i otrecennyja knigi russkoj 
stariny), im 3. Band von Eu2elev-Bezborodko, Denkmäler 
der alten russischen Literatur (Pamjatniki starinnoj russkoj litera- 
tury), St. Petersburg 1862, S. 107 den Text herausgegeben. Einer 
persönlichen Einsichtnahme dieser Handsohrift bedurfte es daher 


die apokryphen Fragen des Bartholomäns. 3 

nicht. TJeber dieselbe ist noch zu vergleichen Sreznevskij, 
Nachrichten und Bemerkungen über wenig bekannte und unbekannte 
Denkmäler (Sv&denija i zametki o maloizvSstnych i neizvSstnych 
pamjatnikach), St. Petersburg 1876, LVI S. 297ff. 

Die andere Handschrift, vermutlich die von Moculski j, Spuren 
der Volksbibe] in der slavischen und altrussischen Litteratur (Odessa 
1893), abgedruckte, Cod. slav. 126 der Kaiserlichen Hofbibliothek 
zu Wien, ist mir auf meine Bitte gütigst wie für das slavische 
Henochbuch, so noch einmal für die ;,Fragen des Bartholomäus^ 
zur Benutzung in der Göttinger Bibliothek überlassen worden. 
In ihr sind zwei Codices sehr disparaten Inhalts vereinigt. Der 
erste Teil (Bl. 1 — 3 mit Notizen viel jüngeren Datums enthalten 
nichts von Belang) , Bl. 4—162 , umfaßt Eirchenrechtliches , Eul- 
tisches und auf das Mönchsleben Bezügliches. Wie die Quater- 
nionenbezeichnungen erweisen, bildete Bl. 163ff. ein zusammenhän- 
gendes Ganze. Eine Umstellung, die im Text sich vorfindet, in- 
dem auf Bl. 231^ ein Citat aus Basilius plötzlich in ein Stück 
aus Pseudomethodius übergeht, ist bereits aus der Vorlage her- 
fibergenommen , da die Einschaltung mitten auf der Seite be- 
ginnt. Nach der antijüdischen Schrift „Erfüllungen der Weis- 
sagungen der heiligen Propheten und von der Gefangenschaft Je- 
rusalems durch Titus, den römischen König, und von der Zer- 
streuung der Juden^ (vielleicht, daß alles von Bl. 230 an bereits 
dieser Schrift nicht mehr angehört) folgt 2. Bl. 244^6 Pseudo- 
methodius. — 3. BL 259 ,18 die „Fragen der heil. Apostel an die 
Gottesmutter^. — 4. Bl. 264^,12fP. ;,Das Wort des heiligen Johannes 
Goldmund von dem Herabkommen des Vorläufers in den Hades^. 
— 5. Bl. 276^,19 Die Fragen des Bartholomäus. — 6. Bl. 280',9 
^Wort der heil. Apostel und heil. Väter , wie man recht unter- 
scheidend die Erkenntnis des Heils suchen muß^. — Ein neuer Ab- 
schnitt beginnt 7. Bl. 282 ,1 „Das Aufsteigen des Paulus in den 

8. Himmel^. — 8. Bl. 308^9 Das Buch der Geheimnisse des Henoch'' 
(vgl. Abhandlungen der kön. Gesellsch. d. Wiss. I, 3 [1896]). — 

9. Bl. 331^13 „Wort des heil. Johannes des Theologen, Gesicht 
von den letzten Zeiten«. — 10. Bl. 339^5 ;,Frage: Was ist das 
vollkommene Christentum? Antwort des heil. Athanasius«. — 
11. Bl. 353^8 „Wort aus der Regel der heiligen Apo8tel^ — 12. 
Bl. 868^,3 Kurze Erklärung Ober den Psalter. — Von BL 244^6 
bis Bl. 839^,6 liegt hier also eine Sammlung von Apokalypsen vor, 
und zwar wenigstens in Bezug auf die Apokalypse des Paulus und 
das Bach der Geheimnisse des Henooh in verkürzter Seoension. 

1* 


4 N. Bonwetsch, 

Den griechischen Text, dessen Anfang freilich noch immer 
fehlt, hat Vassiliev aus dem wiener Cod. histor. 67 (bei Lam- 
bec. VIII histor. graec. Cod. 33) herausgegeben. Vassiliev weist 
diese Fergamenthandschrift dem 13. Jarh. zu, sie gehört aber nach 
Herrn Bibliotheksdirektor Geheimrat Dziatzko's freundlichst ab- 
gegebenem Urteil schon dem 11. Jarhundert an. Ein Codex re- 
scriptus, das Pergament ein sehr schadhaftes. Mehrere gleichzeitige 
Hände sind zu unterscheiden. Aus der gleichen Handschrift BL 
18 f. hat Vassiliev auch die Disputation Christi mit dem Satan 
mitgeteilt. Sie enthält auch die Adamlegende, von Gott durch 
den Erzengel Michael dem Mose offenbart, Bl. 4t und Bl. 16^ff. ; 
ferner Bl. 19^ ff. die Erzälung eines Wunders aus der Zeit Theo- 
dosius d. Gr. ; Bl. 24^ ff. Fragen und Antworten über den Glauben, 
Horoi, Gnomen; Bl. 62^ ff. eine Schrift gegen die Lateiner aber 
die Azymen ; Bl. 74^ ff. Ausgewähltes aus Chrysostomus, Eusebius 
von Alexandrien, NUus, Athanasius, Anastasius Monachus und 
Ephräm. — Lesarten der griechischen Handschrift bezeichne ich 
mit G. Alle orthographischen Abweichungen von G anzumerken, 
würde nur verwirrend wirken: xvpto^, 'Ji^tfoi;^, dcarijp, Rv^goMog 
sind stets abgekürzt geschrieben; das Jota subscriptum fehlt; ri 
und t (also immer xdXfp/ für ndXiv) , auch i und v oder sl , auch tj 
und € OL oder v wechseln beständig, ebenso e und at, a> und o, si 
und V oder t, ol und bl i oder v (z. B. dt$ und 6ov); die Accent* 
zeichen werden oft verwechselt, so steht stets BaQ&foXcDfUKiog ^ aa- 
QadßtöGij ijtoxQcd'etgj ica^&g, fast immer iy&] für Xsysi, ain^^ aifg 
wird zumeist XdysL aitöv , a^ijv gesagt , i(istg , iiiGw u. s. w. und 
flfislgj iiii&v U.S.W, werden ganz unterschiedslos gebraucht, rb Sev- 
xBQov für r^ devrigp gesagt und Aenliches. Auf icaxdj inC fehlt 
öfters der Accent, mitunter auch auf dem Artikel. Bei den 
Namen (auch fapdoAoftarog und MagCa resp. MaQidyi) habe ich 
die Schreibweise der Handschrift möglichst beibehalten. — Für die 
Ueberlassung auch dieser Handschrift bin ich der Kais. Hofbiblio- 
thek zu verbindlichstem Dank verpflichtet. 


Im Folgenden gebe ich die slavische Version der Apokalypse 
in deutscher Uebersetzung wieder: im Text zunächst die peters- 
burger Handschrift des Faisius, in den Noten die Varianten des 
dwiener Codex. Die erstere Handschrift bezeichne ich mit P, an 


die apokryphen Fragen dea Bartholom&iu. 5 

«war mit P* den Abdruck bei Tichonravov, mit P* den bei Titov; 
V ist Cod. Vindob. slav. 125. Ich füge die Seitenzahl der Aus- 
gabe von Tichonravov und die Blattzahl der Handschrift V bei. 
Nach dem Eintritt von 6- biete ich für die slavische lieber* 
Setzung (S) den durch 6 gesicherten Text. 


Die Frage des heiligen Apostels Bartholomäus. 1 

Vor der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus von 
den Toten [und] sprachen die Apostel: Fragen wir den 
Herrn: Herr, offenbare uns die Wunder. *Und Jesus sprach 
zu ihnen : Wenn ich nun <nicht> ablegen werde den Leib 5 
des Fleisches, so kann ich euch nicht kund tun. 'Als er aber 
begraben ward und auferstand, [und] wagten alle nicht ihn 
zu fragen, weil nicht (möglich) war ihn zu sehen, sondern 
die Fülle (? ispoln') seiner Gottheit kund war. *[Und] Aber 
Bartholomäus, herzugetreten zu dem Herrn Jesus, [und] 10 
sprach: Ich habe ein Wort zu dir, Herr! ^Jesus aber 
sprach zu ihm: Ich weiß, was du fragen willst; sprich nun! 
was du nicht denkst (mnisi), aber auch das tue ich dir 
kund. ^Und Bartholomäus sprach: Herr, als du wolltest am 
Kreuz angeheftet sein, und ich von fem dir, Herr, nach- 15 
folgte, [und] sähe ich dich am Ereuz hängend, und die Engel 
kamen vom Himmel herab und beteten dein Leiden an; und 
es ward Finsternis. ^Ich aber schaute hin und sähe dich 
am Kreuz unsichtbar geworden, Stimmen aber hörte ich 


1 „Balophromaas** liest statt „Bartholomäus** stets P | „Die Frage des hei- 
ligen tmd herrlichen Apostels Christi Bartholomäus. Vater segne** V | 2 „Vor** : 
«Nach** Bl. 276^ V, aber vgl. zu Z. 8 | 3 „und- auferstand** Z. 7: „als die 
Apostel den Herrn fragen wollten** V | 8 „ihn zu sehen** : „sein Sehen, weil (?) es 
Tor seiner Auferstehung war** Y | 9 „kund** vMomo : „sichtbar** vidimo Y | „Und** 
<V I 10 «zu— sprach*' : „und sprach zu dem Herrn** Y. | 12 „Ich weiB** : „Mein 
Otliebtar, Bartholomäus, ich weifi** Y | „was** < Y | 13 „nicht denkst (mnisi)— kund** : 
«denkst mich zu fragen, was du nicht gedenkst (pomnisi), tue ich dir kund 
(poTidajati : poT«da ti V) Y | 14 „U. Barth.** : „Barth, aber** Y | „wolltest** chotjale : 
„gingest" i4jale Y. | 16 „Ton fem** < Y | „Herr" < Y | 17 „dein Leiden« : „dich** 
y I „und ef-'Whaate*' : „als aber Finsternis ward** Y | 19 „ans. gew. (Bl. 277') 
am Kr.* V. 


g N. Bonwetsch, 

nur in der Unterwelt und Greachrei und ein selir großes 
Zäneknirschen geschehen. Tue mir kund , Herr , wohin gingst 
du von dem Kreuze. ®Und der Herr sprach: Gesegnet bist 
du, Bartholomäus, mein Geliebter, daß du dies Geheimnis ge- 
sehen hast! Und jetzt nun verkündige ich dir alles, worüber 6 
du mich fragst. ®Als ich unsichtbar ward vom Kreuz hinweg, 
da stieg ich hinab in den Hades, fürte heraus (vgl. hierzu V) 
den Adam und alle Patriarchen, den Abraham, Isaak, Jakob. 
^^' ^'Als ich aber hinabstieg mit meinen Engeln in den Hades, 
damit ich zermalme die festen Riegel und die ehernen Riegel 10 
zerbreche, [und] sprach der Hades zum Teufel: Ich sehe, 
wie wenn Gott auf die Erde herabstieg; und die Engel 
riefen zu den Gewalten sprechend: „Nehmet eure Tore, 
Fürsten, nehmet hinweg ewige Tore, denn siehe es kommt 
herab der König der Herrlichkeit« (Ps.23[24],7). "Der Hades 15 
aber sprach : „Wer ist der König der Herrlichkeit*^ (Ps. 23 [24],8), 
der vom Himmel herabkommt zu uns. ^'Als ich aber herab- 
stieg fünfhundert Stufen, [und] ward bestürzt der Hades spre- 
chend : Ich höre nun den Höchsten atmend , und ich vermag . 
es nicht zu ertragen. ^^Der Teufel aber antwortete sprechend : 20 
Unterwirf dich nicht, Hades, sondern kräftige dich (werde 
stark); denn Gott selbst ist nicht auf die Erde herabgestiegen. 
^^Als ich aber zum zweiten mal fünfhundert Stufen herabstieg, 
und die Engel riefen und die Kräfte : Ergreifet, ^^nehmet hin- 


13 16 24 Psalm 24 [24], 7. 8. 9. 

1 „nur" too*jaP, tjkmo V | 2 „gesch.** byvsi : „plötzlich" naprasnyi besser 
V I „wohin" kamo : „wie" kako V | 8 „der Herr" : „Jesus" V 1 4 „Barth." : „ich 
habe gesehen, was du fragen willst" + V | 5 „Und" < V | 6 „Denn als" Y | 7 „fürte 
heraus" : „damit ich herausfürte" Y | 8 „von Ahr." Y | „Jakob" : „nach . . (po nmo- 
Yoniju Tunä lo^civ, vielleicht verderbt aus luctot Xvtnv) des Archistrategen Michael. 
>*Und Bartholomäus sprach : Herr, aber welches war die Stimme, welche geschah ? 
"Und Jesus sprach :" + Y| 10 „Riegel zerbreche" zatvory slomlju: „Tore zer- 
störe" vrata razoru Y | 11 „und" < Y | „Ich sehe" nach „herabk." inY | 12 „her- 
abst." : „herabkommt" besser Bl. 277^ Y | 14 .siehe" <Y | 15 „herab" : „anf die 
Erde" + Y | „Und der Hades" Y | 16 „Wer" am Rand von 1. Hd in Y | 17 „vom 
Himmel" < Y j 18 „und" wie es scheint < Y | „ward sehr bestürzt" Y | 19 „Ich 
höre— atmend („schnaubend" dysjustju)" : „Ich meine (mnju), daß Ott auf die 
Erde herabstieg, denn ich höre die Stimme des Höchsten" Y | 20 „antw. spre- 
chend" : „sprach" Y | 21 „sondern" : „und" Y | 22 „ist nicht . . herabg." : „steigt 
nicht herab" Y | 23 „Als ich ab.": „Und als ich" Y | 24 „Engel und Kräfte": 
aogli i sily, agglye corrigirt in ag^skye („Kräfte der Engel") Y | „Ergreifet 
(„Nehmet") — denn" : „Ergreifet („Nehmet") die Tore eures Königs und nehmet 
hinweg ewige Torel Denn siehe*' Y. 


die apokryphen Fragen des Bartholom&us. 7 

weg die Tore^, denn siehe „der König der Herrlichkeit^ kommt 
herab (Ps. 23[24],9), [and] sprach der Hades: wehe mir! 
denn (S. 19) ich höre das Atmen Gottes! ^^nd der Teufel 
sprach zu dem Hades: Was erschreckst du mich, Hades, es 
ist ein Prophet, und er hat sich Gotte gleich (änlich) ge- 6 
macht; diesen Propheten wollen wir nehmen nnd ihn hierher 
füren zu denen, welche meinen in den Himmel zu steigen. 
*^Und der Hades sprach: Wer ist es von den Propheten? 
Tue es mir kund. Ist es Henoch, der Gerechtigkeit schrei- 
bende ? Aber Gott hat ihm nicht gestattet auf die Erde herab- 10 
zukommen vor dem Ende der sechstausend Jare. Sagst du, 
daß es Elias, der Bächer? Aber vor <dem Endo kommt er 
nicht herab. Was tue ich, weil es von Gott das Verderben 
ist I Denn schon ist unser Ende. Denn ich habe die Zal <der 
Jare> in meinen Händen. ^^Als aber der Teufel erkannt hatte, 15 
daß das Wort des Vaters auf die Erde herabkommt, [und] 
sprach er zu ihm: Fürchte dich nicht, Hades; wir wollen fest 
machen die Tore und stark machen unsere Ketten. Denn Gott 
selbst kommt auf die Erde nicht herab. ^'Und der Hades 
sprach: Wo verbergen wir uns vor dem Angesicht Gottes, des 20 
großen Königs? Laß mich, widersetze dich nicht; denn vor 
dir bin ich erschaffen worden. — *^ünd alsdann zermalmten 
sie die ehernen Tore und die eisernen Ketten zerbrach er 
(,ich^?). Und ich trat ein und ergriff ihn und schlug ihn mit 
hundert Schlägen und band ihn mit unlöslichen Fesseln. Ich 25 
färte heraus den Adam und alle Patriarchen und kam <wie- 


1 „kommt herab« schodit : „gehet ein« schodit V | 2 „Wieder spricht d. 
H.« V I „0 wehe mir« an d. Seite von 1. Hand in V | 3 „Gottes« : „des Herrn« 
and „Aber du, o Teufel, sprichst: Qott kommt auf die Erde nicht herab« + V. | 
4 „Was« Bl. 278' V | „mich« < V | 5 „und« < V | 6 „Proph.« < V | „wollen w. 
nehmen« da im^ve V, aber so ist offenbar auch das einfache imeve in P gemeint 
od. da KU ergänzen | „hierher« < Y | 7 „zu steigen« vzyti : „daS er steige« vzyti 
emu y I 8 „Der Hades aber sprach zu ihm« V | 9 „Gerechtigkeit« pravde : prav- 
deiveiü V | 11 „Aber du sagst, daB es schon Elias« Y | 12 „vor«: „vor dem 
Ende« Y | 13 „weil — Ende« : „zu unserem Yerderben ist es das Ende« Y | 14 
„Denn« < Y | „d. Zal" : „der Jare" + V | 15 „Als— ihm" : „Und der Teufel sprach 
zu dem Hades" Y | 18 „stark m. . . Ketten« ukripy<?$> vSree V | 19 „selbst" < Y | 
^ommt . . herab" snidet:s'nit Y | „Und" <Y | 20 „Wo verbergen wir uns": 
„0 webe mirl wohin fliehe ich oder wo verberge ich mich"Y | „vor d. Anges. der 
Kraft Gottes" Y | 21 „widers. d. nicht" : „selbst widersetze dich" Y | 22 „zer- 
malmten sie" sotrosa P : s^tvoraiese Y | 23 „und die eisern. Ketten zerbrach er** : 
„und die starken Riegel" Y Bl. 278"". | 24 „trat ein" vüied : sed P* | „und ergriff 
ihn" < Y I 26 „den Adam nnd alle" < Y. 


8 N. Bonwetsch, 

der> an das Kreuz. — '^ünd Bartholomäus sprach zu ihm: 
Herr ich sähe dich am Kreuze hangend und Engel vor dir ste- 
hend, Herr, und die Toten aufstehend und dich anbetend, 
Herr I Tue mir kund, Herr, wer ist der Mensch, welchen die 
Engel auf den Armen brachten , sehr groß , und was sprachst 6 
du zu ihm, aber er seufzte? **IInd Jesus sprach: Das ist 
Adam, der erste Mensch, wegen dessen ich auf die Erde her- 
abgekommen bin. Und ich sprach zu ihm : Ich bin wegen 
deiner und deiner Kinder auf die Erde herabgekommen und 
an das Kreuz gehängt. Er aber antwortete und [und] sprach : 10 
So hast du gewollt (oder „zu wollen genüit^ isvolil), 
Herr! — *'Und Bartholomäus sprach: Ich sähe, Herr, alle 
Kräfte der Engel hinaufgehend in den Himmel und vor dem 
Vater dich lobend, Herr. **Einer aber von den Engeln, vor- 
züglicher denn alle, [und] wollte nicht in den Himmel hinauf- 15 
gehen. Er hatte aber in seiner Hand einen feurigen Speer, und 
er sah auf dich allein, '^ünd alle Engel baten ihn, in den 
Himmel hinaufzugehen, er aber wollte nicht hinaufgehen. Als 
du es aber ihm befahlst, [und] sähe ich feurige Flammen her- 
abkommend von seinen Händen, gehend in die Stadt. ^'Und 20 
Jesus sprach zu ihm: Gesegnet bist du, Bartholomäus, mein 
Geliebter, weil du diese Geheimnisse gesehen hast. [Und] 
Dieser war Einer von den Racheengeln, von denen, welche vor 
dem Tron meines Vaters stehen. Denn diesen Engel sandte 
er zu mir. '"^nd deswegen wollte er nicht hinaufgehen, denn 26 
er wollte die Macht der Welt vernichten. Als ich ihm aber 


1 „zu ihm*' < y I 2 „dich wieder am*' Y | 3 „Herr** < Y | „auferstanden und 
beteten dich an « „Herr**)" Y | 4 „der sehr grosse Mensch** Y | 5 „vor dich 
brachten und du sprachst mit ihm, was seufzte dieser Mensch** Y | 6 „Und** < Y | 
7 „d. erste M.**: „d. Erstgeschaffene** Y | „von dem Himmel auf die Erde her.**Y j 
9 „auf d. £. her. und** < Y | 10 „antw. u. spr.** : „dies gehört habend seufzte u. 
spr.** Y I 11 „So hast du gewollt** zweimal Y | „gew., H.**:gew., Herr, mein 
Gott** Y I 12 „ü. wieder spr. Barth.** Y | „Und ich** Y | „alle Engel** Y 1 13 „und** 
< Y I „V. d. Y.** : „vor Adam** Y | 14 „vorzüglicher** ; „sehr vorzüglicher** Y 1 
16 „aUe** : „die andern** Y | „und** < Y | „in d. H. hin.** : „Dich (Bl. 2790 sehen 
am Kreuz hängend** Y | 16 „Er h. aber** : „Er hielt** Y | „ein feuriges Schwert 
and Speer*« Y | 17 „Und** < Y | ,4n d. Himmel** < Y | 18 „er aber** : „und er*- 

Y I „hinaufg.** vzyti : „sehen hinaufg.** zritiVzyty Y | 19 „her. v. s. H.** : ausgehend 
aud** Y I 22 „dieses Geheimnis** Y | „Und d.**: „Dieser, denn dieser** Y | 24 „d. 
Eng. sandte er** : „d. sandte er mit den Engeln** Y | 26 „hinaufg. in den Himmel** 

Y I „denn^vemichten** : denn mein Yater hatte befohlen und gab ihm die Macht, 
daS er diese Macht der Welt der Jare (des Jares) der Juden (Idtnago tidovska) 
temichte** Y. 


die apokryphen Fragen des Bariholom&tu. 9 

befahl hinanf zugehen, [and] ging eine Flamme aus seiner Hand 
nnd zerrissen habend den Vorhang des Tempels, zerteilte er 
ihn in zwei Teile zu einem Zeugnis den Sönen Israels für 
das Leiden, weil sie mich am Ereuz kreuzigten. 


2 Matth. 27, 51. Marc. 15, 38. Lac. 23, 48. 

1 „befahl" poveKch : poveldcha Y | „in den Himmel hinanfz." V | „und" auch 
V I „Hand" : „er zückte (pusty) das Schwert" + V | 2 „zerr, hab." : „zerhaat ha- 
bend" y I „Temp.:„in zwei"y | „zujeinem" Bl. 279^ V | 4 „Leiden und Kreoz» 
weil sie mich kreuzigten" V. 


••(Bl. 9') . . tög f»£. xal tavta Xiyovtog aiSroD slxev totg iitoötölois ' ^ 
<XiQi>iieivtttd ^s iv xdi töxp tovtp , Su 6ijfisQOv iv r^ naga- 
dsi6a} %v6la ivag>dQ6taiy Iva nagayevdfisvog di^mfLai aiti/^. •'6 
i\ BaQ^mXmiiatog ixoxgid'elg Bvnsv xgbg tbv ^Irjöoijv Köqis^ tCg 
iöuv ij iv t^ naQa8sl0m ivag)£QO(idvri ^vöia; 6 di*Iri6oi}g kiyet 5 
Vv%al dixaimv öi^^bqov ix rot) öAfiatog i^Bld^ovöai igxovtcci iv 
TcSf nagaÖBiörnj xal iäv /ii) naQayivtofiai tröx Bl6iQ%ovxai Ivdo^av. 
*^6 dh BaQd'folmiiatog elnsv Ilööai slölv inriaC^ xiigu^ al bI^bq- 
jfifuvav iv tp nttQads{<6a}> ; AxoxQi^slg dh 6 *Ifi6oi^g bItcbv xgbg 
aiftöv TgBtg b16iv. "^6 <8l> Bag^rnkmiiatog XiyBi avtä Kiigu, 10 


2 . . in/jpati G I naQad.]ca unleserlich | 3 dvciacv G | 4 &no%Qi^tlg < S 
6 &vatp§iftßiihoi G : < S I 6 ei/ifik, i% t. ö^ft. < S | 7 na^ytw . fte G | IJ^;(oirTa» Yass | 
ivdo^. : „in das Paradies** 8 | 8 6 dl : „Und" B \ n . aai Q \ at eloigz. — mvt^ 
»ovra S. 10, 7 anders in 8 | 9 nagadt . . G | 10 dl unleserlich in G. 

'•Und nachdem er das gesagt, sprach er zu den Aposteln: 1 
Wartet auf mich an diesem Orte, denn heute wird dargebracht 
in dem Paradies ein Opfer, damit ich, gekommen, es annehme. 
'^Bartholomäus aber sprach zu dem Herrn : Herr, was ist das 
Opfer in dem Paradies ? Jesus aber sprach zu ihm : Die Seelen 6 
der Gerechten ausgegangen gehen ein in das Paradies; und 
wenn ich nicht komme, gehen sie nicht ein in das Paradies. 
'^Und Bartholomäus sprach : Herr, wie viel Seelen gehen (S. 20) 
aus dieser Welt auf Einen Tag ? Und Jesus sprach zu ihm : 
DreiBigtausend. '^Und Bartholomäus sprach: Herr, als du 10 

1 „Und -sprach er": „Nach diesem sprach Jesus" V | „und er sprach" P | 

8 „in d. Paradies" v' rai : prav P | „damit— annehme" < P | 4 „Barth.— ihm" : 
,yUnd Barth, sprach: Was ist das Opfer der Gerechtigkeit (prava)? Und Jesus 
sprich" P I 6 „ausg^angen" < P | „denn wenn" P | 8 „Herr" < Y | 9 „zu ihm'' 
< P I 10 „Dreitausend" tri tmy V : „drei"? in einem Kreis in P. 


10 N. Bonwetsch) 

Sts (IS ff* '^(i&v rhv Xöyov i8i8a6xsg^ i8i%ov täq 9v<flag iv t^ 
xaQccdsiöq}] iitoxQiffelg di 6 *lfi6ovg kiyei xghg ttdtöv ^Afiifv Xl- 
yto 6oii iyaitvifti fiov^ Stt xal (leff i)(i>(bv %hv Xöyov ididaöxov xal 
idiaXTkag (isrä tov natQbg ixaffs^öfiijv xal iv rp naQadsiöp xad^ 
ixdöt'qv <fiiiiQav> rag ffv6Cag idaxdiiffu, ^^iTCOxgiffslg 81 6 Bag^ b 
ffmXmfiatog Xdysi cciftdi Kiigis^ tgstg (lövov i^vxal iiigxowcu xaff^ 
ixiötr/v fifidgav ; Xdysi a'brdi 6 *Iri6ovg MöXig at nev^/ptovra tgBtg^ 
&ya7trj[ti fiov. ^^ndXiv Bagd'mXmfiatog Xdyec Kai x&g rgstg (lövov 
eMgxovtai sig thv 7iagA8Bi0ov ; Xiyei, ain^ 6 Uri6oi>g At ^ivtoi 
TtBvxf/jixovta tgstg slödgxovtai sig rhv nagdSstöov fjroi inotCffovxm 10 
stg thv xöXjcov j^ßgadfi' at 8i Xoixal ta6iv sig xhv tönov rfjg 
Avaatdösrng^ Sri oihc sMv at tgstg &g oAtal at nsvti^xovta. ^*Xdysi 
aitS 6 BagffcaXaiAatog Ilööai (Bl. 9^) . . <tlyv>%aC^ X'ögis, iv tp 
x66^p 3csgi66al ysvv&vtai; Xdysi aitä 6 'Ji^tfoD^ Mia (lövov 
nsgi66s'6ov6a tibv SSsg%oiidv(ov yswatai ^i^i}. ^^xal tavta Xd^ 15 
yovtog <aAtov> iStoxsv aitotg tifv stgi/pftiv xal &q>aviig iydvsto 

II. ^Höav 8h ot ixöötoXoi iv toi Xsgovßlfi {Astä MagCag, 
*iyyi6ag 8h 6 Bagd'mXmfLatog Xdysi t^ IldtQm xal tm *Av8gda xal 
tm *Ia}dvvji ^Egumi^ömiASV tipf xsxagitmfidvriv Magid^^ n&g öwd- 20 
Xaßsv tbv &xAgfiTOV 1j n&g ißdöta^sv tbv ißdötaxtov ^ n&g 
itsxsv tb triXixoihov ^dysffog. ot 8h i8i6taiov igixnfj6ai aiti^v. 
^Xdysi oiv 6 BagffmXtofiatog ttp Ildtgp' Ildtsg IldtgSj ^if &g 
xogvipatog 6tij6ag ig&tri6ov aiti^v. 6 8h Udtgog t^ 'Imdwjj JSi> sl 
ndgffsvog xal &iisiintog xal %gi/i 6oi igmtflöai aitijif, ^ndvtarv 8h 26 
8i6ta^6vtfov xal dyapißaXXdvtODV iyyC6ag 6 BagfftoXtüyLatog q>cu8gbg 
t6 xgöömnov slnsv aitjj Ksxagitm^dvri, öxipf'^ xsgixofifidvriy &^6' 
XwtSy igat&^dv 6s ndvtsg ot inöötoXoij ind6tsvXdv fu ngög 
6s ^ iva shcijg i^/irv, x&g 6wdXaßsg tbv dx^QV!^^^ 4 ^^S ^ß^' 


3 &yanovxaCQi \ 4 &9t &X^mg G : Adial^cneE, Knrtz | 6 Kvqib — a^al atmv 
Ti}«. : anders S : ich corri^ere an dem Text hier nichts , ohwohl er sichtlich cor- 
nimpirt ist | 7 i{i7)nivti%ovTa Q \ 9 iifv rbpQ \ 10 ^ttQ \ II Caüiv : tMp G Yass | 
12 lalp at G | Xiy, aitth^ G: „Und . . sprach" S | 13 . . unleserlich : e^U Yass | 14 m- 
9f]tftf^ G:<S I yew. ich mit %\lyhovxm G | 15 nBQtcc, ich: nifffiasvttai G | yspv. 
^X^ < S I iByAvtüip G I 16 a^Av Yass | 18 xsQOV(iXpk schwerlich G : „Ort Chritir^ 
Y, „Ort Rhitor"" P | 19 ßa^^atXmiuciav G | 20 . aixa(fritoii,ivnv G | Mag, < S | 22 tA 
TtXoxo^TOv G I of : 4 G I idiet. : ißacrcctav G | aMjw wie es scheint < S | 23 Xiyii 
— Ipdk. aMjp wegen des Homoiotelenton < P | Aiyci—Ba^. : „Und sie sprachen" 
8 I flbff : er wie es scheint 8 | 24 in^aag G | el 8 : cb( G | 25 «al vor &fiinnr, < 8 | 
c6im$ntog G | nix^cai G | 26 dttfra^ %. &iMpiß. : „Als sie . . sich fürchteten" 8 | dy- 
9^ßalX6kvT(09 G I tpaidifbg (oder tlagög oder x^^/ng) 8 : ^eoQti: G | 27 aMjv : 
„Freue dich** 8 | nsQiwiiiihoi G: „Höchste^ 8 | 28 äniot.-^^iU^ < 8 | 29 rdr 
Tor ^%^. zweimal G | ^ nAß Ißd&c. t. iißdnt, < 8. 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. H 

mit uns lehrtest, nahmst da das Opfer in dem Paradies ? Und 
Jesus antwortete : Amen, Amen, ich sage dir mein Geliebter : 
ich habe mit euch das Wort gelehrt und mit dem Vater zur 
Rechten sitzend [und] empfing ich im Paradies das Opfer. — 
"Und Bartholomäus sprach: Herr, wenn dreissigtausend zu- 6 
sammen hinausgehen aus dieser Welt, wie viel Seelen von 
diesen werden der Gerechten erfunden? Und Jesus sprach: 
Kaum zehn. "^Und Bartholomäus sprach : Herr, wie viel Seelen 
werden in dieser Welt geboren? Und Jesus sprach: Eine 
nur ist fiberschussig Ober die aus der Welt Herausgehenden. 10 
— '^Und indem er dieses sprach, gab er ihnen den Frieden 
und ward vor ihnen unsichtbar. 

II. Es waren aber die Apostel an dem Ort Chritir mit 
Maria. 'Bartholomäus aber , gekommen , [und] sprach (oder 
„spricht^) zu Petrus und zu Andreas und zu Johannes: Fragen 15 
wir die Begnadigte, wie sie empfing den Unfaßbaren oder wie 
sie trug den Untragbaren oder wie sie gebar eine solche 
Grösse. Jene aber zweifelten zu fragen. 'Und sie sprachen 
zu Petrus: Vater Petrus, du bist der Höchste, herzutretend 
firage sie. Petrus aber sprach zu Johannes: Du bist ein ma- 20 
kelloser Jfingling, dir gebürt es, sie zu fragen. ^Als sie aber 
alle sich fUrchteten, trat Bartholomäus [aber] herzu mit freu- 
digem Antlitz und sprach: Freue dich, Begnadigte, Tempel, 
Höchste („Tempel des Höchsten^?), Unbefleckte! Wir fragen 
dich alle Apostel, wie du empfingst den Unfaßbaren oder 25 
wie du trugst eine solche Grösse. — ^Maria aber sprach: 
Fragt mich nicht ttber dies Geheimnis ! Wenn ich anfange zu 
reden, geht Feuer aus meinem Mund und verzehrt euch, ^ie 


1 „lehrtest** sIotu ucaSe P' Y:uSa9e P' | 2 „Jes. aiitw.":„er antw. ihm" V 
ein „Amen" < Y | „dir" : „euch" Y | „m. gel. Bartholomäus" Y | 8 „mid" aoch 

Y I „rar Rechten" < Y | 4 „saS ich« Y | „und" < Y | 6 „dreiBigUusend" Y : (T) | 
6 ^ns" Y Bl. 280» | 7 „Und" < Y | 8 „zehn" : „mein GeUebter" + Y | „Und*« 

< Y I 9 „werden anf Einen Tag in der Welt geboren ? Jesus sprach zu ihm* Y | 

10 „überschüssig über** izliSajnltasja ot : ot izlisajnitichsja ot P : izbyyajnltii et Y j 

11 „und** : ,4)enn" P | „indem -sprach**: „hiemach** Y | „und gab** P | „er" : „Jesns" 

Y I „ihnen. . vor ihnen** : „ihm . . vor ihm** Y | 18 „Fragen der heiligen Apostel an 
die sehr reine Gottesmutter** Y Bl. 269, 18 | „aber** < Y | „Chritir** Y : „Ritor" 
P I „mit Maria , der Gottesmutter** Y Bl. 259'' | 14 „Barth, aber** : „Und Barth." 
P I „und" + PY I 16 „Fragt** Y | 16 „d. Begn.** : „darüber** Y | „oder— Untragbaren" 

< P I 18 „sie spr.—dch fürchteten** < P | 22 „trat . . herzu** : „sich zu nahen** 

Y I „aber** + PV | 28 „u. sprach** < Y | „Begnadigte** < Y | 24 „Höchste** Tyt- 
naja: „geworden** byrjü Y | 26 „oder** < Y | 26 „Mar. aber**: „Und Mar.** P| 
87 „ttber dies« Y Bl. 260r | „Denn wenn** Y | 28 „verzehrt** : „verbrennt** V | „Sie 
aber vielmehr** Y. 


12 N. Bonwetseli, 

6ta%aq tbv &ßA6taxxov ^ 7C&q hexsg tb tijXixoikov (liyiB'og; ^ 
dl MagtäfL liysi ainotg <Mii>iQaytati (is nsgl rot) ^v6tfiQ{av 
toikov; iäv ägl^fofuici Idysiv i)^Xv ni^Q ht rot) 6t6fLcct6g (iov ifs- 
keiiöstat xal Kaxa(pXiyBL 7ca6av r^v olxovfidvriv. ^oC dl (UiXXov 
nQ06id'66av rot) igatav aini^. ainii dl fi^ d'iXovöa nagaxovöai 5 
t3iv &no6%6l(Qv ßlxcv 2k&(iav iv xgoösvx'fj, '^xal i6tiffiav ot iitö- 
6x0X01 fini6d'6v MagCag. ttbx^ S\ Xdyei x^ ndxgq) * IlixgB, xogv- 
<patB (Bl. 10^ ocal öxiiXs (idyiöxs , imö^ev ini&v iöxi^cig ; o'öx 
slnsv 6 xKiigiog i^>/l«Si/, 5>xl jtX£q>aXii ivdgbg 6Xgi6x6g^; vüv 
ohv Ivxgoöd'dv fiov öxa^dvxsg sü^m^b. ^ot dh Xdyovöiv aix^ 10 
*Ev 60I xijv öxtjyiiv ainov inri^BV 6 X'6gi,og xal B'ödöxriödv 6b juay- 
gstv aixbv xal 6i> fiäkXov 6g)siXBLg 6widvai dnl xi^v ngo6Bv%i^. 
^^ 8\ kdyBL airtotg ^T(LBlg döxB &0xdgBg XA^novxBg, xa^hg bI^bv 6 
ngoqy^rig * „^ga xoi>g ö(pd'ttX(ioijg ^ov Big xä Sgfj , S^bv ii^Bi 
^ ßo'/fiBiA fiov^j {ffiBlg oiv d6xB xä Spi; xal i)fiäg ÖBt BÜ^aöd'ai, 15 
^^kdyov6i.v «Ärij of inööxoXoi 2Ä xgij <rf}?a(y>^ai, xi^v (irjxdgav 
roD iitovgavCov ßa^ikdmg. ^^IdyBi airtolg Magidii Kaxä x'fyif 
iKxvnfü6iv {)[i&v inXa^Bv 6 ^sbg xä 6xgov^Ca xal ind^xBikBv 
ccinä Big xäg xd66agag youvCag xov xööfiov. ^*of dl Xdyovffiv 
avr§ 'O dv xotg inxä oigavotg [löXig xcagri^Blg Big 6l Bi>d6x'q6BV 20 
<Xaipiydijfvai>. ^'ij Sh Magla l6xri iiiJCgo6^Bv aix&v xal didxBivBv 
xäg XBtgag aixUg Big xbv oigavbv xal Ijg^axo IdyBiv ofixag 'EA- 
q>ovdj ^agsd'gd^ %agßoi^j vB[iLa&j iiBli^&y d'gaßov^d, ^sq>vovv6gj 
XBiiid^j igovgdj [lagid&Vj dXt6&v, ^agynaS&v^ 6Bg>&Vj ii6aßov^&y 
dwovvdy öaxtivög, ad^oAg^ ßBXsXdfiy &q>BAd'^ dß&y XQ^^^Q^ ^ döxiv 25 
r^ iXXrjvidi yX666xi' 6 d'Bbg 6 ixBg^ByBd'iig xal ndv6oq>og^ xal 
ßa6iXBi>g x6v almvcav^ 6 dvBTcdtiiyrixogj 6 ivBxXdXtixog^ 6 xä (ib- 
ydd'fi x&v oigav&v 6v6xri6dfiBvog X6ya xä ndvxa^ 6 dx dyvdrtmv 

8 Gal. 2, 9. — 9 1 Cor. 11,3. — 13 Dan. 12, 3. — U Psalm 120 (121), 1. 

2 M^ 4- S I ^^9'^ xh yuvmlQiov xo^m G | 3 i^pAv G : < S | 4 n&c, v, o^cov- 
liivfiw : „euch*' S | 5 ngociti^oi G : nQoceti^aav Yass | a^ol d^ G | 6 Zr&fisv : 
„Stehet aaf" S | 8 x. otvlt fisy,: „der Apostel** S | fht, 4fftar:„h. mir" S | crslnriQ 
G I 9 (%)vifiog ri(ft)&v S unleserlich inQ \ vvvoiv <H \ 10 ot (^ G) 91 Xiy. : „und 
Petrus spr.** S | 11 6 n^^iog : „Gotf* S | 12 ii&XXov übersetzt 8 nicht | cvviiv. inl 
T. ngoatvx, : „vor uns zu beten** S | 13 6 d^ G | &ctiQ, Idf/M. : „leucht. wie 8f 
8 I U Z»Bv-6^ < Vass | 15iuxl<S | inUigQ \ SxQ \ «dl.: „vor mir'* + S | 16 Xiy. 
— T. fifiti^w : „vor der Mutter** S | . . tf'&ai : zwei (w. e. seh.) Buchst, am Zeilen- 
schluss unleserlich inG | 18 inX. 6^. las vielleicht auch 8 | 19 Ti6ü,'-%6aiiov : „die 
Welt** 8 I teaaffrig G | 20 inrä < S | 21 xm^ti^^ai + Y, davor „weit** prostranno 
-f S (P und Y) I 21 loTi G | 22 '£^901;^ etc. , den Text gebe ich hier nach der 
Handschrift, ttber 8 siehe nebenan | 25 äßidi Yass | 3 imp : „was . . verdolmetscht 
w." P I 26 Tf fU. yX. : „auf hebr&isch** 8 | 27 Avtydi^ynvog G | 28 &yp. ä^^. ich 
im Asschlnsi an 8 : iß6fpm9 (yv6^patp Yass) ä^fUMn/iow G. 


die apokrjphen Fragen des Bartholomäus. 13 

aber fügten vielmehr hinzu sie zu fragen. Sie aber wollte 
nicht den Aposteln gehorchen und sprach zu ihnen : Stehet auf 
zam Gebet! ^Und die Apostel standen auf hinter Maria. Sie 
aber sprach zu Petras: Petrus, Oberster der Apostel, stehst 
du hinter mir? Hat nicht unser Herr gesagt, daß „des Man- 5 
nes Haupt Christas ist, aber des Weibes der Mann^? Vor 
mir stehend betet! ®Und Petrus sprach („spricht^?) zu ihr: 
In dir hat Gott einen Tempel gegründet, und in dir wollte 
(;ygeruhte . . zu^) er umfasst werden , und dir gebürt es vor 
uns zu beten. ^Und sie sprach („spricht^?) zu ihnen: Ihr seid 10 
leuchtend wie Sterne, wie der Prophet geredet hat: „Ich hob 
meine Augen auf zu den Bergen, von welchen meine Hilfe 
kommf^. Ihr seid die Berge, euch gebürt zu beten vor ^^. . 
der Mutter des himmlischen Königs. ^'Und Maria sprach: 
Nach eurem Bilde wurden Vögel erschaffen und er sandte sie 15 
in die Welt "Sie aber sprachen zu ihr: der im Himmli- 
schen kaum Raum hat, wollte in dir weit. ^'Maria aber stand 
hin vor sie und hob ihre Arme empor und fing an so zu 
sprechen: Elfozare. theotha. amolothes. kemnathes. elisoadon. 
eun. nabel. arbar. bautharaeju. alara. edithos (edifos). erys. 20 
saktinos. theotha. araniatha. nejunas. maridam. marmarii. geo- 
thes (geofes). thurnamu, vochsarii : was auf hebräisch verdol- 
metscht wird: Sehr großer Gott und sehr weiser und König 
der Aeonen, unaassagbarer, unaussprechlicher, der die Größen 
des Himmels eingerichtet hat, durchs Wort alles, welcher har- 26 
monisch eingerichtet hat den Kreis des Himmels und ihn(?) 
gefestigt hat mit nicht Erkanntem und die Finsternis einge- 

6 1 Cor. 11, 8. — 11 Dan. 12, 3. — 13 Psalm 120 (121), 1. 

2 „und'* < V I 4 „der Apostel : aple : . . . Grofter'' stol'ne velikyi V | 6 „aber 
—Mann« < V | 7 „stehend« < V | „Und— ihr« : „Petr. aber sprach« V | 8 „Gott« 
bü : „denn« bo P : < V | „und« < P | 9 „wnfasst w.« ymistitisja : „ Wonung machen« 
Vselitise V | „und« : „denn« P | „vor. u. z. b.« : „zum Gebet vor uns zu stehen« V | 
10 „Ihr seid« V Bl. 260^ | 13 „vor— Königs« : „vor mir« P | U „Wieder spr. Mar.« 
V I 16 „w. erschaffen« sozdaiaeja : „ward ersch.« sozdasja, sü V : vielleicht las auch 
„schuf Gott« sozda V S wie G | 16 „im« < P | 17 „kaum« edva ; „o Jungfrau« 
dro P I »weit« : „Baum nehmen« + V | 18 „und« vor „fing an« < V | „so« < 
P I 19 ,y£le fuzar'ther. thamolothe. kemgather. elisoadone. eunu. aveloar'var'e. 
oal^tarasu. aUuri elL thosurif. naktinos'. theothea. ar'neniofa. iaunasu. iartidam. 
iannarii ieofos. ienri. im'uch V : „th<* und „f * sind nicht zu unterscheiden. Im 
Text stehen die Worte wie sie P bietet | 23 „Sehr** < V | „u. sehr weiser** < P | 
24 „unaussagb. , unausspr.** : „unsichtbarer** V | „den** oder „der** „Grfiien** P, 
ndk Qröie** Y | 26 „und durchs W.** V | 26 „d. Kreis— einger. hat** Z.27 < P : V 
BL a61' I 27 „mit nicht £rk.** nedoTidomom. 


14 N. Bonwetsch, 

ägfiovitiov «ölovg oigaviovg 6vv6xr^0afuvoq %ul 6v(Mtijiag^ 6 r^ 
diAtQixov vkriv (Bl. 10^) <6>%'qiLaxC6ag^ 6 xä &0'66xaxu Big öii^xa- 
6iv Ayaytbv, 6 xb ^(og)e<Q>bv 6x6xog &7tb xov g)mxbg dia%<0QC6ag^ 
6 d'BiisXiiyug iäixmv 6w6xri6dii€vog inl xb aixöj 6 rc&v <iv> 
alftiQBi ysvöuBvog xQÖfiog xal x&v imyBi&v g)avslg g>6ßogy 6 xifif 5 
yi^v idgd^ag xal nij Bidoxi^öag ccixifi/ &noki6^ai, Zxi nivxoav xijv 
XQogyijv, yilv 'bsx&v nlrigmöag^ x&v silöyog xov xatgög. bv inxä 
oigavol fiökig ixAgriöav, iv ifiol dl Bidoxiiöag Avo8vv<og XOjQtj' 
^i'j^ai, 6 nXiiQfig Xöyog ccbxbg 'bniQ%mv xov naxgbg xal iv 6ol 
xdvxa yiyovBV. dbg dö^av x^ inBQ(iByid'6i 6ov ivö^ati xal (pd'iyia" 10 
0^al IIB xikBv6ov ivAmov xSyv &yia>v 6ov ixo6x6l(ov. ^*xcci 
xlrjQAöag xijv jtgoöBvxiiv Ijgiccxo Uysiv ainotg' Ka^iömiiBv inl 
xo%i i8dq>ovg ' xal iXd'} 6'6^ IlixQB xogvipatB, xal xd&iöov ix dBh&v 
fiov xal imößaXXov xipf BiArv^iöv 6ov x^^Q^^ '^^b xijv yiaöxiXrpf 
fiov* xal tfi5, ^Avdgiaf noirj6ov offrcD^. 6i> di^ ^Imdwri xagd'ivBy 15 
öiiöxs fiov xb öxf^d'og. 6i> di, Bao^calmuatB ^ n^^ov xä yövatd 
6ov Big xoifg A^iovg ^lov xal ötply^ov xoiyg A^iovg fiovy /ii} noxB 
iifiafiivfig f»ov XiyBiv Xv^Mi xä 66x& [lov, ^^xal Ag ixolBi oikcog 
IIqIoxo XiyBiv * ^Slg fiiir/v iv r^ vccji xov ^-bov Xaiißdvov0a XQoq>iiv 
ix x^^Q^S äyyiXoVf luqi xSyv iuiBQ&v iq>dvfi fioi ByyBXog^ ^i6Bi fihv 20 
iyyiXov xb dh xqööomcov aifxoü fyf &x^QV^^^9 ^^ ^X^"^ ^ ^S 
2et(»l ivörot) &qxov ^ noxi^giov xa^Ag 6 nglv igx^f^^'^og ngög (ib SyyB- 
Xog. ^^xcA Bi&i>g ö^BQifdyri xb itinXov roD vaov xal 6Bi6fi,bg 
iyivBXo 6q>odQ6gy xal inB6a iyh inl xijv yilv [xal] (Bl. 11') ft^ q>d- 
Q0v6a xifif 18 im oAxov, ^^6 dl i}icißaXBv xip/ x^^9^ aifX<ov> xal 25 
i^Bigiv fUy xal ävißXBtl^a Big xbv oigopöv^ xal ^X^bv vBipiXri dgö- 
6ov Big xb iCQ66m%6v [tov xal iQdvxrfiiv /i£ inb XBq>aXf^g Stog 
xodAv xal ixifMcii (is rg tfroAg ainoO. ^^xal slnsv {lOi XuIqb 


1 nach tfv^iri({. yielleicht „ihm'' + S | 6 r^v— tf^^f». etwas anders S | 2 .^f]^ 
fMKTiftfoe^ I &9i9ta G | eiö^naaiv | 8 («»^c . ov G | 4 tddxav | tb a^& G, r^^ 
a^^ VasB I h + Yass | 5 yiw6(i8vog auch G | tQ6fi09 ich : 9ü6^v GS | 6 äno- 
liaxai G | iti~-9UttQ6g corrompirt: yielleicht ist 6 ndvxmv didohg riiv tifo<pifv 
zu lesen, sowie 6 dv äü {al6viog){7) l6yog t, natg. \ Zti ((Sta Yass) mvtmv: 
„welcher immer'' {6 ndvtott) S | tiiv^t^l6ytag < S | 7 roü natf^bg : „dem Yater 
das der Gotth." S\hßiiv Q \ 8 (üxovg G | 9 altbg ich : oltag G, o^ag Yass | 
T06 tuer^bg < 8 | 10 ^tQi^iyt^a G | 11 %alls6ca G | äy^av < S | 12 Ijgiavta 
G I aitolg<0 | 13 %ai H».^6&tä ffo« Z. 18 < S | ilM a6 : iX^oü^ai G : vielleicht 
ist etwas aasgefallen | 14 ^6paXlov G | luccxdXriv YMSiiiaax^v G | 15 o^mg: 
Aaa^mg ? | 17 atpi^ow Q \ IS &g ht. o^mg 8 | 19 ii^^ama G | vgl. Protevang. Jac 
Cp. 8 I la^vin)6avG | 20 fuf t. V <3 I ^yyc)loff : „er selbst" 8 | ffr^< 8 | 21 ^v 
< 8 I vor o^ „nnd" + 8 | 22 xqIv : „immer" 8 | 28 M^dyti G | nixXov £. Kurts: 
nimtwß Q: »d. 8chmack*' 8 | m96yM Q | 24 r. yffwi „d. Angesicht" 8 | »al<S| 
85 htif,^m : „rief mich" 8 | «itoe : nur avt leserlich in G. 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 15 

richtet hat» welcher das nicht Eingerichtete zur Einrichtung 
geordnet hat, der die dunkle Kacht von dem Licht getrennt 
hat, der die Fundamente des Wassers eingerichtet hat zusam- 
men, und die (1. ^^der^) Himmlischen und den Lauf der Lrdischen 
kund tat, die Furcht, welcher die Erde gegründet hat und sie 5 
nicht ließ vergehen, welcher immer dem Vater das der Gott- 
heit (so), welchen die sieben Himmel kaum umfassen und der 
in mir wollte („geruhte . . zu^) leidenslos umfaßt werden , das 
volle Wort selbst seiend, und durch dich wurde alles. Gib 
Ehre deinem sehr großen Namen und gebiete mir (S. 21) zu 10 
verkündigen vor deinen Aposteln. 

'^Und nachdem wir das Gebet geendet, [und] sprach sie: 
Setzen wir uns nieder auf die Erde. ^^Und sie fing an zu 
reden: Als ich im Tempel Gottes war und Speise empfing 
von der Hand eines Engel, erschien er mir selbst in der Ge- 15 
stalt eines Engels ; sein Angesicht aber unfaßbar, und in sei- 
ner Hand nicht habend Brod noch Becher, wie immer der 
Engel zu mir kam. ^^Und plötzlich zerriss der Schmuck (die 
Schönheit) des Tempels und es ward eine sehr große Er- 
schütterung. Und ich fiel auf das Angesicht, nicht ertragend 20 
seinen Anblick: ^^£r aber rief mich, und ich blickte auf zum 
Himmel , und es kam eine Wolke des Taus auf mein Ange- 
sicht und besprengte mich vom Haupt bis zu den Ffißen, und 
er wischte mich ab mit seinem Gewand. ^"Und er sprach zu 
mir : Freue dich, du Begnadigte, du auserwältes Gefäß, Unaus- 25 
sprechliche an Freude. Und er winkte mit seiner Rechten, und 
es ward ein sehr großes Brod, dessen Glanz der Sinn eines 
Menschen nicht auszusagen vermag, und es ward ein Tisch, und 
er legte das Brot auf den Tisch und aß erst selbst und gab 
mir. ''Und er winkte mit der linken Seite seines Gewandes 80 


1 „zV : „die«" P | 2 „der d. d. Nachf" : .and'' V | 8 „eiliger, hat'' : „dnrch 
das Laufen" + P I n>^* » und" : „zus. aber" oder „zus. auch" P | 4 „den Lauf" 

< P I 6 „knnd tat" javi : wol ans „erschienen" jayiysja (es folgt strachovanie) | 
6 ,^ht gelassen habend" (ostaviv für ostavi) Y | „welcher— Gottheit" < P | 8 „lei- 
denslos" < P I „unfasst werden" : „Wonong machen" V | 9 „Wort selbst" sam 
slove P : Tsimi V | 10 „und" < P | „zu verkünd." izveSuti : izvisUmi V | 12 „und 
wir sprachen" V | 13 „Setzen wir uns" : „Fallen wir** P | „zu ihnen zu reden" Y | 
16 „and erschien" P | „selbst" < Y. | 16 „e. forchtb. Engels" Y | „and sein An- 
gas." Y I 17 „Hand" V BL 2ßV \ „hatte er nicht" Y | „inuner von Gott" Y | 18 „Und" 

< P I 21 ,^. Anblick" : „den Sichtbaren" P | 28 „v. Haapt-micb ab" < Y | 26 ,^ 
Freode" radosti : „freue dich'* radoise Y | 27 „dessen -w. e. Tisch" < Y | 29 „d. 
Tisch d. Tempels" Y | 80 „auch mix" Y | „Seite seines Gewandes** : „Hand" P. 











^i^^^rrÄr^^i 



die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 17 

und es ward ein sehr großer Becher voll nnaussprechlicben 
Weins, und nachdem er zuerst getrunken, [und] gab er mir. 
Und ich blickte auf und sähe das Brod ganz und den £elch 
yoU Weins, ^ünd er sprach zu mir: Nach noch drei Jaren 
sende ich dir mein Wort, und du wirst meinen Son empfangen, 5 
und durch ihn wird die ganze Welt errettet werden ; du aber 
wirst sein die Errettung der Welt. Friede dir, Geliebte, und 
mit dir wird mein Friede immerdar sein. '^Und er ward un* 
sichtbar. Und es ward der Tempel wie zuerst. ''Als sie 
aber dieses sprach, ging Feuer aus ihrem Mund und da die 10 
Welt enden wollte, erschien Jesus und sprach: Maria, tue 
nicht kund diese Greheimnisse ; wenn du aber es kund tust, 
80 endet heute die ganze Creatur. Und die Apostel wurden 
von Furcht umfangen, es mochte uns der Herr zürnen I 

m. Und er ging mit ihnen herab auf den Berg Mauria 15 
(wol „Moria^) und setzte sich in ihrer Mitte. 'Sie aber trugen 
Bedenken ihn zu fragen [und] sich fürchtend. 'Und Jesus ant- 
wertete : Fraget mich, worüber ihr sinnet, damit ich euch be- 
lehre. Denn noch sind sieben Tage, und „ich gehe hinauf zu 
meinem Vater ^ und erscheine euch nicht femer in dieser 20 
Gestalt. 'Sie aber zweifelten und sprachen zu ihm: Herr, 
zeige uns den Abgrund nach deinem Rat. ^Und Jesus sprach 
zu ihnen: Gut wäre euch die Tiefe nicht zu sehen; wenn 
ihr aber wollt, so nach der Verheißung folget mir und ihr 
werdet sehen. *Und er fürte sie an den Ort genannt der 25 
cheruktisische, das ist Ort der Warheit. 'Und er befahl den 
Engeln des Westens, und sie bewegten die Erde wie ein Ge- 
wand, und es erschien der Abgrund. ®Als aber die Apostel 
gesehen hatten, fielen sie auf ihr Angesicht. 'Jesus aber hob 
sie auf und sprach : Habe ich euch nicht gesagt, daß es nicht gut SO 

19 Joh. 20, 17. 

1 „miatisfliprechl/' < V | 2 „zuerst" < V | „gab er auch mir*' V | 8 „u. wie- 
der den Kelch voll** (one „Weins*) V | 4 „Koch drei Jare, ich sende** V | 6 „Weif* 
mir : „Creator** twar Y | 7 „wirst sein** Y BL 262' | „und** < Y | 8 „plötzlich un- 
sichtbar** Y I 9 „Und als sie dieses** P | 11 „Jesus** : „Christus** P | „und** < Y | 
14 „d. Herr** : „Jesus** Y | „zürnen** razgndyaet'sja : razndvaetse Y | 15 „U. er g. . . 
her.** i snide : „Und er ging hinaus** richtig izyde Y | 17 „vielmehr aber sich 
furcht.** Y I „antwortete^: „sprach** P | 18 „worüber** o nemze : onyie m*ie Y (das 
2. war offenbar in der Yorlage als Correctur übergeschrieben) | 19 „Und denn 
noch** Y I 20 „euch femer** < P | 21 „u. sprachen** Y Bl. 262"" | 22 „n. d. Bat« 
<P I „deinem** : „diesem** Y | 23 „Gut** : „Besser** P | 27 „sie bewegten** yozdvigosa : 
XYyie Y | 28 „Und als** P | «Apostel"* : „Engel** P | 29 „Jesus** : „der Herr*« P 
30 „euch nicht gut** P. 

ECL 0«. «. W. MMkrt«Mw. PUtolOf ..ikliUr. Dmm. 18t7. HtA I. 2 


18; N. Bonwetsch, 

^6 de ^Iritfovg Hysigev aitoi>g Xiymv Oix eiTtov iy^lv^ oi xak6v 
iötLV ISelv xipf aßv66ov'j xal ndhv ivevösv totg iyyiXoig xal 
ijt6xakv(pd"ri ij äßvööog. 

IV. Kai ncLQakaßhv aitoifg ani^Qx^^ ^^^ ^^ ^9^^ ^^^ ^Ekai&v. 
HkByev 81 6 IlizQog zy Magia KB%ttQix(oiLiv% SBi/firiti xov xvqiov, 5 
Xva ri[itv n&vza ijtoxaXiitlyg tä iv totg oigavotg, ^tucI ^ Magia 
ngbg nixQov alnBv ^Axgötofie IUxqb^ oijijL inl eh ^xoS6firi66v 
<6 xvQiog> xiiv ixxXriöiav ; 6v ovv ng&xog ild'oyv igdnriöov ainöv. 
^nakiv 6 JlexQog kiyai UxriP'^ XBTckaöfiivfj • . ^Ma{BL 12')pea 
keysL' 2}b xb ixxiincoiuc xov^Addfi, oix aircbg oiixiog ixkdöd'ti xal 10 
oikag Eva ; ßkdxs xbv rikiov oxi xaxä xbv xvxov xov ^Aö&yL Aaft- 
XQÖg iöxiVy äiä äh xijfv xagdßaöiv xfig Evag ßkine xijv 6ek^riv 
Ott Jttikov na^kiijQmxai, i&exo yäg 6 d'sbg xbv ^Adä^ eig ivaxokdg^ 
xrjy äh Eüav xgbg dv6^äg xal diexdSaxo xolg äöxQOig^ äöxe fpaC^ 
vBiv iitl xf^g y^g xbv [ihv f^kiov xtp ^Adafi ii ivaxok&v nvgivotg 15 
&QfLa6Lv , xij(v dl öskijvriv inb Övöfiäg yakaxxonQÖömxov q>iyyog 
Si,66vat xfi Evff' xal i(iiavev xb TCQÖöxayfia xvgiov. äiä xoiho 
ixrikd)^fl (S. 16) 1^ öekijvri xal ov kafiXQvvei xb q>iyyog aix^g. 
6v ovv ixeiäii <bI> xb ixxv3CO(ux xov Aädfi^ 6v 6q>€ik£ig iQOjxav^ 
iv ifiol dh ijj&QKfiBv Öiä xb avaxakiöaö&ai fi£ x^ iöxvv x&v 20 
^rikeiav. — *^oxe äh ivrikd'ov eig xip/ xoQvg>iiv xoi) ÜQOvg xal fit« 
XQbv i)na%(hQri6Bv dii avx&v 6 deöjcixrig^ kiyei 6 IlixQog ngbg 
xiftf Magiav Ei) d Tucxagyi^öaöa xijv iö%vv x^g E&ag^ ixb al0%'&- 
vvig Big x^Qdv ^Bxaßakkovöec^ öol ovv S^böxlv igcmäv. — '^xdktv 
q>avivxog xov 'Iijöov kiyBL ain^ 6 Bagd-mkoaiiatog Kvqu, ÖBiSov 25 
ilfilv xbv avxiTcakov xav avd'QÜnmVj Iva d'BaödtiiB^a ainbv öxotög 
iöxLV ^ <xi> xb igyov ainov i\ nöd'Bv bgiiäxai ^ xoiav Övvaiiiv 
i%Bi^ oxi xal 60V ainov ovx iq>Bi6ax0j akk^ inoiriöiv 6b inl ivkov 
xQBiia6d^ai. — *^iytoßkB^d(iBvog dh aixbv 6 *Iifi6oi)g kiyBi ain^ 
^ xagdia aiöexnigd' & oi dvvQ ^BtoQBtv ixBtva iganäg. — ^6 äh 30 

10 1 Cor. 11, ö. 9. 1 Tim. 2, 18. 

1 iiiuv G I 5 riip fMc^io^ | nixagir. : „Palast (Tempel) und gestaltete Wo- 
nong*' + S I 6 ^fMy O \7 ini <fh: htoCriav G | oinod^r^atp Vass : iloXr^cew oino- 
doitijcat S I 8 ovv nQ^tog < S | 9 ndUv • mnXaaii, < S | mnluvf^hri G Vass | 
..:„.. denn du— Höchster** S | %al Muq, S | 10 Uyn: „zu Petrus** -f P | r6 i%tv7t.: 
„von d. Stamme** S | a^6ff ovro^ G : oitog n^tog mit Recht) S | %, o^ag : 
„hernach aber"* 8 | 11 ori: „wie** S | XafLn^mg G : „Toranstehend** 8 | 13 nvlbg G : 
nr^lbs Vass : „Blässe** S | ^ibg : f,%vQics 8 | 14 t. £<rr90i^ : „beiden Leuchten** 
richtig 8 | 15 inl tijg yfjg < 8 | xvQiv. uQ{k, < 8 | 16 yaloLx^aniq6aaniov G Vass | 
17 dMvai : „wie es geg. ward** S | tjj Eim wiederholt in 8 | 19 htudri et : ini9iC 
G j httnuafULv G | 20 it^ . . ^1 : „für mich, denn in*' V | 9ui--l9%hv : ? 8 | 21 8vc 
dl : „Und als** 8 | ivi/iU^iv G, &v1lU^$v Vass | 23 (ui^üx Q | Icx^'- «^«Z^f^^^ - >iUe- 
bertretung** 8 | 24 col-i^wtäv < 8 | xdUp : oiv oder fäv + 8 | 26 aMv < 8 | 
27 ^ n6^t9-ix9i<S I 29 änofL dlinai itno^X. 8 | 80 ^A: „In dir*' oder „Dir** S. 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 19 

ist, die Tiefe za sehen? Und wieder winkte er den Engeln, 
nnd der Abgrund ward zugedeckt. 

IV. Und er nahm sie und fürte sie auf den Oelberg. 'Und 
Petras sprach zu Maria : Begnadigte, Palast (^Tempel^ polato) 
und gestaltete Wonung, bitte den Herrn, daß er uns kund 5 
tue, was in den Himmeln ist. "Und Maria sprach zu Petrus: 
Scharf behauener Stein, hat nicht auf dir der Herr geboten 
die Barche zu gründen, herzugetreten frage ihn. *.. denn du 
bist der Tempel des Höchsten. ^Und Maria sprach zu Petrus : 
Du bist von dem Stamme Adams , bist nicht du zuerst ge- 10 
macht, hernach aber Eva? Siehe die Sonne, wie sie nach 
der Grestalt Adams voranstehend ist; siehe aber den Mond, 
wie er von (S. 22) Blässe voll ist wegen der Uebertretung 
der Eva; der Herr hat den Adam in den Osten, aber die 
Eva in den Abend gesetzt; und er befahl beiden Leuchten 15 
zu leuchten, die Sonne zwar dem Adam im Osten, aber dem 
Mond von Westen mit blassem Angesicht zu scheinen der 
Eva, wie es gegeben ward der Eva; und sie befleckte das Ge- 
bot des Herrn, und deswegen ward dunkel der Mond, und 
sein Licht scheint nicht. Du nun bist das Bild Adams, dir 20 
gebärt zu fragen für mich, denn in mir machte er Wonung, 
wie . . der Frauen. *Und als sie auf den Gipfel des Berges 
gingen und der Herr sich ein wenig von ihnen trennte, [und] 
sprach Petrus zu Maria : Du bist es , die unwirksam gemacht 
hat die Uebertretung Eva's von Schmach zur Freude umwan- 25 
delnd. ^Nachdem nun Jesus wieder erschienen war, sprach 
(oder ^yspricht^) Bartholomäus zu ihm: ^^Herr, zeige uns den 
Widersacher des Menschen, damit wir sehen, wie er ist, oder 
was sein Werk, daB er dich selbst nicht schonte, sondern 
machte, daß du an das £reuz gehängt wurdest. *Und Jesus 30 


1 , jene Tiefe" P | „Und er befahl" P | 2 „und" < V | 3 „wieder auf" V 
„Und" < V I 6 „und" < V | „den Herrn, deinen Son" V | 6 „in d. Himm." V 
iil. 2Ö3» I „U. Mar." : „Mar. aber** V | 7 „auf (?) dir" o teb« : „v. dir»* ot tebÄ V | 
^geboten" : „gespr." P | 8 „und herzugetr." P | „herzugetr. fr." priatupiv Tosprataj : 
„tritt herzu, frage" pristupi YupraSaj Y | 9 „Und~ Petrus" : „Und wieder sprach 
sie noch" V | 10 „zuerst" < P | 12 „Adams" < P | „aber**<P | U „d. Herr"*: 
„nnd er" P I 17 „d. Eva" < P | 18 „und wie" V | „weil sie abertrat d. Q. Gottes"* 
P I 20 „sein—nicht" : „er scheint nicht hell" V | „bist" V BL 263^ | 21 „für mich 
—Frauen" : „o Petrus" P | . . oteti ponoienie V | 24 „Maria" marii : „Mutter** mtri 
P I 26 „umwandelnd" < P | 26 „Und nachdem" one „wieder" P | „Jesus" : „Petrus** 
P 1 27 „zu ihm** < P | 29 „schonte** poStedd Y : „scheute** „sich schämte* posty- 
deaja P | „sondern" : „und" P | 30 „gehängt** : „angeheftet** P. 

2* 


20 N. Bonwetsch, 

Bagd-cokcaiuttog ntorid'elg i%B6Bv ngbg toig xööag toi; *Iiföov Tcal 
flglSaxo kiysi^v (Bl. 12^) ovtiog' JafintiiQ äeßeöte, xvqls ^IrjöoO 
XQi6ti^ &vixX€LntSj 6 tijy xayxö^iiiov %dQiv dmgriödiuvog toHg 
iyan&0iv 0s^ 6 tb almviov g)&g diOQti^dfiBvog diä tijg iv 9t66fMp 
6ov 7tUQOV0lag^ 6 tri^v &v(0 oiöiav X6yp . . ytatgbg Igyov htits* 5 
li0ag^ 6 vb öxvd'Qfonbv rot) ^ASäyL slg 6'&q>Q06vv'qv nszaßaltbVf 6 
tiiv kvjcfffv tf^g Eüag %aQUvti ngoöAnq} xaxoQyi/fiug äiä tvjg ix 
xag^ivov [iifftgbg] <ysv6äg>' i(ivri6i7tixiog fiot %iüQifffrfiov xbv 
Xöyov tfig inBQfQxifflBmg. ^^xal tavta kiyovtog ainov fjysiQBv 
uircbv 6 *Iri6ovg <xal> kiysv a{n^ * J3ovAg Idetv^ Bagd'mkmiiatSj 10 
rbv icvtCnakov t&v iv^Q^Ttayv] liyc3 S% Zti ßkimav ccörbv oi 
fiövov dh 6'6j &kkä xal 6vv 6oi ol inöötokoL xal Mccgia 7Cb6bIö^b 
inl ngö^canrnf xal yivsö^s &g vsxgoi, ^^ndvtsg dl bIxov txin^' 
KvQUj ^ea66iL6^a ccötöv. ^K . totg taQZtcQovxoi^g äyyikoig, Ivsvöe 
8h rbv Mnai^k 6akni6ai iv t^ ütl^si x&v (ybQavSyv^ xal iösiö^ 15 
1^ yfj^ xal inrlk^ßv 6 Bekiag xaxsxö^svog inb ifaxoöÜDV i^i^xovxa 
[xQi&v] <&yyik(ov> nvgivoig &k'66B6iv dadsiiivog. ^'^ dh xb ^vj^ 
xog aixov nri%iaav xikiav ÜSaxoöicav xal xb xkdxog aixoi} nrixiav 
xeööagdxovxa xal xb XQÖötoxov aifxov &g äexQanii nvqbg xal ot 
6q>^aki»,ol (tifxov ioq>Ad€ig xal ix x&v fivAv aixoi> iiiQ%Bxai 20 
xanvbg 8v6 Adrig* fyf i% xb 6x6(La axytov hg xiö^uc x(»vfii/ot), i}v 
dl xal 1^ fUa scxigvi airvoi) nvjximv bySoifuxQvxa. ^*xal ei^img 
(S. 16) Idövxsg avxbv oC i7t66xokov i%B6av inl ngööcoTCov (BL 13^) 
inl xijv yfjiv xal iyivovxo &g ol vbtiqoL '^6 dl ^Iij6ovg iyylöag 
IjysiQSv xoi>g ixoöxökovg Ttal Idmxsv a'öxotg xv€i>iia dwäfisrng 25 
xal kiysi x^ BaQtmkayLaip "Eyyiöov^ BaQ^mkiOfLaUy xal nAttfiov 
xtybg xödag 6ov slg xbv xgdx'^^ov ainov, xal Iqsl tfot xb igyov 
a6xoi) , xl iöxiv ^ %(bg äitaxqi xoig ivd'QOMtavg. ^^6 dl ^bfi^g 
i6xri ixb imxxq6^bv (uxä x&v &xo6x6kmv, ^^xal ^io66v xifv 


1 ntviif^tU < S I 2 4p|. {^^iamoQi) Xiy. : „sprach" S | %6^ts<S \ ^itvinUixtt^ 
XaQiv : anders 8 | <& G | 4 cb G | ^i^ : „wegen«' S | 5 r^g . . a^ciag 7 8 | natgl G 
iifyov : „auf der Erde das Werk** S: der Satz ist so wie er lautet unverständlich 
6 iikBtapall&v G I 6 : „und^ S | 7 xa^Um ich mit 8 : xag^ri tA 6 : x^p^^ ^b 
Vass I x^cmnov G Vass : yieUeicht X6yip mit S | 8 i^qc G : y$9i&s 8 und 4- »Wo- 
nung gemacht habend^ | &iivric. : vielleicht &%d%ng 8 | xfl^r^^o«' '• n^'^®*' ^ 1 
9 a^oO : „Bartholomäus" 8, gleich darauf aber £a^oX. < 8 | 11 liycD : „wisse** 
8 I 13 yipB^^ai G | 14 . . : „Und— an«" 8 | 14 iv, dh:*al iv, %\\h tAv oIq, : „mit 
d. Posaune seiner Kraft** V, < P | ical-y4:„Und zu d. Stunde** 8 | 16 ». &xflU^.: 
„w. herausgefürt** (^£41^.?) 8 | 17 &yy. ttvg. itX'69, %\ti^vAv nvplvmv itXLoUamv 
G I vgl. Pass. Barthol. Cp. 7 8. 266, 14 ff. | 18 x^kimv < 8 | m^o/o^ fi' G : „sieb- 
zehn** 8 I 19 of 69^. di 8 I 20 &>9<lbaeiff : „wie Funken** 8 | 21 n^fivo« : es endet 
8 1 22 6ydoi{». : x' | 29 ((xofMix^tf^cv G. 




die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 21 

aufgeblickt habend, sprach zu ihm : In dir ist ein hartes Herz, 
was da nicht sehen kannst, das fragst du. ^Bartholomäus 
aber fiel nieder zu den Füßen des Herrn und sprach: Nicht 
verlöschende Leuchte, Jesus Christus, des ewigen Lichtes, der 
unaussprechliche Errettung Gebende den dich Liebenden, der 5 
das endlose Licht Gebende wegen deiner Herabkunft in die 
Welt, des Seins droben durch das Wort des Vaters auf der 
Erde das Werk vollendet habend, welcher die £ümmemis 
Adams in Frohlocken gewandelt und das Leid Evas unwirk- 
sam gemacht (vernichtet) hat, durch das gnadenreiche Wort 10 
und die Geburt von der Jungfrau Wonung gemacht habend 
schuldlos, würdige eines Wortes das Fragen. ^^Und als Bar- 
tholomäus 80 redete, richtete Jesus ihn auf und sprach zu 
ihm: Willst du sehen den Widersacher des Menschen? wisse 
aber, daß wie du ihn schaust, ihr, nicht nur du, sondern auch 15 
die mit dir seienden Apostel und Maria niederfallet und wer- 
det wie Tote. ^'Und alle sprachen : Herr, daß wir ihn sehen ! 
^*Und er fürte sie vom Oelberg und ordnete an den En- 
geln der Unterwelt und befahl dem Michael zu posaunen in 
der Höhe mit der Posaune seiner Kraft. Und zu der Stunde 20 
ward der Teufel herausgefürt , gehalten von sechshundertund- 
sechzig Engeln, gebunden mit feurigen Fesseln. ^^Es war 
aber seine Höhe sechshundert Ellen, seine Breite aber sieb- 
zehn, sein Angesicht aber wie Feuer des Blitzes, seine Augen 
aber wie Funken, und von seinen Küstern ausgehend ein stin- 25 
kender Geruch, sein Mund aber wie ein Schlund der Tiefe. 
Unserem Gott aber sei Ehre in Ewigkeit! 

1 ,imd sprach" P | »In" < P | 2 „was— fr. du" : „du kannst ihn nicht sehen" 
P I 3 »fiel— Herrn" :„niedergefaUen zu seinen FüSen" P | „spr. zu Jesus Christus" 
V I 4 , Jes. Chr." < V | „der unausspr. Err." : „Err., Unaussprechlicher" P | 6 „Ge- 
bende* V fil. 264' I „Gehende— droben" : „und Unsichtbarer, in die Welt gekommen" 
P I „Gebende" : „der beständigen Jungfrau" + Y | 7 „durch d. W." slovom S : „d. 
W." sloTO V I „a. d. Erde" : „und" P | 8 „welcher" : „und" P | 10 „durch— habend" : 
„deine Geburt" P | 13 „richtete — auf" und „zu ihm" < P | 14 „wisse^schaust" : 
„and ihn schauen" P | 16 „seienden'' < P | 18 „ordnete an" pocinu V : „gebot" 
poveld P I 19 „zu posaunen" V Bl. 264^ | „in d. Höhe—Kraft" : „Und Kichael po- 
launte" P | 22 „anderen Engeln" V | 23 „aber" < V | „s. Höhe" : „die H. dieser 
Schlange* P | „seine Br. a. siebz." < P | 24 „Feuer* < P | 26 „wie Funken des 
Feuers* V | „und* P | 26 „aber* : „ausgehend* V | 27 „Unserem— Ewigkeit« + P. 


22 N. Bonwetsch, 

qftov^ ainov 6 Bag^'alaiiatog oütmg ISl fiijftQa nöXsiög aiQVxo^ 
Qotdga* & (n^tga (ydgav&v &nX6yLaxog TCktccvriga' £ fii{tpa %q^ 
Qi^öaöa bv ot inxä oigavol oi) imgovöiv^ 6i) d% %mQ'/^6a6a Av(0' 
dvv(og iscdöxeg döic^lv iv xöXnoi^g totg öotg* & fii^ga iv xpv- 
nTotg rÖTtoig AnoTUi^dvri xal rhv nokwpavBghv Xgiötbv yewi^- 5 
<sa6a * & [ii^ga sigvxogoriga ischg na6av rijv xxC6iv nghg ßga%\>v 
yeva^dvri, ^^xal g)oßrid'slg 6 Bag^(oXa)(iatog Idysi Kiigis ^Ji^tfot), 
äög yLOi xgäöTtedov Anb t&v ffiartcn/ öov^ Xva tol(Mi6a) legbg 
aitöv. *^6 di^Irjöovg Idyei ngbg avx6v Oi dvvrj laßetv xgAöics- 
dov ix t&v [fiatL(ov fiov, oi ydg eiöiv t& [fidriA [lov tavta & 10 
ifp6gow ngb xov ^e ötavgtD&Hvm, ^^Xdyei di 6 Bag^aXmfiatog z/^ 
doixa^ X'ögiSf bfioimg t&v AyydXmv (yöx iq>€i6ato, /i^ ocal i^h &ga 
xatanietai. ^^kdyei aitS 6 ' Jiytfot)^ (Wjjl I6yp tp ifi^ nivta yC^ 
vstai xal tfl diavoCa trov natg6g (lov instdyri t^ xveii^uxti . .; 
^i) oiv x€lBv6ii€vog iv t^ ivöiuxti (lov änel^B xal ig&tifi^ov 15 
ainiyv 8 ßoiiXfi. '^6 di Bag^mXajuatog elg tbv tgAjir^kov avtov 
ytccti^öag Ajt6(Bl. 13^)tfaTo tb ngööionov oörot) elg tijv yf(v mg 
t&v (ixovAv a'dtov, ''xal kdysi ain^ 6 Bag&iokmiiatog Elnd f»ot 
tCg bI 6i) xal tl tb '6vo(iA 6ov] 6 dh Blnsv a:bt(p *EXAg>gvv6v ^b 
bkCyov xal ig& öoi, tCg bI^l iyh xal n&g ilijlvd'a ivtai^a xal 20 
ti tb Igyov {aov xal noia ^ ötiva^Cg iaov. '^6 dl ilaq>giivag ainbv 
kdyBi wötqi AdyB ndvta & 6i> itdnga%ag xal Söa ngdttBig. ^^Axo- 
xgi^Blg dh 6 BBkiag IdyBi El ^dlBig ^ad'Btv tb tivo^d [lov^ ng&- 
tov ikByö^'qv Zkctavai^kj 8 igfiipfBiiBtai i^dyyBkog ^bov' 5tB di 
Aniyvmv Avtitvnov tov ^bov [xal] ixki^fj tb üvona fiov Zataväg^ 25 
8 i6tiv &yyBXog tagtagovxog. *^xal ndXiv XdyBi avtdi 6 Bag^m- 
Imiiatog Tldvta [ioi Ajtoxdkv^ov xal (iriädv (S. 17) (ib Anoxgiitlrfig. 
^^afötbg di bI^bv ait^ "Oftwyit 0oi xatA tf^g SwdfiBcog t^g dö^rig 
tov ^Boi> Zti iav ^dkm Anoxgvi>ai oä dvva(ia^f xagdötatai yäg 6 
ikiy%eiv fLB. bI yäg tiiA'qv dwatög^ &v xal ifUig bIxov Anokdöai 80 
&g tbv Bva tbv ngb ifi&v, ^hial yäg iyh xg&tog SyyBkog il^B- 
nkd^^f^v, St£ yäg iitolBi 6 d'Bbg toi)g O'ögavo'bg ikaßBv dgdxa 
Jtvgbg xal ixka6Bv iiih xg&tov^ dsiitBgov tbv Mixai/jk, tbv yäg 

8 Lc 8, 44. — 11 Joh, 20, 17. 

1 n6lis G : ob ntü/smg ? | 4 di&lcAvdlv Q | Tot in %gvnrotg unleserlich , wie es 
scheint %ifmtfl9 \ 6 ßgaxiiv | 7 £ G | 12 Sfimg G | 13 a^tbp Q | '/i^tfoi^ : 
X^tüt6gYaMS | 14 . . : t6 üoXofUvri G : mir unlösbar | 16 ßa^e^aAmfuciov G | 17 vgl. 
Passio Perpet. 4 calcavi illius caput | 18 t&v :t6 Qt \ 19 a^Ay G | 20 f'^oi G | 
22 ndrrai 0A9ta G | niit^ttg %. ica ngdtrigOt \ 25 Aniywmv ? : &yvaibvQ | 26 a^bv 
G I 28 6iiv^iuv G I 80 tXixav G | ^iiäg G | 81 v&v ngb Yass | rifiav G | 88 r^f^ 
yäif^Mi%«c^l comunpirt and anverst&ndlich ; yielleicht trfigt zum Verständnis bei, 
was Enthymios von der Lehre der Bognmilen erzftlt Panopl. XXIII, 6 Xiyovcit 


die apokryphen Fragen des Bartholomäas. 23 

vti>v a^oi) ngb toi> toi>g (y&Qavoi>g Tcal ffyi/ yijv ^{Ucg nXa6&ijvat 
bIxov (?) — St€ y&Q ivsdvfii^^ tb tä nAvxa Tctiöaij bItcbv Xöyov 
6 vCbg ainov — xixciö^ai xal 'lifiets ^skijficcn tov vCov xal tfvft- 
ßavXeia rov xatQÖg. ^HnXa6Bv ifih ytg&tovj öbvtbqov Mixaiik 
xhv iQxiöxQdtriyov x&v Svca dwd(iB(DV^ (Bl. 14'') xqIxov Faßgu^kj 5 
xixaQt(yv OdptijA, niiinxov 'ÄcyaiJA, bxxov Na^avai^X^ xal Bxigovg 
iyyiXovg^ &v xä 6v6(i€cxa avx&v XaXflöai od d'^a^at * ^aß8ov%oi 
yag büSiv rot; 9bov xal ^ßdiancovöiv ^lb inxdxig xf^g wxxhg 
xal ixxdxig xijg fifid(^g xal oifx i&aiv ^ts iv firiÖBvl xal xifv dv- 
vafiiv fiov na6av xccxaxgihtxovötv ' oJnoi Biöiv oC SyysXoi xijg ix- 10 
dtxi^Bmg oC naQBöxdfiBVOi xdi ^gövp xov ^bov. oixoi bIövv ot 
ng&xoi nXaö^dvxBg ßyyBXoi, ^xal (iBxä xoikavg knXd^f^rfiav 
nivxBg ot SyyBXoi. x^ ngdreei oigavdi (ivgidÖBg ixaxbv xal xp 
dBvxigm (ivgiddBg ixaxbv xal rc3 XQixa fivQidÖBg ixaxbv xal x^ 
xBxdgxp (iVQtdÖBg ixaxbv xal x^ xdfinxq) fiVQcdÖBg ixecxbv xal xS 15 
Bxxm fivQtdÖBg ixaxbv xal xä ißdö^a oigavp xb nixaX6g ifSxi xb 
XQänoVj Snov bMv at i^owfiai ivBQyov6ai xotg av^gAxotg. ^^bMv 
yäQ BXBQOi SyyBXoi inl xotg iv^iMig' 6 fihv Big SyyBXog XiyBxai 
ixl xov ßo^fa XaiQOvfi xal xaxi^Bi iv rg %biqI avxov fdßdov 
xvQivov xal xaxaxavBi. xify noXXi[v abxov iygdxfjfta diä xb (lii 20 
iflQaivBöd^ai xi^v yfflf. ^^xal 6 SyyBXog 6 ixl xov &ii Sqxxov Xiysxai 
6 ^Eg^d. SxBi Xai^ndda xvgbg xal XQOfSxi^rfit^v airebv xal Big xäg 
xXBVifäg aixov xal ^BQ^alvov6iv avxov xi[v irvxQÖxtixa , Iva fii^ 
«ijlg xifv oixovfiivfiv. "*xal 6 inl toO vöxov SyyBXog XiyBxai 
KBQXovd^dj xal ^QavorMSvv aitov xijv ^QaövTfjtav dtä xb fi^ xi- 25 
vd^av xijv yf^v. ^xal inl xov XCßa ayyBXog XiyBxai Naovd'ä xal 
IXBi ^dßdov ^eot/odi^ iv rjj X^^9^ aifxoO xal ngoöxid^Bi Big xb 
Cxöiia avxov xal ößiwBi xb xvg xb iiBQX^F^^^ov ix xov öxöfiaxog 
avroi>, bC di ovx icßiwv (Bl. 14^) avxbv ßyyBXog ixl xov öxöfiaxog 
ainoVf itpXByBv xaöav xiiv olxoviiivrjv (S. 18). ^^xal ExBQog SyyBXög 30 
iöxiv inl xflg ^aXdöörig & ^gaövv&v aixifif dtä x&v xvfidran/, 
*Hä yag Xomä oix iQ& öoi, oi yäg övyxcnQBt (tot 6 xagiöxdfiBvog. 

T^9 . . £atav&9f vtbw xal a^bv ilvai roD ^foO xal xatQbg ^ 6voiiat6pLtvov Za- 
rayoi^l, xal srpörov Toi> v(bD xal li6yQV . . mg tlvai to^ovg &diX<poifs AH^lav \ 
1 x^ r<H) ich : n^Atov G | ^it&g xXucxCvb 6 | 2 ifi%ov Q : lyyo»!' , Mov oder ün* 
^ches ist wol zu lesen ( X6yov * 6 vtbg a^oii inticdn ? I ^ nintov G | 7 6voii. : 
das t unleserlich | 8 das m in (tcßdimno^öiw unleserlich | 9 fitdiv^ G | 10 otiii 
G I 18 x^mrov G | /xar^viauBer nach t& tst. iivq. stets q für inurbv in G | t6 
SivriQ6v G | 14 x^itmiy in G, ebenso weiterhin S* i z' t^ \ \Q o^QttvAv G | 17 
ijCiv ai aiiovciai nlvi^o^at, G | 19 . aßdov G | 20 x6Xw G | 21 {ij^iyctftai G ; 
To^ < Vass I M &if%xov : Axa^Bto^ G Vass | 22 iff^ Tielleicht G | 27 xiov6deg 
G I f /ff : 49 G I 29 tl :ot Q\ iüßivw a^bv ich : ^aav tbv G | äyvilov G | 82 iQ09 
G, (fftoYtas. 


24 N. Bonwetsch, 

^''Xdysi ainp 6 Bag^toXaiMtog Il&g natdsiisig tag Jirvx&g x(bv Av- 
^Q&nmv\ ^^kiyBv ain^ ö BeXiag Biksig^ &vayyeiXa) öoi tijv xö- 
XaöLV x&v {fitoxQi^t&v KaraldXatv xal t&v yeXoiccöt&v xal t&v 
eld(okokcctQ&v xal t&v q>i^XaQyi&Q(ov xal t&v fLOLx&v xal t&v yori" 
t&v ocal t&v (lavtevofiivmv xal t&v TCLötevövtanf sCg 'lniag xal 5 
jedvtmv &v 6xoje&. ^^kiyst ain^ 6 BaQ^(oXa(M(tog üwd'dvai Sti 
XiyBig öwtö^iog. *^xal ixäta^sv iv ßgvyiip toi>g ddövtag aitov^ 
xal ivilX^6V tgoxbg ix t^g ißvööov Sjmv (lixsi^gav «üg iaa- 
q>iyyov6av, xal ^ ^ixsiga elx^v öakrivag. *^7ud igAttfia aitbv 
Xiytov Tlg ^ f/Lixaiga avtr^; ^'ö dh bIicbv Aütri ^ (läxei^gd iötiv 10 
t&v yaötQifidQytov ' Big tavtov yäg tbv ömk^va nifiTCovtav Zti 
diä tijg yaötQi^gyiag näöav äfiagtlav itpBvgl6xov6iv ' Big tbv 
ÖB-itBgov ömXflva xdfiitovtai ot xatdXakoi ot xataXaX&ifiv kd^ga 
tbv nkffiCov aöt&v * Big dh tbv tgltov <S{oki/[va nifiitovtai ot ino- 
xgital xal ot koiTCol ot)^ iyh inoöxBkilm rj} ift^ diad^iöBi, ^'6 15 
di Bagd^a)k(oiiatog kiyBi IJi> oiv tavta SC iavtov jeoiBtg; ^^6 dh 
Hataväg bIicbv El iyh idwdfiriv dC iavtoi) il^Bkd^Btv (Bl. 16') 
änaöav tijv olxov^ivrjv iv tgvclv i^Ligaig i^aköd'gBvov <&v>, ikkä 
oCtB iya, oütB Big t&v B^axotsCarv ilSBgx6fiB^a. ixofiBv yäg &kkovg 
ifitfigitag ikaq>goi)g olg TCBkBvofLBV xal ivdvovfiBV a'dtoi>g Ttokvdy- 20 
iuötgov xal dicofStikkofiBv a'btoi)g Big ^'^gav xal iygBiiovöiv i^/irv 
iwxäg iv^g6nav^ di,aq>6goig ykvxdöfiaöiv aitoi>g ykvxaivovtBg^ 
tovtiötvv (lid^j xal yikaniy xatakaki^^ inoxglöBiy iidovatg, nog- 
vBCa ^ xal talg komatg dkiyoglavg ix t&v d^avg&v ait&v, 
^^kiym 81 xal tä kocnä dvöfiata t&v iyyikarv, 6 äyyBkog tf^g %«- 25 
kd^Tig kdyBtai MBgyLBdAj xal 6wixBi ti[v xdka^av inl ti[v ou^pakijv 
aitov xal bgxl^ovöiv ainbv ot kBvtovgyot /tov xal nifinov6iv 
ainbv Zitov ^ikovöiv. xal StBgoi ßyyBkoi inl ti^g zaAc^gijg, xal 
itBgoi &yyBkoL iiil tijg ßgovt^g xal StBgoi, RyyBkoi inl t^g iötga- 
ni^g. xal StB nvBv^a ßoikBxai i% iuL&v il^Bkd^Bl<v> tj^toi 8i& y^g 80 
tfcoi diä ^akdwrig^ oitoi ot Ryyskoi nvglvovg (S. 19) dnoötikkovöi 
kCO'ovg xal Sntovöiv '^fi&v tä fiikri. ^^kiyBi 6 Bag9a}ka}iuctog 
0tfMb9fltiy ßii^iB dgdxov. ^^6 dh Bsklag slnBv \4nayyBk& <Soi 
nokkä dt nsgl t&v iyyikav. ot CwdiatgixovtBg tä inovgdvta 


2 aif%^ G I %6Xaaiv ich: yvAaiv Q Yass | 8 yiXriaat&v G: ye l^ct&v Yass | 
6 IIvvMvm corraxnpirt:nodA? | tl Xiyii G Yass | 7 u^bv G | 8 änotpByyo^cas 
G I 9 aoUvag stets Q \ 10 tiljs l (t. Q \ 12 i%^Hfifi/lo%ovaiv G | 14 a^&v G | xqiAv 
G I 17 £/:9 G I 20 otg: ilg G | »oXi&yyMifOv G | 21 4^Qav G | (>iiiv Q \ 22 yZv- 
nhowtag G | 28 yil6vti.Q | ^6%Qi0tis tdwrAv G | 24 IvnlgQ | 6Uy, : naXsvtQlais^ \ 
a^oe Q I 26 «al < Yass | 29 t^v ß^oiftiiv G Yass | rlj imoarni G : riiv itüt^am/jv 
Yass I 80^« . . ^Tf Yass | 81 iixoatilavöi G | 82 4>fiibv G | 88 Anayyilo Q | 84 
otitl G. 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 25 

%ul tä infyna oitoC b16iv * MsQfieAd'j ^ofiati^j ^O'ö^f MeXi&^f 
XttQ<y69, rQaq>a^(igf ^Os^qA, N£q>6vogj XaXxatO'ÖQa' öifv ainotg 
iuKxitavtat x& ixovgivta xal xä infyBta xccl tä xaxax^dyvia, 
^^XdyBt aix^ 6 Bag^aXfOfiatog' 9i(i6d'fixL xal dXiyÖQriöaVy Snag 
(BI. 16^) d€ri^& xov xvqCov (lov, ^^xal llgl^axo 6 BaQ^mXafiatog 5 
XdyHVy nsöhv i%l %Q6fS(onov xal ßdXXmv inl xi[v x€q>aXfiv aixov 
yijiv^ Xiytov Sh Gvxiog' KiiQis '/ijeroi; Xgiöxi, xb ^iya xal ivdo^ov 
Svofia* xal »dvxeg ot xogol x&v iyyiXtov alvoi^fSlv 66 ^ diöTtoxa, 
Mal iyb 6 ivdSt'Og xotg xsiXeöiv . . Zgyavov alv& tfs, diönota. 
itcAtovödv (lov To{> dovAot; 6ov xal üg i^iXe^ig fta ix xov xsXco' 10 
viovy xal oi) 6wB%AQrfiig (loi iv xatg TCgoxigaig (lov ngHSsöiv 
hfa6xQifpB6f^ai lag xiXovg. xvgie 'Ir^öod Xgiöxi, indxovööv 
fun) xal iXiifiov xoi)g &(iagx(üXo'6g. ^ocal xaiha avxov Blic6vxog 
Xfyii ain^ 6 xjigLog *Avdaxa, iniöxgsifov x^ ifxevdl£avxL' xiy6 
6oi xä Xotnä ijtayyBlXm, ^^6 8% Bagf^toXmiialog IfyBigBv xbv Za- 15 
xav&v xal XiyBi ain^ Ilogsiiov sig xbv xönov 6ov (iBxä x&v 
S^Xmv aavy 6 dh X'ögiog iXsBt n&6av xijfv olxovfiivriv ainov. ^'6 
ih didßoXog £^ "AtpBg^ diriyi^60(iai 6oi, n&g i^^itpip/ ivxa^a 
4 %(bg inolffiBV 6 ^Bbg xbv Siv^gmicov, ^^iyh iv roi x66fLm ^(iip/ 
XBgiBgxöiiBvog, xal bIicbv <6 f^Bbg> xp Mixa'^X^^yayi (lOi ß&Xov 20 
ix xibv XBöödgayv nsgdxav xfjg yijg xal üdag ix x&v XBöödgcov 
MaxafUbv Toi) nagaÖBiifov. xal &g fjyaysv a^d MtxaiiX InXatSBv 
Xttxä (ligij xf^g AvaxoXflg xbv *Addfi, iiog^6ifag xbv ßiiog^ov ßäh- 
ioy xarr66ag vBvga xal tpXißag xal ägfimvCtf 6w6xfi6diiBvog , xal 
%go6EX'&vxfiBV aix6Vf aixbg dh dt' aixbv ng&xov, Zxi fyf Blxiov 25 
ainovj tucI ngofSBxvvBi (BL 2^. ^i^ol d\ iX^övxi ix x&v nBgd- 
xav XiyBi MiXfxiiX ügoöxiivriöov x^v sixöva xov ^bov r^v ijtXaöBv 
xad' bfioi&cr(ta o^rot). iyi^ 8% bItcov *Eyh ni>g ix xvgögj leg&xog 
SyysXog nXaöiUvog ^{iirjVy xal ntiXbv xal vXip/ fiiXXo} ngo6xwBlv ; 
^^xal XiyBi (lOi 6 MixaijX iTpotfxi5vi}tfov, fii^TtoxB dgyia^ 6 ^Bbg 80 
inl 6B, iyh dl bItcov ain^ Obx dgyiö^ijöBxai 6 ^Bbg iii ifioij 
(S. 20) iXXä „^0CD xbv ^gövov {lov^ ii ivavxCag xov 9g6vov 
«ifxM xai bI^I bg ain6g, x6xb dgytöd'Blg 6 d-Bbg iii ifiol l^^ii^Bv 

82 Jes. 14, 18. 14. 

2 €^ich:h Q Yass | 8 dunkawtai Q Vass | 4 a^bv G | (pviMnvi G | 5 diedA 
Vaaa 1 1*00 : iu^Av Vass | HQ^awo G | 7 Xiymv dl ich : Xiyovtog Q | i^iyuv G | 9 .. : 
«ftfov oder w/j^i Q : niviliaag hält Vass für möglich | 10 i^iliiain G : iiiXiyi»itai 
Vass I 14 crfroe G | 15 Ittnä G | 16 aiftbv G | 19 Ijunv Ym^iviiiv G | 20 6 ^tbg 
+ Vass I ßÜmw G | 21 tt^d^ctv heide male | 22 na^aSiCaeov G | ^ayiv G i 24 xa- 
9l0ag G I 26 dl* aUbv od. »hov? | ^6va G | 26 in^üsnvvri G Vass | 27 oU69a G ! 
29 w9Ut G; mß^ Vass | 80 dpy»tfrtr G, d^r^tf^tl^ Vass j 81 a^6ir G | 88 slftol 
0;VaM Tsmatet wol richtig foofMti, vgl Jes. 14, 14. 


26 N. Bonwetflch, 

<lis> xArm^ xiXsvöag ivoLyijvai Toi>g xara^ftherag rot) (yögavoü. 
^^i(iov dh ^Ltp^ivxoq iiQ&xri6Bv xal toi>g i^axo6iovs roi)g i)^ ii^iy 
bI ^iXov6iv nQ06xvvf^6av. oC dl elnov Kocd'ijg stdop^BV rbv xq&- 
rov (yddl fiitstg ngo^xwov^sv rbv ila%i6x6xsQov iiHL&v, x&cb i^^C- 
fpri^av xal ot iiaxööioi, ij^ ainov (isi^ ip^ov. ^'^^igA^dvxBg dl 5 
inl xijfv yfiiv ixagm^rjuev hri xsööagdxovxa ^ xal Xd^ifavxog xov 
ijkiov inxanXa^Cfog inlg xh nvg i^aig)vrjg öivnviöd'i^fLBV' xal 
JCBQißXBtl;äfisvog sldov xci^g i^axo6(ovg M ifih xBxagmiiivovg. 
^^xal dii7Cvi6a xhv vCöv ^ov SaXi^dv xal Xaßhv aixhv ö'öfißov- 
Xovj x&g xbv äv^Qmvcov änaxi^öm, 8{ hv iyh i^^iq>'qv ix xav 10 
oigav&v. ^^xal ivBvoi^6i(iriv ovxcag. iXaßov g)vdXrjv iv xy %BVQi 
fiov xal l^vöa xbv tdgöxa xov öxijd-ovg iiov xal x&v fiaXX&v (iov 
xal ivtJlf(i(ir]v Big xäg illödovg x&v idthaVf 5d'Bv ot xiööagBg xo- 
xa^ol ^iovöiVj xal 7eiov6a fi Eüa ixv%Bv xf^g i^tid-v^tag. bI ^ij 
yäg ixiBv xb vdag ixBtvo ovx av aix"^ '^dvviid'riv ijca(Bl. 2^)xH- 1 5 
<Ta£. ^xöxB 6 Bagd'ooXmiiatog XBXBiiBv avxbv bI^bX^bZv Big xbv 
Sidfjv. ^^iXd-iov dh 6 Bagd-aXaiiatog <xal iCB6b}v> xotg xoölv xov 
Utj^ov ligllaxo iiBxä daxgiicov Xiysiv ovxiQg * ^jißßa 6 naxi^g , 6 
ivBiixviaöxog inlg ^^Sv, 6 Xöyog xov TCaxgög, ov inxä oigavol 
^6Xig i%Agri6aVj ivdo^Bv dd^axi xrjg nagd'BVov BvxBg&g, ivay- 20 
dvva}g Tfödöxriöag jjopij^ijvat , 8v i^ nag^ivog oix iwoBt 6b q)i' 
govöa^ 6i> dl voi^iiaxi 6& nivxa 8Uxa%ag yBvd^d'aiy 6 ngb xov 
%agaxXrfifivai Stogov^Bvog imiv xä ixoiiöia, ^^6 „6xitpavov i% 
&xav%(kv^ (pogifSag, Iva i^Ltv xbv 7toXvxt(iov xotg ^Bxavoovöiv i^ 
ovgavov 6xiq)avov BingsTttöxig , inl ^vXov xgBfiaöd'Blg iva fifiXv 25 
xbv olvov xaxavä^Btag noxi^yg xal Xöyxy xijv nXsvgiv öov vvyBlg 
%va xov 6(b^ax6g öov xal xov aXfiaxög öov fi^ag i^jtXiiöjjg. ^'6 
xixgaötv «oxa^iotg dvöfiaxa xaXiöag^ xtp ngAx(p ^löbv öiä xijv 
nCöxiv j}i/ (pavBlg iv xp xööfio} ixr^gv^agy xdi ÖBvxigq) FBcav diä 
xb yijivov indgxBLV xbv Sv^gto^ov, x^ xgCxp TCygiv 8i& xb iLti- 30 
vv^r^vai fjiitv iitö öov xijv biioovöLOv iv oigavotg xgi&Sa iyn&g- 
XOvöaVf xdi dl XBxigxip Eiq)gaxriv oxv naöav tt^vxijv xagayBvd^Bvog 
iv x6öi$qi Biig)gavag äiä xov Xöyov xflg itp^agöiag. ^*^Bi nov 

22 Vgl. Jes. 65, 24. — 23 Matth. 27, 29 Joh. 19, 2. — 28 Gen. 2, 11 ff. 

1 &vvyBtv€Ci G I 3 tdmiLBv G | 4 l^lipiicav G | 9 Ötvnvriaav G, divnvtcav Yass i 
a{fto^ avfißovXiov G Yass | 10 dtd) G, di 8 Yass | 13 i^fiaa G | {^dpnor« G, td^ot« 
Ya88 I 14 noio{fCa G | f ^ fif) : 9;(od. 7;>oi G | 17 x. nsamv + Yass | 18 icfißa G | 19 
dvtliyxviactog G | 20 ii6Xvg G | sifx^^^Si &v6dvvos G : e^x^^^ > &vd>dvvog Yass | 
21 8 G Yass i 22 ö&v G | ndvtag G Yass | 24 ijiiiiv tb noXittiiov G | 2G rbv 
olvov : ist etwas von dem Essigtrank ausgefallen ? | narav. : ^va^ltv^img ? | X6Yxriv 
G Yass I 28 noAtov G | tpriebv G | 29 Mgriiag G | devv, : ß' Q \ ystbv G | SO y' 
tiy^v G I 82 Tf T. : 9' Q, 


die apokryphen Fragen des Bartholomftns. 27 

9uA ndtSQ liiyiöts (S. 21) xal ßa^iks^g, ö&6ovy xiigis, Toi)$ AfucQ* 
xaXovg. ^^ravta ceinov XQoöevl^aiiivov Xiysi ttbttß 6 7i]<yov^* jBct^ 
^mlrnyMlBy ixdksöiv (is 6 naz'^Q Xgiötöv^ Iva xarsk^A inl yilg 
xal %Ql<Sm xdvra &v^Q(oxov igxöiisvov t^ iXaip r^g ^caiig' ^Ir^öof/v 
di fi ixAXsfSsVj Iva Idöofiai na6av ä^iagrCav täv iyvoo'6vt(ov 5 
imh ^eov f\ (Bl. 3') xal d'siiov ägai totg iv^Q&novg doDQi^^afiat. 
**xal xdXiv 6 Ba(f^ajXoiiatog kiyBi aitm KÖQie, navxl ivd'QAnp 
X^ <fi^> ixoxakihlfat tä (ivöti^QLa xavta ; ^''Xdyei a:in^ ö '/qtfovg* 
*A'ya%f[ti (lovj BaQ&ml(o(iatSf 8<Tot idv slöiv 7ti6xol xal diivavtai 
^Xi^ai xaff iavtovg <i)g> dst niötevB xavta, eMv yäg xaC 10 
XiVBg ivä^LOi a^än/, eltflv dh xal Sxegoij olg Qi)x löxiv iciöxsvöai 
ttind^ stölv yäg iXal6vsg, ^idv<fov, i^sgijtpavoLj iveleijiiovsgf eldah- 
XolaxQsiag öviifidxoxoij noQVBlag igtr^yoC^ xaxdXaXotj iXa^anfsücg 
diddöxaXoi j xal xdvxa Böa eiölv Igya xov dtaßöXov xoioihnigy 
xffl 8iä xovxo oix slölv &hoi niöxsv^rjvai aind. ^hlcXv yäg 15 
xal inixgvfpa 8i& xoi>g fiij x^QOvvxag aind. Söoi yäg aixä %cd- 
QoMiv ifovöiv (ligog Hl aixcbv. iv xovxp ovv^ iya%f[ti fiov, et" 
grpti fSoiy Zxv jucxdgiog el xal na6a ^ övyytvaCa öov xatä aZgeöiv 
xt6xev6n$voi xbv Xöyov rovrov, Zxl ndvxeg of %(og^i6avxBg ainä 

5 Ti 2i/ ßoiiXannai iv totg . . xgiöecag fiov At^ovrat. ^^x&cs iyh 20 

6 Bag9mXm(M(tog 6vyygatl;dii6vog xavxa iv xfj xagdla (lov xal 
xifoxi^ag xilg xstgbg rot) q>iXav^gd)itov '^gidfirjv iyaXXi&Cd'ai xal 
Xdysiv oikiog * z/d^a 6oij xrigts ^Iriöov Xgiöti, 6 dmgov^Bvog xa6iv 
xipf %dgiv 6ov i^ ocatydBiiiBv ndvteg, dXXfjXovta. dö^a 6oij xiigiCj 
iarlj afucgtmX&v, dö^a <Tot, xvgiBy "^öxvv^ri ö ^dvatog, d6l£a tfot, 25 
xvgiBy ^i^avgl dixaioövvrig. d'Bov yäg vfivovfiBv (BL 3^). — ^^xal 
xccvxa Xiyovxog tot) Bagd-aiXGiiMCLOv ndXtv 6 ^Iriöovg ino^dfuvog 

xb XBgißöXaiov aixoi> xal Xaßhv dgdgiov inb xov xgaxijXov xov 
Bag9mX(oiuciov Hgl^ato iyaXXiaöi^ai xal Xiysiv . . 6b fifitv^ iXXti- 
XaöCa' ng^og^ iitiBiTcig iifitv, dXXfjXovta, dö^a tfo&, xiigiB^ da)-> 30 
gai^fiai yäg iia6iv totg ^iXov6lv ft£, iXXriXoiita. 86'^a 6oi xigiBj 


16 Matth. 19, 12. 


2 a^hv Q I 4 r6 Ufo^ Q | 5 xAv—^^Uavi*^) &Qai comunpirt und onyerst&nd- 
lich I 6 ömQo^^i G Vaas | 7 u. 8 ainbv G | 9 Zcu G | mtstiiQ | 10 ob« + ich | ^1 G | 
11 It«^ tJg G I xieti^at ich xx^vf^cai G | 12 iLlldtiovi^ G Vase | 18 iro4*er«i G: 
9vp^^mai ist weniger warscheinlich als cvniiir., vgl. Ephes. 6, 7 | 14 xoio^hftas 
G Vass I 16 fifj'-f^^ I ^«'»o^ I ^B anyyevi/ia G | ivictv G, atviciv Vass | 20 S 
XI dtwi^d'&v G:of d'&yYasB und vermutet eine Lücke | ..: sichtlich einige Worte 
anagefallen | Ui^ovra^ G Vass | 22 xttQb G I 24 nMiiSanfv G: schwerlich %ati{' 
Ba^iv I 26 i^yo^f*evo9 liest Vass : vf»vA. ^^f{v ist wol zu kün | 29 . . : im& %aX6v 
€9 Q'.^oßaXAv Vass, was keinen Sinn gibt: ich weiB nicht, was gestanden hat | 
80 ixoiypiflg G | 31 dö^a-dUf}!. < Vsrs. 


28 ^» Bonwetsch, 

stg toi>g ai&vag. iin^v. ikXijXo'öVa. '^hcul 5ts xccri^tSiXsv ify&nvjpav 
ainbr of &ic6i$xokoi xal Idoüxev a'örotg xijv eCgi^ipf tflg iydnrig. 
y • A^ysi, air^ 6 BaQ^(oXa)(iatog. 'Txödsiiov ^(itv, X'ÖqiSj nola 
&(ia(fria ßagmiga (S. 22) na<S&v t&v &(iaQti&v] ^Xiyst airtä 6 
*Iri6ovg ^Afiif(v^ Xiym 6oi 8rt naö&v t&v iiiagxi&v ßaQvriga iötlv 5 
1^ i^öxQiöig xal xaraXaXiä. dt' aixo'bg y&g bIicsv 6 nQoqu/ftrig 
7l)iXX(ov^ Zxi j^O'bx iva6xi^6Qvxai &6Bßslg iv xfiösi oidi &[ia^ 
xfoXol iv ßovX'^ Svxaliov^ oi8\ iöeßetg iv xgiöei xov naxgög fiov. 
n^fiiiv, &ii7lv, Xiya ifitv, Sxi %a6a apbagxCa iq>s^i^6XM nuvxl äv- 
^ganp. if dh äfiagxia i^ xaxä xov &yCov nvsv^axog oix ig>6^^ii- 10 
fSexai^» ^XiysL dl avxp 6 Bag9a)X(0(i€ctog TC i6xiv i} xatä 
xov &yCov Tivev^axog icfiagxia; ^Xiyei ccöx^ 6^1i^<Joi}g Iläg bg iäv 
^eöxtöij <£ig> TC&vta äv^goicov dovXB'ööavxa x^ %axgl iiov x^ 
äyCo) ißXaöfpTiiifiöev clg xb xv6v(ia xb SyLOv, 8n n&g äv^gmxog 
6 dovXBiiiDV x^ d'sp öeßocöpLLfog, &hig iifxtv xov nverifiaxog xov 15 
äyvov xal od 6x}y%(ogrid"il6€xai xm XiyovxL elg aixöv xi novrigöv. 
^oial xbv dfivvovxa xaxä xijg xs<pa{Bl. 4')Ai}g xov ^sovy oidh x^ 
imogxoihfxi, xa'i ainov inXyfi^Sig. d<hdsxa yäg xogvq)al xov ^sov 
xov i)il>CfSxov Bl6iv, ainbg yig ifSxiv fi iXi/fi^B^a xal iv aixß ^ft)- 
8og oix i6xiv oidl imogxia, %nBtg ohf JtogBv^ivxBg xrigiSl^axB 20 
xavxl xdi xöö^p xbv Xöyov j^xilg iXtf^siag^ , 6i> dh Bag^a}Xa)iMtB, 
x'^gv'Sov Big nAvxa xbv ßovXöfiBvov xbv Xöyov xovxov^ xal 5ifoi 
nifSxB^ovfSiv Big ainbv ^ovöi^v „(oii^v alAvvov^, ''XiyBi 6 Bagd'o- 
Xafiatog lH xvgUf xal ix xi^g öafuctixfig ifiagxlag idv <xig> 
iliagxtlöjj^ Tcotog 6 fitö^bg atn&v; ^6 dl 'Ir^öovg Iqni' KaX&g i$hv 25 
Zva <6> ßanxi^ö^Bvog nagi^y ß^BfiTCxov xb ßdnxiifiia ' i^ Si '^dovij 
xilg öagxbg igaöxiig yBvtf^öBxai, öBfivöxi^xog yig iöxiv ij (lovoyaiiia ' 
yjifiiiv yig öoi Xiy&^y fLBxä xgixrjv ywatxav 6 a(iagxiv(Ov ivilStög 
ifSxvv rot) d£oi>. %{ulg Sh xrigv^axB TCavxl ivd^güntp <Xva> (pv- 
Xi66(ovxai xoiavxa' iyh yig Blfii ixAgiöxog iq>* if/L&v xal im- 80 
Xogtiy&v {}(itv xb jevBV(ia xb Sytov. ^^xal 6 Bagd'aXmfiatog xgbg 
avxbv fiBxä ,x&v ino6x6Xayv idö^aöBV xbv ^sbv ixxBV&g Xiymv 


7 Fs. 1, 5. — 9 Marc. 8, 28. 29. Matth. 12, 81. ~ 19 Vgl. 1 Joh. 1, 5 (Job. 
8, 44). — 20 Matth. 28, 19. — 21 2 Kor. 6, 7. - 23 Job. 8, 86. — 29 Matth. 
28, 20. — 31 Joh. 20, 22. 

2 aittotg : u<nhv G | 3 a<nbv G | 4 UyH-^ä^^i&v < Vase | 4|11 12 ainbv G i 
^il^vQi I 12A9^t2lyG | 13 efe +ich ) Bw>Xt^avxi,Qt \ 16 tfi2x«pi^e/tftrai G | 17ol^e 
G I 18 */}. : G I 19 a^orip G | 20 xv^^{crrt, %i^iov und vfo^ivtai, G | 22 3#i G | 
24 Tftff + YasB I 4^9 G I 25 %tdXAv G | 26 &^i%%ov G | 28 tfci G | 29 i^iui£ G | 
fvli^ovxai aink G : fvliwHv %k a^i Vass | 80 ii%iitr^9%oq G | i^f^Av O. ^t^9 G. 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 29 

J6ia 6oij v^^^Q Syu*^j ßifßsöts ^XtSj ixatdXeixxSj jcoXvtpsyysg' 
6ol döfay öol tiiiij xal jCQOfSxiivrfiig Big tovg ai&vag t&v alAvmv. 

1 Job. 17, 1. n, 

1 %oXv^. ich : naXXvipaaii^g G | 2 Tifiol Q. 


Nur die kleinere Hälfte der ;,Fragen des Bartholomäus^ ist auch 
in der slavischen Übersetzung erhalten. Bietet diese letztere in 
P den Inhalt als einen einheitlichen, so V in zwei selbständigen 
Stücken (s. zu S. 11, 13); doch beweist das Hervortreten der Per- 
son des Bartholomäus die Zusammengehörigkeit der Teile. Eine 
Empfindung davon mag allerdings zu jener Teilung in Y Anlaß 
geworden sein, daß in dem gegenwärtigen Bestand der Fragen 
des Bartholomäus Verschiedenartiges zu einem Ganzen verbunden 
ist* Das nur griechisch erhaltene Stück bringt in seiner Haupt- 
masse Bekenntnisse des Satans, welche durch die auch in S ent- 
haltene Vorfurung desselben eingeleitet wird, bildet also einen 
auch durch S gewärleisteten wirklichen Bestandteil jener Fragen. 
Der Schluß (von mir als Cap. V bezeichnet) mit seinem wieder 
disparaten Inhalt erinnert doch in Einigem an die äthiopische Bar- 
tholomausapokalypse. — Meine Absicht geht nicht auf genauere 
Untersuchung der „Fragen des Bartholomäus'^ ; vielmehr nur auf Ei- 
niges, namentlich auf einige Beziehungen derselben zu der son- 
stigen apokryphen Literatur möchte ich hinweisen. Zum Teil hat 
die gleichen Beobachtungen, wie ich nachträglich fand, auch schon 
Vaaailiev gemacht. 

Der erste Abschnitt der ;,Fragen des Bartholomäus^ berürt 
sich mit den Johannesakten des Leucius Charinus, steht aber auch 
in engem Zusammenhang mit dem Desce usus Christi ad inferos, 
welcher mit den Gesta Pilati zu dem Evangelium Nikodemi (one 
faktische Zusammengehörigkeit beider Teile) verbunden ist. Mit 
den Johannesakten kommt es äberein, wenn Bartholomäus sagen 
kann, daß der Herr wärend der Finsternis am Ereuz unsichtbar 
geworden sei, und ihn darüber befragt, wohin er vom Ereuz ge- 
gangen. Denn änlich heißt es in den Acta loannis Fragm. 3 S. 222, 6 fP. 
ed« Zahn: xal 8r« xb &qov ißoäto, &xsxQBiui6d^ &(fag hctijg fuisQt- 
v^^ wd 6n6tog iqf 8Ai}^ tilg yf^g iysyivei. xal ötäg 6 n^iög imv 
h iU6ff roO öMfiJiaiov (auf dem Oelberg, wohin Johannes geflohen 
war) ual ^pmt(6ag fu elxsv' ladwtiy xf xitm SjAfi iv ^IsQoöol'Aiioig 


30 N. Bonwetsch, 

6tavQOV(iaL .., öol dl XakSf. Es ist derselbe gnoatische Doketismas, 
der hinsichtlich des Kreuzesleidens Christi hier und dort zu Tage 
tritt. — Viel unmittelbarer aber sind die Beziehungen zu dem 
Descensus ad inferos. Verläßt doch deshalb nach der dem Bar« 
tholomäus zu Teil werdenden Antwort Christus das Elrenz, weil 
er in den Hades hinabgehen, den Adam und die Patriarchen von 
dort befreien und in das Paradies einfüren will. Eben dies aber 
bildet den Inhalt des zweiten Teils des sog. Evangeliums des Ni- 
kodemus Cap. 17 ff. Die Unterredung des Hades mit dem Teufel, 
welche die ;,Fragen des Bartholomäus^ schildern, trifft zusammen 
mit den Zügen des Berichts Evang. Nie. Cp. 20 ff. Wie ;,Fragen 
d. Barth.« I, 11 ertönt Evang. Nie. 21, 1 ed. Tischt S. 306 der 
der Kuf "AQate jcdkaq oC &QXOvteg iiiGtv xal iniQ^tfca niiXai alAviOi 
al elcsXeiiöstM 6 ßa6^X6i}g xrig döir^g (Ps. 23 [24], 7). Hier wie 
dort redet der Teufel dem verzagten Hades Mut ein (Evang. Nie. 
20, 1 ff. 21, 1). Fast genau so wie bei Barth. 1, 12 {„I>ev Hades aber 
sprach : Wer ist der König der Herrlichkeit?^) lauten die Worte 
Cap. 21, 3 S. 306: ücov^ag b^Aidf^g ix ÖBwigov zip/ qxovijv i^exifi^fi 
&g dfj^iv iiil ytvaöxanf xal XiyBL' xCg iötiv oitog 6 ßaöiXsvg tiig 
dö^ijg; und wie I, 20 (»Und alsdann zermalmten sie die ehernen 
Tore und die eisernen Ketten zerbrach er. Und ich trat ein" ebd. 
S. 307 : xal ai^dmg . . at %aXxal TtvXai ifwstQißriöav xal oC öidriQOt 
fiOjAol öws^lLdö^fjöav . . xal eiö^X&ev 6 ßacvkavg xf^g döfrig). Heißt 
es an letzterer Stelle, in den „Frag. d.Barth.^ weiter : (;,Und ich trat 
ein) und ergriff ihn und schlug ihn mit hundert Schlägen und band 
ihn mit unlöslichen Fesseln. Ich fürte heraus den Adam und alle 
Patriarchen^, so Evang. Nie. Cp. 22, 2 S. 307 : xöxe 6 ßa6vUi>g xf^g 
döifjg XQaxi^öag . . xbv . . Zaxäv xal Tcagadoig ainbv xotg iyydHoig 
alnh IkdriQotg xatadsöfn^^axe xäg xstgag xxL aixov und Cp. 24,1 
S. 308: V^nkmCBv 6 ßa6. x. dö^rig ^4^ dshi^v aixov x^^9^ ^^^ ixQi- 
xiiflB Ttal IjysvQB xbv jCQOxdzoga lAdiii. slxa 6xQa(pBlg xal ngbg x<yi>g 
XoMoifg Itpfj' dBVQO (iBi? ifiov TcdvxBg ... Cf. 24,2 BiXoyijCag & öanilQ 
xbv 'Adäii./ xwxo dl noi^i^öag xal ngbg xovg naxQiiQ%ag xal ngo^ 
qn^xag xal lii,d(fxvQag xal nQOxaxoQag. I, 21 spricht Bartholomäus: 
,,Herr, ich sähe . . die Toten auferstehend und dich anbetend' , so 
Evang. Nie. 24,2 S. 309 weiter: noQBvoyiivov dl a'öxoij itffalXov 
ol &yioi naxdQBg ixoiov^ovvxBg ain^. Den Adam an der Hand 
fassend tritt im Evang. Nie. Cp. 26, 1 der Herr in das Paradies 
ein und übergibt den Adam dem Erzengel Michael: so fragt 
auch Bartholomäus weiter (I, 21) : j^Wer ist der Mensch , welchen 
die Engel auf den Armen brachten, sehr groß, und was sprachst 
da zu ihm, aber er seufzte^ und erhielt die Antwort (I, 22) : „Das 


die apokxyphen Fragen des Bartholomäus. 31 

ist Adam, der erste Mensch, wegen dessen ich auf die Erde her- 
abgekommen bin^ ; hernach (I, 28 f.) aber wird berichtet von dem 
„Opfer*, welches dargebracht werde, und dies (I, 29) gedeutet; 
,Die Seelen der G-erechten, ausgegangen, gehen ein in das 
Paradies^. Nach dem Evang. Nie. Cp. 25 kommen den in's Para- 
radies Eingefürten Uenoch und Elias entgegen; auch dieser ge* 
denken I, 17 — wenn schon in anderem Zusammenhang — die 
Fragen des Bartholomäus. 

Eine anmittelbare Beziehung zwischen der Rede des Eusebius 
Alexandrinus In Diabolum et Orcum (Migne PGr 86a Sp. 383 ff.) 
oder des Eusebius Emesenus (?) De adventu loannis in infernum (ebd. 
Sp. 609 ff.) , welche slavisch als eine des Chrysostomus in Cod. V 
zwischen den beiden Stücken der „Fragen des Bartholomäus^ 
steht, mit diesen Fragen vermag ich nicht warzunehmen, vielmehr 
erscheint sie als eine durch Evang. Nicod. Cp. 17 ff. vermittelte. 
— Nicht ebenso dürfte es sich mit der Epiphanius (falschlich) zu- 
geschriebenen Rede Elg xi[v tatpifv xov xvqCov (IV, 2 S. 9ff. ed. 
Dind. , slavisch bei Miklosich, Monum. linguae palaeol. S. 337 ff.), 
verhalten, welche auch sonst unserer Apokalypse Verwandtes ent- 
hält (vgl. z. B. S. 17, 30 f. x^ xijv %ttQäv %a6i Sid6vxL xal xijv At^- 
Ä1JV T^ff Eüag 8iukv6avxi mit IV, 9 6 xi[v Xiktrjv x^g Eüag jjuqUvxv 
XQoöAxG} xaxaQYi/flag vgl. auch IV, 6). Diese Rede scheint mir 
ein aber das Evang. Nicod. hinausgehendes apokryphes Material 
vorauszusetzen, vgl. das S. 26, 29 ff. über die Befreiung Adams 
aus dem Hades Gesagte. 

Die Frage nach dem Verhältnis der in das Paradies einge- 
henden Seelen zu der Zal der an einem Tag Sterbenden (I, 30 ff.) 
hat das Mittelalter offenbar mannigfach bewegt und geängstigt. 
Ich denke z. B. an jene Offenbarung, von welcher die Annales Ci- 
stercienses ed. Manrique U Cp. 8. 9 S. 229 erzälen, wonach von 
dreißigtausend an Einem Tag Gestorbenen nur zwei in das Para- 
dies eingegangen, nur drei in das Fegfeuer gekommen, die übrigen 
der Hölle anheimgefallen sind. In den ;,Fragen des Barthol. ^ I, 
32. 33 differiren G und S , und ich habe darauf verzichtet , eine 
Feststellung des genuinen Textes zu versuchen. Nach G handelt es 
sich offenbar nur um abgeschiedene Gerechte ; welches der Vorzug 
dea Paradieses vor dem x6nog xf^g ivaöxdöiCDg ist, bleibt unausge- 
sprochen. Darin kommen G und S wieder überein, daß sie den 
tag^chen Zuwachs auf Eine Seele angeben. 

Die Oertlicbkeit im 2. Capitel wird in G ebenso wie HE, 6 
XMffovßt^ „Ort Chritir^ oder „Ort Rhitor^ in S genannt, wärend 
III, 6 ftuoh S den Ort als den cheruktisischen bezeichnet; an 


32 N. Bonwetsch, 

letzterer Stelle wird dies als töxog ikrid'siag erklärt. Es ist 
schwerlich eine geschichtliche. Ob eine Beziehung zur &%iQ(yv6a 
Xlfkvri Apoc. Pauli S. 51, 7. 11. 67, 1 ed. Tischend, (auch in den 
Adamlegenden) vorliegt, mag dahingestellt bleiben; doch zeigt 
in, 6, daß es der Ort ist, an welchem der Blick in den Abgrund 
ermöglicht werden kann. In Y ist dieser Teil überschrieben : 
;,Fragen der heiligen Apostel bei der heiligen Gottesmutter^. In 
der Tat steht hier Maria im Mittelpunkt. Die Zugehörigkeit zur 
Bartholomäusapokalypse ist dadurch gewärleistet , daß Bartholo- 
mäus zu jenen Fragen an Maria seine Mitapostel Petrus, Andreas 
und Johannes, speciell dann den Petrus {icAxbq IUxqBj 6i> &g HO(fv- 
(pcctog) — welcher seinerseits den jungfräulichen Johannes vor* 
schiebt — auffordert, und alsdann beim Zaudern der andern die 
Fragen an Maria selbst „mit freudigem Antlitz^ richtet. Diese 
Fragen haben aber zum Inhalt die übernatürliche Empfängnis. 
Weigert sich Maria anfanglich jene Fragen zu beantworten, so 
entschließt sie sich doch dazu nach mehrfachen Zwischenreden, 
deren Inhalt die Superiorität Marias oder der Apostel, und er- 
bittet von Gott, daß ihr gegeben werde, jene Geheimnisse auszu- 
sagen. Ihr Gebet soll hebräisch sein, manche Worte klingen ja 
auch an Hebräisches an, aber in der in den Handschriften one 
tiefgreifendere Abweichungen vorliegenden Form sind sie so wenig 
hebräisch wie zumeist die sich für hebräisch ausgebenden Formeln 
in dieser apokryphen Litteratur. (Auf eine nähere Untersuchung 
des sprachlichen Charakters jener Worte verzichte ich.) Nach 
seiner Wiedergabe in der Sprache der Bartholomäusapokalypse 
wendet sich dies Gebet an den Bildner der Welt, den Ordner 
aller Dinge im Himmel und auf Erden (vgl. Const. apost. YII, 34), 
welcher von den sieben Himmeln nicht umfaßt, doch von der Jung- 
frau umfaßt sein woUte. Petrus, Andreas, Johannes und Bartho- 
lomäus müssen Maria stützen als sie jenes Geheimnis auszusagen 
beginnt, — so überwältigend ist seine Größe. Dann berichtet Maria 
über den wunderbaren Vorgang der Ankündigung jener Empföng- 
nis. Es entspricht der Angabe schon des Protevangeliums Jakobi 
6 p. 7, daß Maria im Tempel weilte und ihre tägliche Speise von 
einem Engel empfing (mit II, 16 vgl. Protev. lac. cp. 8 ^ d^ M«^ 
Qiäii hf x(ß vap xvftov &g nsQtötsgä vevoiiivtj xal iXdiißavev xQOfpijiv 
ix xstgbg iyyikov: von hier auch im Koran Sure 8). Um so ab- 
weichender aber lautet der Bericht über die der Maria gewordene 
Ankündigung der Empfängnis. Gott selbst erschien ihr in Gestalt 
eines Engels. Nur entfernt berüren sich die Worte Marias: 
n, 16 xal #Mda iyh ixl xipf y^ (lij ipigov^a xipf Idiuv wino^ mit 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 33 

gPseudomatthäus Cp. 9, 2 ed. Tisch.: ingressua est ad eam iu* 
venia, cuiua pulchritudo non potuit enarrari. Der Vorhang des 
Tempels zerreißt, ein Erdbeben geschieht, aber die zu Boden Ge- 
fallene wird aufgehoben, ganz mit Tau besprengt, mit dem Gewand 
des Erscheinenden getrocknet und als auserwältes Gefäß begrüßt. 
Der Erzälung von jenem Brod und Trank, welche entfernt an die 
Gralaage erinnert, bin ich meines Wissens anderswo nicht begegnet. 
Des Brodes Glanz vermochte kein Mensch auszusagen und der 
Becher war mit unaussprechlichem Wein gefüllt. Von Beidem 
genoß der in Gestalt eines Engels erschienene Herr zuerst, als- 
dann Maria; Brot und Wein erwiesen sich auch hernach unver- 
mindert. Angekündigt aber wird der Maria, daß sie nach drei 
Jaren durch das Wort den Sohn Gottes empfangen solle, welcher 
die Welt erretten werde ; hierauf entschwindet die Offenbarung. 
Ging schon bei der Mitteilung dieses Geheimnisses Feuer aus dem 
Hund der Maria und drohte die Welt zu vernichten, so wird sie 
nun durch eine plötzliche Erscheinung Christi an weiteren Kund- 
gebungen gehindert, da dies das Ende aller Creaturen herbeifüreu 
würde. 

Die ganze Haltung dieses zweiten Abschnittes ist in ausge- 
sprochener Weise gnostisch. Schon das Hervortreten des Petrus, 
Johannes, Andreas erinnert an die Stellung gerade dieser Apostel 
in den gnostischen Apostellegenden. Hiermit stimmt alles Wei- 
tere : die fremdsprachigen Worte des Gebets , die Vorbereitungen, 
welche von Nöten sind, wenn unter der Kundgebung des großen 
Geheimnisses Maria nicht zersprengt werden soll, noch mehr die 
Erscheinung Gottes selbst und der ganze Inhalt dieser Offenbarung, 
welcher von der katholischen Überlieferung so durchaus abweicht, 
endlich jenes Feuer, welches alle zu vernichten droht, wenn diese 
Geheimnisse kund gegeben werden. Die reiche Phantasie, die hier 
waltet, beweist schon an sich das hohe Alter dieses Berichts. Ar- 
chaistisch ist es auch, wenn U, 9 die Apostel von Maria als die 
Berge bezeichnet werden, von welchen nach Psalm 121, 1 die Hilfe 
kommt : Methodius nennt so Moses und die Propheten zu Hieb 9, 6 
vgl. Method. v. Olymp, ed. Bonwetsch I, 3B0, 6 f.). Wenn II, 11 
Maria zu den Aposteln spricht : Kccxä t^ ixxiixa6iv ifi^bv InXaösv 
6 ^ßbg tä ötQOv^ia jud &%ifSxBikBv aitä eCg rag tdööcifag ymvlag xov 
MÖöiMWj so hat schon Vassiliev die Bezugnahme auf Evang. 
Thomae Cp. U S. 135 ed. Tischend.^ inXaösv (xh xatdlov *Irfiavg) 
• . &xfov^üz iß. • . xal alnsv aifxotg ^T^xdysxs. xal xsxaö^ivxa xä 
^Qov^ia imHyav XQiiovxa erkannt. 

Im dritten Abschnitt belehrt wieder Jesus selbst seine Jünger, 

Ifl. G«. 4. W. HftekilektM. Pklloloff.-ktator. KImm. 18»7. Btftl. 3 


34 N. Bonwetsch, 

zunächst auf dem Berge Mauria (also wol Moria: in G fehlt der 
Name), wohin er mit ihnen herabgestiegen (so), dann wieder am 
Ort Cherubim. Er ermuntert sie die kurze Frist der sieben Tage 
bis zu seinem Weggang zu ihrer Belehrung auszunutzen ; wie viel 
Zeit seit der Auferstehung Christi verflossen, ist nicht gesagt. 
Zu den Belehrungen nach der Auferstehung vgl. auch C. Schmidt, 
Gnostische Schriften in koptischer Sprache [Text u. Untersuchungen 
von V. Gebhardt u. Harnack Vm, Lpz. 1892] S. 438 f.). Auf 
die Bitte der Jünger zeigt Jesus ihnen den Abgrund, indem die 
£ugel des Westens auf sein Gebot die Erde wie ein Gewand hin- 
wegbewegen; aber da die Jünger durch das, was sie geschaut, 
niederstürzen, so müssen die Engel den Abgrund wieder bedecken. 
Der vierte Abschnitt versetzt auf den Oelberg, wohin Jesus 
seine Mutter und seine Jünger gefürt. Wieder findet ein Wett- 
streit gegenseitiger Erhebung zwischen Petrus und Maria statt. 
Maria erinnert ihn nicht nur an das Wort des Herrn zu Petrus 
Mt. 16, 18, sondern auch — entsprechend 1 Tim. 2, 13 f. — an 
die Erschaffung Adams vor Eva und vergleicht Adam der Sonne, 
Eva dem Mond, dessen Blässe eine Folge der Uebertretung Evas 
sei. Petrus seinerseits hebt IV, B hervor , daß Maria die Ueber- 
tretung Evas unwirksam gemacht (vgl. Justin. Dial. 100. Iren, 
in, 22,4). Wird hier Maria der Eva gegenübergestellt, nicht wie 
in den Akten des Bartholomäus Cp. 4, 5, S. 249 ff. ed. Tischend, 
der xag^ivog y^, deren Son der erste Mensch gewesen (vgl. auch 
Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten u. Apostellegenden 
II, 2 [Braunschweig 1884] S. 74), so handelt es sich doch hier wie 
dort um die Gutmachung der Verschuldung durch den Fall. Die 
Blässe des Mondes erscheint auch in der slavischen Baruchapoka- 
lypse herbeigefürt durch die Uebertretung Evas (vgl. diese „Nach- 
richten^ 1896 Hft. 1 S. 99, 30 ff.) , nur ist sie dort durch das 
Lachen des Mondes über Evas Fall motivirt, hier werden dagegen 
Eva und der Mond als unmittelbar zusammen gehörend beurteilt. 
Den Osten weist auch die Adamlegeude dem Adam , der Eva den 
Westen des Paradieses an, vgl. Cp. 16 mit IV, 5. Da Petrus 
fortdauernd zu fragen zögert, bittet wieder Bartholomäus darum, 
den Widersacher schauen zu dürfen, welcher sich nicht schämte 
zu verursachen, daß Jesus an's Kreuz geheftet ward (Evang. Ni- 
cod. 20, 2). Auch eine Warnung Jesu läßt den Bartholomäus nur 
seine Bitte wiederholen, die er mit einem liturgischen Lobpreis 
Christi und seiner Erscheinung in der Welt begleitet, welche die 
Kümmernis Adams in Frohlocken gewandelt und das Leid Evas 
vernichtet hat. Ais nun trotz der Ankündigung, daß das Schatten 


die apokxyphen Fragen des. Bartholomäus. 35 

des Widersachers alle Apostel und Maria werde niederfallen machen, 
diese sämtlich sprechen: Herr, daß wir ihn sehen I wird ihnen die 
Erfüllung ihrer Bitte. Michael posaunt auf das Gebot Jesu hin, 
und der Teufel wird von sechshundertundsecbzig Engeln heraus- 
gefUrt, gebunden mit feurigen Fesseln: er ist sechshundert Ellen 
hoch, vierzig breit, sein Angesicht wie der Blitz, seine Augen 
finster (nach S wie Funken), aus seinen Nüstern geht ein stin- 
kender Rauch, sein Mund ist wie ein tiefer Schlund, achtzig Ellen 
Ein Flügel (< S)*'. Uns interessiert hier an dieser Schilderung, 
daß es die gleiche ist, welche die Akten des Bartholomäus von 
dem durch diesen dem Volk gewiesenen Dämon geben, Cap. 7 
S. 256, 14 ff. ngöötoTCov d^v xa^ixeg nwög^ öxavoyivsiog . ., dtp^akiiol 
xvQ06id$t$f 6niv&fjQag ilBgio^iivag ix tov ötöfiatog aitov xal ix 
töv ^iv&v aixov i^T^giBro xiicvog &6$l ^edfptv • . , xul ^v ngoödids- 
pLivog tag x^rpag &XvX€6iv xvQCvaig (vgl. Cp. 6 S. 263, 13 die Klage 
des Dämons nvQtvaig ikiiöBöiv dedcfiivog xoXiioiuci) l6%vQ&g xaxB" 
l6(uvog, 

S schließt mit jener Schilderung der Erscheinung des Satans. 
Gr aber teilt Aussagen mit, zu welchen der Satan genötigt wird. 
Daneben preisen Gebete des Bartholomäus das schon in den frü- 
heren Abschnitten in Anbetung gerfimte Geheimnis des Eingehens 
des überweltlichen Logos in den Leib der Jungfrau (IV, 17 und 
61), und gedenken zugleich (62. 63) des Leidens des Erlösers und 
der Schöpfungstaten in einer Weise, die von gottesdienstlichem 
Gebrauch nicht unabhängig sein dürfte; doch gemanen diese Ge* 
bete (vorab IV, 17) auch wieder, one Zusammentreffen im Einzelnen, 
durch ihre ganze Haltung an jene Gesänge des Lobpreises, in welche 
Thoraas in den apokryphen Thomasakten (ed. Bonnet, Leipzig 
1883) immer wieder ausbricht (vgl. auch die Worte Jesu IV, 66 
'Ijfiovv di (i* ixdXeöBVj tva Idöoofiai %a6av ifiaiyciav mit Acta Thomae 
57 S. 43, 16. 18 ^sh 7i}tfoi) Xfiöti . . la^iv di nagiimv). 

Den wesentlichen Inhalt der Aussagen des Satans bilden Mit- 
teilungen über die Engel wie über den Fall Satans. Die Ersteren 
erinnern deutlich an das He noch buch. Wie schon I, 17 S. 6, 9 
die Bezeichnung Henochs als des Schreibers der Gerechtigkeit auf 
Henoch 12, 4. 15, 1 ed. Dillmann zurückgeht , so stimmen IV, 29 
die Engel Michael, Gabriel, Uriel, Rafael zusammen mit Henoch 20, 
Nathanael ist wol durch Corruption entstanden, etwa aus Fanuel 
(Henoch 71 , 9), wie z. B. in dem von Vassiliev 8. 388 mitge- 
teilten Ezoreismus Adonael neben jene vier Engel tritt Ebenso 
entsprechen die sonstigen Angaben über die Engel jenem Buch« 
Das ^^äthiopische« Henochbuch (Cp. 41, 4. 69, 1-8. 60, 18—16. 69, 28 

8* 


36 N, Bonwetsch, 

ed. Dillmann) wie das „slaviscbe'^ (Abhandl. d. kön, Ges. d. 
Wiss. zu Göttingen N. F. I, 3 Cp. 5. 6. 19. 40, 8-11) erzälen 
von Behältnissen des Hagels, Keifs, Nebels, der Wolken, des Don- 
ners und der Blitze, und von den Geistwesen , welche über ihnen 
walten (äthiop. Henoch 60, 17 — 21) und nur nach Maß und Gewicht 
aus jenen Behältnissen hervorzugehen ihnen gestatten (slav. Henoch 
40, 10. 11) ; wozu auch Epiphanius De mensur. et ponder. Cp. 22 
S. 27, 17 ff. zu vergleichen ist : i^ &v i6xi ^tdiv wil yigv^xakko^ xal 
%Akatju xal xccystol xal dQÖtfog, t& nvsiiiiaxa rä XsLxovQYOvvta iva- 
niov ainovy axivd iöxi xdde^ . . xal ßyysXoi nvEviidxav nvB6vxmv 
äyyBkoi v€g)sX&v Tcal yvötpaiv, xi6vog xal xaki^ris xal jcdyov, äyyskoi 
(pmv&v, ßgovx&v, döxgan&v ^ ifv%ovQ xxk. Aenlich schildern die 
i,Fragen des Bartholomäus^ das Walten solcher Engel, welche 
in den Naturerscheinungen wirksam sind und die Ordnungen der 
Natur aufrecht erhalten. Cap. IV, 31 ff. erzält von Engeln , die 
Sorge tragen eine übermäßige Wirkung der verschiedenen Winde 
zu verhindern, und IV, 4B redet von Engeln über Hagel, Donner 
und Blitz. Sie werden IV, 47 mit Namen genannt, welche ich 
ganz nach der handschriftlichen Überlieferung wiedergegeben habe. 
Mit dem „slavischen'' Henochbuch besteht auch ein Zusammen- 
hang in Bezug auf das über den Fall Satans Berichtete. Nach 
slav. Hen. 29, 3 hat Gott aus festem , harten Stein ein großes 
Feuer geschnitten und davon die Ordnungen der leiblosen Heer- 
scharen der Engel gemacht. „Einer aber aus der Ordnung der 
Erzengel, sich abgewandt habend mit der Ordnung unter ihm, und 
empfangen habend einen unmöglichen Gedanken, daß er setze 
seinen Tron höher denn die Wolken*' (ebd. 29, 4). Und Gott „warf 
ihn hinab von der Höhe mit seinen Engeln^ (29, 5). Jetzt ward 
jener Engel zum „Satan, denn er hatte (seil, zuvor) den Namen 
Satanael^ (31, 4). Satanael war aber auch nach |, Fragen d. Bar- 
thol.'' IV, 25 der ursprüngliche Name des Teufels (ngSnov ikeyd- 
(iip/ Ikcxavai^kj b igfirivdvsxai i^dyyskog d'eov' 5x8 81 dniyvmv ivxi- 
xvnov xov d£ot) ixki^d-ri xb Hvoiid (lov Zkxxavag). Aus Feuer sind 
die Engel gebildet und zwar Satanael ald Erster der Erzengel 
(IV, 28: ^sbg . . ikaßsv d^dxa nvQog xal S7cka6$v i(ih srpdrov, 
dßikeQov xbv Mixaijk). Sein Fall ist durch die Erschaffung des 
Menschen herbeigefürt worden. Denn als Gott den Menschen 
nach seinem Bild erschaffen, fordert Michael den Satanael auf, 
dieses Bild Gottes anzubeten (IV, 54: kiyei Mixai^k ÜQo^xvptfiov 
xiiu eCxöva xov ^eav). Dieser aber weigert sich {'Eyin xvq ix nv- 
QÖg, ZQ&xog Syyskog xka6yiivog flii^rpfj xal xijkbv xal ükijv fitikka 
nQocxwetv ]) f ja auf die Bedrohung von Seiten Michaels mit dem 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 37 

Zorn Gottes hin erkänt er sich seinen Tron Gottes Tron gegen- 
über zu setzen und wird dafür aus dem Himmel gestürzt (IV, 55); 
seine Eugclschar folgt seinem Beispiel und erfärt das gleiche Ge- 
schick (IV, 56) , daher nun Satan nach vierzigjärigem Schlaf er- 
wacht an dem Menschen sich durch Verfürung zu rächen unter- 
nimmt (IV, 68 f.). 

Die gleiche Sage vom Fall des Teufels kehrt in verschiedenen 
Relationen wieder. Die Apokalypse Sedrachs setzt sie voraus, 
wenn es Cp. 5 (ed. James, Apocrypha anecdota in Texts and 
studies edit. by J. Armitage Robinson 11, 3 S. 131, 20 ff.) heißt: 
tfv ixiXsvöag tovg iyydXovg <fov tbv 'Adäfi ngoöxxn/etv, avtbg öl 6 
XQöxog x&v iyyikiov jtagijxovfSBv 6ov tb Tcgöötay^a xal ov xqoös- 
xvvriöBv avxAv , xal öi) iliwQiöag avtöv , dtÖT» nagißfi xo XQÖörayfiä 
öov xal oi> ngoöflXd'Sv x&v xhq&v öov xb nXaöxo'ögyri^. Ebenso 
y,dic Schatzhöle^ (übersetzt von C. Bezold I, Leipzig 1883. 
S. 13 f. : „Und es bildete Gott den Adam mit seinen heiligen 
Händen nach seinem Bild . . . Und dort (auf Golgatha) setzte ihn 
Gott auf den Tron seiner Glorie. Und dort gab ihm Gott die 
Herrschaft über alle Creaturen . . . Und . . die Engel beugten 
• . alle die Kniee und beteten ihn an. Und . . das Haupt dieser 
antern Ordnung . . wollte ihn nicht anbeten und sprach: . . ihm 
ziemt es mich anzubeten, der ich Feuer und Geist bin^. Der K o- 
ran, Sure 15 (S. 213 in Ulimanns Uebersetzung [1. Aufl. 1840]). 
„Und dein Herr sagte zu den Engeln: Ich will den Menschen 
schaffen aus trockenem Ton und schwarzem Lehm; wenn ich ihn 
vollkommen gestaltet und ihm meinen Geist eingehaucht, dann 
fallet ehrfurchtsvoll vor ihm nieder. Und die Engel fielen alle- 
samt ehrfurchtsvoll vor ihm nieder, nur der Satan weigerte sich, 
ihn zu verehren". Von Gott deshalb befragt, antwortet er: ;,Ich 
werde mich nimmer bücken vor einem Menschen, den du aus trocke- 
nem Ton und schwarzem Lehm geschaffen^. In dem lateinischen 
Ad am buch hat Wilh. Meyer die analoge Erzälung gezeigt, vgl. 
seine Ausgabe der Vita Adae et Evae (Abhandlungen der kön. 
bajrr. Akademie der Wiss. I. Cl. , XIV. Bd., III. Abt. , München 
1879) § 12 ff. S. 41. Der Satan selbst schildert hier wie in den 
„Fragen des Barth.^ seinen Fall: „Et ingemescens diabolus dixit: 
o Adam tota inimicitia mea et invidia . . ad te est, quoniam 
propter te expulsus sum et alienatus de gloria mea, quam habui 
in caelis in medio angelorum et propter te eiectus sum in terram 
. . . quando tu plasmatus es, ego proiectus sum a faeie dei et 
foras a societate angelorum missus sum. quando insufflavit deus 
spiritom vitae in te et factus est vultus et similitudo tua ad ima« 


88 N. BoBwetech, 

ginem dei, et addoxit te Miohahel et fecit te adorare in conspectü 
dei et dixit dominus deua: ecce Adam feci te ad imaginem et si- 
militudinem nostram. Et egresaus Michahel vocavit omnes angelos 
dicens : adorate imaginem domini dei, sicut praeeepit dominus deus. 
et ipse Michahel primus adoravit et vocavit me et dixit: adora 
imaginem dei Jehova. et respondi ego: non habeo ego adorare 
Adam , et cum compelleret me Michahel adorare , dixi ad cum : 
quid me compellis? non adorabo deteriorem et posteriorem meum, 
in creatura iUius prius sum. antequam ille fieret ego iam faotas 
eram. ille me debet adorare. Hoc audientes ceteri qui sab me 
erant angeli noluerant adorare eum. et ait Michael adora imagi- 
nem dei. si antem non adoraveris, irascetur tibi dominus deus. 
et ego dixi, si irascitur mihi, ponam sedem meam super sidera 
caeli et ero similis altissimo. Et iratus est mihi dominus deus et 
misit me cum angelis meis foras de gloria nostra . . et proiecti 
sumus in terram ... et te in tanta laetitia delitiarum videre do- 
lebamus. et dolo circumveniebam mulierem tuam et feci te ex- 
pelli per eam de deliciis laetitiae tuae. — W. Meyer hat in 
seinen Erläuterungen (Einleitung S. 15 und S. 41 ff. zu Z. 77) die 
gleiche Sage auch in dem Codex Nasoraeus ed. Norberg S. 67 
nachgewiesen (Dedaravit rex altissimus lucio dicens: reges ignis 
Adamo serviant , accedentes eum colant . . ; at unus malus . . a 
iusso domini descivit; iussa vero domini non exsequens cum suo 
curru in vincula dei praecipitavit), und ebenso in Baimund Martini's 
(in den betreffenden Abschnitten allerdings angezweifeltem) Pugio 
fidei p. 663 aus dem R. Moses Haddarschan „Als Gott Adam er- 
schaffen hatte, sagte er zu den höheren Engeln: Werfet euch vor 
ihm nieder; der Satan aber war größer als alle Engel des Him- 
mels, und er sprach: OHerr der Welt! uns hast du aus dem Ab- 
glanz deiner Herrlichkeit erschaffen, und du sagst, wir sollen vor 
ihm uns niederwerfen, den du aus dem Staube der Erde geschaffen? 
. . Und als er sich nun nicht niederwerfen und Gott nicht gehor- 
chen wollte, verstieß ihn Gott aus dem Himmel und er ward 
Satan, und auf ihn sagt Jesajas 14, 12: Wie bist du u. s. w.* — 
Diese Sage kehrt aber auch wieder in der Di sputatio Christi et 
diaboli, deren griechischen Text Vassiliev in zwei Recensionen 
S. 4 ff. seiner Anecdota herausgegeben hat. Denn hier spricht 
der Satan S. 6, 16 ff. &g> ffg liikaösv tbv ^A8&yL tybx ^iXrica wbtbv 
Xfo6xvvil6ai aal inb t6xs i(ii6ij6iv fifi aitbg xal 6 leatiiQ ccötov. 
Auf ihr öfteres Vorkommen in altslavischen Texten hat Jagic, 
Slavische Beiträge zu den biblischen Apokryphen (Denkschriften 
der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Bd. 42, Wien 1898 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 89 

anfmerksam gemacht. Aus einem von Bar so v 1886 herausge- 
gebenen Text des 16. Jarhunderts teilt er einen Bericht mit, wie 
Gott sich von Sataniel aus dem Tiberiasmeer habe Erde und 
Feuerstein bringen lassen und daraus körperlose Engel und Erz- 
engel herausgeschlagen, was Sataniel nachgeamt. Von Gott zum 
Obersten über alle Rangordnungen der Engel erhoben, Gott aber 
von allen Engeln gepriesen sehend, habe Sataniel den Gedanken 
gefaßt: Ich will meinen Tron auf den Wolken errichten. Michael, 
gegen Sataniel gesandt, habe, obwol anfangs durch Sataniels Feuer 
zurückgetrieben, dann doch mit dem Scepter Gottes den des „el*^ 
beraubten Sataniel mit seiner ganzen Schar herabgestürzt, und 
drei Tage und drei Nächte seien diese wie Tropfen des Kegens 
herabgefallen. Ebenso kann Jagic aus einer von Moculskij 
1887 edierten Odessaer Handschrift des 18. Jarh.s berichten , wie 
der zu den Erzengeln gezälte Satan seinen Tron über den Sternen 
errichten will, aber auf Befehl Gottes von Michael besiegt und 
sammt seinen Engeln auf die Erde geschleudert wird; hernach 
heißt es hier: ^Und der Herr sprach zu Satan: Verehre den 
Adam. Satan aber sagte: Ich werde nicht deine Schöpfung ver- 
ehren^. Noch näher steht den „Fragen des Bartholomäus^ die 
von Jagic S. 47 aus A. Byckov's „Beschreibung der kirchen- 
slavischen und russischen handschriftlichen Sammelcodices der 
Kais, öffentl. Bibliothek in St. Petersburg 1882 S. 484 f. mitge- 
teilte Erzälung. Hiemach sprach der Herr „zu allen Engelord- 
nungen : der ersten Ordnung dem Sataniel, der zweiten dem Micliaol, 
der dritten dem Gabriel , der vierten dem Raphael , der fünften 
dem Uriel, daß sie alle hingehen und Adam verehren sollen, jeder 
mit seinem Heer; bei einem jeden von ihnen (waren) 70 Scharen 
und sie (waren) himmlische Heerfürer ; sie sollen also gehen und 
den Adam verehren. Alle wollten Adam ihre Verehrung erweisen, 
der einzige Erzengel Sataniel wollte nicht Adam verehren". Der 
Herr sendet Gabriel. „Sataniel aber war hochmütig geworden 
und sprach: Ich brauche ihn nicht zu verehren, da ich eine frü- 
here Schöpfung bin als er". Auch Sataniels eigene Scharen kön- 
nen ihn zu jener Verehrung nicht bestimmen, vielmehr spricht er : 
„Ihr seid meines Heeres Scharen, sehet zu, was ich getan habe". 
(Der Text bricht gleich darauf ab). Jagi6 weist auch S. 46 
Anm. 1 hin auf einige analoge Berichte über den Fall Satans in 
Porphirjev's „Apokryphe Erzälungen von alttestamentlichen 
Personen und Ereignissen" (im Sbornik der St. Petersburger Akad. 
d. Wiss. Bd. XVn, 1877). Nach dem von Porphirjev S. 85 
wiedergegebenen Abschnitt einer Falaea wird Sataniel wegen seines 


40 N. Bonwetsch, 

Hochmuts (Jes. 14, 13 f.) vom Himmel herabgestürzt : ;,nach ihm 
fielen herab auch jene, die ihm untergeben waren, die zehnte 
Schar ; wie Sand stürzten sie vom Himmel herab und (einige von 
ihnen) fielen bis in die unterste Hölle hinab, andere blieben auf 
der Erde, andere in der Luft" ; an Stelle des Gefallenen wird Mi- 
chael eingesetzt. Wärend in einer andern Palaea des 17. Jarhun- 
derts diese Vorgänge etwas modificirt erscheinen (Porfirjev 
S. 86 f.), findet sich der erste Bericht auch in der Palaea, welche 
zum Gedächtnis N. Tichonravovs dessen Schüler nach der 
kolomnaer Handschrift v. J. 1406 in glänzender Ausstattung (Mos- 
kau 1892 u. 96) herausgegeben haben (S. 37). 

Schon die recht unmotivirte Art, in welcher die Mitteilungen 
des Satans über die verschiedenenen Engelwesen wie über seinen 
Fall erfolgen, zeigen, daß es sich hier um Entlehnungen älteren 
Materials handelt. Dasselbe gilt auch von den jene Mitteilungen 
unterbrechenden, durch ein ®ikBig &vayy6ik<o 6ol tiiv x6ka6vv t&v 
hnoxQLx&v xtX, eingefürten Angaben über die Pein der verschie- 
denartigen den Verlockungen der Boten Satans unterlegenen Sün- 
der IV, 38 fi; , wenn schon es ja der von Bartholomäus erbetenen 
Auskunft über die Wirkungsweise Satans entspricht. — Jener 
Sünder wird IV, 67 noch einmal gedacht, als es sich darum han- 
delt, wem die dem Bartholomäus gewordenen Offenbarungen an- 
vertraut werden dürfen, und vor wem sie bewart werden müssen. 

Ein gewisser Zusammenhang besteht zwischen dem hier über 
die mannigfachen Sünder Gesagten und der Frage des Bartholo- 
mäus V, 1, welches die schwerste Sünde sei, als welche in der 
Antwort Heuchelei und üble Nachrede bezeichnet werden. Die 
Sünde wider den heiligen Geist wird in dem Weissagen (Reden, 
^söxi^stv) wider jeden Menschen, der Gott würdig dient , erblickt 
(V, 3). Vielleicht, daß durch diese Aussprüche das Gewicht auch 
der scheinbar unbedeutenden Wortsünden hervorgehoben werden 
soll; wird doch auch zugleich hiermit das Wehe über die beim 
Haupte Gottes Schwörenden ausgesprochen (V, 6). In Betreff der 
Fleischessünden lautet die Antwort nicht recht deutlich , doch 
scheint es (vgl. 11, 3), daß Verzicht auf die Ehe unter dem löb- 
lichen tadellosen Bewaren der Taufe zu verstehen ist (V,'8); wä- 
rend die einmalige Ehe der Ehrbarkeit zugerechnet wird, heißt es 
fistä xQitfiv ywatxav 6 &{iaQxivmv &v£^i6q i6riv tov ^eov. 

Mit der sahidischen Bartholomäusapokalypse finden sich Be- 
rürungen in allen Teilen der „Fragen des Bartholomäus **. Jener 
entspricht es, wenn I, 9 Abrahams, Isaaks und Jakobs gedacht 
wird, vgl. oben S. 2, 16 f. Mit ihr trifft es auch zusammen , daß 


die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 41 

II, 3 Petrus als IlitiQ Ilitgs , 6i> Ag xoQvq>atog , 11, 7 als IlitQi 
xoQv^te Ttal ötiiXB iiiyi6re^ II, 14 als lUrgs xogvfpats angeredet, 
und 2U ihm IV, 3 gesagt wird: ^AxQÖroiis IHxqb^ o^jl in) 6% <6 
xiiQiog> ^xod6(iri6Bv zi^ ixxlriötav : Bonn in jener Apokalypse heißt 
es (Apocal. apocr. ed. Tisch. S. XXVI) : Alors le Pfere . . ötendit 
la main snr la t^te de Pierre; il le consacra archev^que de Tuni- 
vers, et le bönit en lai disant: „Tu seras le chef et le prince 
de mon royaume; tu le sera aussi du monde entier; car moi, 
mon Fils et le Saint -Esprit nous «favons imposä les mains. 
Tout ce que tu lieras etc. (Matth. 16, 19). Nul ne s'ilivera au- 
dessus de toi et ton trone ; celui qui ne se prostemera pas devant 
ton siege verra son offrande rejetöe. Ton souffle sera plein du 
Souffle de FEsprit-Saint, en sorte que tout homme sera baptis^ de 
ta main recevra vraiment le Saint-Esprit^. Abgeblaßter als ^Fragen 
d. Barth." U, 3 6 dhnitQog tdi *Imdwri £v bI nagd'ivog xal &(ie(iJitog 
und n, 14 ^Ifodvvri nag^ivB lauten die Worte in der sahidischen 
Apokalypse (ebd.): Jean, mon bien-aimö et le bien-aim^ de mon 
Fils, tu sera böni dans mon royaume. Behandelt diese letztere 
eingehend die Vollmacht der Apostel, so wird ihnen doch auch 
hier V, 6 der Auftrag aller Welt zu predigen. 

Wird schon an und fiir sich schwerlich jemand die griechische 
Sprache als die ursprüngliche unserer Apokalypse bezweifeln , so 
erweist sich diese noch unmittelbar durch die Deutung der Namen 
Christus und Jesus IV, 65. 

Darüber, wann und in welchen Kreisen die „Fragen des Bar- 
tholomäus^ in ihrer gegenwärtigen Gestalt entstanden sind, wage 
ich keinerlei Vermutung. Die einzelnen Bestandteile, deren man- 
che unverkennbar gnostische Züge tragen, gehören nach ihrem Ur- 
sprung jedenfalls sehr verschiedenen Zeiten an. In Bezug auf 
die Akten des Bartholomäus hat Lipsius für die lateinische Passio 
die Zeit zwischen 450 und 650 (S.71), forden vorliegenden griechi- 
schen Text die Zeit bald nach 580 (ebd.), für die koptischen Akten 
die Zeit zwischen 400 und 580 (S. 91 f.) angenommen. In die 
gleiche Zeit könnten auch die Fragen des Bartholomäus in ihrer 
gegenwärtigen Gestalt fallen. Dem von Lipsius hervorgehobenen 
Zusammenhang der Bartholomäuslegende mit der des Matthäus 
entspricht arch, daß in den „Fragen^ auch Bartholomäus vom Zoll 
in die Nachfolge Jesu berufen worden ist (IV, 49). Moculskij 
^Spuren der Volksbibel" u. s.w. hat nach dem Referat Kirpicni- 
kov's im Vizantijskij Vremennik Bd. I S. 191 den monophysiti- 
schen Ursprung der Fragen um das 7. Jarhundert behauptet. Aber 
Eirpicnikov hat erkannt, daß von specifisch monophysitischen 


42 N«BonwetBch, die apokryphen Fragen des Bartholomäus. 

Zfigen nichts entgegentritt. Die doketischen Zfige gehen fiber den 
MonophysitismuB binaas, und andererseits war auch in der katho- 
lischen Kirche die Aufnahme doketischen Stoffes in eine Legende 
nicht ausgeschlossen. — Für die Abfassungszeit der ^ Fragen^ gibt 
auch die Erwänung des Orariums lY, 70 keinen Fingerzeig, denn 
wenn auch in Rom das Orarium im liturgischen Sinne erst nach 
dem 10. Jarbandert auftaucht, sieht sich im Orient schon das Concil 
zu Laodicea veranlaßt, Cap. 22 den Lectoren und Cantoren den li- 
turgischen Gebrauch des Orariums zu verbieten (Hefele, Concilien- 
gesch. * I S. 765) , und vergleicht es Isidor von Pelusium mit dem 
bischoflichen Pallium Ep. I, 136 (Migne 78 Sp. 271), vgl. hierüber 
zuletzt G r i s a r. Das römische Pallium und die ältesten liturgischen 
Schärpen in der ;,Festschrift zum elfhundertjärigen Jubiläum des 
deutschen Campo Santo in Rom^ herausgeg. von Ehses , Freiburg 
1897, S. 101 ff. — Die Frage nach der abschließenden Redaktion 
unserer Schrift darf auch angesichts des wesentlich höheren Alters 
so mancher Bestandteile nur ein untergeordnetes Interesse bean- 
spruchen. 

Zu dem slavischen Henochbuch Cp. 15 kann ich jetzt auf eine 
gewisse Parallele hinweisen, nämlich in der Disputatio Panagiotae 
cum azymita, welche Vassiliev aus Vind. theol. 244 (Lambec. 
297) mitgeteilt hat, S. 185, 9 ff. : ivS'6ov6iv (seil, ot &yy£koi) xhv 
V^Xiov Tcal ivaxikksv xal si&vg diio Sgvsa xaloviisvcc ygv^tj tb l^v 
xalettai ipigtlS (= q>oivii) xal tb Sxsqov xaXidgig isg inb nfix&v 
iwia xal ßgdxovCiv rbv ^Xiov Iva (lij xav6r] tbv xööiiov, 

S. 16, 28 ist wohl mit S 7C8Qiß6Xaiov für ßißXiov zu lesen. Fernere Correc- 
taren, die ich zumeist, und Verhesserungsvorschläge, die ich sämtlich Herrn Wirkl. 
Statsrat £. Kartz in Riga verdanke: zu S. 9, 8 „S. 10, 12*^, 10, 9 iilv t&v st. 
fUvtoi, 10,25 xagd-ivog und tfs für <rot, zu 10,27 a^bx^/jv G, zu 12, 19 t. Wtftf., 
12, 26 {fTceQfisyidifig, 14, 2 SuüxQrixov, 14, 3 iotpegbv, 14, 4 t&v ccl^sgiav, 14, 8 &vtO' 
dvvtosy 14, 12 nlriQAöatfa^ dazu aikotg < S, 14, 14 vnSßccXov, zu 14, 18 <S, 14, 27 
l^avtich, 18,9 wol TCBnlatviiivTi, 18,21 Jf^iXti&v, 18, 27 r/, 18,80 igtotäg, 20,7 
XUQiiVTi^ 20, 8 20^i{yi2tfoy, 20, 16 wol &vrild'SVy 20, 21 wol »^/ivoj), 20, 24 wol &ü$l 
viXQoi, 20, 27 igii, 22, 4 oiufuoe'ivTa (7) , 28,21 änriXUnw für M&if%xov , 23, 22 
ain^Vj 28, 26 <6> Inl^ 23, 29 oi}% Blaav, 24, 8—10 iiaxt^Ufti, 24, 14 cadfjva, 24, 16 
„besser ^oöxtXCSa^ ^ 24,24 6Xiy<o(fiaig , 25,4 dXiydiQritiov („hier = animo delin. 
quere, Hesych. = &dfiiiov&^\ 25, 8 xaxax^dvut , 25, 9 „in x'/iaag steckt offenbar 
x6cag*^j 25, 10 iiBXiia /ic, 25, 12 nur Komma nach xiXovg, 25, 24 agfiovi^c, 26, 12 
tdifd^ay 26,20 tf^fMvri 8t. ^d^ftan, 26, 21 f., 8 . . ndvxagy 27, 3 KaWXdo, 27, 10 ««rd' 
L dianC^ive , 27, 18 cvyyhiidj 28, 25 KaXhv. Einige oben nicht notirte Abwei- 
chungen in 8 Ton G: S. 9, 4 'Iticoihf „Herm^ S | 12, 1 xbv—hsxsg (nicht ^ nAg 
ißdet,) < S I 12, 15 ovv u. 17 «{fxoig < S | 16, 1 ^a^av S | 16, 14 dQOfik, u. 29 
a^iiv < 8 I 18, 5 d^j 6 ndvxa, 18 yccQ, 19 iitudii < S | 20, 18 dh : xal S. 


Zur Geschichte der deutschen ReichsinsignieiL 

Von 

F. Frensdorff. 

Vorgelegt in der Sitzang yom 18. Juli 1896. 

Die deutschen Reichsinsignien und ihre Geschichte, ein zur 
Zeit des alten Reichs von Juristen und Historikern oft behandelter 
Gegenstand *), sind in neuerer Zeit selten mehr der Aufmerksam- 
keit gewürdigt worden. Aschbach hat in seiner Geschichte 
Eodser Sigmunds den Reichskleinodien einen kurzen Excurs ge- 
widmet *), weil ihre spätem Schicksale durch eine Verfügung dieses 
Herrschers endgültig bestimmt worden sind. Rücksichten der 
Kunstgeschichte haben das Prachtwerk von Franz Bock, die 
Kleinodien des heil. röm. Reichs (Wien 1864) hervorgerufen. Im 
Zusammenhange der deutschen Yerfassungsgeschichte hat Waitz 
zusammengestellt und erörtert, was die historischen Quellen an 
Zeugnissen bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts bieten •). Die 
Wiederaufrichtung des Reichs ist für Arthur Winckler der 
Anlaß geworden, in einer für weitere Kreise bestimmten Dar- 
stellung, die deutschen Reichskleinodien zu behandeln^). Im Fol- 
genden soll aus der Geschichte der Reichsinsignien nur ein Ab- 
schnitt , der letzte, und zwar auf Grund von Quellen erörtert 
werden, die, seit zwanzig Jahren allgemein zugänglich, doch für 
diesen Zweck noch nicht benutzt worden sind. Es sind das die 


1) Patter, Litterator des tentscheu Staatsrechts III (1788) S. 109ff., IV 
(1791) S. 15Sff. 

2) Bd. IV (1846) 8. 478. 

8) Bd. ni 249ff., VI 138, 228ff. (VP 177ff., 285ff.). 

4) SaromlaDg gemeiriTerstäDdl. Vortr&ge, Lg. v. Virchow u. t. Holtzendorff, 
Serie VU üeft 154, Berlin 1872. 


44 F. Frensdorff, 

Chroniken der Stadt Nürnberg, in der Sammlung der Städte- 
chroniken Bd. 1—3 (1863—64) nnd 10 und 11 (1872—74). Die 
Absicht der nachfolgenden Untersuchung geht dabei nicht blos auf 
eine Erläuterung des in den Nürnberger Chroniken enthaltenen 
Stoffes, sondern auch auf Beantwortung einiger rechtshistorischer 
Fragen allgemeinerer Art, zu denen er Anlaß giebt. 

Nürnberg spielt in der spätem Geschichte der Reichsinsignien 
eine große Rolle. Nach langen Wanderungen kamen sie in dieser 
Stadt zur Ruhe und sind hier von 1424 bis 1796 aufbewahrt wor- 
den *). Ihre Einfuhrung in Nürnberg, ein Ereigniß von Bedeutung 
nicht nur für die Stadt, sondern auch für das Reich, ist in dem Be- 
richt eines Augenzeugen geschildert. Endres Tucher, nach seiner 
Wohnung am Milchmarkt zubenannt, beschreibt in seinem die Jahre 
1421 — 1440 umfassenden Memorial*), wie am 22. März*) 1424 das 
„Heiligthum" in Nürnberg angekommen, mit feierlicher Procession 
am Frauenthor empfangen und nach dem Heiligengeistspital ge- 
leitet sei. Die Insignien kamen von dem Schlosse Blindenburg 
(Wissegrad) bei Ofen. Weihnachten zuvor waren sie bei dem 
Kirchgange auf der Feste zu Ofen verwendet worden, wo Eber- 
hard Windeck sie dem Könige in die Kapelle nachtragen sah^). 
Die Verhandlungen über ihre Verpflanzung ins Reich müssen schon 
damals im Gange gewesen sein^). 


I. 

Endres Tucher, der die Insignien bald nach ihrer Einführung 
gemeinschaftlich mit den übrigen Rathsmitgliedern sah, zählt in 
seinem Memorial (S. 12) die einzelnen Stücke auf, die amtlich in- 
signia imperialia oder regalia, in Nürnberg am liebsten „das wir- 
dig heiligtum (heiltum)^ oder schlechthin „das heiligtum^ genannt 
wurden*). Sie zerfallen in drei Gruppen : metallene Amtsabzeichen, 
Gewänder des Reichoberhaupts und Reliquien. Die spätem Be- 
schreibungen stellen die beiden ersten Classen als Reichsornat den 


1) WincUer 8. 41. 

2) StAdtechron. 2 S. Iff. 

8) Ueber dM bei Tncher wie bei Eberhard Windeok irrig angegebene Da- 
tum des 29. M&rz: StChron. S. 12 A. 1 und AHmann in seiner Ausgabe des 
Wittdeck (Berlin 1892) 8. 184. 

4) Windeck 8. 173 and 201. Altmann, Begesten K. Sigmunds 5701a. 

6) 8. unten unter IL 

6) Ueber diese und andere Bezeichnungen s. die Anmerkung am Schlüsse 
dieses Abschnitts. 


zar Geschichte der deutschen Reichsinsignien. 45 

Heiligtliüinern gegenüber^). Nicht blos für die Gegenstände der 
letzten Kategorie wird ein hohes Alter in Anspruch genommen. 
Aach das Schwert, der Apfel, das Scepter, die £rone wie der 
Mantel, Rock, Grürtcl und Schuhe sollen die Karls des Großen sein. 

Insignien der königlichen Würde sind in den deutschen Ge- 
schichtsquellen von früh auf erwähnt. Aber ihre Zahl ist anfangs 
klein. Unter den merowingischen Königen ist nur weniges nach- 
weisbar^). In der karolingischen Zeit kommen Krone, Scepter, 
Schwert und Stab vor'): Abzeichen, die, wie Krone und Scepter, 
schon den Römern bekannt waren und ihnen nachgebildet sind, 
oder, wie Schwert und Stab, dem deutschen Recht entstammen 
und den König als den Inhaber der Heergewalt und der Gerichts- 
gewalt bezeichnen *). Mit der Zeit hat sich die Zahl der Insignien 
vermehrt. £s sind namentlich Reliquien hinzugetreten, die zuerst 
mit den eigentlichen Insignien verbunden werden, dann aber auch 
selbständig vorkommen und bei feierlichen Kirchgängen und öffent- 
lichen Aufzügen dem Kaiser vor- oder nachgetragen werden oder 
umgeben. Das Hauptbeispiel jener Verbindung gewährt die heilige 
Lanze, in der ein Nagel vom Kreuze Christi befestigt war. Das 
älteste Abzeichen der Heergewalt merowingischer Könige, unter 
den Insignien der karolingischen Zeit seltener genannt, erlangt 
die Lanze vermöge ihres kostbaren Inhalts wie ihres hohen Alters 
besonderes Ansehen. Denn sie stammt der Angabe nach aus dem 
Besitze Kaiser Constantins und ist im Jahre 922 aus der Hand 
des Königs Rudolf von Hochburgund an König Heinrich L gekom- 
men ^). In der Aufzählung des Nürnberger Chronisten steht obenan : 
„das sper und der nagel drin". 

Unter den kaiserlichen Gewändern ist der Mantel das am 
frühesten zu den Insignien gezählte Stück. Die spätem Kataloge, 
so auch der des Endres Tücher^ fügen eine vollständige bis auf 
Schuhe und Hosen d. h. Strümpfe herabreichende Kleidung des 
Kaisers hinzu« 

Nach unserer heutigen Anschauung ist die Krone das wich- 


1) Chr. G. T. Marr, Beeehreibung der Reichtkleinodien (Nürnberg 1790), 
Yorberiebt 

3) Waiu, Vf.- Gesch. n 1 & 174. Ueber den gröBern Beichthnm an In- 
signien bei den GotheUp das. I 824 A. 8. 

8) WaiU , m 249. 

4) T. Amira in Paals Gmndrii der germ. Philol. II 2 S. 126. Bronner, 
deattche RecbUgesch. 2, 17. 

() WaiU , Jahrb. des dentschen Reiche nnter Heinrich I. 8. 69. St&linp 
Wirtemberg. Oesch« I 480. 


46 F. Frensdorff, 

tigste, das eigentlich repräsentative Stück unter allen Insignien. 
Wo wir die Herrschergewalt oder den Herrscher in einem Lande 
meinen, sprechen wir von der Krone: ein weitverbreiteter und 
alter Sprachgebrauch. Wie nach dem französischen Kechtssprich- 
wort: la couronne de France ne tombe pas en quenouille, so ist 
nach der Preußischen Verfassung Art. B3 die Krone erblich in 
dem Mannsstamme des königlichen Hauses, und ebenso wies die 
Verfassung des Norddeutschen Bundes (Art. 11) das Präsidium des 
Bundes „der Krone Preußen^ zu. Und so nicht blos im amtlichen 
Styl und in der Sprache der Gesetze. Die Krone anbieten, an- 
nehmen, ausschlagen, niederlegen u. dgl. sind jedermann geläufige 
Redewendungen. Auch im Rechte des Mittelalters kam der Krone 
eine ausgezeichnete Stellung unter den Insignien zu; aber es wur- 
den doch, auch andere Insignien neben ihr repräsentativ für die 
Herrschaft verwendet, und der Sprachgebrauch hielt sich stärker 
an die concrete Erscheinung der Krone und steigerte noch ihre 
den Träger über alle emporhebende Bedeutung. Die deutsche 
Kaiserkrone, die übrigens ursprünglich nicht von der Königskrone 
unterschieden wurde ^), war durch einen milchweißen eirunden Opal 
ausgezeichnet, der, weU er angebUch nur einmal vorkam, der Waise 
genannt wurde. Bekannt sind die Verse Walthers von der Vogel- 
weide, der die deutsche Krone nach diesem Stein bezeichnet*). 
Als im Jahre 1360 K. KsltI IV. die Reichsinsignien von den 
Nachkommen Ludwigs des Baiem ausgeliefert erhielt, beschrieb 
die Uebergabeur künde die „aurea Corona cum arcu et cruce^ als 
mit verschiedenen kostbaren Steinen geschmückt, unter denen 
„singulariter pretiosus est lapis mtextus qui vocatur candidus". 
Das Mißverständniß kehrt ebenso in der deutschen Gegenurkunde 
K. Karls IV. wieder'). 

Die beiden eben angeführten Urkunden von 1350 enthalten 
ein ausführliches Verzeichniß der Reichsinsignien; eins von ihren 
zwei Schwertern, die goldne Elrone, das Scepter, den Apfel, Rock, 
Mantel und Handschuhe bezeichnen si^ als die Kaiser Karls. In 
der oben S. 44 erwähnten Liste des Endres Tucher ist die Zahl 
der Gegenstände noch gewachsen, für die eine solch ehrwürdige 
Herkunft angenommen wird. An diesem Glauben hat man lange 
festgehalten; erst in den letzten Zeiten des Reichs bescheidener 
nur noch die Krone und das Schwert auf Karl den Großen zurück- 


1) WaiU VI« 291. 

2) Nr. 81 n, Nr. 97 8. 183 and 200 (Pfeiffer). 

8) Hirt, diplom. Norimb. n. 188 und 184 8. 841ff. 


xur Geschichte der deutschen Reichsinsignien. 47 

geführt. Einzelne Zweifler haben schon im Mittelalter nicht ge- 
fehlt. Aeneas Sylvias Piccolomini, der spätere Papst Pius 11., der 
die Insignien bei der Kaiserkrönung Friedrichs 111. 1462 in Kom 
sah, fand die vestimenta Caroli mit denen K. Friedrichs ver- 
glichen sehr bäurisch und war verwundert, daß der Kaiser an- 
statt der eigenen neu angefertigten Kleinodien ,,pallium ensem 
pomum coronamque Caroli magni, ut fama fuit, ex archivis Norim- 
bcrgensibus ad se deferri curaverat^. Da er auf dem angeblichen 
Schwerte Karls des Großen den böhmischen Löwen erblickte, gal- 
ten ihm die Insignien als die Karls IV.^): eine Bemerkung, die der 
Ritter Lang 1790 bei der Krönung K. Leopolds 11. in Frank- 
furt noch einmal als seine eigene zu machen für nöthig hielt*). 
Eine Kritik , die übersah , daß Karl IV. sehr wohl aui' ein ihm 
überliefertes Waffenstück sein Wappen setzen konnte, mußte ihres 
Eindrucks verfehlen. Bedenklicher wurden die Anzweiflungen erst, 
als man auf die Inschriften des Krönxmgsmantels aufmerksam 
wurde und ihre Sprache untersuchte. Mochten die officiellen 
Krönungsdiarien sich bei der Beschreibung des Pluviale oder 
Mantelkleides damit begnügen, von „xmförmlichen Löwen" und am 
Saum des Gewandes befindlichen „unbekannten Characteres nach 
alter Manier gesticket'' zu reden ^), in Nürnberg und auf der nürn- 
bergischen Universität Altorf wußte man bereits , daß die In- 
schriften arabischen Ursprungs seien ^). 

Die genauere Untersuchung, der in neuerer Zeit, nachdem man 
auch Stoff und Arbeit historisch zu beurtheilen gelernt hat, alle 
Bestandtheile der Reichsinsignien unterzogen wurden, hat ergeben, 
daß der größte Theil der Gewänder, Waflen und Kleinode nicht 
älter als aus dem 12. Jahrhundert und sarracenische Arbeit ist ^). In 
einer der arabischen Inschriften des Krönungsmantels ist Wil- 
helm II., der letzte Normannenkönig (f 1189), genannt und ein 
Datum angegeben, das unserm Jahre 1133 entspricht; ein anderes 
Gewandstück, die Alba, hat Inschriften mit dem Datum 1181^). 

1) HUtoria Friderid (SS. rer. Genn. c. praef. Schilteri 1702) S. 80. 

2) Memoiren 1, 209. Zum UeberfloB besagt schon die Urkande JECaiser Sig« 
arands ron 1424 (Marr» Joornal 12 n. 17), das Krens, in dem Speer und Kreiu- 
ipalui geborgen, sei geiieret mit des Reichs und der Krone so Böhmen Wappen. 

3) Krönnngsdiariom K. Frans L (Frankl 1746) 8. 129. 

4) Unten 8. 86. 

5) Die Scheide, in der das sg. Schwert des heiL Maoritini steckt, wird nach 
ihrer Arbeit in das 11. Jahrh. geseut. Eye und Falke, Kunst und Leben der 
YorseU I (1868) S. 12. Bock a. a. 0. rerweiet das Schwert dei heU. Mauritioe 
wie das Karls d. Gr. in das 12, Jahrh« 

Q Bock & 29, 83. 


48 F. Frcnsdorff, 

Nur in dem Bügel der Krone, die im Uebrigen ebenfalls sarra- 
cenische Arbeit aus dem Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahr^ 
hunderts ist, hat sich eine auf den deutschen König Konrad U. 
(f 1039) bezügliche Inschrift erhalten^). Der Uebergang von Ab- 
zeichen aus dem Kronschatze der Normannen in den der deutschen 
Könige und Kaiser ist bewirkt durch ein Ereigniß, das überhaupt 
zu den folgenreichsten der deutschen Greschichte gehört: die Ehe, 
die K. Heinrich VI 1184 mit der normannischen Erbtochter 
Constanze schloß. Durch die Eroberung des Normannenreiches, 
die ihm 1194 gelang, kam er in den Besitz des großen könig- 
lichen Schatzes und damit auch der Kroninsignien '). Wie im 
einzelnen sich dieser Uebergang vollzogen habe, ist schwer zu 
sagen, da die stürmischen Zeiten, die das Keich und seine Ober- 
häupter seit dem Ausgang des zwölften bis in das letzte Viertel 
des dreizehnten Jahrhunderts erlebten, vielfache Wanderungen der 
Insignien und Wechsel in ihrem Bestände wie in ihrem Besitz 
herbeiführten. So machen sie die gefährliche Fahrt nach Rom 
zur Kaiserkrönung mit 1209 unter Otto IV., 1220 unter Fried- 
rich n. Otto muß sie auf seiner Rückkehr den Mailändern an- 
vertrauen'), Friedrich sie vor seiner Heimkehr während der 
Kämpfe in der Lombardei nach Deutschland zurückschicken^). 
Durch Unglücksfälle gehen werthvoUe Stücke verloren. 1248 am 
18. Februar bei der Niederlage vor Parma gerieth die goldene 
Krone K. Friedrichs 11. in die Hände der Feinde und erst 
1311, als Heinrich VII. auf seinem Romzuge Brescia belagerte, ge- 
langte sie in den Besitz des Reiches zurück^). Bei der Hochzeit 
Wilhelms von Holland mit der Tochter Otto des Kindes am 
25. Januar 1262 in Braunschweig brach ein Brand aus, der viel 
von dem königlichem Schmuck vernichtete *). Um sie vor den Ge- 
fahren der Wanderungen zu bewahren, werden die Insignien wieder- 


1) Waitz, Verf.- Gesch. VI* 292. Von dieser Inschrift wuftte man in Nürn- 
berg schon im 17. Jh., wie die Relation Johann MüUuers und das Gutachten des 
Rechugelehrten Leonh. Wurfbain v. 1640 beweisen, nur schwankte man, welchem 
Konrad die Inschrift gelte (Roederi Codex histor. de fatis klinod. S. 428 und 523). 
Gegen Wincklers Argumentation S. 18, 27, es müsse Eonrad in. gemeint sein, 
weil Konrad II. seine Krone nach Cluny verschenkt habe, vgl. Waitz 8. 301 A.6, 
wonach von solcher Schenkung nichts bekannt ist. 

2) Töche, K. Heinrich VI S. 349 und 744. 
8) Chron. Ursperg. S. 91. 

4) Chron. Ursperg. S. 107. Winkelmano, Friedrich II. S. 120. 

5) Ann. Parmenses SS. XVUI 675. BF. 3666a. Schirrmacher, K. Fried- 
rich IL Bd. IV 259. 446. 

6) Ann. £rphord. SS. XVI 38. BF. 5057a. 


zur Geschichte der deutschen Beichsinsignien. 49 

holt auf feste Burgen gescliiekt und der Obhut getreuer Dienst* 
mannen übergeben. Namentlich die Heichsburg Trifels bei An- 
weiler, westlich von Landau, die schon unter K. Heinrich V. dem 
gleichen Zweck gedient hatte, wird häufig dazu ausersehen ^), und 
aus den berühmten rheinisch-schwäbischen Dienstmannengeschlech- 
tem, die in der staufischen Zeit eine so große KoUe spielen, sind 
die hervorragendsten Mitglieder in die Greschichte der Reichsin- 
signien verwickelt. Der Bischof Konrad von Speier, der Begleiter 
K. Philipps auf seiner letzten Fahrt, aus dem Geschlechte der 
Scharfenberg, das zu den Burgmannen des Trifels gehörte, über- 
brachte im November 1208 auf dem Reichstage zu Frankfurt, wo 
Otto lY . allgemeine Anerkennung fand, dem Konige die bisher auf 
dem Trifels gehüteten Insignien '). Eberhard Truchseß von Wald- 
bürg, der Umgebung des jungen Konig Friedrich IL angehörig, 
erhielt sie 1221 zur Aufbewahrung auf seiner Feste Waldburg 
südlich von Ravensburg anvertraut, als der König sie von Italien 
zurückschickte'). Sein Neffe, Konrad Schenk von Winterstetten, 
der Vertrauensmann K. Konrad lY. wird 1240 als Verwahrer der 
Reichskleinodien genannt. Die Obhut der Insignien erscheint in 
dieser Zeit wie ein ständiges Amt. In einem von dem Schenken 
abgegebenen Schiedssprüche wird dessen Verletzung mit einer 
Buße an den pincema si superviveret vel tenenti insignia impe- 
rialia post ejus obitum bedroht. Die dauernde Verbindung, in die 
die Parteien, die Gotteshäuser Raitenbach und Steingaden, mit 
dem Schiedsrichter gesetzt werden , deutet darauf hin, daß das 
Amt des insignia tenens gleich andern Aemtem der Zeit mit 
Grundbesitz oder Einkünften aus Grundbesitz ausgestattet war^). 
Wenige Jahre nach Konr. v. Winterstetten ist Philipp von Falken- 
stein aus dem berühmten rheinischen Dienstmannsgeschlechte der 
Bolanden , erst Truchseß , seit 1267 Kämmerer des Reichs ^) , der 
Hüter des Trifels und der Insignien. Mag auch K Konrad IV. 

1) Trifels CMtellum firmissimum bei Ekkehard SS. VI 264, orbt (Burg) Ula 
regia im Chron. Sampetr. ed. St&bel p. 57. WaiU, Vf.- Gesch. VI 286. NiUscb, 
deatoche Stadieo (Berl. 1879) S. 161. 

2) Cairon. Ursperg. ad a. 1208 & 89. Winkelmaiuh ADB. XVI, 620 und 
Otto lY. & 107, 124. 

8) Oben S. 48. Chron. Ursperg. ad a. 1221 8. 107. StiUo, Wirtemb. Qesoh. 
9, 170 und 614. 

4) salin 614 o. 686. BF. 4426. Mon. Boica Vm 16 S. 26. Die inter- 
•ssante Urknnde ist sehr wenig beachtet , das Regest deatet ron diesem Inhalt 
nichts an. 

6) Ficker, Bdchshofbeamte 8. 87ff. 72. Winkelmann, ADB. UI, 95. Nitssch 
a. a. O. 8. 198. BF. 5801. 
KgL 0«. 4. Wki. HMkriektoB. PUtotof.-klrtor. KImm. 18S7. Hft 1. 4 


50 P* Frensdorff, 

1246 deren Auslieferung angeordnet haben'), sie sind offenbar da- 
hin zurückgekehrt. Auch in der nachfolgenden Zeit ist der Tri- 
fels wieder ,,die Schatzkammer des Reichs ^).^ Unter den Thron- 
bewerbern der nachstaufischen Zeit gilt es als eine Legitimation 
zum Besitz des Reichs, wenn sie sagen können: der Trifels ist 
in unserer Hand. So Wilhelm von Holland *), Richard von Com- 
wales ^). In jenem vielbesprochenen Briefe P. Urban IV. an König 
Richard von 1263, in dem das die Königswahl regelnde Gewohn- 
heitsrecht auseinander gesetzt wird, ist die Pflicht den Trifels 
dem gekrönten Könige zu übergeben gradezu als eine der aus der 
Krönung entspringenden rechtlichen Conseqnenzen aufgeführt^). 
Man darf annehmen, daß durch Philipp von Falkenstein und den 
Erzbischof Werner von Mainz, einen Eppensteiner und Verwandten 
Falkensteins ^) , die Insignien durch die Wirren des Interregnums 
hindurch in geordnetere Zustände hinüber gerettet worden sind. 
Denn als Rudolf v. Habsburg, der hauptsächlich unter dem Ein- 
fluß des Mainzer gewählt war, auf seiner Fahrt nach Aachen 
Mainz erreichte, wurde ihm alles übergeben, was die frühem Be- 
werber kaum um vieles Greld hatten erlangen können ^). So wurde 

1) S. unten 8. 52 A. 2. 

2) Aüsdnick Nitischs (deaUche Stadien S. 161) wie schon früher Schöpflins, 
Alsatia Uluatr. II 188. 

8) Böhmer Fontes II 447 : accedat tibi ad cumulum gaudiorum, quod castrnm 
Drie$yelt et insignia imperiaüa diadema yidelicet com multis sanctuariis et ornato 
ineffabtli, lanceam et coronam in nostro dominio jam habemns . . . BF. 5239. 

4) Undat. Schreiben des Bischofs Jobann v. Lübeclc an Lübeck Lüb.UB. I 
n. 254. BF. 5849. Die Nachricht bei Zorn, Wormser Chronik S. 105, da8 Phi- 
lipp V. Falkenstein die ihm yon K. Wilhelm anvertrauten „königlichen Regalien' 
schon 1257 dem K. Richard um 4 Mark ausgehändigt habe, ist sagenhaft. Wes- 
halb sollte K. Richard 1262 der Marienkirche zu Aachen neue Insignien ge- 
schenkt haben (s. u. S. 65), wenn er bereits im Besitz der alten war? 1269 be- 
zeugt Richard die Ansantwortung des Trifels und der Insignien durch Philipp 
y. Falkenstein BF. 5455. Auch Ann. Wormat. 8S. 17, 68 z. J. 1269: resignavit 
eodem tempore domno regi regalia Philippus de Falckenstein. 

5) Der Gekrönte „pro rege habetur et ei tanquam regi debet a subditis 
jnramenta praestari, assignari civitates oppida castra et specialiter castnim de 
Treveles ac alia Jura imperii infra annum et diem a tempore coronationis'. 
BF. 9357. M. G. Gonst II 525. Die kürzere Fassung det Briefes (M. G. Epp. 
Pontil III 560,. BF. 9856) hat den Passus nicht 

6) T. d. Ropp, Erzb. Werner v. Mainz (Qött. 1872) Reg. 41, 58. 

7) S&chs. Weltchronik Forts. S. 286: Darnach obir virzen tage (nach der 
Wahl) wart ime geentwert daz heilige sper nnde die orone zu Bobarden. Obren. 
Golmar. 88. XVII 248: renit rex in Mogunciam ibique praesentantur ei signa 
regalia« qne predecessorea mi reges oam peconia mazima Tis potaraat obtinere. 
T. d. Bopp 8. 88. 


zur Geschiebte 'der deotscben Reichsinsignien. 51- 

Rudolf am 24. Oct. 1273 mit allen Abzeichen des KSnigthoms 
gekrönt nnd auf den Stuhl Karls des Großen gebracht^). Ver- 
gleicht man die Verzeichnisse der Insignien ans staufischer Zeit 
und aus dem nachfolgenden Jahrhundert, so hat die Aufbewahrung 
auf den rheinischen und schwäbischen Burgen ihren Zweck durch- 
aus erfüllt. 

In der Aufzählung der Insignien, welche die Berichte der Ge- 
schichtschreiber enthalten, zeigt sich mancherlei Schwankung. Eine 
kanonische Zusammenstellung giebt ein Brief, den Papst Gregor IX. 
alsbald nach dem Antritt seiner Regierung an K. Friedrich 11. 
richtete '). Die fünf insignia imperialia , mit deren mystischer 
Auslegung sich das Schreiben beschäftigt, sind Kreuz und Lanze, 
Krone, Scepter und Apfel. Die beiden ersten werden dem Kaiser 
bei feierlichen Aufzügen yorangetragen ; die andern trägt er selbst, 
die Krone auf dem Haupte, das Scepter in der rechten, den Apfel 
in der linken Hand. Die Elrone ist golden und mit kostbaren 
Steinen geschmückt, Kreuz und Lanze bergen heilige Reliquien: 
das Ejreuz einen Spahn, die Lanze einen Nagel vom Kreuze Christi. 
Die Fonfzahl in der Aufzählung der Insignien ist auch sonst be- 
liebt '). Daß das Schwert, das vielleicht das ursprünglichste aller 
Abzeichen war, in der Zusammenstellung des Papstes fehlt, erklärt 
sich aas ihrem Zwecke, die kaiserlichen Insignien zu erklären. 
Aber auch da, wo die Quellen die des Königs namhaft machen, 
bleibt das Schwert oft unerwähnt. Die Lanze wird noch immer 
hervorgehoben, mit ihr zugleich die Krone, die mitunter schon 
alle andern Zeichen vertritt^). Anstatt der Krone wird auch das 
Diadem genannt; es fehlt aber nicht an Belegen, die das Diadem 
neben der Krone erwähnen*). Da ist dann wohl noch an einen 
besondem goldnen Reif zu denken. Die Glosse des Sachsenspie- 
gels nennt unter ihnen 6 Insignien neben Krone Apfel und Scepter 
Banner und Fahne*). Ein besonders hochgeschätztes Stücke der 


1) Joh. Victoriemis (Böhmer Fontes I 802). 

2) 1297 Juli 22. M. 0. Epiatolae ponüf. I n. 865 S. 279. Winkelmiuis, 
Friedrich IL 8. 822. 

8) QlosM dee Ssp. (nuten S. 54). 

4) Oben 8. 60 A. 8 nnd 7. 

5) Chron. Colon, ad a. 1208: diadema cum lancea imperiali ei (Ottoni lY.) 
aaeignatur. Vgl. 8. 50 A. 8. Lab. ÜB. I n. 254 (ob. 8.50 A.4): castrum Drt- 
feli cum ineignüB imperialibns: lancea et Corona cum dyademate imperii . . ?!• 
delicet, habet et tenet (Richardos). 

6) 8. ontea 8. 54« Ein Unterschied «wischen beiden ist in der Glosse nicht 
angegeben, wenn sie auch beide rerschieden beschreibt. 8an-Marte, sur Waffen- 

4* 


52 F. Frensdorff, 

Eömgsmantel ^) , 'wird selten in den Aufzählungen der Chronisten 
mitaufgeführt. 

Gegenüber diesen schwankenden Angaben ist es von beson- 
derm Werthe, daß wir aus verschiedenen Zeiten vollständige In- 
ventare des königlichen Schatzes besitzen: eins von 1246, als der 
Trifels mit seinem Inhalt auf Weisung K. Konrads übergeben 
wurde*); ein zweites um hundert Jahre jünger, bei dem Ueber- 
gang der Insignien in die Hand K. Karls IV. aufgenommen *) ; 
endlich eine Mehrzahl, die bei und nach der üebergabe der ge* 
sammten B,^ichsheiligthümer an die Stadt Nürnberg in den J. 
1423 u. ff. zusammengestellt worden sind ^). Es kann hier nicht 
die Aufgabe sein, diese Verzeichnisse mit einander zu verglei- 
chen. Es genügt für unsern Zweck zu bemerken , daß neben man- 
chen Abweichungen im Einzelnen^) die wichtigsten Stücke in 
den Listen wiederkehren«), wenn anch die Jüngern Znsanunen- 
Stellungen die knappen Bezeichnungen der ältesten mannigfach zu 
amplificiren und überall die Herkunft von Karl dem Großen zu 
rühmen wissen. 

Zeigt nach dem bisher Ausgeführten nun schon das Alter der 

kaode (Bibl. der Nat.-Litt. IV [1867]) unterscheidet Fahne und Banner als Ab- 
zeichen des ganzen Heeres and seiner Abtheilungen. 

1) Oben S. 45. 

2) Oben S. 50. BF. 4515 vgl. 4516. Der Abdruck der nur in deutscher Ueber- 
setzuDg erhaltenen , durch ein Falckensteinsches Copialbuch des 15. Jahrb. im 
Rcichsarchiv zu München überlieiferten Urkunde bei Huillard-Breholles VI 878 
(nach einer Copie Böhmers) ist ToUst&ndiger und besser als der im Archiv für 
hessische Geschichte VIII (1856) S. 234: K. Konrad bezeugt, daft Ysengard buS- 
frawG Philips von Falkenstein , unsers lieben trosessen u. getruwen , und sine 
undertancn uns geantwortet haut mit willen unseres herren u. vaders keisers 
Frideriches die bürg Trivels und die keiserlichen zeichen . . . 

3) Oben S. 4G A. 3. 

4} Die unten specieller zu besprechenden Urkunden sind gesammelt bei Murr, 
Journal z. Kunstgeschichte Bd. 12 (1784). Der Abdruck der Urk. K. Sigmunds 
V. 1424 Febr. 9 (Murr n. 17) in Histor. diplom. n. 299 S. 559 Iftftt gleich im An- 
fang des Verzeichnisses mehrere Zeilen aus. Das oft angeführte Verzeichnis bei 
Will, Nürnberg. Münzbelustigungen I (1764) S. 99 giebt nur den Inhalt der da- 
mals noch ungedruckten Urk. K. Sigmunds t. 1428 Sept. 29 (Murr n. 13) wieder. 

5) Dahin gehurt, daS »saut Mauricten sper^ in dem VeraeichniS von 1S50 
durch ein gladius s. Mauricii ersetzt ist. Dazu vgl. Waitz Vf.-Qesch. VI' 298 A. 6. 

6) Dadurch widerlegt sich auch die Annahme von Dock, wonach die &ltem 
Reichskleinodien in der Schlacht bei Parma (oben S. 48) verloren gegangen sein 
sollen. Die Krone ist zwar in dem Verzeichnis v. 1246 blos als „die gülden crone mit 
gülden cruce'' bezeichnet. DaS aber die goldene Krone, die Friedrich II. einbüSte, 
die sg. Corona Holoferni (Ann. Farm. mig. SS. XVIII 676) nicht die alte Reichskrone 
war, zeigt die Erw&hnong dei .WaiMO* in der Beschreibung von 1850 (oben 8. 46). 


rar Geschichte der deutschen Reichsiosignien. 63 

deatschen Reichsinsignien oder ihrer wichtigsten Stücke wie tmbe- 
grondet es ist , sie auf Karl den Großen zurückzuführen , so ist 
es doch nicht ohne Werth , der Entstehung dieser Sage nachzu- 
gehen und festzustellen, wann und aus welchen Elementen sie sich 
gebildet hat. In den von Waitz gesammelten Zeugnissen, die bis 
zur Mitte des 12. Jahrhunderts reichen, ist noch keine Hindeutung 
darauf zu finden. Als Konrad I. kurz vor seinem Tode seinen Bru- 
der aufforderte, die Insignien dem Sachsenherzoge Heinrich zu 
überbringen, nennt Widukind unter den Insignien „das Schwert 
der alten Könige" '). Aehnlich sagt K. Heinrich III. in einer Ur- 
kunde von 1046 : nos qui antiquorum insignia regum Domino ju- 
bente gestamus *). Solchen allgemeinen Wendungen stehen zahl- 
reiche Zeugnisse gegenüber, wonach dem einzelnen Exemplar einer 
Insignie nicht der Werth beigelegt wurde, den man ibm heutzutage 
um seiner historischen Herkunft willen beilegen würde. Deutsche 
Könige haben sich häufig genug dieses oder jenes Stück aus dem 
Kronschatze zu Gunsten einer Kirche entäußert: als K. Heinrich 
11. 1014 bei seiner Krönung in Rom eine Krone vom Papste er- 
hielt, schenkte er die bisher getragene, seine Königskrone, der 
Peterskirche; OttoIII. schenkte seinen Krönungsmantel dem Kloster 
des heil. Alexius •). Otto IV. vermachte in seinem Testamente, das 
er drei Tage vor seinem Tode errichtete (1218 Mai 18), sein ;,Pal- 
liam^ der Aegidienkirche in Braunschweig*), und noch heute be- 
wahrt ihn das herzogliche Museum in Braunschweig. Die bei den 
deatschen Königs- und römischen Kaiserkrönungen gebrauchten 
Formeln sind in zahlreichen Ordines überliefert. Das von Waitz 
veröffentlichte Material, das das 10. bis 12. Jahrhundert umfaßt % 
ist durch neuere Untersuchungen noch vermehrt und fortgesetzt 
worden*). Aber weder bei der Ueberreichung der Krone noch 
bei der der übrigen Insignien wird irgendwie positiv auf eine Her- 
kunft von bestimmten frühem Herrschern hingedeutet, wenngleich 
der Papst den Kaiser, wenn er ihm die goldene Krone aufs Haupt 

1) Widak. I c. 25: sumptis igitur hia infligniis, lancea sacra, armillis aureia 
eitiB clamide et vetenim gladio regom ac diademate ito ad Heioricum. Waitz, 
Heinrich I 8. 87 ff. uod Verf.-Qesch. VI' 295. 

2) St. 2298 Waits, Yerf-Oesch. YP 285. 

8) Thietmar (ed. Kurze, 1889) VIII, 1. Waits das. 292 and 301. 

4) IL Q. Conat. II o. 42 8. 52. 

5) Abhaodlongen der K. Ges. der Wies. Bd. 18 (Gott. 1873). 

6) Schwarzer, die Ordines der Kaiserkrönang (Forscbgn. z. deatschen Qescb. 
Bd. 22 (Gatt. 1882) 8. 159. Diemand, das Ceremoniale der Kaiserkrönangen 
TOD Otto I. bis Friedrich 11. (Histor. Abh. aas dem MQnchener Seminar, Heft 4^ 
Manch. 1894) 8. 124 ff. 


54 F. Frensdorff, 

setzt, ermahnt: accipe coronam a domino Deo tibi predestinatam, 
habeas teneas atque possideas et filiis tnis post te in fntnrnm ad 
honorem Deo auxiliante derelinqnas ^) : eine Formel, die nur in 
einer Zeit möglich war, da das deutsche Königthnm als vererb- 
lich betrachtet wurde. Die angeführte Urkunde K. Konrad IV, 
vom 17. Septbr. 1246 (oben S. 52) gedenkt bei keinem Stücke des 
Verzeichnisses einer Beziehung zu Karl dem Großen. Wenn da- 
gegen die beiden oben S. 46 angeführten Urkunden von 1350 eine 
Anzahl der übergebenen Insignien als von Kaiser Karl herrührend 
bezeichnen, so muß zwischen den Jahren 1246 — 1350 die Sage, 
wenn nicht entstanden sein, doch wenigstens öffentliche Anerken- 
nung gefunden haben. 

Daß sie noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nicht 
allgemein verbreitet und gekannt war, zeigt die Glosse des Sachsen- 
spiegels. An das letzte Wort der Textstelle m 60 § 1 : die 
keiser liet alle geistlik vorsten len mit deme sceptre, knüpft der 
Glossator die Bemerkung : dat is der vyf kleinode ein, dy tu deme 
rike hören, benennt sie als: Krone, Banner, Fahne, Apfel und 
Scepter und begleitet jedes Stück mit einer umständlichen alle- 
gorischen Auslegung. Der Glossator nennt als seine Quelle: Dit 
hestu de consecratione imperatoris per totum*). Aber welche 
Quelle darunter zu verstehen ist, ist bisher unbekannt geblieben, 
da die Stelle sonst, soviel ich sehe, keine Beachtung gefunden hat*). 
In dem Pantheon des Gotfrid von Viterbo ist ein Abschnitt über- 
schrieben: quae sint insignia imperialia *) , aber weder die Zahl 
noch die Beschaffenheit der Insignien noch die symbolische Aus- 
legung, die auch dieser Autor ihnen giebt, stimmt mit dem Inhalt 
der Sachsenspiegelglosse. Und was die Hauptsache ist, keine die- 
ser Ueberlieferungen gedenkt irgendwie Karls des Großen. Da 
aber der Glossator des Sachsenspiegels, ein eifriger Verehrer des 

1) Waitz a. a. 0. S. 65. 

2) So nach dem Wortlaut der Amsterdamer Handschrift and dem anf eine 
nah verwandte Grandlage zurückgehenden Augshurger Primftrdruck. Nur .aus- 
nahmsweise ist das Citat weggelassen, wie im Codex Petrinus. Die Lebnrechts- 
glosse, die zu c. 4 und c 22 die Angaben und Deutungen Johannes von Buch 
wiederholt, ist nur aus der Landrechtsglosse abgeleitet. Qeh. Rath Steffenbagen, 
dem ich die vorstehende Mittheilung verdanke, bemerkt, die Formel per totum 
verwende der Glossator wie die Itali&ner, um einen ganzen Titel aus den fremden 
Bechtsquellen zu citiren , aber eine Titelrubrik : de consecratione imperatoris sei 
in ihnen nicht vorhanden. 

8) In Homeyers Bemerkungen über die Lehnrechtsglosse (Ssp. Thl. II Bd. 1 
8. 71 ff.) ist dieser Punkt nicht berührt. 
4) SS. XXn 272 part. 26. 


sar Geschiebte der deatacheo Beichsineignieik 5g 

Kaisers, um als Gesetzgeber und Schöpfer von Rechtseinrichttingen 
anzTifahren liebt ^), kann der Gedanke, die Reichsinsignien seien 
die Karls, zu seiner Zeit noch nicht weithin gläubige Aufnahme 
gefunden haben. 

Die ältesten positiven Anzeichen für das Vorhandensein der 
Sage treten seit Beginn des 14. Jh. hervor. Ottokar erzählt in 
der oesterreichischen Reimchronik *), daß Albrecht, als er sich nach 
dem Tode seines Vaters Rudolf Hoffnung auf die Nachfolge machte : 

boten uf sant, 

Trivels er sich underwant: 

kriuze sper unde nagel, 

unsers ungeluckes hagel, 

Karies swert und kröne '). 
Ebenso heißt es noch an einer zweiten Stelle derselben Chronik^) 

sin houbt muoz zieren schone 

diu kunic Karies kröne, 

diu noch bi dem riebe ist. 
IKe Stelle ist charakteristisch für die üebergangszeit. Der Dichter 
hält noch an der von Altersher berühmten und in der Tradition 
fortlebenden Aufbewahrungsstätte, demTrifels, fest, während nach 
den zuverlässigen Quellen Albrecht die Reichsinsignien wie sein 
Vater auf der Kiburg (in der Nähe von Winterthur) aufbewahrte *). 
Wenig jünger als das Zeugniß dieser poetischen Quelle, deren Ab- 
fassungszeit ihr neuester Herausgeber in die beiden ersten Jahr- 
zehnte des 14. Jh. gesetzt hat, ist der chronikalische Bericht des 
Matthias von Neuenburg. Bei den Festen, mit denen im Mai 1315 
die Doppelhochzeit Herzog Friedrichs von Oesterreich und seines 
Bruders Leopold in Basel gefeiert wurde *), fand auch eine Weisung 


1) Homeyer, Prolog z, Glosse des Sachs. Landrechts (1854) S. 20 ff. 
8) M. G. SS. deotsche Chroniken Y 1 u. 2. 

3) y. 89282 ff. In V. 89285 sollte man nach der bildlichen Bedeutung von 
Hagel (Grimm Wb. IV 2 Sp. 144) and der sonstigen Verwendung des Worts in 
der Chronik eher geluckes erwarten; eine Hs. liest so; vgl. unten die Stelle aus 
Wolframs Willehalm S. 60 A. 8. 

4) V. 12331 ff. Vgl. auch V. 60211 ff., wo des hordes uf Trivels, sper nagel 
unde kröne, gedacht ist. 

5) Job. Vietor. (Böhmer Fontes I 831). St&lin, Wirtemb. Gesch. 8, 79. Zu 
einer Hinterlegung der „corona et lancea cum imperialibus insigntis*' an einer 
anffaHenden St&tte vertUnd sich Hersog Friedrich v. Gesterrelch in einem Ver* 
trage mit dem Grafen Beinald von Geldern , nemlich in der Insula dei , Wage- 
oiageo (ürk. von 1814 Nov. 16 im kgl. Haasarchiv sa M&ncheo, Mittheilung von 
Herrn Dr. Sebwalm). 

6} SUlin, VTirtemb. Gesch. 8, 187. 


56 F« Frensdorff, 

der Reichsinsignien statt: monstrabantnr antem inibi sanctnario- 
rum insignia , que regnnm dicnntor , scilicet lancea , clavns , pars 
crucis salvatoris, Corona, gladius Karoli et alia per quendam ci- i 

sterciensem, et cecidit machina pre multitudine hominum ^). Die 
Herkunft der Insignien von Karl steht schon fest, nur schwan- 
ken die Handschriften, ob sie ihm die Krone oder das Schwert 
zuschreiben sollen *). 

Die Verknüpfung der Reichsinsignien mit Karl dem Großen 
hängt ohne Zweifel mit dem sagenhaften Element zusammen, das 
sich der Person des großen Frankenkaisers bemächtigt hat und 
von Dichtern und Geschichtschreibern gepflegt worden ist. Nicht 
auf einmal entstanden, wendet es sich in wiederholt erneuten An- 
sätzen Karl zu und hüllt seine historische Gestalt in immer dich- 
tere Schleier. Sind Frankreich und die Grenzländer zwischen 
Deutschland und Frankreich die Geburtsstätten der Karlssage, so 
ist sie in Deutschland bereitwillig aufgenommen, da ihm die Stadt 
angehörte, die für die Entwicklung der Sage eine wichtige Stütze 
bot, insbesondere für den ihrer Züge, der hier verfolgt wird und 
aufPallenderweise in den mannigfachen Untersuchungen, die sonst 
der Karlssage gewidmet sind, unbeachtet geblieben ist, trotzdem 
„das Schwert Karls des Großen" durch die moderne Dichtung po- 
pulär genug geworden ist. 

Der Umstand, daß die deutschen Könige in A a c h e n gekrönt 
wurden, bewirkte es, daß auch die bei der Krönung gebrauchten 
Insignien mit Karl in Verbindung gebracht wurden. Hier in Aachen 
erinnerte alles an den großen Kaiser. Mochte auch von seinem 
nach dem Muster von Ravenna geschaffenen Palatium der Nor- 
mannenbrand des J. 881 wenig übrig gelassen haben*), die mit 
jenem Bau zusammenhängende Münsterkirche*), in der er selbst 
seine Grabstätte gefunden hatte, war nicht nur verschont geblieben, 
sondern der rechte Ort für die Handlungen geworden, in denen 
das Recht den Regierungsantritt eines neuen Herrschers zumAus- 


1) Böhmer Fontes IV 189. Macbioa ist das Gerüst , die Tribüne , aaf der 
die Scbattsteliong stattfand , der „beUigtamstaol^ , wie man später in Nürnberg 
sagte. Za „regnum** s. anteo S. 62. 

2) Die Wiener von L. Weiland in den Abbandlgn. der K. Gesellschaft der 
Wiss. 1891 beschriebene and veröffentlichte Hs. liest: corona Karoli, gladii (8.28, 
28); ebenso die Berner und die Straftburger. Die vatikanische Es. (Weiland, 
Abhdign. das. 1892) stimmt mit dem von Böhmer gegebenen Texte (oben Z. 8). 

8) Dümmler, Gesch. des ostfrink. Reichs 2, 167. v. Reber, der karolingische 
Palastbaa (Abbdlgn. der Münchener Akad. Bd. XX 1898). 
4) basilica magni Karoli. Widok. n 1. 


inr Geschichte der deutichen BeichainiignieiL K7 

druck brachte: die Salbung, die Eronnng und die Erhebung auf 
den Thron'). Galt doch der Thron selbst, der erhöhte Sitz, der 
im Chor der Elirche zwischen zwei Säulen stand, „der Stnhl zu 
Aachen% wie ihn die deutschen Quellen mit volksthümlicher Kürze 
nennen*), als von Karl dem Großen errichtet'). Und wie dieser 
Thron, die sedes regia, sedes imperii oder augustorum ^), das ar- 
chisolium, auch die sedes Karoli^) bei den Schriftstellern genannt 
wurde, so wurde die Stadt Aachen als der vornehmste Sitz im 
Reich, als die regni sedes prindpalis, prima regum curia gefeiert^, 
selbst als die sedes Karoli bezeichnet'). £[arl wurde zu ihrem 
Gründer gemacht, zum Schöpfer ihres Rechts^). Möglidie und 
unmögliche Privilegien hatte die Stadt ihm nach der Rechtssage 
zu danken'). Auf ein gefälschtes PrivUegium Karls wurden echte spa- 
terer Herrscher aufgebaut '^). Die Quellen erschöpfen sich in eh- 
renden Beinamen für die Stadt: sie übertrifft alle Städte und 
Lande an Ehre und Würde und wird selbst nur von Rom über- 
troffen ^*). Wer Aachen besitzt , hat einen Titel mehr zur Herr- 

1) Widak ir, 1. Brunner RQ. 2, 18, 21. Sickel G.G.A. 1889 8. 963. 

2) Sap. III 52 § 1. Kaiserchrooik V. 16156: si vaorteo in ze Ache an den 
itnol. Forts. 1 V. 805, 487 : si rieten aine spräche | hinz dem stool gen Ache. 
Dia Beziebnng auf den Sita in der Kirche ond auf die Pfalz fiiessen hier schon 
in einander. 

3) Otto V. Freising II 3. 

4) Thietmar V 20. Arn. Lub. VI 1. Regesten Otto lY. BF. 198 b. 
6) Wipo c. 6. Waitz Vf.-Qesch. VP S. 207 A. 3. 

6) WaiU 8. 805 vgl. mit III 255 N. 1. lieber die der sUufisehen Zeit aiT 
gehörige Sequenz Wattenbach GescL-Qu. II 478. 

7) Job. Victor. Böhmer Fontes I 802. 

8) In der A. 10 citUrk. bezeichnet sich Karl als primos anctor hnjns templi et locL 

9) Ihr Privilegium der Zollfreiheit [St. 3500] wird auf Karl zurückgefabri in 
der Urk. K. Friedrich II t. 1216, BV. 849. 1356 best&tigt Karl lY. ein angeb- 
liches Ton Karl herrührendes Privileg, wodurch Aachen zu einem allgemeinen 
Oberhof gemacht wird BH. 2528. 

10) Priv. K. Friedrich v. 1244, BF. 8438, hat die gefiUschte Urk. Karls d. GroBen 
(Mühlbacher, Reg. 478) in sich aufgenommen. Lorsch, Anhang zu Rauschen 
(unt S. 58 A. 3). 

11) quoniam Aquisgranum, ubi primo Romanomm reges initiantur et coro- 
nantnr, omnes provincias post Romam et civitates dignitatis et honoris prero- 
gaiiva precellit. Die gesperrten Worte sind Zus&tze der Urkunde K. Fried- 
rich n. ▼. 1215 [BF. 814] zu der Yorlage, der Urk. K. Friedrich I. v. 1166 [St. 
4062], deren „Romanor. imperatores^ zugleich berichtigt wird. So sagen auch 
die Ann. Quedl. von Otto III.: Aquisgrani quam etiam cunctis post Romam ur- 
bibos praeferre moliebatur (SS. III 77). Eine sp&tere Aeusserung in dem Priv. 
K. SigBonds ▼. 1434: cifitas Aquisgrani existat a sancto Karolo magno . . . caput 
omaium dvitatum et provinciarum Gallie insiiluta (liorsch., Achener Rechts- 
denkm. S. 125). 


S8 F' Frensdorff, 

Schaft^). * Bei der KrSnnng in Aachen wurde das Haupt Earl^, 
das das Aachener Münster in einer silbernen Herme aufbewahrte, 
gezeigt und dem König entgegengetragen*). Wie hätte sich da 
für die andern Auszeichnungen und Ehren, mit denen der neue 
Herrscher geschmückt wurde, nicht die gleiche Herleitung von 
Karl einstellen sollen? 

Aber es ist doch auffallend, wie spät die Sage von der Krone, 
dem Schwerte, dem Mantel E^rls des Großen aufkommt und wie 
langsam sie Verbreitung findet. Ein erster Ansatz zur karolin- 
gischen Sagenbildung ist im zwölften Jahrhundert wahrnehmbar. 
Die Erhebung der Gebeine Karls im J. 1165 und seine Canoni- 
sation, die ganze Verehrung, die ihm K. Friedrich I. zollte *), nicht 
minder die Ehrenerweisung seines Enkels Friedrich II., bei dessen 
Krönung 1215 der Leichnam in einen neuen kunstreichen Sarg 
eingeschlossen wurde*), hätten es nahe gelegt, seiner Insignien zu 
gedenken, wenn man damals geglaubt hätte, sie noch zu besitzen. 
Man hatte Urkunden Karls und glaubte noch mehr solche 
zu haben*). Staatliche Einrichtungen wurden auf ihn zurück- 
geführt, Maß und Gewicht und Münze nach ihm benannt. 
Bechtsbücher , Chroniken , Dichtungen priesen ihn *) als Schöpfer 
von Recht und Gericht. Bauten in Nimwegen und Ingelheim be- 
zeugten auch in ihrem Verfall noch den Menschen des 12. Jahr- 
hunderts die Größe ihres Erbauers '). Daß aber noch Gegen- 
stände vorhanden seien, deren sich der Herrscher bei seinen Leb- 
«eiten selbst bedient habe, ist kein der Zeit geläufiger Gedanke. 
Es bedurfte erst des Herüberdringens der ganzen sagenhaften Auf- 
fassung von Karl dem Großen, die sich in Frankreich ausgebildet 
hatte, um solchen Vorstellungen in Deutschland Eingang zu ver- 
schaffen. Im Gebiete der Geschichte fiel der zu Anfang des 12. 
Jahrh. entstandenen Chronik des Turpin die Vermittlung zu; sie 
verbreitete ein phantastisch entstelltes Leben des Frankenkaisers, 

1) Chron. Ursp. z. J. 1198 S. 77 : properant electi reges uterqae, ut occapet 
aedem regni Aquiagrani. Otto Frising. cont. Sanblas. c. 46 S. 482 (unten S. 65) 
Winkelmann, Philipp S. 84. 

2) RTA. VII 245 Nr. 168. Krdnungsreise K. Friedrich III. (8. unten die 
Anm. am Schlüsse von I) S. 635 § 5. y. Amira in Pauls Grundrift II 2, 180. 
Reichstagsakten , Jfing. Reihe II 94. 

3) Rauschen, die Legende Karls des Qroften im 11. und 12. Jahrh. (Publ. der 
Gesellsch. för rhein. Geschichtskande VII, Leips. 1890) 8. 131. 

4) Reineri Leod. annal. 88. XVI 678. 
6) S. oben 8. 57. 

6) J. Grimm« El. Schriften 8, 177. 8tobbe, Gesch. der Rechtsqu. I, 856. 

7) Rahewin GesU Frid. lY 86 (8. 275). 


sar Geschichte der deittscheii Reichsinsignien. 59 

das auch In Deutschland mit der Zeit bereitwillig aufgenommen 
wurde*); im Gebiete der Dichtung begann mit dem Rolandsliede, 
das der PfaiFe Konrad um 1130 aus der französischen Zunge ins 
Lateinische und aus diesem ins Deutsche übertrug, die Verpflan- 
zung der Karlssage nach Deutschland*). Wohl war auch in 
Deutschland die Erinnerung an den großen Kaiser lebendig, und 
wenn der fränkische Chronist selbsterlebte glanzvolle und glück- 
liche Tage des deutschen Staatswesens schildern wollte, wußte er 
sie nicht besser zu preisen als mit dem Wort : es war, als ob der 
große Karl mit seinem Scepter zurückgekehrt wäre*), aber die 
irdischen Abzeichen der Majestät, von denen die Augenzeugen 
manche hatten entstehen und vergehen sehen, dem Kaiser in der 
Gruft zu Aachen zuzuschreiben, war man doch nicht phantastisch 
genug. 

Nicht zufällig begep^et uns in der Zeit Karls IV. die Sagen- 
bildung völlig entwickelt. Karl IV. war erfüllt von der Vereh- 
rung Karls des Großen. Seiner ganzen nüchternen, berechnenden, 
man würde heute sagen realpolitischen Natur, ist ein historischer 
Zug nicht abzusprechen*). Der französische Hof, an dem er sieben 
Jahre, von 1323, seinem siebenten Lebensjahre an, zubrachte, zu- 
sammen mit der Herkunft seines Geschlechts aus den französisch- 
deutschen Grenzlanden, in denen die karolingische Dichtung ge- 
hegt und gepflegt wurde, mochten ihn früh mit ihren Erzeugnissen 
bekannt gemacht haben. In Frankreich vertauschte er seinen Na- 
men Wenzeslaus mit dem Xamen Karl: bei der Firmelung durch 
den Papst legte ihm sein Oheim, König Karl IV. von Frankreich, 
der mit einer Schwester seines Vaters, Johann von Böhmen, ver- 
heiratet war, seinen Namen bei*). Wie der Name Karl sich unter 
den französischen Königen erhalten hatte, wird er in Deutschland 
erst wieder durch Karl IV. auf dem Throne und im Volke beliebt. 
Es ist noch wenig beachtet, wie selten sich der Name in deut- 
schen Urkunden vor dem 14. Jahrhundert findet*). Grade in 


1) Wattenbacb, Oeschichtsquellen 2, 260. 

2) W. Grimm io der Einleitg. zu seiner Ausgabe 8. CXXII. Wackemagel 
Litt.-Qescb. 1, 224 ff. G6deke, Grondrift I, 63. Scberer, Gesch. der deotscbeo 
LiU. 8. 90. 

3) Wipo c. 3 : si Carolos magnus com sceptro vivas adesset. Vgl. auch c. 6. 

4) Vgl. die AusfQhrttDg in meiner Ausgabe der Dortmunder Statuten S. XLV. 

5) ViU Karoli IV. (Böhmer, Fontes I 233). 

6) In einer Göttinger ürk. ▼. 1883 mit mehr als 250 Bürgemamen kein ein- 
liger Karl (8€hmidt, Gott. ÜB. I u. 806) 


80 F. Frenidorffi 

Frankreich treffen wir den Zug an, bestimmte Ejroninsignien auf 
Karl den Großen zurückzuführen. Sehr früh findet er sich auch 
hier nicht. Denn wenn es auch in der Chronik des Guilelmus de 
Nangiaco von der Krönung Philipps lU. im J. 1271 heißt, es sei 
dem Könige wie „a tempore KaroU magni regis Franciae et im- 
peratoris Romanorum consueverunt reges Franciae" das Schwert 
KatIb des Großen vorgetragen ^) , so darf man sich durch die An- 
gaben eines hohen Alters hier ebensowenig wie in den deutschen 
Quellen beirren lassen. Daß in diesem Bericht die Karlssage mit- 
spielt, zeigt sich deutlich genug darin, daß er dem Schwert einen 
Namen beilegt: es heißt die „jocosa spata Karoli". In Turpins 
Chronik wird sie als „spata gaudiosa" bezeichnet'). Aus dem 
französischen joyeuse wird in Wolframs Willehalm der Schwert- 
name Schoysune *). Wie es dem Character der Karlslegende ent- 
spricht, die vor allem den um die Ausbreitung des christlichen 
Glaubens verdienten Helden, den athleta Christi feiert, ist es das 
Schwert, mit dem Karl die Heiden schlug. Die deutschen Berichte 
wissen dann auch weiterausführend von dem zu den deutschen 
Reichsinsignien gehörigen Schwerte zu erzählen, es sei Karl durch 
einen Engel vom Himmel gebracht worden^). 

Nachdem die Schriftsteller in der zweiten Hälfte des 13. Jahr- 
hunderts und zu Anfang des 14. Jahrhunderts immer nur von 
dem Throne Karls des Großen zu reden gewußt, auf den der neu- 
erwählte König erhoben wird *) — eine Ausdrucksweise, die offen- 


1) Bouquet SS. rer. QalHcar. XX 488. 

2) Tarpini hiatoria Earoli magni (ed. Gaatets, Montpellier 1880) c. 8 p. 12: 
Karo] US atans pedes cum duobus millibua christianorum peditam in medio belli 
Sarracenorum evaginavit apatam auam nomine Gandioaam et trucidavit muUoa 
Sarraccnoa per medium. Daraus Alberich v. Troia-Fontaines (M.O. SS. 23, 719). 

8) Schoyaüne hiez ain awert 37, 10. Schoyüa ain awert, der beiden hagel 
64, 24 (Lacbmanna Ausg.). 

4) Franciacua Pragenaia (Dobner, Mon. hiat. Boemiae VI [1786] 319): unter 
den aanctuaria aufgez&hlt Kreuz u. Lanze et pinra alia sancti Karuli imperialia 
et gladioa, qui fuit aibi divinitua miaaua; Beoeaaina de Weitmil (SS. rer. Boem. 
2, 866): Corona sancti Caroli, item gladiua eidem contra paganos per angelum 
miaaua. Ebenso in der Bulle Martin Y. f&r Nfimberg t. 1424: gladiua magnifid 
Caroli imperatoria ei angelica ut dicitur manu porrecta (Murr 12 n. 22). Einen 
Schritt weiter geht die Bair. Forta. der Sicba. Weltchronik S. 367: kaiaer Karla 
•wert, daz Got pei dem engel schickt kaiaer Karin, do aand Rnlant mit vacht 
in der haidenachaft zu Rnnzefal im tal und ai auch da fiberwant. 

6) Job. Victor, (oben 8.61), Chron. Sampetr. (ed. StQbel S. 102): electoaRa- 
dolphua in Romanomm regem Aquiagrani in throne Karoli magni regia a Colo- 
iiienai archiepiacopo Engüberto . . . eat unctoa et aolemniter coronatoa. Vita Bai« 


rar Geschichte der deutschen -Reichsioflignien. 61 

bar zur Zeit besonders beliebt ist ^) — kommt es nunmehr auf, von 
der Krone Karls, seinem Schwerte n. s. w. zu sprechen *). Schwer- 
lich ist das ZufalL Wenn die Vorstellung von dem Vorhanden- 
sein einer Krone, eines Schwerts Karls des G-roßen in Deutschland 
verbreitet gewesen wäre, wie nahe hätte es den Chronisten ge- 
legen, von Rudolf von Habsburg , von Heinrich VII. , die sie den 
Thron Karls besteigen lassen, hinzuzufügen: und wurden mit der 
Krone Karls des Großen gekrönt. Es ist sehr wohl denkbar, daß 
direkt das Beispiel Frankreichs eingewirkt hat, wenn man auch 
in Deutschland anfieng, Kroninsignien wie dort auf £^1 den 
Großen zurückzuführen. Man wollte in Deutschland hinter Frank- 
reich im Besitz alter und heiliger Insignien nicht zurückbleiben, 
ebenso wie Frankreich dasselbe Bestreben Deutschland gegenüber 
zeigt, wenn Ludwig der Heilige 1239 aus Constantinopel die hei- 
lige Lanze erwarb, mit der Christus am Kreuze durchbohrt war, 
und nach Paris bringen ließ'). 


daioi II 2: Baldewioos et alii sex principes coelectores . . . dominam Heoricum 
VIL Romaoor. regem ad auream regni sedem Aquisgrani per Carolom impera- 
torem sitoatam adduzernot; ... et in Romanor. regem booorifice divioitas coo- 
Mcratas cam corona regni fuerit solemniter coronatas (Gesta Treveror. ed. Wy tten- 
baeh et Maller II 205). 

1) r. Urbao IV 1263 in Bezog auf K. Riebard: intbronisationem in sede 
magaifici Karoli (ILO. Epp. Pontif. III 560 S. 647). 

2) Eine namentlicb yoo Altern Scbriftatellern in diesem Znsammenbange an- 
geftbrte Stelle über dieWabi und Krönung K. Heinrieb VII. y. 1308: in loeo qui 
didtar Reinse electna fnit in regem Romanorum ... et postmodum Francopbor- 
diae more solito proclamatum, Aquisgrani Corona Caroli magni coronatus ac ejus 
diva eoiijiigc Margareta per arcbiepiscopom Coloniensem de Virneburc findet sieb 
crtt in den remm memorabiiium paraleipomena, die für die Zeit von 1229—1537 
alt Anhang su den Auegaben des cbron. Urspergense (Argent 1609 S. 266) sn- 
sanmeDgestelU sind. Caspar Hedio bat dabei die Stelle der vita Baldoini (Oesta 
Trevir. II 204) benutzt, die ebenso electio promulgatio coronatio unterscbeidet, 
aber Yon einer corona Caroli nocb niebts weift. 

8) Ouil. de Nangiaco (Bouquet XX 826). Ueber die beilige Lanse oben 8.46 
und Waits Vf^-Oescb. VI> 296. Gegen Windeier S. 47 ist zu bemerken , daft P. 
Mariia V. jedenfalls die nacb Nürnberg gdangte Reliquie als »pars lancee, qua 
lalos Jeaa Christi miles apemit^ anerkannt bat Murr, a. a. 0. 8. 104. Vgl. 
aach Heiar. Rebdorf mm J. 1861 bd Böhmer, Fontes IV 647. 


Anmerkang. 

Bezeichnungen, die in Urkunden und historischen Berichten für die 
BdebsiBsignien gebraucht werden, sind sehr mannichlaltig , lauten bald generell, 
bald haben' sie die spedellen Bestandtheile benror und wechsehi Je nach dem 


62 F. Frensdorff, 

Interesse, das eine Zeit mit ihnen verbindet. Die Zeugnisse aas dem 13. Jahrli. ^ 
sprechen einfach von signa rcgalia (K. Richard 1262 Quix C. dipl. Aquensis 
S. 129. BF 5400), insignia regalia (Clirou. Urspergense z. 1209 p. 89), impcrii 
insiguia (Ann. Stadenses z. 1219 M. G. SS. 16, S57, Urk. K. Philipps v. 1206 
H. Q. LL. 2, 211), die kaiserlichen zeichen (1246 s. ob. 8. 52), die kaiserlichen 
ziernnge K. Richard 1269 BF. 5455). Ausdrücke letzter Art geben die „regalia 
ornamental wieder, wie sie schon mehrere Jahrhunderte iltere Quellen nennen 
(Waitz VI' 177 und 285). Sie kennen auch echon den Gebrauch, „regalia" ohne 
weitern Zusatz für die Insignicn zu verwenden, der sich lange hin erhalten hat 
(oben S. 50 A. 4) und in England noch heutzutage besteht. Oben in der letztcit. 
Anm. „königliche Regalien".' Ebenso wie regalia wird, wenn auch seltener, im- 
perialia verwendet Arn. Lub. VI 2, 3; VII 14. Ein älteres Beispiel bei Waiu 
177 A. 3. Weniger bezeichnend ist der Ausdruck apparatus regius vel ornatus 
(oben S. 48); ein älteres Beispiel bei Waitz 177 A. 4. Die böhmischen Histo- 
riker des 11. Jh, pftpstl. Urkunden sprechen von sanctuaria imperii (oben S. 60 
und unten S. 63). 

Die deutsch geschriebenen (Quellen weisen einen kurzen eigentbümlichen Aus- 
druck auf; zuerst die Sächsische Weltchronik. Die cit. Stelle der Ann. Sta- 
denses giebt sie wieder durch: „deme (koning Vrederic) antworde de hertoge 
Heinric, des keiser Otten broder, dcU rike to Goslare" (M. G. deutsche Chrou. 
S. 241'*), die der Ann. Palidenses (SS. 16, 80): „Conradus . . . regalia quae Hein- 
ricus duz Baw. et Saxon. sub se habuit apud castrum Noremberg cum obsidens 
requisivii" durch „he besät de borch to Nureberch , dar de hertoghe Heinric 
dat rike hadde behalden onde wan it aldar ane des hertoghen danc (S. 216"). 
Aus dem gleichen Jahrb. die Braunschweigsche Reimchronik V. 6380, 6426. Ober- 
rhein. Chron. (hg. v. Qrieshaber S. 27) z. J. 1322 : darnach sante herzog La- 
polt kuuiug Ludewig das riche. Desgl. oben 8. 56 in der Stelle des Matthias v. 
Neuenburg: que regnum dicuntur. Um dieselbe Zeit ist der gleiche Sprachge- 
brauch auch in Urkunden bezeugt. 1348 verspricht Markgraf Ludwig, der Sohn 
König Ludwigs, Günther von Schwarxburg, wenn er zum Könige erwählt werde, 
durch Hilpolt von Stein das heilige reich inzeantwortcn (Riedel, C. dipl. Brandenb. 
II 2, 284 u. 285). Ist es sonst üblich, das Zeichen für das Bezeichnete zu setzen 
(Uomeyer, Heimath 8. 77), das Fähnlein für die ihm Folgenden, das Handgemal 
fUr das damit bezeichnete Grundstück, die Krone für ihren Träger, so giebt hier 
umgekehrt das Bezeichnete den Namen her für das Zeichen, vertritt die abstracto 
Vorstellung die concreto Sache. Das ist bei dem Worte rieh in der mittelalter- 
lichen Sprache nichu angewöhnliches. Vgl. J. Grimm, Kl. Sehr. I, 886. R. Hilde- 
brand, AttfsäUe tt. Yortr. (1890) 8. 72 ff. Während aber sonst in den Beispielen 
„Reich* immer soviel besagen will als Reicbsoborhanpt oder Reichsversammlnng 
oder Reichsgericht, beseichnet in unserm Falle „Reich** nicht Personen, sondern 
eine Sache oder eine Mehrheit von Sachen aus dem Reichseigenthum , allerdings 
grade von solchen, die zur Repräsentation des Eigenthümers besonders geeignet 
sind. Etwas ähnliches kommt vor, wenn majestat gebraocht wird, nm das Ma- 
jestätssiegel oder die Majestätskleidung auszudrücken. Beispiele für letztere Be- 
deatnng finden sich zahlreich in der von Seemüller hg. Beschreibung der KrO- 
nongsreise K. Friedrich lU. v.> J. 1442 (Mitthlgn. des Institute f. oesterr. Qe- 
iehiehtsforschg. Bd. 17) : da na meine herrn gnad in seiner mi^estat was und 


1) Ueber die der fonmgeheaden Zeit Waiu YL-GescL VP 288. 


sur Qe8chicbt6 der deutochen Reichsinsigoien. 68 

dAs xepter in seiner hand trug and darnach dye geistliciien als der von Maintz 
V. der Ton Trier, wen sy warn all in ir roayestat (§ 66 S. 637); meins herrn 
gnad Jehcu laich under seiner konigklichen kran und dy kurfursten in ir maye« 
etat Sassen (§91 8. 644). § 89 S. 648 wird genauer unterschieden: meius herrn 
gnad in seiner konigklichen mayestat und dy kurfursten in irm kurfürstentuoib 
(knrfÜrstJ. Ornat). Majestät für das Majestätssiegel (BreBlau, ürkundenlehre I, 946, 
967) gebraucht K. Sigmund in der Verhandlung mit den Nürnberger Abgeord- 
neten 1411 : er bet noch kein majcstat und wer noch nicht gemachet; erst nach 
seiner Krönung »wolt er uns die bestetigung geben unter der majestat** Reichs- 
tagsakten Vil, 165. 

In den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters wird es immer üb- 
licher, in der Bezeichnung den stärksten Ton auf den R e 1 i q u i e n bcstandtheil 
zn leg(*n. In den Uebergabeurkunden von 1350 (s. ob. 8. 40) reliquiae sacri im- 
perii cum aliis adjunctis cimeliis, das heiligthum und die kleinod des heil, reichs; 
in päpstlichen Urk. v. 1350 und 1354: reliquiae quae sanctnaria sacri romani im- 
perii nuncnpantur, sacrae reliquiae quae imperiales vulgariter nnncupantur (Murr, 
a. a. O. S. 51 und 54). Seit dem 15. Jahrb. setzt sich der Gebranch fest, von 
des heiligen Reichs würdigem Heiligthum oder kurz von dem „würdigen heilig- 
tum (beiltum)'' zu sprechen (Urk. K. Albrechts II. v. 1483, Bist. dipl. n. 828; 
Schreiben des Nürnberger Raths v. 1424, Murr 8. 91). In Nürnberg selbst wird 
das die gewöhnliche Bezeichnung im amtlichen Styl wie in der volksthümlichen 
Sprechweise. Des wirdigen heiligtnms Weisung (StChron. 11, 761*), heiligtumbs- 
freinng (StChron. 11, 551 A. 6), heiligtumstuol (oben 8. 14, StChron. 8, 866; 
Tucher, Baumeisterbuch hg. ▼. Lezer [Bibl. des Litt. Vereins in Stuttg. LXIV, 
1862] S. 126) werden geläufige Ausdrücke. Der zweite Freitag nach Cbarfreitag, 
an dem die ostensio reliqaiaram stattfand , wird selbst heiligtum genannt; man 
daürte danach: znm heiltam, am heiligtum (StCbron. 11, 670**), vor nnd nach 
dem heiltiim (StChron. 10, 866** ; 869^*) und bezeichnete die vorauf gehende Zeit : 
.anf dma heiligtnmb'' (Tücher, Baumeisterbuch 127). Im weitern Sinne hieE da- 
nach aoch die ganze Zeit der Messe, die sich an die Ueilthumsweisung anschloE: 
«wann ihr secht auch wild and sanderlich im heiltum, wenn ihr den schritt 
hüpferlc pand" schreibt A. Dürer an Pirkheimer 1506 (Lange a. Fuhse, Dürers 
schriftl. NachlaE [Halle ld98] S. 81). Seltener werden neben der Bezeichnung 
das wirdig heiligtum, die schon in jedem ihrer beiden Glieder die Beziehong 
auf Reliquien birgt, Namen verwendet wie kaiaer Karls klennet (StChron. 
8, 877*), heiligtumclennei (das. 880*), klennet die zu airbeit eins romischen 
knngs geboren (das. 876>*), mayestat kleinet (das. 10, 810 Yar.), schlechthin die 
gezierde (das. 11, 747). 

Nachdem mit derficformation der Reliqaiendienst geschwunden und die öffent- 
liche Weisung in Nürnberg eingestellt war , blieb die Verwendung der Insignien 
bei der Krönung das einzig Bedeutsame. Seitdem wird „Kleinodien, Reichs- 
klein dien" der beliebteste Ausdruck ; im gelehrten Latein klinodia, (deinodia 
denodia), woraoa die dentsche Wortform (Hildebrand in Grimma Wb. V 1123) 
entstanden ist. 


64 P- Frensdorff» 

n. 

Röscher hat neuerdings auf die politische Bedeutung der 
Kroninsignien bei den verschiedenen Völkern aufmerksam ge- 
macht^). Aus der deutschen Geschichte kann mit einer Fülle von 
Beispielen gezeigt werden, welch hoher Werth auf den Besitz 
der königlichen Abzeichen gelegt wurde. In oft citirten Worten 
fordert Walther die in dem Streit zwischen dem Staufer Phi- 
lipp und dem Weifen Otto Schwankenden auf, dem „Waisen*' zu 
folgen^. Als K. Konrad L sich seinem Ende nahe fühlt, trägt 
er seinem Bruder Eberhard auf, dem Herzoge der Sachsen die 
königlichen Abzeichen zu überbringen *). Ihr Besitz überträgt nicht 
die Herrschaft. Mehr als vier Monate nach Konrads Tode (28. De- 
cember 918) treten Sachsen und Franken in Fritzlar zusammen 
und wählen Heinrich zum Könige. Die Empfehlung des Vorgän- 
gers — designat eum regem drückt sich der Greschichtschreiber 
aus — wurde dadurch unterstützt, daß er den zum Nachfolger 
Empfohlenen in den Besitz der königlichen Zeichen setzte; in 
ihrer Ueberantwortung sprach sich die Empfehlung sichtbar und 
allgemeui verständlich aus. Je mehr die Erblichkeit der Königs- 
würde vor dem Wahlprinzip zurückweicht, desto höherer Werth 
wurde der Innehabung der Insignien beigemessen. Prätendenten 
streben nach ihrem Besitz; aber auch legitime Herrscher sehen 
ihre Regierung als bestärkt an, wenn sie die Insignien erlangt 
haben. Nicht daß der Glaube der Zeit jenen Zeichen eine my- 
stische Kraft zugeschrieben hätte. Aber wer ihrer entbehrte, dem 
fehlte noch etwas zum allseitig anerkannten Besitz der Herrschaft 
und er suchte dem Gregner diesen letzten Rest herrschaftlicher 
Auszeichnung abzugewinnen, ebenso wie andererseits die völlige 
Unterwerfmig eines der Herrschaft Widerstrebenden sich in der 
Uebergabe der Insignien ausdruckte^). Aber man darf von einer 
Zeit, die so nüchtern in allen Verhältnissen der Macht zu rechnen 
wußte, keine übertriebene Verehrung äußerer Zeichen erwarten. 
Es ist schon früher gezeigt , daß auf das einzelne Exemplar der 


1) Politik (Sivtlf. 1892) a 41. 

t)Obta 8. 4e. 

8) Widildiid I c SSC 

4) Di« EaptaMg K. Hatoridi VIL g«s«i seiaen Vater, in der das CMtmm 
Driftlt (obw & 49) «- ia d«a Abb. Placoit. SS. 18, 470: Tret Ropet, S. 471 
TMvtltt gtMUUil ~ tiae Rolle tpidte, iadtl ihm AbscUol, alt Hetaridi in 
WonM Joli 1835 ebtaiil •• gratie iapoialMis, rssigBBM inaignia ngalia et 
OMia MA ia Mum ^ (Qodcfr. riterb. coat. Ebeitee. 88. 88, S48). 


zar Qeaehichte der deutschen Reichsinsigoien. 65 

Insignie kein unbedingter Werth gelegt wurde*). Neben den von 
Alters her überkommenen Insignien giebt es neu gestiftete, neben 
den Reichsinsignien Hansinsignien. Otto lY. läßt solche für sich 
herstellen nnd wird mit ihnen angethan seiner Anordnung gemäß 
ins Grab gelegt, während er über die Reichsinsignien die schon 
erwähnte testamentarische Bestimmung getroffen hat^). Die von 
K. Richard 1262 gestifteten übergiebt er dem Marienstift zu 
Aachen und der Stadt zur Aufbewahrung für alle Zeiten mit der 
Zweckbestimmung, daß sie bei allen nachfolgenden Krönungen 
deutscher Könige in Aachen gebraucht werden sollen*). Als K. 
Karl IV. im December 1347 in Straßburg einzog, belehnte er in- 
dutus regalibus insigniis, die Krone auf dem. Haupt und Apfel 
und Scepter in den Händen den Bischof von Straßburg ^), wie 
denn gerade bei den Belehnungen der Fürsten Werth darauf ge- 
legt wird, daß der Lehnsherr mit allen Zeichen seiner Würde an- 
gethan sei^), aber erst 1350 erlangte er durch Verhandlung mit 
den Baiem die Ausantwortung der Reichsinsignien ®). Mag auch 
zwischen den rechten und unrechten Insignien unterschieden werden, 
wer jene nicht haben kann, begnügt sich mit diesen. Otto IV. 
tröstet sich für den Mangel an Kroninsignien mit dem Besitz des 
Krönungsortes ^) ; sein Gegner Philipp von Schwaben hat die 
Krone, muß sich aber statt in Aachen in Mainz krönen lassen^, 
während Friedrich 11. bei seiner ersten Krönung in Mainz am 
9. December 1212 die rechten Insignien entbehren muß, 1216 den 
25. Juli die zweite Krönung in Aachen und erst 1219 nach dem 
Tode Ottos IV. die Reichsinsignien erlangt, die er dann zur Kaiser- 
krönung nach Rom mit sich nimmt ^. Der verständige Gedanke 
K. Richards, der ihm allerdings durch seine ausländische Stellung 
nahe gelegt war, die Insignien an einer dauernden Aufbewahrungs- 


1) Oben 8. 68. 

2) Narratio de morte Ottonis, Orig. Quelf. III 848. Oben 8. 58. 
8) Qoiz, Codex dipl. AqneDsu I n. 192 8. 129. BF. 540O: qae illostris 

rez Alemannie . . • legavit regno Alemannie ad coronandnm apad Aquis 
omnes reget Alemannie et ei processa temporis in eodem regno enccedentes. 

4) Matth. Nuirenbarg. ad a. 1847. Wiener Hs. bg. ▼. Weiland c 82 (Ab* 
bdlgn. 1891 8. 49) BH. 498a. 

5) ünun 8. 74. 

6) Oben 8. 46. 

7) Otto Frieing. cont. 8anblai. c 46 : gloriabatnr se eUi non regalla, jnra 
Uaen et loca regalia retinere. IKe alte Interpunktion ist ricbtiger als die der 
MoiL, die das Komma binter jnra setit. 

8) Winkolmann, PbUipp 8. 84, 78, 186. 

9) ¥^nkelmann, Otto 8. 834, 892^ Friedrich 8. 21 nnd oben 8. 48. 

KfL a«L 4. W. iMkilflkl«. PkIklH--kiiUr. Dmm. 1887. Bift 1. 5 


66 F- Frensdorff, 

statte und zwar an dem Erönnngsorte zu hinterlegen, hat bei den 
Nachfolgern keine Nachahmung gefunden. Sie haben nach alter 
Weise die Insignien mit sich geführt; nicht nur bei den Krö- 
nungen sich ihrer bedient, sondern auch bei hohen Festen der 
Kirche wie des königlichen Hauses'). Der populären Vorstellung 
vom „kaiserlichen heiltum^ entsprach es, „das es von alter allweg 
ein römischer kaiser mit im zu einer besundren beschirmung des 
reichs füeret*)." Wurde es auch zeitweilig in festen Schlössern 
oder in Städten geborgen, so haben doch die seit dem Ende des 
13. Jahrhunderts sich rasch in der Herrschaft ablösenden Dyna- 
stieen mannigfachen Wechsel des Aufenthalts veranlaßt. Kurz 
bevor die Kämpfe unter den Fürstenhäusern ein Ende finden und 
eine Dynastie dauernd zur Königswürde gelangt, wird den Reichs- 
insignien ein fester Sitz zu Theil. Nun aber nicht in einer Stadt 
oder Burg dieser Dynastie, sondern in einer deutschen Reichsstadt. 
Vorübergehend waren die Insignien schon einigemale in Nürn- 
berg gewesen. So 1138 als sich nach K. Lothars Tode sein 
Schwiegersohn, Heinrich der Stolze, Herzog von Baiem und Sach- 
sen, Ho£Pnung auf die Nachfolgerschaft machte "). Nach der Schlacht 
bei Mühldorf wurden sie an Ludwig den Baier von Leopold von 
Oesterreich, dem Bruder des Gregenkönigs, in Nürnberg übergeben, 
wo sie viel tausend Menschen, freudig und ergriffen, sahen ^). K. 
Ludwig ließ sie in München an geweihter Stelle aufbewahren, wo 
vier Mönche aus dem Kloster Fürstenfeld täglich Messe lasen ^). 
Nachher müssen die Lisignien aber der Obhut der Bürger von 
München vom Könige übergeben seien ^). Erst im J. 1360, nach- 
dem der Ausgleich zwischen den Erben K. Ludwigs und KarllV. 


1) 8. nntaii S. 67 nnd 78. 

2) Meisterlio, Narob. Chronik (StChron. 8, 92 >^. 

8) Ann. Palidenses (SS. 16, 80). S&ohs. Weltchronik 8. 216. Bernhardi, 
Koorad UL Bd. 1, 49. 

4) Monachi Fürstenfeldensia Chronica de gestis principam (Böhmer Fontes 
I 64): K. Ludwig wiU von keiner Yersdhnong mit den Oesterreichem wissen „sed 
prios tibi regni insignia resignaret (Leapoidaa) . . .* In Nftmberg „mnitis mili* 
bua hominom iUic conflaentibiis at idderent, ea Tideront et gafiei sunt pariter et 
componcti.'' 

6) Chronica de gestis pp. 1. c 

6) Mon. Boica XXXV^ n. 76 8. 92: Die beiden Markgrata Ludwig, Sohne 
K. LadwigSi erkünn dorch Urk. y. 10. If&rs 1860 filr sich und ihre Geichwieter 
ndaa wir uns dee heüigtaoou des heiligen reichs onderwonden haben aas oaserr 
purger gewalt le Muenichen, darnach und wir mit hen Kareia rOm. kusnig fer* 
tedingt und versuenet wurden« und versprechen die Bürger, wenn sie deshalb an- 
gegriffen werden sollteDi fetrsnlich la Tsraiitworten. 


zur Geschichte der deatschen Beichsinsignien. 67 

zu Stande gekommen war, worden sie in feierlicher Procession 
nach Prag geführt ^). Es ist bekannt, wie sehr K. Karl IV. Nürn- 
berg unter den deatschen Städten bevorzugt hat. Wiederholt hat 
er hier Hof gehalten und Feste seiner Familie gefeiert, wie die 
Taufe Wenzels im J. 1361 , zu der der König die Insignien von 
Prag kommen und öffentlich ausstellen ließ^). In die goldene 
Bulle brachte er den Satz, daß jeder deutsche König den ersten 
Reichstag nach seiner Wahl und Krönung in Nürnberg halten 
solle ■). Wenn er sich dafür auf unvordenkliche Zeit berief, so 
konnten wie oft bei den historischen Begründungen des Mittel- 
alters nur seltene Präcedenzfälle und gewöhnlich nur aus jüngster 
Zeit stammende beigebracht werden. Aber der Satz erweist die 
Bedeutung Nürnbergs, das in den letzten Jahrhunderten des Mittel- 
alters als die Hauptstadt des deutschen Reichs bezeichnet werden 
darf. Eine Anerkennung dieser Stellung der Stadt lag darin, daß 
ihr die Aufbewahrung der Reichsinsignien anvertraut wurde. 

Im Sommer des Jahres 1422 fand ein Reichstag in Nürnberg 
statt, der König Sigmund neun Wochen in der Stadt festhielt 
und ihn in vielfache Berührung mit den hervorragenden Mitglie- 
dern ihres Raths gebracht haben muß. Kaum eines unter ihnen 
wird in dieser Zeit mehr genannt als Sebald Pfinzing. Aus einer 
alten Familie der Ehrbaren stammend, war er gleich andern seines 
Standes früh, mit 24 Jahren in den Rath gekommen ^). Der König 
hatte ihn bald nach seinem Regierungsantritt kennen gelernt; 
denn Pfinzing hatte drei Abordnungen Nürnbergs angehört, die 
seit 1411 die königliche Bestätigung der städtischen Privilegien 
zu erwirken entsandt waren, auch der letzten, die sie endlich in 
Chur erlangte^). Als der König und nach ihm die Königin im 
Herbst 1414 Nürnberg zum erstenmal besuchten, wurde Pfinzing 
ihnen zur Begrüßung entgegengeschickt*). Er war Vertreter der 
Stadt, als der König beim Concil in Konstanz verweilte^). Wäh- 


1) Franc Pragensis bei Dobner, Monam. bist. Boem. VI (1786) 8. 819. 

2) StCbron. 10, 1S6. Heinrieb t. Bebdorf, der die Ineignien damals selbst 
•ah: Bdbaer, Fontes IV 647. 

8) A. B. c 28 S 6. 

4) StCbron. 1, 86| 2, 48. 

6) Roietaitagsakten YII, 166, 166, 171. Die ürk.K. Sigmonds ▼. 1418 Sept. 
6 in Hitt dipl. n. 286 (Altmaan, Reg. Sigm. 716, im Folgeaden mit RA. be- 
idcbaet). 

6) Reiebstagsakten YII, 218. 

7) Das. S. 269, 287, 848. 

6* 


68 P. Prensdorff, 

rend des Aufenthalts im J. 1422 war K. Sigmund mehrfach mit ihm 
in private Verhandlung getreten: Pfinzing war von ihm beliehen 
worden und hatte andererseits mit mehrem Nürnberger Bürgern 
dem Könige ein größeres Darlehn verschafft^). Durch diesen 
häufigen Verkehr hatte Pfinzing das besondere Zutrauen Sigmunds 
erworben; er ließ ihn einmal besonders von Nürnberg nach Ofen 
kommen ^) und machte ihn später , 1430 zu seinem innersten d. L 
geheimen Käthe'). Im Herbst 1423 war Pfinzing, damals einer 
der drei Losunger Nürnbergs, auf einer neunwöchigen Reise ab- 
wesend, um mit dem Könige wegen der gegen Venedig verhängten 
Verkehrssperre zu verhandeln, außerdem aber, wie sich die Stadt- 
rechnung vom November vorsichtig ausdrückt, „von etlicher haim- 
licher sache wegen, als die der rat wol weiß^)." DasRäthsel löst 
eine Urkunde vom Michaelistage 1423, in der der König bezeugt, 
sein und des heil. Reiches Heiligthum, das nach allen seinen ein- 
zelnen Bestandtheilen detaillirt aufgezählt wird, der Stadt Nürn- 
berg zur ewigen imd unwiderruflichen Aufbewahrung übergeben 
zu haben ^). Die Stadt wird verpflichtet, es alljährlich öffentlich 
unter Assistenz der Priester zu zeigen; im Uebrigen soll die 
Geistlichkeit nichts mit dem Heilthum zu thun haben und nur der 
Bath darüber Anordnungen treffen. Nur in einem Falle ist die 
Stadt zur Rückgabe verpflichtet: „wer sache, doGrot für sey, das 
wir einen widerstant in dem reiche gewinnen und ymand an dem 
reiche wider uns ufgeworfen wurd," so soll die Stadt dem König 
das Heiligthum in Pilsen oder £lbogen wieder ausantworten ^). Die 
Gegenurkunde des Raths, unterm 23. December 1423^) ausgefer- 
tigt, wurde vermuthlich der Gesandtschaft mitgegeben, die sich 
bald nach Beginn des Jahres 1424 aufgemacht haben wird, um die 
Reichsinsignien von Blindenburg bei Ofen abzuholen. Sie bestand 
aus Jörg Pfinzing, dem Sohne Sebalds ^), und Sigmund Stromer, dem 
Sohne Ulrich Stromers, zu der güldenen Rosen oder hinter den Predi- * 


1) Urk. Sigmund« aos dem Aogutt und September 1422 RA. 6012. 5079. 
5109. 6272. 

2) 1424 November, RTA. VUI 884. 
8) StChron. 1, 86, 877. 

4) StChron. 2, 48. 

5) T. Morr (oben S. 52 A. 4) Nr. 18 S. 76. 

6) RA. 5619 nennt sutt PUseii Eger, ich weii nicht ob auf Grund det Ton 
Altmann angeführten Originalt im Kreitarchi? sa Nürnberg. Morr beseichnet 
•einen Abdruck allerdingt auch ez originaU geschöpft. 

7) Murr dat. Nr. 16 8. 88. 

8) Bei WiAdeck S. 184 heiBt er: Sebolt Pfintaig der jung. 


lar Geschichte der deaUchen BeichBinsignIen. gg 

gern, wie er nach seinem bei St. Aegidien belegenen Wohnbanse znbe* 
nannt wnrde. Jörg Pfinzing hat eine kurze Notiz über die Fahrt einer 
Beschreibung der Reise angehängt, die er 1436 nach dem heiligen 
Lande unternommen hat^). Was die Nürnberger Rechnungsbücher an 
Auskunft über die Gewinnung des Heiligtums bieten, beschränkt 
sich auf die durch die Fahrt nach Ofen verursachten Kosten *). 
Aus chronikalischen Berichten erfahren wir nur soviel, daß der 
König den Gesandten Nürnbergs das Heiligthum in aller Stille 
übergab. Mehr als sechs Personen sollen nicht darum gewußt 
haben, und der Fuhrmann erst unterwegs in das Geheimniß einge* 
weiht worden sein'). Die Nürnberger Gesandtschaft, die am 
22. März 1424 heimkehrte^), wird die neue vom Könige ausge- 
stellte Urkunde^) mitgebracht haben, die gleich der vom Jahre 
zavor (oben S. 26) eine vollständige und mit jener übereinstim- 
mende Aufzählung der Reichsinsignien enthält, aber sich von ihr 
durch einen Zusatz und durch einen Mangel unterscheidet. Sie 
fügt eine Strafdrohung gegen jeden hinzu, der Besucher der mit 
der Heiligthumsweisung verbundenen Messe verletzen würde, ge- 
denkt dagegen nicht mehr einer Pflicht Nürnbergs die Lisignien 
unter Umständen zurückzugeben. Die Verpflichtung ist aber um 
deswillen nicht als beseitigt anzusehen. Der Unterschied zwischen 
den beiden Urkunden erklärt sich nicht aus dem Zeitabstande, 
sondern aus ihrer verschiedenen Bestimmung. Die von 1423 sollte 
blos zum Gebrauch des Nürnberger Raths, die von 1424 auch zur 
Verwendung nach außen dienen. Im Herbst 1423 lag die Gefahr 
eines Kronprätendenten dem König Sigmund nicht näher als im 
Februar 1424. Durch den Satz über die eventuelle Rückgabe des 
Heiligthums wollte sich der König nur die Möglichkeit verschaffen, 
wenn je die Gefahr eines Gegenkönigs eintreten sollte, seine Stel- 
lung ihm gegenüber durch den Besitz der Reichsinsignien zu 
stärken*). 

Was. bewog K. Sigmund, den Besitz jener so hoch gehaltenen 
Insignien, den er wohl erst seit wenigen Jahren mit dem Tode 

1) Ht. der NQrnberger Stadtbibliothek; die Bescbreibaog der Wallfahrt ist 
darauf in den Mittheilongen des Vereins fQr Oesch. der Stadt N&rnberg Heft 2 
(Namtg. 1880) S. 120—168, die Kotis über die Fahrt nach Ofen in StChron. 
2| 42 abgedruckt. 

2) StChron. 2, 44; 10, 148. 
8) Windeck S. 184. 

4) Oben S. 44. 

6) Ofen, 1424 lilttw. nach St. Dorotheentag (9. Febr.), Morr Kr. 17 8. 86. 
RA* 5778. 

6) Oben 8. 64. 


70 F. Prensdorffi 

seines Bruders Wenzel erlangt hatte*), zu Gunsten Ntirnbergs 
aufzugeben? Einzelne Quellen äußern sieh so, als ob Nürnberg 
ein altes Recht auf die Aufbewahrung zugestanden hätte; die 
Uebertragung unter KarllV. nach Prag und unter Sigmund nach 
Ofen bezeichnen sie als eine Entfremdung, als eine Entführung 
aus dem Reich *). Aber das sind alles nur Zeugnisse einer nach- 
träglichen Weisheit, die sich den geheimnißvollen Vorgang von 
1424 nicht anders zu erklären wußte und allerlei Sagenhaftes 
einmischte. Insbesondere die spätem Nürnberger Chronikenschreiber 
sind reich an Erfindungen und berufen sich zu ihrer Unterstützung 
auf die Anwesenheit der Insignien gelegentlich der Taufe Wenzels 
in Nürnberg^). Daß sich aus solch vorübergehendem Aufenthalte 
der Insignien kein Recht Nürnbergs auf deren Aufbewahrung ab- 
leiten ließ, liegt auf der Hand. Der Grund, aus dem der König 
auf den kostbaren Besitz verzichtet, ist nach seiner eigenen An- 
gabe der Wunsch, ihn vor den Hussiten zu schützen*) und die 
treuen Dienste der Nürnberger zu belohnen. Die nachfolgende 
Zeit feierte K Sigmund als den restitutor ^). Daß Sigmund auf 
Andringen, ja auch nur mit Einverständniß der Kurfürsten ge- 
handelt habe, ist nicht bezeugt^) und durch die nachher anzufüh- 
renden Aeußerungen ausgeschlossen. Die noch zu erwähnende 
Bulle Papst Martins V. macht treffend noch einen hohem politi- 
schen Gesichtspunkt geltend: die Absicht, den immer wiederkeh- 
renden E^ämpfen um den Besitz der Insignien durch ihre Ver- 
weisung an einen festen Aufbewahrungsort ein Ende zu machen. 
Bei der Umschau nach einer geeigneten Stadt bot sich wie von 
selbst Nürnberg dar, das als „insignis et famosa, ecclesiastico de- 
core conspicua, christianae fidei . . . zelatoribus prepollens, in 
regenda reipublice politia singularis prudentie viris ornata* nach 

1) Wenzel f l^ld Aug. 16. Durch Vertrag vom 9. Juli 1411 hatte Sig- 
muDd zugestauden : item so sol das heiligtum des heiligen richs in unsers bru- 
ders macht und gewalt bleiben dewiele er lebt. BTA. VIT d. 68 § 9 S. 105. 

2) Windeck S. 184. 

8) StChron. 10, 143 ff. Oben 8. 67. Ebenso ist in Baiem die Anwesenheit 
der Insignien (oben S. 66) sagenhaft zu einem Recht auf deren Besitz, den Karl 
IV. den Fürsten mit „grosser gescheidichait und mit listen** entzogen habe, ausge- 
deutet worden (Sachs. Weltchronik, Bair. Forts. S. 856). 

4) Schreiben Sigmunds an den Papst 1424 Juni 9 (Murr Nr. 21) und Wille- 
brief Sigmunds als Kurfürsten 1424 Juni 2 (das. Kr. 20) RA 6888, 6876. 

5) Herdegen, Nürnb. Denkw. hg. t. Kern (Erl. 1874) S. 21. 

6) Unten 8. 75. Aschbach, Oesch. K. Sigmunds IV. 478: die deutschen Fürsten 
waren damit nicht zufrieden, daS die Reichssch&tze auBerbalb der dentsohen 
Grenzen sich befanden; ihrem Wunsche gab endlich Sigmund nach. Ein Beleg 
ist für diese Behaoptnngen nicht g^eben. 


znr Qeschichtd der deatachen Beichsinflignien. 7I 

Anleitung des königlichen Empfehlungsschreibens (oben S. 70) in 
der Bnlle gepriesen wird. Auffallend ist, daß wir nichts von einer 
Gegenleistung der Stadt hören. Nach der ganzen Art des Ver- 
handeins, wie es in jener Zeit zwischen Herren und Städten, zu- 
mal zwischen dem König und den Reichsstädten üblich war, fallt 
es schwer, an ein Thun „um Gottes willen", an das Aufgeben eines 
Rechts zu glauben, dem nicht eine pecimiäre Gegenleistung des 
Erwerbers entsprochen hätte. Die städtischen Rechnungen ergeben 
zwar, daß die Erlangung der Insignien der Stadt recht bedeutende 
Ausgaben verursachte ; aber sie bestehen doch nur in der Aufwen- 
dung an die königliche Kanzlei, die 1000 Gulden für die Aus- 
fertigung der Urkunde erhielt'), und in den Reisekosten für die 
Gesandtschaften, die zur Erwerbung der Insignien und zur Siche- 
rung der erworbenen erforderlich waren. 

Die werthvoUste Garantie wurde nach der Anschauung der 
Zeit dem Besitze der Stadt durch die Anerkennung des Papstes 
verschafft. Dazu war der erste Schritt die Erwirkung eines 
königlichen Empfehlungsschreibens für den nach Rom zu entsen.- 
denden Vertreter*). Paulus Vorchtel und Ulrich Ortlieb, die zu 
dem Zwecke nach Ofen giengen, waren so glücklich, daneben noch 
nachträglich drei kleinere zu der Krönungsgewandung gehörige 
Stücke heimzubringen'). Die Gesandtschaft nach Rom führte 
dann Dr. Konrad Kunhofer aus, ein Nürnberger Geistlicher, zu- 
gleich gelehrter Jurist und vielfach in städtischen Geschäften und 
Schickungen verwandt*). Er war dreiviertel Jahr abwesend und 
erlangte eine am 31. December 1424 ausgestellte Bulle, die Nürn- 
berg den Besitz der Reichsinsignien auf ewige Zeiten bestätigte, 
„außer wenn etwa, was Gott verhüte, die Bevölkerung vom katho- 
lischen Glauben abfallen sollte" ^). 

Als Abschluß der ganzen Angelegenheit darf die Urkunde 
K. Sigmunds gelten, in der er Sigmund Stromer (s. oben S. 68), 
dem die spätere Zeit dea Ruhm, die Reichsinsignien nach Nürn- 
berg „in einer still mit listen" gebracht zu haben, allein beimaß ^), 
in Anerkennung seiner Verdienste zu seinem Diener und Hofge- 
sinde aufiaahm^). 


1) Qoitbrief des Cupar Schlick 1424 Man 6 (MarrNr.l6) 8tChroiL2,44«- 

2) 1424 Juni 9 (obeB 8. 70 A. 4) SiCbroB. 2, 44. 
8) Morr 8. 98. 

4) 8tChroii. 1, 881, 40O, 405. 

5) Morr Nr. 22 8. 108. Dm. ein Tidimos t. 1426 Jan. 29. 
8) Sichren. 10, 148 «. 

7) 1425 April 9. Murr Nr. 24. 


72 F. Frensdorff, 

m. 

Nürnberg ist in dem Besitze der Reichsinsignien nicht unan- 
gefochten geKeben. Als Markgraf Albrecht Achilles 1452 bei der 
Krönung des jungen Ladislaus in Prag anwesend war, prahlten 
die böhmischen Landherren, ihrem Lande gehöre das „Heiligthum* 
und sie müßten es wieder haben*). Dies Gerede, das der Mark- 
graf in einer Verhandlung mit Nürnberger Rathsherren über seine 
Stellung zur Stadt gelegentlich erwähnte, war ohne weitere Be- 
deutung und vom Markgrafen selbst schon gebührend zurückge- 
wiesen. Nur im Zusammenwirken mit anderen Angriffen hätte 
diese Gegnerschaft bedenklich werden können. Ein gefährlicherer 
Feind war dem Besitze Nürnbergs schon vorher in dem Könige 
selbst erstanden. Allerdings nicht solange K. Sigmund und sein 
Nachfolger Albrecht 11. lebten. Anders sobald König Friedrich HI. 
zur Regierung kam. War Karl IV. ein großer Reliquienverehrer 
— ein überfleißiger man zum heiltumb und er sucht und stellet 
.nach solchem und er et es in allen landen') — so kam bei Fried- 
rich m. noch die Liebhaberei für Perlen und Edelsteine hinzu") 
und nicht zuletzt die Eifersucht auf seine königliche Stellung. 
Er gieng ganz systematisch gegen Nürnberg vor ; trat nicht gleich 
mit seiner letzten Forderung hervor, erst allmählich wurde klar, 
worauf er es abgesehen hatte. Alle Mittel, die in seiner Hand 
lagen, wurden benutzt, um die Stadt gefügig zu machen. Das 
erste Anzeichen lag in der Weigerung, den Abgesandten, die ihm 
alsbald nach seiner Erwählung zum Könige die Glückwünsche 
Nürnbergs nach Wiener-Neustadt überbrachten*), die Reichslehen, 
welche die Stadt und einzelne ihrer Bürger besaßen, wieder zu 
leihen und den Besitz der Reichskleinodien zu bestätigen, den zu- 
letzt König Albrecht 11. in einer der Stadt am 3. Mai 1438 zu 
Wien ausgestellten Urkunde ohne alles weitere anerkannt hatte *). 
Die Gesandten erlangten nicht mehr als eine Generalconfirmation 
(gemeine bestetigung) der städtischen Rechte und Freiheiten ; zum 
Empfange der vom Reich und von Oesterreich rührenden Lehen 
wurde den Nürnberger Bürgern ein Lidult von einem Jahre ge- 


1) StChroD. 2, 629 *•. 

2) Meisterlin, Karub. Ghron. (StChron. 8, 166 ^^). 

8) OrüDpeck , Leben Friedricbs (Geschicbtschreiber der deutschen Voneit) 
c. 8 und 10. 

4) StChroii. 8, 855*. 

5) H. diplom. n. 828, der die Urkunde K. Sigmunds Ton 1424 Febr. 9 (oben 
8. 69 A. 5) inserirt ist 


zur Geschichte der deutschen Beichsinslgnien. 73 

wahrt; die Bestätigtmg des Heiligthoms ausgesetzt, wie es hieß, 
bis der König es selbst gesehen haben würde ^). Zu Ende April 
1442 kam Friedrich m. zum erstenmal nach Nürnberg nnd ließ 
sich das Heiligthnm weisen. Nnr widerstrebend verstand sich der 
Rath dazu, anch eine öffentliche Vorzeigung in all den Formen 
folgen zu lassen, wie sie alljährlich am Freitag nach Quasimodo- 
geniti stattfand '). Beschwerlicher wurde das Verhalten des Königs, 
als er durch die ihn nach Frankfurt zum Reichstage begleitenden 
Nürnberger Rathsherren, Karl Holzschuher und Berthold Volck- 
amer, die Stadt auffordern ließ, ihm die Insignien zur Krönung 
nach Aachen nachzusenden'). Zur Zeit seiner Anwesenheit in 
Nürnberg scheint er nichts von dieser Absicht kundgegeben zu 
haben, und auch jetzt bemäntelte er sein Begehren mit der Be- 
gründung, seine eigenen in Nürnberg bestellten Insignien seien 
noch nicht fertig*). War auch der Stadt, als ihr K. Sigmund 
die Insignien übergab, keine weitere Verpflichtung, als die der 
öfFentlichen einmal alljährlich stattfindenden Weisung ausdrücklich 
auferlegt, so verstand es sich doch von selbst, daß die Insignien 
ihrem Zweck entsprechend verwandt werden mußten, wenn auch 
nicht allemal wo der König oder Kaiser „unter Kronen gieng^^) 
oder „in seiner Majestät saß" % aber doch sobald eine eigentliche 
Krönung stattfand. Da aber weder Albrecht 11. bei seiner Königs- 
krönung (1438) noch Sigmund bei seiner Kaiserkrönung (1433), ob- 
schon Nürnberger Abgesandte in Rom zugegen waren und durch den 
Ritterschlag auf der Tiberbrücke besonders geehrt wurden^), eine 
Ueberbringung der Insignien von Nürnberg gefordert hatte •), erschien 
das Verlangen des neuen Herrschers der Stadt äußerst lästig und 
bedrohlich. Gleichwohl konnte sie sich ihm nicht entziehen und 


1) StCbron. 8, 872 ^ 

2) StChron. 3, 361 ; 366. 

8) Clirocl, Gesch. K. Friedrich IL 147 giebt unrichtig an, der König sei bei 
seiner Abreise von Nürnberger Rathsmitgl ledern begleitet worden, die die Insig- 
Difo in ihrer Obhut hatten. 

4) StCbron. 8, 376««. 

5) Waitz VI* 291. rex sub Corona incedens Otto Fris. II 5. Friedrich II. 
1229 Ostern in Jerusalem more regio coronatus procedens celebravit Cbron. 
ürsp. 117. dar he krönet ging S&chs. Weltchron. 287"; da sassen der kung u. 
die konigin gecronet, das. 286". 

6) Obeo 8. 68. 

7) StChroD. 1, 387 u. 447ff. 

8) Eine BestJUigung des Heiligthums darch Sigmund als Kaiser behauptet 
da« in dem Paduaner Gutachten benutzte Anschreiben der Namberger (s. u. S. 75). 
Murr 12, 166. 


74 F. Frenidorff, 

müßte sich schweren Herzens entschließen, ihren Schreiber, Meister 
Johannsen, mit Kaiser Karls Kleidung, Krone und Scepter nach 
Aachen zu schicken ^). Es geschah „in großer geheim^, so daß die 
Fürsten, deren Gebiet der Transport bwührte, nicht erfuhren, 
was sie geleiteten*). Bei der Krönung am 17. Juni 1442 ver- 
fahren die Nürnberger Rathsfrennde , wie ihnen empfohlen war, 
mit aller Vorsicht, hielten sich in der unmittelbarsten Nähe auf 
dem Chore zunächst bei dem Altare und sorgten dafür, daß die 
Insignien beim Gebrauche aus ihren Händen und in diese zurück- 
gelangten. Mit ihrer Zustimmung dienten die Insignien auch noch 
während der folgenden Tage, an denen der König in Aachen und 
in Cöln Kurfürsten und Fürsten ihre Lehen lieh'). So willfährig 
sich aber die Nürnberger Gesandten gezeigt hatten, die ersehnten 
Privilegien für ihre Stadt, aufs neue von ihnen nach der Rück- 
kehr K. Friedrichs nach Frankfurt erbeten, waren nicht zu er- 
langen. Yolckamer kehrte deshalb insgeheim mit dem ihm anver- 
trauten Schatze nach Nürnberg zurück, während Holzschuher, der 
andere Abgesandte der Stadt, dem Könige von Frankfurt nach 
Mainz, von Mainz nach Straßburg nachritt, ohne jedoch mehr zu 
erreichen als zuvor*). 

Als im nächsten Jahre eine neue Gesandtschaft Nürnbergs den 
König in Wien mit dem alten Begehren aufsuchte^), trat er mit 
seinem eigentlichen Plan hervor : er verlangte die ZurückHeferung 
der Insignien. Sie gebührten ihm als dem gewählten und gekrön- 
ten Könige ; seine Vorfahren am Reiche hätten sie allezeit in ihrer 
Gewalt gehabt, und er „wer nit minder dann sein vorfahren^ ^. 
Er forderte demgemäß von den Gesandten, daß Nürnberg die In- 
signien nach Regensburg schaffe, von wo sie auf der Donau nach 
Oesterreich und nach seiner Residenz, der Neustadt, geführt wer- 
den sollten. Nürnberg wehrte sich, so gut es konnte, schickte 
verschiedene Gesandtschaften und bat jedenfalls um Aufschub, bis 


1) StChron. 3, 377 A. 1 aod 11, 747. 

2) StChron. 3, 377. 

8) StChron. 8, 877». Chmel, Regesten E. Friedricht Nr. 612,613,619 und 
624, alle in Aachen Joni 18—21 ; Nr. 627 und 636, in Cöln Joni 24 nnd 25 ans- 
gesUllt. Oben 8. 65. 

4) StChron. 8, 878*. K. Friedricht Aufenthalt in Frankfurt wfthrte Ton 
Anlang Juli bis über die Mitte August; vom 24. August ist die erste in Stras- 
burg autgestellte Urkunde. 

6) StChron. 8, 879 'S die Gesandten waren dieselben, die in Frankiiirt und 
Aachen das Jahr anvor gewesen waren. 

6) StChron. 8, 880. 


snr Oeschichte der deutschen BeichBinsignieii. 76 

der ESnig wieder nach Oberdentschland komme. Er ließ 8\ch aber 
nicht irre machen, wiederholte seine Fordenmg mfindlich und 
schriftlich und erwartete, der Rath werde ihm nicht das „Seine ^ 
vorenthalten^). Der Rath suchte für seinen Widerstand Unter- 
stützung bei den Autoritäten der Zeit. Das waren einmal die 
geistlichen Kurfürsten, seit Jahren bei dem Wankendwerden der 
kaiserlichen Macht die angesehensten Fürsten, ausschlaggebend in 
aUen das Reich angehenden Angelegenheiten. Die Stadt stellte 
ihnen die Nachtheile vor, wenn das mit großer Grefahr aus Böhmen 
und Ungarn in deutsche Lande zurückgebrachte Heiligthum in die 
obem Lande gen Oesterreich oder Steiermark wandere und so aufs 
neue dem Reiche entfremdet werde. Die Kuriürsten, deren Ant- 
wort auf diese zweckmäßig das politische Moment hervorhebende 
Vorstellung nur aus dem Bericht der Nürnberger bekannt ist, 
wollten dem König erst, wenn er „zu emsthaftig" in der Sache 
werden sollte, schreiben und nöthigenfalls eine Versammlung hal- 
ten *). Da die Kurfürsten von Sigmund nicht um ihre Zustimmung 
gefragt waren, als er die Insignien der Stadt Nürnberg übergab '), 
so zogen sie es offenbar vor, sich zunächst nicht in den Handel 
zwischen dem König und der Stadt einzumischen. 

Die zweite Autorität, deren Unterstützung die Stadt suchte, 
war die gelehrte Jurisprudenz. Den Juristen von Padua legte 
der Nürnberger Rath vier Rechtsfragen zur Begutachtung vor*): 
1) ist die ohne die Zustimmung der Kurfürsten erfolgte Ueber- 
gabe der Insignien an Nürnberg gültig oder nicht? 2) darf sie, 
wenn gültig, von dem Regierungsnachfolger widerrufen werden? 
3) Ist ein solcher Widerruf auch dann zulässig, wenn der Papst 
die Handlung K Sigmunds bestätigt hat? 4) Vermochte die Be- 
stätigung des Papstes die Handlung des Königs, wenn sie von 
Anfang an ungültig war, gültig zu machen? 

Die Fragen, ob ein Regierungsakt wie der fragliche, vom Kö- 
nige allein, ohne Zustimmung der Kurfürsten vorgenommen wer- 
den dürfe ; ob der Regierungsnachfolger an die Handlungen seines 
Vorgängers gebunden sei, waren, wie man meinen sollte, recht ei- 
gentlich Fragen des deutschen Staatsrechts. Aber in den Gut- 


1) StChron. 8, 881 >•. 

t) StChron. 8, 881 ». 

8) Das erglebt sieh aot der ersten an die Juristen von Padoa festelltrn 
Frage (t. unten): nimm tranalacio abeqne eonsenra electomm iaperii facta taleat 
et teneat an iit nnlla? Oben a 70. 

4) Mnrr Nr. 88 8. 164. 


76 F. Frensdorff, 

achten, die Antonias de Rosellis , Johannes de Praio, der sich sei- 
nem berühmten Lehrer, dem juris monarcha anschließt, ebenso wie 
Cosmas Contareno, Johannes a Sancto Lazaro, Michael de Maro- 
sticha und Angelus de Castro , erstattet haben , ist von den Ver- 
hältnissen des deutschen Reichs gar keine Rede. Alle operiren 
mit einem mächtigen Aufgebot von Stellen des Corpus juris, des 
kanonischen Rechts und der Glossatoren, um zu dem übereinstim- 
menden Ergebniß zu gelangen, daß Nürnberg sich allein auf die 
päpstliche Bulle berufen könne ; denn nach dem Grundsatze : prin- 
ceps legibus solutus habe Sigmund durch seine Handlung weder 
sich selbst noch seinen Nachfolger binden können. Erst durch den 
Hinzutritt der päpstlichen Urkunde, die zudem sich nicht auf 
ein confirmamus beschränke, sondern statuimus et ordinamus hin- 
zufüge und sich auf solche Dinge beziehe, die wie Reliquien der 
geistlichen und namentlich der päpstlichen Gewalt unterworfen 
seien, werde die Verfügung Sigmunds der einseitigen Abänderung 
durch ihn selbst oder einen seiner Nachfolger entzogen. 

Eine eigentliche Untersuchung des Rechtsverhältnisses, das an 
den Insignien bestand, ist weder hier noch sonstwo angestellt wor- 
den. Es war das kein Gegenstand des Interesses für die Zeitge- 
nossen. Nur in einer päpstlichen Bulle des 14. Jahrh. finde ich 
einmal gelegentlich eine Aeußerung, die das heutige Staatsrecht 
unterschreiben würde. Innocenz VI. nennt das Reich den Eigen- 
thümer , den jeweiligen Kaiser den Aufbewahrer der Insignien *). 
Auch K. Richard hat als er 1262 neue Insignien stiftete, das Reich 
als das bedachte Rechtssubject bezeichnet'). Ist in diesen Auf- 
fassungen die Rechtsanschauung des spätem Mittelalters vertreten, 
so hält K. Friedrich in. noch an der der frühem Zeit fest '). Die 
Insignien sind „sein" wie seine Vorgänger sie gehabt haben; er 
ist der Eigenthümer, und wenn er auch gebunden ist in seiner 
Verfügungsgewalt, so braucht er doch die Verfügung, die ein 
früherer Eigenthümer über die Dauer seines Eigenthums hinaus 
mit ihnen vorgenommen hat, nicht anzuerkennen. Für die andere 
Frage, ob E. Sigmund zu seiner Verfügung der Zustimmung der 
Kurfürsten bedurft habe, ließe sich ein gegen sein einseitiges Vor- 


1) Balle InnoceoE VI. t. 1864 bei Murr d. 11 8. 64: Karolat Romanor. et 
Boemie res inter saor as reliquias quae imperiales Tulgariter Donetipaotnr quaeqoe 
tanquam pretioritsimos imperii Bomani thesanmt consaevenint per Romanomm 
regem sea imperatorem , qoi est pro tempore , conierTari et reTerentltsime etiam 
hooorari, habet in soa caitodla . . . sacratissimam lanceam. 

2) S. ob. S. 65 A. 8. 

8} Gierke, Genoisenschaftsrecht 2, 569. 


zar Geschichte der deatochen Reichsinsignien. 77 

gehen sprechendes Moment der ürkimde entnehmen, in der er 
selbst „als ein konig zu Behem und kurfürst, des heiligen reiehs 
ertzschenk^ seinen „Gunst und Willen'' zu der Uebertragung der 
Insignien erklärt, wenn darin nicht eine bloße Sicherungsmaßregel 
lag, zu der sich der König auf die besondere Bitte der Nürnberger 
verstand '). 

Die Verweisung auf die päpstliche Autorität scheint weitern 
Versuchen Friedrichs, den Nürnberger Besitz anzutasten, Halt ge- 
boten zu haben. Jedenfalls gab er im Sommer 1444, als er in 
Nürnberg einen Reichstag, für lange Zeit den letzten in Deutsch- 
land, hielt, soviel nach, daß er der Stadt gegen Zahlung von 2400 
Gulden die „lehen des communs" bestätigte'). Die Lehen, welche 
einzelne Bürger vom Reiche hatten, waren ihnen schon im Mai 
1442 nach langen Verhandlungen, in denen „unser her kunigk, 
die rete und auch die cantzler nach dem dativum rungen" und 
man sich endlich über „ein beschaiden trinkgelt in die cantzelei^ 
verständigte, wieder geliehen worden^). £ine Bestätigung des 
„würdigen Heiligthums'^ hat die Stadt aber nie von K. Friedrich 
erlangt. Die mit dem Besitz verbundenen Pflichten mußte die 
Stadt dann auch erfüllen, und so konnte sie sich auch der be- 
schwerlichen und gefährUchen Ueberführung der Insignien zur 
Elaiserkrönung nach Kom im Frühjahr 1462 nicht entziehen. Der 
angesehenste Bürger Nürnbergs, Niclas Muffel, sechszehn Jahre 
spater wegen Veruntreuung städtischer Gelder hingerichtet, über- 
brachte sie^), und Friedrich wurde, was „keinem Kaiser in viel 
hundert Jahren nie widerfahren, daß er mit solchem heiligen 
Kleid angethan zu kaiserlicher Würdigkeit gekommen^, vom Papste 
gekrönt. Mit gleicher Ueberschwänglichkeit reden auch die zeit- 
genössischen Berichte von „des hailigen hohen himelfürsten kaiser 
Karls cron , die da vol wirdigs hailtum ist^ , seinem heiligen 
Schwert, „das der engel im vom himel pracht, mit demselben 
Schwert er manigfaltigclich gestritten hat und cristengelauben 
gemert*' ^). Da die Kriegsläufte den Kücktransport der Insignien 
gefahrlich machten, stellte der Rath es Muffel anheim, wenn er 
keine bessere nnd fügsamere Wege wüßte, sie gewissen d. L zu- 


1) Urkunde t. Jani 1424 (Murr S. 98, ob. 8. 70) : .wenn na die bürgere tu 
Kuremberg uni diematiclich gebeten haben ...*'. 

2) Chael , B^. Friedrichs Nr. 1695—1698. Hist diplom. n. 840. StGhron, 
«,400*«. 

S) SiChron. 3, 872 fL Chmel Nr. 526—628 ; 581 iL 

4) StChron. 11, 747. 

5) SiChroD. 22, 822» and 821*«. Oben S. 60. 


78 F. Frensdorff, 

verlässigen Kanfleuten in Venedig zu übergeben, die sie in ikre 
Wollsäcke verbergen nnd zu gelegener Zeit nach Nürnberg zurück- 
bringen könnten '). 

Das Recht Nürnbergs auf den Besitz der Insignien ist , nach- 
dem dieser erste Angriff mißglückt war , nicht wieder emstUch 
angefochten worden. Als K. Friedrich im August 1471 vom Re- 
gensburger Reichstage nach Nürnberg kam, ließ er sich im Neuen 
Spital „das heiligtum^ weisen und setzte Kaiser Karls Krone auf. 
Von Erneuerung seiner alten Pläne hörte man nichts. Aber sei- 
nem Gefallen an Reliquien kam die Stadt Nürnberg klug entgegen, 
als sie ihm bei dieser Gelegenheit einen goldenen Becher (Kopf) 
mit 1000 Gulden darin schenkte: „der köpf was kaiser Karl des 
heiligen gewesen, das der kaiser gar danckper entpfieng und zum 
andren seinen heiligtum setzen wolt^ '). Aus der spätem Zeit er- 
wähnt der Nürnberger Rathsschreiber , Johann Müllner, K. Maxi- 
milian n. und K. Rudolf U. hätten das Heiligthum abzufordern 
versucht, verweist aber wegen alles Nähern, „wie solches abge- 
laint worden" auf die Registratur'), da es nicht räthlich sein 
mochte, solche der neuesten Geschichte angehörenden Vorgänge 
dem Bericht anzuvertrauen. 


IV. 

Den kostbaren Besitz, den Nürnberg an den Insignien hatte, 
wußte die Zeit wohl zu schätzen. Hans Rosenplüt nennt in sei- 
nem 1447 gedichteten Spruche von Nürnberg unter den sieben 
Kleinetten, die er der Stadt zuschreibt, als das oberste das Heil- 
thum^). In Wort und Bild wird Kaiser Sigmund gefeiert, dem 
die Stadt diesen Schatz zu danken hat*). Albrecht Dürer stellt 
ihn und Karl den Großen 1612 in einem großen Doppelbildniß dar, 
das der Rath zur Ausschmückong der Schopperstube, vor der die 


1) Simonsfeld, fondaco dd Tedeschi 1 (Stottg. 1887) n. 466. 

Q SlChron. 11, 468 und 616. Obea & 7X 

8) Relation (t. onten 8. 84) & 408. 419. 

4) Loehoer, Nürnberger GymnMialprogramm 18S4 Y. 161. 

6) Bosenplfli V. 179: die ttflck man uns sn KQmberg seigt | wan Got hal 
ons selbs sngeaigt | and auch der allerdofcUticlitigieter kaiser | Sigamnt, der wm 
ein solcher reiaer | da« er aaisohe das ganz römisch reich | noch ted er Nttm- 
berg njndert geleich« 


znr Geschichte der deotsehen ReichsiDsigDien. 79 

HeOigthmnsweisimg geschah ^), bestimmt hatte *). Wie Rosenplfit als 
Bestandtheile des Heilthnms blos die Reliquien Christi aufzählt, 
80 sind sie es auch gewesen , die bei den alljährlichen Weisungen 
der Stadt die Besucher von nah und fem zuführten, wenn auch 
die übrigen Stücke wie der Mantel, Scepter, Apfel und die Schwerter 
mit vorgezeigt wurden •). Welch gewaltiger Verkehr sich an sol- 
chen Tagen in Nürnberg entwickelte, zeigt das Baumeisterbuch 
des Endres Tucher*), das neben den polizeilichen bei solcher Ge- 
legenheit beobachteten Maßregeln die statistische Angabe enthält^), 
bei der Heiligthums Weisung des J. 1463 seien den 21. und 22. April 
an den fünf Stadtthoren nach einer vom Rathe angeordneten Zäh- 
lang 1266 Wagen und 608 Karren einpassirt, ausschließlich der 
Fuhrwerke, die der Stadt Lebensmittel vom Lande zuführten. 
Neben den ordentlichen alljährlich am Freitag nach Quasimodo- 
geniti*) stattfindenden Weisungen des Heiligthums kamen außer- 
ordentliche vor zu Ehren fürstlicher Gäste ^), oder großer Zusam- 
menkünfte von Geistlichen wie eines Capitels der Dominicaner, das 
1486 in Nürnberg abgehalten wurde ^), oder der Durchzüge von 
Pügerschaaren wie der Ungern und Winden, die 1489 auf einer 
Wallfahrt zur Engelweihe nach Aachen Nürnberg berührten *) und 
in zwei „Rotten" von 600 und 800 nach einander das Heiligthum 
sahen und dessen Erklärung in vier Sprachen, lateinisch, ungrischi 
windisch und deutsch, erhielten. Unter den Mitgliedern des Raths 
waren einige der vornehmsten, die drei Obristhauptleute, mit der 
Obhut der Heiligthumsschlüssel, andere mit der Aufsicht über die 


1) Uvber die Lage des Schopperschen Haases am FUcbmarkt der Frauen- 
gegeoQber Locbner, Bosenpiat S. 26. StChron. 11 Plan t. Nürnberg G 2, 
Kr. 83. 

8) Jetit im german. Masenm. Tbanting, Dürer (1876) S. 867. Lange und 
Fnhse, S. S9l . Dürers Darstellong Karlt det QroBen wnrde Ton den sp&tern Ma* 
lern som VorbUd genommen A. ScbnlU in Pauls QrundriS II 2, 254. 

8) Murr Nr. 26 8. 184. 

4) Oben 8. 68. 

5) StCbnm. 10, 284 ist die Summe auf rund 1800 Wagen und 606 Karren 
angegeben. Wagen und Karren sind danach unterschieden , dai jene 4 , diese 2 
Bider haben. 

8) An demselben Tage hatte andi schon in der Neustadt Prag die Weisung 
der Heiligthfimer sUttgefnnden, nachdem Karl IV. sie 1850 erworben (ob. 8. 67 
A. 1) und Papet Innocens YL 1854 ein Fest lancee et claTorum oder, wie es 
aa^ hieli armorum Christi eingesetst (Murr Kr. 11 und 12) hatte. 

7) SiChron. 10, 850 (das heiligtumb anbieten). 

8) Das. 878« und A. 2; vgl. auch tu 1459 das. 289*. 

9) Das. 807 mid 11, 551, 72L 


80 F. Freasdorff, 

Weisungen betraut *). Von Anfang an sorgte der Bath dafuTi 
alle auf den kostbaren Besitz bezüglichen Urkunden und Berichte 
in ein städtisches Buch zu verzeichnen, das Heiligthumsbuch, von 
1424 bis 1624 durch Kathsmitglieder geführt, die als Herren ob 
dem Buch bezeichnet wurden'). Mit der Reformation wurden die 
Heiligthumsweisungen eingestellt; die letzte hat 1523 Statt ge- 
funden. Die Messe, die durch das Privilegium K. Sigmunds von 
1423 der Stadt zugleich mit den Insignien gewährt war ') und 
sich unmittelbar an die Weisungen anschloß, blieb bestehen. 

Die Verpflichtungen, die der Stadt der Besitz der Insignien 
auferlegte, hat sie getreulich erfüllt. Eine Fahrt nach Rom ist 
nach der Kaiserkrönung von 1452 ^) den Insignien erspart geblieben. 
Nach Aachen wanderten sie 1486 zur Krönung Maximilians ^), 1620 
zu der Karls V. *), 1530 zu der Ferdinand I. ^). Da nicht allemal 
der ganze Schatz der Insignien bei der Krönung gebraucht wurde, 
war der Nürnberger Rath vorsichtiger geworden, aber 1520 sandte 
er doch nach Aachen mehr als zuletzt bei Maximilians Krönung 
gebraucht war, um für alle Fälle gerüstet zu sein. In Nürnberg 
war man genau über das Herkommen unterrichtet. Hier pflegte 
man Berichte (verzaichnuß) über jeden Präcedenzfall aufzunehmen 
und „zu ainer künftigen gedechtnuß" in ein Stadtbuch einzutragen. 
Am Hofe war man weit sorgloser. „Item zu diser cronung haben 
die geistlichen churfursten nit gewist, was sich geburt hat^, heißt 
es in dem Nürnberger Bericht über die Krönung Karls V. Nicht 
weniger mangelhaft war die Umgebung des jungen Königs, Dr. 
Lamparter und der Schatzmeister Jacob Villinger, unterrichtet 
und achtete so wenig auf die Mittheilungen der Nürnberger Abge- 
sandten, daß außer den metallenen Abzeichen „cron, majestät apfel, 
cepter und sant keyßer Karls schwert^ nur „der rot kormanteP 


1) StChron. 11, 80^*^ 814«% Tgl. auch 808^ und 815*«. Christoph Scheurls 
Epistel aber die Verfassang KOrnbergs das. S. 794". 

2) StChron. 2, 12 A. 1; von Marr 12, 81 ff., wo groBe Abschnitte aus dem 
Original mitgetheilt sind. Was 1498 von Hans Meyer in Nürnberg als «Heil- 
thumbücblein** gedruckt worden ist (Panzer, Annalen I 200 Nr. 852), enth&lt nur 
die Erkiärongen und Gebete, die bei der allj&hrlichen Weisung gesprochen wor- 
den und hatte blos einen erbaulichen Zweck. Befremdlich ist daher der Wieder- 
abdruck der Schrift bei J. P. t. Lndewig in der unten S. 82 angef. Schrift 
und sonst. 

8) Oben 8. 68 A. 8. 
4) 8. oben S. 77. 
6) StChron. 11, 490. 

6) 8. unten 8. 81 A. 1. 

7) Murr, Beschreibung (Nürnberg 1801) 8. 248. - 


zur Geschichte der deatschen Beichsinsignien. gx 

verwendet und Karl V. anstatt in den Gewändern Karls des Gro- 
ßen in liturgischen des Aachener Münsters gekrönt wurde ^). Wie 
früher (S. 65), so ist auch bei der Belehnung der Fürsten mit den 
Begalien auf dem Reichstage zu Worms im Februar und März 
1521 der kaiserliche Ornat unter Assistenz der Nürnberger Ge- 
schickten gebraucht worden; aber die Stadt verwahrte sich da- 
gegen, daß solches außer bei den öffentlich „uf demlehenstul^ voll- 
zogenen Investituren auch bei denen geschehe, die der Kaiser „auf 
dem Saal oder in der Kammer^ vornehme'). Als sich seit 1562 
der Gebrauch festsetzte, die Krönung gleich nach der Wahl und 
am Wahlorte vorzunehmen, verringerte sich Beschwerlichkeit und 
Gefahr der Fahrt für die Nürnberger Gesandtschaft. lieblicher 
Weise schloß sich den Nürnberger Bathsherren, die die Reichs- 
kleinodien im Namen des Käthes nach Frankfurt oder wie aus- 
nahmsweise bei einigen Krönungen, nach Augsburg oder Regensburg 
fiberbrachten *), ein freiwilliges Geleit junger Bürger an. Jene hießen 
die Krongesandten, diese die Kroncavaliere. Man entnahm sie 
den vornehmsten Familien der Stadt, von denen man sich einbil- 
dete, sie existirten und lebten schon über achthundert Jahre in 
Nürnberg*). Den mit der Obhut der Insignien betrauten Raths- 
mitgliedem legte K. Karl VI. die Würde wirklicher kaiserlicher 
Rathe bei ^). Ihnen, aus denen regelmäßig auch die Krongesandten 
entnommen wurden, verdanken wir eingehende und lebendige 
Schilderungen der Hergänge bei den verschiedenen Krönungen^). 
Wie 1452 die letzte Kaiserkrönung in Rom stattfand, so 1531 
die letzte Königskrönung in Aachen. Erst in dem litigiösen Zeit- 


1) Den Bericht der Nürnberger Lenhart Orolant, Hans Ebner nnd Niclas 
Haller hat C. Will ans dem Namberger Rathebncbe der J. 1516—21 im NQrn- 
beif er KreisarchiT mitgetheilt im Gbilianeum Bd. IV (Würzbg. 1864) 369 ff. Reichs- 
tagaakten, jangere Reihe H 96. Bock, Reichskleinodien 8. UL 

2) RTA. II 766 nnd Cod. Genn. 5021 Bl. 68 , 69 der £;gL Bibl. in Man- 
chen nach einer Mittheilnng, die ich Herrn Dr. Wrede verdanke. 

8) Rndolf n. wnrde 1575 , Ferdinand HI. 1686 zu Regensbnrg , Joseph I. 
1690 an Angabnrg gewfthlt nnd gekrönt. Ferdinand IV. (f 1654) war 1653 an 
Aogsbnrg gewählt nnd an Regensbnrg gekrönt worden. Moseri Tentsches Staata- 
re^t n (1788) S. 487. 

4) Ebnera AenBemng gegen E. Karl YIL bei Uhde (nnten A. 6) 8. 121. 

6) U. ▼. 1721 in Mnrrs Jonmal 12, 197. 

6) Ueber die ton 1620 a. ob. A. 1, Ton 1742 den Bericht Ebners (nnten 
S. 86), aitgecheilt ton Uhde in Ranmers Hiator. Taschenbuch hg. t. Riehl, Jg. 
1876 8. 101 iL Mnrr fO!bxi einen handschriftlichen in seinem Besitse befind- 
liehen Ton 1612 (Beschrbg. der ReichssUdt 8. 248), Uhde (8. 102) einen Ton 
1711 an. 

EfL O«. 4. W. iMkiUMn. FUtotoff^-ldiUr. Dmm. 1S»7. H«ft 1. 6 


82 ! F. Frensdorff, 

alter, das in Dentschland nach dem dreißigjährigen Kriege an- 
brach nnd staatsrechtliche Rechtsansprüche oder wenigstens Rechts- 
verwahrongen in zahlloser Menge hervorrief, glaubte Aachen nicht 
zurückbleiben zu dürfen und protestirte 1658 durch seine Abge- 
sandten bei der Krönung Leopolds I., als den Nürnbergem die 
von ihnen herbeigeführten Kroninsignien nach gemachtem Gebrauche 
zurückgegeben wurden, denn nicht Nürnberg, sondern Aachen 
gebührten jene königlichen Abzeichen^). Die Begründung dieses 
Rechtsanspruchs, der in der ganzen folgenden Zeit aufrecht er- 
halten wurde , wechselte mannigfach. Die Urkunde Karls des 
Großen') für Aachen, die man anführte, war eine Fälschung und 
enthielt nichts von Insignien. Statt ihrer wurde dann auch wohl 
die angebliche Thatsache angerufen, Karl habe die zur Eaiser- 
krönung gehörigen Hauptinsignia neben seinem heiligen Körper 
Aachen „bei seinem Absterben „hinterlassen und verschafft^ und 
nur zeitweilig seien sie pro majori securitate in Nürnberg „zum 
Aufhalten depositirt". Außer auf Karl den Großen stützte man 
sich auf K. Richard und seine Urkunde von 1262 '). Niemand be- 
wies aber die Identität der Insignien Richards oder der Karl ins 
Grab mitgegebenen mit denen der Nürnberger, wenn nicht Schlüsse 
wie die als Beweise galten : da man nicht wisse, was aus den von 
K. Richard gestifteten geworden, oder da die Nürnberger ihre 
Kleinodien als die Karls ausgäben, gehörten die in Nürnberg be- 
findlichen von Rechts wegen nach Aachen. Ein halbes Jahrhun- 
dert lang ist über diese leeren Prätensionen ^) ernsthaft gestritten 
worden^), und zuletzt hat sich noch ein häuslicher, 1769 vor dem 
Reichshofrath verhandelter, Conflict zwischen dem Stift und der 
Stadt Aachen über die concustodia ^) der dem Münster zu Aachen 


1) K. F. Meyer, AacheDsche Getchichten I (1781) S. 661, 792—836: eine be- 
sondere Abhandlung über die Aachen znstAndigen Verwabrnngs-Gerecbtsame; der 
Protest T. 1658 das. 8. 822; ▼. 1711 nnd ff. das. Ueber 1690 s. unten 8.83 A. 8. 

2) Oben 8. 67. 

3) Oben 8. 66 A. 8. 

4) Mit Recht wurde gegen Aachen geltend gemacht, warum es Iftnger als 
swei Jahrhunderte sich nicht gegen den Besits NOrnbergs geregt, namentlich 
auch im J. 1620 , als die Nürnberger mit dem HeUthnm in Aachen waren (ob. 
8. 80), keinerlei Einsprache erhoben habe. 

6) Die Litteratur Terzeichnet Fütter, Litt des Teutschen StR. III 8. 114. 
Erw&hnenswerth sind daraus Job. P. a Lndewig, Koriberga insigninm imperii tu- 
telaris Halae 1718 und Chr. G. Schwan, gründi. Ausführung der Nürnberg su- 
kommenden Verwahrung, Altorf 1742. Meyer, Aachensche Geschichten oben 
A. 1. 

6) Moser, N. Staatsrecht n (1767) 8. 807. Meyer & 718 und 784. 


lur Qesohichte' der deotschen Beichsinsignien, 83 

verbliebenen Reichskleinodien hinzn gesellt. Diese waren: ein 
Säbel Karls des Großen, den der nengekrönte E^ser zum Kitter- 
schlag verwendete, ein in Karls G-rabe gefundenes Evangelien- 
bnch, darauf der Kaiser den Krönnngseid ablegte, und eine Kapsel 
mit dem Blute des heiligen Stephan ^). Diese Kleinodien zu über- 
bringen wurde Aachen ebenso wie Nürnberg bei jeder Krönung 
durdi kurfürstliches CoU^alschreiben entboten'). Das Zusam- 
mentre£Pen der beiden reichsstädtischen Abordnungen gab bei jeder 
Krönung den Aachenern Gelegenheit, „ihre altgewöhnliche Prote- 
station aufs neue insiuuiren zu lassen" und den Nürnbergern sie 
entschieden zurückzuweisen'). 

Eine Gregnerschaft anderer Art erwuchs Nürnberg von der 
katholischen Kirche her. Die Geistlichen der Nachbarschaft fingen 
unter den günstigen Verhältnissen, die der dreißigjährige Krieg 
bot, an, sich um die Nürnberger Insignien und Keliquien zu be- 
kümmern und an die Clausel der Bulle Martins V. zu erinnern, die 
das Becht der Aufbewahrung von dem Verbleiben Nürnbergs bei 
der fides catholica abhängig machte*). Der erste, der die Feder 
ergri£P, der Jesuit Gretser in Ingolstadt beschäftigte sich noch 
überwiegend mit der gelehrt-historischen Seite der Sache und ver- 
weilte mit Vorliebe bei Untersuchungen über die heilige Lanze 
und ihre Schicksale^). Direct auf das Ziel geht der Bamberger 
Weihbischof Friedrich Fomer (Fömer) los , der unter dem Pseu- 
donym Christian Erdmann zwei Schriften in den J. 1619 und 1620 
wider Nürnberg richtete^, deren Tendenz in den Worten gipfelt: 
Luthero-Calviniana lues . . . omnia radicitus exstirpavit ; o funestam 
catastrophen a nemine nisi a te Ferdinande imperator potentissime 
ad meliorem statum revocandumi Zur Vertheidigung der Stadt 

1) Besehrdlmiig der Stacke bei Morr , Betchreibmig (1801) S. 819 ff. Bock, 
Kleinodien, AnhaDg 8. 58. Haagen , Gesch. Achens II (1874) 8. 695. Der S&bel 
soll nach Bock orientalische Arbeit sein und aus der Zeit Karle des Großen 


5) Auch ?on den Aachener Abgesandten sind Berichte Ähnlicher Art (wie 
▼on den MOmbergem , oben 8. 81 A. 6) abgefaßt. Vgl. nächste Anm. und das 
Aachener SeitenstOcfc au Ebners Bericht von 1742 bei Haagen, Gesch. Achena 
a 660— 691. 

8) Tagebuch aber die Fahrt der Aachener Gesandtschaft nach Augsburg 
1690 in den Annalen des histor. Y. fftr d. Niederrhein 18 (1867) 8. 25ft Der 
aoUrieUe Protest das. & 78. Ueber 1742 Uhde a. a. 0. 8. 142ff. 

4) Obes 8. 71. 

6) Bein syntagma de insignibus imperii (Ingoist 1618) ist wiederabgedruokt 
in d«Bi Anhang au der dt 8chrift Ludewigs 8. 61—111. 

6) Belalio bistorico-paraenetica de sacrosanctis imperii reUquüs und Norim- 
kftpk in flore« 

6* 


g4 P- Frensdorff, 

traten ein Historiker und ein Jurist auf. Jener der bekannte 
Bathsschreiber Johann Müllner ^), der an eine sehr verständige, 
aus den Akten des Nürnberger Archivs geschöpfte Relation über 
die Verpflanzung der Eeichskleinodien nach Nürnberg einen pole- 
mischen Theil knüpft ^)y der im Styl des Zeitalters den von ;,mön- 
chischen Scribenten im finstern Papstthum genährten Wahn" von 
dem Alter und der Heiligkeit der Insignien und insbesondere der 
Reliquien bekämpft und der päpstUchen Bulle kurz und gut das 
neue Eecht entgegenstellt : den rechten Brauch der Keichsinsignien 
hat der Nürnberger Kath „von Zeit ausgemusterten Papstthums'' 
(an) zur Zufriedenheit der römischen Kaiser und Könige allemal 
erfüllt, den Mißbrauch hat er als ein gottesfürchtiger Magistrat 
billig abgeschafft'). Der Nürnberger Bechtsgelehrte, Dr. Leon- 
hard Wurfbain, der um seiner genealogischen Arbeiten willen einen 
gewissen Ruf genoß, hat auf Wunsch der Losunger 1640 seine 
Bedenken zu Papier gebracht ^). Sie sind recht dürftig ausgefallen, 
bringen einige Zweifel gegen das Alter der Insignien vor und 
laufen eigentlich darauf' hinaus, da die Anwesenheit der Heilig- 
thümer dem K. Sigmund so wenig wie seinen Vorgängern zum 
Siege wider ihre Feinde verholfen, so habe er die Insignien auf 
ewige Zeiten zur Aufbewahrung nach Nürnberg geschickt. 

Nach Beendigung der staatsrechtlichen Streitigkeiten um das 
Secht an den Insignien wandte sich das Interesse ihrer G-eschichte 
und Beschreibung zu. Man beschäftigte sich damit, die histori- 
schen Zeugnisse über die Reichsinsignien aus den Geschichtschrei- 
bern und Urkunden des Mittelalters zu sammeln, die Beschaffen- 
heit der einzelnen Kleinodien zu untersuchen, ihre Inschriften zu 
enträthseln und den ganzen Schatz oder seine wichtigsten Bestand- 
theile durch Abbildungen der Kenntniß des Publicums zugänglich 
zu machen. Wie erklärlich waren es besonders Nürnberger, die 
den Alterthümem ihrer Vaterstadt ihren Fleiß zuwandten. Der 
Litterarhistoriker und Numismatiker Will gab genaue Verzeich- 
nisse der Urkunden, Münzen, Schriften, die sich auf die Nürn- 
berger Reichsheiligthümer und Kleinodien beziehen, und eingehende 
Beschreibungen der einzelnen Stücke^). Der Pfarrer Joh. Paul 


1) Ueber ihn Hegel in StChron. 1 S. XXXV, Allg. deutsche Biogr. XXU 704 
(Mammenhoff). 

2) Die nach 1629 ?erfaftte Relation ist abgedrackt hinter Boeder, codex 
histor. (onten 8. 86) 8. 401—520. 

8) Das. 8. 460. 

4) Hinter M&llners Belation (Tor. Anm.) abgedruckt 8. 621—628. 

6) NOmberg. Münsbelustigungen I (1764) St 12-14, 17ff. BibUotheca No- 


rar Oeschichte der deutsdieii Beichsinsigmen. §5 

Roeder (f 1766) stellte in dem Codex historicns testimomornm 
de fatis klinodiortun angastaliom die Zeugnisse für die Krönnngen 
nnd das Vorkommen der Insignien nach der Reihenfolge der Kaiser 
zusammen^). Der Losnnger Hieronymus Wilhelm Ebner von 
Eschenbach, der an der Erönnngsfahrt des J. 1711 als Krön- 
cavalier, an der von 1742*) als erster Krongesandter theilgenom- 
men, hat sich lange Zeit mit der Herausgabe eines größeren Werks 
über die Insignien getragen und Abbildungen der wichtigsten Stücke 
durch den Kupferstecher Delsenbach (f 1765) ausführen lassen, 
ist aber vor der Vollendung gestorben (f 1752). Aus den Mate- 
rialien seines Werkes ist der erwähnte Codex Roeders hervor« 
gegangen. Ebner war auch der erste, den die Nachbildungen 
sidlisch-arabischer Inschriften auf den Gedanken brachten, in den 
Stickereien des sg. Pluviale Karls des Großen stecke mehr als 
bloße Arabesken. Die von ihm veranlaßte Abzeichnung übersandte 
er dem Professor Johann Heinr. Schulze in Altorf, der Ebners 
Huthmaßung bestätigend, in der Mittheilung arabisch - kufische 
Schriftzüge erkannte'). An der sprachlichen Deutung haben sich 
verschiedene Gelehrte betheiligt, zuletzt noch in unserm Jahr- 
hundert der Petersburger Akademiker Fraehn^); das Verdienst, 
das historisch Wichtige der Inschrift richtig erkannt zu haben, 
gebührt dem Orientalisten Oluf Gerhard Tychsen in Bützow ^), der 
1780 die Entstehungszeit und zugleich auch den geschichtlichen 
Zusammenhang ermittelte, der die in Sicilien entstandenen Ge- 
wänder in den Krönungsschatz der deutschen Könige führte. 
Tychsen war zu seiner Untersuchung durch Christoph Gottlieb 
von Murr veranlaßt, den neben seinem Interesse für alles die 
Geschichte der Vaterstadt Angehende der Sinn für Kunst nnd 


rica I (1772) S. 210—227. Will beschäftigt sich in St. 18 mit dem NQniberger 
KlippeiifchilliDg, einer Marke Ton Silberblech, deren jeder bedurfte, nm zurWei- 
•oog der Heiligthümer xngelassen su werden. Der Name ist unbeachtet geblieben. 
Darf man ihn insammenstellcn mit Ausdrücken, die alle auf etwas einzelnes, 
kleines, yerh&ltniBmftSig werthloses hindeuten, wie Klippkranif Klippschuld (Klipper- 
schuld), Klippschule (rgl. Qrimm Wb. Y 1207), Klipphafen (= Winkelhafen, 
Koppmann Hans. Qesch.-Bl. 1886 S. 105)? 

1) Herausgegeben von Chr. G. y. Murr 1789. Ueber den Vf. vgl. A.D.B. 
XXIX, 18 (Mummenhoff). Von den Anh&ngen des Buchs ob. S. 84. 

2) oben 8. 81 A. 6. 

8) Murr, Jonmal XV 860ff. üeber Schulze ygl. ADB. XXXUI, 4. 

4) C. M. Fraehn, yariae inscriptiones arabicae in den Mtooires de l'acad. 
iaper. des sciences de St. Petersbonrg t. VlII (1822) p. 631 ff: 

6) A. Th. Hartmann, 0. G. Tjchsen 11 2 (1820) S. 128—139. Murr a. a. 0, 
& 288ff. 


86 F. Frensdorff, tue Geschichte der deatschen Beichtfauignien. 

Sprachen zu einer eingehenden Beschäftigung mit den Reichs- 
insignien führte^). Sechszehn Jahre hat er nach seiner Angabe 
dem Gregenstande gewidmet und theils durch eigene Arbeiten, theils 
durch die Herausgabe fremder sich um die Förderung der geschicht- 
lichen Erkenntniß verdient gemacht*). 

Hatte auch der Schatz der Insignien, soweit er aus Reliqui^i 
bestand, sein öffentliches Ansehn größtentheils verloren, so ge- 
hörte doch der den Krönungsornat bildende Bestandtheil zu den 
Sehenswürdigkeiten und Anziehungspunkten der Stadt Nürnberg. 
Als Friedrich der Große auf jener durch seinen Fluchtversuch 
verhängnißvollen Reise am 21. Juli 1730 mit seinem Vater Nürn- 
berg besuchte'), probirte er die Klinge am Schwerte Karls des 
Großen^). Als sich 1796 der französische Feldherr Jourdan den 
fränkischen Gegenden näherte, traute man ihm zu, es bei seinem 
Marsche nicht zum wenigsten auf jene Schätze abgesehen zu haben. 
Damals flüchtete man sie zunächst nach Regensburg. Von da sind 
sie dann auf Umwegen nach Wien gelangt % wo sie die Hof- und 
Schatzkammer der Burg aufbewahrt. Als 1824 die Stadt Nürn- 
berg an den Kaiser Franz das Begehren richtete, die Insignien 
zurückzuerhalten, soll ihr geantwortet sein, eine Reichsstadt Nürn- 
berg, der das Aufbewahrungsrecht zustehe, existire nicht mehr^). 
Allerdings existirte ebenso wenig mehr ein römischer Kaiser. 


1) Ueber Marr Tgl. ADB. XXIII S. 76 (Mummenho£F) und Hegel in StChron. 1 
S. XXXIX. 

2) AnSer in den Yerschiedenen B&nden seines Joomals, namentlich Bd. 12, 
15 und 16, hat Murr die Insignien ausführlich behandelt in der Beschreibang der 
vornehmsten Merkwürdigkeiten Nürnbergs (2. Ausg. 1801) S. 187-824. 

8) Eoser, Friedrich der QroBe als Kronprinx (1886) 8. 44. 

4) ▼. Murr, Beschreibung S. 269. 

5) Auch die Aachener Kleinodien sind 1798 auf Wunsch K. Frans nach 
Wien gebracht. Haagen II 695. Ueber die dabei angewandten Mittel Winckler 8. 43. 

6) Graf Stillfried, Attribute des neuen deutschen Reichs (Berl. 1874) S. 18. 


Die Sage von Rsyasriiga. 

Von 

Helnrieh Lllden. 

Vorgelegt von F. Kielborn in der Sitzung vom 6. Februar 1897. 

Die Person des ^^yaiifAga*) gehört dem Sagenkreise des 
Räma an. Er ist der Gatte der Santa, einer leiblichen Tochter 
des Daiaratha, die von Lomapäda Dasaratha adoptiert war, und 
er ist der l^i, der für seinen königlichen Schwiegervater die 
putriyä i9ti darbringt. Sein Name begegnet uns schon in der 
vedischen Literatur. Nach dem Jaiminlya - Upani^ad - Brähma^a 
(m, 40) wurde das unsterbliche Gäyatrasäman von Indra dem 
Käsyapa, von diesem dem '^iydArhgs^ Kä6yapa, von diesem dem 
Devataras Syävasäyana Käiiyapa überliefert. Im YaihiiabrähmaQa 
(2) ist ^yasrnga E&syapa der Sohn und Schüler des Ka6yapa und 
der Vater und Lehrer des Vibha9<}aka. Mit Sicherheit können wir 
Q^yasrnga auch wohl mit dem ^läya identificieren, der im Ara^ya- 
kagäna des ArseyabrähmaQa (Eauthumasäkhä HI, 6, 10; Jaimim- 
yas. I, 9, 2) erwähnt wird *). Trotz Verschiedenheiten im einzelnen, 
auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, stimmen die 
genannten beiden Lehrerlisten darin überein, daß sie den l^yaiifnga 
einen Nachkommen des Kaiiyapa nennen. Das gleiche ist in der 
nichtvedischen Literatur der Fall: nach dem Mahäbhärata, Rämä- 
ya^a, Padmapurä^a und SkandapuräQa ist ^fja^Pga der Sohn des 


1) Ich schreibe im «Ugemeinen den Namen mit lingualem Zischlaut, da dies 
in d«r klasnschen Lüerator die allgemein anerkannte Form ist. Die ältere Form 
ak dem palatalen d findet sich, soweit ich sehe, im Jaim. Up. Br&hm., im Ärseya- 
brtluBapa (Edya)^ in der Bombay Ausgabe des Mbh. und neben der jüngeren Form 
im YameabrlhnL 

3) Ein anderer Bfya ist der Sohn des DeffttitU; Bhig. Pur. IX, 22, 11« 


88 Heinrich Lüders, 

VibhäQ(}aka, der im Mahäbh. Käsyapa, im Bäm. , Padmap. nnd 
Skandap. der Sohn des Eäsyapa genamit wird, and im Alambnsa- 
jätaka (623, v. 26 nnd 37) wird Eassapo als Name des Vaters des 
Isisingo erwähnt. Wir werden daher besser ton, den l^ya&rnga, 
der nach der Sarvännkrama^i der Verfasser von ßgv. X, 136, 7 
ist, fern zn halten, da er nnd sechs Brüder als die Sohne des 
Vätarasana bezeichnet werden^). 

Die Quellen für die Legende, die sich an die Person des 
^L^yasrnga knüpft, sind das Mahäbhärata (m, 110, 23—113, 25), 
das Padmaporä^a (Pätälakh. 13), die Bhäratamanjari (HI, 758 — 
795), das Rämäya^a (I, 8 — 10), das SkandapuräQa , der Eandjnr 
(IV, Blatt 136. 137 ; übersetzt von Schiefner, M61. As. Vm, 112— 
116), das Mahävastn, das Bhadrakalpävadäna (XXXTTT), die Avadä- 
nakalpalatä (LXV), das Alambnsa- und das Nalinik&jätaka (623. 
526) und ein paar vereinzelte Notizen. 

Der Inhalt der Mahäbh&rata-Erzählung ist folgender: 
Der ^i Vibh&9(}aka, ein grosser Büßer, wohnt am Ufer eines großen 
Sees. Einst erblickt er die Apsaras IJrva6i, und j^tasya retah praca- 
skanda^. Er badet sich darauf. Eine durstige Gazelle trinkt das 
Wasser, das er gebraucht hat, und wird davon schwanger. Ihr hatte 
einst, als sie ein Göttermädchen war, der Weltenschöpfer geweissagt, 
daß sie eine Gazelle werden und, nachdem sie als solche einen Muni 
geboren, erlöst werden würde. So gebiert sie denn einen Enaben, 
der ein Hom auf dem Haupte hat. Daher wird er l^yaiirnga ge- 
nannt. Allein, ohne einen Menschen außer seinem Vater zu kennen, 
wächst er auf und wird ein frommer Büßer. 

„Zu dieser Zeit aber war der Freund des Daiaratha, Loma- 
päda mit Namen, der Fürst der Angas. 110, 41. 

Er betrog absichtlich einen Brahmanen ; so lautet unsere Über- 
lieferung. Er wurde darauf von den Brahmanen verlassen, der 
Herr der Erde. 42. 

Und einst ließ der Tausendäugige es wegen eines Versehens 
des Purohita dieses Königs nicht regnen; daher litten die Unter- 
tanen Not. 43. 


1) Erwähnen will ich, da£ auch ein öfters citiertes Qesetcbnch (Ind. Stad. 
I, 233; Weber, Yerz. Berl. Hften 822. 1166; Aufrecht, Cat. Cai sab yoce) nnd 
ein Tantrawerk (Rayaijrngasatkhüä oder AnuttarabrahmaUxttvofahasya, Bnmell, 
Class. Ind. 205^) dem Rsyatfrnga zugeschrieben werden, und dafl die Ksiiki seinen 
Namen ab Beispiel tu Pftn. 6, 2, 116 anführt. 


Die fiage von puürhg^ 89 

Er befragte die Brahmanen, die bnfiegewohnten, weisen, die fähig 
waren, den G-otterkönig zum £egnen zu zwingen , o Beherrscher der 
Erde: „Man maß ein Mittel finden, daß Parjanya regne*. 44; 46\ 

Aufgefordert sagten jene Weisen ihm ihre Meinungen; ein 
trefflicher Muni unter ihnen aber sprach zu dem Könige : 46^ ; 46^. 

„Die Brahmanen sind erzürnt auf dich, großer Eonig; mache 
eine Sfihne. Und hole den l^yaärnga, den Sohn des Muni, herbei, 
Ffirst, der im Walde wohnt, die Weiber nicht kennt und sich 
am Bechten freut. 46^; 47. 

Wenn dieser große Büßer dein Reich betritt , o Eonig, wird 
ParjauTa sofort regnen; daran zweifle ich nicht". 48. 

Als er diese Bede gehört, o Eönig, und eine Sühne seiner 
Person gemacht hatte und gegangen war, kam er wieder, nachdem 
die Brahmanen versöhnt waren. Als die Untertanen gehört hatten, 
daß der Eönig gekommen sei, freuten sie sich". 49; 60*. 

Nun berät sich der Eönig mit den Ministem über die Art 
und Weise, wie man den ^yaiirftga herbeischaffen könne. Er be- 
auftragt die Hetären mit dieser Mission, und eine alte Buhlerin 
findet sich denn auch gegen entsprechende Belohnung dazu bereit. 
Sie läßt auf einem Floße eine Einsiedelei erbauen, beladet sie mit 
allerlei verführerischen Gegenständen und fährt damit nach der 
Einsiedelei ab. Nachdem sie den Aufenthaltsort des Q^i ermittelt 
hat, sendet sie ihre Tochter zur Verführung des B^yasrnga ab. Die 
beiden begrüssen sich freundlich — Q^ya^rnga natürlich in dem 
Wahne, einen Büßer vor sich zu haben — und die Hetäre erzählt 
ihm auf Befragen , daß ihre Einsiedelei drei Meilen hinter dem 
Beige liege. Die Wurzeln und Früchte, die er ihr anbietet, schlägt 
sie aus und giebt ihm vielmehr von den mitgebrachten Eränzen, 
Gewändern, Speisen und Getränken. Mit einem Balle spielt sie 
in seiner Nähe und reizt ihn durch ihre Umarmungen zur Liebe. 
Dann geht sie unter dem Verwände, ihr Feuer besorgen zu müssen, 
fort. Dem ^yasrilga ist traurig zu Mute, als er sich wieder allein 
sieht. In dieser Stimmung findet ihn der heimkehrende Vater. 
Befragt, giebt ihm ^ya^rnga eine sehr genaue Beschreibung des 
wunderbaren Büßers, der ihn besucht hat. Der Alte warnt ihn 
vor solchen Unholden; er geht sogar aus, um die Verführerin zu 
suchen, allein umsonst. Als er nun wieder einmal fort gegangen 
ist, kommt die Hetäre zurück. Voll Freude begrüßt ^yB^irügo, 
sie und geht jetzt nnt ihr zu der schwimmenden Einsiedelei. Eaum 
hat er diese betreten, als man die Taue löst, und so schwimmt die 
ganze Einsiedelei mitsamt dem Tjt^yaäniga und den Hetären zu der 
Residenz des Eönigs. Als dieser den ^ya&fDga in den Harem 


90 • Heinrich Lfideri, 

geführt hat, regnet es in Strömen. Der König giebt dem BfiBer 
darauf seine Tochter Santa zur Frau. 

Als VibhäQ<}aka heimkommt und den Sohn nicht findet, ahnt 
er was vorgefallen und macht sich voller Zorn nach Campä, der 
Residenz des Lomapäda, anf , um den König mitsamt seiner Stadt 
und seinem Reiche zu verbrennen. Der König aber hat dies voraus- 
gesehen und hat die Weiden an den Landstraßen dem 99y^Tnga 
geschenkt und den Hirten befohlen, wenn der alte '^i komme, ilmi 
zu sagen, daß alles dies der Besitz seines Sohnes sei. Als nun 
der 9$i sieht, welch- gewaltigen Reichtum der König seinem Sohne 
verliehen, verraucht sein Zorn allmählich, und als er in Campä 
angekommen ist, söhnt er sich mit den Verhältnissen aus und läßt 
sich nur versprechen, daß ^syaiifnga nach der Geburt eines Sohnes 
wieder zu ihm in den Wald komme, ^ya^rnga erfüllt dies und 
zieht, von seinem Weibe begleitet, in den Wald. 

Die Widersprüche im Anfang des zweiten Teiles dieser Er- 
zählung springen sofort ins Auge^). Wie kann der König die 
Brahmanen um Rat fragen, von denen eben gesagt ist, daß sie ihn 
im Zorn verlassen haben I Nun läßt sich mit Sicherheit beweisen, 
daß die ganze Begründung der Dürre durch die Kränkung der 
Brahmanen und die Geschichte ihrer Versöhnung durch spätere 
Überarbeitung in den Text gekommen ist. Schon die allgemeine 
Erwägung führt zu diesem Schlüsse. Wenn die Dürre durch den 
Zorn der Brahmanen veranlaßt war, so mußte in einem Märchen 
die Versöhnung derselben den Regen bewirken, und es lag in dem 
Falle überhaupt kein Grund mehr vor, den ^ya6rnga zu holen. 
Zweitens aber steht die ursprüngliche Veranlassung der Dürre ja 

noch selbst im Texte: sie trat einst infolge eines Versehens des 

... 

Purohita des Königs ein. Der überarbeiter hat also einfach den 
zweiten Vers eingeschoben und sich nicht einmal die Mühe gege- 
geben, die Fuge gehörig zu verwischen. Wenn man Vers 42 
streicht, schließt sich Vers 43 vortrefflich an Vers 41 an. Ebenso 
ist die zweite Zeile von Vers 46 zu streichen ; die dreizeilige Strophe 
(46^; 47) wird dadurch zu einem regelmäßigen sloka. Hier ist 


1) Dies hat schon Holtsmann, Mbb. n. 8. Theüe n, 78, hervorgehoben: „Aach 
eine andere Änderung ist höchst angeschickt. Den Rat, den B^airnga sa ent- 
fahren, maSten dem Lomapada die Brahmanen gegeben haben. Aber mit diesen 
hatte ja der König sich entzweit. Also worde gefUscht, er habe sich yorher [sie] 
mit den Brahmanen wieder versöhnt Aber dann war die Entführdng des Byyaaräga 
annötig 1** Holtzmann scheint also nor die Versöhnung der Brahmanen f&r anecht 
sa halten, worin ich ihiii nicht beistimmen kann. 


Dia Sage ron fijaMga« 91 

naifirlieh aach der Schloß der ersten Zefle von Vers 47, wie ans 
dem ca hervorgeht, leicht verändert worden. Ganz hinzngef&gt ist 
dann Vers 49; 60*; nnr die Worte dac chrutvä vaco sind vielleicht 
echt, doch ist die XJberarbeitnng hier gründlicher gewesen nnd 
der alte Text nicht mehr herznstellen. 

Es lag dem XJberarbeiter offenbar daran, die Wfirde der 
Brahmanen und die Schwere einer ihnen zugefügten Beleidigong 
hervorzuheben. Wir werden demselben daher auch den Einschab 
der zweiten Halbzeile von Vers 44 zuschreiben dürfen. Sie hat 
nur den Zweck, die Macht der Brahmanen zu betonen, und In- 
halt und Form erweisen sie als unecht. Wenn jene Brahmanen 
den Indra zum Regnen zwingen konnten, wozu bedurften sie dann 
des Q^yaiirAga? Die Zeile enthält außerdem das Flickwort ptiU' 
vJpate und macht den äloka (44; 46*) dreizeilig ^). 

Um die Sache zu verdeutlichen, gebe ich im Folgenden den 
Sanskrittext mit Hervorhebung der unechten Zeilen: 
etasminn eva kale tu sakha Da^athasya vai | 
Lomapäda iti khyätal^ Aiigänäm') lAvaro 'bhavat || 41 || 
tena iamät Jcrta/ik mUhyä brahnuxnasyeH nah 4rutih \ 
$a hräkmanaih parityaktas tada ') vai jagaiah paiift \\ 42 || 
porohitapacaräc ca tasya räjfio yadrcchayä | 
na vavarsa sahasr&k^as tato 'pifjyanta vai prajäh || 43 || 
sa brahma^an paryaprcchat tapoyuktan maxü^i^ab | 
praoarfoifjie surendrasya samarthän prihivfpate \ [44] 
kathaih pravar^et Parjanya upäya}^ paridriiyatftm || 
tarn ncui coditas te tu svamatäni mani^i^h | [46] 
tatra tv eko munivaras taih räjänam uväca ha || 
btpitäg tava rajendra brahnutnä niftrtifh eara \ [46] 
99yairngaih munisutam änayasva ca pärthiva | 
vineyam anabhijSaih ca nariQäm ärjave ratam || 47 | 
sa oed avatared räjan visayaih te mahätapäh | 
sadyah pravar^et Parjanya iti me nätra saihfeyab II 48 || 
etac chrutvä vaco ri^an kftvä nifkrtim atmanaX^ \ 
M gatvä pmuxr agaechat prasannefu dvijäli^ \ [49] 
n^fOnam ägatarii irutva pratisari^ahrfuit praja^ || 

Die Richtigkeit der Behauptung, daß die Erzählung in dem 
angegebenen Sinne überarbeitet ist, wird nun durch eine andere 


1) kh mAehe Mich noch auf die achlachte and fehlerhafte Sprache in den 
eingeechobeiieD Yenen aufberlnanL 

3) Bonhej-Ansgabe khyäio hy Angamäm» 
8) Bombay-Aufgabe Mo. 


92 Heinrich Lüders, 

Stelle bestätigt. Die Legende von T^yBSTbgA gehSrt der sogenaim- 
ten Tirthayäträ an. Lomasa macbt mit den Brüdern des Arjnna; 
und der Kr^Qä eine Wallfahrt. Bei jedem Tirtha erzählt er dessen 
Geschichte. Auf diese Weise ist hier eine große Anzahl von 
Legenden vereinigt. Diese werden gewöhnlich in der Weise ein- 
geleitet, daß Lomaöa beim Anblick des Tirtha zunächst in kurzen 
Zügen die mit ihm verknüpfte Geschichte andeutet, worauf die 
angeredete Person ihn unter nochmaliger Aufzählung der Haupt- 
punkte bittet, die Geschichte ausführlich zu erzählen. Betrachten 
wir nun die Bahmenerzählung zu unserer Legende. Der erste 
Teil (110, 23—26) ergiebt nichts, was die gegenwärtige Frage 
fördern könnte. Wichtig dagegen ist der zweite Teil, die Frage 
des Yudhi$thira: 
Q$ya6rngah kathaih mrgyäm utpanna^ Kä6yapätmajati | 
viruddhe yonisaihsarge kathaih ca tapasä yntai^ \\ 27 || 
kimarthaih ca bhayäc Chakras tasya bälasya dhunatah | 
anävr^tyäih pravrttäyäiü vavar^a BalaVrtrahä || 28 || 
kathaihrnpä ca sä Santa räjaputri yatavratä | 
lobhayäm &sa yä ceto mrgabhütasya tasya vai || 29 || 
Lomapädas ca räjar^ir yadäirüyata dhärmikah \ 
kathatn vai vi^aye tasya nävar^at PäkaSäsanah || 30 || 
etan me bhagavan sarvaih vistareQa yathätatham | 
vaktum arhasi susrü^or $$ya6rngasya ce^titam || 31 || 
Hier wird also zunächt die Dürre im zweiten Verse als ein 
unwesentlicher Nebenumstand erwähnt, und dann noch einmal am 
Schlüsse, gegen die Reihenfolge der Ereignisse, ganz speciell nach 
dem Grunde derselben gefragt. Ich glaube es wird mir jeder Recht 
geben, wenn ich diesen oloka als später eingeschoben bezeichne. 
Er stammt oflPenbar von demselben her, der die Geschichte von 
der Kränkung der Brahmanen und ihrer Versöhnung selbst ein- 
gefügt hat. 

Der Verfasser der Rahmenerzählung kannte also jene Ge- 
schichte noch nicht. Nun muß aber diese Rahmenerzählung von 
dem Diaskeuasten herrühren : sie kann nicht früher existiert haben, 
zu einer Zeit, als die Legenden etwa noch einzeln existierten, weil 
sie nur dazu dient, die einzelnen Episoden zu einem Ganzen zu ver- 
binden, und sie kann nicht später gedichtet sein, weil ohne sie 
überhaupt kein Zusammenhang herrschen würde. Wir müssen also 
sagen, daß der Diaskeuast des Mahäbhärata — oder vielleicht ge- 
nauer, der Tirthayäträ - die veränderte Passung noch nicht 
kannte. Die Änderung ist also nach der Diaskeaase 
vorgenommen. 


Die Sage von R^yaeraga. 93 

Der zweite Punkt, der hier behandelt werden muß, ist die 
Person der Entfuhrerin. In der Erzählnng wie sie jetzt lautet, 
ist es kaum erklärlich, warum der König mit einem Male dem 
Sohne des ^i seine Tochter ääntä zur Frau giebt. Schon der 
altere Holtzmann hat daher vermutet, daß in der ursprünglichen 
Sage die Santa den 99y&6rög& geholt habe^). Dies wird durch 
die später ausführlich zu besprechende Fasstmg der Sage bei den 
Buddhisten und durch zwei andere Zeugnisse bestätigt. Harivaihäa, 
Vi^Qup. 93, 5 ff. wird erzählt , wie Prady unma , cJs Schauspieler 
verkleidet, unter anderm die Entführung des ^yaärnga durch 
Santa in Begleitung von Hetären aufführt : 
tatal^ sa nanrte tatra Varadatto natas tathä | 
Svapure puraväsinäih paraih har^am samädadhat || 5 || 
RamäyaQaiü mahäkävyam udde6aih nätakikrtcun | 
janma Vi^Qor ameyasya Eäk^asendrabadhepsayä || 6 || 
Lomapftdo Da6aratha ^yai&rngaih mahämunim | 
Säntäm änäyayäm äsa ga^ikäbhil^ sah&nagha i| 7 || 
BämaLakj^mava^trughnä Bharatai caiva Bhärata | 
^yasrngai ca Santa ca tathärnpair nafail^ krtätt*) || 8 || u.s.w. 

und Buddhacarita lY , 19 heißt es : 
I^yasrngam munisutaih tathaiva strl^v apa^^itam | 
upäyair vividhaih Santa jagräha ca jahSra ca || 

Daß in der ursprünglichen Sage die Entführung durch die 
Santa stattfand, ist somit zweifellos. Ob sie dabei von Hetären 
begleitet war oder nicht, ist unwesentlich, da ihr jedenfalls die 
Hauptaufgabe zufiel. Wir haben hier nun die Frage zu entschei- 
den, ob der Diaskeuast die Sage in der jüngeren Form aufnahm 
oder ob der Text der Sage nach der Diaskeuase verändert wurde. 

Die Frage wird durch die oben gegebene Bahmenerzählung 
beantwortet. Die dritte Strophe : »Und wie sah jene Santa aus, 
die energische Königstochter, die den Sinn des Gtusellengeborenen 
betörte?** zeigt deutlich, daß zur Zeit der Diaskeuase die 
Sage in der ursprünglichen G-estalt folgte. Welche 
Verse hier verändert oder eingeschoben sind, läßt sich im Einzelnen 
nicht feststellen. Sehr bedeutend werden die Änderungen aber 
nicht gewesen sein; in den meisten Fällen, zum Beispiel in dem 
Gespräche (111, 7 ff.), genügte es, das Wort &inta durch vefya zu 
ersetzen« 


1) Indiache Ssgen; nach Holtsmaiin a. a. O. n, 7a 

S) Weben Ycrbetsenug (Ober das Rftmiya^ 8. 42), die Cilcuttaer Ausgabe 


94 Heinrich Lfid;er8, 

Wenden wir ans nun zum PadmapnräQa. Dieses Piirava 
liegt in wenigstens zwei, teilweise stark von einander abweichen« 
den Recensionen vor, von denen die eine dorch die Ansgabe in 
der Anandäärama Series, die andere durch die Handschrift der 
Bodleiana, Wilson 111 — 116, vertreten wird. Da diese Handschrift 
in Bengälicharakteren geschrieben ist, dürfen wir wohl die in ihr 
enthaltene Recension als die bengalische bezeichnen. Die Geschichte 
des ^yai&rnga findet sich nur in der letzteren Recension (Pätftla- 
kha9<}a 13), da in der anderen Recension die ersten 28 sarga's des 
Pätälakhap^ft fehlen ^). Ich gebe im folgenden den Text nach der 
Oxforder Handschrift. 
Vätsyäyana uväca || 

VibhäQdakasya tanayo hari^yäm ndapadyata | 
kathaifi näma dharädhära") hari^lkäbhavat porä || 1 || 
sa sntäm Romapädasya ääntam ndavahat katham | 
tan me brühi dvijihvendra paraiii kantohalaih hi tat || 2 | 
äei^a uväca || 

yibhä9<)akasya brahmar^eh Käiyapasya mahätapäh | 
. R9ya6rngo yato jäto hari^yäifi tac chr^usva me || 3 H 
kanyä Svar^amukhi n&ma Bhagasya paramadyutih | 
äsid rapagu^audaryabha^itä garvagarbhitft || 4 || 
hadisayänena gacchantaifi Brahmäqiaih jagataih gurum | 
dn^tvä na saihbhramaih cakre na cakära pradaki^i^am || 6 || 
Brahma liaääpa kfudre 'pi täm ägasi viläsinim") | 
mrgl bhnya vane ti9tha muniib süya vimok^yase | 
tatah sft hari^i bhutvä babhräma gahane vane || 6 || 
mahähradaih samäsädya Elaöyapas tu Vibhä9<}akah | 
tapas tepe ciraiti tastiiau dhyäyan brahma sanätanam || 7 || 


1) Welche der beiden BecenBionen den Vonng verdient, bedarf natürlich der 
genaueren ünterBUchung. Für das gröBere Alter der bengalischen Becension 
spricht indessen ihr Verhältnis som Mahabharata, wie es sich aus dem folgenden 
ergeben wird, und zweitens eine SteUe in der gedruckten Becension. Die Beagftli- 
Handschrift enthält fünf kha^da's : Srftikh., Bhflmikh., Svargakh., Pfttalakh., Utta* 
rakh., während die gedruckte Becension sechs kha^da's xählt : Adikh., Bhomikh., 
Brahmakh., Pat&lakh., SrftikL, Uttarakh. Nun findet sich aber am Schlüsse des 
Bhflmikhapda der gedruckten Becension selbst die Angabe: 

prathamadi Srftikha^dam hi BhUmikhapdam dritljakam | 

tratam Syargakhandam ca Patalam tu catnrthakam | 

paScamam cOttara i khapdam sanrapäpapra^atfanam || 
Die gedruckte Becension bezeugt also selbst, dafl die Zahl, Namen und Beihen* 
folge der kha^das in der Becension der Bengali-Handschrift die älteren sind. 

2) So Uer auch sonst; s. B. IV| i. 


Die Sage Ton Rsyasrnga. 95 


athOrva^I mahäbhäga tatra präptä yadrcchayä | 
täih vilokya pracaskanda retas tasya mahätmanab 
salile tat praväheQa tiralagnam abhüt tadä || 8 || 
saiya Svaroarnnkhi näma harijDii ta pipäsitä | 
papaa tatra jalaih vipra ^) sahaiva mimiretasä || 9 || 
sBdyo 'jäyata tasy&s tu komärat^ paramadyatib | 
sä ta maktä mrgidehäj jagähe vibudhslayam || 10 || 
Yibhä9<}akas tu tarn dr^ivä tanayaih süryavarcasam | 
pälayäm äsa ') jätena snehena dvijanaiidana || 11 1| 
sa cäpi vipine tasmin maniviryabhavo monih | 
piträ präpitasamskärat^ präptavedat^ samähita^ | 
vyacarat tatra vipine janadarsanavarjite || 12 || 
tasya bälye tv atikrSnte mnrdlmi 6rnge aj&yatäm | 
mätrgotraih sücayanti Q^yaärngas tato 'bhavat 13 | 
Romapftdasya räjar^er vi^aye ca mahamate | 
brahmaQ&tikramäd eva vr^tir na cäbhavat tatah *) 1 14 1| 
tatab pnrohitämätyän ähtiya ^) nrpatir dvija | 
mantrayäm äsa vf 9tyartbam abravit taih pnrohitab || 16 | 
VibhäQ<)akasya tanaya ^yeArhgo mahätapäb | 
ägaoched yadi te räjyaih tato vrstir bhavi^yati H 16 || 
tac chratvä Eomapädo 'tha vicintya manasä nrpah | 
dntenäkärayäm äsa väramokby&b sahasrasab || 17 || 
tä nväca vaoo räjä YibhäQ<}akasataiii mmmn | 
samäne9yati yä tasyai däsyämi vipnlaih dhanam || 18 || 
tac chratvä vacanaih tasya veäyfts tä bhayam ävii&an | 
na pärayämas tat karma mahäräja bjamasva nah || 19 || 
VibhäQ^ftko mahätejäb kruddho dhak^yati caksa^ä | 
sarvä nas tväih ca räjendra nivartasva manorathät 1 20 1 
vidratäsa tatas täsa vrddhä käpi dhiyä varä | 
veAyä svanaptrikäih präha grhs^ nfpater dhanam | 21 1| 
änayisye moneb patram sahäyä tvaih bhaver mama | 
kiih karomi vayo 'titaih tena tväiü prärthayämy aham || 22 | 
ity aktvä täih samäiväsya veäyä räjänam abravit | 
Änayifye mahäräja YibhäQ^^akasataih manim | 
pratijänihi bhavatft säntvaniyo Vibhäpjakab || 23 || 
räjäbravit samäy&ta ^^ysirnge yadä monih | 
ägamifyati saibkraddhab 8äntvamya|i sa me tadä (1 24 1| 


1) Die xwette Sflbe i8t im MS. müeaerlich. 

3) MS. pähifam esa. 
8) FehH im MS, 

4) MS. oMyo. 


96 Heinrich Lüders, 

taiü tasya samayaih ve6yä lirntyä nävam cakära ha | 
ä^ramaih tatra cakre ca diyyagalmalatädibhi|^ || 26 | 
saihcitya tatra vastüni madhnräQi priyäQi ca | 
sä nftvaiü vähayäm äsa nijroktair ayambhrtä || 26 || 
äsramät Kääyapasyätha säntare yojanatrayät | 
tasthan nävi vanäbhyäse ^) sajjayitvä varänganäl^ || 27 || 
känane ca yathä^ nävi yi^e^a}^ sma na droyate | 
tatliä cakre yogavijnä vrddliä vesyä dhiyi yarä || 28 || 
atha dütena yijnäya Käsyapasya kriyocitam | 
samayaih gantukämasya tapase ca yanäya ca || 29 || 
pre^ayäm äsa täiü naptriih bhüi^ayityä yibhüijavail^ | 
syayaih ca düratas tasthan prek^amäQä manasyini || 30 1| 
naptri tasyäs tato gatyä moner änandamaQ()&lc^ni ") | 
YibhäQ<}akena krtyärthaih gaccbatä pariyarjitam || 81 1| 
tatropayi^taih yapu^ä cärnrüpe^a tatsatam | 
99ya6rngaih mahäbhägam apasyad yarayar^ini || 32 || 
99yai&rngas tu dharmajna pitaraih na yinäparam | 
pomäiüsam yä striyaih yäpi näpasyad vipine porä || 33 || 

täih tu drstyä yarärobäih mene maniknmärakam 1 

• • • I 

abrayft syägataih brahman kas tyaih kasyätha putraka^i H 34 1| 

atropayiäyatäih ^) samyag abhiyädyo 'si me mata}^ | 

grhyantädi phalamoläni kftätitbyo viyäsyasi ^) || 35 || 

säha taih näbhiyädyo 'smi abhiyädyo bhayän mama | 

eyam eya yrataih mahyaih näsanaih sam^raye kyacit H 36 || 

ääramo me naditire ramyapu^paphalänyitah | 

bhayantaih darsayisyämi täpasänäih manoramam || 37 || 

^yai&rnga nyäca || 

ätitbyena yinä brahman na gantmh tyam ito 'rhasi | 

tad grhä9a phaläny atra jalaih ca pari^italam || 88 | 

ity nktyä pradadan tasyai phaläni katicit tatah | 

aingadäni ca pakyäni ^ tatha bhallätakäni ca || 39 || 

sä täni grhya pä^ibhyäm osthapränte samarpya ca | 

khutkrtya yisasarjätha dadau bhakfyäoi kämini | 

mahärasäni syädüni phalamäträkrtini ca || 40 1| 

yeÄyoyäca || 

paiyäsmäkam ä^ramasya phaläny etäni i^äkhinäm | 


1) Ma -$€. 

2) MB. iaOUL 
8) So MS. 

4) MB. -iropäoadya-. 

6) MS. «iyä-. 

6} MB. dakvämi da andentUdu 


Die Sage von R^yaarnga. 97 

päniyam ca manohäri näsramas te manoharah || 41 1| 

^yasrngas tu pä^ibhyäih grhitvä modakän dvija | 

bhak$ayäm äsa lobhena sädadäc^) ca punah punati || 42 || 

pänakaih ca tatah pitvft madhoraih mädakaiii pimah | 

anäsväditapürväQi täny äsvädya dvijätmajah | 

mene paraih sakhäyam täih visasväsa ca täpasab || 43 || 

sä \d8ya8taih tato jnätvä munipatraih manasvini | 

bhujabhyäiii gädham äi^lisyäpäyayat taiii mukhäsavam || 44 || 

stanäbhyäih ca savrtt&bhyäiii sä pasparsa puna^ punat^ | 

mugdho 'bhnd R^ya^rngo *tha paramam präpa sammadam || 46 

sä tu jnätvä tatat^ kälaiii täpasasya samägateb | 

agnihotram samuddiijya tvaritä nävam äyayau || 46 || 

l^^yasrngas tadä mugdho 'cintayat täih nirantaram | 

nagnikSryam cakäratha näharac ca samitkusSn | 

grahagrasta iva brahman vyalokata diäo muhuh || 47 || 

VibbäQ4&kas tu tapaso nivrtya dvijasattama | 

ääramam ySvad SySti putraih mugdbaih vyalokayat || 48 || 

uvSca ca kirn etat te vaimanasyam kuto 'bhavat | 

samitpu^pS^i uSdyäpi yatsa kirn nährtSui te | 

agnikäryam na saihpaimadi vibvalas tvaih vilokyase || 49 1 

Rsya^fnga uväca || 

atithib kajcid SySto ramyaveso manoharah 

suvibhaktS jafä bibhrat sünante dvidalikrtsl^ || 50 || 

tasya valkalakab snigdhat^ susparsfah sukhado 'ti me | 

mekhalS ca su^iäjänä sifijSnä pädamekhalä || 51 1| 

vak^asä ca dadhac chrnge suvrtte spar^asaukhyade | 

bibhrat kaQthe ca iubhrä^i vartuläni phaläni vai || 52 || 

samägatya näsanaih me jagräha näbhivädanam | 

anvamanyata mäm eva so 'bhivädya sthito 'grata^ *) || 53 || 

mayä dattäni pakväni phaläni präsya düratab | 

sa phaläni dadan mahyaih svädöni rasavanti ') ca || 54 || 

jalaih dadau sväsramasya tena me 'pahrtam manab | 

kiih vrataih täta tasya sma^) tac cikir^ämi saukhyadam || 55 1 

YibhuQ^Akas tu tac chrutvä jflätvä rak^abkrtaih tu tat | 

putram äha na jänämi rak^ämsi balavanti vai || 56 || 

krtvä mäyämayaih rQpaih tapovighnaiii ^) caranti hi | 


1) MS. -dadae. 

2) MS. 'gnatßik. 

3) MS. roMiOi. 

4) MS. äma. 

5) MS. 'Vighma. 

^ Igt 0«. 4. W. HMkrkhlw. PkUttof .-ktolor. EImm 1897. H«tt 1. 


98 Heinrich Lüders, 

saihbhä^ä tei^u te naiva kartavyä tapa icchatä ^) || 57 || 
näsmäkam täni bhak^yä^i tapohänikar&^i vai | 
iti pra^äsya taih putraib vimanäh sa Yibh&^daka^ || 58 || 
vanaih vilokayäm ^) äsa samantad yojanadvayam | 
na dadarsa tapoyighnakftra9aiii katracin manit^ || 59 || 
paredynr na yayau taptuih putraih dr^tvä samäkulam | 
na yayaa säpi tanvangi dQtair jn&tvä vidheyat&m || 60 || 
anyed3nir api nägacchad anyedyur api tapa^a^ | 
dinatraye gate patram sosthaih jnätvä yibhä9dakat | 
avighnam ^) cääramam drstvä jagäma tapase pona)^ || 61 1| 
athäjagäma tanvangi vesyä ^) vrddhäniyojitä | 
^ya^mgaih tatha santaih mohayäm äsa kämini || 62 || 
aväca cäi^ramam mabyaih drastum icchati yad bhavän | 
tad ägatyävalokyaivägami^yati mayä saha || 63 || 
ity uktva tarn mohayitvä gä^l^am älinganadibhi^ | 
navaih ninaya tanvaiigi bhn^ayäm asa bhü^a^aih || 64 || 
pänakaih päyayitvätha mädakani madhiina samam | 
nävam täm vähayam äsa vetfyä vrddhä dhiyä varä || 65 || 
Romapädapore nävaih nibadhya nrpam abravit | 
ägata ^) ]^yasrngo 'yam yad vidheyam ') vidhiyatäm || 66 || 
]^ya8rnge ta sampräpte Yäsavas tadbhiyä dvija | 
vavar^a salilam bhüri subhik^am abhavat tadä || 67 || 
Romapäda^ Kä^yapasya ^aiikamänal^ samägatim | 
ääntäm näma tata^ kanyäm dadau monisatäya vai | 
Q$yasrngäya dbarmajüa yathävidhi mahämati^ || 65 || 
Yibha9<}&kas tato 'bhyetya sväsramaih monisattama | 
adr^tvä tanayaih tatra jätodvego babhüva ha || 69 || 
mrgayäm äsa vipine samantäd Jgl^yasifigakam | 
parisräntas tato dhyänaiü cakära tapatäih vara^i II 70 y 
dhyänenälokayäm äsa Romapädavice^titam | 
kraddbah präyät tato vipra dhak^yan krodhägninä nrpam 
sapattanaiü sahämätyaüi saprajam saporohitam || 71 1| 
athägatya porapränte vrk^amülam upäsrita)^ j 
vahnim utpädayäm äsa caksorbhyäiii vadanät tata^ | 
tatporaih dagdhum ärebhe vahnir ürdhvasikho mahän 1 72 1| 


1) So MS. 

2) MS. -lolayäm; ta uiuicher, eher unfertiges ja. 

5) MS. aoedyuü. 
4) MS. va. 

6) MS. 'tarn. 

6) MS. -dKtram. 


Die Sage von R^yaaräga. 99 


Romapädas tad alokya l^ya^rngaih sabhäryakam 
pre^ayäm äsa matimSln säntvan&ya tapasvina^i || 73 |[ 
99yasrngas tu dharmätma sabhäryo manim abhyagät 
abhivädyätha pitaraiii jagäda madhoram vaca^i | 
vadhüs te räjapatriyam abhivädayate prabho || 74 || 

tac chrutvä Eäsyapätmajai^ ^) | 

rajänam ca samäi^li^ya momude prasas'aihsa ca || 76 || 
R^yasrngaih tatah prSlha prasannätmä Vibhäp^akah | 
patram utpädya vatsa tvam äsramäya prayäsyasi || 76 || 
ity ädi&ya tato vipra l^yasrngaih Vibhan^aka^ | 
jagäma sva^ramaiii pritas tapase krtamscayah || 77 || 
iti te kathitam vipra ^yas'rngo yatba mani|^ | 
npayeme Romapadäc Chantam Da^arathatmajam || 78 || 
II iti ^nPadmapara^e Fatalakha^^a R$yasrhgopäkhyanaih näma 

trayodaso 'dbyayab |j 

Jeder, der diese Erzählung mit der jetzigen Fassung des Ma- 
luibhärata vergleicht, wird ohne weiteres die große Ähnlichkeit 
zwischen beiden erkennen. Vor allem mache ich auf' die folgenden 
beiden wörtlichen Übereinstimmungen aufmerksam: 

Padmap. 6 mrgi bhuya vane ti^tha munim süya vimok^yase. 
Mbh. 110,37 devakanyä mrgi bhütva munim süya vimok^yase. 

Piidmap. 36 säha taih nabhivadyo 'smi abhivadyo bhavän mama 

evam eva vratam mahyaih nasanam sams'raye kvacit 

Mbh. 111,12 bhavata nabhivadyo ^) 'ham abhivadyo bhavan mayä 

vratam etadrsaih brahman pari^vajyo bhavan maya 

Abweichend in den beiden Berichten dagegen sind die folgen- 
den Punkte. Die Vorgeschichte der G-azelle, auf die im Mbh. kurz 
in einem einzigen Verse (110, 36**; 37*) hingewiesen wird, wird hier 
ausführlich erzählt. Über die Entstehung der Dürre wird hier nichts 
weiter gesagt, als daß sie infolge der Nichtachtimg eines Brahma- 
nen eintrat; von dem Fortzug der Brahmanen und ihrer Versoh* 
nung findet sich hier nichts. Im Mbh. hat Q$yasrnga ein Hörn 
auf dem Haupte, hier wachsen ihm deren zwei. Die Entfuhrerin 
ist im Mbh. die Tochter der alten Hetäre, hier ihre Enkelin. Im 
Mbh. sucht Vibhapcjaka drei Tage im Walde nach der Buhlerin, 
im Pura9a bleibt er nach kurzem Suchen in der Nähe der Ein- 
siedelei drei Tage zu Hause. Am meisten weicht die Erzählung 
von der Besänftigung des Vibha^^aka ab. Vibhap^ftlEa begiebt 


1) MS. -potmajäh. 

2) Die Caicutta-Aosgabe liest hhavaiänabhi-. 


, . * » 


lOO Heinrich Lüders, 

sich hier in die Nähe der Stadt des Bomapäda nnd läßt Feuer 
aas seinen Augen sprühen, um sie mit allem, was in ihr ist, zu 
verbrennen. Schon ist sie in Brand geraten, als auf die Bitte des 
Königs sein Sohn mit der Öäntä zu ihm geht und ihm die Königs- 
tochter als seine Gattin vorstellt. Darauf giebt der Alte sofort 
sein Vorhaben auf. 

Die oben angeführten wörtlichen Übereinstimmungen machen 
es unabweislich , daß die beiden Erzählungen in direktem Zusam- 
menhange stehen. Wir haben also zu untersuchen, wem die Prio- 
rität gebührt. Da aber, wie wir gesehen, im Mbh. ursprünglich 
die ältere Fassung der Sage stand, wonach die Santa den ߧya- 
^rnga entführte, während wir im Fadmapurä^a die jüngere Fas- 
sung mit der Entführung durch die Hetäre haben, so ist es aus- 
geschlossen, daß etwa das Furäna älter als das ursprüngliche Mbh. 
ist. Es handelt sich somit nur darum, ob der Purä^averfasser 
nach der jetzigen Fassung des Mbh. gearbeitet hat oder ob der 
Überarbeiter der Mahäbhärata- Erzählung bei seiner Arbeit das 
Padmapurä^a benutzt hat. 

Betrachten wir zunächst die beiden oben angeführten wört- 
lich übereinstimmenden Stellen. Mbh. 111, 12 lautet vollständig in 
Übersetzung: „Du mußt nicht mich empfangen, ich muß dich 
empfangen. So ist das Gelübde, o Brahmane, ich muß dich um- 
armen". Der Vers ist ein Sloka, während im übrigen der ganze 
Abschnitt, in dem er vorkonmit (111,7 — 113,26), in Tri^tubh- 
Strophen verfaßt ist. Dieser Umstand würde allein schon genügen, 
den Vers als eingeschoben zu erweisen. Er wird aber noch durch 
zwei andere Punkte unterstützt. Der Vers paßt gar nicht in den 
Zusammenhang. Wenn die Hetäre den ^^yairiiga schon jetzt um- 
armt, so müßte doch in den nächsten Strophen die Wirkung dieser 
Umarmung auf den R^yasrnga beschrieben werden. Allein das ist 
nicht der Fall. Er bietet ihr vielmehr seine Früchte an; von 
Umarmungen ist erst die Kede, als er von ihren Süßigkeiten ge- 
nossen und vor allem von ihrem Wein getrunken hat. Dazu kommt 
die Mangelhaftigkeit des Ausdrucks in dem Verse: zu vraiam eiä- 
drsam fehlt ein me^ tnama oder maliyam. Nun kommt derselbe Vers 
im Purä^a vor, und zwar in sprachlich tadelloser Lesart: ^Sie 
sprach zu ihm: »ich darf nicht empfangen werden, ich muß dich 
empfangen. So ist mein Gelübde: ich nehme nirgends einen Sitz 
an<^. Hier stimmt außerdem das Metrum zur Umgebung, und der 
Vers hat hier seine voUe Bedeutung. Die Hetäre weigert sich, 
die gastliche Aufnahme anzunehmen und sich zu setzen, weil sie 
den ^ya^rnga bewegen will, nach ihrem Schiffe zu kommen; im 


Die Sage von R^yaarnga. 101 

Hbh. stehen die beiden Yershälften gar nicht in innerem Zasam- 
menhange. Ich halte es aus diesen Gründen für zweifellos, daß 
Mbh. 111, 12 eine schlechte Wiedergabe von Pad- 
map. 6 ist^). 

Ahnlich liegt die Sache im zweiten Falle. Im Mbh. wird 
zunächst einfach erzählt, daß eine Gazelle kam, das mit dem retas 
des $§i vermischte Wasser trank und davon schwanger wurde. 
Dann heißt es in unserem Verse (110, 36*». 37*): „Dieser Göttertochter 
hatte einst der verehrungswürdige Brahman, der Weltenschöpfer, 
gesagt : »Nachdem du eine Gazelle geworden und einen Muni geboren, 
wirst du erlöst werden«". Vergleicht man damit die Erzählung des 
Purä^a, wonach die Geburt der Apsaras Svarpamukhl als Gazelle 
eine Strafe für ihre Unehrerbietigkeit gegen Brahman ist, so wird 
man nicht umhin können, auch hier dem Puräi;ia die Priorität zuzuge- 
stehen. Die Mbh.-Strophe wird überhaupt erst verständlich, wenn 
man die Erzählung des Purä^a kennt. Sie zeigt überdies wieder 
dieselbe Unbehülflichkeit im Ausdruck, die wir schon in 111,12 
und in den eingeschobenen Zeilen 110, 42 u. s. w. angetroffen haben. 
Wir müssen daher annehmen, daß diese Strophe von dem 
Uberarbeiter unter wörtlicher Anlehnung an das 
Padmapurä^a verfaßt und in das Mbh. eingefügt 
wurde. 

Noch ein dritter Punkt kommt hier in Betracht. Im Mbh. 
heißt es am Schlüsse der Ermahnungsrede des Alten (113, 5) : 
„ Nachdem er den Sohn mit den Worten » Das sind Rak§ase « 
zurückgehalten, suchte Vibhä^cjaka nach ihr. Als er in drei Tagen 
nicht traf, da kehrte er zur Einsiedelei zurück". Sich auf drei 
Tage von der Einsiedelei zu entfernen, war jedenfalls das Törichteste 
was Vibhä^cjaka thun konnte, da er so der Hetäre ja die beste 
Gelegenheit bot, ihren Besuch zu wiederholen; man muß sich nur 
wundem, daß das nicht geschieht. Im Purä^ia dagegen sucht, 
wie oben erwähnt, Vibhä^^&ka zunächst in der Nähe nach der 
Verführerin und bleibt dann drei Tage bei seinem Sohne zu Hause, 
ein durchaus vernünftiges Verfahren. Es ist daher offenbar, wie 
Mbh. 110, 36^. 37* eine Zusammenfassung von Purä^a 4 — 6* ist, auch 
unser Sloka ein ungeschickter Versuch des Überarbeiters, 
Pur. 69 — 61^ zusammenzufassen, eine Ansicht, die durch 
die auch hier wieder zu Tage tretende Mangelhaftigkeit der 
Sprache*) bestätigt wird. 


1) Der Überarbeiter citierte jedenfalls ans dem QedäcbtniBse. 

2) Zu äaädayäm äsa fehlt das Objekt. 


102 Heinrich Lüders, 

Meiner Ansicht nach beweisen diese drei Pnnkle, daß der 
Überarbeiter der Mbh.-Erzählung das Padmapurä^ia kannte und 
darnach den ursprünglichen Text des Epos veränderte ^). Dann dür- 
fen wir aber auch annehmen, daß er auch zu der Hauptänderung, 
die er, wie wir oben gesehen, mit dem Texte vornahm, nämlich 
der Einführung der Hetäre an Stelle der Konigtochter direkt 
durch das Puräna veranlaßt wurde. Ebenso im Anfang der Ge- 
schichte. Hier fand er „ein Versehen des Purohita" (purohüapacä- 
rät) als Entstehungsgrund der Dürre im Mbh.- Texte angegeben. 
Wenn er dafür die Betrügung eines Brahmanen seitens des Königs 
substituierte, so wird er die Anregung dazu vom Puräna empfan- 
gen haben, wonach die Dürre „infolge der Nichtachtung eines 
Brahmanen" (brähmanätiJcramäl) eintrat. Allein das ist auch alles, 
was er dem Puräna entnommen haben kann; alles was er daran 
geknüpft hat, der Fortzug der Brahmanen, die Sühne des Königs 
und die Versöhnung der Brahmanen, ist sein eigenes "Werk. Was 
anders aber kann ihn veranlaßt haben, die Geschichte hier in einer 
Weise auszuführen, daß, wie wir gesehen, die ganze Erzählung 
dadurch voller Widersprüche und geradezu unverständlich wird, 
als der Wunsch, die Schwere des Betruges gegen einen Brahmanen 
und die Notwendigkeit einer Sühne hervorzuheben. Das ist aber 
von Bedeutung für die Beurteilung des Schlusses der Erzählung, 
wo das Purä^ia und das Mahäbhärata ja wieder von einander ab- 
weichen^) Im Mbh. steht der Alte von seinem Vorhaben, die 
Stadt des Königs zu verbrennen, ab, als er hört, wie große Strecken 
Landes der König seinem Sohne geschenkt hat. Im Puräna da- 
gegen beginnt er tatsächlich, die Stadt in Brand zu setzen, ist 
aber sofort versöhnt, als er hört, daß die Königstochter die Göttin 
seines Sohnes ist, er scheint dies als eine Ehre zu betrachten. 
Mir scheint, daß die Fassung des Purä^ia hier die ältere ist. Die 
Steigerung des Besänftigungsmittels des ^i im Mbh. scheint mir 
demselben Bestreben entsprungen zu sein, das zu der Erfindung 
von der Versöhnung der Brahmanen im Anfang der Geschichte 
führte, und es erscheint mir daher wahrscheinlich — mehr läßt 
sich natürlich in einem solchen Falle nicht sagen — , daß auch die 


1) Man beachte, worauf Holtzmann, Das Mahftbhsrata n. seine Theüe IV, 31 
aufmerksam gemacht hat, daß Nllakantha zu Mbh. I, 649 das Padmapur&^a als 
das erste Pura^a bezeichnet; gewöhnlich steht es in der Liste der Purftnas an 
zweiter Stelle. 

2) Die übrigen Abweichungen sind zu unbedeutend, um ausführlich besprochen 
zu werden. Sie ergeben jedenfalls für die Prioritätsfrage nichts. 


Die Sage toh Rfyanrnga. 103 

Ersahlang von der Besänftigung des Yibhändaka 
im Mbh. von dem Uberarbeiter verändert oder viel- 
leicht überhaupt neu hinzugefügt worden ist. 

Der Pura^averfasser hat übrigens seinerseits vielleicht wieder 
die ursprüngliche Mahäbhärata-Erzählung gekannt. Dafür spricht 
die Gleichheit in unbedeutenden Nebenumständen, wie z. B. in dem 
Verwände, unter dem sich die Entführerin entfernt (Mbh. 111, 18 : 
irivägnihoirasya tadäpadesam ; Pur. 46 : agnihotram samuddiiya\ und 
einige weitere wortliche Übereinstimmungen : 

Mbh. 110,34 
mahähradaih samäsSLdya KäSyapas tapasi sthitah | 
dirghakälaih parisränta)i. 

Pur. 7 
mahahradam samäsadya Efisyapas tu Vibhä^dakah 
tapas tepe ciram tasthau. 

Mbh. 110, 35 
tasya reta^i pracaskanda dr^tv&psarasam TJrvasim || 

Pur. 8 
athOrvasi mah&bhäga tatra präptä yadrcchayä | 
täiü vilokya pracaskanda retas tasya mahatmanah || 

Mbh. 111, 14 

sa t&ni sarvä^i visarjayitvä bhak^y&^y anarhä^i dadau 

[tato 'sya | 
tftni .... mahärasftni. 

Pur. 40 

khutkrtya visasarjä tha dadau bhaki^yä^i kämini I 

maharasäni. 

In allen diesen Fällen liegt wenigstens kein Grund zu der 
Annahme vor, daß der Uberarbeiter der Mahäbhärata-Sage die 
Worte aus dem Puräpa entlehnt habe. 

Das Ergebnis der bisherigen Untersuchung ist also die chro- 
nologische Reihenfolge: 

1) Ursprüngliche Fassung des Mahäbhärata. 

2) Fassung des Padmapurä^a, wahrscheinlich mit teilweiser 
Benutzung der vorigen. 

3) Überarbeitete Fassung des Mahäbhärata, der Puräpafas- 
song angeglichen. 

E^emendra's Bhäratamanjari stimmt, wie sich nach 
dem Resultate von Bühler's und Eirste's Untersuchung erwarten 


104 Heinrich Luders, 

läßt, mit dem jetzigen Texte des Mahäbhärata in allem Wesent- 
lichen überein. Mbh. 110, 36*^ 37» über die Vorgebnrt der Gazelle 
fehlt hier, woraus sich indessen bei dem Charakter von Kiemen- 
dra's Arbeit nicht folgern läßt, daß der Vers zu seiner Zeit noch 
nicht im Texte stand. Die Eegenlosigkeit entsteht durch den 
Fluch der Brahmanen (761). VibhäV(JakÄ bleibt hier drei Tage zu 
Hause (787 : stliitvä tatra dinatrayam) ; K^emendra ist hier offenbar 
durch selbständige Überlegung auf die Darstellung der Sache im 
Puräi[^a zurückgekommen. Auffällig ist, daß die alte Hetäre hier 
einmal (763) als vesyä divaukasäm bezeichnet wird, zumal da ähn- 
lich auch in Amaracandra's Bälabhärata, wo die ganze Sage in 
zwei Strophen (IH, 1, 90. 91) zusammengedrängt ist, die Entfüh- 
rerin eine Apsaras genannt wird. Was zu dieser seltsamen Ände- 
rung Anlaß gegeben, weiß ich nicht zu sagen. 

Im Bämäya^a wird die Legende dem Sumantra in den 
Mund gelegt. Er erzählt sie dem Das'aratha, und zwar nicht als 
etwas Geschehenes, sondern als etwas, was nach der Prophezeiung 
des Sanatkumära in Zukunft geschehen wird. Die eigentliche Ge- 
burtsgeschichte fehlt hier; es wird nur erzählt, daß ^yasniga 
der Sohn des Vibhän^aka sein und, Zeit seines Lebens im Walde 
wohnend, keinen Menschen außer seinem Vater kennen werde. 

Zu dieser Zeit werde Eomapäda ^) König der Anga's sein. Durch 
eine Übertretung desselben werde Eegenlosigkeit eintreten. Der 
König werde die Brahmanen um Bat fragen, und sie werden raten, 
den R§yasrnga herbeizuholen und ihm die Tochter des Königs, ääntä, 
zur Frau zu geben. Der König werde dann mit den Ministern 
überlegen, wie man den ^.^yasrnga herbeischaffen könne. Sie wer- 
den sich weigern selbst zu gehen; allein 

„Sie werden, nachdem sie die geeigneten Mittel erwogen haben, 
sagen: »Wir werden den Seher herbeischaffen, ohne daß ein Un- 
heil daraus entsteht«. IX, 18. 

So wurde der Sohn des 5§i von dem Angafürsten durch He- 
tären herbeigeschafft, der Gott ließ es regnen, und ^äntä wird 
ihm gegeben. 19. 

Dein Eidam El^yasrnga wird dir Söhne verschaffen. So habe 
ich die Erzählung des Sanatkumära mitgeteilt^. 20. 

Erfreut aber erwiderte Da^aratha dem Sumantra: „Erzähle, 
wie und durch welches Mittel ^L^yasrhga herbeigeführt wurde*. 21. 

Darauf sprach Sumantra, von dem Könige aufgefordert, 


1) In B. Lomapftda. 


Dit Sage von R^ya^riiga. 106 

folgende Worte: »Wie nnd durch welches Mittel ^yairAga von 
den Ministem herbeigeführt wurde, das will ich dir alles erzählen. 
Höre mir za mitsamt den Ministern. X, 1. 

Zu Bomapäda sprach der Parohita mitsamt den Ministem folgen- 
der Maßen: »Folgendes gefahrlose Mittel haben wir ausgedacht«. 2. 

Und nun riet er, Hetären zu dem mit Weibern unbekannten 
98ya»rnga zu senden. Der König wüligte ein, und die Hetären 
b^;aben sich in den Wald in die Nähe der Einsiedelei, wo Rjya- 
irnga sie denn auch bald erblickte. Sie begrüßten ihn freundlich, 
und er lud sie in seine Einsiedelei ein. Sie folgten ihm dahin, und 
er bewirtete sie mit Wurzeln und Früchten. Sie gaben ihm da- 
gegen von ihren Leckereien, und machten sich dann aus Furcht 
vor dem alten ^^i davon. $$ya^rnga war nach ihrem Fortgange 
sehr betrübt. Am folgenden Tage ging er wieder nach dem Platze, 
wo er die Mädchen gefunden hatte. Sie stellten sich denn auch 
wieder dort ein und luden ihn nun ein, nach ihrer Einsiedelei zu 
kommen. Er war einverstanden. Als sie ihn wegführten, regnete 
es. Der König begrüßte den Muni bei seiner Ankunft und gab 
ihm die ^änta zur Frau, und ^ya^rnga lebte vergnügt mit ihr. 

Auffallend ist hier der Schluß des neunten und der Beginn 
des zehnten Sarga. Es erscheint naheliegend, jene Zeilen, die den 
Zusammenhang unterbrechen, einfach zu entfernen und so Sarga 
TK und X zu einem Ganzen zu verbinden. Allein dem stehen drei 
Schwierigkeiten im Wege : erstens ist kein Grund für den Ein- 
schub jener Zeilen ersichtlich, zweitens ist das Tempus der Er- 
zählung in IX das Futurum, da das Ganze die Prophezeiimg des 
Sanatkumära ist, während wir in X die historischen Tempora 
finden, und drittens wird in IX, 20 ausdrücklich gesagt, daß hier 
die prophetische Erzählung des Sanatkumära ende. Dies letztere 
beweist, daß die Erzählung in IX wirklich zum Abschluß gebracht 
wurde ; die Geschichte von der Entführung muss also hinter IX, 18 
weggefallen und X, um die Lücke auszufüllen, später hinzu- 
gefügt sein. 

Was aber soll diese Änderung veranlaßt haben ? Ich glaube, 
man kann die Sache nur so erklären, daß ursprünglich in IX die 
Geschichte der Entführung in der alten Fassimg , d. h. durch die 
S&ntä, folgte. Später als sich unter dem Einflüsse der jetzt vor- 
liegenden Mahäbhäratafassung die Sage geändert hatte, wurde die 
alte Erzählung gestrichen, und eine Darstellung der neuen Fassimg 
in der aus dem Obigen ersichtlichen Weise hinzugefügt. Um die 
dadurch in IX entstandene Lücke notdiirftig zu verdecken, wurde 
dann der erbärmliche Vers 19 hinzugefügt, der sich schon durch 


106 Heinrich Lflders, 

den Gebrauch des Perfekts änUah, des Imperfekts aoar^ayat und 
des Präsens pradfyate als unecht verrät ^). Ein direktes Zeugnis 
für die Richtigkeit dieser Erklärung liegt in den oben angeführ- 
ten Versen aus dem Harivaihsa vor. Danach war das Schauspiel 
von der Entführung des R^yasrnga durch die Santa eine Drama- 
tisierung eines dem mahäkävya Rämäya^a angehörigen Abschnittes. 
Zur Zeit der Abfassung des Harivaihsa muß also hier noch die 
ursprüngliche Sage gestanden haben. 

Wir haben demnach im Rämäya^a den Anfang der Sage in 
IX, 1 — 18 in der älteren Fassung, den zweiten Teil in X in einer 
jüngeren Fassung vor uns, und müssen nun noch das Verhältnis 
der letzteren zu den Fassungen des Padmapurä^a und des jetzigen 
MahäbhSLrata zu bestimmen suchen *). Eins ergiebt sich dabei mit 
Bestimmtheit: die Erzählung des Rämäya^a ist jünger 
als die des Purä^a und die des Mahäbhärata. Im Rft- 
mäyapa fäUt die Entführung schon „den Hetären" zu; die eine 
Hetäre, die zunächst die Santa ablöste, ist hier in der Masse auf- 
gegangen. Das Floß mit der Einsiedelei ist hier ganz verschwun- 
den. Ebenso ist das Gespräch zwischen Vibhä9(}aka und R$ya- 
[$rnga — ein uralter Zug, wie wir später sehen werden — und 
die Geschichte von der Besänftigung des alten ^i weggefallen. 
Ob dem Verfasser die Erzählung des Mahäbhärata oder die des 
PuräQa vorschwebte, läßt sich dagegen bei dem Mangel beweisen- 
der Übereinstimmungen in den Worten nicht entscheiden *). 


1) Es ist anch kein ZnfaU, daß der Text in 18, mitten in der Rede der 
Brahmanen, abbricht Im nächsten Verse müßten sie natürlich vorschlagen, die 
äänts zn senden. Da dies nicht mit der Sendung der gavdkäs stimmte, so wurde 
der Text von hier an gestrichen. 

2) Was von dem Anfang der Erzählung in IX erhalten ist, ist natürlich zu 
wenig, um einen Vergleich mit der oben erschlossenen ursprünglichen Fassung zu 
ermöglichen. Doch wiU ich darauf hinweisen, daß hier die Entstehung der Dürre, 
ganz wie man den Umständen nach erwarten muß, noch als Nebenumstand be- 
handelt ist. Die Verschiedenheit der Begründung hier (tasya vyaHkrainäd räjno^) 
und im ursprünglichen Mbh. (purchitäpacäräc ca tasya räjnah) ist ganz unbe- 
deutend. 

3) Einzelne Anklänge lassen sich aUerdings finden, z.B. Ram. X, 9 na tena 
. . drHapQrvam . . stri vä pumän vä, Pur. 88 pumämsam vä siriyam väpi näpadyat 
. . purä] R&m. X, 21, Pur. 43 anäsvädUapürväipi \ 

Rftm. X, 29: vavarsa sahasä devo jagat prahlädayama tadä | 
Mbh. 113, 10: dadarda devam sahasä pravrstam 

äpüryamä^m ca jagaj jälena \ 
Sie sind aber doch nicht zahlreich und genau genug, als daß sie nicht einfach auf 
ZufaU beruhen könnten. — Was die Bengali-Recension betrifft, so ist sie, wie ge- 
wöhnlich, auch in diesem Abschnitte durchweg glatter. Hier hat man Yersuchti 


Die Sage von fnrairtga. 107 

Ffir die Sage im Skandapnr R^a steht mir leider nicht der 
Text selbst, sondern nnr die Inhaltsangabe von V. N. Narasimmi- 
yengar^) zur Verfügang. Ich glaube indessen, daß die letztere 
für unsem Zweck völlig aasreicht. Der Inhalt ist kurz folgen- 
der. Yibhä9<}&ka verrichtet auf Bat seines Vaters Käsyapa seine 
Buße an der Tungabhadrä bei ^rngapura (dem heutigen 8rngeri). 
Die Flamme seiner dreitausendjährigen Busse stört die Bewoh- 
ner von Indra's Himmel. Indra befiehlt einem Citrasena, dem 
Heiligen die Urvasi zu schicken. Das geschieht, und der Anblick 
der Apsaras hat die bekannte Folge. Eine Grazelle trinkt das 
Waschwasser des ß^i, wird sofort davon schwanger, und gebiert 
zur richtigen Zeit einen Knaben mit zwei Hörnern, den der Q^i 
als seinen Sohn erkennt und aufzieht. Als der Knabe zwölf Jahre 
alt ist, erblicken ihn Paramesvara und Pärvati gelegentlich auf 
einem Spaziergange im Himmelsraum. Sie steigen hernieder und 
verleihen ihm die Macht, Hungersnot und Dürre in einem Um- 
kreise von zwölf Meilen von seinem Aufenthaltsort zu vernichten. 

Nun bricht in AAga während der Regierung des Bomapäda 
eine Dürre aus, die zwölf Jahre dauert. Der Q^i Sanatkumära 
teilt dem Könige mit, daß es regnen würde, wenn der junge l^Qya- 
^rnga dazu gebracht werden könnte, das Land zu betreten. Die 
Weisen des Landes ermitteln den Aufenthaltsort des Büßers und 
geben dem Könige den Bat, ihn durch Hetären herbeiholen zu lassen. 
Der König folgt diesem Bäte. Die Hetären errichten zunächst 
eine Art Niederlage von Luxusartikeln in Närve, besuchen von 
hier aus des öfteren den R^yasrnga während der Abwesenheit des 
Vaters und weihen ihn in die Freuden der Welt ein. Nach eini- 
ger Zeit giebt er ihren Bitten nach, mit ihnen nach Angadeiia zu 
gehen. Sie brechen auf und der Begen beginnt zu fallen. Roma- 
plida zieht ihnen entgegen, empfangt den l^i mit großen Ehren 

die LQcke hinter IX, 18, hier YIII, 22, durch den Gebrauch des Fatnnuns und 
gröSere Ausführlichkeit in der Erzählung etwas mehr zu verwischen. In dem 
zweiten Teile der Erzählung ist eine ganze Reihe von Strophen eingefügt worden, 
um die Geschichte mit der Mah&bh&rata-Erzählung in Übereinstimmung zu bringen. 
Sie behandeln die folgenden Punkte : Der König läSt Schiffe mit Bäumen, Geträn- 
ken und Früchten beladen, und die Hetären fahren auf ihnen nach der Einsiedelei 
(IX, 8. 9). Auch R^yasrnga fährt nachher auf einem Schiffe nach der Residenz 
(IX, eS). Die Verführungskünste der Hetären werden ausführlich beschrieben 
(IX, 18 ff.). Vibhändaka kommt nach dem Fortgang der Hetären nach Hause, 
und es folgt das Gespräch zwischen Vater und Sohn (IX, 42 ff.). Endlich wird 
giiiB ähnlich wie im Mbh. die Rückkunft des Vibhändaka nach der Entführung 
Bad seine Besänftigung erzählt (IX, 55^ fr.), 
1) Ind. Ant U, 140 ff. 


108 Heinrich Lüders, 

und giebt ihm seine Tochter ^äntädevi znr Frau, und mit ihr 
lebt R^ya^rnga eine Zeit lang glücklich im Reiche der Anga's. 

Die Erzählung fahrt dann in den weiteren Schicksalen des 
^^i fort. Zunächst wird sein Opfer für den Das'aratha erzählt, 
dann seine Eückkehr in die Einsiedelei des Vaters. Dort findet 
er den Vibhäi[^(Jaka nicht mehr vor. Er ist sehr betrübt darüber, 
worauf Vibhä^Kjaka aus dem Linga von Malahäniävara hervortritt. 
Der Sohn fragt ihn, wo er am besten Buße üben könne. Der 
Alte verweist ihn an Mahävi^^u, der im Hügellande von Sahyädri 
lebt. Auf dem Wege dahin, in der Nähe von NirmalSLpura , dem 
heutigen Nemmär, besiegt R^yas'rnga einen Räk^asa. Nach einer 
siebenjährigen Buße zu Ehren Mahävi^^u's, erscheint ihm der Gott 
und befiehlt ihm, nach Candrasekhara am Fuße des Sahyädri zu 
gehen. Der l^si begiebt sich nach jenem Orte und blickt mit 
halbgeschlossenen Augen auf ihn, woher der Ort den Namen Kigga 
empfängt, von Jdggannu, das halbgeschlossene Auge. Schließlich 
geht Paramesvara auf die Bitte Rjya^rnga's in dessen Seele auf. 

Ich führe dies letztere hauptsächlich deshalb an, weil es deut- 
lich zeigt, daß diese Fassung jedenfalls die jüngste von aUen ist, 
die wir bisher kennen gelernt haben. Die Sage ist hier zu einer 
lokalen Legende geworden und in den Dienst des Sivaismus ge- 
preßt. Kigga, wo sich der Tempel des Örhgesvara befindet, liegt 
nach den Angaben Narasimmiyengar's in einer der Schluchten des 
Mysore Malnäd in den westlichen 6häts, ungefähr 12 englische 
Meilen von Närve und 6 englische Meilen von brngerL Der Grund, 
weshalb die Sage hier lokalisiert wurde, ist nach Narasimmiyengar 
der Umstand, daß das Land um Kigga infolge der Bodenverhält- 
nisse stets reichlichen Regenfall hat. Der Einfluß des Sivaismus 
macht sich, abgesehen von dem Anhange, in der eigentlichen Le- 
gende in der Verleihung des Regenzaubers durch Paramesvara 
und Parvati an den Knaben bemerkbar. Ln übrigen scheint die 
Geburtsgeschichte mittelbar auf die ältere Mahäbharatafassung 
zurückzugehen. Wie im Padmapurä^a und darnach im jetzigen 
Mahabhärata die ursprüngliche Sage durch eine Vorgeschichte 
der Gazelle erweitert worden ist, so ist hier die Erscheinung 
des ürvasi weiter ausgeführt und begründet worden. Gegen 
eine direkte Zurückführung auf die ursprüngliche Fassung des 
Mahäbhftrata spricht der Umstand, daß der zweite Teil der 
Legende nicht unmittelbar auf sie zurückgehen kann. Sie setzt 
vielmehr einen Zustand der Sage voraus, wo die Hetären und 
zwar insgesamt, ohne Hervorhebung einer einzelnen, die Entiüh- 
mng übernehmen und wo die Einsiedelei auf dem Floße und das 


Die Sage von Rfyaämga. 109 

Gespräch zwischen Vater und Sohn schon ganz ans der Geschichte 
verschwunden sind. Alles dies aber finden wir in der gewöhn- 
lichen Hecension des Rämäya^a vor. Die letztere Fassung muß 
aber älter sein, da die Sage dort noch nicht wie im Furä^a loka^ 
lisiert ist; wir werden also kaum fehlgehen, wenn wir die Fas- 
sang des Skandapurä^a direkt auf den jetzigen Rämä- 
ya^atext zurückführen. Der Pur ä^aerzähler veränderte dann 
seine Vorlage dahin, daß er die Dauer der Dürre auf zwölf Jahre 
festsetzte , daß er die Intervention des Sanatkumära ^) einfügte 
und den Schauplatz der Begebenheit nach Närve verlegte, während 
er die Greburtslegende , die ja im ßämäya^a ganz fehlt, einer an- 
dern, nicht direkt nachweisbaren Quelle entlehnte'). 

Bevor ich zu den buddhistischen Fassungen übergehe, will ich 
noch erwähnen, daß auch Da^^in iu seinem Da^akumäracarita 
die ^yairngasage verwertet hat. Er hat sie zu der lustigen Ge- 
schichte von dem großen Seher Marici und der schlauen Hetäre 
Kämamanjari umgestaltet ^). Trotz aller Freiheiten , die er sich 
mit dem Stoffe erlaubt hat, sind doch die Grundzüge der Sage in 
der jüngeren Form, die Betörung des Büßers durch die Hetäre 
und seine Entführimg aus dem Walde in die Königsstadt, hier 
deutlich erkennbar. DaQ<}in hat sogar den Schauplatz der alten 
Sage beibehalten : Marici wohnt im Lande der Angas am Ufer der 
Gangä außerhalb der Stadt Campä, wo die Kämamanjari ihr Ge- 
werbe treibt. 

Die Legende imKandjur gebe ich im folgenden nach Schief- 
ner's Übersetzung mit einigen Kürzungen^). 


1) Es scheint fast, als ob die Einführung des Sanatkum&ra durch das Auf- 
treten desselben als Erzählers der Legende im R&m&yana veranlaßt worden sei. 
Wie leicht das geschehen konnte^ zeigt das Beispiel Chdzy's, der in seiner l^akun- 
talft - Übersetzung (S. 201 ff.) die Rfyasrngasage , angeblich nach dem Rftm&ya^a 
erzahlt und dabei den Sanatkum&ra genau dieselbe Rolle spielen läSt wie der Ver- 
fasser des Purft^a. 

2) Aach der kurze Hinweis auf die Sage im Bhagavatapurft^a (IX, 23, 7—9) 
seheint auf das jetzige Ramftyapa zurückzugehen; wenigstens fäUt auch hier die 
Entführung mehreren Hetüren zu (Pur. 8: deve var$aii yaik rämä äninyufi\ R&m. 
10, 18: tarn ca mnffua itUhä siriyaii), — Die Sage von BfisrAga [sie], wie sie im 
äirapurapa erzahlt wird (Aufrecht, Cat Bodl. S. 66»), hat mit unserer Sage nichts 
gemeinsam. Es ist dies vielmehr die in der indischen Literatur weit verbreitete 
Geschichte von dem Könige, der auf der Jagd aus Versehen den Sohn eines 
BAiers tötet 

3) Edited by G. BQhler, B. 41 ff. 

4) Ich habe die abgekOrtten Stellen in Klammem gesetit 


110 Heinrich Lüders, 

[Einst lebte ein R§i in einer Waldgegend.] Da er die fünf 
Klarsiehten erlangt hatte, wohnten sogar wilde Gazellen, ihm Ge- 
sellschaft leistend, in der Einsiedelei. Als er eines Tages an einen 
andern Ort ging, nm sein Wasser zu lassen, folgte ihm ein Ga- 
zellenweibchen nach. Als er mit Samen vermischten Harn von 
sich gegeben hatte, sog die Gazelle diesen auf nnd beleckte mit 
der Zange ihre Geschlechtsteile. Da die Folgen der menschlichen 
Handlangen nicht dnrch den Gedanken erfaßt werden können, ge- 
schah es, daß sie trächtig warde. Zar Zeit, da sie werfen soUte, 
begab sie sich dahin, and es kam ein Knäblein zar Welt. [Die 
Gazelle ließ es im Stich.] Als nan der ^i an den Ort gelangte 
and das Kind erblickt hatte, fing er an na.chzadenken , wessen 
Kind dies sein könnte , and erkannte, daß es sein eignes Kind sei. 
Er nahm es mit sich in seine Einsiedelei nnd zog es daselbst aaf. 
Als der Knabe groß geworden war, wachsen ihm aaf dem Kopfe 
Gazellenhörner ; ans diesem Grande nannte er den Knaben Q^ya- 
srnga (GazeUenhorn). 

[Nach einiger Zeit warde nan der Alte krank and starb, nach- 
dem er seinen Sohn ermahnt hatte, fremde Q^is recht freandlich 
aafzanehmen. Der Sohn bestattete ihn and betraaerte ihn, wie 
es sich gebührt.] 

Als er za einer andern Zeit mit einem Krnge nach Wasser 
gegangen war, begann die Gottheit es regnen za lassen; als er 
mit dem Kruge, der mit Wasser gefällt war, gegangen kam, ließ 
er ihn iallen, so daß er zerbrach. Die l^i's sind sehr schnell zam 
Zorn geneigt. Da er nan das wenige Wasser verschüttet hatte, 
machte er der Gottheit Vorwürfe and sagte: „Da darch dein 
schlechtes Verfahren mein voller Wasserkrag zerschlagen worden 
ist, sollst da vom heatigen Tage an zwölf Jahre lang nicht regnen 
lassen I^ Darch diesen Flach ließ die Gottheit es nicht regnen. 
In Vär&^asi entstand eine große Hangersnot and die Menschen- 
schaaren wanderten überall hin aas. Der König rief die Zeichen- 
deuter and sprach za ihnen : „Geehrte, darch wessen Kraft ist es, 
daß die Gottheit keinen Regen sendet ?" Sie antworteten : „Durch 
den Zorn eines ]^L Kann man diesen in seiner Bußübung stören, 
so wird die Gottheit wieder Regen senden; anders ist es nicht 
möglich''. Der König saß in Gedanken versunken da; es fragten 
die Gattinnen, die Prinzen und die Minister: „0 König, weshalb 
bist du mis vergnügt ?^ Er entgegnete : ;, Wegen des Zornes eines 
]^i sendet die Gottheit keinen Regen; die Zeichendeuter haben 
ausgesagt, daß, wenn der ^i in seiner BußUbung gestört werden 
könnte I die Gottheit wieder Regen senden würde, anders sei es 


Die Sage von K^ya^rnga« 111 

nicht möglich. Nun weiß ich nicht, wer ihn in der Boße stören 
konnte". Eine Tochter des Königs, namens Santa ^), sagte: „O Könige 
wenn es sich so verhält, so beruhige dich; ich werde es so ein- 
richten, daß der Q^i durchaus aus dieser Bußübung gebracht werde''. 
Der König fragte: „Durch welche Vorkehrung?'' Sie entgegnete: 
lyLaß mich und andere Frauen bei den Brahmanen Greheimsprüche 
lernen; laß auf einer Fähre eine mit Blumen, Früchten und Was- 
ser ausgestattete Einsiedelei errichten''. [Dies geschieht.] Darauf 
ließ sie berückende Gegenstände und mit Wein gefüllte Früchte 
und andere sehr bunte Früchte verschiedener Art anfertigen, 
richtete ihr Aussehen wie das der IQL^i's ein, kleidete sich mit Grrä- 
sem und Baumrinde und begab sich mit den Frauenzimmern, 
welche bei den Brahmanen Geheimsprüche erlernt hatten, zur Ein- 
siedelei jenes ^i. Es sprachen die Schüler zum ^i: „0 Lehrer, 
es sind zu deiner Einsiedelei viele ^i's gekommen". „Gut ist es, 
daß i^i's gekommen sind, führet sie herein". Als sie eingetreten 
waren und er sie erblickt hatte, sprach er in Versen: „0 weh, 
früher ist solches $9i- Aussehen nicht dagewesen, ein unstäter 
schwebender Gang, das Antlitz frei von Bart, die Brüste auf- und 
niedersteigend''. Er bewirtete sie mit zweifelumstricktem Sinne mit 
Wurzeln und Früchten. Sie genossen dieselben und sprachen zum 
Q^i: „Deine Früchte sind rauh und herb, die in unserer, auf dem 
Wasser befindlichen Einsiedelei vorhandenen Früchte sind Amrta- 
gleich ; deshalb laden wir dich in unsere Einsiedelei ein". Er nahm 
die Einladung an und begab sich mit ihnen in den auf der Fähre 
befindlichen Lusthain, wo sie ihm die betäubenden Sachen und die 
mit Wein angefüllten Kokosnüsse und andere Früchte verabreich- 
ten. Als er, durch den Wein berauscht und durch die berücken- 
den Gegenstände gebannt, mit ihnen sich unreinem Verkehr hingab, 
achwand seine Zauberkraft. Die am Regen Freude habende Gott- 
beit zog die Wolken von allen Seiten zusammen, und der ^i 
wurde durch jene zurückgehalten, ^äntä sagte : „Weißt du jetzt, 
welche Macht es ist?" Sie brachte ihn, nachdem sie ihn durch 
Ldebesbanden gefesselt hatte, zum König und sprach: „0 König, 
dieser ist es". Da nun die Gottheit Regen zu senden begann, kam 
eine gute Ernte. Der König gab äftnta nebst Gefolge jenem Q^i 
als Gattin* 

Als derselbe aber, ääntft verlassend, mit andern Frauen sich 
der Liebe hinzugeben begann, fing auch Sftntft mit ihrem von Neid 
vemichteten Gemüt an, ihn geringschätzig zu behandelui und als 

1) iMdSB-ma. 


112 • Heinrich Luders, 

sie im Wortwechsel mit ihm ihm mit dem Schah einen Stoß an 
den Kopf versetzt hatte, dachte er : „Ich, der ich den Donner des 
Gewölks nicht habe ertragen können , soll mich jetzt , durch Lie- 
besbanden gefesselt, von einem Weibe vernichten lassen". Er gab 
sich aufs Neue der Anstrengung hin nnd gelangte dann wieder in 
den Besitz der fünf Klarsichten. 

Sehen wir hier zunächst von der Greburtsgeschichte ab, da sie 
besser nachher im Zusammenhange mit der entsprechenden Dar- 
stellung des Jätaka behandelt wird, und gehen wir sogleich zu 
dem zweiten Teile der Erzählung über. In einem Punkte ist die 
tibetische Erzählung, wie schon bemerkt, älter als alle uns erhal- 
tenen Sanskritfassungen : es ist die Königstochter selbst , die den 
Büßer entführt. Im übrigen weist sie eine Reihe von Neubildun- 
gen und Verschlechterungen auf. Die Dürre wird hier durch die 
Verfluchung des Gottes durch den 5§i hervorgerufen *). Daß dies 
eine sekundäre Erfindung ist, ist leicht ersichtlich. Denn in diesem 
Falle mußte der ߧi, damit es wieder regnen könne, wie der Er- 
zähler selbst hervorhebt, in der Buße gestört werden; dadurch 
verliert er die Macht über die Götter, die ihm die Buße verleiht. 
Um ihn in der Buße zu stören, ist es aber völlig genügend, wenn 
Santa ihn verführt. Der Regen tritt ja nach der Erzählung auch 
wirklich ein, sobald dies geschehen, und die Entführung auf der 
Fähre in das Reich des Königs wird dadurch ganz überflüssig ge- 
macht. Auch darin ist die Kandjurerzählung unursprünglich, daß 
sie den l^i von Schülern umgeben sein läßt. Die Geschichte 
gipfelt ja gerade in dem Zusanmientreffen der Verführerin mit 
dem Manne, der, in der Wildnis von einer Gazelle geboren, nie 
einen Menschen außer seinem Vater gesehen. Daß der Schluß, die 
Erzählung von dem Schicksale des ^^i nach seiner Verheiratung 
mit der S&ntfi, eine spätere Zuthat ist, bedarf wohl kaum des 
Beweises. Es ist offenbar nur angehängt worden, um der Ge* 
schichte einen erbaulichen Abschluß zu geben, ein Versuch, der 
unserem Geschmacke nach indessen kaum gelungen sein dürfte. 

Was endlich den vor der Entführung eintretenden Tod des 
Vaters und den dadurch bedingten Wegfall der Entfernung der 
^äntä nach dem ersten Besuche, des Gespräches mit dem Sohne 
und der Geschichte von der Versöhnung betrifft, so könnte man 
zunächst versucht sein, darin einen alten Bestandteil der Sage zu 
erblicken. l^yas'rAga wird durch den Tod des Vaters ganz iso- 
liert, und so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Betrages, 


1) Im einselnon ist mir dieser Teü der £rzftldaog nicht gam Yerstiadlich. 


Die Sage von R^yasrnga. 113 

dessen Opfer er wird^). Daza kommt, daß, abgesehen von dem 
Schiasse der ganzen Sage, der Versöhnung des Vaters, der ja über- 
haupt ein späterer Znsatz sein könnte, der Vater in der Entfüh- 
nmgssage keine wirklieh tätige Eolle spielt. Er tritt nur in der 
Unterhaltung mit dem Sohne auf. Gerade dieses Gespräch ist 
aber recht schlecht motiviert. Warum verläßt die Königstochter 
den 99yatfrnga nach dem ersten Besuche wieder? Warum ent- 
fuhrt sie ihn nicht sofort? Gleichwohl werden wir sehen, daß 
gerade dies Gespräch schon der ältesten uns erreichbaren lite- 
rarisch fixierten Fassung der Sage angehörte; es hat ofiPenbar 
schon sehr früh einen mit Humor begabten Dichter gereizt, den 
^ya^rnga eine Beschreibung des vermeintlichen Büßers geben zu 
lassen, und um dies zu ermöglichen, mußte natürlich die Königs- 
tochter zunächst verschwinden und der Vater zurückkehren. Es 
scheint mir daher sehr unwahrscheinlich, daß die tibetische Erzäh- 
lung, die sonst so viele spätere Veränderungen aufweist, in dem 
Berichte vom Tode des Vaters älter als alle übrigen uns erhalte- 
nen Quellen sein sollte. Ich glaube vielmehr, daß sie hier auf 
Umwegen zu einem Zuge gelangt ist, der vielleicht einmal in 
einer uns nicht mehr erreichbaren Zeit einen Bestandteil der Sage 
bUdete '). 

Von den drei buddhistischen Sanskritfassnngen der 
Sage liegt leider bis jetzt noch keine im Druck vor. Von dem 
Avad&na in K^emendra's Werke giebt Räjendraläla Mitra eine In- 
haltsangabe *), und es scheint nach seinen Bemerkungen^), daß die 
Erzählungen im Mahävastu und im Bhadrakalpävadäna damit im 
großen und ganzen fibereinstimmen. Nach Mitra lautet die Sage, 
die dem Buddha in den Mund gelegt wird: ri^ing Kä6yapa had a 
daughter named Nalini. When she was of a marriageable age, she 
was placed by her father near the hermitage of a sage named 
Kft&y^pa, who had a youthful son of great beauty, begot by a 
deer. The yonth was named £ka6rngi, because he had a short 
hom on bis head. Nalini met the youth, brought him to her fa- 
ther's house, and was married to him. Ekasrngi afterwards took 


1) Der KancUv-GrziUiler selbst hat dies aber nicht beachtet and das Allein- 
steben des Rfi durch die £inftthrung der Schaler wieder völlig beseitigt. 

2) Ahnlich ist ja auch in der gewöhnlichen Recension des BftmAyana der 
Vater fast ganz ans der Geschichte yerschwonden , dort aber, wie wir gesehen, 
deutlich erst durch sekundäre Entwicklung. 

8) The Sanskrit Buddhist Literature of Nepal, 8. GS. 
4) Ebd. 8. 162 und 46. 

ISL 0«. 4. W. HtekricktoB. PkUoloff.-hUtor. Umm 1897. HtA 1. 8 


114 Heinrich Luders, 

other wives, and had by them a thoasand^sons^. Dann folgt die 
Identifizierung der Personen der Sage mit dem Buddha und Leu- 
ten seiner Umgebung. Bei der Kürze des Auszuges ist ein ge- 
naueres Eingeben aui' diese Erzählung natürlich unmöglich. Jeden- 
falls wird aber auch hier wieder J^^yaärnga durch die Königstoch- 
ter selbst entführt. Von besonderem Interesse sind ferner die 
Namen , die die beiden Hauptpersonen der Sage ^) hier führen '). 
Nalini als Namen der Prinzessin werden wir im Päli-Jätaka wie- 
derfinden, das in diesem Falle natürlich die Quelle ist. Der Büßer 
wird hier Eka^rnga genannt ^). Das zeigt uns , daß wir eine von 
Hiuen Tsiang überlieferte Legende mit Bestimmtheit mit unse- 
rer Sage verknüpfen können. Hiuen Tsiang erzählt bei seiner Be- 
schreibung der Umgebung von Po-lu-^a im Gändhäralande *) : A cotö, 
il y a un stoüpa qui a 6t6 bäti par le roi Wou-yeou (Asoka). Ce 
fut en cet endroit que demeurait jadis le Richi Ekainiga (?) ''). 
Ce Richi s'ötant laiss^ säduire et entrainer dans le dösordre par 
une femme döbauch^e, perdit ses facultas divines. Cette femme 
d^bauchöe monta sur scs öpaules et s'en revint ainsi dans la ville. 
Daß das Mädchen auf den Schultern des betörten Liebhabers reitet, 
ist ein Zug, der ursprünglich einer anderen Geschichte angehört *); 
der Name ist hier aber der gleiche wie in den drei zuletzt be- 
sprochenen Fassungen. Ich glaube, daß li^i Ekairnga auf einer 
volksetymologischen Umdeutung des ursprünglichen Namens be- 
ruht, die durch die Angabe, die sich schon im Mbh. findet, daß 
der Büßer ein Hörn auf dem Haupte trug^), veranlaßt wurde. 

Von Bedeutung sind die nordbuddhistischen Fassungen vor 
allem deshalb, weil es wahrscheinlich ist, daß die ^yasrngasage 
in der Form, in der sie dort vorliegt, nach dem Abendlande ge- 


1) Der Name des Königs, Kfts'yapa, beruht jedenfalls auf einer Yerwechslong 
mit dem Namen des Vaters des R^yasmga. 

2) Ich füüire hier die Unterschriften der einzelnen Kapitel, soweit sie in Be- 
tracht kommen, nach Bendall^s Catalogae of the Buddhist Sanskrit Manuscripts 
in Cambridge an : Mahftv. Nalinxyt räiakumänyt jätakam (S. 57) ; Bhadrak. Eka- 
^r^amuniNaliniKädyapdkanyc^jätaparivartaii (S. 91); Avadftnak. Eka^rngävadä- 
nam (8. 19; 42). 

8) Die Form EkaMigin bei Mitra wird durch Bendall's Angaben nicht unter- 
stützt. 

4) M^moires, tradoits par St. Julien I, 128 ff. (Beal's Si-yu-ki I, 118). 

5) En Chinois : To-kio-sien-jin. Litt^ndement : le Richi unicome (St Julien). 

6) Siehe Paficatantra (ed. Kosegarten) IV, 6; Benfey 1, 461 ff. Vgl. auch Ru- 
hakajst. (191). 

7) Nach dem Padmap., dem Skandap. und der Kan^jur-Erzählong hat er zwei 
Homer. Im Rftm. und im Psli-Jftt. fehlt die Angabe überhaupt. Vgl. 8. 81. 


Die Sage yon R^yanrnga. Hg 

wandert ist. In der ganzen mittelalterlichen Literatur finden sich 
zahlreiche Anspielungen auf das Einhorn nnd insbesondere auf die 
eigentümliche Art, wie man dieses als sehr wild geltende Tier 
einfangt. Man bringt nämlich eine Jungfrau in seine Nähe ; wenn 
das Einhorn diese erblickt, wird es zahm, legt sich ihr in den 
Schoß und läßt sich willig wegführen. Schon Beal hat diese Sage 
mit der Sage von Eka^rfiga zusammengebracht ^) , und ich glaube, 
daß wir in der Tat hier die Sage von dem Einsiedler Einhorn 
vor uns haben, die auf das Tier Einhorn übertragen ist. Dafür 
läßt sich noch ein anderer Umstand geltend machen. Die ganze 
Sage von dem Fange des Einhorns beruht auf dem Fhysiologus. 
Hier lautet nun der Text in dem griechischen Originale ') : xag^d- 
vov iyviiv i6xoXi6(nivr(if ^inxovöiv iiiXQOöd'Sv aitov. xal RkketaL 
£ig tbv xöknov t^g icaQ^ivov xh ißov. %aX xQatBt aitb xal ixokov- 
^€t aifg xal atQSt aitb slg tb nakdxiov x& ßaötXst, Mir 
scheint in dem Schlußsatze noch eine deutliche Spur der alten 
Sage von der Königstochter, die den Büßer in den Palast ihres 
Vaters entfuhrt, vorzuliegen'). 

Der Inhalt des Jätaka ist in Kürze folgender^). Zur Zeit 
des Brahmadatta wird der Bodhisattva in einem nördlichen Brah- 


1) Bomantic History of Buddha, 8. 124, Note 2 : „The connecdon of this myth 
with the mediseval story of the Unicorn being capable of capture only by a chaste 
maiden is too evident to reqnire proof**. 

2) Laachert, Geschichte des Physiologos, S. 254. 

3) Laachert, a. a. 0., S. 24, meint, im AnschloA an Bochart, daft die Sage auf 
einer misyerstandenen Stelle bei Aelian (XVI, 20) beruhe. Allein Aelian sagt nur, 
nachdem er die Unfriedfertigkeit des Tieres gegen seine eigene Gattung und seine 
einsame Lebensweise herrorgehoben : m^^ S\ &ip(foSitrig tijg ctptcsQag övvdvac^ilg 
«^ tiiv 0i/il$iap nsnQdvvtai^ mal iiivtoi ual owfv6yim iat6v. elta tavrrig na^a- 
S^€((t0vofig %al tilg ^Uiag %va6<tris i*^Qio4hat avd'igy %al fiovücg i^tlv Bdi 6 
'Jpdbg wtLiftatiißvog, Hier ist also weder von einer Jungfrau noch überhaupt vom 
Fange des Einhorns die Rede. Auch die Beschreibung des Tieres bei Aelian und 
im Physiologos zeigt keine Ähnlichkeit. Ich halte es daher auch für ausgeschlos- 
sen, daft der Schluftsatz im Physiologus etwa auf die Worte Aelians zurückgehe: 
rovTttir 0^ «^lovff naw vta^fühg xoii^iöd'ai tpaci t& rcbv IlQaclmv ßaüilii^ xal 
n^ &X%iiv iv &XXiiXoig iniSi^wa^ai %atä tag 9ktg tag navr^Qnuüg. tileiov 
dh alAvaC «ort oi^el; iiiiivritai. 

4) Die Qebnrtsgeschichte wird zuerst ausführlich im Alambusajfttaka erz&hlt, 
und dann kürzer, nnd mit Bezugnahme auf jene Darstellung , im Nalinikfljfitaka 
wiederholt. Auf das Alambusaj. selbst braucht hier nicht eingegangen zu werden. 
Em ist die gewönliche, hier auf den Isisingo übertragene Sage, daft ^akra einem 
groSen Büfter aus Furcht, daB er ihn vom Throne stoßen könne, als Verführerin 
eiiM Apsaras sendet. 

8* 


llg Heinrich Luders, 

manengescUeclite geboren und zieht als Bäßer in den Himavat. 
Einst kommt eine Gazelle zu seinem passävafthanafh und frißt dort 
das Gras und trinkt das Wasser, das beides sanibhavamissakath ist. 
Sie wird davon schwanger, kommt in die Nähe der Einsiedelei 
nnd gebiert dort nach einiger Zeit einen Knaben, den der Büßer 
als Sohn anerkennt. Er wird Isisingo genannt. Der Büßer macht 
ihn , als er herangewachsen ist , ebenfalls zum Asketen. Infolge 
der Kraft seiner Buße zittert äakra*s Palast. Daher läßt ^akra, 
um seine Buße zu stören, es drei Jahre lang im Keiche von Käsi 
nicht regnen. Die Bewohner, die Not leiden, fordern den König 
auf, den Gott zum Hegen zu zwingen. Allein er vermag es nicht. 
Da erscheint ihm äakra in der Nacht und erklärt ihm, daß es 
nicht eher regnen werde, als bis Isisingo's Buße durch Nalinikä, 
die Tochter des Königs, gebrochen sei. Diese läßt sich denn auch 
nach einigem Sträuben zu der Aufgabe herbei. Von den Ministern 
begleitet, zieht sie aus. An der Grenze schlagen sie zunächst ein 
Lager auf und ziehen dann von hier aus, von Waldbewohnem ge- 
führt, nach der Einsiedelei des ^i. Dort angelangt, verkleiden 
die Minister die Prinzessin als ^i, ziehen ihr ein goldenes Ober- 
und Untergewand an und geben ihr einen Ball. So nähert sie 
sich dem Isisingo, der sich zuerst erschreckt in die Hütte zu- 
rückzieht, sich aber bald eines besseren besinnt. Die Frage nach 
dem Balle, den Isisingo für eine seltene Frucht hält, erö£Pnet 
die Unterhaltung, und bald erfolgt eine Einladung an den ver- 
meintlichen Asketen, in die Hütte zu treten. Hier entwickelt sich 
nun ein Gespräch, das zwar von der Ejräftigkeit des Humors jener 
Tage beredtes Zeugnis ablegt, sich aber in einer lebenden Sprache 
nicht gut wiedergeben läßt. Das Ende ist, daß der Büßer ver- 
führt wird. Die Königstochter ladet ihn darauf nach ihrer Ein- 
siedelei ein. Isisingo willigt ein, will aber die Rückkunft des 
Vaters abwarten. Davon will natürlich die Königstochter nichts 
wissen. So geht sie denn alleine fort, trifft wieder die wartenden 
Minister und gelangt mit diesen glücklich zunächst in das Lager 
und dann nach BäräQasi, wo es nun regnet. Isisingo ist über den 
Fortgang des schönen Büßers sehr betrübt. So findet ihn der 
heimkehrende Vater, dem der Sohn nun eine sehr ausführliche 
Beschreibung seines Besuchers giebt. Der Vater warnt ihn vor 
dem Verkehr mit solchen Unholden. Isisingo nimmt die Warnung 
an und giebt sich wieder der Buße hin. 

Was zunächst die Geburtssage betrifft, so zeigt sie eine un- 
verkennbare, teilweise bis zu wörtlicher Übereinstimmung gehende 
Ähnlichkeit mit der der Kandjur-Erzählung im Gegensats zu den 


Die Sage von Rfyairiiga. 117 

brahmaniHchen Fassimgeii. Ich glaube, daß wir den letzteren die 
Originalität zosprechen müssen. Als die ErzäUong zu einem bud« 
dhistischen Jätaka umgewandelt wurde, fiel diö Bolle des Vaters 
dem Bodhisattva zu. Mit der Würde des künftigen Buddha ver- 
trug sich aber nicht, was in der alten Sage von seiner Begeg- 
nung mit der Apsaras erzählt war. Aus diesem Grunde scheint 
der buddhistische Erzähler diesen Teil der Geschichte so verän- 
dert zu haben, wie er jetzt im Jätaka steht. Die tibetische Er- 
zählung geht hier jedenfalls indirekt auf das Jätaka zurück ; es ist 
hier der Versuch gemacht, das Wunder der Empfängnis durch 
einen Zusatz etwas wahrscheinlicher zu machen ^). 

Vermißt wird im Jfttaka, wie schon erwähnt, die Bemerkung, 
daß l^yasrnga ein Hom oder Homer auf dem Haupte trug. Ich 
bin überzeugt, daß dieser Zug der ursprünglichen Sage angehört 
und im Jfttaka erst sekundär geschwunden ist. Diese ganze Ge- 
burtssage gehört zu jener Klasse von Legenden, die man als ety- 
mologische Legenden bezeichnen könnte, d. h. Legenden, die erfun- 
den sind, um einen Namen zu erklären. Die Geburt von der Ga- 
zelle erklärt aber nur den ersten Bestandteil des Namens; erst 
wenn dem ^ysdrhgB, auch ein Hom wächst, ist der Name voll- 
ständig erklärt. 

Gehen wir zum zweiten Teile der Sage über. Daß es auch 
im Jfttaka noch die Königstochter selbst ist, die den Büßer durch 
ihre Reize umstrickt, ist schon erwähnt. Hat in dieser Hinsicht 
das Jfttaka wie die andern buddhistischen Fassungen die alte Sage 
treu bewahrt, so ist hier doch andererseits eine Reihe alter 
Züge vernichtet. Auch hier ist, ähnlich wie in der tibetischen 
Fassung, ein Versuch gemacht, die Dürre mit der Person des 
Q^ya^rfiga in Verbindung zu bringen, und zwar hier anknüpfend 
an das bekannte Motiv, daß der Palast Indra*s infolge der Buße 
eines IQ^i zittert. Das bedingte, wie in der Kandjur- Erzählung, 
die wichtige Änderung, daß ^yatfrnga nicht mehr in das Land 
des Königs geholt zu werden, sondern nur in der Buße gestört zu 
werden brauchte. Das wird denn auch im Jfttaka nicht nur aus- 
drucklich betont, sondern hier findet, konsequenter als in der ti- 
betischen Geschichte, die Entführung wirklich gar nicht statt. 


1) Im übrigen läftt sich aber natdrlich die tibetische Erz&hliing ebensowenig 
wie die andern drei nordbuddhistischen Fassangen ohne weiteres aaf das Päli- 
Jitaka snrückfUiren. Die tibetische Erzählung oder vielmehr ihr Sanskrit-Original 
scheint, wie besonders der Name der Prinzessin, ä&nti, andeutet, durch die brah- 
nanischen ErzÜüiingen beeinflnfit zu sein. Doch wird sich Genaueres erst er- 
nittaln lassen, wenn jene drei Sanskritfassnngen zagängUch sind. 


118 Heinrich Luders, 

Aach das Floß und die Einsiedelei auf demselben sind hier ver- 
schwunden; die Königstochter reist zu Lande, und von der Ver- 
lockung des ^^yasrfiga nach dem Floße ist nun natürlich nicht 
mehr die Rede. 

Allein hier muß doch eine Einschränkung gemacht werden. 
Ich habe oben den Inhalt des Jätaka im Anschluß an den Frosa- 
text gegeben. Die Sache ändert sich aber bedeutend, wenn wir 
die Gäthäs genauer prüfen. Nach der Frosaerzählung wird R^ya- 
lärnga nicht entführt, allein gleich in der ersten Gäthä sagt der 
König zu seiner Tochter: 

u(J(Jahyate janapado ratthan cäpi vinassati ^ | 

ehi Najinike gaccha tam me brähmapam änaya || 
„Das Land verdorrt und das Reich geht zu Grunde. Geh, liebe 
Nalini, geh, hole mir den Brahmanen her*'. Also hatte nach 
dem Dichter der Gäthäs die Reise der Königstochter den Zweck, 
den ^yasrnga in das Land des Königs zu entführen '). 

Zweitens wird in der Prosaerzählung das Floß nicht erwähnt. 
Allein in der dritten Gäthä sagt der König zur Prinzessin: 

phitaih janapadam gantvä hatthinä ca rathena ca | 

därusaihghätayänena evam gaccha Naliniye || 
„Nachdem du in das fruchtbare Land ^) mit Elephanten und Wagen 
gezogen, reise auf einem Holzfloße*) weiter; so (reise), 
liebe Nalini". Also fuhr die Königstochter nach dem Dichter der 
Gäthäs auf einem Floße zur Einsiedelei des Büßers. Und daß 
dieses Floß ebenso, wie in der Mahäbhärata-Erzählung hergerichtet 
war und demselben Zwecke, der Entführung des Büßers, diente, 
können wir aus den Gäthäs 19 — 21 entnehmen. Dreimal fordert 
dort die Königstochter den ]l@l§yasriiga auf, nach ihrer Einsie- 
delei zu kommen, die sie ihm so verführerisch wie möglich 
beschreibt. Und diese angebliche Einsiedelei liegt außerdem, wie 
wir aus G. 19 ersehen, am Ufer eines Flusses*). In Verbin- 


1) Diese Zeile kehrt, in anderem Zusammenhange, Mahavastu I, 366, 4 (ygl. 
6) wieder: 

udajyate janapado rs^tram sphltaxA vinasyati. 

2) Der Kommentator hat den Widerspruch hier gefühlt und versucht, ihn 
wegzuerkl&ren : tarn mama an(Uihdkärim brahmanam attano vctsam änehi \ kilesa-' 
rtUivasen' (usa äila 'i bhindä Hi \\ 

S) phita ist im Gegensatz zu dem unter der Dürre leidenden eigenen Reiche 
des Königs gesagt. 

4) Der Kommentator erklärt därusamg7Mtayä$^ena daich näväaamghaiena\ das 
letztere erscheint in der Bedeutung Floß Jst. n, 20, 6. 

5) khemä nadn . . . tassä ilrt. Der Kommentator faßt Vkemä als Eigennamen; 
da aber khemä ein gewöhnliches Epitheton von Flüssen ist (vgl. noQJo Ifhemä^ 


Die Sage von R9yasr&ga. 119 

dang mit der jetzigen Prosaerzählimg haben diese Strophen gar 
keinen Sinn. Es ergiebt sich also, daß die Fassang der Sage in 
den Gäthäs in drei Punkten, and zwar gerade in denen, die für 
die Sage charakteristisch sind, mit der Fassang der Sage über- 
einstimmt, wie sie ursprünglich im Mahäbhärata stand. Und eben- 
so hält die Gegenprobe Stich; die Strophen enthalten nichts We- 
sentUches, was sich nicht mit jener Fassung vereinigen ließe '). 

Wir haben demnach die Gräthäs und die Frosaerzählung aus- 
einanderzuhalten ; die ersteren enthalten die alte ur- 
sprüngliche Sage, die letztere eine jüngere, ver- 
schlechterte Version. Und dieses Ergebnis steht völlig mit der 
Tradition in Einklang, wonach ursprünglich die Gäth&s allein im 
Kanon gesammelt waren'). Natürlich setzten die Strophen stets 
eine verbindende Prosaerzählung voraus ; allein diese war zunächst 
nicht fixiert, sondern blieb dem jeweiligen Erzähler überlassen — 
die alte Form des Akhyäna, die durch Oldenberg's und Geldner's 
Untersuchungen schon für die vedische Zeit nachgewiesen ist. Wie 
die ^ya^rngasage von den ersten buddhistischen Erzählern vorge- 
tragen wurde, wissen wir nicht. Die Prosaerzählung, die uns jetzt 
vorliegt, geht nach der Tradition auf einen singhalesischen Text 
zurück, aus dem sie um 430 n. Chr. ins Päli übersetzt wurde. Da 
nun diese Prosaerzählung mit den Strophen nicht übereinstimmt, 
80 müssen wir annehmen, daß ursprünglich die Geschichte anders, 
in Übereinstimmung mit den Strophen, mit andern Worten, in 
der alten Fassung erzählt wurde, und daß der Singhalese die alte 
Sage nicht mehr genau kannte, sondern sie erzählte, so gut er 
konnte, ohne zu merken, daß er dabei mit den Gäth&s in Wider- 
spruch geriet*). 

J&t. IV, 466, 1 ; Yamunam Jchemam, ebenda VI, 173, 8), so heißt es vielleicht auch 
hier nur „ein ruhiger Strom**. 

1) Die Verschiedenheiten sind ganz anbedeutend. Es ist erstens der Name, 
hier Nalinf, dort l^&nta. Zweitens die Begründung des Fortgehens der Prinzessin; 
hier färchtet sie angeblich, daB Jäger in ihre Einsiedelei einbrechen möchten 
(0. 22), dort schützt sie die Besorgung des agnihotra vor. Drittens, in dem Ge- 
spräche zwischen dem Büfier und der Königstochter, die Geschichte von der 
Wunde, die im Mahftbhftrata fehlt. In den beiden letzten Punkten sind die Gftth&s, 
wie sich im Folgenden zeigen wird, sicherlich älter. Was den Namen betrifft, so 
haben wir wohl Doppelnamen anzunehmen. 

2) Noch heute giebt es Handschriften, die die Gftthäs allein enthalten. Auch 
die Anordnung nach der Zahl der Gath&s zeigt, daB es ursprünglich auf diese 
aOein ankam. 

S) Die Prosaersählnng ist auch sonst nicht sehr genau. So enthält, wie schon 
bemerkt, G. 22 den Vorwand, unter dem die Prinzessin sich vor der Ankunft des 
Vaters entfernen will: „Früchte und Wurzeln habe ich dort in Menge, durch 


120 Heinrich Luders, 

Die Gäthäs haben aber noch ein weiteres Interesse für uns 
wegen ihrer Beziehung zum Mahäbhärata. Einzelne von ihnen 
stinunen so auffallend mit den Mahäbhäratastrophen überein, daß 
man die Fäli- nnd die Sanskritstrophen nur gegenüberzostellen 
braucht; um sofort den Zusammenhang zwischen ihnen zu erkennen. 

G. 18 und Mbh. 111, 7 lauten: 
ito nu bhoto katamena assamo kaccin mune kuialaih täpasänäiü 
kacci bhavaih abhiramasi kaccic ca vo mülaphalaih 

[aranne | [prabhütam | 

kacci te mülaphalaih pa- kaccid bhavän ramate cft- 

[hütaiü [srame 'smiihs 

kacci bhavantam na vihiihsanti tväih vai dra^tnm sftiüpratam 

[välä II [agato 'smi || 

Die beiden mittleren päda's sind hier identisch. In bezug auf 
die Abweichungen im ersten und vierten päda ist zu beachten, daß 
die Pälistrophe dem ^^ya,iThga,, die Sanskritstrophe der Hetäre, 
ursprünglich der Königstochter, in den Mund gelegt ist. 

G. 19 ist mit Mbh. 111, 11 zu vergleichen : 
ito ujjuiii uttaräyaiü disäyaih 
khemä nadi Himavantä pabhäti j 

tassä tire assamo mayha mamälrama^ Kälyapaputra 

[rammo. [ramyas 

triyojanaiü sailam imaiü pare^a. 

Die meisten und genauesten Übereinstimmungen zeigen sich 
aber in dem Abschnitte, der das Gespräch zwischen dem Vater 
und dem Sohne enthält. Die Rede des Sohnes beginnt, G. 28; 
Mbh. 112, 1 : 
idhägamä jatilo brahma- ihägato jatilo brahmacäri 

[cäri*) 
sudassaneyyo sutanü vineti j 
n' evätidigho na punäti- na vai hrasvo nätidirgho 


[ras so [manasvl 

suka^haka^hacchadanehi bhoto |{ suvarpavani^ab kamalSyataki^ab 

sutab^ suräQäm iva jobhamänah 


Farbe, Gerach und Geschmack aasgezeichnete; aber Jäger besuchen jenen Ort; 
wenn sie mir nur nicht die Früchte und Wurzeln von dort wegholen !** Die Über- 
legungen, die sie über die Folgen eines Zusammentreffens mit dem Vater anstellt, 
hätten also nicht erst vor G. 24, sondern schon vor G. 22 eingeschoben werden 
sollen. Direkt im Anschluß an G. 17—21 ist diese GftthS kaum verständlich. 

1) Die Stelle scheint nachgeahmt zu sein im Mfttangajfttaka (497 ; lY, S8i, 8) : 

idhftgama samano rummavftsr. 

2) Ich lese sutaf^ fta das svtUaik der Ausgaben und Küaka^thas; vgl. 112, 11, 
wo R^yatf rnga den vermeintlichen BOier ptttram ivämarä^m nennt 


Die Sage Ton ^^uUfhgg. 121 

Zwei päda*8 enispreclien sicli hier ohne weiteres, und ich glaube, 
aach den vierten p&da der Pälistrophe im Mbh. wiederzufinden. 
Er ist offenbar, wie eine ganze Anzahl von Stellen in diesen Stro- 
phen, verderbt'). Das bhoto ist ganz anverständlich, chadana er- 
klart der Kommentator als Haar, eine Bedentang, die doch kaum 
zulässig sein dürfte, und die Yerbindung suianhdkanha ist zum 
mindesten verdächtig. Nun folgen der ersten Strophe im Mbh. 
noch zwei weitere allgemein beschreibende pada*s: 

samrddharüpati saviteva dipta^ su^lak^Qakri^Qäk^ir ativa gaura^. 
Der letzte p&da würde ins Fäli übertragen lauten: 

susaphakaohacchir ativa goro. 


1) Ich möchte hier nur spedeU auf em paar Stellen hinweisen, wo ich die 
Yerderbnie heilen zu können glaube. In der ersten H&lfte von G. 81 lesen alle 
Handschriften : 

a58A ca sa samnamanT catasso nll&pi tft lohitaks ca satn. 
Für sa hat der Heransgeber iiissa eingesetzt. Was immer auch in dem sasamna- 
mani stecken mag, jedenfalls ist hier von vier Arten von Schmucksachen die Rede. 
Ich lese daher in der zweiten Zeüe : 

nna pitft lohitaks ca seta. 
Die Aufz&hlung der vier Farben ntla (Ar^^ia, amto), piia, khüa (rdkta) und ibeto 
(tita, avadäta) begegnet in der ganzen indischen Literatur; ygl. Mahäpannibbfinas. 
ed. Childers, S. 19. 29. Mah&bodhivamsa 40. 66. Divyäyad. 265. Mbh. XII, 188, 6. 
Hariy. Bhay. 21, 10. Brhatsamh. 8, 19. 25 u. s. w. Der Kommentator hat in diesem 
Falle TieUeicht auch noch die richtige Lesart yor sich gehabt; er erklärt matii- 
iuvamapctvälarc^jaiamayani pi eatiäri püandhanäni, wo der Edelstein dem Schwarz 
(auch unmittelbar yorher yergleicht er das schwarze Haar einem gutpolierten 
Edelstein: anJca^htuisam awiu^ijitamafiimayafH viya khäytUi), das Gold dem Gelb, 
die Koralle dem Rot und das Silber dem Weifi entsprechen würde. Anstatt der 
Koralle könnte aber auch Kupfer gemeint sein; wenigstens kommt die Zusam- 
mensteUung yon Edelstein, Gold, Kupfer und Silber auch sonst öfter yor; ygl. 
Jit IV, 60, 20; 85, 15: 

soTannamayam ma^imayam lohamayam atha rapiysmayam. 
~ In G. 27 natihan nu kirn cetastkafiei dukkham wArde ich nicht eetankan ea 
dukkham, sondern cetasi ktü ea dukkham herstellen; ygl. Jftt. IE, 844, 22; IV, 
459, 21 : kin U naUham kirn pana patthayäno idhägamä brahme (bzw. -nä idhä- 
ffolä fiäri). — In G. 88 und 87 lese ich, in Übereinstimmung mit dem Kommentar« 
kimrukkhaphcLläni bzw. -phalam, — In G. 85 lese ich mit B^ pakirati statt des 
UBYerständlichen parikaH. Der Gebrauch yon prakiraH für das Auflösen der Haare 
bedarf keines Beleges. In derselben Strophe erfordert der Sinn $amtäii anstatt 
tamkhati; $amväti wird überdies durch den Kommentar und B'* gestützt. — In 
G. 41 würde ich vivainya ürü lesen, worauf die Lesart yon C^ üru führt — 
In G. 48: 

na m' i^ja manta patibhanti tata na aggihuttam na pi yamSa tatra 
sind die letzten Worte yerderbt Die richtige Lesart steht im Kommentar in C^' 
yammaianiram; ygl. Jat. IV, 184, 12: 

adhicca tede sayittim yaSSatantrafi ca brahmaya. 


122 Heinrich Luders, 

Meiner Ansicht nach enthält die Zeile in dieser Form, wenigstens 
in ihrem Anfange susanhaJcanJiacchir die ursprüngliche Lesart, nnd 
die jetzige Lesart sukanhaJcanhacchad- ist ans dieser entstellt. Die 
Verderbnis geht indessen hier so weit, daß man auf eine vollstän- 
dige sichere Herstellung des päda verzichten muß ^). 

Die folgende Gäthä (29) lautet mit G-egenüberstellung der be- 
treffenden Sanskritzeilen (112, 3): 
amassu jäto apurä^ava^Qi 

Edhärarüpan ca pan' assa ädhärarüpä*) punar asya 

[ka^the | [ka^the 

vibhräjate vidyud ivänta- 

[riki^e I 
duv' assa') ganijiä ure sujätä dvau cäsya piQijiEv adharepa 

P^apthäd 
sovaQQapi^düpanibhä pabhas- ajätaromau sumanoharau ca || 

[sarä II 
Für den zweiten päda der Sanskritstrophe findet sich die Ent- 
sprechung in G. 32 und 42: {iä jotare bez. virocare) sateratä vijjur 
iv^ antaliJckhe, Auch der Anfang der dritten Gäthä (30) findet 
sich im Sanskrit wieder (112, 7): 
mukhan ca tassa bhusadas- vaktraih ca tasyädbhutadar- 

[saneyyaüi. [saniyam. 

Der Pädaschluß iassa bhusadassaneyyä , -neyyo erscheint im Päli 
noch drei Mal (G. 34. 36. 38), die entsprechenden Sanskritworte 
tasyadbhutadariantyam^ -dursanäni noch zweimal (112, 5. 6). 

Auch in den folgenden Versen macht sich überall eine mehr 
oder minder große Übereinstimmung im Sinne wie in den Worten 
bemerkbar. Man vergleiche G. 36: 
so väyati erito mälutena 


1) Für bhoto ist vielleicht dhoto zu lesen, das dem Sinne nach von Skrt. 
gaurah nicht abweicht. 

2) ädhärarüpä wird in Böhtlingk's Wörterbuch, wohl im Anschluß an Nfla- 
kantha's äiavälasadrii kanthäbharanavUesah als „ein Halsschmuck von bestimmter 
Form" erklärt. Allein R^yasrnga kennt keinen Frauenschmuck ; er beschreibt das 
Halsband daher als „etwas, was wie ein ädhära aussieht". Die feminine Endung 
im Mbh. ist wohl durch die Attraktion des Genus von vidyut entstanden. Was 
wir hier unter ädhära zu verstehen haben, ist nicht leicht zu sagen. Der Pftli- 
kommentar erklftrt amhäkam hhihJchäbMjanaßapanapannädhärasadisam pilandhor 
nam (Ausgabe: -pat^nadhära-). Ich möchte Nüakantha's Erklärung als „Wasser- 
rinne um einen Baum" vorziehen. Diese Bedeutung ist für das Wort im P&li 
wie im Sanskrit überliefert. 

3) So hat der Herausgeber für das dv'ässa der Handschriften zu lesen vor- 
geschlagen. Für ure überliefert der Kommentar als eine andere Lesart urato. 


Die Sage von ^«jasrÄga. 123 

vanaifa yathä aggagimhesa phallaihOI 
mit Mbh. 112, 8 

yathä vanaih mädhavamEsi madhye 

samiritaiii tfyasanenaiva bhati | 

tathä sa bhäty nttamapn^yagandhi 

ni^evyamä^a)^ pavanena täta || 
Das Päli beweist hier zugleich, daß wir im Sanskrit väti anstatt 
hhäii zu lesen haben. 

Eine Beschreibtmg des Ballspiels giebt Gr. 37: 

nihanti so rukkhaphalam pathavyä 

sacittarüpaih ruciraüi dassaneyyam | 

khittad ca nassa ponar eti hatthaiu 

han tata kiihrokkhaphalan na kho taih || 
und Mbh. 112, 10. 11 : 

tathä phalam vrttam atho vicitram 

samftharat päQinä daki^i^ena | 

tad bhümim äsädya puna^ pnnas ca 

samutpataty adbhntaröpam uccai)^ || 

tac cäbhihatvä parivartate 'saa 

väterito vrk^a ivävagharvan | 
£ine Beschreibung der Flechten 6. 34: 

jatä ca tassa bhusadassaneyyä 

parosataih vellitaggä sugandhä | 

dvedhäsiro sädhuvibhattarüpo *) 
und Mbh. 112, 2: jafok sugandhäh] 9: 

susamyatä^ cäpi jatä vi^aktä 

dvaidhikrta nätisama laläte | 
Ich verweise femer auf die Beschreibung des Gürtels (G. 32; 
Mbh. 112, 4), der klingelnden Schmucksachen (G. 31; Mbh. 6. 6), 
der herzerfreuenden, Vogelgezwitscher gleichenden Stimme des 
Madchens (G. 39; Mbh. 7), endlich auf den Wunsch des Sohnes, 
den Brahmac&rin wiederzusehen (G. 48** ; Mbh. 19). Auch die An- 
rede des Vaters (G. 26. 27 ; Mbh. 111, 22. 23) weist in beiden Ver- 
sionen Ähnlichkeiten auf. 

Genau wird die Übereinstimmung wieder am Schlüsse, in der 
Antwort des Vaters. G. 66 entspricht Mbh. 113, 1 — 4: 
bbntäni etäni caranti täta rak^aihsi caitani caranti 

[putra 


1) YgL aach G. 36. 

2) Ich schlage vor dredhä sire sndhuvibhaUan'tjfi zu lesen; vgl. dvaidhthiä 
loläfe. 


124 


Heinrich Lüders, 


virüparüpena manussaloke 


na täni sevetha naro sa- 

[panno 


rttpeil^a ten&dbhuiadarsanena 
atulyaviryävy abhirOpavanti 
viglmadi sadä tapasas cintayanti 
surüparnpävi ca tdni täta 
pralobhayante vividhair apäyai)^ 
snkh&c ca lokäc ca nipätayanti 
täny agrarnpäQi munin va- 

[ne^u H 
na täni seveta munir ya- 

[tätmft 
satäiii lokän prfirthayäna^ ka- 

[thaihcit I 
krtvä vighnaiii täpasänäih ra- 

[mante 
päpäcäräs täpasas tän na paiyet || 
asajjanenäcaritäni putra 
päpEny apeyäni madhüni täni | 
mälyäni cait&ni na vai mnninäih 
smrtäni citrojjvalagandhavanti || 
Biese Stelle ist die wichtigste von aUen, da sie die Frage nach 
dem Verhältnis der beiden Versionen entscheidet. Denn hier kann 
es keinem Zweifel unterliegen, daß die Mahäbhäratafassnng die 
jüngere ist: der Verfasser hat jeden päda der Gäthft zu einer 
ganzen Strophe erweitert *). Dann aber müssen wir natürlich auch 
in Bezug auf die übrigen Strophen der Päliversion die Priorität 
zugestehen; mit andern Worten: die ältesten Eheste einer 
literarischen Fassung der ^^yailrngasage sind uns in 
den Jätakastrophen erhalten, und diese Strophen hat 
der Verfasser der Mahäbhärataversion wenigstens 
teilweise gekannt und, ins Sanskrit übersetzt und 
mehr oder minder umgestaltet, in sein Werk auf- 
genommen. 

Nun erhebt sich aber die weitere Frage: Sind diese G&tbfts 


asajjanaih^) tassati brahma- 

[cäri II 


1) Aus dem Sanskrit ergiebt sich, dafi wir in diesem Worte nicht cac^a^ 
sondern asajjana zu suchen haben. Auch das folgende Wort, für das B^' und 
der Kommentar tuissati lesen, ist wohl verderbt. Man könnte, in Anlehnung an 
Mbh. 118, 3^, Yersncht sein näscyjanam paasati brahmacäH zu lesen. Eine N&ch- 
ahmnng der Strophe ist G. 10 des Mah&mangalajfit (453; lY, 78, 13 ff.): 

etani kho sotth&nftni loke vififiüpasatthftni sukhindriySni | 

tsnidha sevetha naro sapafiüo na hi mangale kincanam atthi saccam || 

2) Ähnlich ist aach, wie wir oben gesehen, die Halbstrophe G. 36 in Mbh. 
112| 8 zn einer ganzen Strophe erweitert 


Die Sage von Rsyairnga. 126 

das Werk eines baddhistischen Dichters oder sind es alte Akhya- 
nastrophen ans vorbnddhistischer Zeit, die hier gesammelt sind? 
Ich glanbe, daß das letztere ganz entschieden bejaht werden mnß. 
Jene Strophen enthalten auch nicht das mindeste, was irgendwie 
auf den Buddhismus hinwiese. Im Gegenteil, es scheint mir ge- 
radezu ausgeschlossen, daß ein Buddhist Verse solches Inhalts, 
wie ihn z. B. G. 13 — 17 aufweisen , gedichtet haben sollte. Die 
Strophen zeigen vielmehr in ihrem teilweise tiberderben Humor 
durchaus den Charakter des Volksliedes einer literarisch rohen 
Zeit, und daß sie in den buddhistischen Kanon geraten sind, ist 
überhaupt nur begreiflich, wenn man annimmt, daß sie beliebte, 
im Volke allgemein verbreitete Äkhyänastrophen waren*). Und 
dieser Schluß wird durch die Form, in der sich diese Strophen 
uns darbieten, bestätigt. Wie ich oben erwähnt und an einzelnen 
Beispielen zu zeigen versucht habe, sind die Strophen zum Teil 
bis zu einem solchen Grade verderbt, daß die Verderbnis schon 
vor der handschrifüichen Fixierung bestanden haben muß. Sie 
sind femer in Unordnung. In G. 41 wird z. B. plötzlich von 
„tmom vawm^ gesprochen, etwas, was der alte IQl^i, dem die Sache 
erzahlt wird, unmöglich verstehen kann, denn erst in G. 46 wird 
ihm berichtet: accho ca kho tassa vanam aliäsi. Außerdem finden 
sich Parallelverse. G. 26 ist dem Inhalte nach eine genaue Wie- 
derholung von G. 27. Abweichend ist nur das Versmaß. Wäh- 
rend im übrigen das Gespräch zwischen Vater und Sohn, ja tiber- 
haupt der ganze Abschnitt von G. 12 bis zum Schlüsse in Tri^tubh 
verfaßt ist ^, ist G. 25 ein äloka. Nun kommt diese Strophe, wie 
Fausb0ll bemerkt, auch im Cullanäradajätaka (IV, 221, 19) vor, und 
da sie hier an der Spitze von dreizehn andern ^lokas erscheint, 
80 dürfen wir sie ohne Bedenken als ursprünglich zu jenem Stro- 
phenc^dus gehörig bezeichnen. Diese drei Tatsachen, die Ver- 
derbnis des Textes, die Unordnung in der Reihenfolge und das 
Vorkommen von eingeschobenen Strophen scheinen mir ebenfalls 


1) Die ganze Geschichte überhaupt ist jedenfallB aufgenommen, weü sie eine 
iUnstration für das bei den Buddhisten so beliebte Thema von der Schlechtigkeit 
der Weiber bietet Nach dem Paccuppanna^atthu erz&hlt der Buddha sie einem 
liabeakranken Bhikfu. 

2) Eine Ausnahme macht allerdings Q. 53, ebenfalls ein ^loka. Allein diese 
Strophe enthUt eine allgemeine Sentenx über den Wert des Zusammenwohnens 
Ton Freunden, die sich in der Rede des Alten so unpassend wie möglich aus- 
Binmt Es kann keinem Zweifel unterliegen, da£ der Sammler diese Strophe 
hier nur eingeschoben hat, weü in der Torausgehenden Strophe die Mtttöm, aber 
in gaai anderm Zusammenhange, erwähnt sind. 


126 Heinrich Luders, 

deutlich darauf hinzuweisen, daß wir in diesen Gäthäs die Reste 
einer alten volkstümlichen Akhyänadichtung vor uns 
haben, die von dem Buddhisten, so wie er sie vorfand, gesammelt 
und ohne große Sorgfalt zusammengestellt worden sind. Volks- 
lieder werden zersungen und zersagt, nicht nur im Orient, son- 
dern auch bei uns, und nicht nur in vorbuddhistischer Zeit, son- 
dern noch heutzutage. 

So verliert denn auch die Tatsache , daß der Verfasser der 
Sage im Mahäbhärata jene Gäthäs benutzt hat, alles Auffällige. 
Er ging nicht auf die buddhistische Sammlung zurück, um ihr ein 
paar Verse zu entlehnen, etwas, was von vorneherein nicht gerade 
wahrscheinlich ist und um so unwahrscheinlicher wird, da er, wie 
wir gesehen, wenigstens an einer Stelle einen älteren Text vor 
sich hatte — er schöpfte vielmehr direkt aus dem Volksmunde. 
Höchst wahrscheinlich kannte er auch gar nicht alle die Strophen, 
die im Jätaka stehen, dafür aber einige andere, die dort fehlen. 
Noch heute wissen nach dem Zeugnis Grierson's von den epischen 
Liedern, die jede Kaste in Behar hat, nur wenige das Gunze ^). 

Wenn diese Ansicht über die Gäthäs des Najinikäjätaka rich- 
tig ist, so dürfen wir wohl ohne weiteres annehmen, daß sie auch 
für die Gäthäs anderer Jätakas gilt*). Es mag daher gestattet 
sein, auch noch ein zweites Jätaka, das Dasarathajätaka (461), 
darauf hin zu prüfen. Jacobi ^) hat allerdings, und wie ich glaube 
überzeugend, nachgewiesen, daß das Jätaka eine jüngere und 
schlechtere Form der Sage enthält, als sie im Eämäya^a vorliegt. 
Allein dieser Beweis stützt sich einzig und allein auf die Frosa- 
erzählung; die Strophen enthalten nicht das mindeste, das mit der 
ursprüngUchen Sage nicht vereinbar wäre. Es besteht also je- 
denfalls die Möglichkeit, daß die Verhältnisse hier ebenso liegen, 


1) ZDMG 48, 417. 

2) Ich brauche indessen vohl kaum zu bemerken, dafi keinesvegs alle Gäthfts 
gleich zu beorteUen sind. Man vergleiche aber nur einmal die zweifellos von 
einem buddhistischen Verfasser herrührenden G&thfts des Kalingabodh^fttaka (479; 
£d. IV, 228 ff.) mit onsem GsthSs. Ich will hier nur auf einen Unterschied hin- 
weisen. Die Gfithas jenes Jfttaka sind gar keine Akhy&nastrophen mehr; dort 
ist vielmehr auch der verbindende Text versifiziert, und wir haben ein vollständiges 
episches Lied vor uns, das auch dann verständlich sein würde, wenn die Prosa- 
erz&hlong des Jfttaka überhaupt fehlte. Ein Ansatz zu dieser Yersifizierong der 
verbindenden Erz&hlung liegt übrigens auch schon in unserm Jfttaka in G. 7—9 
vor, doch würde es bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis vorschnell sein, daraus 
zu schliefen, daB diese Qftthfts jünger seien als der Rest. 

8) Bftmftjra^a, S. 84 ff. 


Die Sage Ton R^yasrnga. 127 

wie bei der ^^y&srngalegende. Nun läßt sich aber tatsächlich 
nachweisen, daß zur Zeit, als die Strophen gedichtet wurden, die 
Rämasage noch nicht in der Form bestand, in der sie die Prosa- 
erzählnng des Dasarathajätaka bietet. In der letzteren stirbt 
die Matter des Räma schon vor der Gebart des Bharata, also 
lange vor dem Fortzag ihres Sohnes. Hier ist es ferner der Hi- 
mavat, den Käma, Sita and Lak^ma^a als Aufenthalt wählen. 
Beides steht im Widersprach mit dem H&mäyaQa. Nun finden wir 
aber im Jayaddisajfttaka (513) eine Strophe (17), die den Segens- 
wunsch einer Königin an den fortziehenden Sohn enthält : 

yaih DaQdakäraBnagatassa m&tä 

Rämass' akä sotthänaih sugattä | 

tan te ahaih sotthänaih karomi 

etena saccena sarantu devä 

anufinäto sotthi paccehi putta ^) || 
Hier haben wir also die Mutter, die den Räma in den Wald ziehen 
sieht, und als den Namen des Waldes den DaQ(}aka, ganz wie im 
RämäyaQa. Wenn der Verfasser der Frosaerzählung fiir den DaQ- 
4aka den Himavat substituiert, so verfährt er damit nur nach der 
Schablone. Wenn in den Frosaerzählungen ein Einsiedler erscheint, 
so wohnt er immer „im Himavat^ ^). Gerade dieses Gleichmachen 
aller Nebenumstände in der Geschichte, das Stereotype, das hier 
wie überall in den Frosaerzählungen zu Tage tritt'), hält mich 
ab| mit Jacobi in diesen Abweichungen absichtliche Änderungen 
zu erblicken M. Was sollte denn die buddhistischen Sammler zu 
solchen zwecklosen Änderungen bewogen haben? Und wenn sie 
wirklich so änderungslustig waren, so sollte man doch erwarten, 
daß sie vor allen Dingen die Gäthäs verändert hätten. Es wäre 


1) YergL za dieser Form des Segens die Mangalas der Mutter R&ma's, Rftnu 
n, 25, 32 ff. Auch zu dem im JStaka ▼oraosgehenden Segensspruche des Vaters 
finden sich dort verschiedene Parallelen. 

2) Vgl. Jftt 6. 70. 81. 86. 99. 117. 120. 124 n. s. w. 

3) Im Jätaka gewährt z. B. Dasaratha der Mutter des Bharata die Wahlgabe 
nicht, und Rftma zieht mit den Seinen in den Wald, um den Intriguen der Köni- 
gin zu entgehen. Mir scheint dies einfach aus dem Devadhammaj&taka (6), auf 
das schon Weber hingewiesen hat, übernommen zu sein. Manches stimmt in den 
beiden Erz&hlungen wörtlich überein, und im Deyadhammaj&t ist jener Zug ganz 
berechtigt. 

4) Daft daneben auch vereinzelt absichtliche Änderungen bei der Aufnahme 
der Geschichten in die buddhistische Sammlung vorgenommen worden sind, soll 
damit nicht geleugnet werden. So halte ich es z. B., wie oben bemerkt, für wahr- 
scheinlich, daB die Geschichte von der Geburt des Rsyasraga von Anfang an von 
den Boddhiiten anders erz&hlt wurde als sie ursprünglich lautete. 


128 Heinrich Luders, 

jajdoch nichts leichter gewesen, als z.B. im NalinikSjätaka die 
Worte tarn me brahmanam änaya durch etwas anderes, mit der 
veränderten Erzählung Übereinstimmendes za ersetzen. Wenn 
das nicht geschehen ist, so scheint mir das za beweisen, daß ur- 
sprünglich die G-eschichte auch bei den Buddhisten anders erzählt 
wurde, und daß die uns vorliegende Prosaerzählung nicht auf alter 
Tradition beruht. Es ist ja auch kaum zu verwundern, daß der 
Kommentar zu den Gräthäs — und als solcher gilt die ganze Prosa 
bis auf den heutigen Tag — nicht ebenso sorgfältig überliefert 
wurde wie der Text selbst, und daß daher solche specielle Yolks- 
sagen des nordöstlichen Indiens, wie die Räma- und ^^yaärnga- 
sage, bei ihrer Verpflanzung nach Ceylon und während ihrer Über- 
lieferung daselbst bis zu der Zeit, aus der unser Text des Atita- 
vatthu stammt, Verstümmelungen erfuhren^}. 

Ich glaube, wir können sogar behaupten, daß der Verfasser 
der Prosaerzählung nicht nur mit den allgemeinen Zügen der Rama- 
sage nicht mehr vertraut war, sondern sogar die ihm vorliegenden 
Gäthäs wenigstens an einer Stelle völlig misverstanden hat, wahr- 
scheinlich, weil ihm der Gebrauch, auf den darin angespielt ist, 
unbekannt war. Ich meine die erste G-äthft: „Kommt, Lakkhana 
und Sitft, steigt beide ins Wasser. So sagt Bharata dort: König 
Dasaratha ist tot". Diese Strophe wird in der Prosaerzählung 
durch folgende absurde G-eschichte erläutert. „Während Bharata 
so weinend dasaß, kamen zur Abendzeit die beiden andern mit 
allerlei Früchten heim. Der weise Bäma überlegte: »Diese sind 
jung; sie haben nicht die umfassende Weisheit wie ich. Wenn 
sie plötzlich hören, daß ihr Vater tot ist, wird ihr Herz brechen, 
da sie den Schmerz nicht werden ertragen können. Ich werde sie 
durch eine List veranlassen, ins Wasser zu steigen, und ihnen 
dann die Sache mitteilen«. So zeigte er ihnen denn einen Teich, 
der sich vor ihnen befand, und, indem er ihnen bedeutete: »End- 
lich seid ihr gekommen. Dies soll eure Strafe sein, steigt in das 
Wasser hier und bleibt da«, sprach er die erste Halbstrophe. Auf 
die erste Aufforderung hin stiegen sie hinein und standen da. 
Dann sprach er, ihnen die Sache mitteilend, die zweite Halbstrophe. 
Als sie die Nachricht von dem Tode des Vaters gehört hatten, 

1) Daft die vorliegende Prosaerzählong nicht die alte Tradition wiedergiebt, 
scheint mir aufs deutlichste aus Jat 15 herrorzngehen. Hier ist die ganze, alberne 
Geschichte, wie zuerst Künte bemerkt hat, auf eine falsche Lesart in der Qathft 
(ÜEöfoM fOr hüähS) aofgebant. Die richtige Lesart findet sich noch in einzelnen 
■inghalesischen Handschriften und in der J&taka Pela Sänne (siehe die zosammen- 
gestellten Angaben darüber an Chalmers^ Übersetzung, 8. 47). 


Die Sage von E^yamga. 129 

worden sie ohnmächtig. Er sagte es ihnen noch einmal, nnd wie- 
der wurden sie ohnmächtig, nnd als sie in dieser Weise zum drit- 
ten Mal in Ohnmacht gefallen waren, hoben ihre Begleiter sie anf , 
brachten sie aus dem Wasser heraus und setzten sie auf den Boden, 
und als sie wieder zu sich gekommen waren, saßen alle weinend 
und klagend mit einander da^. 

Um zu einem richtigen Verständnis der Gäthä zu gelangen, 
müssen wir von den folgenden Gäthäs ausgehen. Weber ') neigte 
der Ansicht zu, daß wir in jener Trostrede des Eäma „eine Probe 
des wahren Buddhismus ^ vor uns hätten. Allein solche Trostreden 
werden gerade in den brahmanischen Ritualtexten vorgeschrieben ^. 
Buhige oder bejahrte Leute sollen die trauernden Verwandten mit 
alten Erzählungen und weisen Sprüchen unterhalten und trösten, 
und wer z. B. die Sammlung solcher Sprüche in der Vi^^usmrti 
(Adhy. 20) mit unsem Gäthäs vergleicht, wird sehen, daß inhalt- 
lich auch nicht der geringste Widerspruch zwischen ihnen besteht. 
Diesen Trostreden geht nun nach den Ritualtexten das udakdkar- 
man voraus, das in der Hauptsache darin besteht, daß die Ver- 
wandten des Verstorbenen in ein Gewässer hinabsteigen und hier 
dem Toten eine Spende ausgießen. Ich habe daher keinen Zweifel, 
daß sich die Gftthft hierauf bezieht, also eine Aufforderung 
des R&ma zum udakaharman enthält. Ebenso ist der 
Gang der Erzählung im Rämä7a9a. Unmittelbar nachdem Räma 
der Sitft und dem Lak^ma^a den Tod des Vaters verkündet hat '), 
begeben sich die drei zur Mandäkini hinab und vollziehen dort die 
jaiaJcriya, Am nächsten Morgen hält dann Räma dem betrübten 
and ihm die Herrschaft anbietenden Bharata eine Trostrede ^). 

Jedenfalls haben wir auch beim Dasarathajätaka die Strophen 
und die Prosa auseinander zu halten. Wenn daher die Sage, wie 
sie in der Prosa des Jätaka erzählt wird, auch schlechter als die 
Fassung des Rftmäya^a ist, und die Zeit ihrer Abfassung sicher-. 
lieh hinter der des Rämäya^a liegt, so ist damit doch noch 
nicht bewiesen, daß diejenigen Strophen des Jätaka, die sich im 
Bftmftyaoa wiederfinden, dem letzteren entlehnt seien, wie Jacobi 


1) Ober dM BSmftTa«», 8. 66. 

2) YgL Cftliuid, Altind. Todten- und Bestattongsgebr&ache, 8. 74 ff. HiHebrandt, 
Bitaallitflntiir, 8. 89. 

8) Und iwar in einer einsigen Strophe (II, 108, 15), die einen gewissen An- 
klniig nn die Gftth& nicht verkennen läBt : 

Site mrtas te SYMnrah pitrhmo 'si Lakfma^a | 

Bharato dnhkham ftcaf{e srargattm p^n^iateh || 
4) n, 105. ' 

SgLe«i. d. W. VaakfkhlHu PUMH-kM«. KImw. 1W7. Btfl 1. 9 


130 Heinrich Laders, 

anzunehmen geneigt ist. Übereinstimmend ist zunächst die Schloß- 
Strophe des Jätaka (13): 

dasa yassasahassSlni sat^hi vassasatä^i ca | 
kambuglvo mabäbäha Kamp rajjam akärayi || 
und Räm.VI,128: 

da^a var^asahasrä^i dasa var$a^atftni ca | 
bhrätrbhih sahita^ srim^n £ämo räjyam ak&rayat^) || 
Innei*e Gründe, die die Frioritätsfrage entscheiden könnten, finde 
ich in diesen beiden Versen nicht. Aber schon Fausb0ll') hat auf 
eine zweite Strophe hingewiesen, die gleichlautend in der Tro9trede 
des ßäma im Jätaka wie im Bämäya^a vorkommt. £s ist Gäthft 6 : 
phalänam iva pakkänam nicca^l papatanä bbayam j 
evam jätänam maccänam niccam maravato bhayaib ') j| 
;,Wie reifen Früchten stets die Gefahr droht, zu fallen, so droht 
den geborenen Sterblichen stets die Gefahr zu sterben**. 

Die Strophe lautet im Sämäyava (II; 105, 17; B. U, 114,4): 
yathä phal&nftm pakvänam nAnyatra patanäd bhayam | 
evam naränfi|h jätänäm^) nänyatra piara^ftd bhayam || 
;,Wie reifen Früchten keiue andere Gefahr droht als zu fallen, so 
den geborenen Menschen keine andere Gefahr als zu sterben^. 
Hier wird n^an kaum upihin können, der FftUstrophe die Ursprung- 
lichkeit zuzuerkennen. In der Gftthä ist der Gedanke durchaus 
den Umständen angemessen, in der Sauskritstrophe dagegen paßt 
er, genau genommen, gar nicht in den Zusammenhang. Bama will 
doch die übrigen mit dem Hinweise darauf trösten, daß alle Men- 
schen eimnal sterben müssen, aber nicht damit, daß die einzige 
Gefahr für den Menschen der Tod ist^). 


1) Siehe die Lesarten bei Jacobi, a. a. 0. 8. 88. 

2) Dassnftha-Jfttaka, S. 28. 

8) Andere Handschriften lesen im zweiten päd» paianato oder papaMü. Die 
Strophe erscheint, wie ebenfalls schon Fausb«ll gesehen, auch im SaUasatta des 
Snttanipata (576), hier mit der vielleicht ältesten Lesart im zweiten p&da: paU) 
papatanä bhayam, Dafi die Strophe aber von altersher der Trostrede des R&ma 
angehörte, macht der Umstand wahrscheinlich, daA sie sowohl im Bftmiyana wie 
im J&taka an dieser Stelle erscheint. 

4) G. hat «orosya jätatya. Die Ühereinatimmnng mit dem Pftiitezt zeigt 
at^ec« dag B. mfr die bessere Lesart hat 

6) FansbfU hat a. a. 0. femer anf die Übereinstimmung dar enten HiUle 
von G. IQ : 

eko va macco acceti eko va jftyale knie 
mit der zweiten H&lfte von Barn. P» 106, 8 (B. llfl^ 12): 

yad eko jayate jantwr e^oa era vfaMu^rati 
hingewiesen. Die Zeile findet sich anch Mann lY, 240; BhSga?. P«. Z, 49^ 21 


Die Sage von Sfyasrftgs. 131 

MeiBer Anriebt nacli ist daher das Verhältnis der Gftthfts des 
Dasarathajfttaka zum Ram&yapa dasselbe wie das der Gftthfis des 
Na|inikftjfttaka znm Mahäbh&rata. Allein ebensowenig wie der 
Verfasser der Mahabharata-Erzahlnng machte Välmlki eine Anleihe 
bei der baddhistisehen Sammlung. Die Rämasage gehört wie die 
R^yasrngasage dem Nordosten Indiens an nnd hier waren Akhy&na- 
strophen, die sie behandelten, im Volke und in der Sprache des 
Volkes im Umlauf. Einzelne, besonders berühmte dieser Gftthäs 
nahm Välmlki, als er sein großes Epos in Sanskrit schuf, in sein 
Werk auf. Natärlich kannte er viel mehr als das wenige, was 
uns heute in der buddhistischen Sammlung vorliegt; hier sind ja 
überhaupt nur die Strophen einer Episode aufgenommen als eine 
Illustration fBr die Nutzlosigkeit der Trauer über den Tod des 
Vaters ^). Es lassen sich denn auch in der Tat noch zwei weitere 
Gftth&s nachweisen, die dem Dichter des Räm&yapa vorgelegen 
haben müssen. 

Die oben erwähnte Strophe daia var^asahasräni u. s. w. erscheint 
nämlich, wie Weber bemerkt hat*), auch im Mahäbhftrata zu ver- 
schiedenen Malen: VII, 69, 2P; 22* (wie im RämSya^a, aber mit 
der Variante im dritten päda: sarvabhütamanahJ^nto)^ XII, 29, 61 
(ebenso, aber im dritten pada: AyodhyadhipaHr bhütvä), endlich 
Hariv., Har. 41, 154 (ebenso, aber im dritten pada: AyodhyäyOm 
ayodhyäyam) '). Auf die beiden ersten Stellen ist kein Gewicht zu 
legen , da sie dem Rfimäya^a entlehnt sein könnten. Im Harivamsa 
aber erscheint die Strophe zusammen mit fünf andern, eingeleitet 
durch die Worte: 

gathfts capy atra gftyanti ye purft^avido janfth | 

Rfime nibaddh&s tattvftrthä mfthätmyam tasya dhimatati || 
Hier wird also jene Strophe in der Tat als eine alte Gätha be- 
bezeichnet. Daß der Verfasser hier an das Bftmftyapa gedacht 
hat, halte ich für ausgeschlossen. Er kennt das K&mäya^a sehr 
wohl ^), allein er nennt es das mahäkdvya {Rdmäyanaih mdhäkävyam 

(Bdhtliiigk, Indische Sprüche * 1365 ; Tgl. auch 1864) : 

ekah praj&yate (Bh. P. prasüyate) jantnr eka eva praliyate. 
Allein die Übereinstinunuig zwischen der Ofttha und den Sanskritstrophen ist 
hier doch nicht wörtlich genug, um den SchluB aof einen direkten Zosammenhang 
lU rechtfertigen. 

1) Bnddha erzählt nach der Einleitung nnser J&taka einem üher den Tod 
■eiiies Täters betrabten Landmaane. 

2) A. a. O. S. 65. 

8) YgL auch die fibrigen ron Weber angeführten fthnlichen Stellen. 
4) Es wird auch Bhav. 131, 95 erw&hnt': Vtd€ JRömdyofie inmy« Bhäraity 
doch ist dieser Absatz neileicht erst sp&ter hinzngeffigt (W^ber, a a. 0. S. 42). 


132 Heinrich Luders, 

Yi^Qup. 93, 6) ; er kann daher Verse Välmiki's unmöglicli als «auf 
Eäma bezügliche G-äthäs, die die Kenner alter Gresohichten singen^, 
bezeichnen. Außerdem sind die übrigen fünf Strophen, so weit 
mir bekannt, im Eämäya^a nicht nachgewiesen. 

Dagegen hat Weber nachgewiesen, daß zwei Stellen im Rä- 
mäya^a Anklänge an diese G-äthäs zeigen. Hariv., Har. 41, 153: 
syämo yuvä lohitäkso diptäsyo mitabhSL^a^a^ | 
äjännbähuti sumukha^ siihhaskandho mahäbhujati ^) || 
entspricht zum Teil Räm. B. VI, 113, 11 (C. VI, 130, 96): 
äjänubähuh sumukho mahäskandha^ pratapavän | 
Lak^ma^änucaro Eama^ prthivim anvapälayat *) || 
Hariv., Har. 41, 157: 
ije kratasatait^ puQyai^ samftptavaradak^iQaih | 
hitvAyodhyäm divaih yäto Bäghavati sumahäbala^ || 
zum Teil Räm. B. VI, 113, 9 (C. VI, 130, 97) : 
sa räjyam akhilaih präpya nihatärir mahäyasä^ | 
ije bahuvidhair yajiiair mahadbhis oftptadak$i- 

[vait«) II 
Wir gelangen hier also zu demselben Resultate wie oben : Välmlki 
hat die alten Gäthäs über die Rämasage bei der Abfassung seines 
Epos benutzt. Im letzten Falle liegen uns sechs derselben im 
Sanskrit vor ; ich möchte daraus aber nicht etwa folgern, daß ihnen 
ein höheres Alter zukäme als den Fälistrophen. Ich bin im Gegen- 
teil der Ansicht, daß sie Übersetzungen von Gäthäs in der Volks- 
sprache sind. Jedenfalls ist nicht der geringste Anhaltspunkt 
dafür vorhanden , daß etwa 6. 13 des Dasarathajätaka eine Über- 
setzung der Gäthä Har. 41, 154 des Harivamäa sei. 

Kehren wir jetzt noch einmal zur R^ya^rngasage zurück, um 
auch die bildlichen Darstellungen kennen zu lernen. 

Narasimmiyengar bemerkt '), daß Darstellungen der Entführung 
des IBLsyasrnga durch die Hetären jetzt häufig an der Rückseite von 
Tempeln vorkommen. Als eine Probe derselben giebt er die Zeich- 
nung eines Reliefs im Tempel des Gopftlasv&min in Deva^dahaUi. 
Die Hetären tragen hier den ^^i, indem zwei in der aus modernen 
indischen Bildern bekannten Art ihre Leiber zu einer Art Falankiu 
verschlingen, ^^yasrnga selbst hat den Kopf einer Gazelle. Ich 


1) Diese Strophe geht, mit geringen Ahweichongen, auch Mbh. VH, 59, 20** ; 
21* ; XII, 29, 60 der Strophe dada varaasahaaränd uunittelhar voraus. 

2) Für die Varianten verweise ich auf Weber, S. 69. Die Bengfili-Recension 
stimmt hier mit den G&thfis am genauesten überein. 

8) Ind. Ant II, 142. 


Die Sage ton Kfyair&ga. 188 

mochte daher auch in drei Broncestatnetten , die sich unter den 
alten brahmanischen Götterbildern im Vftt Bot Phram, dem letzten 
brahmanischen Tempel in Bangkok, befinden ^) , Darstellungen des 
l^yairnga erkennen. Die drei Figuren werden siamesisch .als Rüsi 
d. i. Einsiedler, ^i, bezeichnet, und daß sie in der Tat ^Vs vor- 
stellen, zeigt die Tracht und das hochaufgewickelte Haar. Eigen- 
tümlich aber ist, daß in allen drei Fällen der l^^i kein mensch- 
liches Gesicht, sondern einen Gazellenkopf mit zwei Hörnern hat, 
was durchaus mit der erwähnten Darstellung des R^yasrfiga stimmt. 

Eine Darstellung der Geburtsgeschichte haben wir in einem 
Barähat-Relief mit der Inschrift l8i$[ifhffiya ja]fa[ka] *). Die Einzel- 
heiten sind von Cunningham nicht richtig erklärt. Das Eelief stellt 
drei Stufen derselben Erzählung dar. Zu unterst haben wir Kassapo 
und die trinkende Gazelle, die Empfängnis. Die mittlere Scene 
stellt die Geburt dar: links die Gazelle, die eben den Knaben zur 
Welt gebracht, rechts dieser selbst und Eassapo, im Begriff ihn 
vom Boden aufzuheben. Darüber findet sich dann Kassapo noch 
einmal, vor dem Knaben, der auf einer Matte sitzt, knieend und, 
wie es scheint, ihm etwas darreichend. Ich glaube daher, daß dies 
die Fütterung des Kindes durch den R$i darstellt, doch läßt sich 
diese Scene, da der Stein hier stark beschädigt ist, nach der Pho- 
tographie kaum mit Sicherheit bestimmen. Die Wasserbehälter 
und die Einsiedlerhätte oben rechts deuten die Örtlichkeit an, 
wo sich die dargestellten Scenen abspielen. Das Relief beweist, 
daß um 200 v. Chr. die Geburtsgeschichte in der Form, wie sie in 
der Prosaerzählung des Jätaka steht, bestand. Das stimmt zu der 
oben geäußerten Ansicht, daß in diesem Teile der Sage die Prosa- 
erzählung die alte buddhistische Fassung bewahrt hat. 

Ich glaube nun auch die Darstellung des zweiten Teiles der 
Sage in einem bisher, soviel ich weiß, un gedeuteten Relief von 
Amarävati gefunden zu haben. Eine Zeichnung desselben findet 
sich in Fergusson's Tree and Serpent Worship «, Tafel LXXXVI »). 
Den Schlüssel zur Erklärung des Bildwerkes liefert die unten 
rechts dargestellte Scene. Hier steht aufrecht ein Mann, der durch 
sein in Flechten gewundenes Haar, das Tierfell über der Schulter, 
das eigentümliche Hüftengewand und die umgebenden drei Gazellen 


1) L. Fonniereaii, Le Siam AncieD. Annales du Mas^e Goimet, XXVII, 63 ff. 
PL XDL 

2) Cmmingham , The Stüpa of Bharhnt, Tafel XXVI. Hnltsscb, Bharaat 
laicriptioiis, Ind. Ant XXI, 239. 

3) Dm Original ist jetzt Tencliwimden. 


194 Beiarieh Ludert, 

dentlicli als Einsiedler gekennzeiolmet ist. In der linken Hanil 
bfilt er einen Ball. Er spricht, wie dnrch die erhobene rechte 
Hand angedeutet ist, zu einem mit zusammengelegten Händen vor 
ihm stehenden Mädchen. Diese trägt zwar den gewöhnlichen 
Frauenschmuck auf der Stirn , in den Ohren , am Halse , an den 
Armen und Füßen, zeichnet sich aber vor allen übrigen hier, wie 
in andern Reliefs, dargestellten Frauen dadurch aus, daß sie die* 
selbe Haartracht und dasselbe Hüftengewand hat wie der Büßer. 
Hinter ihr steht, ebenfalls mit gefalteten Händen, eine alte Frau. 
Etwas weiter zurück stehen unter einem Baume zwei junge Mäd- 
chen , von denen die eine einen kleinen , mir unbekannten Gegen- 
stand in der linken Hand hält. Rechts von ihnen findet sich ein 
sonderbares viereckiges Gebäude, mit topfartigen Aufsätzen an den 
beiden sichtbaren Ecken, und, wie es scheint, einer Art Kuppel ia 
der Mitte. Noch weiter nach rechts ist ein viereckiges Gebäude 
mit einer Tür sichtbar. Ob ein darüber befindliches Fenster, ans 
dem ein Frauenkopf heraus schaut, dazu gebort, vermag ich nicht 
zu entscheiden, wie denn überhaupt diese ganze Partie in der 
Zeichnung sehr undeutlich ist. Vielleicht gehört es dem Streifen 
an, der das Relief in zwei Teile teilt, und dessen Bedeutung aus 
der Zeichnung nicht klar wird. 

Wie dem aber auch sein mag, der Einsiedler mit dem Balle 
in der Hand, das als Einsiedler verkleidete Mädchen und die alte 
Frau lassen meiner Ansicht nach keinen Zweifel, daß wir hier 
^yairnga, die Hetäre und die Alte vor uns haben. Die beiden 
andern Mädchen lassen sich ungezwungen als zwei von den übri- 
gen, begleitenden Hetären deuten. In dem sonderbaren Gebäude 
erkenne ich die Einsiedelei auf dem Floße, in dem Gebäude rechts 
davon die Hütte des Büßers ^). Wir haben demnach hier 
eine Darstellung der ^^yai&rngasage in der purani- 
sehen Form. 

Und das wird durch die obere Scene, wie ich glaube, bestätigt. 
Hier sitzt ein durch seine Tracht als König gekennzeichneter 
Mann auf einem Throne , mit zwei Dienerinnen hinter sich , von 
denen die eine den Wedel, die andere den Schirm *hält. Zu seiner 
Linken sitzt ein junges Mädchen auf einem Stuhl. Zu seiner Rech* 
ten finden wir wieder, wie in der untern Scene, vier Frauen, drei 
junge und eine alte. Die Alte stellt, wie man aus der Handbe- 


1) Der ans dem Fenster heraasschauende Frauenkopf deutet tielleicht die 
Het&re in der Hütte an. Doch läBt sich dies hei dem Mangel des Steines selbst 
kaum entscheiden. 


Die Sage von R^yairnga. 136 

wegong ersieht, eines der Mädchen, das mit gefalteten Händen da- 
steht, dem Könige vor. Abseits, am rechten Ende der Platte, 
steht ein leerer Sessel mit einem Baum dahinter. Halten wir 
diese Seene mit der untern zusammen, so scheint es mir sicher zu 
sein, daß wir in dem Könige Lomapäda, in dem jungen Mädchen 
auf dem Sessel Santa und in den vier Frauen wieder die Hetäre, 
die Alte und zwei ihrer Begleiterinnen zu sehen haben. 

£s bleiben endlich noch die Figuren unten links. Hier sehen 
wir den König auf einem mit zwei Pferden bespannten Wagen 
hinter dem Wagenlenker stehen. £r trägt einen runden Gegen- 
stand, etwa eine Schale, in den hoch erhobenen Händen. Im Hin- 
tergrunde steht wiederum ein Baum. Ich glaube, daß wir diese 
Gruppe von der Scene zur Rechten abtrennen müssen und hier 
den König vor uns haben, der mit Geschenken dem ^yairAga ent- 
gegen zieht. 

Leider ist nun aber die Herkunft gerade dieser Platte nichts 
Genaueres zu ermitteln. Sie kann, wie Fergusson bemerkt, nach 
ihrem Stile und ihren Größenverhältnissen weder den „Bails^ noch 
dem Mittelgebäude angehört haben. Allein wenn das ftelief auch 
einer spätem Zeit angehört — und dafür spricht namentlich die 
Übertreibung und ganz mechanische Anwendung des Motivs der 
heraustretenden Hüfte — , so gehört es doch sicherlich noch der 
buddhistischen Periode der südindischen Kunst an und muß da- 
her vor dem sechsten Jahrhundert n. Chr. entstanden sein , wo 
mit der Ausbreitung der Macht der Calukyas im Dekkan die brah- 
manische Periode beginnt. Wenn meine Auslegung des Reliefs 
richtig ist, so ist damit die Existenz der puranischen Fassung der 

^ya^rngasage spätestens für das fünfte Jahrhundert n. Chr. 
bezeugt. 


Ueber etruakiBchen TempelbaiL 

Voo 

H. Begering. 

(Vorgelegt Ton K. Dilthey in der SiUnng Tom 20. Febmar 1897). 

Der Verfasser will in den vorliogenden Blättern den Yersnch 
machen, ein wichtiges Constmctionsgesetz etmskisch - italischen 
Tempelbaas nachzuweisen. Er verhehlt sich durchaus nicht, daß 
dieser Versuch, indem er gewissen festgewurzelten Anschauungen 
entgegentritt, notwendig Widerspruch hervorrufen wird. Da aber 
das neu gefundene Frincip sich ihm als durchaus consequent und 
in seiner Anwendung dem verschiedenartigen Material gegenüber 
als fruchtbar erwiesen hat, so glaubt er es getrost der Prüfung 
der OefPentlichkeit übergeben zu dürfen. 

Bis vor kurzer Zeit noch wäre es ein ganz aussichtsloses 
unterfangen gewesen, über das von V i t r u v ^) über den etruski- 
sehen Tempelbau Gegebene anders als mit Vermutungen hinaus- 
kommen zu wollen, da die Kenntnis erhaltener Beste solcher Tempel 
fehlte, die allein die sichere Grundlage für eine derartige unter- 
Buchung abgeben können. Jetzt aber, da wir infolge glücklicher 
Funde in der Lage sind, an einer stattlichen Reihe von erhaltenen 
Fundamenten etruskischer (resp. altitalischer) Tempel Beobach- 
tungen anzustellen, dürfte es wohl an der Zeit sein, Vitruv's 
Angaben über diesen Gegenstand auf Grund jener Beste auf ihre 
Wahrheit einmal zu prüfen. 

Bei Vitruv^ heißt es: locus^ in quo aedis canstüuetur^ cum 
habuarü in Ungitudime sex partes^ una adempta rdiquum quod erit 
la ti tud ini detur. Umgitudo autem dividatut bipertito et quae pars erit 
imterior^ cMmwm epatOs deeignetur^ quae eritpn>xima firtmtif columna- 

1) YitxavIY. 7. IC ad. Boss und Maller-Btrabing. 
Q yitraT».ft,ft,0. 

1^ •«. 4. WlH, iMkrUhl«. nU«loc.-kkUr. Umn 1817. Hlli. 10 


138 H. Degering, 

rum disposäiani relinquatur, item latitudo dividatur in partes dccem. 
ex his ternae partes dextra ac sinistra cellis minoribus sive i&» alae 
fuiurae sunt dentur, reliquae quattiwr mediae aedi attrihuantur. spa- 
tium quod erit ante cellas in pronao, ita columnis designetur ut an- 
gulares contra antas parietum extremorum e regione canlocentur, duae 
mediae e regione parietum, qui inter anlas et mediam aedem fuerint,^) 
distribuantur et inter antas et cdumnas priores per medium isdem 
regionibus alterae disponantur, 

Yitrav's Angaben sind bis auf einen Punkt einfach nnd auf 
den ersten Blick klar und verständlich. Die Grundform des Tem- 
pels soll ein Rechteck sein, dessen Länge sich zur Breite verhält 
wie 6 : 5, das also fast quadratisch ist. Dieser Baum soll so zwi- 
schen Zellen und Vorhalle verteilt werden, daß auf jeden Teil 
die Hälfte entfallt, und somit die Orientierungslinien des Tempels 
auf der Schwelle der Mittelzelle zusammentreffen. Die Breite soll 
so gegliedert werden, daß die Breite einer größeren Mittelzelle 
sich zu der Breite je einer der beiden kleineren Seitenzellen ver- 
halte wie 4 : 3. Dem Zellenraum analog soll auch die Vorhalle 
durch Säulenreihen von je zwei Säulen gegliedert sein, die in der 
Richtung der Seiten- und Zwischenmauern verlaufen. Soweit ist 
alles einfach und bei unbefangener Beurteilung wohl unzweifel- 
haft. Aber die Worte sive ibi alae futurae sunt bieten mancherlei 
Schwierigkeiten und haben die verschiedensten Deutungen gefun- 
den. Zunächst will ich hier aber feststellen, daß alae nur eine — 
freilich sehr alte — Conjectur ist. Sie stammt von dem Veroneser 
Architecten Fra Giocondo und ist aus dessen Ausgabe des Vitruv's 
in alle späteren übergegangen. Die Handschriften haben dafür 
dliac. Für die vermutete Lesart, an deren Richtigkeit bisher 
niemand gezweifelt, hat man im wesentlichen zwei verschiedene 
Deutungen*) aufgestellt. Die erste, von den meisten (ich nenne 
Canina, Hirt, von Rode, Klenze, Martha, Petersen) 
vertretene Ansicht versteht unter alae seitliche Säulengänge, die 
längs der einen Hauptzelle nach außen hin offen verlaufen, indem 
sie den sonst den kleineren Zellen zukommenden Raum einnehmen. 


1) Das iU der Handschriften ist nach 0. M ü 1 1 e r' s Vorgänge za streichen. 

2) Eine ZosammenstellnDg der verschiedenen ftlteren Auffassungen unserer 
VitruTstelle findet man in der Prachtaasgabe des Vitrav Ton liarini (Rom 1836) 
B. I S. 281 f. und B. IV Taf. LXI. Er selbst fasst ala als gleichbedeutend mit 
eella minor auf. Diese Ansicht scheitert schon an der Unmöglichkeit der Inter- 
pretation. Mit dem Satze Mt «W... futurae 9uni kann nor auf etwas von 
den ceJIoe mmortt wesentlich Verschiedenes hingewiesen werden« 


über etmskisohen Tempelban. 


139 


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1 • » J^ 
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^ 6- 0- — -^ 


Fig. 1. 

Fig. 1. giebt die so entstehende Form des Tempelgrnndrisses 
schematisch d. h. ohne Rücksicht auf die von Vitruv gegebenen 
Verhältniszahlen der Abmessongen der Zellen wieder. Fig. 2 



Fig. 2. 

stellt ebenso den Tempelgrandriß mit alae nach der Anffassong 
Nissen's dar. Nissen will nämlich nnter olae dnrch Säulen- 
reihen von dem Mittelraume abgetrennte Seitenschiffe verstehen. 
Er zieht diese Stelle Yitrnv's zur Erklärung des Grundrisses 
des Juppitertempels von Pompeji heran ^). „Der Tempel^, so führt 
er ans, „ist tuscanischer Ordnung, Vitruv, IV. 7.1. schreibt vor: 
. . . (folgt unsere Stelle bis dispositioni relinqucUur) ; dies trifft wie 
S. 90 bemerkt zu. Er fährt fort: item.... aedi aUribuantur. Nun 
wu6te ich nichti wie man Seitenschiffe zwischen der inneren Säulen- 
Stellung und der Wand anders denn als alae bezeichnen sollte, die nach 
V i t r u v' 8 Worten bei dem tuscanischen Tempel, der nicht in drei 
durch Mauern geschiedene Zellen zerfällt, regelmäßig vorkommen. 
Daß das Verhältnis hier 1 : 6 und nicht 3:4 ist , ändert an der 


1) Pompej. Studien 8. 8251. 


10 


140 


H. Degering, 


Sache nichts, denn Breite und Länge des Ganzen ist nicht nach 
Vitra v' s Vorschrift 5 : 6 sondern B : 12. 

Die Annahme, daß die alae seitliche nach außen offene 
Säulenhallen seien, wie sie die erste Erklärung voraussetzti 
läßt sich mit dem Sprachgebrauche V i t r u v ' s nicht ver- 
einigen. Vitruv gebraucht das Wort aiae sonst nur bei der 
Erörterung der Anlage des römischen Privathauses ^) und bezeich- 
net hier mit diesem Ausdrucke ganz bestimmte, sich an das hintere 
Ende des Atriums anschließende Seitenhallen. Das charakteristi- 
sche Merkmal dieser cdae scheint mir der Umstand zu sein, daß 
sie, nach außen und den übrigen Bäumen des Hauses in der Be- 
gel abgeschlossen, resp. nur durch Thüren verbunden, mit dem 
Hauptraume des Hauses, wie er durch Atrium und Tablinum ge- 
bildet wird, direct und in voller Breite communicieren. Aus der 
Art und Weise, wie Vitruv an der angegebenen Stelle das Wort 
äla als eine in diesem Zusanmienhang ohne Weiteres deutliche Be- 
zeichnung anwendet, scheint mir hervorzugehen, daß dasselbe ein 
auch im gewöhnlichen Verkehr für diese Räume üblicher und 
nicht etwa blos ein bautechnischer Ausdruck gewesen ist. Das- 
selbe geht auch aus der Natur des Wortes selbst hervor, atrium 
dlae und tablinum bilden nämlich in ihrer gewöhnlichen Form 
und Anordnung folgende Figur (3), die, wie man sieht einem flie- 




W^//////m 


Ala 


yyjVxyyy/A 




% 




Abrujarv 


vyyyyx/yy/^y/jTA 



Fig. 8. 

genden Vogel mit ausgebreiteten Fittigen vergleichbar ist und an 
der eben jene alae die Flügel bilden. Solche einfachen bildlichen 
Gleichnisse pflegt das Volk zu prägen, nicht der Grelehrte. Wenn 
das aber der Fall ist, wenn also unter alaz ohne weiteres nur 
jene Teile des römischen Hauses oder aber gegebenen Falles 
gleichgebildete Teile anderer Bauwerke — und wir werden solche 


1) VitruT, VI, 8. 4, 


über etnukiachen Tempelbau. 141 

Beispiele keimen lernen — verstanden werden konnten, so ist es 
klar, daß dann in unserer Yitrnvstelle alae anf keinen Fall solche 
seitlichen Säulenhallen bezeichnen können, die weder mit dem 
Haaptramn direct commnnicieren, noch sonst durch ihre Form und 
ihre Lage zu den anderen Teilen des Baues die Wahl dieses Aus- 
drucks rechtfertigen könnten. Dazu kommt noch, daß Vitruv 
sonst solche den Tempel umgebenden, nach außen offenen Säulen- 
gange immer mit dem griechischen Ausdrucke pteroma ') bezeichnet, 
und man doch nicht den geringsten Grund dafür aufzeigen kann, 
weshalb er gerade an dieser Stelle allein von seiner Gewohnheit 
abgewichen sein sollte, um für einen üblichen griechischen termi- 
nns technicus einen römischen Ausdruck einzusetzen, der für seine 
romischen Leser mindestens leicht zu Mißverständnissen Veran- 
lassung geben konnte. Zum wenigsten dürfte man in diesem Falle 
erwarten, daß er auf das Ungenaue seines Ausdrucks aufinerksam 
machte, wie er sonst wohl auch mit sive . . . vocantur oder ähnlichen 
Wendungen zu thun pflegt'). Uebrigens gehen die griechischen 
Ausdrücke xxbqöv und xtigaim auf ganz andere Anschauungen 
zurück, als der lateinische Ausdruck ala. Der Grieche nennt die 
Säulengänge seiner Tempel xtsgi oder xtsgAiueta, weil die Säulen 
oder Säulenpaare längs der Wände hin neben einander geordnet 
sind wie die Schwungfedern eines Flügels. Hier sowohl 
als in dem ähnlichen Gebrauch des Wortes ntsgöv für die 
Hauerzinne liegt das tertium comparationis in der gleich- 
mäßigen Nebeneinanderordnung der Säulen an der Tempel- 
wand und der Zinnen auf dem Mauerrande einerseits und der 
Federn an dem Flügelstumpfe andererseits. Wie man sieht, ist 
das Gleichnis ein ganz anderes als dasjenige, das zu der Ueber- 
tragnng des Ausdrucks ala auf jene Hausteile Veranlassung gab. 
Hier ist es der Flügel in seinem Verhältnisse zum Körper des 
Vogels, dort der Flügel als eüie Reihe von nebeneinander geord- 
neten Federn. Uebrigens haben sich auch die Römer, wohl in An- 


1) yitruT, in, 8,8. IV, 4,1. IV, 8,6. 
8) VitruT, IV, 6,4. aneones siTe parotides Tocantnr. 
X, 10, 5. cheloiiiam sive pulTinas dicHiir. 
X, 9,8. theca nm id localamentum est » X, 9,6. 
X, 10,4. cheUe, live manucla dicitiir. Vgl. Mich I, 6,18, 

II, 6, 2, Vn, 6, 1, X, 16, 8. 
IX, 4, 1. septeatrio, qaem Qraed nominant a^wtop sWe tUnfiw, 
X, 14, 1. arbuscalae, quae graece ai^iimodis dicontor. Zahl- 
reiohe Beispiele dieser Art finden eich namentlich 
im X. Bache. 


142 H. Degering, 

lehnang an griecMschen Sprachgebraach, dieses selben Gleichnisses 
bedient, pinna und nacb C. I. L. IV p. 189 auch pluma heißt die 
Mauerzinne*). Bei Vitruv bezeichnet i?mnac auch die Schaufeln 
des Wasserrades und die Tasten der Wasserorgel*). Wenn 
Vitruv also den griechischen Ausdruck ntigmiia auch hier hätte 
übersetzen wollen, so hätte er ihn nur mit pinnae wiedergeben 
können, da das Wort äla schon deshalb nicht paßt, weil es in gar 
keiner Beziehung zu dem wiederzugebenden Gleichnisse steht, 
denn ala = *agla von agere ist der Flügel als Fortbewegungs- 
instrument, die zum Fliegen ausgebreitete Schwinge des Vogels. 
Aus diesen TJeberlegungen geht meines Erachtens zur Genüge her- 
vor, daß die Auslegung des Wortes alae an dieser Stelle als seit- 
licher Säulenhallen falsch sein muß. In dieser meiner Ansicht 
kann mich auch Petersen 's Wendung') „die nicht miszuverste- 
henden alae Vitruv' s**, nicht wankend machen. 

Aber auch Nissen trifft mit seiner Auslegung nicht das 
Richtige. Erstens haben auch seine Seitenhallen, die dem Haupt- 
raum entlang liegen sollen und zwar in der gesammten Längen- 
ausdehnung, in ihrer Form und ihrer Lagenordnxmg zum Haupt- 
raum Nichts, was dazu Veranlassung geben könnte, den festge- 
prägten Ausdruck alae auf sie zu übertragen, ausserdem aber 
müßten wir in diesem Fall Vitruv eine arge Unklarheit der 
Darstellung zutrauen, da er ja im Folgenden auf die mit unge- 
wöhnlichem Ausdruck bezeichneten alae gamicht weiter eingeht. 
Mindestens müßte man doch wohl einige Angaben über die Säulen- 
stellung im Innern erwarten. 

Die Schwierigkeiten sind wohl nur auf folgende Weise zu be- 
seitigen. Da das handschriftliche sive ibi aliae futurae sunt eine 
vernünftige Erklärung nicht zuläßt, so ist es offenbar, daß eine 
Wortverderbnis vorliegt, es ist nur die Frage, wo dieselbe zu 
suchen und wie sie zu beseitigen ist. Das Einfachste und Natür- 
lichste erscheint auch mir, sie zunächst in aliae zu suchen und 
dann ergiebt sich von selbst jene Aenderung in alae, da ein Haupt- 
wort, das einen Eaum bezeichnet, erwartet werden muß. Nur 
darf man an den alten Erklärungen nicht festhalten wollen. Daß 
man auch Tempelräume mit alae bezeichnete, läßt sich nämlich in- 
schriftlich nachweisen. Die Inschrift*) C. Taesasius T. f, P, 
Äppaedius P. f. Äquila cur. fani poriicum alatn d (e) pag (t) «. f, c. 

1) Vgl. Nissen, Pomp. 8tad. S. 611. VUruT, X, 15. 1. 

2) YitroT, X, 5. 1. X, 8. 4. 

8) Petersen, Fände B6m. Mitth. XI 162. 
(4) C. L L. IX 3528 « Inser. regn. Neap. 6024. 


fiber etraskisclien Tempelban. 


143 


idq. p. beweißt aber auch zugleich, daß jene Erklänmg der dlae, 
die sie mit seitlichen Säulenhallen identificieren will, falsch sein 
maß, da hier porticus und ala neben einander stehen. Denn parti' 
cum alam ist doch sicher als porticum et alam aufzufassen, da man 
einen adjectivischen Gebrauch weder von porticus noch von ala an- 
nehmen darf, und andererseits das et zwischen zwei coordinierten 
Gliedern in den Inschriften unzählige Male fehlt. Bezeichnet aber 
porticus die Säulenhalle so muß für ala eine andere Erklärung ge- 
sucht werden imd da kann man immer nur auf die Bedeutung 
zurfickgehen die jener Ausdruck auch beim Hause hat : ein kleiner 
Ausbau, der sich seitlich von einem größeren Räume aus erstreckt 
und mit diesem in seiner ganzen Breite communiciert. Für diese Auf- 
fassung der Bedeutung des Wortes ala, spricht noch die Inschrift ') 
i/. Servüius Quarttis alam expolit et ... . Dieselbe stammt aus 
dem Heiligtume der Diana am See von Nemi, imd es geht aus den 
Fundumständen mit Gewißheit hervor, daß mit ala eine kleine 
Nische oder Kapelle bezeichnet ist, die mit anderen an der Seite 
der area hin belegen und nur von dieser aus zugängUch ist. 
Offenbar waren jene Kapellen aber auch nach der area in ihrer 
ganzen Breite oflPen*). Wollen wir nun also in unserer Vitruv- 
stelle alia^ in alae ändern, so müssen wir darunter auch hier 
solche Räume verstehen, die dem Begriffe, wie er sich beim römi- 
schen Hause herausgebildet hat, genau entsprechen. Dann würde 
aber zu jener ersten Aenderung noch eine zweite hinzutreten müs- 
sen: es wäre et siquae für $ivc*) einzusetzen, sodaß in xmserer Vi- 
truvstelle die alae und cellae minores sich nicht ausschließen sondern 
ergänzen. Einen solchen Tempel würde der Grundriß 4 darstellen. 


^^^^SZZZ^Z^ 




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^— — ^— — O- — 'O 
11!! 


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^ — ^ — ^ — -^ 


Fig. 4. 

1) C. I. L. XIY 4188. 

9) Vgl. 0. Bossbach, Das DiaDaheiligtom in Nemi, Yerhaodl. der Phi* 
lolofen-Versammlang in Qörlits 1889, 8. 147 ff.« besonders 8. 163 f. 

8) Palaeographisoh n&her liegt die Aenderong ? on stve in n^, die denselben 


144 ^* Degering, 

Unter den Tempeln der AkropoKs von Marzabotto glanbe ich einen 
solchen nachweisen zu können ; ebenso in Florenz. Barfiber später. 
Die Aendenmg von sive in et si quae^ ist aber für die Auf- 
fassung der ganzen Stelle von entscheidender Bedentnng, denn 
nun handelt Vitruv nur von dem dreizelligen Tempel als 
dem etruskischen, die Dreizahl der Zellen wird ein unterscheiden- 
des Merkmal desselben, und alle Angaben Yitruv's beziehen 
sich nur auf d-en Dreizellentempel und dfirfen nicht ohne weiteres 
auf andere Tempel übertragen werden, wie man es bisher mit Vor- 
liebe zu thun gewohnt war, indem man die Regeln über die an- 
nähernd quadratische Form, die Berechnung der SäulenhShe aus 
der Breite, ohne weiteres auf jeden Tempel Etruriens anwenden 
zu müssen glaubte. Ich bin nun aber nicht der Meinung, daß man 
bei der beschränkten Auffassung Y i t r u v 's stehen zu bleiben hat. 
Gewiß war der Dreizellentempel wohl eine in Etrurien besonders 
häufige Form der Cultstätte, aber daneben gab es sicher* auch ein- 
zellige Tempel und solche, die in der Entwickelung ihrer Form 
noch über den dreizelligen Tempel hinausgehen, dadurch daß sie 
zu beiden Seiten noch eine Forticus haben, denn wir werden auch 
hiervon Beispiele kennen lernen. 

Wir wollen nun versuchen, diese drei Formen, resp. auch einige 
Zwischenformen, als eine zusammenhängende Entwickelungsreihe 
zu begreifen und aus ihrer Entwickelungsgeschichte heraus die 
Regeln und Gesetze zu verstehen, nach denen die Anlage der 
Tempel nach italisch-etruskischem Ritus zu geschehen pflegte. 

Die einfachste Form ist natürlich der einzellige Tempel. Die 
Griechen haben im wesentlichen nur diese Form allein ausgebildet '). 
Ihr Tempel unterscheidet sich von dem italischen dadurch, daß er 
ein einziges, in sich geschlossenes Ganzes ist. Er besteht eigent- 
lich nur aus der Zelle; sie ist das einzig Obligatorische. Alles 
üebrige, was hinzutritt, eine Halle vor der Zelle oder auch an 

Sinn ergeben würde, aber rique ist nngebr&achlieh oder doch äafterst selten. 
Wenn ich B Q ch e 1 e r *s Faftaote „st quae vulgo*^ recht verstehe, so haben die Hand- 
schriften Front, de aqnis urb. Rom. 127 (Aasg. t. Bache 1er 8. 48,14) das 
Ton ihm in den Text aufgenommene sique, wofür die Herausgeber sonst alle 
giquae einsetzen. Vielleicht aber ist gerade bei Vitruv noch zweimal st^e zu 
lesen, nämlich X. 15. 1 und X. 16. 5. An der ersten Stelle haben die Hand- 
schriften sedf an der zweiten sie fär das m der Herausgeber, und an beiden 
Stellen wäre eine copulative Verbindung wohl am Platze. 

1) Auch da, wo wie beim Parthenon und Erechtheion der Kult mehrerer 
Gottheiten unter einem Dache vereinigt erscheint, ergiebt sich ans dem Grund- 
plan, daft nicht eine Verschmeltung verschiedener Teile sondern die Teihmg 
eines Zellraumes vorliegt. 


über etnuUieheii Tempelbaa. 146 

iier Bflckseite, ein einfacher oder ein doppelter Säulengang nm die- 
selbe, das alles sind unwesentliche Zugaben zu der Zelle ^) nnd 
sind nur abhängig von dem Geschmack des Baomeisters oder von 
den Mitteln der den Tempel erbauenden Gemeinde. Das braucht 
natürlich keineswegs immer der Fall gewesen zu sein, ja es scheint 
sogar, wenn man die uralte Form des Templum in antis ins Auge 
üafit, daß auch auf griechischem Boden die alte Zweiteilung des 
Tempelraumes das Ursprüngliche gewesen sei. Auch das Herren- 
haus in Tiryns zeigt diese Einteilung. Jedenfalls hat man aber 
dieses Grundgesetz in Griechenland schon früh fallen lassen. Den 
Grund dafür hat man vielleicht in dem Aufkommen der neuen 
Form des Feripteraltempels zu suchen. 

Anders steht die Sache in Italien. Hier besteht der Tempel, 
abgesehen natürlich von den reingriechischen Tempeln Großgriechen- 
lands, einigen Tempeln von fremden, griechischen nach Rom und 
romischen Städten verpflanzten Gottheiten, oder den Tempeln einer 
späten Zeit, deren religiöses Empfinden und Formensinn ganz im 
Banne griechischer Anschauung und Gewohnheit steht, durchgängig 
aus zwei Teilen, die die gleiche Existenzberechtigung beanspruchen, 
aus der Zelle und der Vorhalle, zwischen denen der Gesammt- 
raum gleichmäßig geteilt ist. Diese Regel finden wir um so 
strenger beobachtet je älter die Tempel sind, und die Abweichun- 
gen von dieser Kegel, die wir constatieren können, finden häufig 
ihre einfache Erklärung dadurch, daß dann hinter der Zelle noch 
ein schmaler Raum (Geheimkammer?) eingebaut ist, nach dessen 
Abzug sich das alte Verhältnis zwischen Zelle und Vorraum 
wiederherstellt. Ein solcher Tempel ist z. B. der palatinische, 
den Hülsen kürzlich als den Tempel der Magna Mater nachzu- 
weisen versucht hat^). Derselbe ist außen gemessen doppelt so 
lang als breit, 34,8 m zu 17,1 m. Nach Abzug der 5,60 m star- 
ken Rückwand mit ihrem eingebauten Gange, wird der übrigbleibende 

1) Nar 80 erklärt es sich, daS V i t r u v oder sein Gew&hrsmaim einen 
reinen NQUHcbkeitsgrund fQr die Einrichtong der die Zelle umgebenden 8äa1en*v 
hallen anllührt Auf den italischen Tempel paSt das keineswegs. 

2) B fl 1 s e n , üniersuchnngen zur Topographie des Palatins ; Rom. Mitth. 
1895. 8. 8 ff. Haisen's Benennung des Tempels ist sweifelbaft, da derselbe 
olnibar nach dem alten Fnle fon 275 mm gebaut worden ist. Der Tempel ist 126 
Fnt lang, 62,6 Fuft breit ; St&rke der RAckwand incl. Gang 20 Fuft ; Breite der 
Zelle in den Lichten 40 Fuft; Lftnge ebenfalls in den Lichten 50 Fuft; ebenso 
Liage der Yorhalle. Die Höhe des Unterbaos Ober dem Erdboden betragt 23Va 
Vu% » 2Vt decempeda. Damach könnte Httlsen's Zuteilung nur richtig sdn, 
wun man annehmen dürfte, dal der alte Fuft noch 204 t. Chr. offtciell im Ge- 
briBch gewesen sei. 


14B H. Degering, 

Ramn genau zwischen Vorhalle nnd Zelle geteilt and zwar so, daß die 
Mitte der Schwelle die Grenze bildet. Dieselbe Regel ist in der 
einen oder der anderen Weise an zahlreichen Tempeln Italiens 
mit mehr oder minder großer Genauigkeit innegehalten worden. 
Wenn wir nun von Vitruv erfahren, daß sie beim Tempel tus- 
canischer Ordnung ein Haupterfordernis war, so dürfen wir wohl 
mit Becht annehmen, daß dieselbe, wie so manches andere in Re- 
ligion und Ritus der Italiker, auf den Einfluß der Etrusker zu- 
rückzuführen ist. Man kann freilich in diesen Dingen sehr schwer 
unterscheiden, was eigentlich den Etruskern und was den Italikem 
als Eigentum zusteht. Vielleicht liegen auch hier im wesentlichen 
uritalische Grundgesetze vor, die die Etrusker übernommen und 
systematisiert haben. Die Anlage der Terremare ^) die man jetzt 
mit immer größerer Genauigkeit zu erforschen begonnen hat, ihre 
Orientierung, ihre rechtwinklige Teilung durch Cardo und Decu- 
manus, sowie namentlich ihr doppelquadratisches Templum (?) 
mit den Opfergruben spricht sehr dafür, da es doch wohl als ge- 
sichert gelten kann, daß die Terremare den Italikem und nicht 
den Etruskern zukommen. 

Welche Form hatte nun aber der (italisch)-etruskische ein- 
zellige Tempel? Hier haben, wie ich glaube, alle bisherigen Be- 
arbeiter *), soweit sie überhaupt die Frage aufgeworfen haben, ge- 
fehlt, indem sie jene Vitruv' sehe Regel über die annähernd 
quadratische Form, die sich, wie wir sehen werden, erst aus dem 
Zusammenwirken verschiedener ritualer Constructionsregeln für 
den Dreizellentempel ergiebt, ohne weiteres auch auf den einzelli- 
gen Tempel übertrugen. So hat man sich auch gewöhnt, dem 
Auguraltemplum eine quadratische Form zuzuschreiben, auch dieses 
ohne zwingenden Grund. Im Gegenteil scheint meine AuflPassnng 
von der doppelquadratischen Form durch die von Varro") über- 
lieferte Auguralformel des Capitols eine wesentliche Unterstützung 
zu erhalten. Dieselbe lautet: templa tescaque me ita sunto quoad 
cgo ea rite livgua nuncupavero. ullaber arbor guirquir est, quem me 
sentio dixisse templum tescumque feste in sinistrum. öllaner arbor 
quirquir estf quod me sentio dixisse, templum tescumque feste dextrum. 
inter ea conregione, conspiciene cortumiene utique ea erectissime sensi. 
Hier sind mit templum tescumque bestimmt genug zwei Teile des 
Gesammt-templums bezeichnet, «nd wenn der Augur beide durch 

1) Vgl. F. T. DahD, N. Heidelb. Jahrb. 1894 Ulff., sowie die Not. d. gcaii 
1895 8. ISff. 1896 8. 57 ff. 

2) 8. s. B. OTerbeck-Mao, Pompeji 8. 84. 
8) Yarro, ling. lat VII 8. 


über etroakischen Tempelbau. 147 

rwei von ihm seitwärts stehende Bäume bestimmt sein läßt, in 
deren Mitte er sich augenscheinlich befindet, so ist es das Natfir* 
liebste, diese beiden Teile als zwei durch den Abstand der beiden 
Bäume bestimmte Quadrate aufzufassen, auf deren Grenze der 
Augur seine Stellung nimmt. Das templum im engeren Sinne ist 
dann natürlich das conspidone bestimmte, vor ihm liegende Qua- 
drat, das tescum das cortumione bestimmte, hinter ihm liegende. 

Ich setze somit als die Grundform des etruskischen (einzelligen) 
Tempels das Doppelquadrat an und zwar bin ich in dieser Auf- 
fassung besonders auch dadurch bestärkt, daß wir, wie sich nach- 
her ergeben wird, einen Tempel dieser Form nachweisen können, 
der durch andere Indicien als ein nach etruskischem Bitus ge- 
bauter Tempel feststeht, sowie dadurch, daß diese Form allein 
eine consequente Ableitung der nachweisbar höheren Ordnungen 
etruskischer Tempel ermöglicht. Freilich wird man trotz des 
religiösen Formalismus der Etrusker nicht ein sclavisch genaues 
Innehalten dieses Principes vorauszusetzen haben, sondern es 
mögen immerhin, je nach örtlichen Bediirfoissen, Abweichungen von 
dieser Norm in der einen oder anderen Weise zugelassen wor- 
den sein. 

Während nun aber den beiden bisher erörterten Grundregeln 
des etruskischen Tempelbaus, der Halbierung durch die Schwelle 
der Zelle und der Form des doppelten Quadrates eine, in der 
Praxis mehr oder minder strikt anerkannte allgemeine Gültigkeit für 
den italischen Tempelbau überhaupt zugeschrieben werden konnte, be- 
ruht die charakteristische Eigentümlichkeit des ersteren auf der An- 
ordnung der Säulen der Vorhalle und der durch dieselbe bedingten 
Architrav- und Giebelconstruction aus Holz. Vitruv bemerkt 
ausdrücklich und wiederholt, daß die Säulen parietum e regione ge- 
setzt werden sollen; d. h. also: nur in den Bichtungslinien der 
Mauern dürfen Säulen stehen, dagegen dürfen innerhalb des Rau- 
mes, welcher der zwischen den Mauern eingeschlossenen Zelle vor- 
gelagert ist, keine Säulen gesetzt werden. Sicherlich hat auch das 
seinen Grund in gewissen rituellen Bedingungen, begründet in Vor- 
stellungen, welche die Italiker frühzeitig aufgegeben, die Etrusker 
aber hartnäckig festgehalten haben. Der etruskische Tempel in 
seiner ursprünglichen Form, wie aus den Funden von Mareabotto 
hervorgeht, ein reiner Holzfachwerkbau*), wird durch das zähe 
Festhalten an dieser Regel, stets auf dieser Entwickelungsstufe, 
wenigstens was Architrav, Gesims und Giebelconstruction anlangt, 


1) B r i z 1 9 ReUzione sngli scavi etegoiti alüursabolio. Hoil ant«! p. 269. 


148 H. Degering, 

festgehalten, da eben die große Intercolnxnnienweite eine Ardbi- 
travconstrnction ans Stein mcht znläßt^). Die Romer (Italiker) 
dagegen geben , indem sie die beiden ersten Regeln festhalten^ 
diese letztere preis, nm die Steinarclutectar von den Griechen 
übernehmen zu können. Deutlich zeigt sich aber auch hier noch 
der Einfluß jenes Gresetzes darin, daß auch sie Säulen nur an dem 
Außenrande der Vorhalle setzen, niemals aber in die Halle selbst. 
Ausnahmen, wie die Vorhalle des Pantheon, ahmen die Anlage des 
dreizelligen Tempels auch in der Gliederung der Mauer zwischen 
Vorhalle imd Zelle durch Anten und Nischen nach. Als einen 
sicheren Termin post queni für das Aufgeben dieser Regel zu 
guusten der griechischen Steinarchitectur dürfen wir wohl die Er- 
bauung des Cerestempels am Circus maximus, 493 v. Chr., ansetzen, 
da derselbe in seiner Anlage als tuscanischer Tempel durch das 
Zeugnis Vitruv's'), der ihn mit dem capitolinischen Juppiter- 
tempel zusammen als Beispiel tuscanischer Bauart anfuhrt, ge- 
sichert ist. Die scheinbar widerstreitende Notiz des Plinius") 
ante hqnc aedem tuscanica otunia fuisse in aedibus auctor est Varro 
ist wohl nur auf die von den griechischen Künstlern Damophilos 
und Gorgasos ausgeführte künstlerische Ausschmückung des Tem- 
pels zu beziehen. Auch bei dem Tempel vom Falatin, den wir 
oben zu erwähnen Gelegenheit hatten, läßt sich aus der strengen 
Beobachtung der ersten beiden von uns constatierten Grundregeln 
und aus dem Fehlen von Steinarchitraven auf weite Säulenstellung 
und Holzarchitectur der Gesims- und Giebelconstruction schließen *). 
Freilich ist zu bemerken, daß für die streng-etruskische Norm, 
nach der derselbe nur 2 Säulen in der Front haben dürfte, die 
freie Spannweite von circa 16 m doch wohl zu groß ist. Immer- 
hin werden wir auch in diesem Tempel eine alte Mischform grie- 
chischer im4 etruskisch-italischer Tempelbaukunst vor uns haben. 
Ich habe schon vorhin erwähnt, daß wir jetzt einen Tempel •) 

1) VitruT, III, 2. 4. 

2) VitruT, in, 3. 6. 

8) Pilo ins, XXXY, 154. 

4) Eine überrMchende Bett&tigang dieser übrigens aoeh Ton H&Isen schon 
ge&nierten Ansicht scheinen die neuesten Funde vom Palatin su geben^ Ton denen 
Barnabei im Jnliheft der Not. degli scavi 1896 berichtet, indem nämlich in un- 
mittelbarer N&he des Tempels Terracottenbekleidungen und Antefixe gefunden 
werden. 

5) Von den klirzlich in Gonoa entdeckten Tempeln könnte für unsere Frage 
nur der älteste in Betracht kommen, und auch dieser nur dann« wenn meine aus 
den Fundnachrichten gewonnene Ansicht, daft derselbe kein Peripteros war, deh 
ala richtig erweisen sollte. Da aber diose Ansicht nur im Zusammenhang mit 


aber etniBkischeii Tempelbao. 149 

kennen y der durch andere Indicien als ein Tempel toscanischer 
Ordnong gesichert ist, und der nnsern obigen Regeln genau zu 
entsprechen scheint. Es ist dies der 1882 von Bas sei in Alatri 
aufgedeckte Tempel, welcher nachher vonWinnefeld undCozza 
YoUständig ausgegraben wurde. Veröffentlicht haben darüber 
Bas sei einen Bericht mit Keconstructionsver such, der aber wegen 
des allzu geringen Umfangs seiner Ausgrabungen, die zu yervoll- 
ständigen ihm nicht gestattet wurde, mislingen mußte ^); ferner 
Winnefeld die Hauptresultate seiner Ausgrabung zugleich mit 
der Publication anderer Altertümer von Alatri'); und endlich 
Conte Cozza^) den Anfang einer Untersuchung, die sich 
hauptsächlich mit der Terracottenbekleidung des Tempels be* 
schaftigen soll, aus deren erschienenem Teile man aber wenig 
Neues erfahrt. Daß der Tempel ein tuscanischer ist, beweist 
abgesehen von der Orientierung desselben, die Form der Säulen, 
die mit der Vi truv' sehen Characterisierung der Säulen des 
tuscanischen Tempels übereinstimmen, und die Terracottenbe* 
kleidungen der Holzteile. Giebt sich aber somit der Tempel 
in allen seinen Constructionselementen als ein etruskischer (tus- 
canischer) Tempel zu erkennen, so dürfen wir auch in seiner 
Anlage, in seinem Grundriß, ein rein etruskisches Schema ver« 
muten. Wir brauchen uns gamicht etwa daran zu stoßen, daß 
der Tempel von Alatri vielleicht jünger ist als selbst der zweite 
Tempel von Conca^). Aletrium war ein abseits des großen Ver- 
kehrs liegendes Bergstädtchen. In solchen abgelegenen Winkeln 
hält man zäher an alter Sitte und Gewohnheit fest. Die Anlage 
des Tempels scheint genau mit dem oben entwickelten Schema 
fibereinzustimmen, das auch hier, wie ich glaube, in gleicher Weise, 
wie bei dem alten Tempel vom Falatin, nur durch einen Gang 
hinter der Zelle modificiert wird. Die Breite des Tempels wird 
von Winnefeld auf 7,976 m angegeben. Dieser Breite müßte 


•iaer eingehenden Erörterung aller Fnndomst&nde begrOndet werden kann, und 
eine solche hier den Fortgang der Untersuchung &her Qebahr unterbrechen 
würde, so habe ich meine Auffassung der Funde fon Conca, die in manchen 
Stflcken Ton der in den officiellen Fondberichten Ton Costa, Barnabei und 
Mengarelli Tertretenen, sowie auch von der Petersen'sohen Auffassung we- 
sentlich abweicht, in einem Excurse im Zusammenhang auseinander gesetst. Vgl. 
8. 109 ff. 

1) CentralbUtt d. Bauverwalt. 1886 8. 197 iL 307 ff. 

2) Btai. Mitth. 1889 8. 186 ff. 
8) BAb. Mitth. 1891 & a90ff. 
4) TeffL beim & 171. 


150 


H. Degering, 


dann also eine Länge von 15,95 m entsprechen. Thatsächlicli ist 
aber die Mauer der Ostseite gerade bis zn dieser Aosdehnong er- 
halten^). Daß die Säulen in irgend einem rationalen Verhältnisse 
zu den Abmessungen des Grrundrisses gestanden haben, ist nach 
der Praxis der antiken Baukunst wohl selbstverständlich, und so 
sucht auch Cozza eine solche Beziehung nachzuweisen. Ich kann 
aber seiner Berechnung nicht zustimmen, weil er dabei von fal- 
scher Voraussetzung ausgeht. Die Säulen unseres Tempels sind 
doch nicht griechische, sondern tuscanische, und für diese giebt 
uns Vitruv") die Proportionsregel so an , daß ihre Schafthöhen 
gleich der siebenfachen unteren Schaftbreite sein sollen. Da aber 
der untere Schaftdurchmesser, wie die aufgefundene Säulenbasis er- 
kennen läßt, 0,76 m mißt, so ist demnach die Schafthöhe mit 5,32 m 
anzusetzen. Dieses Maaß steht nun aber zu der doppelten Breite 
resp. zu der Länge des Tempels, wie ich ihn reconstruieren möchte, 
in dem auch von Vitruv vorgeschriebenen Verhältnisse von 1:3. 
Daß hier die Länge statt der Breite als das Bestimmende erscheint, 
kann wohl nicht Wunder nehmen, da wir ja keinen Vitruv' sehen 
Dreizellentempel sondern nur einen einzelligen vor uns haben. 

Ich reconstruiere also für den Alatriner Tempel einen Grund- 
riß, der, abgesehen von dem Modulus, genau dem Grrundrisse des 
oben erwähnten palatinischen Tempels entsprechen würde, indem 
ich hinter der durch die geringen Reste bezeichneten Rückwand 
der Zelle in kurzem Abstcmde noch eine zweite Mauer annehme, 
deren Außenkante von der Vorderkante der Vorhalle einen Ab- 
stand von 15,95 m hat, und die mit jener Rückwand den bekannten 
Gang bildet *)• 



Fig. 6. 




(ÖV 


1) 8. Costa, a. a. 0. p. 296, and Plan. 

2) VitruT, IV, 7. 2. 

8) Was dieser Gang eigentlich für eine Bedentong hat, lUt sich for der 


über etnukischeo Tempelbao« 151 

Idi finde diese Ergänzung auch deshalb weit angemessener 
als die Cozza'schey die sich hauptsächlich auf eine in einer be- 
nachbarten Hütte aufgefundene, den an Ort und Stelle gefundenen 
Säolenbasen nicht einmal gleiche sondern nur ähnliche Basis grün- 
det| weil ein Amphiprostylos durchaus unitalisch ist. Diese Form 
ist als italische nur möglich, wenn, wie beim Tempel der Venus 
und Borna, zwei Tempel mit der Rückseite aneinanderstoßen, und 
davon kann doch wohl hier keine Rede sein. Wäre der Tempel 
aber auch nicht in allen übrigen Elementen durchaus italisch-etrus- 
kisch, so würde ich eine solche Art von Amphiprostylos für un- 
möglich halten, da den Hallen gegenüber der Hauptraum, die Zelle, 
viel zu sehr zurücktritt. Ein solches Verhältnis von einfachen 
ornamentalen Gliedern, wie die Vorhallen eines griechischen Am- 
phiprostylos sind, zu dem Hauptraume, das in unserm Falle auf 
2 : 1 sich stellen würde, ist einem Baumeister, der nach griechi- 
schem Muster arbeitet, kaum zuzutrauen, und ein einfacher ita- 
lischer oder etruskischer Amphiprostylos ist bei der in der An- 
gnrallehre wurzelnden Zweiteilung überhaupt unmöglich. Diese 
Zweiteilung erstreckt sich auch noch auf andere Gebiete. So zer- 
fallt das Haus in zwei Teile, einen für den intimen Privatverkehr 
und einen dem größeren Verkehrskreise geöffneten, so zu sagen 
officiellcn Teil. Hierher zu ziehen ist wohl auch die doppel- 
qoadratische Form der Landmessungseinheit. Ja, wir haben 
vielleicht gerade hier den Ursprung dieses Dualismus zu suchen, 
insofern nämlich der Gedanke nahe liegt, diese Art der Landauf- 
teilung an den alten Wechsel zwischen Bebauung und Ruhe des 
Landes anzuknüpfen. Daß aber ruhendes Land als den Göttern 
heilig galt, ist eine im Altertum weit verbreitete und auch ganz 
natürliche Auffassung. So erklärt sich dann vielleicht auch das 
iemplum tescutnque der capitolinischen Liaugurationsformel einfach 
als ursprüngliches „Fflugland und Brachland.*' 

Ich gehe nunmehr zu den Tempeln höherer Ordnung über. 
Der einzellige Tempel ist gemäß der dritten Regel, nach welcher 
die Säulen nur in der Richtung der Zellenmauem stehen dürfen, 
in seiner Breite und damit natürlich, wie wir gesehen haben, in 


Haod niclit entscheiden. Herr Begierunge« and fianrat fiatsei, dem ich auch 
sollet manchen Wink und Batschlag in technischen Fragen für meine Arbeit ver- 
danke, meint, daE derselbe kaum eine andere als eine praktische Bedeutung ge- 
habt habe, n&mlich, die den Zugang xu dem Bodenräume lu ermöglichen. Beim 
Dreixellentempel jedoch scheint derselbe auch noch als Ausgleichungsmittel bei 
geforderten QrOBenTorh&ltnissen der ZellengrundflAchen gedient lu haben. Vergl. 
die sp&leren Ausfdhrungen Ober den Tempel ton Florens.) 


162 H. Degeringy 

allen seinen Dimensionen durch ein gewisses Maximalmaß einer 
freitragenden Holzarchitravconstraction beschränkt. Wie groß 
eine solche überhaupt sein konnte, das mögen Fachleute berechnen; 
daß man sie überhaupt für einzellige Tempel jemals viel über das 
Maaß des Alatriner Tempels ausgedehnt hat, bezweifele ich, ebenso 
wie ich auch nicht glaube^ daß man jemals nahe an jene Maximal- 
grenze herangekommen sein wird. Denn einerseits scheint der 
einzellige Tempel weniger hervortretenden Gottheiten gewidmet 
gewesen zu sein, deren Cult und Verehrung einer kleinen GFe- 
nossenschaft oder Cultgemeinschaft oblag, und andererseits 
konnte man sich, wie wir sehen werden, in anderer Weise 
helfen, wenn das Gotteshaus in größeren Dimensionen erbaut 
werden mußte. 

Zunächst handelt es sich bei der Vergrößerung eines Tempelfl 
um die Vergrößerung der Vorhalle, die bei den Cultfeierlichkeiten 
die Menge der Gläubigen aufzunehmen hatte, und erst diese zieht 
nach dem ersten Gesetz auch eine entsprechend^ Vergrößerung 
der Zelle nach sich. Die einfachste Art, dieses zu erreichen, war 
natürlich eine Verlängerung beider Räume unter Aufgabe der 
doppelquadratischen Form, und das mag auch wohl in £trurien 
hin und wieder stattgefunden haben, wie es ja auch in dem übrigen 
Italien thatsächlich der Fall gewesen ist Immerhin war man aber 
auch in dieser Richtung ziemlich eng beschränkt, da man durch 
diese Verlängerung leicht eine unschöne, allzu gestreckte Form 
erzielte« Somit liegt die Annahme nahe, daß man in solchem 
Falle die entwickeltere und zu größeren Abmessungen befähigte 
Form des dreizelligen Tempels imitierte, indem man die kleineren 
Zellen durch Säulenhallen ersetzte. Man muß sich aber darüber 
klar sein, daß diese Annahme sich nicht auf Vitruv stützen 
kann — denn dort ist von solcher Art von Tempeln, wie wir ge- 
sehen haben, keine Rede — sondern einzig und allein darauf beruht, 
daß wir bei den R)hnem diese Form in entsprechender Modificie- 
rang wiederfinden. So hat , um ein Beispiel anzuführen , der be- 
kannte Tempel von Vi^ona solche drei Seiten umfassende Säulen- 
hallen, während die Rückseite durch eine durchgehende Mauer ab- 
geschlossen ist. Ebenso könnte man versucht sein, den in der 
oben angezogenen Inschrift^) erwähnten Tempel unter den hier 
geltend gemachten €^ichtspunkten zu betrachten, derart daß die 
in der Inschrift aufgeführten Bauarbeiten eine Erweiterung ded 
für seine Zwecke zu klein gewordenen Heiligtumes bedeuteten. 


1) C. L L. DL 86Sa «i latcr. ragn. Veap. eOM. 


über etroskischen Tempelbau. 


153 


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Die Art und Weise, wie unter Zugrundelegung unserer oten ent- 
wickelten Prinzipien diese Erweiterung ausgeführt sein könnte, 
veranschaulicht wohl am einfachsten die nachfolgende Skizze, bei 
der die Form des Alatriner Tempels 
als ursprüngliche Form des zu ver- 
grössernden Heiligtums zu Grunde 
gelegt ist. Es kann und soll dabei 
natürlich nicht geleugnet werden, 
daß mit Rücksicht auf die andere 
oben angeführte Inschrift hinsicht- 
lich dieser Bauarbeit, namentlich in 
Beziehung auf den vielleicht allge- 
meiner aufzufassenden Ausdruck 
fanum auch eine wesentlich andere 
Auffassung die richtige sein kann. 

Ich komme zu dem dreizelligen 
Tempel. Wenn die Dreizahl in den 
Religionen und Culten aller Völker 
des Altertums als eine angesehene 
und heilige hervortritt^), so ist das bei den italischen Stämmen 
in hervorragendem Maaße der Fall und durch unzählige 
Thatsachen zu belegen. Es mag dies mit dem starren superstitiösen 
Formalismus zusammenhängen, dem die italischen Religionen unter 
etruskischem Einfluß frühzeitig anheimgefallen zu sein scheinen. 
Daß aber die heilige Geltung der Dreizahl bei den Etruskem und 
Italikem ganz und gar von den Griechen abzuleiten sei, ist ange- 
sichts der weiten Verbreitung derselben auch bei den Römern, 
Umbrem, Germanen *J und ebenso bei den Indem und Persern ^) 
kaum glaublich; sie muß auf eine gemeinsame Wurzel zurück- 
gehen. Es dürfte deshalb auch kaum geraten sein, die italischen 
Gottertriaden, namentlich die der capitolinischen Trias ^), durch- 
aus auf griechischen Einfluß zurückführen zu wollen, und es ist 
eine unhaltbare Behauptung, daß „auch bei den übrigen italischen 


6 — 6 -ö — 6 


Fisr. ü. 


1) Vgl. Weleker, griech. Qötterlehre I, 62—54. 

2) YgL Diels, SibylL Blätter S. 40, 1 ; 40f. 

9) Kaegi, Die NeuDzahl bei den Ostariero, Pbilolog. Abhandlungen Schwel- 
ler-Sidler gewidmet, Zürich 1891 S. 60ff. hat die von Di eis namentlich ans dem 
Bereiche des Totenkultes für die Westarier gegebenen reichen Nachweise erg&ntt 
durch Belege ans der Litteratnr der Inder and Iranier, und also das Gleiche auch 
fftr die Ostarier dargethan. 

4) Jordan-Preller, röm. Myth. I, 65 Anm., Knhfeldi, de capitolüs 
Bomanis p. 79 iL Aast in Eoscher's Mythol. Lex. II, 721. 

Efl. Om. 4. Wi«. MMkiUkUB. PkUolOff'-Uittr. SImn IW. HA. 9. 11 


154 H. Dcgering, 

Stammen Dreigöttervereine nicht nachweisbar^ seien, da die drei 
Martier der igavinischen Tafeln ^), welche dadurch, daß an ihrem Colt 
keine Landfremden teil haben, wohl deutlich genug als die Staats- 
götter bezeichnet sind, ein sicheres Beispiel für den umbrischen 
Stamm bieten. Auch für Praeneste läßt sich vielleicht in Fortuna 
primigenia , lupiter puer und luno eine solche Trias nachweisen, 
wenigstens kann man die darauf bezügliche Cicerostelle ^) am ein- 
fachsten durch die Annahme eines Dreizellentempels dieser Gott- 
heiten erklären. Dazu kommen noch die Funde von Dreizellen- 
tempeln zu Marzabotto und Falerii, welche die Existenz 
solcher Dreigöttervereine, unabhängig von der römischen Trias, 
außer Frage stellen. Unter solchen Umständen glaube ich berech- 
tigt zu sein, an dem italisch - etruskischen Ursprung der Götter- 
triaden festzuzuhalten. Damit würde es aber im Einklänge stehen, 
wenn Vitruv den Dreizellentempel als den etruskischen Tempel 
wxt^ ^o^i^v betrachtet. 

Es ist unzweifelhaft, daß diese Form des Tempels in Etrurien 
eine sehr häufige war, und ich kann der Erklärung, dieMartha*) 
dafür giebt nur zustimmen. Er sagt: Ces trois divinitis ri- 
sidant Vune ä coli de Vautre auN.-E.j dafis trois regions contigues^ 
devant avoir par consequent des temples orientis ä peu pres dans le 
menie sens et cela sur le point le plus äeve de la viUe^ c^est-ä^dire 
dans un espace rdaJtivemevU restreint, on eongoit gu'au lieu de con- 
struire cöte ä cote trois temples distinctSj on ait trouve plus simple 
d'accoler trois cellas dans un seul et meme ensemble archüectural. 
Hart y gagnait en meme temps, parce qu'au lieu d^avoir ä faire de 
petites chapelles isolies et insignifiantes ^ les architectes (xvaient Voecor 
sion de se diployer sur une plus grande surface et de donner ä leur 
eonstruction plus düampleur a la fois et de magnificence. Wir 
wissen jetzt ja auch, warum einzellige Tempel keine großen Bauten 
werden konnten, weil eben jene Kegel über die Säulenstellung 
durch irgend welche religiöse Vorstellungen als eine unverrückbar 
gültige festgehalten wurde ^). 

Wenn man drei einzellige Tempel neben einander baut, von 


1) Taf. VI B 67 ff. BQcheler, Umbrica 8. 24. 

2) Cic. de divio. U, 41. 86. 

8) Martha, Pari ^trusque S. 268. 

4) Es l&ftt sich aus dieser Regel vielleicht aoch schlielen, daft die Zelle 
Ton der Vorhalle nicht durch volle W&nde und eine kleinere ThOr geschieden 
war, sondern daE die Thüren die ganse Fl&che zwischen den Anten einnahmen. 
Derselben Ansicht ist auch Abeken (Bfittelitalien 8. 226), der sich dafUr aof 
die Mona- nnd BeliefbUder des capitolinischen Tempels beruft« 


über etnukischen Tempelbail. 


165 


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Fig. 7. 


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»--— O -^ ^ 


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denen jeder die beistehende Grundform (Fig. 7) von 2 
Quadraten hat, so würde der gesammte Complex eine 
Grundfläche von der Länge von zwei nnd der Breite 
von drei Maaßeinheiten erhalten. Dabei blieb man 
aber nicht stehen, sondern gab dem Ganzen dadorch 
ein imposanteres Aussehen, daß man statt der einfachen 
eine doppelte Säulenreihe vorlegte, wodurch natürlich auch 
eine entsprechende Vertiefung der Zellen dem Halbierungsprincipe 
gemäß bedingt war. Halten wir vorläufig an dem Grundmaaße des 
Quadrates fest, so würde sich die Länge eines solchen Tempels auf 
vier, die Breite auf drei Längeneinheiten be- 
laufen. Diese Form, von der nebenstehende 
Fig. 8 eine Vorstellung geben mag, würde 
als die Grundform des etruskischen Drei- 
zellentempels bezeichnet werden dürfen. Es 
erhebt sich nun für uns die Frage, ¥de 
verhält sich zu diesem Schema der Vi- 
t r u V ' sehe Tempel, wie verhalten sich dazu 
die Tempel von Marzabotto und Flo- 
renz, und wie verhalten sich femer dazu 
der capitolinische und der große f alis- 
kische Tempel von Civitä-Castellana. 
Es ist klar, daß unsere obige schematische Grundform vielleicht nie 
praktisch verwendet worden ist, da schon aus aesthetischen Grün- 
den eine andere Einteilung und Gliederung der Fa^ade ge- 
fordert erschien. Dazu kommt, daß man der Zelle der in 
der Trias besonders hervortretenden Gottheit, welche selbst- 
verständlich nur die mittlere sein konnte, auch in den Abmessun- 
gen ein gewisses üebergewicht gegenüber den anderen zu geben 
geneigt sein mußte. 

Man verbreiterte also diese Hauptzelle auf Kosten der beiden 
Seitenzellen, und zwar giebt V i t r u v das Verhältnis, in dem die 
Zellenbreiten zu einander stehen sollen, als 4:3 an. Daß dieses 
Verhältnis ein obligatorisches, stets innegehaltenes gewesen sei, 
wird auch so schon niemand dem Vitruv geglaubt haben, und 
wird durch die Tempel von Marzabotto die andere Verhältnisse 
zeigen, direkt widerlegt ; aber wir können aus der Vitruv 'sehen 
Begel eine allgemeinere Formel leicht ableiten. Vitruv giebt 
das Verhältnis der Länge zur Breite auf 12 : 10 an. Die Breite 
zerfallt in3 + 4-h3 = 10 Maaßeinheiten, d. h. Eckintercolum- 
nium, Mitieliniercolumnium, Eckintercolumnium, während die 
Länge sich einfach als das vierfache Eckintercolumnium darstellt, 

11* 


Fig. 8. 


166 


H. Degering, 


W^^^^^^^^-W^ 


I 


I 


I 


1 

i 


f — f — f--4 

f' I II 


Diese Anordnimg ist aber auch ganz naturgemäß. Sollte der 
Tempel von der Ecke aus gesehen nicht einen unharmonischen 
Eindruck machen, so mußten die drei Intercolumnien, die in 

unserer den Vitruv'schen Tempelgrundriß 
wiedergebenden Fig. 9 mit a, h^ c bezeichnet 
sind, gleich d. h. also in unserem Falle je 
drei Maaßeinheiten groß sein, imd daraus 
folgt dann ohne weiteres nach dem Hal- 
bierungsgesetze für die Gresammtlänge des 
Tempels eine Ausdehnung von 12 Maaßein- 
heiten. Das Construktionsprincip des drei- 
zelligen Tempels läßt sich also in folgen- 
Fig. 9. der Formel aus- drücken: Ist a die Länge 

und b die Breite des Tempels, m das mittlere und n das Eck- 
intercolumnium, so gilt die Proportion: 

a:b = 4n: (22n -f m). 

Verhalten sich also beispielsweise die beiden Intercolumnien 
wie 4:5, so würde sich die Gleichung ergeben 

a:b — 4x4:(2x4-t-5) 

oder 

a:b B= 16:13. 

Um das gleich hier vorweg zu nehmen, bevor ich an die Be- 
sprechung der einzelnen erhaltenen Bauwerke selbst gehe, so ist das 
Constructionsprincip des Dreizellentempels höherer Ordnung folgen- 
dermaßen zu entwickeln. Bei diesem ist die gemeinsame Vorhalle 
um eine dritte Säulenreihe vergrößert, die vorn und zu beiden 
Seiten hinzugefügt wird. Das Gesetz der Baumhalbierung zwi- 
schen antica und postica erfordert dann auch eine entsprechende 
Vergrößerung resp. Vertiefung des Zellraums. Den schematischen 
Grundriß eines solchen Tempels giebt Fig. 10. 

In der Praxis ist dieses Schema natürlich ¥äederum verschiedenen 
Modificationen unterworfen. Zunächst wird auch hier die Mittel- 
zelle gegenüber den anderen durch grössere Abmessungen her- 
vorgehoben, imd diese Aenderung erstreckt ihre Wirkung nach dem 
Säulengesetz bis auf die Gliederung der Fa9ade. Sodann aber kann 
man den äußeren Säulengang hinsichtlich seiner Axweite einmal der 
Axweite der Mittelzelle oder aber derjenigen der Seitenzellen gleich 
machen, abgesehen von der natürlich denkbaren aber unwahrschein- 
lichen Möglichkeit, daß dieses dritte Intercolumnium zu den beiden 
anderen in einem andern (goldener Schnitt, L am ö e *8che Reihe) oder 
gar in keinem rationellem Verhältnisse stand. Die beiden vorhan- 
denen Beispiele, der Tempel von Falerii und der capitolinis che 


fiber etraikiMheii Tempelbao. 


167 


I 


I 


i 


I- 

t^ ^ ^ ^ ' 


* i 

1 




g 


g 


V(//////M^M///^/M/^/////^^^ 


r- 


t 


t^3 — ^ — -c 
I I ■ I I ; 


^..A. — A.«. — ^.-^ — ^ 


6 — 6 — ^--'^---^ — -6 


Fig. 10. 

Tempel, richten sich in der Azweite des äußersten Säolennmgangs 
nach der Mittelzelle. In diesem Falle hat natürlich das erste und 
damit auch das letzte Intercolumninm der Seitenfront dieselbe Ax- 
weite, während die anderen Seitenintercolomnien sich nach der 



Fig. 11. 


168 


H. Degering, 


kleinen Zellbreite richten. Die Gründe für diese Anordnung er- 
sieht man wohl am besten ans dem Reconstrnctionsplan des 
Tempels von Falerii, Fig. 11. 

Für einen derartigen Tempel würde demnach die allgemeine 
Constmctionsformel folgendermaßen lauten: 

a : 6 = (2 w + 4n) : (3w + 2»). 

Ständen also z. B. die Zellenbreiten in dem von Vitrnv ange- 
gebenen Verhältnisse von 4:3, so ergäbe sich : 

a:b = (2x4 + 4x3):(3x4 + 2x3) 
a:b = 20 : 18 = 10 : 9 

Für tn:n =» 3:2 erhält man : 

a : 6 = 14 : 13. 

Die Fig. 12 giebt den Grundriß eines Tempels wieder, bei dem 
sich das Intercolumnium des äußersten Säulenumgangs nach der 
Breite der kleinen Zellen richtet. In der Zeichnung ist als das 


f— 


f-- 


1 


I. 


i 


! ^ ^ ^ ^ ! 


I 




\ 


"1 


III II 

III I 

III I I I 

III III 

^ ^ ^ ^ ^„.^ 

11 III 

I * I I I 

4- k -A -h ö 1 


Fig. 12. 

Verhältnis der Zellenbreiten das Vitruv'sche angenommen. Die 
allgemeine Formel für einen solchen Tempel lautet: 

a:6 = 6n:(m + 4n) 

Der Tempel von Marzabotto, dessen Grundriß in reconstru- 
ierter Form Fig. 13 darstellt, ist ein sehr merkwürdiges Bauwerk ; 
er ist gewissermaßen der etruskische Mustertempel, da er sämmt- 
liehe Teile enthält, die wir bei einem solchen antreifen können. 
Er hat drei Zellen, a, c, und c,, zwei Räume, d, und d„ die man als alae 
bezeichnen kann, und einen Gang, &, hinter der Hauptzelle, lieber 


Aber etrutkisehen Tempelban. 


169 





a 


^ZS. 


%szszsz^ 




y/'/z/uu/i 


I 


§ 


y. 


i 


zi 


YX/'A/'y/Z/A/ZM^ 


W 


I 




^ 


Fig. 13. 

diesen Tempel sagt Br izio ^) folgendes : La 9wi straordinaria gran- 
dejgjga^ che ora non si puo approssimativamefite deierminare, deducesi von 
solo dai due lunghi muri superstiti del perimetrOj ma anchCj e piü, deUa 
presenjsa dt grossi e numerosi muri intemi disposti in modo da formare 
una rete di camere chiuse da ogni latOy le quali eranopoi distribuUe per 
iuUa Varea dd iempio. Biempito di terra e di maceria codeste camere 
costiiuivano la sostrugione interna del basamento del iempio cd quäle 
davano Stabilität neutralieando la reciproca ^inta delle terre onde 
daseuna camera era infercita. Perche queste terre quando fossero 
State chiuse e trattenute dai soli muri di perimetro, li avrebbero con 
facilitä^ quantumque solidi^ sfusdati. Una sostruzione simiU ma di 
gran lunga piü grandiosa, piü accurata ed anche di eta piü tarda fu 
notata nella fondasUme del grande altare di Giove, sulV acropoli di 
Pergamo. 

Brizio hat gewiß insofern recht, als solche Zwischenmaaern, 
die den aufgeschütteten Boden durchkreuzen, dadurch daß sie den 
Druck der Erdmassen zerteilen und in sich aufheben, die Außen- 
mauem zu entlasten und dem Ganzen mehr Festigkeit zu erteilen 
geeignet sind. Das hat er aber übersehen, daß, wenn diese Mauern 
nur diesen einen Zweck hatten und nicht zugleich auch den, als 
Fundamente für Wände und Säulen zu dienen, sich gerade erst 
recht kein Grund für die anscheinend regellose Verteilung der- 
selben über die Grundfläche hin erkennen läßt. Auch wäre die 


1) Brixio, Relasione logli scavi esegniti a Mtrtabotto pretso Bologna 
Monam. aot. della Real. Acad. dei Lincei I S. 269. 


160 H. Degering, 

enorme Stärke derselben, die gleich der der Aufienmanem ist, eine 
völlig unnötige Materialverschwendung, da die Drucke, welche sie 
auszuhalten haben, sich zum größten Teile gegenseitig aufheben. 
Aus diesen Gründen kann ich Brizio's Ansicht von der Be- 
stimmung jener Quermauern nicht beipflichten, und erkenne des- 
halb auch in diesen Mauern Fundamente. 

Nehmen wir an, daß der Tempel orientiert ist, wie alle übrigen 
auf der Akropolis von Marzabotto befindlichen Tempel und 
Heiligtümer, nämlich von Norden nach Süden, so folgt, daß die 
Zellen an der Nordwand hin belegen waren. An der Nord- 
mauer aber, soweit sie erhalten ist, sind zwei Abschnitte 
durch rechtwinklich von derselben ausgehende Mauern bezeichnet. 
Ich nehme nun an , daß über die zweite (von der Westseite 
aus gezählt) innere Längsmauer hinaus die nördliche Mauer 
sich noch um soweit fortsetzte bis zu der nicht erhaltenen 
Ostmauer, daß der so entstehende dritte Abschnitt wieder dem 
ersten gleich war. Die beiden inneren Längsmauem, die wir uns 
als Fundamente von der Hinterwand bis zur vorderen Grundmauer 
durchlaufend denken, trugen in ihren der postica angehörenden 
Teilen die Mauern, welche die große Zelle von der kleinen trennen, 
während sie in der Vorhalle mit der südlichen Grundmauer nnd 
mit einer ungefähr in der Mitte der Vorhalle verlaufenden Grund- 
mauer, von welcher auf der Westseite noch ein Stück erhalten 
ist, in den Kreuzungspunkten die Fundamente für die Säulen ab- 
gaben. Der Grundriß Fig. 13 läßt das Erhaltene von den 
Ergänzungen unterscheiden. Der Zellenraum oder die postica des 
Tempels ist nun aber noch weiter gegliedert. Erstens nämlich ist 
die Hauptzelle (a) nicht in voller Länge durchgeführt, sondern es 
ist hinter derselben ein Gang (b) eingebaut. Ebenso ist den 
kleineren Zellen (Cj,c,) nur die Hälfte der verfügbaren Länge zu- 
gewiesen, und ich nehme an, daß die hinter denselben liegenden 
Bäume (d^fd,) mit der Hauptzelle als deren cilae communiderten. 
Damit hätten wir dann aber eine überraschende schematische 
XJebereinstimmung der Grundrißanlage der postica des Dreizellen- 
tempels mit dem römischen Hause ^) gewonnen, da dieselben in 
allen wesentlichen Stücken übereinstimmen. 

Die Figur 14 giebt eine Reconstruetion des Grundplanes des 


1) Da die Gottheiten der Triaden — Inpiter, Inno, Minerva; Geres, Liber, 
Libera; Fortona Primigenia, lopiter pner, Inno; ^rfna Martini, Praestota Qer^ 
fia, Tnrsa ^rfia — stets in einem engen Tenrandschaftlichem Zosamaenhang 
stehen, so kannte man diese UebereinstimmnngTielleicht für eine beatsichtigte halten. 


ftber etroskischeA Tempelban. 


161 



Fi«. 14. 

fünften Tempels von Marzabotto^). Für diese sowohl wie für 
die des vorher behandelten Tempels sind die soeben entwickelten 
Frincipien als maaßgebendc betrachtet. 

Die beiden Tempel werden wenigstens annähernd von der* 
selben Dimensionen gewesen sein, eine besonders enge Beziehung 
scheint zwischen den Längen zu bestehen. Leider läßt sich hier 
infolge des traurigen Umstandes, daß von diesen beiden Tempeln 
die Südfronten offenbar durch Naturereignisse der völligen Ver- 
nichtung anheimgefallen sind, ein absolut sicheres Resultat nicht 
gewinnen. Zu wünschen wäre aber doch eine genaue, detaillierte 
Aufitiahme der Reste, besonders des Tempels c. 

Eine sicherere Bestätigung meiner Theorie läßt sich aus der 
Anlage des capitolinischen Tempels von Florenz gewinnen, den 
wir jetzt durch die kürzlich erfolgte Publication •) der Reliquie 
dt Firenze anfica von Milani genauer kennen lernen. Ich muß 
aber vorausschicken, daß ich in der Auffassung der Reste von 
der Milani' s wesentlich abweiche. Die folgende Figur 16 giebt 
den uns hier interessierenden Teil der Planzeichnung ") der Aus- 
grabungen im Centrum von Florenz wieder. 

Milani behauptet^): Ä questa platea si riferiscono 
le eostrusiani a fUaretto segnata in pianta^ le qwdi in parte hanno 

1) Brixio a. a. 0. 8. 261 and Tav. le. 

3) Monom, ant d. Real. Acad. d. Line. VI 8. 20 ff. 
8) Milani a. a. 0. 8. 17/18 Fig. 18. 

4) Mi Uni a. a. 0. S. 27. 


B, Degering, 


^m 



Fig. 15. 
servito di eassa e come äi rinforgo e legamento agli smalii soslenenti 
Velevaäione dd tempio, e in parte avrebbero servito di sostegno al terra- 
pierto ta^tificiale e alla plaiea elevata, eon cui sembra siasi voluto simu- 
lare ü Campidoglio urbano. I muri di sostrueione a füaräto avevano 
le boeee di paramenfo eementaie con caice, e gli interstiii ripieno di 
sassi aceomodati a secco con terra calcata. Le fonäamente in calci- 
atrueeo (smalti) destincde a sostenere Velevaäione dd tempio, si trova- 
rano conservatissime, e di tale e tanta consistenea, che niun lavoro di 
demolünone fu tanto difficile, quanto ^telh occorso per il disfacimento 
ptirjsiale di fdli stnalti. Essi misuravano in largheeea m. 3^30 ed al- 
trOanto in aiteesa. Aggiungendo i muri a ßaretto di tegamenlo e 
ritrforgo iniemo, si ottiene uno spessore dt m. 5,60. 

Diese Anffassang von dem gegenseitigeD Verhältnis der beiden 
verscbiedenartigen Maaerzüge kann icli nicht teilen. Für mich 
kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, daß wir in den er- 
haltenen Manerresten nicht einen einzigen sondern vielmehr zwei 
zeitlich anfeinanderfolgende Bauten zn erkennen haben, von denen 
der ältere natürlich der innere Qnaderbau (a filaretto), der jüngere 
das Gnßwerk (smalto) ist. Die Ansicht Milan i's, daß der Qnader- 
baa nar als innere Stütze nnd Yerstärknng (legamento e rinforzo 
intemo) der Grnßwerkmanem anzusehen sei , widerlegt sich dorch 
das Fehlen einer solchen Maner an der Innenseite der vorderen 
Glnuidmaaer der YorhaUe, wo sie dann doch wohl kaum fehlen 


fitnr atnuklMhu TempelbAu. 


163 


jfirfte, und namentlicli dnrch die Qaermaaeni in den Zellen, die 
doch fnr diesen Zweck völlig überäüesig sind. Äofierdem kann 
ich mir haom Torstellen, daß ein Baumeister, der aoagehesden Re- 
poblik — denn ans dieser Epoche stammt anch meiner Ansicht 
nach der Ghtßwerkbao — so wenig von der Statik deaselben ge- 
wußt und seine G-äte nnd Festigkeit, die ja Milani ganz beson- 
derB hervorbebt, so wenig za schätzen verstand, daS er dasselbe 
durch Qaadermaaem, die noch dazu ohne wirklichen Mörtelver- 
band gebaut waren, stützen za müssen geglaubt haben sollte. 

Za dem alteren Bau sind auch wohl nicht zu rechnen die 
Qnadermauem vor der vorderen äußmauer, ja es ist mir sogar 
zweifelhaft, ob man sie zu dem zweiten Tempel als Stufeuunter- 
lager in Beziehung setzen darf. Ihre Ausdehnung, ihre Form and 
ihr Zosammenbang rechts mit anderen Bauten scheinen mir sehr 
dagegen za sprechen. Daß aber die übrigen inneren Qnoder- 
mauem dem GuSwerk zeitlich vorangeben, wird durch die Fngen- 
abdrücke auf dem Goßwerk bewiesen *), 

£ine ReconstmctioD des Grundrisses des älteren Tempels, 
der durch den Einbau der Zelleugrundmauem des zweiten, gestört 
ist giebt Fig. 16, Fig. 17 den Grundriß des jüngeren Tempels 
ohne die für denselben belanglosen Gmndmauem des älteren. 



I) HiltDi ft. B. 0. S. 27: 8m1 lato Mtmo 4*1 getto dt »matto lOfyäNifi- 
naie, memo alta ttstata, *i nolarono le impronte laseiaU daüe botze di pietra dil 
muro a filarelU}, ehe ha lervito äi appoggto at gttto di maUo. 


164 H. Degering, 

Der Grundriß des Siteren Tempels ist eine fast genaue Wieder- 
holung desjenigen des Tempels c der ÄJsrapolis von MarsaboUo; nur 
daß die mittleren Säulenunterlager der inneren Säulenreihe nicht 
durch die Kreuzungspunkte durchgängiger Mauerzuge, sondern durch 
die genau in den Axenrichtungen der Zellenmauem liegenden Grrund- 
pfeUer (a) gebildet werden. Die größere Mittelzelle erhält hinten 
wiederum den Gang, und auch die kleinen Zellen haben nicht die 
volle Länge erhalten. Das abgetrennte Stück wird von der Zelle 
durch eine ungewöhnlich dicke Mauer von ungefähr 3,6 m Stärke 
getrennt, in die vielleicht eine Art von Schatzkammer eingebaut 
war. Möglicherweise liegt aber auch ein Irrtum in der Aufiiahme 
der Reste vor, derart, daß man eine Schüttung von Steinmassen 
des ersten Baues, die man beim zweiten Bau zur Führung der 
Innenmauem ausbrach, in ihrer Lage zwischen einer alten und 
einer neuen Mauer für eine einheitliche Mauer ansah ^). Dann würden 
wir auch hier je eine äla hinter den Seitenzellen erhalten. Ob 
auf der linken Seite dieselbe Anordnung sich befand, läßt Mila- 
n i's Plan nicht erkennen, es ist dies aber wohl selbstverständlich. Die 
vordere Grundmauer des Tempels ist an derselben Stelle anzu- 
setzen, wo auch die spätere Gußwerkgrundmauer des zweiten 
Tempels liegt. Dafür spricht sowohl die besondere Art der Grün- 
dung dieser Mauerstrecke ^, als auch das Fehlen der offenbar mit 
der alten Vordermauer fortgerissenen, an diese anschließenden 
Enden der Seitenmauern. Das Forträumen dieser Enden mitsammt 
der vorderen alten Grundmauer ist offenbar erst erfolgt, nachdem 
der Baumeister in verständiger Weise den natürlichen Vorteil, 
den ihm der Bestand der alten Quadermauem für die Construction 
des Gußwerks bot, soweit als möglich ausgenutzt hatte. 

Bei dieser Annahme fällt aber die Queraxe des Tempels 
genau auf die Mitte des Schwellenuntergrundes. Ebenso fällt die 
Axe der inneren Säulenreihe, deren Lage durch die beiden Säu- 
lenunterleger (a) bestimmt wird, genau mitten zvnschen die Vorder- 
kante und die Queraxe des Tempels. Daß die Mittelsäulen genau in 
der Richtung der Zellenmauern stehen, haben wir bereits erwähnt. 
Die Breite des Tempels beträgt circa 20 m gegenüber einer Länge 
desselben von ungefähr 24,6 m. Das Verhältnis der Zellbreiten 


1) In der Zeiohnong ist die Termatete Schattong durch poDktierte ümriBse 
kenntlich gemacht. 

2) MiUni a. a« 0. S. 27: 17 geUo di snuiUo iraioeraale^ dealinato a ntU- 
nere ü frontane dd tempio, andava a poggiare ml baneo di ghiaia^ fnenirt hM 
gli aUri getti e le eosirmione a filaretto erano fandaU eome d^ardinano tut hatieo 
di rata. 


ober etraskischen Tempelbaa. 165 

(in den Lichten) beträgt 4:6. Daraas würde sich als Verhältnis 
der Gesammtlänge zur Gresammtbreite das Verhältnis von 16 : 13 
ergeben, das mit obigen Werten genau zusammenstimmt. 

Für diesen ersten Tempel, der natürlicher Weise um Jahr- 
hunderte weiter rückwärts datiert werden kann als der sullani- 
sche Tempel, and zu dem vielleicht auch einige von den von Mi- 
lan i erwähnten Bangliedern ^) tuscanischer Ordnung gehören, 
welche man in jener Gegend gefunden hat, ist ein Oberbau vor- 
auszusetzen, der mindestens vom Epistyl ab aus Holz mit Terra- 
eottenbekleidung bestand. In vorrömische Zeit braucht man da- 
rum aber den Tempel nicht hinaufzurücken, obwohl es anderer- 
seits auch nicht ausgeschlossen ist, dass derselbe bereits von den 
Etroskem gegründet ist. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, 
daß die Front des Tempels eine viersäulige war. 

Der zweite Tempel, ist abgesehen von der Aenderung der 
Architectur, in der Hauptsache nur eine Vergrößerung des ersten 
Baues, wobei man offenbar, soweit es anging, die alten Propor* 
tionen beizubehalten suchte. So scheint man besonders das Größen- 
verhältniss der kleinen und großen Zellen ängstUch gewahrt zu 
haben, und da einer wesentlichen Verbreiterung des Zellenraumes 
nicht eine entsprechende Verlängerung desselben das Gleichgewicht 
hielt, so wurde, um das Verhältnis innehalten zu können, eine ver- 
änderte Verteilung des Gesammtraumes auf Kosten der unwesent- 
lieberen Räume nötig. Daher verliert die Mittelzelle ihren 
G^ng, und von den für die Seitenzellen verfügbaren Räumen 
wird jetzt nur je ein schmaler Streifen hinten abgetrennt. Die 
Qneraxe des Tempels fällt auf die Mitte des neuen Schwellenunter« 
gprundes. 

Dieser Bau war aber offenbar, wie aus den zahlreichen Fund- 
Btücken von Architecturteilen hervorgeht, kein Holzbau mehr, 
sondern ein reiner Steinbau. Dadurch war man aber gezwungen, 
die weite Säulenstellung aufzugeben. Ob man der Front sechs 
Säulen mit der für Steinarchitrave colossalen Axweite von unge* 
fahr 4,65 m gab oder acht mit 3,36 m kann ich nicht entscheiden; 
aber für wahrscheinlicher halte ich das Letztere. Milani's Be- 
rufung für die sechssäulige Front auf den stadtrömischen Tempel 
vom Capitol ist ganz verfehlt. Die bei dieser Gelegenheit über 
den Haupttempel des römischen Reiches ausgseprochenen Ansichten 

1) Milani a,a. 0. S. 60. Anm. 2: PareecfUe altre basi di eciotme tuicth 
nkhe mi armaria, eapUdUt rocM di eoUmna ecc. deUa Heasa maUria e del wud^ 
mmo earaUert sHlMeo, troooH nei lavori dd ceiUro di ItrcHMt io riferirH dd 
fmi m primMvi edifici di FkmH romafio. 


166 H. Degering, 

stehen mit den Fanden und der üeberliefemng sehr wenig 
im Einklang. Auf Grund des Denars des Volteius die Viersänlig- 
keit des ersten Tempels zu behaupten, ist doch wohl etwas viel 
gewagt ^). Die Vorhalle des neuen Tempels scheint aber, wie ge- 
wöhnlich die Vorhallen römischer Tempel, keine zweite innere Säulen- 
reihe gehabt zu haben, sondern nur Säulen ringsumher am Rande, 
da die alten Säulenunterlager (a) innerhalb der Vorhalle, die, wie 
wir sahen, zu dem ersten Tempel gehörten, sich mit der Säulen- 
stellung des neuen Tempels nicht gut vereinigen lassen, mögen wir 
nun sechs oder acht Säulen in der Front annehmen. Die freie 
Deckenspannung der Vorhalle von circa 10,50 m, die wir dann an- 
nehmen müssen, bietet für eine Holzdecke keinerlei Schwierig- 
keiten. 

0. Richter hat die Vermutung ausgesprochen, daß der capi- 
tolinische Tempel von Rom nach einem alten Fuße von 275 — 278 mm 
gebaut worden sei*) Unter Zugrundelegung unseres Constructions- 
principes läßt sich diese Vermutung fast zur Gewißheit erheben, 
da sie gestattet, in rationeller Weise die Angaben des Dionys von 
Halikarnaß ^) über die Dimensionen dieses Bauwerks mit den that- 
sächlich vorhandenen Resten zu vereinigen. Dionys giebt an, daß 
jede Seite ungefähr 200 Fuß {Si.axo6i(ov 7toi&v iyyLöta) gewesen 
sei, und zwar die Länge nicht ganz 15 Fuß beträchlicher als die 
Breite (ot^d* Sltov xsvtexaiiexa xoS&v). Es ist ganz selbstverständ- 
lich, und Richter hat in dieser Beziehung, aber auch nur in 
dieser, seine ursprüngliche Ansicht zurückgenommen ^), daß Dionys 
seine Maaßangaben in dem zu seiner Zeit üblichen, römischen oder 
attischen Fußmaaße macht, aber die Art und Weise, wie er die 
Maaßzahlen giebt, läßt deutlich erkennen, daß seine Angaben nur 
die Geltung von Näherungswerten beanspruchen können. Nehmen 
wir nun einmal an, der Tempel sei 210 alte Fuß von 275 mm lang 
gewesen und 195 breit, so vnirden das 195 resp. 181 römisch-atti- 
sche Fuß sein. Wir erhalten also Zahlen, die in runder Angabe 
ganz gut als „nahezu 200 Fuß^ bezeichnet werden konnten. Die 


1) MiUni a.a.O. 60f.: I veteram di SiUa nd datare Fireme di un lern» 
pio ea^ntoUno a simüiiudine di gueüo^ che giusto aUora «» aiava rieostruendo a 
Roma da LutoHo CatülOt in forma magnifiea, diversa daüa priwntiva (? Yeigl. 
Tac. Hiit 111,72) non piü di stüe tuseanico (? Tergl. YitraT III 2. 5) in kgno « 
ierracoUa, e tetroHUo, eome vedeH nei denari di M. Volteio^ ma di süle eo- 
Hntio, mairmoreo ed esatUhf eome vedesi mUe moneU di PetHio CapHoUno . . . 

2) Hermes 1883 8. lOiC 6161 1887 S. 17ff. 
8) Dionya. y. Halic. lY, 61. 

4) Hermes 1887 8. 17 ff. 


aber etnukiflcken Tempelbaa. 167 

DifPerenz von wirklich 15 Fuß alten System's, die wir oben an- 
nahmen, würde sich im neaen System auf 14 Faß redacieren, also 
auch, da die Angaben offenbar in Rücksicht anf das dekadische 
System abgerondet erscheinen, mit den Worten „nicht ganz 15 Fuß ^ 
übereinkommen. Man kann aber vielleicht auch so folgern, daß man 
in den Dionysischen Angaben mehr oder minder alte Tradition an- 
nimmt, der die richtigen Maaßzahlen zugrunde lagen, und die man 
nach Einführung des neuen Maaßsystems fortpflanzte, aber zugleich 
zn verbessern pflegte, gerade so wie das in ähnlicher Weise heutzu- 
tage bei unserem Metermaaße der Fall ist, das der zehnmillionste 
Teil des Erdquadranten sein soll, aber, wie fast ausnahmslos hin- 
zugefügt wird, nicht ist. Die angegebenen Dimensionen stimmen 
nun aber auch vorzüglich zu den Ergebnissen der Ausgrabungen. 
195 Fuß von 275 mm sind 53,625 m. Die einzige durch Richter 
mittelst der Settimi'schen Aufnahme des Grundstückes der deut- 
schen Botschaft sichergestellte Dimension des Tempels ist die der 
Breite des Unterbaus, die sich demnach auf 52,50 m beläuft ^). Da- 
zu mag noch eine Bekleidung von zweifüßigen Quadern kommen, 
die wohl genügend stark erscheinen dürfte und die Differenz zwischen 
dem Gegebenen und Berechneten gerade ausfüllt. Exacte Be- 
obachtungen über die Stärke der Bekleidungen liegen leider 
nicht vor. 

Dem Bau lag also zugrunde ein Baumodulus von 16 Fuß, der 
14 mal genommen die Länge und 13 mal genommen die Breite er- 
gab. Daraus würde dann zu schließen sein, daß die Zellenbreiten 
sich vde 2 : 3 verhielten, vorausgesetzt, daß der Tempel in seiner 
Form dem ersten der oben für den Dreizellentempel höherer Ord- 
nung entwickelten Schemata folgte, wie der nachher zu bespre- 
chende Tempel von C i v i t a-C a s t e 1 1 a n a, bei welchem ebenfalls 
das äußerste Intercolumnium sich nach der Breite der Mittel- 
zelle richtet. Die Ansätze von Jordan und Schupmann*), 
nach der jedes Intercolumnium 9,20 m breit war, und von 
Richter'), der das mittlere Intercolumnium auf 10,90m erweitert, 
genügen nicht, um die Breite des Tempels voll auszufüllen. Nach 
der Jordan 'sehen Annahme würde der Axenabstand der Eck- 
aiolen 5x9,20 »> 46 m betragen, nach der B i c h t e r 'sehen 47,70. 
Rechnen wir dazu noch einen Basisdurchmesser von 2,20— 30m ^), 

1) Bichter, der capitoL Jappiieriempel und der ital FuB, Hermes 
1887 8. 21. 

2) Jordan, Top. I 2. S. 70f. 

8) Bichter, TopograpUe f. Bom, Handb. d. Kl. Alt W. B. 8, 8. 815. 
4) Die Bereehaoog der S&oleniaaale gestaltet sieh folgendermaleii. Wena 


168 H. Degering, 

SO wurden selbst beim Bi cht er 'sehen Ansatz die Ecksänlen noch 
1,80 m weit vom Rande abstehen (bei dem Richter*schen Brei- 
tenansatz von 54,90 m erhöht sich der Betrag sogar auf 2,46 m). 
Ein solcher Abstand ist aber für einen Tempel auf hohem, 
nur von der Vorderseite zugänglichem Postamente, wie wir es für 
den capitolinischen Tempel vorauszusetzen haben, undenkbar, denn 
hier pflegt man die Säulen mit geringem Abstand dicht an den 
Rand zu stellen. Darnach kann also die von jenen angenommene 
Säulenstellung nicht die richtige sein. 

Bei meinem Ansatz würde sich die Frontbreite derart 
einteilen, daß 3 Axweiten von je 42 Fuß und zwei von je 
28 Fuß herauskämen, von den übrigbleibenden 13 Fuß ent* 
fallen ungefähr 8 Fuß auf einen Basisdurchmesser, sodaß für 
den Kantenabstand der Säulen jederseits 2Vs Fuß = 0,6875 m 
übrigblieben. Die 210 Fuß der Längsseite verteilen sich 
auf 2 Axweiten von 42 und 4 von 28 Fuß und Basisdurch- 
messer von 8 Fuß, sodaß für den jederseitigen Eckabstand 
je 3 Fuß übrigbleiben. Diese geringe Differenz mag durch eine 
unmerkliche Verschiebung in der Säulenstellung ausgeglichen sein. 
Man sieht, wie unter meinen Voraussetzungen alles in guten Ein- 
klang kommt. Und da über die Verteilung der Farallelmauem 
zwischen den beiden Seitenmauern völliges Dunkel gebreitet ist, so 
kann vorläufig auch von hier aus kein Einwand gegen meine Recon- 
struction erhoben werden. Ich gebe natürlich gern zu, daß meine 
Anordnung noch nicht bewiesen ist, sondern nur eine Lösung ver- 
sucht, wie sie nach den bis jetzt festgestellten Thatsachen möglich 
und befriedigend erscheint. Zur Unterstützung kann ihr aber 
der Umstand dienen, daß auch in den übrigen Teilen des Bauwerks 
eine systematische und rationelle Anordnung unter den gemachten 


man für den Dreizellentempel ein Drittel der Breite als S&aleahöhe Terlangte 
80 ist bei dem Tempel von 5 Intercolumnien der fünfte Teü das Angemessene. 
Im übrigen gelten natürlich die von V i t r u v für die tuscanische S&ole (Vitr. 
IV 7. 3) gegebenen Regeln. Demnach würde also bei einer Breite von 63,625 m 
die S&nlenhöhe 10,725 m betragen and daraus würde sich der untere S&olendaroh« 

10 726 3 

messer auf ' m = 1,532 m und die Basis auf -|- x 1,632 m = 2,298 m be« 

Stimmen. Eine erhaltene Basis des Tempels hat aber gerade diesen Darehmetser, 
Jordan, Top. I, S. 72 Anm. 69. Natürlich kann das nicht als ein Beweis für 
die Richtigkeit jener Berechnung gelten, da die Basis doch vermuthlich su dem lotsten 
Tempel gehört, dessen S&nlen sicher nicht tuscanischer Ordnung waren. Mögliek 
ist aber, dai man die alte Basisbreite beibehielt, da die nötige YerstArkong und 
Erhöhung der Sftolen schon durch die Wahl einer anderen S&nlenordnnng «r* 
war. 


aber etraskiBcheD Tempelban. 169 

Voraossetziuigen sich heransstellt. üeber die Ableitung der Säu- 
lendimenfiionen haben wir bereits vorbin gehandelt. Das Zellen- 
haus wird bei unserer Anordnung genau quadratisch und das 
Axemnaaß desselben, daß sich auf 98 Fuß berechnet, liegt so nahe 
bei 100, daß der Gedanke kaum abzuweisen ist, daß in der Aus- 
führung auch diese Zahl wirklich zur Anwendung gekommen sei. 
Dieses runde Maaß von 100 Fuß ist aber im Altertum bekanntlich 
für Bauten sacraler Bestimmung sehr beliebt, und wenn wir gerade 
hier außer den allgemein bekannten Beispielen ein für uns be- 
sonders prägnantes heranziehen wollen, so bietet sich der vorhin 
besprochene zweite Tempel von Florenz, der mit einer Länge von 
30 m unbedingt als Hekatompedos beabsichtigt war. 

Von dem capitolinischen Tempel unterscheidet sich der Tempel 
von Falerii, Civitä-Castellana^) aus der contrada di Celle, 
und das war einer der Hauptgründe für meine Auffassung vom capito- 
linischen Tempel, nur durch die Größe des Modulus, der sich für 
diesen Tempel auf nur 12 Fuß alten Maaßes statt der 16 Fuß des 
capitolinischen Tempels stellt. Der Grundriß Fig. 11 würde des- 
halb für beide gleichmäßig giltig sein. Die Mauerstärken des 
Planes sind vielleicht für beide Tempel zu gering ausgefallen, aus 
den Pasqui'schen Angaben der Dimensionen ließ sich aber nicht 
mehr entwickeln als das ungefähre Verhältniß der Zellen- 
breiten, und dieses ist als das Wesentlichste der Zeichnung zu- 
grunde gelegt. Mein Versuch an Ort und Stelle genauere Maaßo 
zu nehmen, scheiterte an dem desolaten Zustande der Ruinen. 

Ich will nun zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen 
hinzufugen. Ich bin nicht der Ansicht, daß ich das Gesetz des 
italischen Tempelbaus nun schon in erschöpfender und absolut 
richtiger Weise formuliert habe. Einerseits ist nämlich hin- 
sichtlich der Proportionsträger, ob Axweiten oder Lichtenweiten, 
noch keine sichere Entscheidung zu treffen, denkbar wäre sogar 
angesichts der Thatsache, daß bei der oben näher geschilderten 
Vergrößerung des Tempels von Florenz die Größenverhältnisse 
der Grundflächen der Zellen dieselben blieben, daß die Proportions- 
zahlen der Grundflächen den Grundriß bestimmen. Andererseits 
ist aber das gefundene Gesetz noch nicht mit den übrigen Disci- 
plinen des italischen Sacralwesens in einen festen organischen Zu- 
sammenhang gebracht. Man kann wohl ahnen, daß diese Propor- 
iionsgesetze irgendwie mit der Augurallehre oder dem Kalender 
oder gar mit beiden zusammenhängen, aber dieser Zusammenhang 


1) Not. d. scaTi 1887 S. 92 ff. Ta?. IL 

KcL 0«. 4. Wlü. HMkrtoktM. PUlolof-Uttor. KImn 1897. Hfl. 8. 12 


170 H. Degering, 

soll erst noch gefanden werden. Für beide Fragen ist es not- 
wendig noch mehr Material and zwar namentlich sichere nnd ge- 
naue Maaßangaben za erhalten. Daher möchte ich hier die Bitte 
aussprechen, daß man bei der Bearbeitung jener neu gefundenen 
Tempel von der Akropolis von Falerii und im Thale der Treja, 
deren Publikation noch aussteht und die vermutlich reiches Ma- 
terial für uns liefern werden, auch in dieser Hinsicht sichere 
Grundlagen schaffen möge. 


Excurs 

über die Funde von Conca. 

Schon oben habe ich darauf hingewiesen, daß von den Funden 
von Conca für den Zweck der vorstehenden Untersuchungen nur 
die allerältesten Teile in Frage kommen konnten. Da aber eine 
ausführlich begründete Auseinandersetzung hierüber nicht gut 
anders als im Zusammenhange mit der Darlegung des gegenseitigen 
Verhältnisses aller aufgedeckten Fundamentreste gegeben werden 
konnte, so erschien es zweckmäßiger, den dadurch notwendiger- 
weise einen größeren Umfang beanspruchenden Ausführungen hier 
einen abgesonderten Platz anzuweisen. Es liegt in der Natur der 
Sache, daß ich mich hier im wesentlichen als Nichtaugenzeuge auf 
die Negation beschränken darf, und daß dasjenige, was ich als 
Positives vorzubringen habe, sich mehr oder minder in die Form 
der Hypothese kleiden muß. Schon bevor Petersen 's Bericht*) 
erschienen war, hegte ich die Ueberzeugung, daß die Auffassung 
der Funde, wie sie von den italienischen Gelehrten in den o£fi- 
ciellen Fundberichten ^) allmählig entwickelt und vertreten wurde, 
nicht die richtige sein könnte. Die Bedenken, welche sich mir 
schon damals gegen jene Auffassung erhoben, haben zum Teil ihre 
Bestätigung durch Petersen 's Bericht gefunden; und da durch 
denselben auch sonst in mancher Beziehung eine festere Grund- 
lage für die Beurteilung der Reste gegeben ist, so glaube ich 
nunmehr auch meine übrigen — auch von der Petersen'schen 
Auffassung abweichenden — Vermutungen äußern zu dürfen. 

Der letzte maßgebende Bericht der Italiener*) nimmt diese 
aufeinanderfolgenden Constructionen an: 


1) Rom. Mitth. 1896 S. 167 ff. 

2) Notizie degli scayi 1896 S. 23 ff. 69. 99 ff. 167. 190 ff. 
8) Not. d. sc. 8. 190 ff. 


aber etroakischen Tempelbau. 171 

1. Einen primitiyen etmskischen Tempel, von welchem ausser 
einigen Terracotten, die ihm zugeschrieben werden, nur er- 
halten ist: 

a) ein Teil der Umfassungsmauern der area (im Plane 
S. 192 mit Ä bezeichnet). 

b) die Einfassung der Votivgrube. 

2. Einen Peripteraltempel, von dem erhalten sind: 

a) einige Säulenbasen (a) und 

b) die Grundmauern der Zelle (c). 

3. Dieser Peripteraltempel wurde dadurch erweitert, daß man 
durch die Einfügung einer Zwischenmauer (d) von der Zelle 
eine Vorhalle abschied und (gleichzeitig oder später wird un- 
entschieden gelassen) die einschließenden Anten nach vom 
bis zur Vorderkante des Tempels verlängerte (e?). 

4. Hierauf folgt eine große Veränderung, indem der Neubau 
anders orientiert ist. Dieser Neubau besteht zunächst nur 
aus einer Zelle (B). 

5. Diese Zelle erweitert man zu einem Peripteros (C), welcher 

6. später durch Anfügung der Anten (E) und einer Erweite- 
rung des Säulenunterbaues (D) vergrößert wird (der Gedanke 
eines Dipteros, den der erste Bericht vertritt, scheint auf- 
gegeben zu sein). 

Gegen diese complicierte Auffassung, die im wesentlichen 
schon im ersten Berichte vertreten wurde, wendet sich Petersen 
a. a. 0., indem er nur zwei Bauten anerkennen will, die sich durch 
die verschiedene Orientierung leicht auseinander halten lassen. 

Diese Ansicht dürfte im ganzen die richtigere sein, nament- 
lich scheinen hinsichtlich des zweiten Tempels Petersen's 
Schlußfolgerungen unabweisbar, sowohl daß der seeondo recinto nur 
die Unterlage des Stufenbau's ist, als auch daß von einer spä. 
ieren Anfügung der Anten nicht die Bede sein darf. Sollte sich 
aber hinsichtlich des ersten Punktes Petersen 's Ansicht als eine 
irrige erweisen lassen, so würde ich nicht den inneren, sondern den 
äußeren Säulenunterbau für den älteren zu erklären geneigt sein. 
Dann würde nämlich der Abstand desselben von der Zellwan- 
dnng (von Mitte zur Mitte gemessen), der an den Lang- und 
Schmalseiten derselbe ist, genau als ein sechsfaches Intercolumnium 
auf der Langseite aufzutragen sein. Dadurch würde sich also 
für die Langseiten eine Säulenstellung von 7 Säulen mit circa 5,6 m 
Axweite und für die Schmalseiten von 4 Säulen mit Axweiten von 
6,5 m bezw. 7,6 m ergeben. Dem gegenüber würde dann das innere 
Säalenunterlager mit seiner recht sonderbaren aber weit engeren 

12* 


172 H. Degering, 

Säalenstellang eine wesentliche technische Erleichterung hedeaten. 
Die Gliederung der Vorderfront des Tempels würde zugleich auch der 
des Vitr UV 'sehen Tempels im besonders hohen G-rade nahe kom- 
men. Zwischen der Auffassung Petersen 's und derjenigen der 
Italiener ließe sich dann auch vermitteln, indem man das Verhält- 
nis der beiden Säulenunterbauten so erklärte, daß der ältere 
(äußere), indem er zum TeU abgetragen wurde, zum Stufenunter- 
bau des neuen ausgebaut wurde. 

Auch hinsichtlich des ersten (Petersen 'sehen) Tempels er- 
heben sich sowohl gegen Petersen 's Auffassung, als auch gegen 
die der italienischen Gelehrten, gewichtige Bedenken. Ich möchte 
nämlich die peripterale Form des Tejnpels bezweifeln, mit der ich 
weder die Verlängerung der Ante ((?), die der Quermauer (d) gleich- 
zeitig anzusetzen sein wird, noch die ungleiche Größe der gefun- 
denen Basen, die Petersen zu 63 — 80 cm Durchmesser angiebt, 
noch das Fehlen eines durchlaufenden Stufenunterbaues vereinigen 
kann, ebenso wie ich auch unter dieser Voraussetzung für die von 
beiden Seiten nicht berücksichtigte, auf dem Plane unbezeichnete, 
kleine Quermauer rechts kehie Erklärung zu finden vermag. Die 
Mauerzüge A^ welche die Italiener für Beste einer Umfriedigung 
der area eines ersten, ganz hj^othetischen Tempels ansehen, sind 
nach Petersen der eine — der an der Ostseite entlanglaufende — 
zum Peripteros selbst als Bückwand gehörig, der andere später 
als der Peripteros, da in situ erhaltene Steinlagen desselben die 
ebenfalls in situ erhaltenen Basen im Niveau überragen. Wir 
würden somit zu der Annahme eines Zwischenbaos genötigt, der als 
dann der Zeit nach zwischen den beiden verschieden orientierten 
Tempeln anzusetzen wäre, eben nur dieses geringen Mauerstückes 
wegen ^). Was sollte das aber für ein Bau gewesen sein ? Kann 
man nicht vielleicht ebensogut annehmen, daß die Säulen za 
jenen Mauerzügen in Beziehung zu setzen seien, derart, daß 
sie mit denselben zusammen Säulenhallen bildeten, die nach 
außen geschlossen da.s ursprüngliche Heiligtum umgaben? Ob 
wir dann dieses allerälteste Heiligtum etwa nur im Umfange 
von b oder in dem von c anzunehmen haben, darüber kann man 
im Zweifel sein. Jedenfalls ließe sich bei dieser Annahme die ge- 
ringere Sorgfalt, die man auf die Säulenbasen verwendete, sowie 
das Fehlen eines durchgehenden Stufenunterbaues leichter ertragen. 
Damit würde sich dann also für den Tempel eine Form ergeben, 
wie wir sie z. B. vom pompejanischen Apollotempel her kennen "). 

1) Petersen a.a.O. 8. 164 Anin. 2. 

2) YgL OTerb.-MM, Ponp. « 8. 96. 


über etroBkiflchen Tempelbaa. 173 

Es ließe sich aach leicht zeigen, wie für die Anlage des 
ZeUenbaaes die Gesetze des Doppelqnadrates and der Flächen- 
halbiening maaßgebend gewesen zu sein scheinen; da aber die 
thatsächlichen Verhältnisse selbst noch so wenig klar gestellt 
sind, wird es besser sein, vorläufig hier aof weitere Schlüsse 
za verzichten. Einige Querschnitte durch das Tempelterrain 
würden mehr als seitenlange Berichte im Stande sein, auch 
Xichtaugenzeagen die Möglichkeit zu gewähren, über Successions- 
fragen der Mauerzüge selbständig sich ein Urteil zu bilden. 

Soviel steht aber wohl fest, wir haben auch hier Mischtypen 
vor ans, deren etruskisch-italische Bestandteile bei dem zweiten 
Tempel auf die Gliederung der Vorderfront, die araeostyle Bauart 
ond die Holz- and Terracottenconstruction des Gesims und Daches 
sich beschränkt. Für den ersten Tempel dürfen wir wohl sicherlich 
noch mehr Elemente einheimischer Baukunst erwarten. Petersen 's 
dreiseitiger Peripteros mit geschlossener Rückwand würde, auch 
abgesehen von der nach meiner Ansicht falschen Auffassung der alae, 
dieser Annahme sehr entgegenkommen, ist aber mit den Fundthat- 
Sachen unvereinbar, da sonst die Verlängerungen der Mauern c bis 
zur Mauer A hätten gefanden werden müssen, zum mindestens 
jedoch die Ansätze derselben an ^, die innerhalb erhaltener 
Strecken fallen. Femer gilt natürlich auch hier das oben im all- 
gemeinen über den peripteralen Character des Tempels Vorgebrachte. 

Was nun die allgemeine Würdigung dieses Fundes anbetrifft, 
80 bin ich der üeberzeugnng, daß derselbe auch für die Geschichte 
italischer Tempelbaukunst und des Sacralwesens eins der wich- 
tigsten Dokumente sein wird. Die Frage, ob schon im siebenten 
Jahrhundert v. Chr. Religion und Cult Italiens unter griechischem 
Einfluß standen, wird meiner Ansicht nach im Princip durch die 
Beantwortung der Frage entschieden werden, ob der erste Tempel 
ein Peripteros war oder nicht. Dagegen spricht außer den oben 
angeführten Gründen die schon vorhin erwähnte Pliniusstelle, ante 
hane aedetn tuscanica omnia in aedibus^ welche einen solchen Einfluß 
erst vom Beginn des fünften Jahrhunderts datiert. 


174 H. De gering, über etruskischeo Tempelbau. 


Nachträgliches zu S. 143 Anm. 3. 

Herr Geheimrat Bücheier bestätigt mir auf meine Anfrage, 
daß die Handschrift vom Monte Cassino (nach Kellermann's Zeug- 
nis) sique oder stq; nicht quae habe. Er hält das aber jetzt, da 
e in den Handschriften auch ae bedeutet, für irrelevant und zwei- 
felt nicht mehr, daß an jener Stelle si quae zu lesen sei. Ange- 
sichts der oben ausgesprochenen Beobachtung, zu der mich Herr 
Prof. Dilthey veranlaßte, daß sique der Latinität der Republik 
und der ersten Jahrhunderte der Kaiserzeit fremd zu sein 
scheint, hält Bücheier, der sich auch durch eigenes Nach- 
blättern von ihrer Richtigkeit überzeugte, jede Conjectur von 
sique (z.B. früher Mommsen, Viereck u. a. im sc. de As- 
clepiade C. I. L. I, 203) für verfehlt und jede solche Ueberlie- 
ferung für verdächtig. Daraus folgt dann aber wohl für die Vi- 
truvstelle, daß wir bei der Conjectur et si quae stehen bleiben 
müssen. Bücheier meint freilich, daß man den von mir aus 
sachlichen Gründen geforderten Sinn auch der überlieferten Les- 
art mit sive abgewinnen könne, denn „während die alae und cellae 
minores tektonisch natürlich verschieden sind, ergänzen sie sich 
von selbst für den Hauptbegriff des Tempels." Ich zweifele aber, 
ob sich diese Interpretation mit der disjunctiven Bedeutung von 
sive vereinigen läßt. 

Anders stellt sich jedoch die Sache, wenn wir mit Ussing 
(Betragtninger over Vitr. de archit. 1. decem, Danske Vidensk. 
Selsk. Skr. 6. Raekke, historisk og filosofisk Afd. IV. 3) das unter 
dem Namen Vitruv's überlieferte Werk in das 3. oder 4. Jahr- 
hundert n. Chr. herabrücken müssen, denn für diese Zeit ist 
sique z. B. durch Avien, 11, 17B7 und II, 1794 gesichert. 


PapBturkunden in Pisa, Lucca und Ravenna. 

Ein Reisebericht 
Von 

F. Kehr. 

Vorgelegt in der SiUnng vom 16. Biai 1897. 

Meinem Bericht über die Papfftarknnden des Venezianischen 
Staatsarchivs (Nachrichten, Philolog.-histor. Klasse 1896 S. 277 ff.) 
lasse ich jetzt einen zweiten folgen , der den Archiven von Pisa, 
Lncca nnd Ravenna gilt. Zwar ist nnsre Knnde von dem, was 
diese Archive enthalten, unvergleichlich reicher und besser als die 
dürftigen Angaben früherer Forscher über die Urkondenbestände 
in Venedig, nnd ich kann nicht nmhin zn bekennen, daß wir wenig- 
stens für Pisa und Lucca in v. Pflugk - Harttungs Iter Italicum 
einen weit zuverlässigeren Führer fanden als wir erwarteten. 
Aber immerhin lohnte sich, von Ravenna ganz abgesehen, auch 
für jene noch eine Nachlese. Somit biete ich auch jetzt den Fach- 
genossen neben den genaueren Angaben über die von uns besuchten 
Archive eine Reihe von noch unbekannten Papsturkunden. 

Auch dieses Mal kann ich meinen Bericht nicht besser ein- 
leiten als mit dem lebhaftesten Danke für die oft unbegrenzte 
Bereitwilligkeit der italienischen Archivare und Bibliothekare. In 
Pisa waren der Director des Staatsarchivs Herr TanfaniCento- 
fanti und der Staatsarchivar Prof. demente Lupi unermüd- 
lich uns zu unterstützen. Im Kapitelarchiv ließ uns der Archivar 
Canonicus Bardelli alle möglichen Freiheiten. Ebenso ward 
uns im erzbischoflichen Archiv jede Erleichterung zu Theil. An 
den Besitzer des Archivio Roncioni Herrn Avv. Roncioni wer- 
den wir allezeit eine dankbare Erinnerung bewahren. In der Cer- 


176 P- Kehr, 

tosa di Calci machte der Rector De Guglielmi den liebens- 
würdigsten Wirth und Führer. In Lucea erwies auch uns Herr 
Comm. B n g h i mit den Beamten des Staatsarchivs das oft gerühmte 
Entgegenkommen. Im Kapitelarchiv gestattete uns der ehrwür- 
dige Canonicus Bertocchini, weit über die übliche Arbeitszeit 
hinaus zu arbeiten; die Kapitelbibliothek vertrat auf das Wür- 
digste der Canonicus Rossi. 

Auch in Ravenna fanden wir aller Orten Unterstützung 
und Entgegenkommen. Dank der Vermittelung des Herrn Dr. 
M e r c a t i von der Ambrosiana in Mailand und des Canonicus B u s s i 
in Ravenna, erhielten wir sogleich Zutritt sowohl zum Kapitelarchiv, 
dessen Archivar Canonicus Pilotti uns arbeiten ließ, wie und 
wann wir wollten, wie zum erzbischöflichen Archiv, das uns der 
Secretär des Cardinalerzbischofs von Ravenna Monsignor Peppi 
den ganzen Tag öffnete. Unermüdlich uns zu nützen, waren auch 
Herr Silvio Bernicoli, Vicebibliothekar der Ciassense, und Herr 
Avv. Muratori, Archivar der Stadt. So unterstützt haben wir 
in verhältnißmäßig kurzer Zeit die zum Teil sehr beträchtlichen 
Materialien zu bewältigen vermocht. 

Ein nicht geringes Verdienst hat hierbei Herr Dr. Luigi 
Schiaparelli, dessen Theilnahme an diesen Arbeiten ich mich 
während der ganzen Zeit zu erfreuen hatte. Ich schulde seiner 
Sachkenntnis, seiner Geschicklichkeit und seinem Eifer den größten 
Dank. 


L Pisa. 

Archivio di stato '). 
Atti pubblici (Urkunden beginnen mit 1091). 
Originale : 

Innocenz H. 1137. IH. B. J-L. 7830*). 
Eugen m. 1146. V. 29. J-L. 8929»). 

1) Vgl. y. Pflagk-Harttung Iter p. 75. Seine Angaben sind nicht fehlerfrei; 
statt sie im Einzelnen zu verbessern, gebe ich die Liste der Papsturkunden ge- 
ordnet nach den Provenienzen. Die Provenienzen San Bemardo, Carmine, 8. Fran- 
cesco, S. Benedetto , 8. Marta , S. Silvestro , S. Domenico , Ordine di S. Stefano, 
Pia casa di misericordia and die Depositi und Acquisti Franceschi-Qalletti, Bonaini, 
Tribolati, Simonelli, Capelle, da Scorno enthalten keine altern Papstarkonden. 
Ueberaus reich an solchen des 13. Jahrhunderts ist das Copiario del Spedale 
nuovo detto di papa Alessandro. Aach das Archivio del Seminario enth&lt nor 
jüngere Docamente. 

2) Mit IIL nan, martii, ind. XV, a. MCXXXVII, a. ptnU. VUL 
8) Mit JII. koL tun. 


Papstarktinden in Pisa, Lncca and Bavenna. 177 

Anastasins IV. 1154. IV. 25. J-L. 9878. 
Hadrian IV. 1157. V. 31. J-L. 10286 »). 
Alexander DI. 1162. I. 26. J-L. 10693. 
Alexander m. 1176. IV. 11. J-L. 12692. 
Alexander DI. 1176. IV. 11. J-L. 12693. S. Anhang. 
Lncina m. 1181. XI. 12. J-L. 14514. 
Urban m. 1186. X. 30. J-L. 15685. 
Clemens HI. 1188. V. 19. J-L. 16238. 
Clemens HI. 1188. XU. 12. J-L. 16363. 
Colestin m. 1192. IL 5. J-L. 16809. 
Copien : 

Urban H. 1091. VI. 28. J-L. 5449. Cop. s. XIU. 
Urban IL 1092. IV. 21. J-L. 5464. Zwei Copien s. XU. 
Honorius H. 1126. VU. 21. J-L. 7266. Copie s. XIL 
Innocenz IL 1138. IV. 22. J-L. 7890. Copie von 1618. 
Colestin HI. 1198. IV. 8. J-L. 16979. Not. Cop. von 1248. 

San Michele in Borge (Urkunden beginnen mit 940"). 

Originale: 

Gregor VH. 1077. Vm. 10. J-L. 5044. 

Alexander IH. 1180. IV. 8. J-L. 13644. 
Copien : 

Gelasins IL 1118. X. 1. J.-L. 6664. Cop. s. XU. 

San Martino (Urkunden beginnen mit 1104). 
Originale: 

Innocenz U. 1135. V. 80. J-L. 7697. 
Lndns IL 1144. V. 10. J-L. 8596. 
Anastasins IV. 1158. XU. 2. J-L. 9762. 
Lncius UI. 1182. V. 18. J-L. 14643. 

Santa Anna (Urkunden beginnen mit 1066). 
Originale: 

Hadrian IV. 1157. U. 17. J-L. 10255. S. Anhang. 

aemens UI. 1188. IV. 5. J-L. 16194. 
Copien: 

Innocenz H 1141. V. 21. J-L. 8146. Copie s. Xm. 

San Paolo all'Orto (Urkunden beginnen mit 1042). 
Alexander UL 1168. VL 19. J-L. 11414. Not. Cop. von 1230. 
S. Anhang. 


1) Mit U. kal. «MMti. 

3) Ueber d«n Inhalt d«s Chart, mon. •. Mieha«lls in Borgo nae. XIT •. 


178 P. Kehr, 

Nicosia (ürkiinden beginnen mit 1120). 

Alexander m. 1176. (X. 26.) J-L. 12731. Not. Cop. von 143a 
S. Anhang. 

Opera della Primaziale (Urkunden beginnen mit 930). 
Anastasius IV. 11B3. XH. 20. J-L. 9781. Cop. s. XTL 

San Michele degli Scalzi (Urkunden beginnen mit 1004). 
Originale : 

Clemens m. 1188. L 11. J-L. 16114. 
Cölestin m. 1192. VI 12. J-L. 16902. 

Olivetani (Urkunden beginnen mit 1033). 
Cölestin m. 1194. VI. IB. J-L. 1712B. 

San Lorenzo alle Riyolte (Urkunden beginnen mit 1067). 

Originale: 

Urban m. 1186—86. XU. 6. J-L. 15493. 
aemens HI. 1188. L 16. J-L. 16120. 

Acquisto Coletti. 
Eugen m. 1147. XI. 19. J-L. 9160. Orig. 


Archivio arclvescovile '). 

Mensa ar cive^co vile (Urkunden beginnen mit 720). 
Originale: 

Innocenz H. 1135. V. 25. J-L. 7692 (Nr. 2806). 

Eugen m. 1148. XI. 22. J-L. 9307 (Nr. 363). 

Alexander m. 1179. IX. 23. J-L. 13463 (Nr. 446). 

Lucius m. 1184. V. 4. J-L. 16032 (Nr. 461). 

Cölestin IH. 1193. XI. 13. J-L. 17040 (Nr. 609). 
Copien : 

Paschal 11. 1106. IX. 19. J-L. 6091 (Nr. 208) Cop. von 1331. 

Calixt IL 1120. V. 21. J-L. 6850 (Nr. 261) Cop. s. XU. 

▼. Pflugk-Harttung Iter p. 76; die hier überliefertea Papstorkonden sind s&mtlich 
ausgestellt für die Congregation von Camaldoli. 

1) Die übrigen Abtheilungen des enbischöflichen Archivs (Pergamene di Vol- 
terra 1256—1623; di San Gemignano 1247-1698; di Santa Groce in Yal d'Amo 
1279—1616; di castello di Gambassi 1207— 1514; di yari altri luoghi 1165— 1578), 
IQ denen noch die noch ungeordneten Urkunden von S. Nicola di Pisa kommen, 
enthalten keine Papstbullen bis 1198. Zu den von v. Pflugk-Harttung Iter p. 74 
verzeichneten Kaiserurkunden habe ich noch nach dem Repertorinm di vari altri 
luoghi citiert: Nr. 1: 1165. II. 14: Privilegio concesso da Cristiano cancelllere 
imperiale dell' imperatore Federigo di edificare nn castello in Salagnano ad onore 
di Dio e deir impero e della chiesa di 8. Flora. 


Papsturkimden in Pisa, Lucca und Bavenna. 179 

San Matteo (ürknnden beginnen mit 1027). 

Originale: 

Paschal H. lliß. V. 13. J-L. 6522. (Nr. 11). 

Hadrian IV. 1156. I. 25. J-L. 10130. (Nr. 26). S. Anhang. 


Archlvio capitolare. 

lieber dieses reiche und wichtige Archiv hat J. v. Pflugk- 
Harttong Iter p. 74 berichtet und die hier aufbewahrten Papst- 
nrkunden verzeichnet : darauf kann hier verwiesen werden. Einen 
Zusatz verlangt ausschließlich die älteste Papsturkunde dieser Samm- 
lung, Johannes XVm. von 1007. V. JL. 3953, die v. Pflugk-Hart- 
tnng im Iter als zweifelhaftes Original, im Histor. Jahrbuch V 548 
als Originaliudicat bezeichnet hat. Neuerdings hat ihr EL Breßlau 
in Hitth. des österr. Instituts IX 15 ff. eine ausführliche Erörte- 
rung gewidmet, die von falschen Voraussetzungen ausgehend, wie 
ich denke, zu falschen Schlüssen gelangt: das Endergebniß seiner 
wenig scharfen, aber um so breiteren Auseinandersetzung ist, daß 
die Pisaner Urkunde nur als eine Urkunde zweifelhafter Origina- 
lität bezeichnet werden könne und daß nicht zu beweisen wäre, 
daß sie mehr sei als eine Nachzeichnung. Sie könne also auch 
nicht als unantastbares Zeugnis für die von ihm behandelte Frage, 
wann in der päpstlichen Kanzlei das Pergament den Papjnrus ab- 
gelöst habe, gelten. 

Es ist an sich bedenklich, daß Breßlau das für seine Unter- 
suchung so wichtige Stück nicht selbst gesehen und seine Beob- 
achtungen auf ein ihm zur Verfügung gestelltes Facsimile gestützt 
hat : so treffend seine Bemerkungen über die von ihm selbst ge- 
prüfte Urkunde Johannes XVIII. für Paderborn sind, die er, wie 
mich dünkt, mit unwiderleglichen Gründen als Nachzeichnung eines 
Originals erwiesen hat, so wenig zutreffend sind sie da, wo er 
von dem Pisaner Stück handelt. Die Quelle seiner Irrtümer aber 
liegt in dem von ihm aufgestellten Postulat der eigenhändigen 
Subscription des Papstes, die er in dem Pisaner Privileg vermißt, 
oder richtiger in seiner Annahme einer bestimmten Form dieser 
Subscription. Er ist durchaus der Ansicht, daß bis auf Clemens 11. 
die Grußformel eigenhändig vom Papste selbst hinzugefügt sei und 
er laßt als einzige Ausnahme nur Sergius IV. Privileg in Perpignan 
(J-L. 3976) gelten, wo nur das vorausgehende Ereuz dem Papste 
angehört. Eben diese Form der Unterfertigung ist doch häufiger 
ab Breßlau weiß. Mit Recht hat ihm v. Pflugk-Harttung vorge- 
worfen, daß er in seiner Beschreibung des Privilegs Johannes XIII. 


182 P. Kehr, 

Archivio Roncioni. 

Dieses Archiv enthält nur das eine , bereits von v. Pflogk- 
Harttung Iter p. 77 aber mit falschem Datum citirte Privileg 
Eugens IH. von 1147. H. 7 (statt 1146. U. 4) J-L. 8854 für das 
Kloster S. Paolo am Arno. S. Anhang. 


IL Lucca. 

Archivio di stato^). 

San Ponziano (Urkunden beginnen 790). 
Originale : 

Leo IX. s. d. J-L. 4324«). 

Lucius in. 1182. m. 8. J-L. 14604. 

Clemens m. 1188. I. 16. J-L. 16120. 
Copien : 

Leo IX. 1050. Vn. 11. J-L. 4228. Cop. s. XH»). 

Leo IX. s. d. J-L. 4324. Cop. s. XIV. 

Gregor VH. 1074. IV. 26. J-L. 4864. Eine Cop. s. XH; zwei 

Cop. 8. xni. 

Innocenz H. 1134. VL 9. J-L. 7656. Cop. s. XIH. 
Alexander IH. 1177. H. 9. J-L. 12778. Cop. von 1276. 
Cölestin HI. 1191. VL 22. J-L. 16726. Cop. s. XHI. 

San Frediano (Urkunden beginnen 1043). 
Originale : 

Leo IX. 1051. IIL 9. J-L. 4253. 
Gelasius H. 1118. IX. 26. J-L. 6652. 
Calixt n. 1124. V. 26. J-L. 7155. 


1) Vgl. aach die allerdings nicht vollst&ndigen und nicht immer zutreffenden 
Angaben bei ▼. Pflugk-Harttung Iter p. 89. Nichts ergaben die Proyenienxen 
Fregionaia (1058 beginnend), Opera di S. Croce (950 beginnend), S. Maria Corteor- 
^andini (1004 beginnend), Bibl. Serviti (1014 beginnend), das Archivio de Notari 
(908 beginnend), Bibl. Certosa (1124 beginnend) und S. Agostino. 

2) Im Spoglio von S. Ponziano als Copie, von v. Pflugk-Harttung Iter p. 89 
als Orig. bezeichnet. Ich habe gegen die Annahme der Originalit&t Bedenkea, 
doch bin ich noch nicht in der Lage eine sichere Entscheidung zu geben. 

8) Auf dem Rücken dieser Copie und sehr verwischt steht ein Theil des Con- 
stitutum Constantini. Ich habe nicht festgestellt, ob, wie wahrscheinlich, der Text 
ans dem Cod. Lucensis 123 (vgl. Zeumer-Brunner Die Constantinische Schenkungs- 
urkunde S. 41) geflossen ist. 


Papstarknnden in Pisa, Lacca and Bavenna. 


183 


Lmocenz H. 1135. V. 21. J-L. 7687. 

Anastasius IV. 1164. V. 18. J-L. 9904. 

Anastasiufi IV. 1154. VI. 11. J-L. 9920. 

Alexander m. 1160. XH. 21. J-L. 10638. 

Alexander IIL 1166. IV. 16. J-L. 11269. 

Lucius ni. 1181. XI. 5. J-L. 14612. 

Urban HI. 1186. L 20. J-L. — S. Anhang. 
Copien : 

Engen HI. s. d. J-L. 9481. Cop. s. XIV. 

Alexander m. 1166. IV. 16. J-L. 11269. Cop. von 1490. 

Lncins m. 1181. XL 6. J-L. 14512. Cop. s. XIV. 
Copialbächer ') : 

1) Das wichtigste Privilegienbnch von S. Frediano war der 
cod. F. (Liber privUegiornm). Ihn hat noch Barsochini Me- 
morie IV^ benutzt, und aus ihm Alexander II. 1068. X. 13 
J-L. 4664 gedruckt. Seitdem ist der Codex, der die Brände 
von 1696 und 1822 überstanden hatte, verschollen. Aber 
über seinen Inhalt orientirt uns die Hs. Notizie antiche 
del monastero e chiesa di San Frediano (Lucca Bibl. pubbL 
cod. 416 saec. XVI) und wohl aus ihm sind genommen die 
Urkunden der Hs. Bullarium ecclesie et canonici S. Frig- 
diani (Lucca Bibl. pubbl. cod. 116 saec. XVI ; über den In- 
halt vgL V. Fflugk-Harttung Iter p. 42). 

2) 8. Frediano Nr. 7; Contratti etc. dal 1118 oi 1500. G. Cod. 
membr. s. XIV enthält 

p. 20 Gelasius IL 1118. IX. 13. J-L. 6661. 
p. 111 aemens lU. s. d. J-L. 16369. 

S. Giustina. 

Originale: 

Alexander H. 1062. XH. 12. J-L. zu Nr. 4490. 
Eugen in. 1148. XI. 18. J-L. 9306. 
Alexander UL 1176. L 14. J-L. 12682. 
Clemens UI. 1188. L 17. J-L. 16134. 
Clemens IH. 1188. L 17. J-L. — «). 

1) Ueber die Hss. des Staatsarchivs vgl das Inventario del R. Archivio di 
tialo ia Lucca vol. I— IV Lucca 1888 in Docomenti degli Archiv! Toseani pabbli- 
eafti per cura della B. Soprintendenza generale degli archivi medesimi. Ueber 
die Hss. Ton 8. Frediano in der Bibl. pabblica zu Locca und der Bibl. Chigi 
ra Bom vgl. t. Pflogk-Harttong Iter p. 41. 42. 96. 

2) V. Pflogk-Harttong Iter p. 812 Nr. 862 giebt von dieser Urkunde nur ein 
Bflgest ans dem Index der Bibl. pubbl. in Lucca. Es sind swei Ausfertigungen 
da» die eine in kOnerer Fassung. 


184 P. Kehr, 

Copien : 

Alexander III. 1176. I. 14. J-L. 12682. Drei Copien g. XIV. 
Clemens in. 1188. I. 17. J-L. 16134. Cop. von 1294. 

S. Maria foris portam (Urkonden beginnen 998). 

Originale: 

Alexander III. 1180. m. 1. J-L. 13634 '). 

Cölestin IH. 1196. XI. 16. J-L. 17444. 

Cölestin HL 1196. XU. 16. J-L. 17463. 
Copien : 

Lucius m. 1182. n. 12. J-L. 14585. Cop. s. XlII. 

S. Giovanni (Urkunden beginnen 1014). 
Originale : 

Anastasius IV. 1153. X. 7. J-L. 9747. 
Cölestin m. 1194. XU. 16. J-L. 17177»). 

Altopascio (Urkunden beginnen 1050). 
Originale : 

Hadrian IV. 1156. IH. 1. J-L. 10263. 
Alexander Ul. 1169. IV. 24. J-L. 11616. 

Spedale (Urkunden beginnen 1041). 
Alexander HL 1180. IV. 28. J-L. 13661. Orig. 

S. Romano (Urkunden beginnen 1064). 
Cölestin IQ. s. d. J-L. — Cop. s. XIII. S. Anhang. 

Tarpeia. 
Anastasius IV. 1154. VL 25. J-L. 9922. Orig. 

Hiscellanea. 
Original: 

Cölestin m. 1194. VT. 2. J-L. 17112. 

Copie : 

Lucius m. 1182. XI. 8. J-L. 14696. Cop. s. Xm. 


Ueber das Archivio capitolare, das Archivio arcivescovile, die 
Biblioteca pubblica und die Biblioteca capitolare genügt es auf die 
Zusammenstellungen v. Pflugk-Harttungs im Iter p. 36 sq. zu ver- 
weisen. Ich notiere noch den cod. 618 saec. XTT der Kapitelbiblio- 
thek mit den drei Briefen Alexanders m. J-L. 12460. 12461. 12694, 
alle das Kloster S. Georg in Lucca betreffend. 


1) Mit Kai. wuKTt, 

2) J-L. 17177 sa XIL 17. 


PapstarkiiDden in Pisa, Lacca und Bavenna. 186 

HL Ravenna. 

Ueber die Archive von Ravenna ist, da Bonaini's Znsammen- 
stellungcn (ßli archivi delF Emilia) sich ganz an der Oberfläche 
halten, immer noch am reichhaltigsten und eingehendsten der Be- 
richt von L. Bethmann im Archiv XII. 

Was dazu von jüngeren Reisenden hinzugefügt worden ist, ist 
auffallend dürftig. W. Schum hat im N. Archiv I 13B nur einige 
Kaiserurkunden der Ciassense verzeichnet und ein paar Notizen 
über das Kapitelarchiv (in Wahrheit meint er das erzbischofliche 
Archiv) und über das Stadtarchiv gebracht. Nicht viel ergiebiger 
ist der Bericht von H. Breßlau im N. Archiv in 109; auch er 
hat neben der Ciassense nur das erzbischofliche und das städtische 
Archiv benutzt oder zu benutzten versucht. Auch Winkelmann 
(N. Archiv V 17) bietet nicht viel mehr. TJeberdies hat keiner 
von ihnen auf Papsturkunden, die in Raveima an Zahl und Alter 
die Kaiserurkunden übertreffen, geachtet M. 

Auch die beiden Forscher, die ausschließlich um diese zu sam- 
meln nach Italien zogen, F. Kaltenbrunner und sein Antipode J. 
V. Pflugk-Harttung, haben die ehrwürdige Stadt selbst nicht be- 
sucht. Dafür bietet der letztere in den Nachträgen zu seinem 
Iter Italicum 772 ff. mannigfaltige Nachrichten über die verschie- 
denen Archive von Ravenna, die er von einigen Forderern seines 
Unternehmens , dem Grafen Hanzoni in Lugo , dem Conmi. CantA 
in Mailand, dem Pastor Elze in Venedig und dem verstorbenen 
Tarlazzi, damals Präfecten des erzbischöflichen Archivs, empfing. 
Aber er selbst hat bemerkt, daß diese so gesammelten Angaben 
weit davon entfernt sind vollständig und richtig zu sein. Es ist 
leicht zu sehen, daß sie wohl ausschließlich nach den Archivreper- 
torien gemacht sind, nicht nach den Urkunden selbst, und daß da- 
bei Mißverständnisse und Irrthümer in so großer Zahl unterge- 
laufen sind, daß die v. Pflugk-Harttungsche Liste statt zu nützen, 
den Benutzer nur verwirren wird. Ueberdies sind seitdem man- 


1) In Mitth. das östarr. Institata IX 7 und 28 hat H. BreBlan iwei Ravea- 
nater Papstnrkonden besehrieben, PaschalL J-E. 2661 und Clemens II. J-L. 4148. 
Was er aber die letztere anführt, ist indessen ungenau ; die von ihm ausführlich 
behandelte Interpunktion beim Bene Valete steht sowohl vor, wie hinter dem 
Wort , nicht „sv^r nicht vor , aber hinter dem Bene valete". Der Irrtum geht 
wohl auf das Facsimile in v. Pflugk-Harttungs Specimina surfick. Ich erwähne 
aar im Vorbeigehen, dai ieh Breftlans Auseinandersetzungen über die VoUaiehung 
der Urkunden Clemens II. für ganz verfehlt halte. 

Kfl. Qm. i. Wl«. HMlviaktiB. PkUoteg^Urt^r. 11mm 1BS7. Hfl. S. 13 


186 P. Kehr, 

cherlei Verändemiigeii in dem Bestand und in der Organisation 
der Ravennatischen Archive vor sich gegangen, so daß ein nener 
Bericht den Fachgenossen, wie ich hoffe, nicht ganz anwillkommen 
sein wird. 

Archivio arcivescovile. 

Das berühmte erzbischöfliche Archiv erinnert in mehr als einer 
Beziehnng an das Schicksal Bavennas selbst. Die Verluste sind 
noch in neaerer Zeit sehr erheblich gewesen, nnd der hentige Zu- 
stand der Archivalien ist traurig und verfallen. Die meist sehr 
beschädigten Urkunden sind zum größten Theil in Bündel ver- 
schnürt, zum geringeren Theil nach italienischer Manier gerollt 
und in 24 Kästen zusammengepreßt, von denen die ersten zwanzig 
signirt sind mit A — Z, die letzten vier mit 1 — 4. "Was für ein 
Ordnungsprinzip dieser Vertheilung zu Grrunde liegt, habe ich nicht 
begriffen; ich fürchte gar keins: chronologisch wie sachlich folgen 
die Urkunden bunt durcheinander. Nur so viel läßt sich mit Be- 
stimmtheit sagen, daß die Kästen A— Q die Urkunden der mensa, 
die andern die Urkunden der incorporirten Klöster enthalten. 

Seit Alters ist über den Mangel rechter Ordnung und brauch- 
barer Indices in diesem Archive geklagt worden. Unglücklicher 
Weise hat der um das Archiv und seine Verwerthung verdiente 
Canonicus Antonio Tarlazzi keinen Nachfolger erhalten, und so 
sind auch seit Tarlazzis Tod alle Bemühungen um bessere Ordnung 
und bessere Registrirung ins Stocken gerathen. Wir sind also 
noch heute angewiesen auf den Gbändigen alten Katalog von Grinanni, 
der aber nur die Kästen A — Q umfaßt. Daß überdies dieses Ver- 
zeichnis das Auffinden der Urkunden nicht gerade erleichtert, hat 
schon Schum beklagt. Ich darf hinzufügen, daß Ginannis Angaben 
sehr oft mit den thatsächlichen Signaturen gar nicht übereinstim- 
men. Unter solchen Umständen wird , wenn dieses reiche Archiv 
recht nutzbar werden soll, nichts übrig bleiben als eine vollkom- 
mene Neuordnung des ganzen Urkundenbestandes. 

Es stellte sich also sogleich heraus , daß weder mit den An- 
gaben Ginannis noch mit den Notizen v. Pflugk - Harttungs ein zu- 
verlässiger Ueberblick über die Papsturkunden des Archivs ge- 
wonnen werden konnte. Und so blieb nichts übrig, als den ganzen 
Urkundenvorrath selbst durchzusehen und Stück für Stück zu 
prüfen, eine ebenso mühsame wie zeitraubende Arbeit, die bei der 
Masse der Urkunden (es sollen außer den 6 Papyri 11368 Perga- 
mente sein) doch auch keine volle Sicherheit geben konnte. 

Außerdem enthält das Archiv 8 Bände CataHid in fol. mazimo 


Papstarknnden in Piaa, Lacca und Bavenna. 187 

saec. XrV, die, wie es scheint , ausschließlich Privatorkanden ent- 
halten. Dazn kommen dann die schon von L. Bethmann erwähnten 
200 Bände Diversorum (Frotocolli) mit zahlreichen modernen Akten 
and Kopien, von denen einige bedeutende Ausbeute gewährten. 
Die Indices dazn umfassen auch hier nur einen Theil (Bd. 1 — 180). 
Endlich sind zu erwähnen 12 Bände Aiti giudisiali des vorigen 
Jahrhunderts mit vielen Urkundendrucken, die meist älteren Aus- 
gaben oder aber den Bänden Diversorum entnommen sind. 

Originale : 

Paschalis I. 819. VH. 11. J-E. 2551. Papyrus *). 

Calixt n. 1121. I. 7. J-L. 6889 (A. 42). 

Eugen m. 1148. IH. 29. J-L. 9203 (N. 6614). 

Eugen in. 1152. VU. 28. J-L. 9599 (N. 6616). 

Anastasius IV. 1154. VL 17. J-L. — (R. Lit. V (Nr. 10) «). 

Alexander HI. 1177. VH. 9. J-L. 12879 (1 Nr. 34) »). 

Urban in. (1186). IV. 8. J-L. 15580 (F. 2171). 
Copien: 

Gregor L (595—603). HI. 24. J-E. sp. 1883V Copie saec. XV 
(A. 1)*) und mehrere Copien saec. XVII in Diversorum 
tom. XXXVI f. 93 etc. 

Paul L 759. H. 5. J-E. 2342. Copie saec XI (A. 2)*). 

Hadrian U. 870. J-E. — Copie saec Xn (B. 356) s. Anhang. 

Stephan V. 890. m. 25. J-L. 3455. Copie saec X. (J. 4435) 
und Copie saec. XU (Q. 9316). 

Stephan V. s. d. J-L. 3456. Copie saec. X (J. 4435) und Copie 
saec XII (Q. 9316). 

Johannes XHI. 967. U. 27. J-L. 3713. Copie saec XI (F. 2165)«). 

Gregor V. 997. I. 28. J-L. 3873. Copie saec XVHI in Diver- 
sorum tom. XCI f. 538'). 

1) Eine Copie dieses ältesten Original - Papstprivilegs von der Hand D. Ma- 
billons von 1685 befindet sich in Diversorum tom. LXX f. 1 und zwei Copien 
von der lland D. Montfaucons von 1698 in Diversorum tom XLIX f. 643 und 
LXIV f. 14. — Vgl. die Beschreibung von H. BreBlan in Mitth. des österr. Inst. 
IX 7. 

2) Gedr. bei Tarlazzi Appendice ai M onumenti Ravennali II 9 Nr. 7. 

8) Dies ist das einsige Original Alexanders III. im erzbischöfl. Archiv. Da- 
nach ist das Regest bei v. Pflugk-Harttung Iter p. 808 Nr. 1036 zu streichen. 

4) Die Angabe saec. XII bei v. Pflugk-Harttung Iter p. 773 ist irrig. 

6) Iter p. 778 wird noch citirt Stephan II. 766 (F. 2071): die Nummer ist 
eine Privaturkunde. Ebenso ist die Angabe Nicolaus I. 867 (F. 1816) falsch. 

6) Auch die Angabe Agapet IL 968 (J. 1180) ist unrichtig. 

7) Auch Copie saec. Xn im Arch. capitolare und Copie saec. XV in der BibL 
Claseense (S. Vitale). 

18* 


186 P. Kehr, 

cherlei Veränderangen in dem Bestand und in der Organisation 
der Ravennatischen Archive vor sich gegangen , so daß ein neuer 
Bericht den Fachgenossen, wie ich hoffe, nicht ganz nnwillkommen 
sein wird. 

Archivio arcivescovile. 

Das berühmte erzbischöfliche Archiv erinnert in mehr als einer 
Beziehung an das Schicksal Ravennas selbst. Die Verluste sind 
noch in neuerer Zeit sehr erheblich gewesen, und der heutige Zu- 
stand der Archivalien ist traurig und verfallen. Die meist sehr 
beschädigten Urkunden sind zum grüßten Theil in Bündel ver- 
schnürt, zum geringeren Theil nach italienischer Manier gerollt 
und in 24 Kästen zusammengepreßt, von denen die ersten zwanzig 
signirt sind mit A — Z, die letzten vier mit 1 — 4. Was für ein 
Ordnungsprinzip dieser Vertheilung zu Grrunde liegt, habe ich nicht 
begriffen; ich fürchte gar keins: chronologisch wie sachlich folgen 
die Urkunden bunt durcheinander. Nur so viel läßt sich mit Be- 
stimmtheit sagen, daß die Kästen A— Q die Urkunden der mensa, 
die andern die Urkunden der incorporirten Klöster enthalten. 

Seit Alters ist über den Mangel rechter Ordnung und brauch- 
barer Indices in diesem Archive geklagt worden. Unglücklicher 
Weise hat der um das Archiv und seine Verwerthung verdiente 
Canonicus Antonio Tarlazzi keinen Nachfolger erhalten, und so 
sind auch seit Tarlazzis Tod alle Bemühungen um bessere Ordnung 
und bessere Begistrirung ins Stocken gerathen. Wir sind also 
noch heute angewiesen auf den 6bändigen alten Katalog von Grinanni, 
der aber nur die Kästen A — Q umfaßt. Daß überdies dieses Ver- 
zeichnis das Auffinden der Urkunden nicht gerade erleichtert, hat 
schon Schum beklagt. Ich darf hinzufügen, daß Grinannis Angaben 
sehr oft mit den thatsächlichen Signaturen gar nicht übereinstim- 
men. Unter solchen Umständen wird, wenn dieses reiche Archiv 
recht nutzbar werden soll, nichts übrig bleiben als eine vollkom- 
mene Neuordnung des ganzen Urkundenbestandes. 

Es stellte sich also sogleich heraus, daß weder mit den An- 
gaben Ginannis noch mit den Notizen v. Pflugk - Harttungs ein zu- 
verlässiger Ueberblick über die Papsturkunden des Archivs ge- 
wonnen werden konnte. Und so blieb nichts übrig, als den ganzen 
Urkundenvorrath selbst durchzusehen und Stück für Stück zu 
prüfen, eine ebenso mühsame wie zeitraubende Arbeit, die bei der 
Masse der Urkunden (es sollen außer den 6 Papyri 11368 Perga- 
mente sein) doch auch keine volle Sicherheit geben konnte. 

Außerdem enthält das Archiv 8 Bände Catastid in foL nuudmo 


Papstarknnden in Pisa, Lucca und Bavenna. 187 

saec. XIY, die, wie es scheint , ausscliließlich Privatarkanden ent- 
halten. Dazu kommen dann die schon von L. Bethmann erwähnten 
200 Bände Diversorum (Protocolli) mit zahlreichen modernen Akten 
nnd Kopien, von denen einige bedeutende Ausbeute gewährten. 
Die Indices dazu umfassen auch hier nur einen Theil (Bd. 1 — 180). 
Endlich sind zu erwähnen 12 Bände Aiti giudiziaii des vorigen 
Jahrhunderts mit vielen Urkundendrucken, die meist älteren Aus- 
gaben oder aber den Bänden Diversorum entnommen sind. 

Originale: 

Paschalis I. 819. VH. 11. J-E. 2B51. Papyrus *). 

Calixt n. 1121. I. 7. J-L. 6889 (A. 42). 

Eugen in. 1148. HI. 29. J-L. 9203 (N. 6614). 

Eugen m. 1152. VU. 28. J-L. 9B99 (N. 6616). 

Anastasius IV. 1154. VI. 17. J-L. — (R. Lit. V (Nr. 10) «). 

Alexander HL 1177. VIL 9. J-L. 12879 (1 Nr. 34) »). 

Urban IIL (1186). IV. 8. J-L. 15580 (F. 2171). 
Copien: 

Gregor L (595—603). HI. 24. J-E. sp. 1883\ Copie saec. XV 
(A. 1)*) und mehrere Copien saec. XVH in Diversorum 
tom. XXXVI f. 93 etc. 

Paul L 759. H. 5. J-E. 2342. Copie saec XI (A. 2)»). 

Hadrian 11. 870. J-E. — Copie saec. XII (B. 356) s. Anhang. 

Stephan V. 890. HI. 25. J-L. 3455. Copie saec. X. (J. 4435) 
und Copie saec. XII (Q. 9316). 

Stephan V. s. d. J-L. 3456. Copie saec. X (J. 4435) und Copie 
saec. Xn (Q. 9316). 

Johannes XHI. 967. U. 27. J-L. 3713. Copie saec. XI (F. 2165)«). 

(Jregor V. 997. I. 28. J-L. 3873. Copie saec. XVHI in Diver- 
sorum tom. XCI f. 538^). 

1) Eine Copie dieses ältesten Original • Papstprivilegs von der Hand D. Ma- 
billons von 1685 befiudet sich in Diversorum tom. LXX f. 1 und zwei Copien 
von der Hand D. Montfaocons von 1698 in Diversomm tom XLIX f. 643 und 
LXIV f. 14. — Vgl. die Beschreibung von H. BreBlan in Mitth. des österr. Inst. 
IX 7. 

2) Gedr. bei Tarlazzi Appendice ai Monnmenti Ravennati II 9 Nr. 7. 

S) Dies ist das einsige Original Alexanders III. im erzbischöfl. Archiv. Da- 
nach ist das Regest bei v. Pflngk-Harttung Iter p. 808 Nr. 1035 zu streichen. 

4) Die Angabe saec. XII bei v. Pflugk-Harttung Iter p. 773 ist irrig. 

5) Iter p. 778 wird noch citirt Stephan IL 755 (F. 2071): die Nommer ist 
eine Privaturkunde. Ebenso ist die Angabe Nicolaus I. 867 (F. 1816) falsch. 

6) Aach die Angabe Agapet IL 968 (J. 1180) ist anrichtig. 

7) Aach Copie saec. XH im Arch. capitolare and Copie saec XV in der BibL 
Classense (S. Vitale). 

18* 


188 P. Kehr, 

Gregor V. 997. VH, 7. J-L. 3878. Copie saec XI (F. 1982). 

Gregor V. 998. IV. 28. J-L. 3883. Copie saec. XU (F. 1983). 

Clemens 11. s. d. J-L. 4141. Copie saec. Xn (F. 1983) and 
zwei Copien saec. XVII in Diversorom tom. XXXVI f. 92 
und f. 97. 

aemens (HI.) 1086. U. 27. J-L. 5322. Copie saec XVH in 
Diversonun tom. XXXVI f. 94. 

Gelasius TL 1118. Vm. 7. J-L. 6647. Copien saec. XVH und 
XVin in Diversorom tom. XXXVI f. 95 und XVHI f. 41 '). 

CaUxt n. 1121. L 7. J-L. 6889. Copien saec. XVH. nnd XVHI 
in Diversorum tom. XXXVI f. 96 nnd XVIH f. 42' »). 

Calixt n. 1124. m. 14. J-L. 7144. Copie saec. XVm in Di- 
versorum Tom. XXXVI*). 

Honorios 11. 1125. J-L. 7233 (A. 43). Copie saec. XITT. 

Innpcenz 11. 1132. Xn. 16. J-L. 7604 (P. 8391). Copie saec. XITT. 

Eugen m. (1146). IV. 10. J-L. — Copie saec. XVIH in Di- 
versorum tom. XXXVI. S. Anhang. 

Eugen m. 1148. XL 10. J-L. 9301. Copie saec. Xm (F. 1917) 
und Copie saec. XVlli in Diversorum tom. XCI f. 359*). 

Eugen m. 1152. VL 2. J-L. — Copie saec, XVIH in Diver- 
sorum tom. XXXVI. S. Anhang. 

Eugen m. (1152). VL 2, J-L. — Copie saec. Xm (F. 2061). 
S. Anhang. 

Anastasius IV. (1154). H. 27. J-L. — Copie saec. XVm in 
Diversorum tom. XXXVI. S. Anhang. 

Hadrian IV. (1156—58). XU. 9. J-L. — Copie saec XVIH in 
Diversorum tom. XXXVI. S. Anhang. 

Alexander III. (1159). XH. 13. J-L. 10601. Copie saec Xu 
(L. 4781). 

Lucius m. (1182—83). V. 18. J-L. — Copie saec XTV (O. 
7384). S. Anhang. 

Lucius ni. (1182-83). V. 21. J-L. — Copie saec XTV. (O. 
7383). S. Anhang % 


1) Das CiUt Iter p. 778 A. 42 ist &lsch. 

2) Orig. TorbBndm. 

8) Das Ciut Ton Tarlani im Appendice m Faatassi I 42 Nr. 18 DiTwaomm 
tom. XYUI f. 421 ist Calsch. 

4) Dia Yon t. Pflagk-Harttong Iter p. 806 Nr. 1027 angegebenen Daten sind 
danach m Terbessem. 

6) Die Angabe Iter p. 774: Lndos m. 1188 (Q. 2606) ist fiJsch. Danadi 
ist auch das Regest Iter p. 810 Nr. 1046 in tilgen. 


Papsiarkonden in Pisa, Lacca and Ravenna. 189 

Arcbivio capKolare. 

Das Eapitelarchiv ist nicht , wie einst Bethmann angab, mit 
dem erzbischoflichen Archiv vereinigt , sondern befindet sich als 
selbständiges Archiv im Dom. Ist es auch weder reich noch geht 
es in hohes Alter hinanf , so ist es immerhin eine nicht ganz an- 
bedeutende Sammlong. 

Es setzt sich zusammen ans zwei verschiedenen Provenienzen, 
dem eigentlichen Archiv des Kapitels and gewissen Archivalien 
des Klosters S. Maria in Porta. 

1. Die Urkunden des Kapitels, von Ginanni und dann von 
Neuem von Tarlazzi geordnet, sind in Capsae verteilt und inner- 
halb dieser nach inneren Beziehungen gemachten Distribution im 
Granzen chronologisch geordnet. Zwei Indices finden sich in Di- 
versorum Tom. XXXY, der zweite von Prospero Ginanni im Jahre 
1776 zusanmienges teilt. Das älteste in dieser Abtheilung erhal- 
tene Original ist ein Privileg des Erzbischofs Wibert von 1092, 
ihm folgen noch verschiedene diplomatisch interessante Privilegien 
der Ravennater Erzbischöfe. 

Hierzu kommt die Serie von 38 Bänden Diversorum, d. h. Akten- 
bänden mit meist jungem Sachen ; außer dem 36. Band, der wie schon 
bemerkt, die Indices enthält, ist von Bedeutung allein der erste Band. 
Originale : 

Alexander m. 1169. XI. 11. J-L. 11652 (Capsa I Nr. 4). 

Urban m. 1186. XH. 23. J-L. 15715 (Capsa I Nr. 5). 

UrbanüL 1186/87. m. 20. J-L. — (Capsa H Nr. 1). S.Anhang. 
Copien : 

Gregor L J-E. sp. 1883*. Copie saec. XVII in Diversorum 
tom. I f. 26. 

Gregor V. J-L. 3873. Copie saec. XII (Capsa I Nr. 5). 

Alexander IH. 1169. VI. 22. J-L. 11627. Copie saec. XIH 
(Capsa IV Nr. 5) und Copie saec. XVII in Diversorum tom. 
I f. 13'. 

Alexander IH. 1169. XI. 11. J-L. 11652. Copie saec. XVI 
(Capsa I Nr. 3). 

Lucius m. 1182/83). V. 20. J-L. — Notariatsakt von 1409^) 
(Capsa IV Nr. 14). 

I) Dieser NoUriatsact tod 1409 bietet bloft Eingang und Datiernng der Ur- 
kimde: 

LueiuM epiteopus seruua seruarum dei, Venerabüi fratri O, EaumnaH 

amhi^pücopo. 
DaL VeUtr. XTTL hol. «tmw. 


190 P. Kehr, 

Lucius m. 1184. Vm. 1. J-L. 16065. Notariatsakt von 1409 
(Capsa IV Nr. 14) und Copie des Amadesi saec. XVlii in 
Diversorum tom. I f. 5 „ex originali in archivio archiepisco- 
pali« '). 

Urban m. 1186. XIH. 23. J-L. 15715. Copie saec. XVm in 
Diversorum tom. I f. 7. 

2. Daß Archivalien von S. Maria in Portu sich im Kapitel- 
archive befinden, hat schon Bethmann berichtet. Es ist eine statt- 
liche Zahl von Pergamenten, die wahrscheinlich bei der Aufhebung 
des Konvents hierher gebracht wurden, während die Hauptmasse 
des Archivs in die Verwaltung der Stadt überging. Sie beginnen 
mit 1109. Ein Verzeichniß ist nicht vorhanden. Aber sie aufzu- 
finden ist darum nicht schwer, da in der Ciassense sich das alte 
Repertorium des Klosterarchivs befindet, aus dem die correspon- 
direnden Signaturen leicht festgestellt werden können. In dem 
ohronologbchen Zettelkatalog der Ciassense sind diese im Kapitel- 
archiv aufbewahrten Urkunden von S. Maria in Portu als fehlend 
aufgeführt. Die 7 Papsturkunden sind sämmtlich Originale. Es sind 

Paschalis H. 1114. Vn. 5. J-L. 6398 (C. 611). 

Honorius H. 1125. V. 4. J-L. 7209 (D. 1034). 

Innocenz U. 1138. XH. 17. J-L. 7922 (C. 895). 

Hadrian IV. 1155. KL 14. J-L. 10013 (C. 892). 

Urban HI. 1186/87. VH. 24. J-L. — (H. 2222). S. Anhang. 

Cölestin UL 1191. IV. 19. J-L. 16677 (C. 835). 

Cöleatin HL 1196. V. 11. J-L. 17378 (C. 671) ^). 


BIblloteca Ciassense ^. 

Dank den Arbeiten des verstorbenen Michele Tarlazzi, des 
jetzigen Bibliothekars Prof. Zoll und vor allen des Vicebibliothe- 
kars Silvio Bemicoli ist jetzt die Ordnung der Archivalien und 
der Manuscripte vollendet. lieber die letzteren gibt das sorgfältige 


1) Hier im erzbischöflichen Archi? habe ich die Bulle Lucius III. aicht 
gefunden. 

2) Hier sind auch noch die von Bethmann XII 683 angeführten drei Origi- 
nale von Friedrich I. Stumpf 8713, Heinrich VI. St. 4592; Otto IV. BF. 353, Yon 
denen Stumpf (Nacbtr.) irrig angiebt, daB sie im erzbischöflicben Archive w&ren. 

3) Die Kaiserorkunden sind verzeichnet im N. Archiv I. III. Y. Indessen sind 
diese Notizen nicht erschupfend. Herr Silvio Bemicoli machte mich auf zwei 
Inedita aufmerksam, beide für S. Giovanni Evangelista in Ravenna, ein Diplom 
Konrads IL von 1087 April 16 Ravenna (Copie saec. XV) und ein Placitum Hein- 
richs III. von 1047 April 7 Ravenna (Copie saec. XV). 


Papstnrkttndeii in Pisa, Lacca und Ra?eima. 191 

Inventario dei manoscritti della biblioteca Ciassense di Ravenna 
von S. Bemicoli (Inventari dei manoscritti delle biblioteche d'Italia 
a cnra di G. Mazzatinti vol. lY. V) Forli 1895 allen wünschens- 
werthen Anfschloß. Ferner sind hier jetzt sowohl die früher im 
Archivio monicipale ontergebrachten wie die nach Forli verschla- 
genen Urkunden zu einem Archivio diplomatico vereinigt, dessen 
Werth außerordentlich ist nnd die Ciassense zn einer der kostbar- 
sten Samminngen Bavennas macht. Hier ist das Archiv von S. 
Maria in Porta, von S. Vitale, von Classe, von S. Andrea, das Ar- 
chivio comonale antico, von andern unbedeutenderen abgesehen'). 

S. Apollinare in Classe. 

Gregor VII. 1080. IV. 4. J-L. B160. Orig. (Capsa XV. fasc. I. 

Nr. 6). 
Alexander m. 1179. IV. 19. J-L. 13389. Orig. (Capsa XV. 

fasc. II. Nr. 6). 
Lucius m. 1184. IV. 27. J-L. 15027. Copie s. XVI (Capsa 

XVn fasc. V. Nr. 10) *). 
Urban m. 1186. lU. 15. J-L. 15562. Orig. (Capsa XV. fasc. H. 

Nr. 9). 
Colestin HI. 1197. IX. 10. J-L. 17579. Copie s. XIV (Capsa XV- 

fasc. n. Nr. 15). 

S. Vitale. 

Gregor V. 997. I. 28. J-L. 3873. Copie saec. XV (Capsa I 

fasc U. Nr. 11). 
Hadrian IV. 1157. IV. 5. J-L. 10270. Orig. (Capsa H. fasc. V. 

Nr, 1) und Copie von 1592 (Capsa 11. fasc. V. Nr. 2). 

S. Maria in Portu. 

Clemens H. 1047. IX. 24. J-L. 4148. Orig. (C. 601). 
Nicolaus n. 1060. IV. 19. J-L. 4433. Orig. (C. 742). 
Paschalis n. 1116. XH. 22. J-L. 6534. Orig. (D. 1041). 
Anastasius IV. 1153. XH. 18. J-L. 9780. Copie von 1311 

(F. 948). 
Clemens m. 1190. V. 15. J-L. 16490. Orig. (D. 1048). 
Colestin IE. 1191. IV. 19. J-L. 16677. Orig. (C. 658). 


1) Danach sind also die Aogaheo m deo Qaelleoregistern der Moo. Germ. 
Dipl. 8. T. RaTenna zu Terbeesem, wo diese Archive als im stidtischen Archiv zu 
Bayeima befindlich bezeichnet werden, w&hrend sie seit einigen Jahren simmt- 
lich in der Ciassense sind. 

2) Orig. Arch. com. antico Nr. 19. 


192 P. Kehr, 

Cölestin HI. 1191. V. 31. J-L. 16714. Orig. (C. 847). 
Cölestin HI. 1194. Xn. 10. J-L. 17175. Orig. (C. 846). 
Cölestin IH. 1196. V. 11. J-L. 17378. Copie von 1334 (C. 885). 

Archivio comanale antico. 

Nr. 8. Hadrian I. 782. XL 1. J-E. 2437. Copie von 1053. 
Nr. 10. Alexander n. 1062. XH. 27. J-L. 14492. Fälschung. 
Nr. 19. Lucius HI. 1184. IV. 27. J-L. 16027. Orig. 


Archivio comunaie vecclilo. 

Die einst hier verwahrten Urkunden der aufgehobenen Erlöster 
sind jetzt sämtlich in der Ciassense, dagegen sind die Akten (Dia- 
cetti und Libri delle antiche congregazioni religiöse) zurückge- 
blieben , 2554 Bände , wie das von Michele Tarlazzi 1873 zusam- 
mengestellte Kepertorium ergibt. Li ihnen finden sich zahlreiche 
Abschriften von Kaiserurkunden und auch einige Kopien von Papst- 
urkunden. Es sind 

Classe cod. 137. f. 11. Lucius ü. 1144. XI. 29. J-L. 8667. 

Copie von 1294. 
S. Vitale cod. 713. f. 1. Hadrian IV. 1157. IV. 5. J-L. 10270. 

Copie saec. XVII *). 
Von gewisser Wichtigkeit ist ferner der cod. S. Vitale 616 
(Transsumptum diaceptorum sancti Vitalis Ravennae) , ein Reper- 
torium der Archivalien von S. Vitale, in dem aus einem Bande 
Mandriolarum R auch Urkunden für das Kloster S. Adalbert ver- 
zeichnet werden. Der Band scheint verloren; die Urkunden sind, 
so viel ich sehe, sämmtlich unbekannt. Von Papsturkunden wer- 
den verzeichnet 

1123. Vn. 1. D. Calixtus papa 11. suscipit sub protectionc s. 
Petri monasterium sancti Adalberti, confirmat bona et enu- 
merat diversas ecclesias eidem subiectas. 
1178. V. 6. D. Alexander papa HL. confirmat monasterio s. 

Adalberti omnia bona et privüegia. 
1189. V. 17. D. Lucius papa m. confirmat bona et privilegia 
monasterio sancti Adalberti"). 


1) Orig. in der Bibl Classense (s. Vitale). 

2) Dazu drei Kaisemrkunden : 

1018. D. Henricus Imperator II. confirmat monasterio s. Adalberti omnia 
bona et illorum abitatores exemptos facit ab omni pensione ei 
iorisdictione. 


Papstorkanden in Pisa, Lacca and Ravenna. 198 


1. 

Hadrian IL bestätigt den Firminian, Petrus, Leo und Johann 
den Hof Firminiana. — 870, 

Copie saec. XII Bavennu Archivio arcivescovile (B. 356), 

Angeführt hei De Ruheis Histor. Ravennai, p. 243 ex litteris 
pontificiis in bibliotheca Ursiana und Reg, bei v, Pflugh-Harttung 
Iter p. 801 Nr. 1007. Ein Stück der Copie ist facsimilirt in 
desselben Specimina unter deti Bullae spuriae Tab. 112. 

hn Jahre 967 verlieh Fapst Johannes XlII. dem Erebischof 
von Ravenna den Hof Firminiana (J-L. 3713) in einer Urkunde^ 
die zum größten Teil der vorliegetulen nachgeschrieben ist. Dies 
spricht für die Authentizität des Stückes. Aber die Datierung ist 
scJiwerlich authentisch. Eine ähnliche Formel vgl. in J-L. 4046 
(Benedict VIII). 

[ADJRIANTJS EPISCOPUS SERUUS SERUORUM DEI. Firmi- 
niano et Petro et Leone et lohanne tarn pro ao|[bis qnam] pro 
omnibns fratribns et consortibas nestris in perpetuam. Qaociens 
üla a nobis tribni sperantnr quQ incantan-{[ter] snbaeninnt, animo 
nos decet libenti concedere et petentinm desiderinm congraom im- 
pertiri | [sofjfragimn. Et ideo quia postulastis a nobis , qaatinas 
concederemuB et confirmaremns nobis | [om]nem uestram antiqnam 
et iastam'*' consnetndinem , ob hoc qnia massam ^) Firminianam et 
plebem sancti Stephan- |[ni, qjnam nestri genitores antiqno proprie- 
tatis iure detinere sancte nestre benefactricis Romano aecciesiae | 
[con]tali8tis ^\ ne deinceps aliquid ex hoc granaminis ^ nobis nestris- 
que snccessoribns inponatnr et perpetuale inper-|[tiat]ur solatium, 
ut omni ambignitate remota nalla a nobis nestrisqne heredibns 
aparangaria nel scnfia nel | [alia pnjblica fnnctio exigatnr in per- 


a) iosta. b) massa. c) die Stelle scheint verderbt; in der ürh Johanns 
XIII. lautet sie qaam bomines supra dicte curtis antiquo proprietatis iare deti» 
nare saneUe Romanae ecclesiae. d) grauamar. 


1066. Vn. 14. D. Heoricos III. imperator confirmat monasterio s. Adal- 

berti omnia privilegia soorum predecessornm. 
1160. I. 7. D. Federicns imperator confirmat abbati sancti Adalberti 

omnia bona et pr^cipne insnlam Peream inxta Badarennm, Padnm 

Jnven. cum canale Augusta descendens in Padam per foveum quod 

didtor Humana et canale Franxanum. 


194 P. Kehr, 

petnmn, ea uidelicet ratione nt semel in anno tribos diebns con« 
tinois I [ad legem fajtiendam nnntiis sancte Romane aecclesi^ occnr- 
ratis, nbicomque nos conaenire iasserint, | [apostolica ajmoniti be* 
niaolentia peticionibns uestris annoimus. Concedimns qaoqne nobis 
et per hoc apostolicom preceptam coniirmamns | [cnrtem qne] ao- 
catar Firminiana cnm omnibns suis pertinentüs , a primo latere 

prefate cnrtis qne dicitnr Sabolone, a secundo latere | [ ] 

Corna ceruina, a tercio latere Occuparius et caput Caniti , qnarto 
latere mare. Et insnper omnem iastam | [consnetudinem] aposto- 
lico prioilegio promittimus obsernandam a presenti ista tercia in- 
dicione qa^ snpletur, concedimns et confirmamns et non sit licen-| 
[tia alli magne pjarneque'') persone aliqnod inpedimentmn de bis 
qne^ nobis concessa snnt iniaste facere, ita nt singnlis qnibos- 
qne^' indicionibns pensionis j [nomine racionijbns sancte nostrae 
Siomane aecclesiae^) in resnrrectione domini solides denariornm 
nnmero niginti, qnales ibidem cnr-|[rmit, et spajtxdas de porcis ni- 
ginti persolnatis, interdieentes apostolica censnra nt nnllns episco- 
pns archiepiscopns dnx comes | [niceco]mes castaldio contra hoc 
nostrnm apostolicum preceptnm nenire andeat neqne de nestris 
rebns anferre presnmat. Si qnis uero | [temejrario ansn*Jhaec in- 
fringere*^ temptanerit, nisi satisfaciens resipisscat, sciat se compo- 
sitnmm trecentas libras | [anri], medietatem sacro nostro Latera- 
nensi*) palatio et medietatem nobis nel nestris'^ heredibns. Qni antem 
pio intnitn cnstos et obsernator | [extitejrit, apostolica benedictione 
repleator et aetemae nitae particeps efficiatnr. 

BENE VALETE-). 

Datnm per manom Fetri diaconi anno tercio pontüicatns domni 
Adriani'*^ pape, indicione tertia. 


e) p]ftaeque. f) qua. g) quibus. h) ausus. i) infirgere. k) late- 
rensi. Q uestrisque. m) die Formel, vMnogrammatisch dargesUlU, mü dem 
Komma in der Art Leos IX., steM nur zum Teil erheben, dicht am linken Band. 
n) Adri&no, die Datierung ist in Majuskeln geschrieben. 


1) Die Formel ist den römischen fimphyteosen entlehnt (vgl. Hartmann 
Ecclesiae S. Mariae in Via lau tabniarium p. XXVIII. Vgl. auch Dinmas Nr. 
XGV (ed. Sickel p. 124). 


Papstnrkiindeii in Pisa, Lucca and RaTonna. X96 

3. 

Eugen 111. hefiehU dem Bischof Grifo von Ferrara^ die dem Erg" 
bischof Moses von Bavenna unrechtmäßig entzogene villa Firminiana 
SU restüuiren. Suiri (1146) April 10. 

Copie saec. XVIII in Diversorum tont, XXXVI Bavenna Ar- 
chivio arcivescavile. 

Engenins episcopns serans sernornm dei. Uenerabili fratri Gri- 
foni Ferrariensi episcopo salutem et apostolicam benedictionem. 
Experientie tne dignas gratias agimus, qoia quotiens tibi, nt qae 
in actibus tuis corrigenda sunt, corrigas scribimus, totiens in per- 
sona tna alia nobis ampatanda saccrescant, sicnt abscisso ydre capite 
plorima continno revivescnnt. üenerabilis frater noster Moyses 
Bauennas archiepiscopns ad nostram presentiam neniens qaestns 
est, qaod oillam de Firminiana com plebe sna, qne ad ins ecclesie 
sae pertinere noscuntor, violenter et iniuste detineas et a prede- 
cessoribns nostris saper hoc freqaenter commonitas nsqne adhnc 
iostitiam sibi exhibere contempnis. Et qnoniam predicti fratris 
nostri iostitiam deperire ant per irrationabiles moras differri nlte- 
rios nolomns, per apostolica tibi scripta precipiendo mandamos 
qnatinos prefatam nillam cum plebe saa predicto fratri nostro 
archiepiscopo com integritate restitnas et in pace dimittas ant 
com a dilecto filio nostro W. presbytero cardinale fneris evocatns, 
omni remota occasione ipsios presentiam adeas et qnicqoid ab eo 
saper hoc statatnm faerit, remoto appellationis sabterfagio sasci- 
pias et irrefragabiliter obsernes. Datum Satrii IUI. idus aprilis. 


3. 

Eugen IIL nimmt das Kloster S. Baolo am Arno unter detn Abt 
Marinus in seinen Schutz^ bestätigt ihm die Besitjsungen^ gestattet die 
freie Annahme von Klerikern und Laien zur Conversion und zum Be- 
gräbnis ^ bestätigt ihm die Zehnten und verleiht die Exemtion vom 
Interdict San Genesio 1147 Februar 7. 

Orig. Pisa Archivio Boncioni (Nr. 74). 

CU. J'L. 8854 zu 1146 Februar 4 nach v. Pflugk-Harttung Iter 
p. 240 Nr. 426. 

EUGENIUS EPISCOPUS SERUUS SERUORUM DEL DILECTIS 
FILnS MARINO ABBATI MONASTERH S ANCTI PAULI QUOD 


196 P. Kehr, 

IN CHINTHCA IXJXTA RIP AM FLUMINIS ARNIS SITIJM«) EST 
EIUSQUE FRATRIBUS TAM PRESENTIBUS QUAM FUTU- 
RIS MONASTICAM ^> UITAM PROFESSIS^) IN PERPETUUM. | 
lastis reUgiosormn desideriis consentire ac rationabilibns eonun 
postnlationibas dementer aimnere apostolice sedis, cni largiente 
domino deseroimas, anctoritas^^ et fraterne caritatis nnitas nos | 
hortatnr. Qnocirca, dilecti in domino filii, uestris iostis postnla- 
tionibas clementer annuimns et prefatnm monasterinm, in quo di- 
oino mancipati estis obseqaio, sab beati Petri et | nostra protectione 
suscipimas et presentis scripti priuilegio commanimus. Statuentes''^ 
ut qaascumqae possessiones qaecamqae bona idem monasterium 
inpresentiarnm iaste et canonice | possidet ant in fataram conces- 
sione pontificam, largitione regam ael principom, oblatione fidelinm 
sea aUis iastis modis deo propitio poterit adipisci, firma nobis 
uestrisqae saccessoribas et illibata | permaneant-^. In qaibas hec 
proprüs daximns exprimenda aocabalis , ^cclesiam uidelicet sancti 
Sebastiani fandatam in alodio quondam Marii, §eclesiam sancti 
Cassiani, ^cclesiam sancti Uiti, ^cclesiam sancti Angeli, (cclesiam| 
Petrin', Qcclesiam sancti Leonardi et §cclesiam sancti lusti , Qccie- 
siam sancti Cristofori com omnibns ad eas pertinentibns. Preterea 
liceat nobis clericos coiuscamqae ordinis sine laicos liberos ad con- 
nersionem aeni-|entes absqae coiaslibet interdictione sascipere et 
tarn ipsorom quam ceterorum fidelinm oblationes recipere et qoi 
se deuouerint*^ in cimiterio uestro sepelire. Decimationes quoque 
terrarum | uestrarum, quas proprüs manibus aut sumptibus Colitis, 
nullus a uobis presumat exigcre, sed sicut a bone memorie Oe- 
rardo ^cclesi^ Pisane episcopo ^) confirmate noscuntur, hospitali 
uestro nichilominus confirma-|mus*^. Statuimus etiam ut, quando 
generale superaenerit interdictum, liceat uobis eiusdem monasterii 
fratribus cum omnibus non pulsatis tintinnabulis et suppressa uoce 
diuina | officia celebrare. Decernimus ergo ^^ atque statuimus ut nulli 
omnino hominum liceat idem cenobiam temere perturbare aut ei 
subditas possessiones auferre minuere uel temerariis ue-|xationibu8 
fatigare, sed illibata omnia et integra conseruentur eorum pro quo- 
rum gubematione et sustentatione concessa sunt usibus omnimodis 
profutura , salua sedis apostolice auctoritate. | Uos igitur , filii ka- 
rissimi in Christo, oportet regnlaris discipline institutioni soUicitius 

a) SITÜM auf Baeur. b) MONASTICA Or. e) PB0FESI8 Or. 
d) B auf Easur. e) Stnentes Or. f) permaneat Or. g) Offekbar ist mictl 
vergessen. h) nt auf Basur. t) üb auf Rasur. k) ego Or. 


1) Bischof Gmtfd von Pim 1060-1086. 


Papsiarkonden in Pisa, Lacca and Ravenna. 197 

ac deaotios insadare, at qaanto a secalaribus estis tomaltibus li- 
beri, tanto studiosius placere deo totias j mentis et anime uirtu- 
tibns anheletis. Sane si qnis in crastinnm archiepiscopns ant epi- 
scopnSi impera[tor] ant rex, [pri]nceps ant dax, comes ant oice- 
comes aat iudex ant persona qa^libet ael magna | et parna, potens 
ant inpotens hoins nostri prioilegii paginam sciens contra eam te- 
mere aenire temptaaerit , secnndo tertioue commonitns, si non sa- 
tisfactione congraa emendauerit, a Christi et fcclesi^ corpo-'re enm 
aactoritate potestatis apostoliog segregamns. Consemantibas antem 
pax a deo et misericordia presentibos ac fntnris secnlis conserae- 
tur. AMEN. AJCEN. AMEN. 

R, Ego Evgenius catholice ^cclesiQ episcopus ss. BV. 

f Ego Theodewinos sancte Rofine episcopus ss. 
t Ego Albericus Hostiensis episcopus ss. 
f Ego Guido') presbyter cardinalis tituli sancti Grisogoni ss. 
t Ego Hvmbaldus presbjter cardinalis tituli sanctorum lohannis 

et Pauli ss. 
f Ego Guido presbyter cardinalis tituli sanctorum Laurentii et 

Damasi ss. 
t Ego Hugo"*) presbyter tituli in Lucina ss. 
t £^ Guido presbyter cardinalis tituli Pastoris ss. 
t Ego lordanus presbyter cardinalis tituli sancte Susann^ ss. 

t Ego Oddo diaconus cardinalis sancti G^orgii ad ue- 

lum aureum ss. 
t Ego Johannes diaconus cardinalis sancte Marie NOUE ss. 

f Ego lacintus diaconus cardinalis sancte Marie in Cos- 

midin ss. 
Dat. apud sanctom Genesium per manum GVJLDONIS sancte Bo- 
mane fcdesi^ diaconi"*) et cancellarii/ VII. idus febr. , indictione 
X"\ incamationiB dominice anno M. C.XLVI, pontificatus uero 
domni Eugenii tertii pape anno secundo. 

B. dep. 

J) Godo Or. m) ßu ergänzen ist cardinalis. «) X auf Baaur, 


4. 

Eugen III. heurkundä die von t/im in dem Prozeß ewischen dem 
BrMsehcf Moses von Bavenna und dem Bischof Qrifo von Ferrara 
Her die Massa Firminiana m Gunsten des Erstem gefäUe Entscheidung. 

Segni 1152 Jum 2. 


198 P. Kehr, 

Copie saec. XVI II in Divcrsorwn tom. XXXVI Havefina Ar^ 
chivio arcivescovile. 

Die in vieler Hinsicht interessante Urkunde ist in der Haupt- 
sacke wiederholt worden von Anastasius IV, 1154 VI 17 (gedr. 
Tarlajszi Appendice II 9 Nr. 7). 

Eagenias episcopus seruas seruoruin dei. UenerabiK fratri Moysi 
Kaaennati archiepiscopo salutem et apostolicam benedictionem. Ne 
obliaionis obscuritas per dissuetadinem humanis mentibas ingeratur 
qnod saper cansarmn litigiis iadicatom faerit ael decisom, scriptare 
debet memorie commendari, at per hoc babeat secatara posteritas, 
qaod faturis temporibas evidenter agnoscat. Qnaliter igitar con- 
tronersia, qne inter te et nenerabilem Griffonem Ferrariensem 
episcopnm saper massa Firminiana et plebe saneti Stepbani atqae 
aliis ecclesiis in eadem massa constitatis cam earom pertinentüs 
iam dia agitata est, in nostra presentia per difiinitivam sententiam 
faerit terminata, presentis scripti serie precepimas anotari. Ta 
siqoidem qaondam Leonis pape prioilegiom , in qao nimiram conti- 
nebatar, qaod predicta massa cam plebe et ecclesiis atqae com 
omni diaino et hamano iare faerit ab eodem papa commisse tibi 
Raaennati ecclesie concessa, atqae aliad priailegiam imperatoris 
Caroli, per qaod tam predicta massa nominatim qaam alie posses- 
siones ecclesie tae faerant confirmate, in mediam ostendebas. Pre- 
terea ex qaibasdam gestis taoram predecessoram Baaennatis ecclesie 
archiepiscoporam, in qaibas multa de ipsias masse dispositione le- 
gebantar, longissimam tibi possessionem confirmabas. Qaedam qao- 
qae publica instramenta, in qaibas de prefata massa locationes et 
concessiones plarime ab eisdem archiepiscopis facte legebantar, 
nichUominas afferebas. Econtra aero Ferrariensis episcopas se 
in presentia aenerabilis fratris nostri Goidonis bone memorie Ho- 
stiensis episcopi tecom saper ipsa massa transegisse firmiter re- 
spondebat ac per hoc, si qaam contra eam actionem haberea, 
penitas elisas esse dicebat. Qaod factom ta de iare stare non 
posse firmiter allegabas, qaia transactio iasta legam statata par- 
tiom consensam desiderat. In hoc aatem facto consensom taom 
nollatenas intercessisse dicebas, qaoniam qaod tibi ael qaantom 
de litigio ipso cessarom erat, penitus te ignorasse dixisti, donec 
ille qai iadex ordinarios faerat atriqae parti sao arbitrio pablice 
patefedt. Qaod postqaam aadisti, ratam nallatenas haboistL 
Addebas etiam qaia, et si ta prebaisses assensam, qaoniam cleri- 
corom taoram Raaennatis ecclesie deseraientiom conscientia defoit 
et consensoB, de iare stare non posset. Ecclesiasticanun namque 


Papstnrkunden in Pisa, Lacca und RaYenna. 199 

rernm alienationes, qoibas maior pars collegii non consentit, leges 
nihilominas oalere decernont et transactiones alienationes facere 
jBrmiter respondebas. Predictos Ferrariensis episcopas taa priai- 
legia omnino suspecta esse aiebat, tum qoia in serie prinilegii et 
bnlla Leoni pro Leonis scriptimi erat, tum qnia in ipsa bnlla qne- 
dam tonsiones apparebant. Frioileginm etiam Caroli ob hoc in 
dubium reaocabat, qnia contra consnetudinem illorom regom ex 
morice sabscriptmn et non aoro nel cera, sed plombo bnllatom 
erat. Insaper coiusdam prinilegii pape Adriani exemplar^', in qno 
memorata massa Ferrariensi ecclesie concedebatnr , ostendebat, 
cnius authenticom se amisisse asserens ; qnod illnd babaerit , per 
testes se probaturnm dicebat, qni ntiqne id se andinisse assecnra- 
bant et eadem in anthentico esse, qne in ipso exemplo legebantnr, 
afBrmabant, qnos tarnen testes in conspecta nostro minime repre- 
sentaoit. Asserebat etiam qnendam thomnm sab nomine pape 
Leonis scriptum nee publica mann nee impressione sigilli subnixum, 
quem nullus, licet in eo laboratum plurimum fuerit, omnino legere 
poterat. Protulit quoque Benedicti, Paschalis, Innocentii, Lucii 
et Celestini Romanoram pontificum priuilegia, que omnes predicti 
Adriani pape uestigüs se inherere dicebant. Allegabat insuper 
possessionem sepe dicte masse ab Ottone Buccatorta imperiali uio- 
lentia in ecclesiam Rauennatem intruso ecclesie Ferrariensi colla- 
tam et ex tunc per spatium quadraginta annorum et amplius se 
quiete possedisse dicebat. Ad quod tu respondendo dicebas, qnod 
Ottonis intrusi factum Rauennatem ecclesiam suo iure priuare non 
potuit, quia sine conscientia et consensu eiusdem ecclesie contra 
canonum et legum statuta id factum esse pro certo firmabas. 
Addebas etiam, quod in ecclesiarum datione pecunia data atque 
suscepta simoniaca heresis ^) a dante fuerit et suscipiente commissa 
ac per hoc nuUo tractu temporis, etiam si non esset aliqna cano- 
nica interruptio facta, concessio ipsa potuit suscipere firmitatem. 
Contra longissimi uero [temporis] prescriptionem predecessorem tuum 
Gualterium bone memorie in conspectu predecessoris nostri felids 
recordationis Calixti pape in concilio Lateranensi super eadem massa 
presente Landulfo Ferrariensi episcopo conquestum fuisse, testibus 
comprobastL Te ipsum quoque in conspectu domini Lucii pape 
tempore ordinationis tue hoc ipsum fecisse et apostolicas literas 
ad Griffonem Ferrariensem episcopum impetrasse, ut iudicium 
snper ipsa massa tecum sab Gradensi patriarcha subiret, pro certo 
oognouimus. Nos itaque utriusque partis allegationibus ac rationibos 


a) esemplalL b) hereai. 


200 P. Kehr, 

diligenter inspectis et plenarie cognitis, commanicato fratrnm nostro- 
rum consilio , qnicquid in memorata massa Ferrariensis episcopns 
tarn in possessionibns quam in ecclesüs uel earnm pertinentiis per 
se ant per alios possidebat , nnlla questione reseroata , tibi et 
per^) te Kanennati ecclesie snadente iostitia integre restitni iadi- 
caoimns. Nnlli ergo omnino hominam fas sit hoins nostre diffini- 
tionis paginam temerario ansa infringere sea qaiboslibejb molestüs 
pertnrbare. Si quis igitur in futurum aduersus ista presumpserit, 
secundo tercioue commonitus, nisi presumptionem suam digna satis- 
factione correxerit, indignationem omnipotentis dei et beatornm 
Petri et Pauli apostolorum eins incurrat atque in extremo exa- 
mine districte ultioni subiaceat. 

Ego Eugenius catholice ecclesie episcopus ss. B V. ^ 

f Ego Tmarus Tusculanensis episcopus ss. 

t Ego Vgo Hostiensis episcopus ss. 
f Ego Gregorius presbyter cardinalis tituli Calixti ss. 
f Ego Hubaldus presbyter cardinalis tituli sancte Praxedis ss. 
t Ego lulius presbyter cardinalis tituli sancti MarceUi ss. 
f Ego Gruido presbyter cardinalis tituli Pastoris ss. 
f Ego Octauianns presbyter cardinalis tituli sancte Cecilie ss. 
f Ego Rolandus presbyter cardinalis tituli sancti Marci ss. 
f Ego Gerardus presbyter cardinalis tituli sancti Stephani in Celio 

monte ss. 
f Ego Cencius presbyter cardinalis tituli in Lucina ss. 
f Ego Johannes presbyter cardinalis tituli Equitii ss. 

t Ego Otto diaconus cardinalis sancti Georgii ad ue- 

lum aureum ss. 

f Ego Rodulfus diaconus cardinalis sancte [Lucie] in 

Septasolis ss. 

f Ego Gregorius diaconus cardinalis sancti Angeli ss. 

f Ego Guido diaconus cardinalis sancte Marie inPorticu ss. 

f Ego lacinctus diaconus cardinalis sancte Marie in Cos- 

midin ss. 

f Ego Johannes diaconus cardinaUs sanctorum Sergii et 

Bacchi ss. 

f Ego üdebrandus sancte Romane ecclesie diaconus car- 
dinalis SS. 
Data Signie per manum Bosonis sancte Romane ecclesie scriptoris, 
Uli. nonas iunii, indictione XV, incamationis dominice anno M . C . LTT, 
pontificatus uero domni Eugenii UI pape anno Vm. 


c) pro. d) BENE YALETE auageadiriebm. 


Papstarkunden in Pisa, Lacca und Ravenna. 201 

5. 

Eugen III. benachrichtigt die Kleriker und Laien in der Massa 
Firminiana über seine in dem Streit zwischen dem Erzbischof Moses 
von Eavenna und dem Bisc/u>f Grifo von Ferrara zu Gunsten des 
Ersteren gäroffene Entscheidung. Segni (1152) Juni 2, 

Copie saec. XIII Ravenna Ärchivip arcivescovüe (F. 2061). 

Diese oben S. 188 als unediert bezeichnete und in der That 
bei Jaffe fehlende Urkunde ist lierausgegeben von A. Tarlazzi im 
Appendice ai Monumenti Ravennati di Fantuzzi II 8 Nr. 6. 


6. 

Anastasius IV. bestätigt dem Erzbischof Moses von Ravenna die 
von Eugen HL über das Bistum Piacenza und die massa Firminiana 
zu Gunsten Rauennas getroffenen Entscheidungen. 

Lateran (1154) Februar 27. 

Copie saec. XVIII in Diver sorum tom. XXXVI Ravenna Ar- 
chivio arcivescovile. 

Anastasius episcopos seraos seraorum dei. üenerabili fratri Moysi 
Raoennati archiepiscopo salntem et apostolicam benedictionem. 
Literas a taa nobis caritate transmissas ea qua deboimns affec- 
tione suscepimns et qaoniam ex eamm serie toi animi sinceritatem 
plene cognommus , in ipsarom lectione sumns non' modicnm iocon- 
dati Tue itaqae fratemitati apostolice salntationis dependentes 
affectnm^ in apostolice sedis aeneratione sicat hactenns ita et 
deinceps te persistere capimns et nos, quemadmodum nostri pre- 
deoessores fedsse noscnntor, personam toam aolomns honorare et 
de bis, que tibi debeant utilitatem conferre, existcre stndiosi. Inde 
siqaidem est qaod nos predecessoris nostri felicis memorie pape 
Eogenü nestigüs inherentes sententias, quas idem predecessor 
noster pro ecclesia Raaennate tarn de episcopata Flacentino qaam 
de niUa et tota massa Firminiana cum plebe et capellis suis pro* 
molgare dinoscitor, presentis scripti pagina conürmamns et ipsas 
inconnnlsas esse decemimos. Data Laterani HL kal martii 


IffL 0«. 4. Wi«. ÜMkrieklM. Pkilotof.-bürtor 11mm 1897. Ütt. 9. 14 


202 P- Kehr, 

7. 

Hadrian IV, nimmt nach dem Vorgange Vaschah IL das Nonnen^ 
Jdoster San Matteo in Pisa unter der Aebtissin Eufraxia in seinen 
Schute^ bestätigt ihm die Besitzungen und das Aufnahme- wie das 
Begräbnisrecht, Benevent 1156 Januar 25. 

Orig. Pisa Archivio arcivescovüe (S. Matteo Nr. 26). 

Die Urkunde war bisher nur bekannt durch das Tcuree Re- 
gest bei V. Pflugk'Harttung Iter p, 255 Nr. 515^ danach J-L. 10130. 
Als Vorurkunde diente zum-^Teil das Privileg Paschoi^ IL J-L. 
6522 (gedr. v. Pflugk-llarttung Acta II 215 Nr. 259). 

ADRIANUS EPISCOPUS SERUUS SERUORUM DEL DILECTIS 
IN CHRISTO FILIABUS EUFRAXIE ABBATISSE MONASTE- 
RH SANCTI MATHEI EIUSQUE SORORIBÜS TAM PRESEN- 
*TIBUS QUAM FUTURIS REGULÄREM UITAM PROFESSIS 
IN PERPETUUM. | Cum omnibus deo dicatis locis debitores ex 
iniuncto nobis apostolatas officio existamns, Ulis tarnen propensins 
nos connenit prouidere, in qaibus persone ingiter in lege domini 
me-|ditantes stadiosins dioino coltoi nosenntor insistere. £a- 
propter, dilecte in domino filie, nestris instis postnlationibns clementer 
annnimas et ad exemplar predecessoris nostri | felicis memorie Pa- 
schalis pape monasterinm sancti Mathei, in qno dinino mancipate 
estis obsequio, sab beati Petri et nostra protectione snsoipimus 
et presentis scripti priuilegio [ commonimns. Statuentes ut qoas- 
cnmqne possessiones quecomque bona idem monasterinm inpresentia- 
rum inste et canonice possidet ant in fhtarom concessione pontifi- 
com, I largitione regnm nel principnm, oblatione fideUom sen alüs 
iustis modis deo propitio poterit adipisci, firma nobis et bis, qne post 
nos snccesserint, et illibata permaneant. | In qnibns hec nominatim 
dnximns exprimenda: hospitale cnm ecclesia sancti Marci eornm- 
qne pertinentüs, ecclesiam sancti Barnabe, ecdesiam sancti Lnce, 
mona-|sterium sancte Marie in Silna cnm snis pertinentiis, terram 
dePodio prope monasterinm sancti Mathei. Sane personas liberas 
et secnlariter ninentes | ad connersionem nel monachatnm snsdpere 
nullius nos contradictio inhibeat. Sepulturam quoque loci uestri libe- 
ram esse decemimns, ut eomm qui illic sepeliri deliberauerint, | deuo- 
tioni et extreme uoluntati, nisi forte excommunicati uel interdicti sint, 
nnllus obsistat'^ salua tamen iustitia matricis ecclesi^. Decernimus 

a) uel interdicti Bint nullus obsistat auf Easur; der Passus fehU in dem 
Privileg Pasduüa IL 


Papstarkunden in Pisa, Laeca und Ravenna. 203 

ergo at ntilli onmino hominmn | liceat prefatmn monasterinm temere 
pertarbare aat eins possessiones auferre ael ablatas retinere minaere 
sen aliqaibas molestiis fatigare, sed omnia integra | conseruentar ea- 
rum pro qaaram sabstentatione et gabernatione concessa sunt usibus 
omnimodis profutnra, salua sedis apostolice auctoritate et dioce- 
sani episcopi canonica | iustitia. Si qaa igitnr in ftitarrun ecciesia- 
stica secolarisue persona hanc nostre constitutlonis paginam sciens 
contra eam temere aenire temptauerit et secnndo | tertioae commo- 
nita, si non satisfactione congma emendauerit, potestatis honoris- 
qne soi dignitate careat reamqne se dioino iudicio existere de per- 
petrata im-jqoitate cognoscat atqne a sacratissimo corpore ac san- 
gnine dei et^^ domini nostri lesu Christi aliena fiat et in extremo 
examine diatricte oltioni sabiaceat. Conetis aatem eidem loco | sna 
iora semantibas sit pax domini nostri lesn Christi , qnatenns et 
hie fractom bone actionis percipiant et apnd districtum indicem 
premia etem^ pacis inneniant. Amen. Amen. Amen. | 

R. Ego Adrianas catholicQ ^lesi§ episcopos ss. BY. 

f Ego Ymams Tnscolanas episcopos ss. 

t Ego Cencins Portnensis et sancte Rafine episcopos ss. 
f Ego Goido presbyter cardinalis titoli sancti Grisogoni ss. 
f Ego Hvbaldos presbyter cardinalis titoli sancte Pr[axedi]s ss. 
f Ego Manfredos presbyter cardinalis titoli Sa[bine] ss. 
t Ego ARIBERTUS presbyter cardinalis titoli sanct^ Anastasif ss. 
t Ego fiobaldos presbiter^> cardinalis titoli sancte c[roc]is in le- 

rosalem ss. 
t Ego Bemardofl presbiter cardinalis titoli sancti Cl[em]enti9 ss. 

f Ego Astaldos presbyter cardinalis titoli sancte Prisce ss. 

t Ego Oerardos presbyter cardinalis titoli sancti Stephani in 

Celio monte ss. 
t Ego Henricos presbyter cardinalis titoli sanctorom Nerei et 

Achillei ss. 
t Ego Oddo diaconos cardinalis sancti Greorgii ad oeiom 

aoreom ss. 
t Ego Goido diaconos cardinalis sancte Marie in Por« 

tico SS. 
t Ego lacintos diaconos cardinalis sancte Marie in Cos- 

mydyn ss. 
t Ego lohannes diaconos cardinalis sanctorom Sergii et 

Bachi 88. 


b) dei et Über dtr ZeiU nadhgetragm. c) preibiter auf Bamr. 


204 ^' Kehr, 

Datum Benenenti per manam Rolandi sancte Romane ecclesie pres- 
byteri cardinalis et cancellarii, VTH. kal. febr., indictione IUI, in- 
carnationis dominice M.C.L.Y, pontificatos aero domni Adriani TITT 
pape amio secando^. 

B. dep. 

d) IUI pape anno secundo attf Basur, 


8. 

Hadrian IV. nimmt das Kloster S, Pauli de Pugnano unter der 
Aebtissin India nach dem Vorgange Innocene IL unter seinen Sctiutg 
und bestätigt ihm die Besitzungen^ das Wahlrecht^ das Aufnahme^ und 
Begräbnisrecht, Lateran 1157 FAruwr 17. 

Orig. Pisa Archivio di staJto (S. Anna). Die BuUe an goldgelben 
Seidenfäden ist verloren. 

Vgl. J-L. 10255 nach v. Pflugk-Harttung Her p. 256 Nr. 523, 
SU dessen Zeit die Urkunde sich nicht fand. Den Text wieder- 
hole ich nicht, da er wörtlich nachgeschrieben ist der Urkunde 
Lnnocene IL. J-L. 8146 (v. Pflugk-Harttung Acta IL 317 Nr. 353). 

ADRIANUS EPISCOPUS SERUUS SERUORUM DEL DILECTE 
IN CHRISTO FILIE INDIE ABBATISSE SANCTI PAULI DE 
PUGNANO EIUSQUE SORORIBUS T AM PRESENTIBUS QUAM 
FUTURIS REGULARITER SUBSTITUENDIS INPERPETUmi. | 

Uirginibas sacris quQ 

R. Ego Adrianns catholic^ Qcciesif episcopns ss. BV. 
f Ego GrGr. Sabinensis epificopns ss. 
f Ego Habaldos presbyter cardinalis titoli sancte Praxedis ss. 
f Ego lulios presbyter tituli sancti Marcelli ss. 


f Ego Octaoianas presbyter cardinalis tituli sancte Cecilie ss. 
f Ego Astaldos presbyter cardinalis titoli sancte Prisce ss. 
f Ego Gerardos presbyter cardinalis titoli sancti Stephani in Celio 

monte ss. 


t Ego lohannes presbyter cardinalis titoli sanctonun Siloestri et 

Martini ss. 
t Ego ndibrandos presbyter cardinalis basilice XTT apostolorom ss. 


Papsturkunden in Pisa, Lacca und Ravenna. 205 

f Ego Oddo diaconns cardinalis sancti Georgii ad uelum 

aaream ss. 

t Ego lacintos diaconas cardinalis sancte Marie in Cos- 

midin ss. 

f Ego lohannes diaconas cardinalis sanctorom Sergii et 

ßachi ss. 

t Ego Bonadies diaconas cardinalis sancti Angeli ss. 

t Ego Boso diaconas cardinalis sanctoram Cosme et Da- 

miani SS. 


t Ego Albertas diaconas cardinalis sancti Adriani ss. 

Dat. Lat. per manam Rolandi sanct^ Romano ecclesif presbyteri 
cardinalis et cancellarii, XTTT. kal. mart., indictione VI', incarna- 

tionis dominier M . C . LVII , pontificatas aero domni ADRIANI 
IUI« pape anno mi*«. 

B. dep. 


Ilculrian IV. hrficJiU dem Bischof Grifo und detn Klerus von 
Ferrara , sich edler Eingriffe in die dem Ershischof Anselm von Ra- 
venna sugesprocheiie Massa Firminiana eu enthalten. 

Lateran (1156—58) Deeemher 9. 

Copie saec. XVIII in Diversomm tofn. XXXVI Ravenna Ar* 
chivio arcivescovüe. 

Adrianas episcopas seraas seraoram dei. Uenerabili fratri Grif- 
foni episcopo et aniaerso clero Ferrariensi salutem et apostolicam 
benedictionem. Apostolice sedis statuta quanta reuerentia qnan- 
toqae sint digna honore, debaeratis attenderc et sie sententiam a 
sancte memorie papa Engenio saper massa Firminiana rationabi- 
liter promalgatam post longam discussionem caase in eins presentia 
aentilate deaotione dcbita nenerari , at nuUus posset conicere, 
nos aelle resistere aeritati et constitationi sedis apostolice con- 
traire. Ueram in contrariam datur intelligi, qaoniam qae Raaen- 
nati ecciesie adiadicata esse noscantar, a aobis, sicat nobis dicitar, 
per aiolentiam detinentnr, ita qaod noUam de ipsis potest aene- 
rabilis frater noster A. Raaennas archiepiscopos atilitatem asseqai 


206 P. Kehr, 

siue proficuum obtinere. Accedit ad hoc , quod qaidam Ferrarien- 
ses impedimentam prestare non cessant, qaominas nostra et beati 
Petri iustitia nobis integre in illis partibus persoluatur , nostra 
utique patientia abntentes, qne nouit et penam condignam obda- 
ratis infligere et misericorditer ueniam indolgere correctis. Sane 
manus eadem, que anguentnm ad demolcendam apposnit, cauteriom 
tenet ignitum, ut ferro abscidatur morbus qui non potest leni me- 
dieamine amputari. Ut igitur predictus frater noster archiepisco- 
pos adaersas aos materiam non habeat de cetero conqaerendi et 
nos tarn pro ipso quam pro nostra iustitia, quamFerrarienses im- 
pediunt, cogamur amplius commoueri, per presentia uobis scripta 
precipiendo mandamus, quatinus de supra dicta massa uel appen- 
ditiis suis de cetero uos nullatenus intromittatis et Ferrarienses 
districte commoneatis, ut nulluni audeant impedimentum prestare, 
quominus nostra nobis iustitia persoluatur. Scire quidem uos con- 
uenit, omnes illos uinculo anathematis innodatos, qui contra uolun- 
tatem predicti fratris nostri de iam dicta massa uel eins appen- 
ditiis se intromiserint. Alienationes preterea, quas post datam 
sententiam tu, frater episcope , diceris effecisse, in irritum reuoca- 
mus et nullas uires obtinere censemus. Uerum quia, sicut nobis 
asseritur, occasione illa, qua quibusdam uestrum concessum est, 
ut suppressa uoce diuina officia celebrent, interdicti sententia pe- 
nitus uiolatur, precipimus ut nullus de cetero in Ferrariensi epis- 
copatu nee etiam occasione hospitalarlorum siue templariorum au- 
deat diuinum of&cium celebrare. Hec omnia commisso uobis populo 
precipimus nuntietis. Data Lateran! Y. idus decembris. 


10. 

Alexander III, nimmt nach dem Vorgange Paschals IL und Ha- 
drians IV, da^'i Kloster des h. Felix bei Vada in seinen Schutz, 
bestätigt ihm die Besitzungen, Zehnten und Schenkungen und verleiht 
ihm Freiheit von der weltlichen Gewalt, die Wahl eines Bischofs fiü' 
die bischöflichen Leistungen, das Begräbniß- und Wahlrecht und Frei- 
heit vom Interdict. Benevent 1168 Juni 19. 

Copie von 1230 Pisa Archivio di stato (S. Paolo alVOrto). 

Regest bei v. Pflugk-Harttung Iter p. J267 Nr, 591. Danach J-L. 
11919. 

Die angesogenen Privilegien Paschals IL und Hadrians IV. sind 
nicht erhalten. 


Papstarkonden in Pisa, Lucca und Ravenna. 207 

Alexander episcopas semas semorrun dei''^ Dilecto filio Bono 
abati monasterii saneti Felicis quod insta castrom de Vada sitam 
est eiusqne fratribus tarn presentibus ^^ quam futaris regulärem ui- 
tam proJBPessis in perpetuum. Religiosam uitam eligentibus apo- 
stolicam conuenit adesse presidium, ne forte cuiuslibet temeri- 
tatis ^^ incursus aut eos a proposito reuocet aut polum, quod absit, 
sacre religionis infringat. Eapropter, dilecti in domino filii, uestris 
iustis postulationibus clementer annuimus et prefatum monasterium 
saneti Felicis, in quo diuino mancippati estis obsequio, ad exemplar 
predecessorum nostrorum felicis memorie Pascalis et Adriani Roma- 
nonun pontificum sub beati Petri et nostra protectione suscipimus et 
presentis scripti'^ priuilegio comunimus. Statuentes ut quascumque 
possessiones quecumque bona idcm monasterium inpresentiarum iuste 
et canonice possidet aut in futurum concessione pontificum, largitione 
regum uel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis pre« 
staute domino poterit adipisci, firma uobis uestrisque successoribus 
et illibata permaneant. In quibus hec propriis duximus exprimenda 
uocabulis: inOrfiano'^ eclesia saneti Angeli, in Belora eclesia saneti 
Cristofori, in Fontana eclesia saneti Laurentii, in Candaiolo eclesia 
saneti Martini, in uilla Valisciana eclesia saneti Martini, in Elba 
eclesia saneti Felicis a cruce, in Gallino in loco nbi dicitur Osellilli 
eclesia saneti Jobannis, prope in eodem loco ubi dicitur Goltodefe 
eclesia sancte Marie cum omni iure et actione sua, uobis uestris- 
que successoribus regularitcr regendas senper ac disponendas possi- 
dendasque firmamus. Decimas sane et alias oblationes seu dona- 
tiones , quas Pisane eclesie episcopus bone memorie Atho ^) eidem 
monasterio concessit, auctoritate sedis apostolice uobis nichilominus 
confirmamus. Statuimus preterea ut idem cenobium cum monacis 
et omnibus ibi deo seruientibus ab secularis seruitii sint infesta- 
tione securi omnique grauamine oppressionis remoti in sancte re- 
ligionis obseruatione persistant nee uUi alii nisi Romane eclesie et 
apostolice sedi, cuius iuris ipse locus est, aliqua teneantur occa- 
sione snbiecti. Crisma quoque, oleum sanctum, consegrationes al- 
tarium seu basilicarum et ordinationes clericorum a quocumque 
malueritis sussdpietis episcopo. Sepulturam quoque ipsius loci li- 
beram esse concedimus , ut eorum deuotioni et extreme uoluntati 
qui se illic sepelliri deliberaucrint, nisi forte excomunicati uel in- 


a) Alezander seruas etc. 6) presentibus presentibus. c) teneritatis. 
d) scricti. e) oder Orliano. 


1) Bischof Auo von Pisa, nach Qams 1016-1081. 


208 P. Kehr, 

terdicti sint, nullns obxistat, salaa tarnen iustitia parrochialinin-^ 
eclesiaram, de quibas mortuorum corpora assnmantnr. Obeunte 
uero te nunc einsdem loci abate uel tuorum quolibet ^^ sncessorum, 
nullus ibi qualibet surreptionis astutia seu uiolentia preponatur, 
nisi quem fratres comuni assensu uel fratrum pars *^ consilii sanio- 
ris secundum dei timorem et beati Benedict! regolam de sno uel 
de alieno , si oportunum fuerit, collegio*^ prouiderint*^ eligendum. 
Electus autem ad sedem apostolicam benedicendus adcedat. Ad 
hec addicimus ut nuUi episcoporum facultas sit monasterium uestrom 
uel monacos seu etiam clericos uestros et eclesiarum'^ uestrarum 
interdicto subicere aut quodpiam quod fratrum quieti noceat graua- 
men inferre. Decernimus ergo ut nuUi omnino hominum liceat 
supra dictum monasterium temere perturbare aut eins possessiones 
auiferre uel ablatas retinere minuere seu quibuslibet uexationibus 
fatigare, set illibata omnia et integra conseruentur eorum pro 
quorum gubernatione et sustentatione concessa sunt usibus omni- 
modis profutura, salua sedis apostolice auctoritate et in predictis 
capellis diocesanorum episcoporum canonica iustitia. Ad indicinm 
autem percepte a Romana eclesia libertatis nobis nostrisque succes- 
soribus anuatim bisan^ium unum uel quinque solidos Lucensium per- 
soluetis. Si qua igitur in futurum eclesiastica secularisue persona 
hanc nostre constitutionis paginam sciens contra eam temere uenire 
temtauerit, secundo tercioue"»^ commonita nisi presumtionem suam 
congrua satisfactione corresserit, potestatis honorisque "^ sui dignitate 
careat reamque se diuino iudicio existere de perpetrata inniquitate 
cognoscat et a sacratissimo corpore ac sanguine dei et domini redem- 
toris nostri lesu Cristi aliena fiat atque in extremo examine di- 
stricte ultioni subiaceat. Cuntis autem eidem loco sua iura®^ ser- 
uantibus sit pax domini nostri lesu Cristi , quatinus et hie fruc- 
tum bone actionis percipiant et apud districtum indicem**^ premia 
eteme pacis inueniant. Amen. 

Dat. Beneuent. per manum Gratiani sancte Romane eclesie 
subdiaconi et notarii, XIII. kalend. iulii, indictione I, incarnationis 
dominice anno millesimo C^LX^VIIP, pontificatus uero domini 
Alexandri pape UI anno Villi. 

f) pararachialium. g) quilibet h) paras. t) et legio. k) prouideutie. 
2) clerorum. m) teroue. n) horisque. o) uita. p) adp disiritum iudicium. 


Alexander JH. nimmt nach dem Vorgange Innocene IL, Eugens IIL, 
Anastasius IV. und Hadrians IV. die Kirche S. Mariae in Pisa 


Papstarkundeii in Pisa, Lncca und Bayenna. 209 

unter dem Ersbischof Hubald in seinen Schute und bestätigt ihr die 
Besifjsungen. Änagni 1176 April 11. 

Orig, Pisa Archivio di stcUo (Atti puhblici). Die Bulle ist verloren. 

Das Privileg ist bisher nur beJcannt durch das ungenügende 
Regest bei v. Pflugh-Harttung Her p. 279 Nr. 658. Danach J-L. 
12693. Von den angezogenen Urkunden ist, so viel ich sehe, nur 
erhalten das Privileg Innocene II. J-L. 7830. Die Urkunde 
Alexanders HL wiederholt diese eiemlich wörtlich. Die Cardinals- 
Unterschriften sind dieselben wie in J-L. 12692. 

Fratres nostros episcopos. 

Dat. Anagnie per manum Gratiani sancte Romane ecdesie sab- 

diaconi et notcu*ii, III^. idas aprilis, indictione YIIU, incamationis 



dominice anno M . C . LXXVI, pontificatns uero domini AL£XANDRI 
pape tertii anno septimodecimo. 

B. dep. 


12. 

Alexander III. nimmt den Prior Angelus und die Kanoniker 
von 5« Andrea de Mosciano in seinen Schute, bestätigt ihnen die Be- 
sitjmngen und die Zehnten und verleiht ihnen andere Rechte. 

Anagni 1176. — 

Copie von 1438 Pisa Archivio di stato (Nicosia). 

Hegest bei v. Pflugk-Harttung Iter p. 280 Nr. 663. Danach J-L. 
12731. 

Die Namen scheinen greulich verunstaltet eu sein ; die Ortho^ 
graphie ist stillschweigend wiederhergestellt. 

Alexander episcopas semas sernornm dei. Dilectis filiis Angelo 
priori et canonicis sancti Andree de Mosciano tarn presentibus 
qnam fatoris canonice snbstituendis imperpetaom. Qnotiens 

ülud a nobis petitar qaod religioni et honestati conaenire dino- 
ficitiir, animo nos decet libenti concedere et petentiom desideriis 
congmnm impertiri soffragiiun. Eapropter, dilecti filii in domino, 
oestris iostis postolationibas clementer annoimos et prefatam 
ecdesiam, in qna diaino mancipati cstis obseqaio, sub beati Petri 
et nostra protectione sascipimns et presentis scripti prioilegio 


210 P. Kehr, 

commanimas. Imprimis siqaidem statuentes nt ordo canonicns, 
qui secandum deum et beati Angastini regnlam in eodem loco 
institntus esse dinoscitnr , perpetnis ibidem temporibns inniolabi- 
liter obsernetnr. Preterea quascumque possessiones qnecnmqae 
bona eadem ecclesia impresentiarom inste et canonice possidet aat 
in faturnm concessione pontificum, largitione regnm uel principnm, 
oblatione fideliom seu aliis iustis modis prestante domino poterit 
adipisci, firma uobis nestrisque successoribus et illibata permaneant. 
In qnibus hec propriis duximas exprimenda uocabulis : qnicqaid ha- 
betis in loco ipso ubi prefata ecclesia sita est cum'') terris et uineis 
arboribns aqnis culturis silnis et omnibus pertinentiis snis, qnic- 
qaid habetis in Podio et Alapalancola et de massa de Macinaia, 
qnicqaid habetis de terra qae fait Mazolini et Porci, qnicqaid ha- 
betis ex donatione Caciati, Caccialoste, Ginneldncii, Dradalini et 
filioram Bonomini , qnicqaid habetis de terra que fait filiorxun Ba* 
rili et Deaeltei et Giacciardi, qaicqaid in monte Castaldi habetifi 
et in eins appenditiis, qaicqaid habetis in cnrte et castello de 
Tnrri et in Castagnieto, qnicqnid habetis in Rnopi, in cnrte de 
TJalle et in omnibns pertinentiis snis, in Trespaldi, in CarcareUi, 
in Strata , in Caselle , in Lisceto , in Snligano cnm ecclesia sancti 
Petri et aliis pertinentiis snis, qaicqaid habent a nobis Sanini 
filii Bonettoli A90 Vnuarins Petras magister, qaicqaid habetis in 
Uilla noua in sancto Panlo et qaod habetis in monte et piano a 
Grnillieimo connerso, et qaicqaid habetis in Godosnli et in omnibos 
appenditiis eins, et qaicqaid habetis ex donatione testamento et 
emptione a patronis nestris ael massariis aat commatatione ab 
eisdem. Preterea omnes decimationes , qnas habetis infra plebem 
de Septimo, infra plebeium*) de Bro(;i, infra plebeinm de logole, 
infra plebeinm de sancto Johanne de Snana, infra plebeinm de 
sancto Vincentio et infra plebeinm sancte Reparate, et integras 
primitias totins aestri popali. Stataimas preterea et presenti de- 
creto sancimns at nalli liceat infra parrocchiam ecclesie nestre sine 
diocesani episcopi et nestro assensn ecclesiam ael oratoriimi edi- 
ficare, salais aatenticis scriptis nestre ecclesie templariis et hospi- 
talariis indnltis. Liceat qaoqae aobis extra aestram parrochiam 
in proprio predio cam consensn diocesani episcopi et persone illins 
ecclesie, in cuius parrochia predinm faerit, hospitale pro paape* 
rom refectione edificare. Ad hec sit licitam''^ aobis in ecclesia 
aestra in maioribns festinitatibns et mortaoram exeqoiis, sicat ac* 
tenos obseraatam est, missas maiores cantare nel aliis ad cantaa* 


a) in. b) prebeiom. c) libmm. 


Papsturkimdeii in Pisa, Lucca und Bavenna. 211 

dam concedere. Preterea qaectimqae nos ael predecessores nostri 
Ben Florentini episcopi ecclesie uestre rationabiliter contoleront, 
aobifi et eidem ecdesie anctoritate apostolica confirmamas. De« 
cemimns ergo ut nulli omnino hominom liceat prefatam ecclesiam 
temere pertnrbare aat eins possessiones anfferre ael ablatas reti- 
nere minnere sen quibuslibet aexationibns fatigare, sed illibata 
omnia et integra conseruentor eorom pro quoram gubernatione et 
sabstentatione concessa sunt nsibus omnimodis profutnra, salaa 
sedis apostolice anctoritate et Florentini episcopi canonica institia. 
Si qna igitnr in futnrnm ecclesiastiea secularisne persona hanc 
nostre constitntionis paginam sciens contra eam temere nenire 
temptanerit, secundo tertione commonita, nisi presnmptionem snam 
digna satisfactione correxerit, potestatis honorisqne soi dignitate 
careat reamqne se dinino iadicio existere de perpetrata iniqnitate 
cognoscat et a sacratissimo corpore ac sangnine dei et domini re- 
demptoris nostri Yesn Christi aliena fiat atqne in examine di- 
stricte oltioni snbiaceat. Conctis antem eidem loco sua iura ser- 
nantibns sit päx domini nostri Yesn Christi, qnatenns et hie frnc- 
tum bone actionis percipiant et apnd districtom indicem premia 
eteme pacis inaeniant. Amen. Amen. Amen. 

K. Ego Alexander catholice ecclesie episcopns ss. BY. 

t Ego Hnbaldns Hostiensis episcopns ss. 

f Ego Bemardns Portnensis et sancte Rufine episcopns ss. 
t Ego lohannes presbyter cardinalis sanctornm lohannis et Panli 

titnli Pamachii'^ ss. 
f Ego Albertos presbyter cardinalis sancti Lanrentii in Lncina ss. 
t Ego Guido') titnli sancti Petri a nincola presbyter cardinalis ss. 
t Ego Boso^ presbyter cardinalis sancte Pndentiane^' titnli Pa- 
storis SS. 
t Ego lohannes presbyter cardinalis titnli sancti Marci ss. 
f Ego Teodinns presbyter cardinalis sancti YitaUs titnli Yestine ss. 
t Ego Manfredns presbyter cardinalis titnli sancte Cecilie ss. 

f Ego lacintns diaconus cardinalis sancte Marie in Cos- 

midin*) ss. 

f Ego Hugo diaconus cardinalis [sancti] Eostachii insta 

templnm Agrippe ss. 

f Ego Laborans diaconus cardinalis sancte Marie in 

Porticu SS. 

t Ego Raynerius sancti Georgii ad nelnm aurenm dia- 
conus cardinalis ss. 


d) Lamacchli. e) Bnil. f) Bodbo. g) Rndeiit h) Colmidio. 


212 P. Kehr, 

Dat. Anagn. per mannm Gratiani sancte Romane ecclesie subdia- 
coni et notarii , XV. kalend. . . . , indictione nona , inearnationis 



dominice anno MCLXXVI, pontificatus uero domini Alexandri 
pape in anno XVII, 


18. 

Lucius HL befiehlt dem AU von ürano, die dem Erjgbischof 
von Ravenna schuldige Obediensi binnen viereig Tagen eu leisten und 
die der Kirche von Ravenna gehörenden Besitzungen eu restituiren. 

VeUetri (1182—83) Mai 18. 

Copie saec. XLV Ravenna Archivio arcivescoviJe (0, 7384). 

L. episcopus seraus seruorum dei. Dilectis filiis abbati et mo- 
nachis de Urano salntem et apostolicam benedictionem. Signifi- 

canit nobis uenerabilis frater noster archiepiscopns Ranennas, quod, 
cum uos monachos ab officio, qnia non eligebatis abbatem, ancto- 
ritate apostolica snspendisset nee saspensionem sernastis nee de 
contemptn sentencie, sicnt ininnximns, satisfacere iam dicto archi- 
episcopo coranistis; abbatem non elegistis ad mandatam apostoli- 
cam iteratum. Quoniam igitur a tempore, quod hominum excedit 
memoriam, omnes abbates monasterii nestri usque ad dilectnm filinm 
nostrum P. nunc Camäldulensem priorem predecessoribus suis 
hobedientiam «) iuramento asserit promisisse , tibi , fili abbas , per 
apostolica scripta mandamus et districte precipimus, quatenus om- 
nem hobedientiam et reuerenciam infra XL dies post barum sus- 
ceptionem^) eidem archiepiscopo promittas et serues, quam prede- 
cessores tui eins antecessoribus [exibere noscuntur, non] obstante 
quod iam dicto priori sancte recordacionis A. papa predecessor 
noster [pro tempore persojnaliter dinoscitur indulsisse. Ad hec 
presentium auctoritate iuiungimus, [quatenus pojsessiones Rauenatis 
ecclesie, quas tenetis, archiepiscopo sine dificultate [reddatis] uel 

si cum eo nequiueritis amicabiliter conuenire [ ] a uenera- 

bilibus fratribus [nostris] Feretrano et Fauen(tino)*^> episcopis et di- 
lecto filio preposito Feretrano non d[efe]ratis iusticie plenitudinem 
exibere. Dat. Velett. XV. kal. iunii. 


a) hobedlentia. b) saseptionem. c) oder Fane(nBi). 


Papsturkunden in Pisa, Lacca and Ravenna. 213 


14. 

Lucius IlL beauftragt die Bischöfe von Mantefeltre und Faenea 
und den Propst von Montefdire^ das gegen den Abt von ürano er- 
lassene Mandat ssur Ausführung eu bringen. 

VelletH (118J2—83) Mai 21. 

Copie saec. XIV Bavenna Archivio arcivescovile (0. 7383). 

L. episcopas scraus seraonun dei. Uenerabilibus fratribus Fere- 
trano et Fauen(tino)^) episcopis et dilecto filio preposito Feretrano sa- 
latem et apostolicam bcnedictionem. Conqaestas est nobis ne- 

nerabilifl frater noster archiepiscopas Raaennas , qnod monachi de 
Urano sosspensionis sentenciam, quam in eos, qoia differebant 
abbatem cligere, aactoritate apostolica promolganit, minime serna- 
rant nee de contemptn corarant, quamais hoc a nobis acceperint 
in mandatLs, satisfacionem aliquam exibere. Abbas uero, qnem 
noaiter elegemnt, fidelitatem, qaam fere omnes predecessores soi 
usque ad dilectom filiam nostram Camaldolensem priorem archi- 
episcopis Raaennatibas iaraaenmt, sicnt moris est, iorare hactenos 
preteruiisit. Qaoniam igitor prooidere aolomus et debemos, ne 
prefatus archiepiscopns honore fraudetnr, qoia ab abbatibns pre- 
scripti monasterii predecessoribos eins consaeoit impendi nee toi* 
lerari conaenit, at predictonun monachorum andacia incorrecta din- 
cins reliquatnr, disereccioni aestre per apostolica scripta mandamos, 
qoatenus partibas conaocatis, si canonice de archiepiscopi nobis 
assercionem constiterit, abbatem ad omnem hobedienciam ^> et reue- 
renciam impendendam , quam predecessores sni antecessoribns ar- 
chiepiscopi ezhibnisse noscnntnr, non obstante qnod iam dicto priori 
a sancte recordacionis A. papa predecessore nostro pro tempore 
personaliter fnerit indnltom , et monachos ad s^tisfactionem de 
contemptn ^> congrnam exhibent, nnllins appellacione obstante infra 
dnos menses post hamm snsceptionem '' auctoritate nostra per 
snspensionis sentenciam compellatis. Ad hec presentinm anctori* 
täte ininngimns, nt cansam, qne inter archiepiscopnm et monachos 
super qoibnsdam possessionibns nertitnr, stndiosins andientes per- 
sonarom acceptione postposita concordia uel indicio finiatis. Dat, 
Vellett. Xn. kaL innii. 


a) oder FaDeD(8i). 5) hobediedam. c) conteptiL d) saaeptionem. 


214 P. Kehr, 

15. 

Urban IlL nimmt die Kirche S. Martina in Siena unter dem 
Prior Johannes nach detn Vorgänge Lucius III. in seinen Schute^ 
bestätigt ihr die Besitzungen^ die Freiheit vom Interdict^ die Sehen- 
hing des Propstes Odelrich von S. Frediano, der Kanoniker von Siena 
und des Bischofs Bainer von Siena. 

Verona 1186 Januar 20. 

Orig. Lucca Ärchivio di stato (S. Frediano.) 

Religiosam aitam eligentibas. 

Dat. Yerone per manum Transmundi sancte Romane ecclesie no- 

tarii , XIII. kal. februarii , indictione quarta , incarnationis domi- 

mce anno M . C. LXXX V , pontificatas uero domni URBANI pape 

m. anno primo. 

B. dep. 

CardincUe : Theodinus von Porto und 8. Bufina^ Heinrich von Älbano ; 
Johannes von 8. MarcOy Laborans von S. Maria in Trastevere, Pan- 
dulf von SS. Apostoli, Älbinus von S. Croce in Oerusalemmej Meliar von 
SS. CHovanni e PaolOj Adelard von S. Marcello ; Ardicio von S. Teodoro^ 
Oratian von SS. Cosma e Damiano, Boland von S. Maria in Porticu, 
Petrus von S. Nicolo in carcere Ttdliano , Badulf von S. Giorgio in 
Velabro. 

Die Urkunde stimmt wörtlich überein mit dem Privileg Lucius III. 
J-L. 14512 (v. Pflugh-Harttung Acta III 288 Nr. 317). 


16. 

Urban III. beauftragt den Bischof von Forli, die Bestitution der 
den Cantoren der Kirche von Bavenna unrechtmäßig enisogenen Zehnten 
in Decimo mu bewirken. 

Verona (1186—87) Mötm 20. 

Orig. Bavenna Ärchivio capitolare (Capsa II Nr. 1). 

Die Urkunde ist eine littera dausa^ die Bulle ist verloren. Auf 
dem Bücken die Adresse Lioiensi episcopo pro cantoribns ecclesie 
Raaennatis. 

ürbanus episcopns semos seraomm deL Uenerabili fratri • • • 
Liniensi episcopo salntem et apostolicam benedictionem. Ad 

andientiam | nostram nonimos pernenisse, qnod, com decime terri- 
torii pelbis sancti Zacharie etsancti Cassiani in Decimo dilectis 


Papstarkunden in Pisa, Lncca and Ravenna. 215 

filiis I cantoribas Rauennatis ecdesie de concessione archiepiscopo- 
rmn, qni pro tempore in Raaennati ecciesia extiteront, pertineant 
et eis I per sedis apostolice priuilegia sint hactenus confirmate, 
qoidam tarn clerici quam laici tum predia, qne in predic-jtaram 
plebiom territoriis possident, colonis tribuant excolenda, tum ipsis 
in dispendiom dictornm cantornm | de persolaendis sibi deeimis 
illicite paciscnntor et hoc instromentis puplicis faciont annotari. 
Qnia ergo | preter commune debitnm, quo omnibus tenemur adesse, 
Bauennati ecclesie, quam pro antique sedis priuile-|gio artiori ca- 
ritate diligimus, specialius debemus intendere, fratemitati tue per 
apostolica scripta precipie[ndo] man-|damus, quatinus ueritate super 
hoc diligentius inquisita, si ita esse | constiterit, pacta et instru- 
menta, quo in predictorum cantorum dispcndium illicite sunt sta- 
tuta, in irritum reuocan[s, eos] appellatione et contradi[ctione] | ces- 
sante ecclesiastica censura compellas, ut memoratis cantoribus 
decimas ipsas non subtrah[ant, sed eos] | libere illas percipere et 
pacifice possidere permittant, alios uero, qui in predictis territoriis 
predia liabe[reno]s[cuntur] ^^ nichilominus eisdem cantoribus exsoluere 
decimas simili districtione compellas. Dat. Yerone XUI. kal. 

april. 

B. dep. 

a) die Ergänzung ist freiUch unsicher. 


17. 

Urban IIL verleiht den Kanonikern der Kirche S. Margarite 
das Privileg der SepuUur. Verona (1186-87) Juli M. 

Orig. Savenna Ärchivio capitolare (S. Maria in Portu H. 2222). 

URBANXJS episcopus seruus seruorum dei. Dilectis filiis cano- 
nicis sancte Margarite salutem et apostolicam benedictionem. | 
Quotiens a nobis jietitur quod religioni et honestati conuenire di- 
noscitur, animo nos decet libenti con-|cedere et petentium desiderüs 
congruum suffragium impertiri. Eapropter, dilecti in domino filii, 
uestris instis postulationibus grato concurrentes assensu, sepultu- 
ram ecclesie uestre liberam | esse concedimus , ut eorum deuotioni 
et extreme uoluntati qui se illic sepeliri deliberauerint, | nisi forte 
excomunicati sint uel interdicti, nullus obsistat, salua tamen in- 
stitia illarum ecclesiarum, | a quibus mortuorum corpora assu. 
muntur. NuUi ergo omnino hominum liceat hanc paginam | nostre 


216 P* Kehr, Papstarkuaden in Pisa, Lacca und Raveima. 

concessionis infringere uel ei ausu temerario contraire. Si qais 
autem hoc attemptare | presampserit , indignationem omnipotentis 
dei et beatorum Petri et Pauli apostolorum eins se no-|uerit in- 
cursurum. Dat. Verone Villi, kal. aug. 

B. 


18. 

Colestin IIL nimnU das Kloster 8. Poneiano in Lucea unier dem 
Abt Johannes nach dem Vorgange Leos IX, , Paschaiis IL und Eu- 
gens IIL in seinen Schutz ^ bestätigt ihm die Besitzungen^ das Wahl- 
recht, das Aufnahme" und Begräbnißrecht , befreit es von allen Ab- 
gaben und verleiht ihm das Rechtj sich einen Bischof für die bischöf- 
lichen Leistungen nach Belieben eu wählen. 

Copie saec. XIIL Lucca Archivio di stato (S, Romano). 

Die Abschrift darbt des EschatoJcolles ; auch ist der gange 
rechte Band fortgeschnUten. Eine wenig spätere Hand schriA 
an den untern Band MCXCVL 

Religiosam eligentibns nitam. 


lieber das Wesen des Industriestaates. 

Von 

Gnstay Cohn. 

(Vorgelegt in der Sitzung vom 29. Mai 1897.) 

1. 

um die Mitte des 19. Jahrhunderts war England bei jener 
Entwicklungsstufe angelangt, von welcher Friedrich List (Das 
nationale System der politischen Oekonomie. Erster Band: Der 
internationale Handel, die Handelspolitik und der Deutsche Zoll- 
verein. 1841, S. 24) die Regel ableitet, „daß eine Nation um so 
reicher und mächtiger ist, je mehr sie Manufakturprodukte expor- 
tiert, je mehr sie Rohstoffe importiert, und je mehr sie an Pro- 
dukten der heißen Zone consumiert''. 

Die Entwicklung der Englischen Yolkswirthschaft in den letz- 
ten beiden Dritteln dieses Jahrhunderts unter dem Gresichtspunkte 
List's geht aus folgenden Thatsachen hervor. 

Die Ausfuhr Englands ^) betrug im Jahre 1836 : 53^ Mill. Pfd. 
Sterling. 

Dazu trugen bei 

BaumwoUwaaren (einschL Gram) 23' Mill. Pfd. Sterling. 
Wollenwaaren „ 7* „ „ 

Leinenwaaren „ 3^ „ „ 

Maschinen, Metallwaaren 3 „ „ 

Im Jahre 1895 betrug der Export *) 286 Mill. Pfd. Sterling. 
Hierzu trugen bei 

BaumwoUwaaren (einschl. Garn) 64 Mill. Pfd. Sterling. 


Wollenwaaren „ 26 

Leinenwaaren „ 6 

Maschinen, Metallwaaren 42 


n 


n 


1) Q. R. Porter, the Progrees of the Nation (1888) 8eet. III eh. IX. 

2) Whiukers Almanack for 1897 p. 598. 

I<L 0««. 4. W. HMhri«h«M. ?Ul»Uf 'U«tor* Umm 1897. Hall i. 15 


218 Qustav Gohn, 

Unter den Artikeln der Einfuhr im Jahre 1895 waren: 

Korn und Mehl für 53 MiU. Pfi Sterl. 

Vieh, Fleisch, Butter, Käse, Eier . . . „ 61 „ „ „ 

Rohe Baumwolle „ 30 „ „ „ 

Rohe Schafwolle „ 26 „ „ „ 

Die Bevölkerung von England und Wales betrug im Jahre 

1801 : 8» MiUionen, 
1831 : 13» 
1891 : 29 „ 
Die landwirthschaftliche Bevölkerung von England und Wales 
zählte im Jahre 1831 : 834,543 Familien ^), 

Sie zählte im Jahre 1891 «) : 1,311,720 Erwerbsthätige (ohne 
die Familienmitglieder). 

Was Porter, in denselben Jahren da List seine Theorie 
auf dem Grunde der Thatsachen Englands entwickelte, noch für 
unmöglich erklärte^, daß nämlich ein erheblicher Theil des Nah- 
rungsbedarfs für irgend ein Land und so für England vom Aus- 
lände eingeführt werden könne, da vielmehr die eigne Landwirth- 
schaft Englands den Bedarf der bis dahin gewachsenen Bevölke- 
rung durch fortschreitende Intensität gedeckt und nur ein kleiner 
Bruchtheil des Kornbedarfs von außen eingeführt worden sei (in 
den Jahren 1833 — 1835 waren durchschnittlich nur 58,494 quarters 
eingeführt worden) — das ist in der zweiten Hälfte des neunzehn- 
ten Jahrhunderts durchaus möglich und zur kennzeichnenden That- 
sache der Englischen Volkswirthschaft geworden. 

Die Englische Bevölkerung (England und Wales allein), die 
1801 — 1831 um 5 Millionen gewachsen war, ist in den darauf fol- 
genden 60 Jahren um mehr als 15 Millionen gewachsen. Zu den 
Bedingungen dieses Wachsthums hat die Einfuhr der landwirth- 
schaftlichen Erzeugnisse für den Nahrungsbedarf der Nation ge- 
hört, und der Antheil der landwirthschaftlichen Bevölkerung an 
der Gesammtbevölkerung ist immer kleiner geworden, während 
die absolute Zahl derselben (soweit die beiden Daten von 1831 und 
1891 sich vergleichen lassen) eher gewachsen als zurückgegangen 
ist. Auch zeigt ein Vergleich der verschiedenen Theile von Eng- 
land, daß die industriellen (xrafschaften einen mächtigen Auf- 
schwung ihrer Bevölkerung haben, dagegen die landwirthschaft- 
lichen Grafschaften stillestehen. Ln industriellen Nordwesten eine 


1) Porter, Progress sect. I eh. III. 

2) HandwGrterbach d. Staatewlssenichafteii, 1. Sapplementbd. (1895) S. 210. 
8) ProgreH sect II eh. L 


über das Wesen des Industriestaates. 219 

constante Znnahme von Jahrzehnt zu Jahrzehnt um 20—26 Pro- 
cent; im landwirthschaftlichen Südwesten 1851 — 1861 und 1861 — 
1871 eine Zunahme um 2 Procent für das Jahrzehnt; seit 1871 
sogar ein kleiner Bückgang. 

2. 

Was lehren uns diese Thatsachen? 

England ist in der Zunahme seiner Bevölkerung den anderen 
Nationen des alten Europa vom Anfange bis zum Ende des neun- 
zehnten Jahrhunders ebenso vorausgeeilt wie in der Entwicklung 
seiner Industrie und seines Welthandels. 

Die Möglichkeit, ein derartiges Tempo der Bevölkerungszu- 
nahme aus anderen Quellen der Produktivität, also insbesondere 
aus den Fortschritten der Intensität der Landwirthschaft zu unter- 
halten, ist bis jetzt zwar behauptet, aber noch niemals bewiesen 
worden. Im heutigen England selber sind es Romantiker und zu- 
mal die neuesten Socialisten, welche eine solche Behauptung auf- 
stellen^). Es komme nur darauf an, dass derselbe Grad techni- 
scher Erfindungsgabe auf die Landwirthschaft angewendet werde, 
wie er auf die Englische Industrie und Verkehrsmittel angewendet 
worden sei. Allein unter den verschiedensten Verfassungen des 
Grundeigenthums und seiner Vertheilung, unter den verschieden- 
sten Bedingungen des Bodens und des Klimas, ist in keinem Lande 
des alten Europa bisher irgend etwas an Fortschritten landwirth- 
schaftlicher Produktivität erreicht worden, wie in England durch 
die grosse Industrie. 

Desto größere Uebereinstimmung besteht über die Thatsache 
der Bevölkerungszunahme selber. Sowohl die Fürsprecher des 
Volkswohls als die Apostel der nationalen Größe sind darüber 
einig, daß in dieser Thatsache die Unterlage für einen mächtigen 
Fortschritt liegt. Niemand im heutigen England wird ernsthaft 
auf einen Theil jener Zunahme verzichten wollen. 

Ist dem aber so, dann bleibt — bis jene neue Produktivität 
der Landwirthschaft sich in der Wirklichkeit fruchtbar erweist — 
keine andere Quelle des Unterhalts für eine in solchem Grade 
wachsende Bevölkerung als Industrie und Handel. 

Die Aufgabe des Handels besteht in diesem Znstande darin, 
durch Verknüpfung Englands mit allen Theilen der Erde Absatz 
für die zunehmende Masse der industriellen. Erzeugnisse und im 
Aastausch für dieselben Zufuhr an landwirthschaftlichen Produkten 


1) Herne Eogluid by Robert Blatchford (1894) chap. 4. 


220 Gastav Gohn, 

herbeizuschaffen. Wenn es im Wesen der großen Industrie liegt, 
einen fortschreitenden Massenabsatz ihrer Fabrikate zu finden, 
und wenn eine starke Zunahme der Bevölkerung diesen Absatz 
zur Lebensbedingung Englands macht, so fällt dem Welthandel 
Englands die Aufgabe zu, diesen Absatz sicherzustellen. 

Im Dienste des Englischen Handels stehen heute mehr als 
dreizehn Millionen Tons Englischen Schiffsraums, d. h. mehr als die 
Hälfte der ganzen Handelsmarine der Erde^). Im Jahre 1863 
waren es nicht drei Millionen*). 

3. 

Die Entwicklung Englands im neunzehnten Jahrhundert stellt 
die typische Entwicklung einer heutigen Volkswirthschaft zum 
Industrie- und Handelsstaat dar. 

Erst durch die vorhin geschilderten Thatsachen wird das We- 
sen dieser Bezeichnung klar. Es beruht darin, daß eine große 
Nation, welche eine starke Zunahme ihrer Bevölkerung aufrecht 
erhalten will, genöthigt ist, den Unterhalt derselben in den Fort- 
schritten ihrer Industrie und ihres Welthandels zu suchen. Die 
Landwirthschaft eines solchen Volkes kann sehr wohl ihre alte 
Bedeutung behaupten, ja sie kann ihrerseits, und sie soll große 
Fortschritte machen; Unterhaltsmittel für eine jährlich um 1—2 
Procent wachsende Bevölkerung kann sie aber auf die Dauer nicht 
gewähren und tritt daher quantitativ hinter den anderen Gruppen 
der Produktion, die dieses zu leisten vermögen, in den E^ntergrund. 

Es giebt nun wohl keine große Nation auf dem Erdenrund, 
deren neueste Entwicklung die typischen Charakterzüge des Eng- 
lischen Beispiels so. deutlich angenommen hat, wie die Deutsche. 
Sie ist noch weit von der quantitativen Verschiebung der Produk- 
tionszweige entfernt, zu welcher das heutige England gelangt ist. 
Aber die entscheidenden Merkmale, Bevölkerungszunahme, Wachs- 
thum von Industrie und Handel, relatives Zurücktreten der land- 
wirthschaftlichen Produktion, treten auch hier immer deutlicher 
zu Tage. 

Im Osten und im Westen hat das Deutsche Reich große Nach- 
barstaaten, deren Volkswirthschaft sich zu diesem Problem anders 
verhält. Der östliche befindet sich noch auf derjenigen niedrigen 
Stufe der Cultur, auf welcher ein starkes Wachsthum der Bevöl- 


1) 18,859,026 Tons von 25,614,089 Tons überhaupt (Whitaker's Almaoack 
p. 714). 

2) Porter sect. m eh. IX : 1808—2,167,868, 1836—2,792,648 Tons. 


über das Wesen des Industriestaates. 221 

kernng durch die landwirtliscliaftliche Produktion unterhalten wer- 
den kann. Rußland gehört noch nicht zum alten Europa. Der 
Staat im Westen enthält sich der Bevölkerungszunahme und ist 
hierbei allmählig zu dem Punkte gelangt, daß seine Nationalöko- 
nomen die alten Hausmittel des siebzehnten Jahrhunderts wieder 
hervorsuchen , um durch Heiratsprämien und Kinderprämien dem 
Rückgänge der Bevölkerung zu wehren. So viel ist gewiß : diese 
Entwicklung der Bevölkerungszahl steht in grellem Widerspruch 
zu dem Selbstgefühl und der Ruhmbegier der Französischen Na- 
tion. Sie ist das Gegentheil jener expansiven Elraft, welche die 
Bevölkerungen Englands und Deutschlands entfalten. 

Als Preis dafür ist es Frankreich beschieden, ein überwiegend 
agrarisches Volk zu bleiben, das freilich selbst in seinem gesegne- 
ten Boden und Klima nicht die Quellen finden will, eine wachsende 
Bevölkerung zu ernähren. Nach der Volkszählung vom Jahre 1891 
gehörte nahezu die Hälfte der landwirthschaftlichen Bevölkerung 
an (47' 7«) gegen 25' ^o der Industrie und 14 ^/o dem Handel und 
Verkehrswesen. 

Im Deutschen Reiche dagegen (Berufszählung vom 14. Juni 
1895) gehören nur noch 36** % der Landwirthschaft an , 36** der 
Industrie, 10'* dem Handel ; während im Jahre 1882 noch 43"* Vo 
in der landwirthschaftlichen Produktion lebten, 33*® % in der In- 
dustrie, 8" '/o im Handel. 

Die Bevölkerung des Deutschen Reiches aber hat sich von 
24* Millionen im Jahre 1816 (auf dem Gebiete des jetzigen Reiches) 
auf 52* Millionen zu Ende 1895 vermehrt *). 

4. 

Diese statistische Betrachtung ergänzen wir durch eine 
historische. 

England hat seit dem Ausgange des Mittelalters, zumal aber 
seit den Zeiten der Königin Elisabeth und des Oliver Cromwell 
darauf hingearbeitet, die Stellung eines Handelsstaates zu erringen, 
welche es jetzt seit einem Jahrhundert innehat. Eine lange Reihe 
von gesetzlichen Maßregeln zusammen mit der Gunst natürlicher 


1) 


Frankreich 

1821: 

30,461,879 


1856: 

86,039,364 


1871: 

36,102,921 


1886: 

38,218,903 


1891 : 

38,095,150 


1896: 

38»228,969 


222 Gustav Gohn, über das Wesen des Indostriestaates. 

und politischer Bedingungen hat dazu geführt, dies Ziel zu er- 
reichen. 

Es ist eben darum ein Werk der Geschichte, nicht ein Ergeb- 
niß eigenartiger nationaler Umstände. "Was England erreicht hat, 
ist auch das Ziel der anderen großen Nationen Europas gewesen 
oder neuerdings geworden. Es ist die unter dem Namen des 
Handelssystems bekannte Politik, an welcher der alte Meister, 
der diesen Namen ihm beigelegt, nicht sowohl das Ziel als die 
Mittel getadelt hat. Adam Smith sah das Ziel in England 
nahezu erreicht und unterschätzte die Nothwendigkeit der An- 
strengungen, die dazu geführt hatten. 

Hatte diese Unterschätzung für England seit hundert Jahren 
nur noch einen historischen Werth, so war sie von großer prak- 
tischer Bedeutung für Deutschland. Hier war jene Politik, 
soweit davon überhaupt in der Deutschen Geschichte Ansätze 
möglich gewesen waren, gerade in den beiden Jahrhunderten, da 
sich England zum großen Handelsstaat entfaltete, als gemeinsame 
Reichspolitik unmöglich geworden. Zerstückte Anfange in den 
einzelnen Territorien des Staates, in Kursachsen, in Brandenburg- 
Preußen, waren das Einzige, was in der Verfassung des Reiches 
möglich war. Die internationale Handels- und Schiffahrtspolitik 
war losgelöst vom Ganzen des Reichskörpers, in den Händen einer 
souveränen Seestadt. 

Erst durch die Herstellung einer einheitlichen nationalen Ge- 
walt im neuen Reiche, mit ihren Vorbereitungen durch den deut- 
schen Zoll- und Handelsverein, ist es möglich geworden, an die 
Traditionen der Deutschen Vergangenheit wieder anzuknüpfen. 
Es ist Friedrich List, der in der Theorie, es ist die Wirth- 
schafts- und Handelspolitik des Deutschen Reiches, welche in der 
Praxis die Gedanken des Mercantilsystems wieder aufgenommen 
hat. Das jahrhundertelang Versäumte wird jetzt nachgeholt und 
zwar mit so großem Erfolge, daß die Handelseifersucht der Eng- 
länder gegen die Deutschen, von welcher die Welt drei Jahrhun- 
derte lang nichts gehört hatte, sich zum ersten Male wieder ver- 
nehmen läßt und das Deutsche Ohr an vergangene Zeiten nationa- 
ler Handelsgröße gemahnt. 

Was aber dieses erste Vierteljahrhundert des neuen Reiches 
zu Wege gebracht, kann nur ein Anfang, nur ein Vorbote größe- 
rer Schicksale sein. Deutschlands wirthschaftliche Blüte und po- 
litische Macht sind enge verbunden mit der Fortentwicklung auf 
dieser Bahn. Ein Stillstand scheint unmöglich, wenn man nicht 
rückwärts will. 


Papsturkunden in Reggio nell' Emilia. 

Von 

P. Kehr. 

Vorgelegt in der Sitzong vom 19. Juni 1897. 

Nach dem Abschloß der Arbeiten, von denen der letzte Bericht 
meldet, haben Herr Dr. M. Klinkenborg und Herr Dr. L. Schia- 
parelli sie zanächst in Modena und Nonantola fortgesetzt. Hier- 
über und über seine Arbeiten in Mantua, Verona, Brescia und 
Bergamo wird Dr. Klinkenborg seiner Zeit Bericht erstatten, 
unterdessen hat sich Dr. Schiaparelli nach Reggio gewandt und 
die dortigen Archive durchforscht. Ihm hat hierbei besonders 
Herr D. AngeloMercati, Professor am bischöflichen Seminar, 
zur Seite gestanden und ihm den Zutritt zu den verschiedenen 
Sammlungen vermittelt. Wir sind diesem Herrn wie dem Di- 
rector des Staatsarchivs Herrn Alberto Catelani, dem Ar- 
chivar des Kapitels Monsignor D. Francesco Gregori, dem 
bischöflichen Generalvicar Monsignor D. Luigi Campani, dem 
Archivar von S. Prospero Canonico Giudetti, dem Director 
der Comunalbibliothek Herrn Prof. Aw. G. Ferrari und der 
Frau Gräfin LeocadiaPalazzi zu herzlichem Danke verpflich- 
tet: sie haben die oft gerühmte italienische Gastfreundschaft von 
Neuem bewiesen. 

üeber Reggio hat Bethmann keinerlei Nachrichten gegeben; 
Weniges bieten Schum (N. Archiv I 145) und Breßlau (N. Archiv 
in 108). Reichhaltiger sind die Angaben Kaltenbrunners (Wiener 
SB. XCIV 639) und v. Pflugk - Harttungs (Iter S. 78 und S. 775). 
An sie kann sich dieser ergänzende Bericht in der Hauptsache 
anschließen. 


224 P- Kehr, 

Archivio di stato^). 

Das Staatsarchiv ist eine jnnge Schöpfnng; es besteht seit 
dem 1. Jnli 1892 und setzt sich zusammen ans dem alten, oft be- 
nutzten Archivio delle opere pie mit den Urkunden der 
aufgehobenen Klöster und Congregationen, besonders von S. Prospero 
beginnend mit 767, und aus dem Archivio comunale. Für 
uns kam nur das erstere in Betracht; die in ihm vorhandenen 
Papsturkunden haben Kaltenbmnner und v. Pflugk-Harttung ver- 
zeichnet. Doch haben sich außer diesen noch zwei Bullen ge- 
funden, ein Ineditum Paschalis 11. sine dat. für den Abt Pacificus 
von S. Prospero in einer Copie saec. XII*) und das Orig. von 
Cölestin IH. 1195 I 14 J-L. 17183. 

Archivio vescovile. 

Zu den von v. Pflugk-Harttung verzeichneten Urkunden ist 
nachzutragen Urban III. 1186 XII 2 in Copie saec. XVU, die nach 
eine Notariatscopie von 1424 (Filza 178: Monastero di S. Apol- 
lonio e S. Leonardo di Canossa) gemacht ist. Die Bulle ist ge- 
richtet an den Abt Hermann von Canossa; Herr Prof. Mercati 
wird sie demnächst veröffentlichen'). 

Archivio capitolare. 

Außer den von v. Pflugk-Harttung angeführten Urkunden 
fand sich noch das Orig. von Celestin IH. 1192 VIII 8 für das 
Kloster Marola (cd. Taccoli Mem. stör, die Reggio II 268) und 
in einer Copie saec. XVI Johann XIII. 967 IV 23 J-L. 3716 für 
Quedlinburg. 

Archivio dei capitoio di S. Prospero^). 

Dieses meines Wissens bisher von deutschen Gelehrten noch 
nicht besuchte, übrigens nicht unwichtige Archiv (seine Urkunden 
beginnen mit 1042) enthält 


1) Vgl. Herrn Catelanis Bericht (Relazione sulle pratiche fatte per ottenere 
la conversione dell' archivio provinciale in archivio di stato) in den Atti del con* 
siglio provinciale di Reggio nell*£inilia 1892—1893. 

2) De cura ecclesiarum. Die merkwürdige Urkunde wird Herr Prof. Mer- 
cati publizieren. 

S) Qaotiens a nobis petitur. 

4} Hier liegt auch eine Copie saec. XVH von St. 8895. 


Papstarkunden in Beggio nell'Emilia. 225 

Originale: 

Alexander m J-L. 11659 *). 

Ludos m. 1183 Vni 13 J-L. 14907. 
Cölestin lU. 1191 V 28 J-L. — «). 
Cölestin IH. 1191 VI 10 J-L. 16719. 

Copien : 

Cölestin UI. 1193 IV 23 J-L. — ») Copie saec. XHI. 

Außerdem Copien saec. XII — ^XVIII, meist mehrfach, von den 
vier oben angeführten Originalen. 

Archivio Venturi. 

Ueber den verstorbenen Herrn 6. B. Venturi, der man- 
cherlei Urkunden gesammelt hat, hat Holder -Egger (N. Archiv 
XVU 475) Mittheilung gemacht. Er citirt aus dieser Sammlung 
eine Bulle Gregors VII. *) und eine Urkunde Sicards von Cremona. 
Außerdem befinden sich in dieser Sammlung neben vielen Privat- 
urkunden meist für Campiola und für das Kloster Marola auch ein 
Diplom Friedrichs II. für Marola von 1239 August Cremona (Copie 
saec. XTTT) und eine Urkunde des Erzbischof Gerard von Kavenna 
von 1184 Vn 15. Diese Sammlung ist jetzt im Besitz der Tochter 
des verstorbenen Herrn Venturi, der Frau Gräfin Palazzi, die 
Herrn Schiaparelli gestattete, jene bisher nur im Auszug bekannte 
Urkunde Gregors VII. zu copieren. Ich lasse sie hier abdrucken 
und erörtere dann zugleich ihre diplomatische und historische Be- 
deutung. 


1) Die Urkunde bat durch Feuchtigkeit sehr gelitten; von der Datinmg ist 
nur noch zu erkennen Kai. 

2) Effectum iusta postulantibus. Wird ?on Herrn Prof. Mercati publiziert 
werden. 

8) Sicut bene meminimns. Auch diese Urkunde will Herr Prof. Mercati ver- 
öffentlichen. 

4) Zuerst gab von ihr Nachricht G. 6. Venturi selbst den Deputazioni di 
storia patria per le provincie Modenesi e Parmensi I 1883 November 26, vgl. Atti 
e nemorie delle R. deputazioni Serie III vol. III parte I p. XXII (Modena 1886). 
Danach auch bei Angelo Ferretti, Canossa, Studi e ricerche ed. 2 (1884) S. 99 
und bd Naborre Campanini, Guida di Canossa (1894) S. 186. (Mittheilung von 
Dr. Schiaparelli.) 




226 P. Kehr, 

Gregor VIL nimmt das Kloster .... unter dem Abt Benedid 
in seinen Schutg, bestätigt ihm gener aliter die Besitzungen und ver- 
leiht ihm das Wahlrecht und die Exemtion von der bischoflichen Gewalt, 

Bondeno 1077 FAruc»' IL 

Orig. Reggio netV Emilia Ärchivio Venturi-Palaezi. 

Die Urkunde ist auf starkem Pergament geschrieen ^ von 
dem leider das obere rechte Viertel fehlt (und damit auch der 
Name des Klosters , für das die Urkunde ausgestellt ist) ; auch 
sonst hat es sehr durch Feuchtigkeit gelitten. Seine Breite schwankt 
wünschen 0^465 m und 0,485 m, die Länge beträgt 0ß5 m. Sie 
entbehrt der Linien und der Plica ; die jetzt nicht mehr vorhan- 
dene BuUe war durch drei Locher im Pergament befestigt. 

Der Text ist in der Jüngern Curiäle geschrieben^ wie wir sie 
aus den Originalen Gregors VIL kennen , und ewar von dem- 
selben Schreiber, der als Ingrossator unter andern auch in J-L. 
5044 und 5160 begegnet. In der stattlichen Bota von 9,5 cm 
Durchmesser steht von derselben Band^ die die andern sichern 
Originale Gregors VIL signirte, die Devise des Papstes Mise- 
rationes — tu§ domine — super omnia — opera tua. Bene 
Vaiete und Komma weisen dieselben Formen auf, die e. B. auch 
in J-L. 4940 (1075 Mars 7) sich aeigen. Bcchts von der Bota, 
unter dem BV und dem Komma steht in Minuskel geschrieben 
die Datierung, Diese Hand ist mir bisJier nicM bekannt ge- 
worden. 

Der Verlust des obern rechten Viertels gestaltet leider nicht 
mit Sicherheit eu sagen, wer der Empfänger war; eine Ergänzung 
der Lücken ist überhaupt nur in den formelhaften Theilen der 
Urkunde möglich. Wir entnehmen sie der Urkunde Gregors VII. 
für das Kloster S. Maria de Buttrio (J-L. 5268). Dorsualan- 
gaben sollen nuch Schiaparelli nicJU vorhanden sein. Macht dies, 
wie gesagt , jede Hypothese über den Empfänger ungewiß , so soll 
doch erwähnt werden, daß Meyer von Knonau in den Jahrbü- 
chern des deutschen Reichs unter Heinrich IV. und V. Bd. II 
S. 911, der in den Nachträgen die Notie Holder-Eggers benutzt hat, 
an die Canusina ecclesia selber denkt, d. h. an das Kloster des 
h. ÄpoUonius, dessen Mönch Donizo war. 

Datiert ist die Urkunde durch den Cardinaipresbyter Com, 
den wir als stellvertretenden Datar bisher nur aus J-L. 5018 vom 
31. Januar 1077 und aus J-L. 504A vom 10. August 1077 (ßr 
S. Michele in Pisa; Orig. in Pisa) kannten. Jetgt hom t d «b 
dritter Beleg unsre Urkunde vom 11. Fdrwxr 1077 


Papstorkanden in Reggio nell' Emilia. 227 

Hine Vergleichufig der beiden van Cono datierten Originale 
van Beggio und Pisa ergibt ferner nichts wie man erwarten sollte^ 
Identität der Hand des Datars ^ sondern deren Verschiedenheit. 
Dieses ist eines der Beispiele^ welche beweisen^ daß tratst häufiger 
Datierung durch den Kanzleiclief selbst seine oder seines Ver- 
treters eigenhändige Betheiligung nicht mehr unbedingtes Erfor- 
dernis war, 

GREGORIVVS «^ seruus seruormn dei. Dilecto in [Christjo filio 

Benedic[to 

snis-{qne] successoribas ibidem 

regalariter promouendis in perpetuum. Licet offici nostri*> [sit, 

qoantiun per misericordiam dei possumns, omniiun ecclesiarum nti- 
lltaiibas pronidere earomqne stata] | apostolico^^ mnnimine confir- 
mando tarn exterios a perturbatione defendere quam interias tran- 
qiiillita[tis aestre et recti ordinis stabilitate falcire, precipne 
tarnen hüs nostre sollicitnjjdinis Stadium et apostolicae tnitionis 
presidia circumferre debemns, quae pia deuotione qnornm[ca]nqae 
[fidelimn in hnius sanctae et apostolicae sedis proprietatem col- 
latae ac traditae tanto familiarins amplectendae] | sont, qnanto 
inter membra oninersalis matris ecclesiae singolarins ac magis 

proprie pre ceteris [locum cohaerentiae sortiuntur^ 

prefatum monasterium, coi tn nostris in abba- 

tem consecratas] | manibns preesse dinosceris , postnlante qnidem 

id comitissa Matbildi in Christo nostra, sc[ 

] I animae suae et pa- 

rentnm Baomm beato Petro et eins apostolicae sedi in proprium 

ins obtolit tradid[it atqne perenniter concessit 

] I nnciam anri persolaendam Romae 

Romano pontifici ant eins certo legato infra octo di[es .... 

] I presenti 

auctoritatis nostrae decreto indulgemus conccdimns atqne firma- 
mns : Frimnm qnidem nt [in ea quae nunc est monastica profes- 
sione et conversatione sub tali stabilitate et firmamento] | deinceps 
permaneat, nt nuUi unquam potestati seculari uel ecclesiasticae 
id mntare ant prohib[ere liceat. Deinde statnentes nullum impe- 
ratorem nel regum ducum marchionnm comitimi antistitum] | nul- 
lom qoacnnque dignitate preditum uel quemquam aliimi andere de 


a) 80 Or. b) Seh. glaubte officio nostro zu erkennen, c) apostolica et 
Sdh. d) Nach J-L. 4899 geht die Arenga also weiter et post deam non alinnde 
niii ab apostolica sede solatium defensionis expectant. Aber dann bliebe für die 
PrümulgaHo Icein Baum. Oder fehlt eine Zeile? 



228 P. Kehr, 

his quae eidem uenerabili l[oco a qnibnslibet hominibns de proprio 
iure iam donata snnt uel in fntaram deo miserante] | collata fnerint, 
snb cniuslibet cansae occasionisne specie minuere ael aoferre et 
s[iye snis osibas applicare ael aliis qaasi piis de cansis pro saae 
avariciae excusacione] | concedere. Sed cuncta qnae ibi seu ab 
ipsis loci illias fundatoribus sea a qaibaslibet bomi[iiibas oblata 
sunt uel offerri contigerit, tarn a te quam ab eis qui in tuo officio 
locoque] | successerint perenni tempore illibata et sine inquietudine 
aliqua uolumus ac decernimus [possideri, fratrum quidem ibi deo 
famulantium pro eorum sustentatione ac gubernatione] | concessa') 
modisque omnibus profutura. Item constituimus ut obeunte abbate 
non alias ibi quacunque obrept[ionis astutia ordinetur, nisi quem 
fratres eiusdem coenobii communi consensu secundom timorem] | dei 
et regulam sancti Benedicti elegerint ordinandum quidem et con- 
secrandum ab episcopo, in cuius diocesi m[onasterium est sitnm 
• ••••••••••••••••■••••• •• 

]| De cetero nullam sibi amplius inmonasterio potesta- 

tem concedentes siue abbatem ad sinodum co[nuocandi seu monaste* 
rium uel inhabitantes fratres excomunicandi aut interdicendi], | ueru]^ 
si quid indignum et reprehensibile de eis certe cognouerit, benigne 
eos de sua emenda[tione commoneat. Quod si eum audire uolue- 
rint, causam ad audientiam sedis apostolicae referat.] | Consecra- 
tiones etiam ecclesiarum et ordinationes monachorum siue clerico* 
rum s^pe fato cenob[io pertinentium ab episcopis, in] quorum dio- 
cesi [sunt, accipiant, ita tamen si episcopi canonice ordinati] | fue- 
rint et ordinationem gratis facere uoluerint. Sin autem aliquid 
herum obstiterit aut [episco]pus pro culpa sua a Romano pontifice 
excommunicatus fuerit, abbas cum licentia et auctori- täte aposto- 
lica ad qualemcunque catholicimi episcopum ei placuerit tam pro 
sua quam fratrum et ecclesiarum a[d] se pertinentium consecra- 
tione licenter pergat, ita tamen ut consecrationcm ab eo non nisi { 
gratis accipiat. Denique inconcussa et semper inreuocabili con- 
firmatione statuimus, ut sepe fa[t]um monasterinm et abbates eins 
uel monachi ab omni secularis seruitü sint infestatione | securi 
omniqua grauamine mundan^ oppressionis remoti in sanctae reli- 
gionis ob8eruation[e] seduli atque quieti, nulli alii nisiRomanae et 
apostolicae sedi , cuius iuris est , aliqua teneantur occasione sub- 
iecfti], cui etiam per singulos annos, sicut supra scriptum est, Ro- 
manam unciam aori in pensione infra octo dies ante uel post ka- 
lendas maii ad presentiam Romani | pontificis ael eins certi legati 

e) a auf Ba8wr, die sich noch auf ewei weitere Buthstaben erstreckte; die 
Formel weicht hier von der üblichen Fassung abf vgl aber J-L, 6268, 


Papstarknnden in Reggio neir Emilia. 229 

Bome persolnere debeant aat nbi papa recipi iasserit. Haec igitor 
omnia qoae hnins nostri precepti decretiqne pagina continet , tarn 
tibi quam | cnnctis qai in eo quo es ordine locoqne saccesserint 
oel eis quonun interesse potnerit, imperpetamn seruanda decemi- 
mas. Si qnis nero regam imperatorum dncnm marchionnm co- 
mitam | sacerdotiim clericomm iadicom ac secolarinm personamm 
hanc constitntionis nostrae paginam agnoscens contra eam^^ teme- 
rario ansu uenire temptaaerit, potestatis honorisque soi digni-jtate 
careat remnqae se dioino iadicio [ejxistere de perpetrata iniquitate 
cognoscat et nisi nel^^ea quae ab illo sunt male ablata restituerit 
nel digna penitentia illicite acta de-|fieaerit, a sacratissimo corpore 
ac sangnine dei domini redemptoris nostri lesn Christi aliefnns] 
fiat atqne in etemo examine districte oltionis subiaceat. Conctis 
antem | eidem loco iasta sernantibas sit pax domini nostri lesu 
Christi, qaatenos et hie fractmn bone actionis percipiant et apad 
districtam indicem premia aetemae pacis inueniant. 

R. BV. .,. 

Datum [in Lan]gabardia in nilla Bnndena per manas Cononis car- 
dinalis presbyteri sanct^ Romano ecclesi^ tnm cancellarii officium 
agentis | [a]nno d[ominic§] incarnationis millesimo LXX.YI., pon- 
tificatus uero domni GREGOßH VH pap§ im, HI id. feb., 
indic. XV. 

B. dep. 

f) um 8ch. g) die Stelle ist sehr undeutlich; 8ch, glaubte zu sehen U[t 
aeri]iu. 


Ich habe nicht die Absicht, hier eine tiefer eindringende Un- 
tersuchung zur Geschichte Gregors YU. vorzulegen. Aber ich 
glaube mich nicht der Pflicht entziehen zu dürfen, die YerB£Pent- 
lichung dieser Urkunde mit einigen orientirenden Bemerkungen zu 
begleiten, indem ich auf ihre Bedeutung für die Geschichte des 
Jahres 1077 hinweise. Um gleich das Ergebnis vorwegzunehmen: 
sie gibt uns nicht nur an sich eine wichtige Aufklärung über die 
dunkle Geschichte der Zeit unmittelbar nach Canossa, sondern sie 
ergänzt auch diese so gewonnene Kenntnis nicht unerheblich, in- 
dem sie uns noch eine andere Urkunde richtig beurtheilen und 
yerwerthen lehrt. 

Wie man weiß, £Euiden die schicksalsschweren Ereignisse von 


230 P. Kehr, 

Canossa in den Tagen vom 25 — 28. Janaar 1077 statt ; an letzterm 
Tag kehrte König Heinrich IV. nach Reggio zurück ; am 17. Fe- 
bruar ist er dann in Piacenza nachweisbar, von wo er sich nach 
Verona begab. Was aber that Gregor? „Leider ist gerade aus 
dem nachfolgenden Monat, dem Februar, nur sehr wenig über die 
Thätigkeit des Papstes bekannt", klagt Meyer von Knonau (Jahr- 
bücher des deutschen Reichs unter Heinrich IV. und V. Bd. 11 
S. 773). In der That besaßen wir bisher aus dieser Zeit nur eine 
übrigens nur abschriftlich erhaltene Urkunde vom 31. Januar 1077 
(J-L. 5018, gedr. v. Pflugk-Harttung Acta Bd I 49 Nr. 51) mit 
der Datierung 

Datum in Longöbardia per manus Cononis cardinalis pres- 
biteri sanctae <sedis> Romanae ecclesiae et tunc cancellarii offi- 
cium supleiitis, anno dominicae incxirnationis]millesimo LXXVII^ 
pontificatus uero domni Gregorii Vllpapae quarto, pridie kaL fehrua- 
riif indictione XV. 

Die Angabe in Longöbardia ist wohl unvollständig; es fehlt 
der Ort, den der Kopist wohl aus Versehen oder vielleicht weil 
er den fremden Namen nicht lesen konnte, ausließ; doch kann 
keüi Zweifel sein, daß entweder an Canossa oder an eines der 
Castelle in der Nähe, etwa an Bianello, worüber nachher, gedacht 
werden muß. 

Es gibt dann noch eine Nachricht, die neuerdings fast allge- 
• mein als unglaubwürdig abgelehnt worden ist. Donizo, der Bio- 
graph der großen Grräfin Mathilde (11 v. 125 sq.), erzählt, daß der 
König am 6. Tag nach Canossa, d. i. am 3. Februar, noch einmal 
mit Gregor und Mathilde in Bianello zusammengetroffen und ihm 
einen Tag inMantua vorgeschlagen habe. Die Absicht des Königs 
sei gewesen, sich dabei des Papstes zu bemächtigen; aber Mathilde, 
die den bösen Plan rechtzeitig erfahren, habe den Anschlag im 
letzten Augenblicke verhindert. Bianello ist eines der Quattro ca- 
stelli am Fuße des Gebirges , etwa 12 Kilometer südwestlich von 
Reggio. Diese Erzählung hat Giesebrecht (Gesch. der Kaiserzeit 
Bd. ni S. 423. 1144) in seiner eklektischen Weise halb angenommen, 
halb verworfen; er läßt mit einigen Bedenken freilich wenigstens 
die äußern Angaben, die Thatsache einer Zusammenkunft in Bia- 
nello gelten. Dagegen meint nach dem Vorgange radicalerer Kri- 
tiker Meyer von Knonau Bd. U S. 766 Anm., daß es wohl am prak- 
tischsten sei, die Behauptung Donizos völlig zu verwerfen. „Denn 
es ist nicht einzusehen, wie Gregor VII. und Mathilde, welche die 
auch nach dem 28. Januar fortdauernde Unversöhnlichkeit , die 
haßerfüllte Gesinnung der Lombardisohen Biachöfe kennen muAten 


Papstorkanden in Reggio nell' Emilia. 231 

und bei der Nachbarschaft von Reggio die geradezu noch gestei- 
gerte zornige Stimmung der dort Versammelten wohl vernehmen 
konnten, es für gerathen gehalten hätten, schon sechs Tage nach- 
her den sichern Zufluchtsort zu verlassen, sich in die Nähe von 
Reggio zu begeben, wo allerdings Nachstellungen weit eher zu 
befürchten gewesen wären^. Auch die Jaff^'schen Regesten haben 
von der Erzählung des Mönches von Canossa keine Notiz genom- 
men. So viel ich sehe, ist unter den Neuern nur Holder -Egger 
(N. Archiv Bd. XIX 653 Anm. 3) mit Entschiedenheit für Donizo 
eingetreten. 

Unsre Urkunde ergibt nun, daß Gregor am 11. Februar in der 
villa Bundena sich aufgehalten hat, einem Ort, den Holder-Egger 
(N. Archiv XVU 475 Anm.) nicht mit Sicherheit deuten zu können 
bekannte; er erinnerte an ein Bondeno bei Ferrara und an einen 
Ort gleichen Namens bei Gonzaga. Aber es ist offenbar der letz- 
tere gemeint, in den Urkunden der Mathilde bald bloß Bondeno, 
bald Bondeno Arduini, bald Bondeno de Roncore genannt, von 
dem wir jetzt durch A. Overmanns Buch (Gräfin Mathilde von 
Tuscien 1895 passim) Genaueres wissen: hier ist auch die große 
Gräfin gestorben. 

Aus einem angeblichen Original im Kapitelarchiv zu Tortona 
hat jüngst v. Pflugk-Harttung Acta Bd. U 137 Nr. 170 eine Ur- 
kunde Gregors VII. für das Kloster S. Maria de Buttrio (J-L. 
6268) wiederholt, die er aber aus verschiedenen Gründen verworfen 
hat ; er bezeichnet sie sogar als „absolute Fälschung, für die keine 
oder nur eine ungenügende Vorlage Gregors VLL. zu Hülfe ge- 
nommen wurde*'. In der That weist die Urkunde manche Beson- 
derheiten auf. Die Arenga Licet a/ficii nostri war bisher nur noch 
in einer zweiten Urkunde Gregors J-L. 4899 (gedr. v. Pflugk- 
Harttung Acta Bd. n 124 Nr. 160) nachweisbar , übrigens mit 
erheblichen Varianten. Weiter erschienen dem Herausgeber die 
Bestimmungen des Textes unhaltbar; er glaubte darin innere 
Widersprüche und spätere Verhältnisse zu entdecken. „Anch die 
zweimalige Wiederholung der Abgabe nach Rom erweist sich [als] 
80 ungewöhnlich wie die Formel, in der sie gegeben*'. Vor allem 
aber sind die Datumangaben völlig in Unordnung. Die Formel 
lautet nämlich : Datum in Castro BibianeUo per inanutn Pari sande 
Romane ecclesie cancellarii^ VI IL idus februariiy indiäiane II J, in- 
camaiionis dominice anno mälesimo octogesimo quarto^ pontifioatus 
anUem domni Oregorii VII pape XIIIL 

In der That unmögliche Angaben. In Bianello (denn dies ist 
BibianeUom) ist Gregor VIL überhaupt nur in der ersten Hälfte 


232 P. Kehr, 

des Jahres 1077 gewesen ; in diesem Jahre aber läuft die Indictio 
XV und das Pontificatsjahr IV; während 1084 Indictio VII und 
Pontificatsjahr XI — XTT entsprechen. 

Trotz dieser schweren Grebrechen, zu denen noch die bedenk- 
lichen, auf Benutzung jüngerer Papstprivilegien weisenden äußern 
Merkmale der die originalen Merkmale wiedergebenden oder wie- 
dergeben wollenden Kopie hinzukommen, ist v. Pflugk-Harttungs 
kritisches Verdict unberechtigt. Sein Irrtum ist ein neues Beispiel 
voreiliger Verwerfung auf anomale innere Merkmale hin. Unsre 
Urkunde von Reggio rettet sie. Denn diese stimmt fast wörtlich 
mit jener angeblichen Fälschung überein; dieselbe Arenga, fast 
die gleichen Bestimmungen über das Verhältnis des Klosters zu 
Rom und zum Diözesanbischof, selbst die zweimalige Wiederholung 
der Abgabe an Rom kehren in dem Privileg von Reggio wieder. 
An eine Fälschung, wenigstens an eine „absolute Fälschung*' des 
Privilegs von Tortona ist unter solchen Umständen natürlich nicht 
mehr zu denken; der größte Theil desselben wird vielmehr durch 
die Uebereinstimmung mit der Urkunde von Reggio verbürgt und 
gesichert. Diese Uebereinstimmung ist so groß, daß mit dem 
Tortoneser Privileg die Lücken des Reginer ergänzt und die 
schlechten Stellen der Urkunde von Tortona mit unserm Privileg 
verbessert werden können. Sie geht so weit, daß kaimi ein Zweifel 
darüber sein kann, daß beide Urkunden ziemlich gleichzeitig aus- 
gestellt sein müssen. Dann aber erscheint auch die Datierung 
in einem andern Licht. Sie ist wie gesagt vöUig zerrüttet; die 
Jahresmerkmale sind sämtlich falsch'), die Stellung der Elemente 
irregulär, auch der Titel des Datars bedenklich; immer aber sind 
einige echte Elemente in ihr noch deutlich: nichts ist gegen die 
Tages- und Ortsangabe VJJL idus februarii in Castro Bünanello 
einzuwenden, vorausgesetzt, daß man sie auf das Jahr 1077 
bezieht. 

Wir haben so für das Itinerar Gregors VIL im Februar 1077 
zwei neue Stationen gewonnen: Bianello Februar 6 und Bondeno 
Februar 11. Und verfolgt man diesen Weg auf der Karte, so 
ist eine Bewegung Grregors in die Lombardei und zwar in der 
Richtung auf Mantua evident. Schon einen Tag später konnte 


1) Man könnte an eine Vertauschong des Pontificatsjahrs mit der Indiction 
denken (also a. III und ind. XIUI), aber dies würde anf 1076 führen. Ich bin 
noch nicht im Stande, alle diese Zweifel sn lösen, wie dies erst möglich sein 
wird , wenn alle Urkunden Gregors YIL gesammelt und kritisch gesichtet vor- 
liegen werden. 


Papstarknnden in Reggio nell' Emilia. 233 

der Papst in Mantua sein. Nicht mehr also wird man sagen 
dürfen, daß Gregor sich in jenen kritischen Tagen nicht anter 
„die lombardischen Stiere '^ gewagt habe. Und da Niemand glaaben 
wird, daß er einen Vergnügangsritt nach dem Po gemacht habe, 
so wird Donizos Bericht, soweit es sich nm die äußern Ereignisse 
handelt, hinfort nicht mehr verworfen werden dürfen: weder an 
der Zosammenkanft in Bianello am 3. Februar, noch an dem zu 
Mitte des Monats geplanten, aber zuletzt noch vereitelten Tag in 
Mantua wird ein Zweifel mehr erlaubt sein. 


Igt O«. 4. WiM. HukrUktoB. PhilolOf.-kifltor. KlaM I8t7. HfL 8. 16 


Papsturkunden in Nonantola, Modena und Verona. 

Ein Beisebericht 
Yon 

M. Kllnkenborg. 

Vorgelegt von P. Kehr in der Sitzung Tom 81. Joli 1897. 

Indem ich meine Berichte über die Archive von Nonantola, 
Modena und Verona vorlege , muß auch ich wie mein Vorgänger 
der unermüdlichen liebenswürdigen Hülfe unserer italienischen 
Freunde gedenken. Vor allem schulde ich Herrn Dr. Schiapa- 
relli großen Dank, der mit mir die Archive von Nonantola und 
Modena bearbeitet hat. In Nonantola fanden wir bei dem Vicario 
generale und dem Ingenieur Reggiani das größte Entgegenkommen. 
Ohne die energische Unterstützung der Beamten des Staatsarchivs 
in Modena wäre es mir kaum möglich gewesen, die Nachrichten 
Kaltenbrunners und v. Pflugk-Harttungs erheblich zu vermehren. 
Der liebenswürdige Canonico A. Dondi, Vicario generale des Erz- 
bischofs, war jederzeit bereit, die uns passenden Arbeitsstunden 
im Archivio capitolare und vescovUe uns zu gewähren. Daß die 
Aufnahme in Verona im Comunalarchiv und im Capitelarchiv 
freundlich war, daran konnte nach den Traditionen dieser Archive 
kein Zweifel sein. Der Vicebibliotecario della Capitolare D. An- 
tonio Spagnolo gestattete mir, weit über die festgesetzte Zeit hier 
zu arbeiten, und dem liebenswürdigen Archivar des Comunal- 
archivs Gaietano Da Rh verdanke ich weitgehendste Berücksichti- 
gung meiner Wünsche. 

J. yönantola. 
Archivio abbaziale. 

Das Archiv der alten Abtei Nonantola befindet sich heute 
noch in dem Kloster, in dem jetzt ein Priesterseminar eingerichtet 


Papstnrkunden in Nonaniola, Modena nnd Verona. 236 

ist Schon im Jahre 1279 wurde über seinen Bestand ein mit 
großer Sorgfalt ausgeführtes Verzeichnis^) angefertigt, das leider 
nicht vollständig überliefert ist. Gerade der TeU, der die Papst- 
urkunden enthielt, ist verloren. Dagegen führt ein jüngeres 
Repertorium ^) aus dem Jahre 1632, das sich nicht immer durch 
Genauigkeit und Zuverlässigkeit auszeichnet, außer den bekannten 
Fapsturkunden ein Privileg Hadrians UI. an, dessen Existenz sonst 
nirgends nachweisbar ist. Den Reichtum des Archivs an Urkunden 
bezeugen die erhaltenen Inventare, die von Tiraboschi Storia di 
Konantola U S. XI und von v. Pflugk - Harttung Iter S. 63 ver- 
öfiPentlicht sind, jedoch haben sie ihrer summarischen Uebersicht 
wegen keinen weiteren Wert. 

Außer in Nonantola befinden sich Urkunden des Klosters, 
meist Abschriften im Archivio di stato zu Modena und im Archivio 
comunale zu Verona, Provenienz S. Silvestro. Ob im Archivio 
di stato zu Mailand unter den dort befindlichen Nonantolaner Ur- 
kunden') Papstprivilegien vorhanden sind, vermag ich zur Zeit 
nicht anzugeben. 

Von den Papsturkunden, die heute zu Nonantola aufbewahrt 
werden, hat v. Pflugk-Harttung Iter S. 63 die Originale sämtlich 
verzeichnet, dagegen ist sein Bericht hinsichtlich der Copien und 
Copialbücher Berichtigungen und Ergänzungen bedürftig, die ich 
im Folgenden darbiete. 

Zu den Einzelcopien, v. Pflugk-Harttung Iter S. 63, sind 
hinzuzufügen : 

Hadrianl. 776 I. 13. J-E. f 2421«*). Trans, von Innocenz UI. 

V. 1213. VI. 13*). 

Marin I. 883 — J-L. f 3390. Trans, von Innocenz DX v. 1213. 

VI. 13*). 

Stephan V. 886 HI, 10. J-L. f 3421. Cop. s. XI: nur Datie- 
rung s. unten. 

Johann DL (899) I. 13. J-L. f 3524 Trans, v. Innocenz HI. v. 
1213. VI, 13*). 

1) Gedr. Mnratori Ant V 331. Tiraboschi Nonantola II 8. 1 Nr. 1. 

2) Qedr. Mnratori Ant. V 667. 

3) T. Pflogk-Harttnng Iter S. 66. 

4) Die Abschriften von J-E. f 2421 am besten bei ▼. Pflagk-Harttong Acta 
II 8. 22 Nr. 50 Note. Die Urkunde besteht im Grande aas zwei lose mit ein- 
ander verbnndenen Urkunden, die handschriftlich sowohl einzeln (dann von mir 
J-E. t 34211 od. J-E. t 242in bezeichnet) als auch zusammen (J-E. t 2421) 
flberlieferi sind : Tgl. dazu die Bemerkungen unten. 

5) Vgl. Pottb. I Nr. 4756. Die Urkunde ist im Original, wenn auch in 
•cblechier Verfossung, im Archiv zu Nonantola erhalten, ausserdem Tersohiedene 

16* 


236 ^- Klinkenborg, 

Calixt n.^) 1124 IV. 13. J-L. 71B1. Cop. v. 1369. VII. 31. 
Notariatsinstr. *). 

Innocenz II. 1139 IV. 17. J-L. 8002. Cop. s. XHI. Notariats- 
instr. *). 

Alexander HI. 1170 IV. 26. J-L. 11778*). Cop. s. XHI. No- 
tariatsinstr. •). 

Alexander UI. (1159—1179) XL 26. J-L. 13141. Cop. s. XHI. 
Notariatsinstr. % 

Za dem Copienbündel, v. Pflugk-Harttong Iter S. 64, sind 
nachzutragen : 

Johann VHI. 877 (IV. 17). J-E. 3093. Cop. s. XVn. 
Johann Vm. 877 (IV. — ). J-E. 3094. Cop. s. XVn. 
Paschal n. 1113 VI. 11. J-L. 6354. Cop. s. XVÜ. 
Alexander IH. 1170 IV. 26. J-L. 11776. Cop. s. XVH (2** Ab- 
schrift). 

Copialbucher. 

1) Jura diversa abbatiae Nonantolanae oder Codice Romano- 
Nonantolano, eine Papierhandschrift s. XVI. Sie wurde in Rom 
im vorigen Jahrhundert von Giancarlo Ansaloni^ dessen Bruder 
damals Vicario generale von Nonantola war, aufgefunden und nach 
Nonantola gebracht. Von Tiraboschi wurde sie deswegen als 
Codice Romano-Nonantolano bezeichnet und seitdem unter diesem 
Titel citiert. Papsturkunden bei v. Pflugk-Harttung Iter S. 64*). 

Abschriften. Ffir Marin I. J-L. t 3390 und Johann IX. J-L. t 3524 ist sie die 
einzige handschriftliche Grandlage. 

1) T. Pflagk-Harttung führt vorher eine Urkunde Johanns X. gedr. Tiraboschi 
Nonantola II S. 93 Nr. 71 an; sie ist eine Urkunde des Ersbischofs Johann ▼. 
RaTenna, nicht eine p&pstliche. ▼. Pflugk-Harttong schreibt sie Iter S. 54 und 63 
Johann X., Iter S. 54 und 108 Nr. 62 Johann VIII. zu. Als eine Urkunde dieses 
Papstes hat sie Ewald in die Regesten Jaffas unter Nr. 3364 aufgenommen: die 
Nr. ist natürlich in streichen. 

2) Bessere Gopie von 1292 VIL 26 im Archivio comunale sa Verona. 
(S. Silvestro.) 

3) Auf einem Blatt J-L. 8002, 11412 und 11778. 

4) Auch Ton ▼. Pflugk-Harttung Iter S. 271 verzeichnet, der diese ^stark be- 
schädigte" Copie mit wenig Erfolg zu lesen versuchte. Incipit nach ihm Dilectissi- 
mum abbatem, in Wirklichkeit Dilecti filii uostri abbas . . . Auch Regest falsch, 
das Loewenfeld übernommen hat: Alexander fordert den Bischof von Modena 
auf, ihm die mit einer Bulle versehene Papsturknnde zu übersenden, durch die 
ihm nach seiner Behauptung das Kloster Nonantola unterworfen sei. Interessante 
Datierung: Dat. Verul. VI. kal. Madii per manum Qratiani [notar]ii. 

5) Auf einem Blatt mit einer Urkunde (ungedr.) Innocenz IV. f. Nonantola 
▼. 1251. Xü. 20. 

6) Dazu folgende Bemerkungen. Der An&ng ist bei t. Pflugk-Harttong 


PapBtarkanden in Nonantola, Modeoa und Verona. 237 

2) Copiae aliqnornm privilegiornm pertinentiam ad monaste- 
riam Nonantalanmn. Papierheft 8. XVII fol. 1 — 24. 

f. 18'. Hadrian I. 776 I. 13. J-E. f 2421^ 
f. 20. Johann IX. — J-L. f 3525. 

3) Copienheft s. XVII, ohne Titel nnd Paginienmg. 

Innocenz H. 1132 X. 12. J-L. 7599. 
Hadrian IV. 1156 XH. 10. J-L. 10222. 
Coelestin III. 1191 VH. 8. J-L. 16717, 
Alexander U. 1067 Vn. 9. J-L. 4634. 
Alexander IH. (1173-1176) V. 23. J-L. 12646. 
Alexander IH. (1170) IV. 26. J-L. 11777. 

4) Giov. Antonio di Vass^-Pietramellara : Lettere ed Memorie 

8. xvn. 

f. 92. Coelestin m. 1196 XI. 14. J-L. 17443. 

6) Copienheft s. XVll. Anfang fehlt, enthält einen Teil von 
Coelestin III. 1191 VH. 8. J-L. 16717. 

6) Acta sancti Silvestri. Dieser für die Geschichte Nonan- 
tolas wichtige Codex ist neuerdings Gegenstand einer ausführlichen 
Untersuchung geworden: P. Bortolotti Antica vita die s. An- 
selmo abbate di Nonantola, Modena 1892, hat im ersten Kapitel 
eine Geschichte und genaue Inhaltsübersicht der Acta gegeben. 
Außerdem kann ich für die hierin befindlichen Briefe Hadrians I. 
auf Sickel Die vita Hadriani Nonantulana und die Diurnushand- 
schrift V im Neuen Archiv XVHI S. 109 ff. verweisen. 


Die Durchforschung des Nonantulaner Archivs hat für die 
Beurteilung der älteren Nonantulaner Papsturkunden durch die 
neuaufgefnndene Datierung Stephans V. J-L. f 3421, die ich weiter 
unten mitteile, ein wichtiges Ergebnis gehabt. Durch sie wird 
die bisherige Ansicht, die fast von allen Forschern^), von Tira- 
boschi in seiner Geschichte Nonantolas, von JaffS in seinen Re- 
gesten, von V. Fflugk-Harttung in seinem Aufsatz über gefälschte 
Bullen in Monte Cassino, La Cava und Nonantola (N. Archiv IX 
476 ff.) und in seinen Acta, endlich von Ewald und Loewenfeld in 


in Unordnung: f. 7. Leo IX. J-L. 4168. f. 9. Paschal II. J-L. 6584. L 11. In- 
nocens II. J-L. 7599. Es fehlen bei ihm: f. 64. Coelesiin IIL J-L. 16717. f. 71. 
Jobann IX. J-L. t 3525. f. 82. Alexander IIL J-L. 13138. f. 88. Alezander IIL 
J-L. 11779. 

1) Bortolotti a. a. 0. S. 33 ff. bat die Echtheit Ton Jobann IX. J-L. t 3525 
in Terteidigen getncbt, doob iit diese ürkande wobl sicher eine Fftlscbung 
s. nntes. 


238 M. Klinkenborg, 

der zweiten Auflage der JaffÄschen Regesten vertreten wurde, und 
nach der die älteren Papstprivilegien Fälschungen seien, wesent- 
lich eingeschränkt. Gerade diese Datiemng, deren Formel in 
bester Ordnung ist, deren Schreiber und Datar auch sonst nach- 
weisbar sind, beglaubigt aufs nachdrücklichste die Echtheit dieser 
Urkunde und übt damit eine Rückwirkung auf die Kritik der 
anderen Papstprivilegien aus. 

Gewiß nicht auf alle und eine reinliche Scheidung ist gerade 
hier sehr notwendig, um wenigstens das Gute zu retten. Schon 
früh hat man erkannt, daß aus dem Verzeichnis der älteren Papst- 
privilegien die Stephans HE. für Nonantola J-E. f 2309 und J-E. 
f 2310 überhaupt zu streichen sind. Sie verdanken ihre Existenz 
der gelehrten Combination Ughellis, wie Waitz*), v. Pflugk-Hart- 
tung*) und Bortolotti') nachgewiesen haben. Ebensowenig kann 
es sich darum handeln, etwa für eine so plumpe Fälschung, wie 
sie in J-E. f 2421^ vorliegt, einzutreten. Aber anders liegt es 
doch mit den eigentlichen Privilegien des Klosters; sie bilden 
durch ihren gemeinsamen Inhalt und durch den gleichen Wortlaut 
ihres Textes für sich eine Gruppe, über die, wie die Datierung 
zu J-L. t 3421 zeigt, doch keineswegs das letzte Wort gesprochen 
ist. Ihr gehören folgende Privilegien an: Hadrian I. J-E. f 2421°, 
Marin I. J-L. f 3390 , Stephan V. J-L. f 3421 , Johann IX. J-L. 
t 3524, Johann IX. J-L. f 3525. 

Sie haben alle, wie erwähnt, den gleichen Wortlaut, aber 
dabei sind doch gewisse Unterschiede vorhanden, die diese Privi- 
legien unter einander verbinden und trennen. Eng zusammen 
hängen unter sich Hadrian L J-E. f 2421ii, Johann IX. J-L. f 3524 
und J-L. t 3525, während Marin I. J-L. f 3390 und Stephan V. 
J-L. t 3421 je für sich stehen. Bei dieser Einteilung ist aller- 
dings darauf hinzuweisen, daß die Zufügung von Johann IX. J-L, 
t 3525 zu Hadrian I. J-E. f 2421« und Johann IX. J-L. f 3524 
von der Ergänzung dieser Urkunde, deren oberer Teil nur erhalten 
ist, abhängt. Aber ich glaube, es kann kein Zweifel sein, daß wir 
J-L. t 3524 hierfür ohne weiteres heranziehen, denn beide stimmen 
in den erhaltenen Teilen vollständig überein, ja diese Ueberein- 
stimmung ist so groß, daß sie sogar gemeinsame Fehler (wie patre 
für parte) aufweisen. 

Beide Privilegien Johanns IX. gehen, so wie sie uns vorliegen, 


1) Scriptoret rer. Langob. 566 Anm. 1. 

2) N. Arohiv IX 490. 

3) a. ». 0. S. 28 f. a. 8. 126 ADm. 2. 


Papatarkonden in Nonantola, Modena und Verona. 239 

auf das Hadrians I. zurück ; gleichgültig ist es dabei , ob etwa 
J-L. t 3624 zuerst ans J-E. f 2421^ entnommen ist und das Vor- 
bild für J-L. t 3526 abgegeben hat, oder ob der umgekehrte Fall 
anzunehmen ist. Grobe Unregelmäßigkeiten beweisen das Ver- 
hältnis: für J-E. f 2421 ist die indictio XIV im Context richtig, 
in J-L. f 3624 und J-L. f 3525 wird sie, obgleich hier an unrechter 
Stelle, einfach übernommen; femer ist das ganze Eschatocoll von 
J-E. t 2421" auf J-L. f 3524 und somit auch auf J-L. f 3525 
übertragen. 

J-E. t 2421. J-L. t 3524. 

Scriptum per manus Sergii Scriptum per manum Sergii 

scrininarii Romane aeccl[esiae sanctae Romanae ecclesiae scri- 
indictione] XIIII. niarii in mense lannarii indic- 

tione suprascripta. 
Data idus lanuarias per ma- Ego Sergius Idus lanuarias 

num Anastasii primicerii defen- per manum Anastasii primicerii 
sorum^) sancte sedis apostolice defensoris sanctae sedis aposto- 
anno deo propicio pontificatus licae anno deo propitio pontifi- 
donmi Adriani summi pontiiicis catus domini lohannis summi pon- 
et universalis pape in sacratis- tüicis et universalis noni Fapae 
sima sede beati Petri apostoli V. in sacratissima sede beati Petri 

apostoli n indictione 11. 

So grobe Unregelmäßigkeiten schließen natürlich aus, daß 
etwa J-L. 1 3524 oder J-L. f 3525 auf Grundlage von J-E. f 2421° 
in der päpstlichen Kanzlei entstanden ist; sie lassen nur die ein- 
zige Möglichkeit offen, daß beide Privilegien auf Grrundlage von 
J-£. f 2421° im Kloster gefälscht sind, daß ihnen keine echte 
Urkunde von Johann IX. vorgelegen hat. 

Die Echtheit kann jetzt nur mehr für J-E. f 2421°, sowie 
für J-L. t 3390 und J-L. f 3421 erörtert werden. Schon v. Pflugk- 
Harttung*) hat darauf hingewiesen, daß J-E. f 2421" durch einen 
auch sonst nachweisbaren Datar beglaubigt wird; für die Echt- 
heit von J-L. t 3421 spricht die aufgefundene Datierung^ die, wie 
oben erwähnt, in bester Ordnung ist. Sachliche Gründe, die eine 
Fälschung dieser drei Urkunden wahrscheinlich machen, sind nicht 
vorhanden. Die Frage, ob der Stil der Urkunden der päpstlichen 
Kanzlei dieser Zeit conform ist, mag bis zu einer kritischen 
Sichtung der gesamten Privilegien auf sich beruhen, verschweigen 
will ich jedoch nicht, daß er in der Zeit eines Alexanders IL als 


1) Primi epi deoessoram : die bandscbrifllicbe Ueberliefening. 

2) Acta n S. 24. 


240 M. Klinkenborg, 

darchaus kanzleimäßig gilt, wie eben dessen Privileg für Nonan- 
tola J-L. 4634 zeigt. Dagegen möchte ich auf den Inhalt der 
Urkunden mit einigen Worten hinweisen, da man ihn dazu ver- 
wandt hat, um die Fälschnng zu beweisen. 

In allen drei Privilegien wird dem Kloster freie Abtswahl, 
eigene lurisdictio und Exemtio von der bischöflichen Gewalt ver- 
liehen; so große Vorrechte, hat man gemeint, habe Nonantola in 
dieser Zeit noch nicht besessen. Aber ein günstiges Geschick ge- 
stattet es, gerade nach dieser Hinsicht die Stellang Nonantolas 
sicher zu beurteilen. Aus dem Registerfragment Johanns Vlü. 
erfahren wir von einem Streit zwischen dem Kloster Nonantola 
und dem Bischof Adelard von Verona, der sich nach der Ansicht 
des Papstes das Kloster widerrechtlich aneignen wollte, jenes, wie 
Johann VIII. sagt, venerabile monasterium Nonantulae situm, quod 
pro dei tantique loci reverentia, nullus unquam episcoporum vel 
iudicum in beneficium quaesivit, tilnorem divinum parvipendendo, 
contra sacras praedecessorum nostrorum nostrique privilegii insti- 
tutiones, quibus de propria semper congregatione abbatem fieri 
iubetur, Adelardum callide petiisse reperissemus oder an anderer 
Stelle: coenobium Nonantulae, quod semper apostolicae sedis et 
nostrae ipsius auctoritatis privilegio munitum nuUias invasionis 
usurpatione detinebatur, sed soHus hucusque abbatis e gremio 
fratrnm electi atque praelati moderamine regebatur^). 

In diesen Worten werden alle die Rechte erwähnt, die dem 
Kloster eben durch die Privilegien verliehen sind, und auf diese 
Privilegien wird ausdrücklich hingewiesen; ihres Inhaltes wegen 
dürften letztere kaum anzuzweifeln sein, und neue gewichtige 
Gründe müssen geltend gemacht werden, um die alte Ansicht von 
einer Fälschung dieser Privilegien aufrecht zu erhalten. 

Nur drei echte Papstprivilegien für Nonantola sind uns aus 
der älteren Zeit erhalten, ebensoviel oder noch mehr sind verloren. 
In den oben angeführten Worten Johanns VIII. wird von Privi- 
legien seiner Vorgänger gesprochen: nur von einem, Hadrian L, 
ist ein solches erhalten; wir vermögen nicht zu sagen, wer 
sonst noch von den Vorgängern Johanns VUI. ein Privileg dem 
Kloster erteilt hat. Auch das Privileg Johanns VUI. selbst, das 
er erwähnt, ist verloren, doch muß es zwischen 872 — 877 (vor den 
Briefen) verliehen sein, und seine Existenz kann trotz v. Pflugk- 
Harttung (N. Archiv IX, 491 f.) nicht bezweifelt werden. Endlich 
dürfen wir hierzu auch eine verlorene Urkunde des Papstes For- 


1) J-L. 3098, 3094, 3098. 


j 


Papstarknoden in Nonaniola, Modena und Verona. 241 

mosns zählen, von der wir nur eine Notiz in der Urkunde Kaiser 
Ladwigs von 901 haben ^). Ob Johann IX. dem Kloster ein Pri- 
vileg verliehen hat, ist zweifelhaft. Ans den Fälschnngen, die auf 
seinen Namen gemacht sind, geht es keineswegs hervor; eine 
sichere Erwähnung eines solchen ist sonst nirgends nachweisbar. 

Zum Schiasse sei hier noch auf eine Urkunde Hadrians TU. 
hingewiesen, deren Text ebenfalls nicht erhalten ist, die aber dem 
Verfasser des Abtcataloges von 1632 noch vorgelegen hat. Extat 
etiam Hadriani III. papae bulla super duodenario numero canoni- 
corum in ecdesia sancti Michaelis Nonantulae in plebem erecta^. 
Trotz der nicht gerade großen Zuverlässigkeit*) dieses Abt- 
catalogs und trotz der Urkunde Sergius' IV. J-L. 3971 nehme ich 
an, daß diese Urkunde Hadrians in. in der That vorhanden ge- 
wesen ist. Zur Bestätigung hierfür dient vor allem die Notiz in 
dem älteren Nonantulaner Abtcatolog^), daß eben der Abt, der 
zur Zeit Hadrians in. regierte, die Kirche sancti Michaelis erbaut 
hat, und daß Hadrian III. selbst auf einer Reise ins fränkische 
Reich nach Nonantola kam und dort starb ^). 

Endlich die Datierung der Urkunde Stephans V. J-L. f 3421, 
zu deren Ueberlieferung ich Folgendes bemerke. Sie steht auf 
einem Pergamentblatt, auf dem dann die Urkunde Karlmanns für 
Nonantola von 877 XL 12 folgt«). 

Es kann wegen der Identität der Schrift und des Pergaments 
kein Zweifel sein, daß von diesem Pergamentstück der Pergament- 
streifen abgeschnitten ist, auf dem der obere Teil der Urkunde 
Stephans V. J-L. f 3421 geschrieben war. 

Scriptum per manum Leonis ^ scriniarii sanct§ sedis apostolice 
in mense Mar(tio) indictione quarta. 

t BENEVALETE f 

Data VI. idus Martias per manum Stephanie secundicerii 
sanctae sedis apostolic[ae] imperante domino piissimo perpetuo 


1) Gedr. Tiraboachi Nonantola II S. 84 Nr. 62: Privilegium domni Adriaoi, 
Marini, Stephani, Formosi atqae Jobannii (VIII. od. IX.?) pontificam« 
8) Moratori Ant. V 673. 
3) 8ickel Acta Karolinorom U S. 249. 
4} Script rer. Lang^b. S. 572. 

5) Vgl. J-L. I S. 427. 

6) BObmer-Mahlbacher Regesten der Karolinger Nr. 1485 aas Maratori V 
672: Notiz dee Abtcatalogs von 1632. Die ürknnde wird hier als verloren be* 
leiebDei, doch ist die Copie in Nonantola vollstAndig. 

7) Leo loriniariae vgl. J-L. 3401 und 3402. 

8) Stephanof seonndicerini J-L. 8466 und 8467. . 



242 M. Klinkenborg, 

angasto Karolo a deo coronato magno imperatore anno sexto et 
postconsolatns eins anno sexto, indictione IV. 


H. Modena. 
Archivio di 8tato. 

Die Fapstnrknnden des Archivio di stato wnrden znerst von 
Kaltenbrnnner Wiener SB. 94 S. 636 nnd dann angleich ge- 
nauer von V. Pflugk - Harttung Iter S. 53 verzeichnet. Beide Be- 
richte sind anvollständig; ich werde im Folgenden Ergänzangen 
za ihnen bieten and bemerke, daß ich mich an die weder von 
Kaltenbrnnner noch von v. Pflugk - Harttang beachteten Archiv- 
provenienzen halte. 

Archivio ducale segreto. 

1. Bolle. 
Originale: 

Lucius n. 1144 V. 10. J-L. 8597. 
Clemens m. 1189 IV. 20. J-L. 16404. 
Copien : 

Alexander DDE. 1169 IV. 17. J-L. 11614. Cop. s. XVH. 
Gregor Vm. 1187 XI. 11. J-L. 16048. Cop. s. XVH. 

2. Pomposa. 

Schon zur Zeit Muratoris befanden sich die v. Pflugk-Hart- 
tung Iter S. 54 vollständig verzeichneten Originale und Copien 
der Urkunden des Klosters S. Maria in Pomposa im Archivio 
Estense. Es sind zerstreute Reste, während das Archiv des 
Slosters selbst in der Kirche S. Benedict zu Ferrara war ^). Auf 
Befehl Napoleons wurde es dann später nach Mailand gebracht 
und ist seitdem verschwunden >). 

Eine ganze Reihe von Papsturkunden ist verloren; ich habe 
in einem Codex s. XV 111 der Biblioteca Quiriniana zu Brescia 
(A. rV. 18) Auszüge aus Papstprivilegien für Pomposa gefunden, 
die ich im Anhang zu dem Berichte über Brescia mitteilen werde. 

Camera. 
Copiarium B. Pergamentband s. XIV enthält Hadrian I. 780 III. 9. 
J-E. t 2430. 


1) Frini Quida del Forestiere per Ferrara (Ferrara 1787) 8. 58. Vgl. 
Bethmann, Peris' Archiv XQ, 586. 

2\ FrizBi Memorie Btonohe di Ferrara (ed. II. Ferrara 1848) Bd. ü 8. 97. 


Papstnrkanden in Nonantola» Modena and Verona. 243^ 

Docnmenti di stati esteri. 
Leo Vm. — J-L. t 3706. Cop. s. XVI. 

Ginre patronato. 
1. Carpi: Calixt 1123 IL 10. J-L. 7013. Or. und 4 Cop. s. XVI 

bis xvn. 

JS. Correggio: Innocenz 11. 1140 Mai 18. J-L. — siehe Anhang. 
Einzelner Druck. 

Ferrara. 

Ich verweise auf das fast vollständige Verzeichnis bei v. 
Pflugk-Harttung Iter S. 53 *). 

Corporazioni soppresse. 

1. 8, Peter in Modena. Das Archiv des Klosters S. Peter in Mo- 
dena befand sich zur Zeit Tiraboschis noch im Kloster selbst, 
später wurde es dem Archivio Estense einverleibt und dann 
auf Befehl der Napoleonischen Regierung 1812 nach Mailand 
gebracht, um dort dem geplanten Archivio diplomatico gene- 
rale del regno d'Italia einverleibt zu werden. Auch nach 
dem Sturze Napoleons blieb das Archiv zunächst im Archivio 
di stato zu Mailand, wo es z. B. von Jaffi benutzt wurde. 
Erst im Jahre 1860 wurde es wieder in das Archivio di stato 
zu Modena zurückgebracht'). 

Die Originale bei v. Pflugk-Harttung Iter p. 53 vollständig'). 

Einzelcopien: Urban DDL 1186 IV. 10. J-L. 15581. 2 Trans. 
V. 1440 L 13. 

Copialbücher: 

1) Liber privilegiorum S. Petri Mutinensis, verzeich- 

net bei Kaltenbrunner Wiener SB. 94 S. 636. 

2) Registro A. Nr. 2119. Registro di tutte le acrit- 

ture spettanti al feudo e beni di S. Cesareo dall' 

1) Eine Copie fehlt bei t. Pflugk-Harttnng : InDOceni 11. J-L 7612. Cop. 
■.XII. NotariatBinstr. Zu Lacius II. 1144 III. 15. JL. 8520 bemerke ich, daS 
die beiden bei ▼. Pflngk - Harttung Terseichoeten Copien im Texte wesentlich 
von einander abweichen , so daS sie tweifellos auf zwei Aasfertigungen sarflok* 
gehen. 

2) Vgl. Q. Campi L^arohiTio segreto Estense in Atti e Memorie per le 
proTincie Modenesi e Parmensi (Modena 1864) Bd. II S. 335. 

3) T. Pflugk-Harttnng führt unter den Originalen auch Alexander III. J-L. 
18228 an, das sich im Staatsarchiv nicht vorfand, das aber v. Pflugk-Harttang, 
wie die Journale leigten, auch hier nicht benutzt hatte. Es befindet sich noch 
im Staatsarchiv su Mailand: v. Pflugk-Harttung Iter S. 47. 


244 M. Klinkenborg, 

anno 880 sino al 1477 trascritte da doctunenti 
dell'archivio di S. Pietro di Modena da B. Pan- 
dola Parmeggiano nel 1712—1713. Inhalt bei 
V. Pflugk-Harttung Iter S. 54 ^). 
3) Registro H. Nr. 2124. Pergamentband in fol. s.XVL 
S. 21. Clemens HI. 1290 XH. 7. J-L. 16B31. 

2, Marola, Viele Urkunden des Klosters Marola im Archivio Ven- 
tari-Palazzi zu Reggio nell'Emilia vgl. Kehr Papsturkonden 
in Reggio nell'Emilia oben S. 225. 
Innocenz II. s. d. J-L. 8283. Or. 

Nonantola vgl. oben S. 234. 

Copien: Za den drei v. Pflagk- Harttang Iter S. 54 verzeichneten 
Copien: 

Alexander U. 1067 VH. 9. J-L. 4634. Notariatsinstr. 1599. 
Alexander H. 1067 VH. 9. J-L. 4634. Cop. s. XVI. 
Celestin HI. 1191 VH. 8. J-L. 16717 «). Notariatsinstr. v. 1280 

Vm. 21. 
Coelestin HI. 1191 VH. 8. J-L. 16717. Notariatsinstr. v. 1599. 
Coelestin HI. 1191 VH. 8. J-L. 16717. Cop. s. XVI. 

Copialbücher : 

1) Registro e Collezione delle bolle e diplomi sopra le perti- 
nenze ed altre cose della abbazia di Nonantola. Ms. 
s. XVII; es befand sich ursprünglich im Besitz des Mo- 
deneser Ferdinando Cepelli, kam aber bereits zur Zeit 
Tiraboschis in das Archivio Estense vgl. Tiraboschi No- 
nantola I S. XV. Inhalt giebt v. Pflugk-Harttung Iter 
S. 54»). 


1) Es fehlen 8. 16 Calizt O. J-L. 7017; 8. 18 Innocenz II. J-L. 7666; 8.28 
Clemens III. J-L. 16531. S&mtliche hier aufgezählte Papsturknnden (jetzt im 
Or. zu Mailand, ArchiTio di stato) gehören dem Kloster 8. Benedetto di Polirone 
an. Damach scheint das Archiv von 8. Benedetto spftter in das Archiv von 
8. Peter gekommen zu sein, wo es auch Maratori benntzte. Ob es spftter 1812 
nach Mailand gekommen und seitdem dort geblieben ist, vermag ich nicht 
zn sagen. Dieser Annahme widerspricht jedenfalls die Notiz bei Bethmann 
(Pertz* Archiv XII 8. 627), daS Abb. Marchi zo Modena die Urkunden von 8. 
Benedetto zn seiner Zeit gehabt habe. 

2) Or. Archivio comunale zn Verona. S. 8ilvestro. 

3) Dazu folgende Berichtigungen: 8. 1 Alexander III. J-L. 12542; 8. 88 
(nicht 80) Coelestin III. J-L. 16717; 8. 51 Anastasins IV. J-L. 9912; 8. 111 ff. 
Innocenz IIL v. 1213 VI. 13 Potth. I Nr. 4756 mit den inserierten Hadrians I. 
J-£. t 242in, Johann IX. J-L. t 8524, Marin J-L. t 8890 ; 8. 263 Alezander UI. 
J-L. 12644. 


Papaturkanden in Konantola, Modena und Verona. 245 

2) Copialbnch ohne Bezeichnung^ 12 Seiten s. XY. 

S. 1 Alexander UI. 1168 VI. 9. J-L. 11411 ex Notariatsinstr. 

V. 1448 in. 11. 
S. 3 Coelestin HI. 1191 VU. 8. J-L. 16717 ex Notariatsinstr. 

V. 1280 Vin. 21, erhalten s. oben. 

Biblioteca. Manoscritti. 

1. Carta di Muraiori: siehe v. Pflngk-Harttung Iter S. 64, dazu 

ist hinzuzufügen: 

Leo IX. 1050 V. 29. J-L. 4227. 
Calixt IL 1122 XI. 22. J-L. 6994. 
Alexander IH. 1168 VI. 12. J-L. 11413. 
Alexander lU. 1169 VH. 22. J-L. 11634 0. 
Alexander m. (1166—1179) V. 17. J-L. 13228. 
Alexander HI. 1181 VIH. 15. J-L. 14422«). 
Coelestin m. 1191 XU. 27. J-L. 16778. 
Coelestin IH. 1195 IV. 25. J-L. 17223. 

2. Prisciani Peregrini CoUectanea. 3 Bände fol. Diese Collectaneen 

wurden wahrscheinlich vor dem Jahre 1505 geschrieben, vgl. 
Atti Modenesi e Parmensi II S. 336. Die Papsturkunden bei 
V. Pflugk-Harttung Iter S. 53 »). 

3. Prisciani Peregrini Uistoria Ferrariae, Nur einige Bände dieser 

Historia sind hier im Archiv vorhanden; es fehlen vol. 11. III. 
V. VI und X, die, wie in den Atti Modenesi e Parmensi 11 
S. 336 angegeben wird, ausgeliehen wurden und nicht wieder 
zurückgegeben sind. Wie mir in Modena gesagt wurde, sollen 
sie in der Bibliothek zu Ferrara sein. Die im 4. Bande vor- 
handenen Papsturkunden bei v. Pflugk-Harttung Iter S. 64^). 

Archivio capKolare. 

Die Originale und Copien sämtlich bei v. Pflugk-Harttung 
Iter S. 53*). 


1) DieM Urkunde iit identiach mit ▼. Pflngk-Harttang Iter 8. 890 Nr. 724. 

2) Or. im Archivio eapitolare di s. Ambrogio zu Mailand. 

8) Es fehlt in dem Verseichnii: Bd. II f. 276 Johann X. J-L. 8561 und 
Bd. m f. 69 Gregor VIII. J-L. 16048, wie ▼. Pflagk-Harttnng Act» UI & 849 
auch richtig angiebt 

4) Es fehlen: f. 82^ Clemens III. 1189 IV. 20. J-L. 16404; f. 88' Gregor 
TIIL 1187 XL U. J-L. 16048. 

5) Richtig die Notis ▼. Pflugk-Harttnngs betreffend Datam von Alexander 
m. J-L. 18656 (IV. Kai. Mad.). Die Urkunde ist la J-L 18651 einaareihen. 


246 M. Klinkenborg, 

Außerdem befindet sich hier ein modernes Copialbach des Ca- 
nonico Ferd. Ba.ssoli mit dem Titel: CoUectio diplomatnm imperia- 
linm . . . nee non bullarum . . . Seit dem Jahre 1819 wurde es 
nur ans den auch heate noch erhaltenen Urkunden des Capitel- 
archivs zusammengestellt, vgl. Dondi II duomo di Modena (Mo- 
dena 1896) S. 282. 

Archivio vescovile. 

Calixt II. 1121 in. 4. J-L. 6894. Orig., es ist in den Codex 
pensionum mensae episcopalis Mutinae eingeheftet, wie schon Tira- 
boschi Memorie storiche Modenesi Bd. U Codice diplomatico S. 93 
Nr. 331 berichtet. Der untere Teil mit einigen Cardinalsunter- 
schriften und der Datierung ist abgeschnitten, um das Format 
dem Codex anzupassen. 

Biblioteca Estensis. 

Keine Papsturkunden im Original oder in Einzelcopien; die 
von mir durchgesehenen Copialbücher ergaben keine große Aus- 
beute ; ich notiere hier : 

Diplomata inedita imperatorum et regum, quorum autographa 
asservantur in archivio monasterii S. Systi Placentiae. X. C. 17 
vgl. Bethmann in Pertz' Archiv XU S. 699, Breßlau, N. Archiv 
111, 109 und Kaltenbrunner Wiener SB. 94 S. 637, der die 
Handschrift als Miscellanea bezeichnet und die Papsturkunden un- 
genau notiert hat. Der erste Teil f. 1 — 28 entspricht inhaltlich 
dem Titel, dann folgen Urkunden vermischter Provenienz, darunter 
einige päpstliche: 

Benedict Vni. 1023 VI. 29. J-L. 4045. 
Benedict IX. 1038 VII. 1. J-L. 4111. 
Leo IX. 10B3 IX. 2. J-L. 4301. 
Gregor VH. (1075—1079) — J-L. 5099 »). 

Privilegia congregationis s. lustinae ordinis S. Benedict!. XIL 
C. 19. Ms. von 1626 IV, 24. Notariatsinstr. f. XLIX ürban IL 
1092 IX. 14. J-L. t 5467. 

Privilegia congregationis s. lustinae ordinis S. Benedicti. XIL 
F. 26. Ms. 8. XVn vgl. Bethmann, Pertz' Archiv XII, 699 mit 
falscher Signaturangabe XU. F. 38; dies Ms. ist im Wesentlichen 
eine Copie der vorher erwähnten Handschrift. 

1) KaltenbruDner hat dieae Urkunde für eine Gregors VI. gehalten, Wiener 
SB. 94 S. 650, and alt solche bat sie Loewenfeld in die Regesten Jaffas anter 
Nr. 4128 aafgenommen. Die Nr. ist also zn streichen. 


Papatarkanden in Nouaotolai Modena und Verona. 247 

m. Verona. 
Archiviolcomunale. 

üeber das städtische Archiv Veronas orientieren gat folgende 
Aufsätze: A. Bertoldi Gli antichi archivi Yeronesi in Archivio 
Yeneto Bd. X S. 193 ff. und die Einleitung Cipollas zu den Kaiser- 
urkonden in Verona in den Mitth. des österr. Instituts 11 S. 86 ff. 
und IV S. 214 ff. Die Papsturkunden des Archivs sind verzeich- 
net von Kaltenbrunner Wiener SB. 94 S. 648 und dann von 
V. Pflngk-Uarttung Iter S. 164 und S. 798 insbesondere nach Mit- 
teilungen des Grafen C. CipoUa. Ein ausgezeichneter Zettelcatalog 
ist im Archiv vorhanden, über den hinauszukommen nur hin und 
wieder möglich war. 

Archivio del comune. 
Copien : 

Innocenz U. 1132 VI. 30. J-L. 7680 in Copia pro comunitate 

Verone : iura monasterii s. Georgii f. 4. Auszug von 1499 

XI. 28 0. 
Alexander HI. 1172 I. 28. J-L. 12137 in ?^ proc. 1401. Nota- 

riatsinstr. von 1771 ex Carlo Libardi : Verona sacra 1627 '). 
Alexander III. 1181 HI. 21. J-L. 14377. Auszug aus dem 

Jahre 1689. 
Urban III. 1186 IX. 12. J-L. 16669 in Copia pro comunitate 

Verone etc. f. 4 Copie v. 1499 XI. 28. 
Urban IH. 1187 X. 13. J-L. 16010 in ^ proc. 364 s. XV 


ex Copie s. 1316. 

a. .T-L. IßOlO in ? 

49 


Urban HI. 1187 X. 13. J-L. 16010 in ^ proc. 2107 s. XVI 


ex Or. 
Urban HL 1187 X. 13. J-L. 16010 in ^ proc. 1401. Nota- 
riatsinstr. von 1771 ex libro P. abbatiae S. Zenonis'). 


1) Vgl. Cipolla in Mitth. des Osterr. Institnta 11 S. 86 and Atti del r. lati- 
toto Veneto Serie 5 toI. 5: Un diploma edito di Federico. 

2) lieber dies Mt. vermag ich nicht« sicheres aniugeben. Vielleicht ist es 
identisch mit Carlo Libardi, de Titis sea rebus gestis episcoporum Veronae. 
Verona Bibl. Capit Ms. DCCLXXXIll. Mir fehlte die Zeit es fesUustellen. 

8) Weicher Über P(riTilegioroiu) abbatiae S. Zeoonis gemeint ist, kann 
ich nicht sagen, loh Teneichne hier folgende libri PriTilegiomm dieses Klosters: 
1. Gios. Ferrari stellte 1706 nach Copien des Notars Carlo Libardi einen Liber 
priTilegiorom sosammen, der hftufiger citiert wird, aber dessen Verbleib mir 
nichts bekannt ist. 2. Liber PriTÜegiorum S. Zeaonis, vgl. Bethmann, Perti* 
Archiv XU S. 657 in der Sammlang Saibanti (ich habe ihn nicht gesehen). 


248 M. Klinkenborg, 


27.x 


Urban lU. 1187 X. 13. J-L. 16010 in ^ proc. 2985. Cop. 

s. XVn. Notariatsinstr. 
Clemens ÜI. 1188 XI. 7. J-L. 16347 ^) in Registr. Uterarum . . . 

capitoli Veronens. vol. C. fol. 131. s. XV ex Cop. v. 1331 

n. 19*). 
Clemens IE. 1188. XI. 7. J-L. 16347 in ?^ proc. 425»). Cop. 

s. XV. 
Clemens IH. 1188. XI. 7. J-L. 16347 in ^ proc. 368»). Cop, 

s. XV. 

Archivio della camera fiscale. 
Einzelcopie : 

Urban m. (1186—1187) HI, 23. J-L. 15824*). Proc. 21. Ur- 
konde, von Franciscos Turrisanos cancellarios capitoli 
beglaubigt. 

Mensa vescovile. 
Originale: 

Eugen m. 1145 V. 17. J-L. 8759. 
Anastasius IV. 1154 L 29. J-L. 9823. 
Clemens IH. 1188 XI. 7. J-L. 16347. 
Copien : 

Eugen m. 1145 V. 17. J-L. 8759. Cop. s. XIH. Notariatsinstr. 
Clemens IH. 1188 XI. 7. J-L. 16347. Cop. Notariatsinstr. v. 

1331 IL 19. 
Clemens m. 1188 XI. 7. J-L. 16347. Transs. in dem Privileg 
Martins V. v. 1419 L 10. 

Clero intrinseco. 

Originale: 

Lucius m. 1184 XL 22. J-L. 15120. 

Copien : 

Lucius HL 1184 XI. 22. J-L. 15120. 2 Cop. s. XVL 
Lucius m. 1184 XI. 22. J-L. 15120 in 105 proc. 65. Cop. 

8. xvn. 

Urban IH. 1186 L 28. J-L. 15526. Cop. s. Xm und s. XVL 

8. Liber priTÜegionim S. Zenonis, Bethmann in Perts' Archiv XII 8. 652 und 
Mitth. des Osierr. Institnis II 8. 91 Anm. 8 jetzt im Muaeo civico sn Venedig 
in derCioogna. 4. Privilegia 8. Zenonis in Cod. Aihbornham 162, Neues ArchiT 
IV. 610. 

1) Im Gr. Torhanden s. Mensa yeseovile. 

2) Vorhanden s. Mensa yescoTile. 

8) Vgl. Cipolla in den Mitth. des Osterr. Instituts IV S. 214. 
4) Or. im ArchiTio oapitolare so Verona. 


Papsturkanden in Nonantolai^Modena und Verona. 249 

Coelestin IH. 1192 VH. 13. J-L. 16917. Cop. s. XVU in 34 

proc. 44. 
Coelestin IH. 1192 VH. 13. J-L. 16917. Cop. s. XVH in 84 
proc. 47. 
Copialbücher : 

Istromenti Antichi Reg. 11. Pergamentband, enthaltend meist 
Notariatsinstr. von 1326. 
f. 11 Urban HI. 1186 I. 28. J-L. 15526. 
f. 13 Lucius m. 1184 XI. 22. J-L. 15120. 
f. 15 Lucius HL 1181 Xn. 1. J-L. 14529. 
Istromenti Antichi Calto X libro 6. Pergamentband s. XV, 
f. 130 Lucius m. 1181 XII. 1. J-L. 14529. 
f. 130 Urban UI. 1186 L 28. J-L. 15526. 
Privilegia sanctae congregationis s. XV. 

f. 1 Lucius m. 1184 XI. 22. J-L. 15120. 
f. 1 Urban HI. 1186 I. 28. J-L. 15526. 
Repertorio Menegatti notar. von 1778 bietet unter dem Buch- 
staben P kurze Regesten vom Privileg Lucius' III. J-L. 14629, 
Urbans UI. J-L. 15526 und Coelestins UI. J-L. 16916 mit genauen 
Arcbivangaben, die ermöglichten, einige Abschriften, die im Zettel- 
katalog nicht verzeichnet waren, zu erhalten. Doch ist nicht alles 
gefunden. 

S. Caterina Martire. 
Einzelcopie : 

Urban UI. 1187 IX. 21. J-L. 16001. Notariatsinstr. s. XIV. 

S. Fermo Minore. 
Einzelcopie ^) : 

Anastasius IV. 1154 VI. 9. J-L. 9018. Copie v. 1790 VH. 4 
in Processo 456. 

S. Maria in Organo. 
Originale: 

Lucius m. 1184 xn. 31. J-L. 15149. 
Einzelcopien : 

Pelagius U. 585 HI. — J-K. f 1053. Cop. s. XI. 

Pelagius U. 685 HI. — J-K. f 1053. Notariatsinstr. v. 1217 

VI. 3. 
Pelagius U. 585 m. — J-K. f 1063. Notariatsinstr. v. 1217 
VL 8. 


1) Bine handachrifUiohe Ueberliefernng fOr J-L. 9056 habe ich nicht gefunden* 
ggL G«L 4. Win. KaekriehtoB. PUlolog.-hUtor. KlaiM 1897. Hft S. 17 


260 H- Klinkenborg, 

Johann XIX. 1025 IX. — J-L. f 4071. 2 Cop. s. XI. 
Johann XIX. 1025 IX. — J-L. f 4071. 2 Cop. s. XVI. No- 

tariatsinstr. 
Hadrian IV. 1159 L 14. J-L. 10534. Cop. v. 1365 IV. 5. 
Alexander HI. (1168—1169) V. 10. J-L. 11531. Cop. 8. XD. 

mit moderner Abschrift s. XVlll. 
Alexander m. (1168-1169) V. 10. J-L. 115311). Cop. s. XIH 
Alexander HI. 1177 VU. 10. J-L. 12880. Cop. s. XIV. 
Alexander IH. 1177 VII. 10. J-L. 12880. Notariatsinstr. v. 

1487 L 28. 
Alexander IIL 1177 VH. 10. J-L. 12880. Notariatsinstr. v. 

1554 aus Notar, v. 1487 I. 28. 
Lucius m. 1184 XL 22. J-L. 15120. Processo 3 m. 3 »). 
Lucius m. 1184 Xn. 31. J-L. 15149. Cop. s. XIH»). 
Urban HI. (1185-1186) XH. 22. J-L. 16505. Cop. s. Xm»). 
Copialbücher : 

Copie di bolle Fonteficie (s. XVlii). 

f. 1 Pelagius U. 585 lU. — J-K f 1053. Notariatsinstr. 
V. 1605 (X. 18 u. XI. 7). 

f. 2 Alexander HL 1177 VH. 10. J-L. 12880. Notariats- 
instr. V. 1606 (X. 18 u. XL 7). 

f. 4' Johann XIX. 1025 IX. - J-L. f 4071. Notariatsinstr. 
V. 1605 (X. 18 u. XI. 7). 

f. 30 Eugen IH. 1145 V. 17. J-L. 8759*). 

f. 33 Anastasius IV. 1154 I. 29. J-L. 9823 *). Notariats- 
instr. V. 1727, 

f. 39 Clemens m. 1188 XI. 7. J-L. 16347*). 

f. 48 Lucius lU. 1184 XI. 29. J-L. 15126. Notariats- 
instr. s. d. 
Repertorio B. Pririlegi e boUe s. XVII (2 Exemplare). 

f. 7 Lucius m. J-L. 1184 XL 29. J-L. 15126. 
Liber privilegiortun monasterii s. Mariae in Organo (s. XV). 

f. 1 Pelagius H. 585 ILL J.-K. f 1063. 

f. 2 Alexander HI. 1177 VIL 10. J-L. 12880 ans Nota- 
riatsinstr. Y. 1487 L 28 <^). 


1) Nach dem Register sollen nocli 4 Copien a. XVII in dem Proeesso: 
8. Maria in Organe contro aroiprete di S. Bonifatio vorhanden sein; sie waren 
jedoch nicht auffindbar. 

2) War nicht anfsofinden. Or. hier Clero intrinseco. 

5) Auf einem Blatt Lncios IIL J-L. 15U9 and Urban IIL J-L. 15505. 
4) Or. Mensa vescoTile. 

6) Erhalten a. oben. 


Papetarkunden in Nonantola, Modena und Verona. 251 

f. 27 Johann XIX. 1025 IX. — J-L. f 4071. 
Begistri iBtromenti s. XVn (beglaabigt 1626 XIL 16). 
Johann XEX. 1025 IX. — J-L. f 4071. 
Alexander m. 1177 VH. 10. J-L. 12880 aus Notariats- 
instr. V. 1487 L 28^). 

S. Michele. 
Einzelcopien : 

Innocenz H. ^ 1140 IV. 16. J-L. 8089 »). 
Alexander HI. «) 1177 V. 1. J-L. 12823. 
Lucius m.«) 1184 IX. 29. J-L. 15086»). 

S. Michele di Campagna. 
Einzelcopien : 

Alexander m. 1177 VI. 8. J-L. 12866. Notariatsinstr. v. 1331. 
Lucius in. 1184 X. 24. J-L. 15098. Cop. s. XIH. 

S. Silvestro. 

Das Archiv enthält Papsturkunden für das Kloster Nonan- 
tola ygl. dasselbe. 
Original: 

Coelestin IIL 1191 VL 8. J-L. 16717*). 
Einzelcopie : 

Calixt IL 1124 IV. 13. J-L. 7151. Cop. v: 1292. 

S. Teresa di Venezia. 

Hier ein Inventario delle scritture concernenti la qualitä 
quantita dei beni erano posscssi dalli molto reverendi padri di 
8. Giorgio in Braida. Es ist ein Güterverzeichnis, alphabetisch 
angeordnet nach den Orten, in denen die Güter liegen, unter Auf- 
zählung der betreffenden Erwerbs- und Bestätigungsurkunden. 
Den Hauptteil bildet die Aufzählung der Urkunden betreffend 
den Besitz in Sabion; deshalb wird das Buch auch der Kürze 
wegen Sabion genannt. Einen Teil der Regesten hat bereits 
V. Pfiugk-Harttung im Iter gedruckt, auf den ich an den be- 
treffenden Stellen verweise. Die Urkunden des Klosters s. Giorgio 
in Braida sind seit dem Jahre 1668, in dem das Kloster aufge- 


1) Erbalten i. oben. 

2) Auf einem Blatt (s. XIU) Laclos III. J-L. 15086. Alezander III. J-L. 
18888. Innocens IL J-L. 8089. Innocens IIL ▼. 1208 IV. 29. 

8) Gr. Verona Archivio capitolare. 
4) Daiom dea Originals: VI id. lonii. 


262 M. Elinkenborg, 

hoben wurde, zerstreut und verloren; nur wenige hatte seinerzeit 
Scipione Maffei noch im Besitz^). Außer aus dem über Sabion 
sind wir über die Papsturkunden noch aus dem von Francisco 
Olivieri zusammengestellten Catastico delle scritture del monastero 
di Santa Teresa di Venezia unterrichtet, das Kehr in den Nach- 
richten der Gott. Gelehrt. Gesellschaft Jahrg. 1896 Heft 4 S. 290 ff. 
abgedruckt hat, und das ich hier zur Vergleichung heranziehe; 
wie mir scheint, sind Catastico und Sabion unabhängig von ein- 
ander. 

f. 38 Sabion. 

Sine anno, die et mense libr. 6 catast. 1069 Nr. 86. 
Privilegio concesso dal sommo pontefice Lucio alla chiesa 
di s. Giorgio in Braida per il quäle li conferma il 
possesso del castello di Sabion con le sue pertinentie. — 
Fast dieselbe Notiz wird auf S. 40 mit Angabe der- 
selben Quelle wiederholt: gedr. v. Pflugk-Harttung 
Iter S. 811 Nr. 1062, doch steht hier fälschUch als 
Empfänger s. Giorgio in Brescia, im Sabion jedoch 
richtig in Braida. Der Irrtum auch im Regest bei 
J-L. 16163. 
f. 42 Sabion. 

1132 VI. 29. Hb. 3 catast. 20 Nr. 13. 
Confermatione fatta dalla santitä di nostro signore Inno- 
centio U dell' ordine di s. Agustino introdotto dal 
Bemardo vescovo di Verona nel monastero di s. 
Giorgio con il possesso dei beni e molini. — Diese 
Angaben werden ergänzt und richtig gestellt durch 
den Auszug aus dieser Urkunde in Copie pro comu- 
nitate Verone s. oben Archivio del comune: Datum 
1132 VI. 30. Hegest daraus bei v. Pflugk-Harttung 
Iter S. 806 Nr. 1017 = J-L. 7680; catastico bei Kehr 
S. 290 zu 1132 Vn. 1. 
f. 42' Sabion. 

1164 IX. 7. Hb. 4 catast. 21 Nr. 17. 
Confermatione fatta per la santitä di nostro signore papa 
Alessandro UI dell' ordine di s. Agustino e il possesso 


1) Bianoolini Chiese V^ 138 und Atti dell' istitato Yeneto Serie 5 Tom. 5 
8. 277. 

2) An Kaiierarkanden hat Sabion mit dem Catastico gemeinsam: 8t. 2430, 
St 4218 und 3709 a vgl. Kehr a. a. 0. S. 290 Anm. 3; anAerdem noeh eine 
anbekannte Urknnde Friedrichs L hier erwfthnt y. 1177 Febr.; sie fehlt aaoh 
bei Gipolla K-U. in Verona. 


Papstarkanden in Nonantola, Modena und Verona. 263 

del molino Piazzola. — Vgl. das Regest bei Kehr 
a. a. 0. S. 290: doch mit dem Datum: 1164 IX. 8. 
f. 44 Sabion. 

1180 n. 5. Ubr. 309 catast. 219 Nr. 23. 

BoUa della santitä di nostro signore papa Alexandro m 
che conferma la sentenza di 1179 XII. 4. — Aus- 
fährliches Regest bei Kehr a. a. 0. S. 290, als 
Datum: 1180 ü. 16. 

f. 44 Sabion. 

1184 I. 19. lib. 5 catast. 22 Nr. 24. 
Regest bei von Pflugk-Harttung Iter S. 810 Nr. 1047 = 
J-L. 14976 und das Regest bei Kehr a. a. 0. S. 291 
mit dem Datum: 1184 Xu. 19. 
f. 44' Sabion. 

1186 Vn. 4. catast. 229 Nr. 26. 

Regest bei v. Pflugk-Harttung Iter S. 812 Nr. 1059 = 
J-L. 15644 zu (1186—1187): ich bemerke ausdrück- 
lieh, daß im Sabion 1186 steht und nicht 1184, wie 
V. Pflugk-Harttung a. a. 0.- behauptet; identisch mit 
Urban HI. 1185 XH. bei Kehr a. a. 0. S. 291 ? 
f. 44' Sabion. 

1186 IX. 11. catast. 229 Nr. 28. 

Confermatione fatta per la santitä, di nostro signore papa 
TJrbano m delli privilegii concessi dalli suoi ante- 
cessori alla chiesa di s. Giorgio. — Diese Urkunde 
ist identisch mit Urban HI. J-L. 16669 nach v. Pflugk- 
Harttung Iter S. 812 Nr. 1058 aus einer Copie von 
1499 vgL oben Archivio del comune und Kehr 
a. a. 0. S. 291 Urban in. 1186 IX. 
f. 46 Sabion. 

1187 XI. 8. Kb. 79 catast. 229 Nr. 27. 

Regest bei v. Pflugk-Harttung Iter S. 812 Nr. 1061 = 
J-L. 16042 vgl. Kehr a. a. 0. S. 291. 

Archivio dell' orfanotrofio (Abbazia di s. Zeno). 

Ueber das Schicksal des Archivs von S. Zeno vgl. die Be- 
merkungen von Cipolla in Mitth. des osterr. Instituts 11 S. 86 ; 
ein Teil des Archivs befindet sich im Staatsarchiv zu Venedig: 
Kehr teilte in den Nachr. d. 6ött. Gelehrten Gesellschaft, hist.« 
pfaiL ElasBe, 1896 Heft 4 S. 292 eine Copie von Urbans IIL 
J-L. 16010 mit Ueber Copialbficber vgl. oben S. 247 Anm. 3. 


254 M. Elinkenborg, 

Einzelcopien: 

Innocenz IL. 1138 XI. 3. J-L. 7911. Cop. s. XII. 

Urban m. 1187 X. 13. J-L. 16010. Notariatsinstr. v. 1301. 

Urban HI. 1187 X. 13. J-L. 16010. Notariatsinstr. v. 1288 

Vm. 25. 
Urban HL 1187 X. 13. J-L. 16010. Cop. s. XIV. 

Biblioteca comunale. 

Mit dem Archiv ist die städtische Bibliothek za Verona eng 
verbunden; beide befinden sich in dem gleichen Gebäade und der 
Zettelkatalog des Archivs verzeichnet zugleich die in der Samm- 
lung Perinis (f 1731 II. 20.) aufbewahrten TJrkundenabschriften. 
Diese Sammlung ist wiederholt von deutschen Forschern benutzt: 
Bethmann hat in Fertz' Archiv die Kaiserurkunden, Kaltenbrunner 
in den Wiener SB. 94 S. 649 und v. Pflugk - Harttung im Iter 
S. 798 die Papsturkunden verzeichnet*). 

Viele Papsturkunden außerdem im Liber privilegiorum sancti 
Benedicti Polironensis Ms. 736, auf den Kehr in den Nachrichten 
der Gelehrten Gesellschaft, hist.-phil. Klasse, 1896 S. 297 Anm. 1 
zuerst aufmerksam machte, und aus dem er zwei bisher unbekannte 
Papsturkunden mitteilte. Die übrigen hier zu verzeichnen, ist 
überflüssig, weil sie alle im Original bekannt sind '). 

Archivio e Biblioteca capKolare. 

Die im Jahre 1879 durch Vignola wieder aufgefundenen Ur- 
kunden des Capitelarchivs haben im Jahre 1882 durch eine Ueber- 
schwemmung arg gelitten und sind zum großen Teil fast unleser- 
lich geworden. Dazu, wie es scheint, auch Verluste, denn eine 
Reihe von Papsturkunden, die v. Pflugk-Harttung verzeichnet, ver- 
mochte ich trotz aller Bemühungen des Vicebibliothekars Spagnolo 
nicht zu erhalten'). Der Katalog der Urkunden (Elenchns diplo- 
matum seu privilegiorum capituli Veronensis) von Dionysi aus 
dem Jahre 1753 zerfällt in zwei Teile, von denen der erste die 
Urkunden nach der Archivsignatur, der zweite sie in chronolo- 


1) Das Datum so J-L. 16909 nach Kaltenbrunner Wiener SB 94 8. 693 folsoh; 
ecbon ▼. Pflugk-Harttung Iter 8. 818 Nr. 1066 hat das richtige Datum gegeben. 
Die Urkunde ist su J-L. 16801 einzureihen. 

2) Im Archivio di stato su Mailand und Modena, sowie im ArchiTio Corona 
des Museo civico zu Padua. 

8) Es fehlen jettt das grole Pergamentstilck und ein Transs. Ton Leo IX. 
J-L. 4166. 


Paptturknnden in Nonantola, Modena und Verona. 256 

gischer Reihenfolge verzeichnet; doch bemerke ich, daß der erste 
Teil allein vollständig ist^). 

Zu den von Pflugk-Harttung Iter S. 164 verzeichneten Ori- 
ginalen: 

Lncius m. 1184 IX. 29. J-L. 15086. 

Urban HI. (1186—1187) IX. 22. J-L. 15922. 
Einzelcopien : ich habe nor folgende gesehen: 

Benedict IX. s. d. siehe Anhang. (Notariatsinstr. s. XU) *). 

Leo rX. 1049 V. 7. J-L. 4166. Notariatsinstr. s. XII ^. 

aemens (HL.) 1084 m. 2. J-L. 5319. Notariatsinstr. s. XU >). 

Innocenz H. 1132 IX. 1. J-L. 7595. Cop. s. Xn. 

Innocenz IL. 1140 IV. 16. J-L. 8089. 3 Cop. Notariatsinstr. 

8. xn-xm. 

Alexander in.(1170— 1181) — J-L. 14238. Trans. v. 1335 VH. 11. 

Lucius IIL 1184 IX. 29. J-L. 15086. Cop. s. XHI unvollständig. 
Copialbücher : 

C. Carinelli, Liber privilegiorum Ms. DCCXC der Bibliothek"). 

Nach dem Katalog der Bibliothek und den Bemerkungen Giu- 
laris Archivio Veneto XVI. S. 238 und XVH. S. 186 ist der liber 
privüegiorum von Carlo Carinelli verfaßt worden; doch wird diese 
Angabe von Cipolla in Mitth. des österr. Instituts 11 S. 89 Anm. 3 
bezweifelt. Die Ansicht Kaltenbrunners in den Wiener SB. 94 
S. 649 und Schums Neues Archiv Bd. I S. 127, nach der der liber 
privilegiorum von Muselli herrühren soll, entbehrt jeder Begrün- 
dung. Wichtig ist der liber privilegiorum, weil er verlorene Ur- 
kunden, 80 insbesondere das große Pergamentstück benutzt hat. 
Den über privilegiorum capituli Veronensis von Dionysi in der 
Bibliothek der Marchesi Dionysi konnte ich nicht benutzen. 

Die Papsturkunden des liber privilegiorum Carinellis von Kalten- 
brunner Wiener SB. 94 S. 649, ziemlich vollständig verzeichnet *). 


1) Schon bald nach der HentelluDg dieses Katalogs gingen yerschiedene 
Urknnden Torloren, wie ein Revisionskatalog, wohl noch von Dionysi herrQhrendy 
leigt: so Alezander III. J-L. 12823, Copie and zwei Pergamentblätter, die beide 
folgende Urkunden enthielten: Clemens IIL J-L. 5S19, Leo IX. J-L. 4166. Be- 
nediet IX — siehe Anhang. 

8) Anf einem Blatt Benedict IX., Leo IX. nnd Clemens (IIL). 

3) Alle in den Mm. Ton Dionysi, Muselli, Bianchini u. s. w. copierten 
Papctarknnden zu yeneiohnen, kann nicht unsere Aufgabe sein; auf diese Mis. 
hat in genflgender Weise Qiulari in seiner Istoria della capitoUire biblioteca 
di YerODa hingewiesen (Aroh. Veneto Bd. XVI — XIX). 

4) Et fehlen f. 79' Benedict VL J-L. 3772 , f. 83' Eogßn DL J-L. 9170, 
i 84 Engen UL J-L. 9212, f. 88 Eugen in. J-L. 9668. 


256 M. Klinkenborg, 

Anhang. 

1. 

Benedict IX. befiehlt dem Bischof Walter von Verona^ sich nicht 
in die Angelegenheiten der Veronenser Canoniker eu mischen, sondern 
ihnen freie Verfügung über ihre Besiteungen und Rechte eu lassetK 

(1036-^1048). 
Beglaubigte Copie s. XII. Verona Archivio capitolare. 

Die Zeit der Ausfertigung des Privilegs wird durch die Re- 
gierungszeit des Papstes (1033 — 1048) und des Bischofs Walters 
(1036—1054) bestimmt. 

Zu Gunsten der Exemtion des Capitels von der bischöflichen 
Gewalt sind in Verona verschiedene Fälschungen angefertigt j vgl. 
(Ballerini) De privilegiis et exemptione capituli Veronensis, Beth- 
mann in Rert^ Archiv XII S. 657 und Sichel Acta Karolinorum 
II S. 386] auch die älteren Papsturkunden sind zu diesem Zwecke 
zum Teil verfälscht worden^ so Benedict VII. J-L. 3772 und 
Leo IX. J'L. 4166. Aus dem Privileg Benedicts VII. sind^ 
wie aus der hier abgedruckten Urkunde Benedicts IX. hervorgeht^ 
die Worte: sed liceat archidiacono et archipresbytero de 
beneficio ecclesi^ com commnni fratrum landatione investitu- 
ram facere et zu streichen. Aus dem Texte Leos IX. J-L. 4166 
istf wie die bessere handschriftliche V eberlief er ung zeigt und die 
späteren Urkunden beweisen, folgende Stelle zu entfernen: uel 
aliqais ex clero sine electione conctornm fratram aestram 
societatem ordinetur. 

jP. Benedictns episcopus seruus seruonun dei. Uualterio Uero- 
nensi episcopo salntem et apostolicam benedictionem. Qoia ad hoc 
in regiminis specnlo positi snmns, nt uice illias pastoris, qai de 
polithrono descenderat proprio sangoine redimere genas hamanam, 
qaod de limo terre plasmaaerat , semper nigiles et intenti simus 
super oues nobis commissas^^, quatenns snb nostre pastoralitatis ^^ 
cora angeri oideantur et aggregari: est snmmopere precanendum, 
ne nostre anetoritatis prauitate dominicns grex molestiam paciens 
destitni uideatnr et disgregari. Quapropter ex parte *^ omnipo- 
tentis dei patris et filii et spiritus saneti beatorumque apostolomm 
Petri scilicet et Panli nee non ex auctoritate sanctornm canonnm 
preeipimos tibi et omnibns successoribns tois, qni in ecclesia Uero* 
nensi post te ordinati fuerint, nt de omnibns rebas prediormn, 

a) commiMis. h) putoraÜB. c) paste: man tieht ans 

dem Verwechseln Ton r und s, daS dem Abschreiber die Curiale des Originals 
nicht mehr gel&nfig war. 


Papstnrkanden aas NoDantola, Modena und Verona. 267 

tarn de castiis quamqae et de castellis seu nillis, xenodochiis, 
precariis, redditibos, portatids^, colonis residentibas , libellariis, 
decimis, serois et ancillis, terris, uineis, pratis, salictis; montibns 
et planiciis tarn infra ciaitatem qaamqne extra einitatem, que 
fidelibos clericis TJeronensibus collate sunt, nollatenus te intro- 
mittas, sed liceat . .•) qnieto eas tenere ordine, sicat per [merce- 
dem meomm]^) antecessoram seu imperatornm et regom per da- 
centos bactenus tenaerant annos, eo tenore qui in [ca]rt[alaram^ 
i]ll[oriim paginibus continetar]. Et de nulla alia ecclesia super 
illos archipresbiter aut archidiaconus preferator, [si de eadem 
tales eligi possint ecclesia, qni utiles sint; si enim aliquid tue 
imtentionis scripturam] repert[am habes ad destruendam rectitu]- 
dinem ordinum aut hereditatem illorum, precipimns, ut [omnino 
destruator et nximqaain compareat. Si uero, qnod absit, aut tu 
aut] alias taus successor contra hoc nostre anctoritatis scriptum 
agere temptauerit, uester irritus fiat conatus, sed lüde traditori 
sociati poenam laatis etemam et nostro seu nostrorum successorum 
sabiaceatis iudicio. 


d) pottaticis. vgl. Anin. o. e) hier fehlen etwa 2 — 3 Buchstaben: 

etwa Ulis? f) st. vgl. Anm. o und d. 


3. 

Innocenjs IL bestätigt der Collegiatkirche 8. Maria in Correggio 

(Diöcese Ecggio in der Emilia) ihre IndulgenBen, Privilegien und 

Exemtionen. 

Lateran 1140 Mai 18. 

Einzelner Druck im Archivio di stato eu Modena. Fatranats» 
reckte. 

Das Privileg ist eine Fälschung späterer Zeit^ doch liegt ihm 
eine echte Urkunde Innocenz^ IL, wie Formular und EschatocoU 
ßcigen, eu Grunde. Die echte UrJcunde beginnt mit: Cum Om- 
nibus locis ecdesiasticis. 06 sie für s. Maria ausgestellt war^ 
muß hejsweifelt werden; nach dem Formular war sie für ein 
Schutskloster der römischen Kirche ausgestellt. 

Innocentios episcopus seruus seruorum dei. Dilectis filüsLea- 
dacio praeposito collegiatae ecclesiae sanctae Mariae oirginis 
sanetonunque Michaelis et Quirini suisque') canonicis tarn pr^en- 


1) Ergftnsungen aus J-L. 3772. 

8) Bonit in den Urkunden Innocens* D.: einsque. 


258 M. Klinkenborg, 

tibus quam futnris canonice substitnendis in perpetaum. De Cor- 
rigia Regiensis dioecesis apnd Regiam ciaitatem olim in Aemilia, 
nunc in Longobardis partibns, vicum sancti Michaelis^), abi nunc 
oppidum Corrigiae iacet, in qno constractam basilicam snb noca- 
bnlo sancti Michaelis ingentibns et assidois postnlationibos qaon- 
dam Conradi comitis Corrigiae, sanctae Roman^ ecclesiae filii et 
defensoris praecipui, f^licis memoriae Gregoritim quartnm prae- 
decessorem nostrmn pro benemcritis pro stata sanctae Romanae 
ecclesiae per dictum comitem moltipliciter impensis ab eodem re- 
paratam magnisqne donariis mirabiliter dotatam in pr^positnrae 
dignitatem erexisse sab titolo beatae Mariae sanctoriimqne Michaelis 
et Quirini) ipsam dicti comitis intuitn reliquiis sanctormn marty- 
rum Quirini, Tibnrtii, Hermetis, Veronicae et Reparatae pro non 
modica ipsorom sanctornm corpornm parte illastrasse comitemqae 
dictum in dicta basilica eas honorifice coUocasse in ipsaque duo- 
decim canonicos cum pluribus clericis, qui una cum eorum prae- 
posito die noctuque ad laudem omnipotentis dei, beatae Mariae, 
sancti Michaelis et tantorum sanctorum martyrum horas canonicas 
decantarent, instituisse et eorum quattuor ex plebe beatae Mariae 
de Campo rotundo eiusdem dioec(esi8) cum eins cunctis capellis 
in dictam basilicam transtulisse omnesque ecclesias in uniuerso 
territorio dicti comitis , de quo in eins priuilegüs Romanoram 
pontüicum *) fundatas de utriusque uenerabilium tunc fratrum 
nostrorum Regiensium et Parmensium episcoporum et archipres- 
byteri dictae plebis assensu coUationi dictorum praepositi et ca- 
nonicorum tunc et futurorum in perpetuum reseruasse, iure tamen 
dicti comitis et haeredum ipsorum^) fundatorum patronatus semper 
saluo, ipsam basilicam pro honore beatae Mari§ uirginis et tan- 
torum martyrum, qui crebris miraculis refulgebant, sicut hodie 
refulgcnt, magnis et uariis indulgentiis praepositumque tunc et 
futuros priuilegiis et uariis honoribus decorasse tam litterae et 
priuilegia apostolica praefati^^ praedecessoris nostri quam aliorum 
Romanorum pontificum et quam antiquae cronic^, quibus credendum 
est, manifeste demonstrant. Cum') igitur omnibus locis ecclesi- 
asticis ex apostolicae sedis authoritate et beneuolentia debitores 


a) ipaarnm. 6) praefiusti. 


1) Der Anfang yollstADclig ebne Konstmotion, das Verbum des HauptsatMi 
febli 

2) Hier fehlt das Verbom des Nebensaties. 

3) Hier beginnt die echte Qmndlage der ürknnde. 


Papsturknnden aua Nonaniola, Modena und Verona. 259 

existamos, Ulis tarnen attentias proaidere nos conuenit, in qnibns 
sanctomm ossa qoiescont qaormnqne ^^ piae operationes et miracnia 
per oniversom terraram orbem coruscant. Ut antem pro**^ praedicta 
ecdesia, cui, dilectf in Christo filii Leaduci? praeposite •>, antore 
deo praeesse dignosceris, patema nigilemns solicitudine , tanto 
amplior est nobis ininncta necessitas, quanto ecclesia ipsa per 
praefatum praedecessorem nostmm nenerandis extitit decorata re- 
liqniis et prinilegiis munita. Ad exemplum igitnr iamdicti pr^- 
decessoris nostri et aliorum Romanomm pontificum attendentes 
nnigenitnm dei filiom non per sangoinem hircorum ant nitnlorom, 
sed per snum proprium, non ex gutta, sed copiose uelut fluuium 
sanguinis pro humani generis redemptione effudisse, ita ut a planta 
pedis usque ad uerticem non sit in eo inuenta sanitas, tantumque 
thesaurum non in agro absconditum , sed per beatum c^li claui- 
gerum eiusque successores in terris uicarios dispensandum comisisse ; 
inhärentes quoque uestigiis predecessorum nostrorum dietas omnes 
indulgentias , exemptiones , concessiones , dignitates , immunitates 
et priuilegia iamdictae ecclesiae pr^positoque et canonicis supra- 
dictis, de quibus in apostolicis litteris, quas hie haberi pro suffi- 
denter narratis, nolumus ^) de fratrum nostrorum cardinalium sanct^ 
Bomanae ecclesi^ et apostolicae plenitudinis potestate approbamus, 
innovamus et presentis^ scripti patrocinio commnnimus. Praeterea^^ 
per pr^sentis priuilegii paginam apostolica auctoritate statuimus, 
ut quascumque ecclesias, capellas, pr^a, possessiones et iura prae- 
fati praedecessores *^ nostri et dictus comes iamdictis ecclesi^ prae- 
posito*^ et canonicis concesserunt et de proprio iure contulerunt, 
qu^cunque etiam iuste obtinetis et possidetis siue in futurum con- 
cessione pontificum, liberalitate principum uel oblatione fidelium 
iuste atque canonice poteritis adipisci, firma ecclesif predictae 
uobis uestrisque successoribus et illibata permaneant. De quibus 
h§c proprüs duximus explicanda uocabulis: ecdesiam sancti Petri 
de Campigine cum capellis et curte, eeclesiam cum hospitali sancti 
Jacobi de Cassadeo, eeclesiam cum hospitali sanctg Margaritf apud 
riuum Ducessiae, eeclesiam beatQ Mari^ de Campo rotundo, eecle- 
siam sancti Prosperi de Camporis aliasque in dicto territorio 
fondatas ; ecdesiam sancti Pauli de Canullio, ecdesiam sanoti Petri 
de Budrio eiusdem dioec(esis), in quibus ins patronatus illonim 


c) folgt ein flberflOniges qnae. d) fehlt e) praepoeitni. f) pmenti. 
g) Propterea. h) praedeceMOris. t) praepoaitoi. 


1) Auch hier fehlt ein oolamus ergftniender Infinitiy. 


260 M* Klinkenborg, 

de Lnppis, qnos eas fundasse accepimns, saliiam et illexum esse 
decernimus. Uolumas etiam ad exemplam pr^decessornm nostromniy 
ut illa dumtaxat obesse uobis possit praescriptio, qa§ sanctae Ro- 
man§ ecclesiae iaxta sanctornm patrom institnta nocere potest . . . . ^) 
Si qua igitur in futarnm ecclesiastica s^cnlarisae persona hanc 
nostr^ institationis paginam sciens contra eam temere uenire 
temptanerit; secondo tertioae monita si non satisfactione congraa 
emendauerit , potestatis honorisque sui dignitate careat reamqae 
diuino inditio se existere de perpetrata iniquitate cognoscat et a 
sacratissimo corpore et sangnine dei et domini redemptoris nostri 
lesu Christi aliena fiat atque in extremo examine districtae nl- 
tioni subiaceat. Conseroantes internenientibns beatornmapostolomm 
Petri et Pauli meritis omnipotentis dei gratiam et aetemae foe- 
licitatis praemia consequantor. Amen. Amen. Amen. 

(R.) Ego Innocentius catholicae ecclesiae episcopus ss. (BV.)*) 
f Ego Conradus Sabinensis episcopus ss. 
t Ego Albertus Albanensis episcopus ss. 
t Ego Stepbanus Fraenestinus episcopus ss. 
f Ego Gherardus presbiter cardinalis tituli sancte Crucis in 

Hierusalem ss. 
f Ego Anseimus presbiter cardinalis tituli sancti Laurentii in 

Lucina ss. 
f Ego Guido sanctae Romano ecclesi^ indignus sacerdos ss. 
f Ego Stantius presbiter cardinalis tituli sancte Sabinae ss. 
f Ego Boetius presbiter cardinalis tituli sancti Clementis ss. 
f Ego Rainerius presbiter cardinalis tituli sancte Priscae ss. 
t Ego Goizo*) presbiter cardinalis tituli sancte Caecili§ ss. 
f Ego Thoma*) presbiter cardinalis tituli sancte TJestin^ ss. 

f Ego Gregorius diaconus cardinalis sanctorum Sergi 

et Bachi ss. 
f Ego Otto diaconus cardinalis sancti Georgii ad TJelnm 
aureum ss. 


k) Seno. 


1) Sais unyollendet. 

2) Hier folgen erdichtete Beglanbignngext Ton vier Notaren der rOmiichen 
EircbOy die in Gegenwart des Cardinais und Kanzlers Almericns die Copie mit 
dem Original verglichen haben; so lautet z. B. die erste Formel: Exemplani et 
auscultaui coram Alnierico sanct^ Romanae ecclesi^ diacono cardinali et caii* 
cellario et cum originali reperi concordare ego Ubalconni sanctf Rom. eccl(efiae) 
notarius. 

3) Am 18 Mai 1140 war noch Littifredos presb. oard. tit s. üestine. 


Papstarkunden aus NonaDiola, Modena und Verona. 261 

f Ego Guido diaconas cardinalis sanctorum Cosme et 

Damiani ss. 
f Ego Uassalas diaconas cardinalis sancti Eustachi ss. 
t Ego Ubaldus diaconus cardinaUs sancte Marie in Uia 

lata SS. 
f Ego Octauianos diaconas cardinalis sancti Nicolai in 

Carcere ss. 
f Ego Habaldas diaconas cardinalis sancti Adriani ss. 

Datam Laterani per mannm mei Aimerici'^ sanct§ Romanae 
ecclesiae diaconi cardinalis et cancellarii, XV kalendas lanii, indic- 
tione III, incarnationis domini anno MCXL, pontificatas uero domini 
Innocentii pap^ secandi anno andecimo. 


l) Almeiico. 


3. 


Lacitis IL bestätigt dem Vitalis, Erzpriester der Kirche zu Cisano, 

das Gebiet der Kirche^ sowie es der verstorbene Bischof Bcrna$d von 

Verona ihm zugewiesen hat^). 

Born 1145 Jantuxr 9. 

Orig. beschädigt. Verona Archivio capitolare. 

Ungenügendes Regest bei v, Pflugk-Harttung Iter S. 238 

Nr. 412 und darnach J-L. 8701. 

Lncias episcopas seruas seruoram dei. Dilectis filiis Yitali ar- 
dupresbitero Cisianensis ecclesi§ | eiasqae fratribus salutem et 
apostolicam benedictionem. Qae a fratribas nostris episcopis et 
ecclesiarum dei rectoribas | rationabili Providentia statuantar, in 
8iia aolomos stabUitate persistere, et ne | praaoram bominam oa- 
leant refragatione tarbari, sedis apostolic^ manimine roborajre. 
Eapropter, dilecte in domino fili V. archipresbiter , tais iastis 
postolationibos | clementer annaimas et territoriom Cisianensis 
6ccle8i[§], quemadmodam per Bemarjdam bone memorie Uero- 
nensem episcopam sascep[tis] exinde legitimis testibus | rationa- 
biliter designatam est, [tibi tajisque saccessoribas confirmamas et 
eanjdem designationem ratam manere censemas. Si qais aatem 
contra haius | nostr^ confirmatioms paginam sciens temere uenire 
temptauerit, secando tercioue com|monitas si non reatum säum 


1) Qleichlaotend mit diesem Privileg daa Eagens III. ▼. 1 145 April 23. 
J-L. 8787. 


262 M. Elinkenborg, Papaturkunden in Nonantola, Modena and Verona. 

digna satisfactione correx[erit, indignajtionem | omnipotentis dei et 
beatorem Fetri et Pauli apostolormn eios se nouerit incursartim. 
Data Rome y. id. lan. | 

B. 


4. 

Eugen IlL überträgt dem Bischof J(ohann) von Padua die Eni- 
Scheidung in einem Streite /zwischen den Canonikern von Verona und 
dem G. de sando Petro in Goidi und in einem anderen ewischen den- 
selben Canonikern und dem Scanfominus über den Besite gewisser 

Güter, 

(1148—1153). 

Lib, privüegiorum f. 88. Verona Biblioteca capitolare. 

Die Datierung 1148^1153 ist durch die Regierungsaeit des 
Papstes und des Bischofs gegeben. 

Ungenügendes Regest bei v. PflugTc-Harttung Iter 8. 246 
Nr. 462 und darnach J-L. 9668. 


6. 

Lucius III. bestätigt dem Propst Bonefatius und den Canonikern 

von Modena die Rechte, die sie bei Beerdigungen in und außerhalb 

der Stadt haben. 

Anagni 1184 Februar 28. 

Orig. Modena Ärchivio capitolare. 

Ungenügendes Regest bei v. Pflugk-Harttung Iter S. 299 

Nr. 780 und darnach J-L. 14988. 

Apostolice sedis benignitate. 
Dat. Anagn. lU. kal. Martii. 


Papsturkunden in Brescia und Bergamo. 

E^ Reisebericht 
von 

M. Elinkenborg. 

Vorgelegt yon P. Kehr in der Sitzung vom 31. Juli 1897. 

Wie in Nonantola, Modena und Verona, so habe ich anch in 
Brescia nnd Bergamo von Seiten der italienischen Archivare die 
liebenswürdigste Unterstützong gefonden. Zu großem Danke bin 
ich Herrn A. Yalentini zu Brescia, der sich nm die Erforschung 
der Geschichte seiner Vaterstadt sehr verdient gemacht hat, nnd 
der mir mit seinem Kate stets zur Seite stand, verpflichtet. Anfs 
bereitwilligste erfüllten die Beamten der Biblioteca Qoiriniana 
meine Wünsche; von Seiten der Canoniker warde mir die unbe- 
schränkte Benutzung des Capitelarchivs gestattet. Im Comunal- 
archiv fand ich an Cav. Dr. P. S.izzini einen liebenswürdigen 
Fährer, der mich auch bei dem Presidenten des Spedale civico 
einführte. Die Benutzung des Archivio dello spedale civico wurde 
mir durch den Aw. N. Tamburini und durch Herrn Quaglia er- 
leichtert. Im Staatsarchiv fand ich an dem Director desselben, 
Herrn Livi, einen über die Brescianer Geschichte genau unter- 
richteten Berater. In Leno waren der Sindaco und sein Secretario 
P. Prestini sehr entgegenkommend, in Salo wurde mir vom Arci- 
prete der Zutritt zum Archiv gestattet. In Bergamo lernte ich 
den liebenswürdigen Präsidenten der Bibliothek, den italienischen 
Senator G. B. Camozzi Vertova und den Direktor Mazzi kennen, 
die mir die Bibliothek, trotzdem sie geschlossen war, zu benutzen 
gestatteten. Die Schätze des Capitelarchivs machte mir D. Giu- 
seppe Bonnetti, ein genauer Kenner der Geschichte seines Heimat- 
landesi zugänglich; er vermittelte mir zugleich die Benutzung des 


264 ^* Elinkenborg, 

Archivio vescovile und des Archivio del monastero di s. Grata. 
Daß ich im Archivio della misericordia arbeiten konnte, verdanke 
ich der Liebenswürdigkeit des Avv. C. Quarenghi, 

I. Brescia. 
Biblioteca Quiriniana. 

Der Biblioteca Quiriniana sind viele Urkunden aus den Klö- 
stern s. Salvatoris et lulie, s. Marie in Manerbio, ss. mart3n*um 
Faustini et lovitae und s. Petri de Flumicello einverleibt. Die 
älteren Originale, die kein Siegel haben, sowie alle Copien sind 
dem von Federico Odorici angelegten Codice diplomatico Bresciano 
eingeheftet. Die unter ihnen befindlichen Papsturkunden hat in 
den Wiener SB. 94 S. 632 Kaltenbrunner verzeichnet, der nicht 
einmal die wertlosen Copien des XIX. Jahrhunderts, die Drucken 
(Zaccaria und Gradonico) entnonunen sind, übergangen hat. Da- 
gegen hat er die Pergamene con sigillo, unter ihnen päpstliche 
Originalurkunden, nicht berücksichtigt. 

Die auf die Geschichte Brescias bezüglichen Mss. der Biblio- 
thek boten im Ganzen wenig Ausbeute ^), dagegen fand ich in den 
Mss. A. IV. 17 — 24, die für die vom Cardinal Quirini geplante 
Geschichte der italienischen Klöster angelegt wurden, viele Papst- 
und Kaiserurkunden aus den verschiedensten Klöstern Italiens. 
Sie hier zu verzeichnen, dürfte wenig Zweck haben; ich habe 
mich darauf beschränkt, ergänzende Mitteilungen aus ihnen für 
die Archivberichte von s. Peter in Modena und s. Maria in Pom- 
posa zu machen. 

Der folgende Bericht ordnet die Papsturkunden nach ihren 
alten Provenienzen unter Hinzufügung der heute gültigen Biblio- 
theksignaturen ; fehlt letztere, so sind die betreffenden Urkunden 
im Codice diplomatico. 

Monasterium s. Salvatoris et luliae. 

Ein guter Index über das Archiv von s. Salvator und lulia 
von Astezato aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts wird jetzt 
in der Biblioteca Quiriniana aufbewahrt: Ms. G. IV. 1. vgl. 


1) Ich weise hier darauf hin, daB nach Mb. G. I. 10 die Originale der 
Papttorkunden der Abtei Leno im Jahre 1591 noch cum Teil Torhanden waren. 
In Leno selbst konnte mir über den Verbleib des Ärohirs niemand Anskanft 
geben. 


Papstarkanden in Breacia and Bergamo. 265 

A. Valentim Codice necrologico liturgico del monastero di s. Sal- 
vatore o s. Giolia in Brescia, Brescia 1887, S. 177 Note 2. Anf 
Seite 544 beginnen die Diplomi pontificii ed ecclesiastiei. Hier 
werden nicht mehr Papstorkunden aufgezählt, als heute in der 
Biblioteca Quiriniana erhalten sind; wichtig sind jedoch die sehr 
genauen Siegelbeschreibungen, da die Siegel dieser Urkunden fast 
alle verloren sind. 

Von den Urkunden des Klosters s. Georgii de Monte claro 
dioecesis Brixiensis, das im 15. Jahrhundert mit dem Kloster 
8. Salvator und Julia vereinigt wurde, habe ich keine Spuren ge- 
funden; es hatte folgende Papstprivilegien: Lmocenz II., Eugen 
HL, Urban lU. und Coelestin HL J-L. 17157 1). 

Originale. 

Nicolaus n. 1060 V. 5. J-L. 4436«). 

Paschal U. 1106 V. 11. J-L. 6082. 

Calixt n. 1123 IV. 3. J-L. 7049. 

Lmocenz H. 1132 Vin. 30. J-L. 7594. 

Eugen in. 1148 IX. 8. J-L. 9293. 

Eugen in. 1152 VL 9. J-L. 9589. 

Hadrian IV. (1157—1159) H. 18. J-L. 10480»). 


1) Pennoti Ord. der. canon. hist. (ed. Coloniae) 8.815 und S. 630. Ebento- 
weoig ist es mir gelangen, doa Archiy des Klosters s. Petri in Olineto za finden. 
Soweit ich sehe, ist nur eine Papstnrkunde unserer Periode fQr dasselbe bezeugt: 
Innocens U. best&tigt die dem Kloster vom Bischof Odalricus von Brescia ge- 
machten Schenkungen 1 132 VIII. 30. Brescia (fehlt bei J-L.)i vgl. (Luchi) Mo* 
numenta monasterii Leonensis p. XVI (ez CoUectaneis de episcopis Briziae Ms. 
in; bibliotheca patrum oratorii Briziani). Eine Abschrift der Urkunde scheint 
in dem Ms. der Marcusbibliothek zu Venedig CL V n. 17 Luchi Codez dipl. Briz. 
nach den Angaben Kaltenbrunners in den Wiener SB. 94 S. 647 nicht vor« 
banden zu sein. Die Diplomata s. Petri in Oliueto Briziae (Biblioteca Aidini 
so Paria Nr. 81) kenne ich nur durch Bethmann, Pertz* Archiv XII S. 624. 

2) Die Urkunde ist von LOwenfeid zu 1060 V. 5 gestellt, ohne darauf hinzu- 
weisen, daB das Datum der Scriptumzeile mit dem der Datumzeile in Wider* 
Spruch steht: scriptum .... sezta die mense maii, dagegen: datum Rome IIl. 
Bonas mai. Abgesehen von der in dieser Zeit auffallenden fortlaufenden Tages- 
z&hlang in der Scriptumzeile (vgl. BreBlau Urkundenlehre S. 823), will die 
Urkunde am 6. Mai geschrieben, aber vom 5. Mai datiert sein. An eine Nach- 
tragang der Scriptumzeile, die sonst nachweisbar ist (Mittheil, des Osterr. Insti- 
tuts IX 8. 11) und ein späteres Datum in ihr erklären kOnnte, ist bei der 
Gleich heit der Schrift und Tinte des Conteztes und dieser Zeile nicht zu denken* 
Ist hier ein Irrtum anzunehmen? 

8) bei J-L. unter Nr. 10284 und Nr. 10480 verzeichnet: beide sind iden- 
tiseh, so daB Nr. 10234 zu streichen ist. 

K|L 0«L 4. Wia. RsehrlcktMU PUlol«f .-Uitor. Kla«t. 1897. BiU 8. 18 


^66 U- Klinkenborg, 

Alexander HI. 1160 I. 20. J-L. 10623 «)• 
Lucius m. 1184 Vni. 17. J-L. 15068»). 

Einzelcopien : 

Faul L 762 X. 26. J-L. 2350. Cop. s. XI and Notariatsinstr. 

s. XI. 
Nicolaus n. 1060 V. 16. J-L. 4436»). Cop. s. XH. 
Alexander H. 1063 IV. 19. J-L. t4542*). Cop. s. XH. 
Innocenz U. (1138—1143) V. 1. J-L. 18307. Cop. s. XV. 

Monasterium s. Mariae Minerviensis. 

Oriffinale. 

^oelestin H. 1144 L 29. J-L. 8486. s. Anhang. 
Eugen m. 1146 IX. 18. J-L. 8979. Fergamene con sigillo. 

8. Anhang. 

Monasterinm s. Petri de Flumicello. 

Original. 

Anastasius IV. 1153 XH. 9. J-L. 9774. 


1) J-L. 10622 ideotisch mit J-L. 10623, so daß J-L. 10622 lu streichen ist 

2) Datam: XVI kal. sept. 

8) von EloBterband (dieselbe Schale wie J-L. 1^542) geschrieben, kein 
Or. wie Kaltenbrunner Wiener SB. 94 S. 632 will. 

4) Die Fälschung ist interessant, weil sie, was das EschatocoU anlangt, auf 
Silvester IL J-L. 3901 fQr Leno beraht: 

Silvester II. J-L. 3901. Alezander IL J-L. t4542. 

Scriptum per manum Äntonii re- Scriptum per manum Antonii re- 

gionarii notarii et scriniarii sancte Ro- gionarii et scriniarii sanctf Roman^ 
mane ecclesie indictione XII. Datum ecclesie indictione I. Datum IIIX kaL 
decimo tertio kalendas niaii per ma- madii per manum lohannis episcopi 
num loannis episcopi sancte Albanen- sanct§ Albanensis f cclesif et biblio- 
sis ecclesie et bibliotbccarii sancte Ro- thecarii sanctf Roman^ ^cclesi^, anno 
mane ecclesie ut supra in mense et domini nostri lesu Christi MLXIII, 
indictione suprascripta duodecima, anno vero III pontificatus domini papf 
anno pontificatus domni SiWestri iu- Alezandri innioris, indictione snpra- 
nioris pape primo. scripta. 

Das Verh&ltniB gebt daraus klar hervor. Wichtig ist auBerdem, daB der 
Fälscher von J-L. 'fAbi2 die ganie Unterschrift aus J-L. 3901 entnommen bat, 
nämlich das BV. und die darauf folgenden Noten Qerberte. Die ganse Unter- 
schrift: Chrismon, BV. und Noten stimmen genau mit der Nachieiohnung der 
Unterschrift Qbereio, die in der Copie der Quedlinburger Gerbert-Urkunde auf- 
bewahrt wird ; vgl. Facsimile bei Ewald, Neues Archiv IX S. 821 Tafel D. Auch 
das Formular der Urkunde: Convenit apostolico moderamini kOnnte einem Pri- 
vileg für Leno entlehnt sein, denn hier sind Urkunden mit diesem Formular (Be • 
nedict VIII. J-L. 4026) vorhanden, während es fQr s. Salvator und lulia sonst nicht 
nachweisbar ist — Der Inhalt entspricht den Obrigen Privilegien für s« Salvator. 


Paptturkonden in Breacia nnd Bergamo. 267 

Monasteriam ss. martyram Faastini et lovitae. 

OriginaL 

Urban m. 1187 IX. 20. J-L. 16000. Pergamene con sigillo. 

Copialbücher. 

Monimenta ex archivio monasterii ss. Fanstini et lovitae 

Brixiae in Ms. £. I. 11. Papierband s. XVII. 
CaUxt n. 1123 IV. 3. J-L. 7060^). 
Urban m. 1187 EL 20. J-L. 16000. 
Clemens HI. 1188 L 26. J-L. — s. Anhang. 
Calixt IL 1123 IV. 3. J-L. 7060 ») (Auszug). 
Innocenz H. 1132 VIH 10. J-L. 7590^. 

Archhfio capitolare. 

Das Archiv ist von deutschen Forschern bisher nicht benutzt 
worden; es befindet sich in großer Unordnung. Ein Register mit 
dem Titel: Archivio del reverendissimo capitolo della cattedralc 
di Bresda in vier Bänden wurde im Jahre 1762 von Franc. Ga- 
daldo de'Signori vollendet und ist nach sachlichen Gesichtspunkten 
eingeteilt. Bd. I. Giurisdizioni del rev. capitolo della cattedrale 
verzeichnet auf S. 140 die Papsturkunden mit genauer Angabe 
ihres Aufbewahrungsortes (nicht gefunden habe ich Urban UL 
J-L. 15710 Abschrift in Reg.^ N. f ^ 19). 

Originale. 

Eugen m. 1148 IX. 9. J-L. 9295. 
Hadrian IV. 1159 VL 28. J-L. 10578»). 
Alexander DI. 1175 VUI. 10. J-L. 12513*). 
Urban HI. 1186 XU. 10. J-L. 15710*). 

Einzelcopien. 

Eugen ni. 1148 IX. 9. J-L. 9295 «). Copie v. 1686 im Processo 
Mazzo 2 n. I. A. 

Hadrian IV. 1159 VL 28. J-L. 10578. Copie v. 1686 im Pro- 
cesso Mazzo 2 n. L A. 


1) Copie (Or.-Nachbildung) im Staatsarchiy xa Mailand. 

2) Or. IQ Mailand im StaaUarohiy. 

3) Jncipit. Qaotiens illud a. 

4) Incipit. 8i quando. 

5) Incipit 8i quando. Datum: IV id. dec. (aach die moderne Copie im 
Cod. dipL BreMiano, die Kaltenbninner Wiener SB. 94 S. G8S benntst hat). 

6) Dae Blatt mit Enges III. J-L. 9295 habe ich nicht gesehen: es scheint 
jetat la fehlen. 

18* 


268 ^* Elinkenborg, 

Alexander HI. 1176 Vm. 10. J-L. 12513. Copie v. 1686 im 

Processo Mazzo 2 n. I. A. 
Urban m. 1186 XU. 10. J-L. 15710. Copie v. 1686 im Pro- 

cesso Mazzo 2 n. L A. 
Urbanin. 1186 XU. 10. J-L. 15710. Notariatsinstr. v. 1535 V. 10. 

Archlvio di 8tato. 

Es hat außer dem erst kürzlich erworbenen Original von 
Alexander IH. 1177 VIU. 2. J-L. 12905 1) nur jüngere Bestände. 
Dieses Privileg beabsichtigt der Direktor des Staatsarchivs, Livi, 
herauszugeben. 

Archlvio dello 8pedale civico. 

Das Archiv des städtischen Spitals bewahrte bis vor einiger 
Zeit ungeteilt die Archive des Klosters s. Eufemie in Monte digno 
bei Brescia seit seiner Aufhebung 1797 und des Klosters von Ro- 
dengo auf; jetzt ist ein großer Teil dem Archivio municipale zu 
Brescia übergeben, ein anderer Teil befindet sich noch jetzt im 
Archiv des Spitals. 

Die Papsturkunden entstammen alle dem Archiv von s. £a- 
femia, sie sind in einen Großfolioband eingelegt: Baccolta doca- 
menti relativi agli spedali civici di Brescia. Ein Copialbuch, das 
nach dem Repertorio vorhanden sein muß, habe ich nicht gefunden. 
Auch ungedruckte Kaiserurkunden besitzt das Archiv von s. £a- 
femia: sie beginnen mit Heinrich IV. (vgl. Astezato, Evangelistae 
Manelmi Vicentini comment. de quibusdam gestis in hello Grallico 
etc. Brixiae 1728. S. XXI). 

Originale. 

Innocenz U. 1132 VI. 13. J-L. 7605. s. Anhang. 
Alexander HI. 1170 VIU. 22. J-L. — s. Anhang. 
Urban III. 1186 VIU. 11. J-L. 15661 «). 

Einzelcopie. 

Calixt U. 1123 IL 10. J-L. 7012. Cop. s. XH. 

Archivio comunale di Brescia. 

Alexander m. 1169 L 30. J-L. 11590. Notariatsinstr. v. 
1504 in. 15. aus dem Archiv von s. Eufemia s. oben. 


1) MiBcellanea Zamboniana. Godice antografo presio il aobile Clemente 
Boaa (Odorici Storie Bresciane Vi 8. 84) habe ich nicht benutien kOnnen; in 
ihnen steht anBer Alezander in. J-L. 12905 auch Urban VI. J*L. 15848. 

2) Inoipit: Qaoüeni a nobia. 


Papstarkimden in Brescia and Bergamo. 269 

U. Bergamo. 
ArchMo capitolare. 

Die Papstarkxinden des Archivio capitolare hat Kaltenbranner 
in den Wiener SB. 94 S. 630 verzeichnet; daß sein Bericht un- 
vollständig sein mußte, zeigte ein Vergleich mit den von Lupi aus 
dem Capitelarchiv benutzten Urkunden. Fast alle bei Kalten- 
brunner fehlenden Urkunden wieder aufzufinden war möglich. 
Ich gebe sie hier als Nachtrag zu Kaltenbrunners Verzeichnis. 
Zugleich hebe ich hervor, ohne im Einzelnen darauf hinzuweisen, 
daß eine ganze Beihe von päpstlichen Mandaten, die Ealtenbrunner 
fiir Originale gehalten hat, in Wirklichkeit Copien sind. 

Folgende Originale fehlen bei Kaltenbranner: 

Alexander HE. 1180 Vn. 8. J-L. 13678. 
Alexander IH. 1180 VH. 8. J-L. 13679. 
demens IH. 1190 VL 21. J-L. 16512 '). 

Zu den von Kaltenbranner verzeichneten Einzelcopien kommen 
hinzu*): 

Paschal II. 1109 IV. 26. J-L. 623B 2 Cop. s. Xm, eine ein 
Notariatsinstr. 

Innocenz II. 1135 VT. 19. J-L. 7720 Cop. s. XIII Noteriatsinstr. 

Coelestin 11. 1143 XU. 1. J-L. 8446 Cop. s. XJH. 

Anastasius IV. 1154 IV. 21. J-L. 9870 Notariatsinstr. s. Xm. 

Urban IH. 1187 L 12. J-L. 15928 Cop. s. XVH aus Notariats- 
instr. V. 1353 IX. 26. 

Gregor VHI. 1187 XI. 10. J-L. 16044 Notariatsinstr. s. XIH. 

Gregor Vm. 1187 XL 10. J-L. 16045 Notariatsinstr. s. XUI. 

aemens m. 1188 IV. 7. J-L. 16199 Cop. s. XHI. 

aemens m. 1188 IV. 8. J-L. 16200 Cop. s. XTTL 

Clemens IH. 1188 IV. 9. J-L. 16202 Cop. s. XTTT. 


1) Von Clemens IH. J-L« 16512 sind twei Originale Torbanden , Ton denen 
Kaltenbranner nur eint Teneichnet hat; beide stimmen genau mit einander 
Oberein, intbeeondere auch in den ünterscbrifben der Cardin&le. 

S) Daia folgende Bemerkungen: Innoceni II. J-L. 8291 (nur nach Kalten- 
bnurner Wiener 8B. 94 8. 658 eitiert) gedr. bei Celettino Hitt di Bergamo 11^ 
8. 485 i Lneioa IL J-L. 8642 bat das Datnm XVL kal. inlü, nicht XIV. kal. iul. 
wie Kaltenbranner Wiener 8B. 94 8. 660 angiebt» Gregor Vm. J-L. 16045 hat 
all Datum IV. id. noTemb., nicht wie Lupi Cod. dipL Berg. n. 1885 und da- 
nach J-L. 16045 HL id. noTemb. haben. 


270 M. Elinkenborg, 

Archivio vescovile. 

Hier habe ich weder Abschriften noch Originale von Papst- 
arknnden gefanden : auch im über censoalis episcopi Barotii sind keine 
Fapsturkunden. Dagegen bemerke ich, daß ich hier ältere Kaiser- 
Urkunden im Original gesehen habe , die seinerzeit Breßlaa (vgl. 
Neues Archiv m S. 98) vorenthalten sind. 

Archivio deiia ml8ericordla. 

Das Archiv ist gänzlich ungeordnet; ein Fascikel mit Urkun- 
den von 1153 an ließ sich nicht auffinden: doch glaube ich nicht, 
daß es Fapsturkunden enthält. 

Archivio dei monastero di 8. Grata. 

Das Archiv selbst habe ich nicht gesehen , doch wurde mir 
auf eine Anfrage in liebenswürdiger Weise versichert, daß außer 
den mir vorgelegten Papsturkunden keine anderen unserer Pe- 
riode vorhanden seien. Es wird sich in der That so verhalten. 

Originale. 

Urban HI. 1186 IX. 20. J-L. 15670. 
Urban HI. 1187 VI. 2. J-L. 16986. 

Einzelcopien. 

Leo IX. (1049-1053) VI. 8. J-L. f 4286^). 

Bibiioteca civica. 

In der Bibliothek wird unter Glas das Original von Johann 
XVm 1004 October J-L. 3942 aufbewahrt, ein Papyrusfragment, 
das Breßlau in den Mitth. des österr. Instituts IX S. 8 ausfuhr- 
lich besprochen hat, doch bemerke ich, daß noch etwas mehr zu 
lesen ist, als Breßlau dort angiebt ^). Das Fragment ist am Ende 
des vorigen Jahrhunderts auf Befehl der Napoleonischen Regierung 
zugleich mit vielen Kaisernrkunden aus dem Archivio capitolare ge- 


1) Trotz der bisherigen, sehr sohlechten Dracke (auch bei Celestino Hist 
di Berg. II> S. 421) kann die Beurteilung der Urkunde nicht zweifelhaft sein. Sie 
ist eine Fälschung, entstanden um den Besitz des Kastells Samico au vertei- 
digen, das dem Kloster um 1170 yon den Grafen Martinengo zu Brescia streitig 
gemacht wurde. Der ProceB wurde auf Grund des PriTÜegs Leos IX. zu Gun- 
sten des Klosters entschieden (ygl. Ronchetti Memorie storiche di Bergamo UL 
8. 142 und Odorici Storie Bresciane V. 8. 146). Best&tigt wurde der Besitz tob Sar* 
nico dem Kloster durch die beiden PriTÜegien ürbans III. 

2) Ughelli Italia sacra VI. 8. 368, Tgl. Lupi Cod. dipl. Bergom. I 8. 762 ff^ 
Marini I papiri 8. 287. 


Papstnrkonden in Brescia and Bergamo. 271 

nommen und der Bibliothek übergeben worden. Wann es in das 
Archiv gekommen ist, kann nicht sicher festgestellt werden. TJghelli 
hat es seiner Zeit im Vaticanischen Archiv benatzt and erzählt, daß 
der Bergamasker 6. Battista del Fozzo , der Vertreter des Bis- 
tums in Kom, die ürkande dem Papste Paul V. geschenkt habe, 
der sie dann dem Vaticanischen Archiv überwiesen habe. Woher 
G. B. del Pozzo die Urkunde erhalten hat, ist nicht bekannt, 
schwerlich aus dem Kapitelarchiv za Bergamo. 

Zur Zeit Ughellis befand sich noch das Siegel an der Ur- 
kunde: cordula alligata huius originalis diplomati, ut vidimos, 
serica est auri et rubri coloris. Eine Abbildung des Siegels bei 
Ugholli a. a. 0. ^). 


AnnJuing» 

1. 

Tasckdl IL nrnnU das Kloster s, Maria di Pomposa in den Schute 
der römischen Kirche^ bestätigt dessen GiUerbesitsf und legt ihm dafür 
einen jahrlichen Zins von 3 Solidi auf. 

Aussug in Ms. Ä. IV. 18 f 301. saec. XVIII. Brescia 'M\io- 
teca Qutnniana. .' 

Die Urkunde Paschais II. gehört , wie der ZuscUkvher äenjäir- 
lichen Zins in dem Auszüge eeigty noch der öiiarm'Meihe päp^^ 
licher Privilegien für Pomposa an (vgl. Leo ix.J'Ij.,4]iw'üna 
Benedict Vlll. J-L. 3999) * - ' ^ " ^J ' -^ ^^ ^ ' -fc- ".«.* 

7168 hat sich der Inhalt 

Pascalis papa secnndas priaUepMT'iSöiJäbdrt'' <i^Ü^taliati''äBMUd 
sanctf Mari^ de Fomposia. 19^6" Jib^ cß^dili^ "^doillM'ii ffi"ä# 
stoUc? sedis seruitium promoföÖ-^fee'^'fctJSäßlciffitt'ä^' ^"1 ."".''^t?- 
minantor ibi qu^dam lociT'^dW 'SP^i'^^"'P\r^i0s'''i]ipMuh\lä. 

a) fehlt ini'Kjzo hiirnixiib «lufinimofr ^'.ii'i([(n([ nnff ^.uJij/p 
^ '/ruiVl MtOfUiH ijrioijin nun 'jun'nlqulll y))ri/;>. i'vnl 

1) Der I>ro<dl)lleiriiPrk^«i«iotoJf:^P^WlHl9M «f^t^^^KK ftttti;fbhe\U>(?S- 
S. 868 sind in den Codex XL. 11 der Barberina ta Rom abecgegftsgen :_ beides 
find in ihm t. Pflngk-Harttang , der die ürkftnM IM* «mil^eHiwhe^Tezt 
in den ÄoU II. 8. 15 Nr. 42, ohne den Zuiammenhang eu a h ne n, wiedW ah- 
dracken lief ond rie Johann IV. 640 OottbOVkaäB%ri4h,iiilflai«rf fiiMii'^^egel- 
abftiUlteg»«! 4M0St^tmfciaiW,Oia6vNiiqdOna<h den^Mi^JMQ^ilAJ^i^. 



272 ^* Elinkenborg, 

Reseruautur tres solidi sanct? Roman^ ecclesi§ actionariis persol- 
uendi. Dicit, quod nulli archiepiscopo nnllique episcopo liceat mo- 
nasterio grauamen inferre etc. Nulla regi§ aut imperialis iaris- 
dictionis fit mentio, sed solxun apostolicQ tnitionis. 


3. 

Innocenz IL bestätigt dem Kloster s. Eufemia eu Brescid seine 
Rechte und seinen Güterhesitst. 

Fiacenea 1132 Juni 13. 

Orig. Archivio dello spedale dvico au Brescia. 

Erwähnt ist die Urkunde bei Quaglia Ärnaldo da Brescia 
S. 31 und danach bei J-L. 7605 eu 1133 Jan. 16. 

INNOCENTIUS EPISCOPUS SERUUS SERUORTJM DEI. DI- 
LECTO FILIO PETRO ABB ATI MON ASTERH S ANCTE EUPHE- 
MI^ QUOD IN BRIXIENSI PARROCHIA IN LATERE MONTIS 
QUI DIGNUS DICITUR SITUM EST EIUSQUE SUCCESSO|. 
RIBUS REGULARITER SUBSTITUENDIS IN PERPETUUM. 
Officii nostri nos hortatar anctoritas pro ecciesiamm stata sata- 
gere et earnm qoieti et ntilitati salubriter aaxiliante domino pro- 
nidere. Dignam namqne et | honestati' conueniens esse cognoscitar, 
ut qni ad ecclesiaram regimen assnmpti samns, eas et a pranoraxn 
bominam neqnitia taeamar et beati Petri atqne apostolicQ sedis pa- 
trocinio maniamns. Qnocirca, dilecte in Christo jfili Petre abbas, 
tnis rationabilibus postolationibas clementias annaentes ad exem- 
plnm predecessoris nostri pi§ recordationis ''^ pape Calixti *) mona- 
sterinm sanctQ EaphemiQ, cai aactore domino presides, | sanet^ 
RomanQ ecclesiQ toitione ac patrocinio commnnimas. StatncnteSi nt 
qaecamqne bona sen possessiones ad idem monasterium in presen- 
tiarom inst^ et legittime pertinere noscnntur ant | in futurnm con- 
\ cessione pontificnm, largitione regom nel principnm, oblatione fide- 

I liam nel aliis instis modis eidem conferri domino aaxiliante con- 

! tigerit, firma tibi toisqne snccessoribas et illibata permaneant. | In 

quibns hec propriis nominibas dnximos exprimenda: castrom oide- 
licet sanctf Enpbemi^ com capella sanctQ Mari^ , cortem Bnzani, 
Zoco, RainQ, Siluol^, cortem Ra[g]iatem') com Castro et capella 


a) nostri pi^ recor auf Baaur. 


1) Gemeint ist Galixt II. J-L. 7012. 

2) Ich ergfinse d^A g an« der Copie von Calixt II. J-L. 7012 , wo ebenfkUs 


Papstorkondeo in Brescia und Bergamo. 273 

sancti Petri, dao | maseritia in üirle posita, Bistone, alpes Le- 
tine, medietatem cortis de Maiano cum castro, tnrribos et capella 
sancti Bartholomei et sanct^ Margarit^, medietatem castri Car* 
ziagi, qoicqnid habetis in plebe Ganardo | et in plebibns Salaade, 
Hathemo, Toscnlano, Gargniano, in Brixia casam nnam terraneam, 
in Franciagola sex iogera nineamm, in Cnbiade sortes sex, in loco 
qni dicitor Uillo capellam sanctQ Enphemi^, in Fontasio massa- 
ritiae^> qnattnor, | in Barne sortem anam cum familiis, in plebe Cioi- 
dade petias nineamm'^^ qaattnor, in Lanze sortes dnas com fa- 
miliis, in Paschardo nnam, in Mardo nnam et in Anne nnam, inxta 
flnniam Mellis'') cnrtem Cenl§ cnm Castro | et capella sancti Mar- 
tini, in Cassinico sortes tres, in Caline sortes dnas, in Miliano et 
in Mistriano corticellam nnam, castrnm Bodeliannm cnm capellis 
sancte Mari^ et sancti Andrej, in Corzano corticellam nnam cnm 
familia, in Dnnello | sortes octo cnm capella sancti lohannis, in 
Carso capellam sancti Lanrentii cum tribns sortibns. Obennte 
aero te nunc einsdem loci abbate nel taornm qnolibet snccessomm 
nnllns [i]bi qnalibet snrreptionis astatia sen niolentia | preponatar, 
nisi qnem fratres commnni consensa nel fratrnm pars consilii 
sanioris nel de sno nel de alieno, si oportnerit, collegio secnndnm 
dei timorem et beati Benedicti regnlam elegerint a Brixiensi 
episcopo consecran|dnm , sicnt a Landolfo bon^ memoria Brixiensi 
episcopo noscitnr institntnm. Sane idem cenobinm in ea libertate 
manere sancimns , in qua predictns episcopns eins loci fnndator 
ipsom posnisse cognojscitnr. Decemimos ergo, nt nnlli omnino 
hominnm liceat prefatnm monasteriom temere pertnrbare ant 'eins 
possessiones anferre nel ablatas retinere, minnere nel temerarüs 
nexationibns | fatigare, sed omnia integra consementor eomm, pro 
quomm gnbematione et snstentatione concessa sunt nsibns omni- 
modis profntnra, salna nimirnm Brixiensis episcopi canonica reue- 
ren|ticL Si qna igitnr in posternm ecclesiastica secolarisne per- 
sona hanc nostrf constitntionis paginam sciens contra eam temere 
aenire temptanerit, secnndo tertione commonita | si non satis- 
fiskctione congma emendanerit, potestatis bonorisqne sni dignitate 
careat reamqne se dinino indicio existere de perpetrata iniqnitate 
cognoscat et a sacratissimo corpore | ac sangnine dei et domini 


5) 10 im Original. e) amm auf Basar. d) Mellis iweimal gatehriebeB» 
das artto dturebgetiriohen. 


cartem Bagiaiem iteht nnd nicht, wie Margarini Bnll. Cannenee II 8. 186 geletaa 
bat| eortea Besati. Die Namen des Drnokes bei MargariBi sind Tielfiuih fiüsch 
nnd kGnaen nach dieser ürkoade Terbeesert werden. 


274 M. Elinkenborg, 

nostri redemptoris lesn Christi aliena fiat atqae in extremo ex- 
amine districtQ ultioni subiaceat. Cunctis autem eidem loco iosta 
servantibns | sit pax domini nostri lesn Christi, qnatenns et hie 
fractnm bon^ actionis pereipiant et apnd distrietnm indicem premia 
QtemQ pacis inneniant. Amen. Amen. Amen. | 

(R.) Ego Innocentins catholic^ ecclesi^ episcopns ss. (BV). 
f Ego Ubertns presbiter cardinalis titnli sancti Clementis ss. 
f Ego Anselmus presbiter cardinalis titnli sancti Laarencü in 

Lncina ss. 
f Ego Goselinns '^ presbiter cardinalis titnli sancte Cecilie ss. 
fEgo Lncas presbiter cardinalis titnli sanctornm lohannis et 

Panli SS. 

fEgo Romanns diaconns cardinalis sanct$ Marif in Portion ss. 

Dat. PlacentiQ per mannm ATMERICI sancte Romane ecdesif diaconi 
cardinalis et cancellarii, idibns inn., indictione . x"'*, incamationis do- 

minioQ anno M.CXXX.UI., pontificatns antem domni INNocentii 
pape n. anno tertio. 

B . dep. 

e) doch wäre auch möglich Goselmos su lesen. 


8. 

Innocena IL verleiht dem Kloster s. Maria di Pomposa ein Privileg. 

Florenz 1132 Deeember 20. 

Auszug in Ms. A. IV. 18 f. 301. saec. XVIII. Brescia BiKio- 
teca Quiriniana. 

Die Urkunde ist wichtig fäs das Itinerar Innocenz^ IL, denn 
bisher war von einem Aufenthalt in Florenz (vgl. J-L. und 
Davidsohn, Geschichte von Florenz I 8, 413) nichts bekannt. Zu- 
gleich giebt sie neue Aufschlüsse über die Personen ^ die damals 
in der Umgebung des Papstes weilten. 

Inocentins secnndns einsdem tenoris prinileginm ') eidem Au- 
relio abbati concedit. Ideo in apostolicQ sedis cnlmine') dinina 
snmns pronidentia constitnti, nt ecclesiarnm omninm enram gerere 

a) falmine im Ms. 


l) Ein Annog aus der Urkunde Calizt II. J-L. 7168 flür Pompoia geht 
Toraof ; auf sie weisen diese Worte hin. 


PapstarkaDden in Brescia und Bergamo. 275 

debeamos etc. Chrisma, oleum sanctom, benedictionem abbatis, 
ordinationem monachomm nestrorum, consecrationem altariam ae- 
stii monasterii et eormn, qni in massa Lacas sancti sunt, a dio« 
cesano sosdpietis episcopo etc. 

Ego Inocentias catholicQ ecclesie episcopas. 
Ego Gnilelmus Frenestinns episcopns. 
Ego lohannes Ostiensis episcopns. 
Ego Lucas presbiter cardinalis titoli sanctorom lohannis et Pauli. 
Ego Adennlfos diaconos cardinalis sanct^ Mari^ in scola 

Greca *). 
Ego Odo diaconns cardinalis sancti Georgii adüelom aureom. 
Ego Azo diaconns sanct^ Romane ecdesi^. 

Datum Florenti^ per mannm Aimerici sancte Romane ecclesie dia- 
coni cardinalis et cancellarii, tertio decimo kal. iannarias, indictione 
decima, incamationis dominice anno MCXXXTTI, pontificatns domini 
Lmocentii pap^ secnndi anno m. 


4. 

Codestin IL nimmt das Kloster s. Maria in Manerbio in seinen 
Sckula und bestätigt dessen JBesiteungen und Rechte. 

Lateran 1144 Januar 29. 

Orig. Brescia Bihlioteca Quiriniana. 

Erwähnt hei Odarici Störte Bresciane V S. 99 und bei Kaltefi' 
brunner Wiener SB. 94 S. 659. Danach J-L. 8486. 

CELESTINUS EPISCOPUS SERUUS SERUORUM DEL DI- 
LECTIS IN CHRISTO PILIABUS CARECAUSE ABBATISSE 
ECCLESIE SANCTE MARIE SITE IN TERRITORIO CURTIS 
mNERuriEIUSQUE SORORIBUS TAM PRESENTIBUS QUAM 
FUTURIS REGULÄREM UITAM PROFESSIS IN PERPE- 
TUUM. I Qnoniam sine ner^ coltn religionis nee caritatis nnitas 
potest snbsistere nee deo gratnm exhiberi sernitiom, expedit apo- 
stolice aactoritati religiosas personas diligere et religiosa loca | 


1) In den pftpstlichen PriTÜegien untertchreiben lelieii diaeoni cardiaalM 
miete Marie in acola Qreca, die gewöhnlich den Titel: diaeoni eardiaalee 
■acte Bfarie in Cosmedin f&bren. AuBer dem nnr hier erwfthnten Adennlfns 
iet nur aoeh ein anderer Cardinal-Diacon Ton sancta Maria in leola Greea be- 
kannt : ein Stephanns, der tnr Zeit Calixtc II. lebte. 


276 M. Klinkenborg, 

sedis apostolicQ mnnijniiie confoaere. Eapropter, dilecte in domino 
fili^, uestris rationabilibus postnlationibns clementer annoimas et 
ecclesiam beatQ Marig, in qna dioino aacatis sernitio, sab beati 
Petri et nostra | protectione soscipimos et presentis scripti pagi** 
na communimus. Statuentes, at qaascumqne possessiones , qne- 
cnmqne bona eadem ecciesia in presentiarnm inste et canonice 
possidet ant in fatornm concessione ponti|ficam, largitione regam 
nel principam, oblatione fidelium sen aliis iostis modis deo propitio 
poterit adipisei, firma nobis et in posternm snccedentibos ac illi- 
bata permaneant. Decimas | quoqae, tcrras cultas sine incnltas et 
consaetndines rationabiles et cetera omnia, que a nenerabili fratre 
nostro Manfredo Brixiensi episcopo seu aliis dei fidelibns eidem 
ecclesie rationabiliter concessa sont, uobis nichil|ominus confirma- 
mus. Decernimns ergo, nt nalli oninino hominnm liceat prefatam 
ecclesiam temere pertnrbare ant eins possessiones anferre nel 
ablatas retinere, minuere sen qnibnslibet molesti|is fatigare, sed 
omnia integra conseruentur earnm , pro qnarnm gnbernatione et 
snstentatione concessa snnt nsibns omnimodis profntnra, saloa 
nimirnm canonica institia et reuerentia Brixiensis | episcopi et 
apostolicQ sedis anctoritate. Si qna igitnr in fatnrnm ecclesiastica 
secnlarisne persona hanc nostre confirmationis paginam sciens contra 
eam temere nenire temptanerit, s^cnndo tertione | commonita msi 
reatnm snnm congrna satisfactione correxerit, potestatis honorisqne 
sni dignitate careat reamqne se dioino iudicio existere de perpe- 
trata iniquijtate cognoscat et a sacratissimo corpore ac sangoine 
dei et domini redemptoris nostri lesn Christi aliena fiat atque in 
extreme examine districte nltioni snbiaceat. Cnnctis antem | eidem 
loco sna inra sernantibns sit pax domini nostri lesn Christi , qna- 
tinas et hie frnctnm bone actionis percipiant et apad districtom 
indicem premia eterne pacis inneniant. Amen. Amen. Amen. | 

(R.) Ego Celestinus catholic^ ecclesi^ episcopas ss. (BV.) 
f Ego Conradns Sabinensis episcopas ss. 

Dat. Lat. per mannm GERARDI sancte Romane ecclesie presbiteri 
cardinalis ac bibliothecarii , TTTT. kal. febr., indictione VII, incar- 



nationis dominice anno M. C. XLIH, pontificatns aero domini Cele- 
stini pape 11. anno primo. 

B. dep. 


Papiturkunden in Brescia und Bergamo. 277 

5. 

Lucius IL bestätigt der Kirche S. Yxncensf in Bergamo ihren 
Güterbesitjf und ihre Privilegien und nimmt sie in seinen Schule, 

Lateran 1144 April 30. 

Copie s. XIIL Bergamo Ärchivio capitolare. 
Hegest bei Kaltenbrunner Wiener SB. 94 S. 660 und danach 
J'L. 8586. 

LUCIUS EPISCOPUS SERÜUS SERUORUM DEL DILECTIS 
FlLnS GIRARDO ARCHIDIACONO ElUSQUE EßATßlßUS 
TAH PÄESENTIBUS QUAM FUTURIS IN MATßlCI PEE|- 
gamensi ecclesia sancti Uincentii canonice ninentibns IN PEBPE- 
TUUM. Comisse nobis apostolicQ sedis aactoritas nos hortatar, 
nt locis et personis eins aoziliam deuotione debita implorantibus 
toiiionis presidimn impendere debeamas. Qnia sicat iniosta pe- 
teniibas nollas est tribuendus efiectus, ita legitima et iosta pos- 
oentiom non est differenda petitio, presertim^^ eorom, qni cmn 
honestate uitQ et laudabili moram compositione gaadent omnipotenti 
domino desernire. Eapropter, dilecti in domino filii, uestris iustis 
et rationabilibos postalationibns clementer annuimos et beati Uin- 
centii martiris ^cclesiam ad exemplar predecessoris nostri felids 
recordationis pape Innocentii und cum nestr^ congregationis coUe- 
gio et cmn omnibus ad eandem ecclesiam pertinentibas sab apo- 
stolicQ sedis tntelam protectionemqne soscipimos et presentis scripti 
pagina commnnimas. Statuimus enim, ut quascumque possessiones, 
qaecnmqae bona in ecclesiis, oppidis, uillis, deeimis et nundinarom 
redditibns sen aliis rebus eadem ecclesia in presentiarum iuste et 
legitime possidet aut in futurum concessione pontificum, liberalitate 
regnm uel principum, oblatione fidelium seu aliis iustis modis 
rationabiliter auxiliante domino poterit adipisci, firma uobis uestris- 
que suocessoribus in perpetuum et illibata permaneant. In quibus 
hec proprüs duximus exprimenda uocabulis : ^cclesiam sanct^ Mari^, 
go^ est in castello de Colcinate, ^cdesiam sancti Martini in Uilla, 
^cdesiam sancti ^^ Michaelis de Carpeneta, ^cclesiam sanctQ Christin^ 
de AlbignOi ^cdesiam sancti Cassiani, qu^ est in ciuitate Pergamo. 
Decemimos ergo ut, quamdiu in canonice disciplin^ obsernantia 
permanseritis, nulli omnino hominum liceat eandem ecclesiam temere 
pertnrbare aut possessiones eins aufferre uel ablatas retinere, 
minuere uel importnnis angarüs seu temerarüs uexationibus fati- 


a) prweiitiiii. h) aanoti iweinuü geschrieben. 


278 ^' KÜDkenborg, 

gare, sed omnia integra conseruentur eornxn.' pro quoroxn gubematione 
et sustentatione concessa sunt usibus omnimodis'^) profdtura. In- 
terdicimus etiam, ut nee episeopo nee archiepiseopo lieeat nee etiam 
alicai persone faenltas sit uestre eommnnitatis bona in proprios 
usus defleetere sine in benefitium alüs dare ael qoibnsetimqae 
aliis modis a prebenda fratrom ael commnni utilitate alienare. 
Locationes uero seu'^ eomatationes aat inuestitiones prediomm 
absque communi fratrum eonsilio nollatenos perpetrentur nee hu- 
iasmodi ins ab episeopo ael personis quibuslibet inuadatar, salaa 
tarnen eanonica catholicoram ^piscoporum Pergamensiom iustitia et 
apostolicQ sedis aactoritate. Si qois igitor in posterom archiepis« 
copus, episcopas, imperator, rex, princeps, eomes aat uicecomes sen 
quelibet ecclesiastica'^ secularisue persona hanc nostrQ eonstitntio- 
nis paginam sciens contra eam temere aenire temptauerit, secondo 
tertione commonita si non congrue satisfecerit, potestatis honoris- 
qae sni dignitate careat reamque se diaino iaditio existere de 
perpetrata^^ iniqnitate cognoscat et a sacratissimo corpore ac san- 
guine dei et domini redemptoris nostri lesa Christi aliena fiat 
atque in extreme examine districte oltioni sabiaceat. Conctis 
aatem eidem ecclesi^ saa iura seraantibas sit pax domini nostri 
lesa Christi, quatinas et hie fructom bone actionis percipiant et 
apad districtom iadicem premia etern§ pacis inueniant. Amen. 
Amen. Amen. 

(R.) Ego Latias catholicQ ecdesiQ episcopus ss. (BY.) 
f Ego Conradus Sabinensis episcopas ss. 
f Ego Theodewinus^) sanct^ Eufine episcopas ss. 
f Ego Petras Albanensis episcopas ss. 
f Ego Hambaldas presbiter cardinalis titali sanctQ Praxe- 

dis SS. 
f Ego üaido presbiter cardinalis titali sanctoram Laurentii et 

Damasi ss. 
f Ego Maginfredas presbiter cardinalis titali sanct^ Sa- 
oine SS. 
f Ego Wide diaconas cardinalis ^^ sanctoram Gosm^ et Da- 

miani ss. 
f Ego Petras diaconas cardinalis sanct^ MariQ in Portica*^ 88, 
f Ego Wido in Eomana ecclesia altaris minister indignas as. 

Dat. Lat. per manam Baronis capellani et scriptoris, 11. kaL mai, 


e) omimodif. d) te. e) ecclattiea. f) perpetrate. g) Ttheo- 
dewiniis. h) folgt titnli. t) portu. 


Papstnrknnden in Breacia and Bergamo. 279 





indictione YII, incarnationis dominier anno M C XLIIII, pontificatos 
aero domini Lutii 11. pape anno primo. 


6. 

Eugen HL nimmt das Kloster s. Maria in Manerbio in seinen 
Schutß und bestätigt dessen Qülerbesüjs. 

Vüerbo 1146 SeptenAer 18. 

Orig. Bresda Biblioteca Quiriniana. 

Erwähnt sum Jahre 1146 bei Odarici Storie Bresciane V S. 101 
und danach J-L. 8979 eu 1146 ohne Tagesdatum^). 

EUGENIUS EPISCOPUS SERUüS SERUORUM BEI. DILECTIS 
FILIABUS CAKECAÜSE EIUSQUE SORORLBUS TAM PRE- 
SENTIBUS QUAM FÜTURIS IN ECCLESIA BEATE MARIE 
SITA •> IN TERRITORIO CURTIS ' MINERUU REGULÄREM 
UITAM PROFESSIS IN PERPETUUM. | Ad hoc uniuersalis 
^cdesi^ cnra nobis k pronisore omniom bonorum deo commissa 
esti nt reUgiosas diligamos personas et beneplacentem deo religio- 
nem | stadeamus modis omnibus propagare. Nee enim deo gratas 
aUqnando famnlatas impenditur, nisi ex caritatis radice procedens k 
puritate religionis fuerit conseraatos. | Oportet igitnr omnes chri- 
stianf fidei amatores reUgionem diligere et loca uenerabilia cum 
ipsis personis diuino seroitio mancipatis attentias comfouere, at 
nnllns pranonun hominom | inqnietentar molestiis ael importunis 
angariis fatigentnr. Eapropter, dilecte in domino filie, ad exemplar 
predecessoris nostri felicis memorie pape INNOCENTII uestris 
iustis posta|lationibas clementer annoimus et ecclesiam beat^ Mari^, 
in qua dioino uacatis seroitio, sab beati Petri et nostra protectione 
suscipimus et presentis scripti prioilegio commonimas. Statuen|tes, 
nt qnascnmqne possessiones, qaecomqae bona eadem ecclesia in 
presentiarnm ioste et canonice possidet aut in fatnrom conces- 
sione pontificom, largitione regom ael prineipam, | oblatione fideliom 
sea aliis iastis modis propitiante domino poterit adipisci, firma 
Qobis aestrisqae saccedentibas et illibata permaneant. Decimas 
qnoqae, terras cultas siae incaltas, | consaetudines rationabiles et 
cetera omnia, qa^ k aenerabili fratre nostro Manfredo Brixiensi^^ 


a) sit^. h) B aus b corrigiert. 


1) Letst«ret war l&ngtt durch (Lnohi) Monamenta monasterii Leoneoiia 
8. 10 Aabl 4 TerOffeniliobt, aber Jafff and Löwenield entgangen. 


• 
• 


• ••• •: 


• « •: ••: 


280 M. Elinkenborg, 

episcopo seu aliis dei fidelibus eidem ^cclesi^ rationabiliter concessa 
sunt, aobis nihilolminns confirmamus. Sane labomin uestroram, qaos 
propriis manibas aat samptibus Colitis, siue de nutrimentis uestrorum 
animalium nnllas omnino clericas sine laicas & aobis | decimas exi- 
gere presmnat. Decernimos ergo, ut nnlli omnino hominnm liceat 
eandem ecclesiam temere pertnrbare aut eins possessiones anferre 
nel ablatas retinere, minnjere sen qnibnslibet nexationibns fatigare, 
sed omnia integra consementnr earnm, pro qnarnm gnbernatione 
et snstentatione concessa sunt nsibns omnimodis profntnra, | saloa 
sedis apostolicQ anctoritate et Brixiensis episcopi canonica institia 
et reuerentia. Si qna igitnr in fntnrnm ^cclesiastica secnlarisne 
persona hnins nostr^ constitntionis paginam | sciens contra eam 
temere nenire temptanerit, secondo tertiöne commonita nisi reatnm 
snom congrna satisfactione correxerit, potestatis honorisque soi 
dignitate | careat reamqne se dioino indicio existere de perpetrata 
iniqnitate cognoscat et a sacratissimo corpore ac sangoine dei et 
domini redemptoris nostri lesn Christi aliena fiat atque | in extreme 
examine district^ nltioni snbiaceat. Cnnctis autem eidem Qcclesi^ 
insta sernantibns sit pax domini nostri lesa Christi, qnatinos et 
hie frnctnm bonQ actionis | perdpiant et apnd districtnm indicem 
premia ^tem^ pacis inneniant. Amen. Amen. Amen. | 

(R.) Ego Engenios catholicf fcclesi^ episcopns ss. (BV.) 

f Ego Teodewinns sanct§ Rafin[e] episcopns ss. 
f Ego Albericas Hostiensis episcopns ss. 

f Ego Gaido presbiter cardinalis titnli sancti Grisochoni ss. 

f Ego Hnmbaldas presbiter cardinalis titnli sanctoram lohannis 

et Panli ss. 
f Ego Eribertas presbiter cardinalis titnli sancte Anastasie ss. 


f Ego lordanns presbiter cardinalis titnli sancte Susann^ ss. 

f Ego Oddo diaconns cardinalis sancti Georgii ad Uelom 
aorenm ss. 

f Ego Gregorios diaconns cardinalis sancti Angeli ss. 

f Ego lohannes diaconns cardinalis sancte Marie none ss. 
f Ego Gaido diaconns cardinalis sancte Marie in Portica ss. 
f Ego Fetrofl diaconns cardinalis sancte Marie in üia lata sa. 


Papstnrknnden in Brescia und Bergamo. 281 

Dat. Viterbi per manom BARONIS sanct^ Romano ecclesi^ subdia- 
coniy XY. kal. octob. , indictione X, dominic^ incamationis anno 



M. C. XL VI, pontificatos uero domni EUgenii III. pape anno secundo. 

B. 


7. 

Alexander III, befiehlt den Gläubigen des Bistums Brescia an 
den getcohnten Tagen die Kircfie s. Jacob eu Castenedolo, die auf 
den Befehl des Fapstes Pascliais IL ^) errichtet sei, zu besuclien, 

Veroli {1170) August 22. 

Or. Brescia Archivio dello spedaie civico. 

Nach dem Itinerar ist die Urkunde im Jahre 1170 ausgestellt, 

Qni ad sapemam patriam. 
Dat. Uerol. XI. kal. sept. 


8. 

Alexander III, bestätigt einen Vertrag zwischen dem Kloster 
S, Feter in Modena und dem verstorbenen Bischof Heinrich von Mo- 
dena über den Unterhalt des Mühlengrabens (canaiis molendinorum) 
und den Schiedsspruch, den sein Legat I(ldebrandus) basilicq duodecim 
apostolorum presbiter cardinalis in einem Streit zwischen dem getiann- 
ten Kloster und den Canonikern von Modena über das Begräbnis 
einer Frau gefällt hat. 

Anagni (1173—1176) Ajml 28. 

Auszug im Ms. A, IV. 18 f 236. Brescia Biblioteca Quiriniana. 

Die Urkunde ist in den Jahren 1173, 1174 oder 1176 ausgestellt 
worden, wie die Erwähnung des verstorbenen Bischofs Heinrichs von 
Modena (1157—1173) und das Itinerar beweisen. 

Ex qnodam autentico instrumento. 
Datum Ananii quarto kal. maii. 


1) de mandato pie recordationis predeceuoris nostri Pascbalis pape: ein 
au der pftpatlichen Kaoslei hervorgegangenes Mandat PaschaU II. scheint nicht 
vorgelegen an haben, sondern hier ist wohl das in einem Bre?e recordationis 
aufbewahrte angebliche Mandat gemeint: Odorici Storie Bresciane V S. 95 
Nr. 42. 

Kffl. Qm. d. W. HMkrtckWA. PUloloff.-liIrtor. KImm. 1897. HoA 8. 19 


282 M. Elinkenborg, Papstarkunden in Breaoia and Bergamo. 

9. 

Clemens III. bestätigt dem Kloster der heiligen Märtyrer Faustin 
und Javita eu Brescia^ daß in ihm die Gd^eine der beiden Heiligen 
ruhen. 

Segni 1188 Januar 26. 

Abschrift in Ms. E I. 11. Brescia Biblioteca Quiriniana. 
Wörtliche Wiederholung von Urban III. J-L. 16000^). 

In eminentia sedis. 

Data Senis YII. kaL febr. indictione sexta. 


1) Eine Bestätigung dieser Urkunde ürbans III. auch Ton Qregor VIII, 
Tgl. Odorici Storie Bresciane V S. 192 ebne Angabe der Quelle; sie fehlt bei J-L. 


lieber das Wesen der Krisen in der Volks- 

wirthschaft 

Von 

GiistaT Cohn. 

Vorgelegt in der Sitzung vom 81. Juli 1897. 

L 

Der Fall, daß ein Wort im Laufe der Zeit einen anderen 
Inhalt erhält, als es orsprünglich besessen hat, ereignet sich oft 
im Leben der Sprache, und man vergißt dann wol seinen Ursprung. 
Aber daß ein solches Wort durch diese Veränderung nur zu desto 
größerer Unsicherheit seiner Bedeutung gelangt, ist störender 
für den Sprachgebrauch und vollends für die Wissenschaft, die 
sich auf denselben zu stützen hat. 

Das Wort „Krisis" scheint in den ersten Jahrzehnten des 
19. Jahrhunderts, als Bezeichnung für gewisse Störungen im Wirth- 
schaftsleben in Gebrauch gekommen zu sein. So überschreibt 
Sismondi^) ein Kapitel seiner „neuen Principien der politischen 
Oekonomie": des crises qui changent le papier des banques en 
papiermonnaie. 

Auch die Verbindung „crisecommerciale" (Handelskrisis) scheint 
am jene Zeit in Frankreich und England üblich geworden zu sein '). 


1) Noaveanx principes d*Economie politiqQe, Paris 1819, Tome II p. 119. 
livre V, chap. IX. 

2) Rad. Hildebrand (Deutsches WOrterbach von Jacob Qrimm and Wilhelm 
Grimm, FQnfter Band 1873, s. y. Krise) fQhrt eine Stelle ans Aug. BQrger's 
Gedichten an, wo sich „Krise" im Sinne „von einer Geldkrise ** findet («wofern 
ich nicht ohn allen Zeit?erlu8t, zur Wendung der fatalen Krise, mich selbst 
an Ort nnd Stelle wiese"). DaB hier bereits ein Vorbild dos Sprachgebrauches 
der Volk swirth Schaft dem Dichter vorgeschwebt, ist lu beiweifeln; in seiner 
Privatwirthschaft sind solche Krisen allerdings chronisch gewesen. Und wenn 
Goethe (WUhelm Mei8ter*s Lehijahre, Werke 1828, Bd. 20, 142) sagt: „Alle 
üebergbige sind Krisen, und ist eine Krise nicht Krankheit ?** — eo lerflieBt 

Ifl. e«. C Wlsk laskrkkttB. Phttoloff«-kisl«r. KImm 1897. HA. 1. 20 


284 Gustav Cohn, 

Das Wort „Krisis" ist wol von der Terminologie der Medi- 
einer entlehnt; indessen der Sinn dieser Uebertragung nicht ganz 
deutlich. Auch ist dies unerheblich; denn es ist gewiß, daß da- 
durch nichts geholfen ist für die schwankende Bedeutung, welche 
dem Worte in dem Leben der heutigen Volkswirthschaft beige- 
legt wird. 

Die herkömmliche Wortverbindung „Handelskrisis** ist 
zwar die üblichste, jedenfalls die früher am meisten gebrauchte; 
indessen daneben hat sich eine ganze Reihe ähnlicher Wortverbin- 
dungen gebildet, die heute gebraucht werden. Wir nennen hier 
nur: Börsenkrisis, Geldkrisis, Creditkrisis, Absatzkrisis, Produk- 
tionskrisis, landwirthschaftliche Krisis. 

Schon diese Beispiele zeigen, daß mit dem Worte „ Krisis ** 
ein schwankender oder sehr allgemeiner Begriff verbunden wird ^). 

IL 

Eine tiefer gehende Deutung der ^Biisen" findet sich wol 
zuerst in dem „kommunistischen Manifest^, welches 1848 von Karl 
Marx und Friedrich Engels veröffentlicht wurde. 


für uDsreo Zweck die BedeutuDg des Wortes ins Allgemeinste. Dem entspricht 
die Deutung üildebrand's: „Die Entscheidung in einem Zustande, in dem Altes 
und Neues, Krankheit und Gesundheit und Aehnüches mit einander streiten^. 
So Yoilends das Wort „kritisch'' (nach Uildebrand) gleich „mißlich, schwie- 
rig, geiUhriicb, eigentlich zur Bezeichnung der Schwierigkeiten, Gefahren, Ban- 
gigkeiten, die eine solche Krisiii mit sich bringt; doch das ursprungliche Bild 
ist bcbon ziemlich vergessen, aber aua dem Gebrauche des politischen und gro- 
ßen Geschichtslebens ist das Wort neu ins allgemeine Leben eingedrungen**. 

Es wäre noch festzustellen , wo der Ursprung des Sprachgebrauches liegt, 
der una zunächst angeht, und welch verwandter Gebrauch, etwa für „poiitisohe 
Krisis** „Verfassungskrisis**, Mmisterkrisis** vorangegangen ist oder gefolgt ist. 

Im Ganzen beweist dieser Fall wieder, wie erheblioh der Sprachgebrauch 
des täglichen Lebens für die Wissenschaft ist und wie sehr ihr die Aufgabe 
zufällt, darin Ordnung zu schaffen, Die folgenden Betrachtungen sollen zeigen, 
welche Unklarheit des Begriffes durch den Sprachgebrauch in Gang gekommen 
und in die Wissensohatt aufgenommen worden ist (vgl. dagegen Heinrich Die- 
tzel, Theoretische Socialökonomie 1895, 1, 154). 

1) Aus der Literatur ist zu vergl. W. Lexis, Handel, SohOnberg's Handbuch 
der polit. Oekonomie 3. Aufl. 11, 882-884. H. Herkner, Art Krisen, Hand- 
wörterbuch der Staats Wissenschaften Bd. 4 (1892) — wo sich eine sehr aus- 
führliche Sammlung der Literatur befindet. Friedrich Engels, Herrn Eugen 
Dfihriog's Umwälzung der Wissenschaft. 1878, 236 ff. Karl Marx und Friedrich 
Engels, Das kommunistische Manifest. 1848. Löon Fanoher, fitudes sur TAn- 
gleterre. Paris 1845. tome I p. 443—478 („Les orites dans l'indostrie*'). 


^über das Wesen der Krisen in der Yolkswirthschaft. 286 

In demselben heißt es : 

„In den Handelskrisen wird ein großer TheU nicht nur 
der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Pro- 
duktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine 
gesellschaftliche Epidemie aus, welche aUen früheren Epochen als 
ein Widersinn erschienen wäre — die Epidemie der Ueberpro- 
duktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand 
momentaner Barbarei zurückversetzt ; eine Hungersnoth , ein all- 
gemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr aUe Lebensmittel abge- 
schnitten zu haben ; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, 
and warum? weil sie zu viel Civilisation , zu viel Lebensmittel, 
zu viel Industrie, zu viel Handel besitzt". 

Die Planlosigkeit der kapitalistischen Produktionsweise 
wird hier angeklagt, um daraus die Nothwendigkeit einer plan- 
mäßigen Produktionsweise zu folgern, wie sie durch die socia- 
listische Wirthschaitsordnung hergestellt wird. 

Theils diese theoretische Deutung der „Handelskrisen*' tbeils 
die sich fortsetzenden Erfahrungen während eines halben Jahr- 
hunderts haben dazu geführt, daß man die Bezeichnung „Han- 
delskrisis" mehr und mehr durch die andern Bezeichnungen „Ab- 
satzkrisis" oder „Produktionskrisis" ersetzte. 

In England aber, dem typischen Versuchsfelde der neuen 
Yolkswirthschaft und ihrer kapitalistischen Produktionsweise, ist 
gerade für diese Erscheinung ein anderes Wort üblich geworden 
„depression of trade" d. i. Depression des Wirthschaftslebens. 
Diese Bezeichnung findet sich schon 1842 in einem von der Statistical 
Society in London veröö'entlichten Aufsatz von H. Ashworth über 
y,Statistics of the present depression of Trade at Bolton", sie 
ist neuerdings vollends in Aufnahme gekommen, so zumal als 
Ueberschrift für die Untersuchung der Königlichen Commission, 
welche 1885 — 1886 über „Depression of Trade and Industry" 
berieth *). 

Was war ihr Sinn? 

Alle Mitglieder der Kommission stimmten darin überein und 
faßten damit die Ansichten aller Zeugenaussagen und schriftlichen 
Berichte zusammen, daß unter dem „gedrückten Zustande '^ zu ver- 
stehen sei eine Verminderung, in einzelnen Fällen ein vollständiges 


1) Vgl. Eagen Ton PhilippoTich, Besprechung der Berichte dieser Com- 
mimon io Conrad*! Jahrbüchern 1886. 1887 Bd. 46. 47. 48. 

20* 


286 Gustav Cobn, 

Fehlen der Gewinne, mit einer entsprechenden Verminderung in 
der Beschäftigung der arbeitenden Klassen. 

Die gleiche Uehereinstimmung wurde darüber geäußert , daß 
weder der Umfang des Handels noch der Betrag des in demselben 
angelegten Kapitals sich wesentlich vermindert hatte, wenn auch 
das letztere in vielen FäUen in seinem Werthe zurückgegan- 
gen war. 

Es wurde festgestellt, daß dieser gedrückte Zustand von Han- 
del und Industrie ungefähr mit dem Jahre 1876 begonnen habe 
und — mit Ausnahme einer kurzen Periode der Prosperität von 
1880—83 für einzelne Gewerbe — gleichmäßig in dem Umfange 
und der Größe des Druckes damals (1886) noch andauerte. 

Man war endlich einig darüber , daß der wirthschaftliche 
Druck sich am fühlbarsten mache in der Landwirthschaft und in 
den Bergwerksbetrieben, daß von der allgemeinen Gewinnlosigkeit 
der Unternehmungen nur die Detailhändler ausgenommen waren. 

Es ist nun wohl klar, daß ein also dargestellter Zustand des 
allgemeinen wirthschaftlichen Druckes — von dem nur die De- 
tailhändler verschont bleiben — nicht als „Handelskrisis'' zu be- 
zeichnen ist, ohne daß die Bezeichnung das Verständnis von dem 
Grunde der Erscheinung auf die Oberfläche ableitet, ja selbst an 
der Oberfläche nicht haften kann angesichts der Thatsache, daß 
die Lage der Landwirthschaft einen erheblichen Antheil an dem 
gedrückten Zustande der Volkswirthschaft hat. 

Die in England übliche Bezeichnung ist jener andern daher 
vorzuziehen. Sie ist darum allerdings keineswegs eine besonders 
einschneidende oder lehrreiche. 

ni. 

Es werden dabei nämlich — gerade wenn wir den Materia- 
lien der Englischen Commission von 188B — 6 nachgehen und nicht 
der fanatischen Klarheit des „kommunistischen Manifestes" — al* 
lerhand Dinge mit einander vermengt. Und wiederum das Re- 
sultat dieser Vermengung als „Depression'^ ist selber ein frag- 
würdiges Ding, wenn wir beobachten, daß dieselbe Depression 
nicht verhindert hat den! Gesammtf ortschritt der Englischen Volks- 
wirthschaft in ihren entscheidenden Charakterzügen, und daß ähn- 
liche Entwickelungen in anderen Volkswirthschaften der Gegen- 
wart zu bemerken sind. Von diesen nicht endenden Klagen über 
,1 Geschäftsstille" und „G^chäftsdruck" hat man daher aHmfilig 


Aber da« Wesen der Krisen in der Yolkswirthschaft. 287 

den Eindrack erhalten wie von den Franzosischen Kriegsberichten 
des Jahrs 1870 über die Deutschen Armeen, die sich fortwährend 
rückwärts concentrierten und bei diesem Rückwärtsconcentrieren 
zaletzt Paris erreichten. 

Hier ist von vornherein auszunehmen die gedrückte Lage der 
Englischen Landwirthschaft , die sich seit der Zeit jener Kgl. 
Untersuchnngs-Commission erst recht verschlimmert hat, aber eben 
hierdurch beweist, wie wenig es sich dabei um eine momentane Er- 
scheinung handelt. Sie dauert jetzt, wie in den andern Ländern 
des alten Europa, zwanzig Jahre , und hat mit irgend einer an- 
deren Seite der erörterten „ Depression '^ nichts zu schaffen. 
Es sind die bekannten Ursachen neuer Produktivität und neuer 
Verkehrsmittel welche aus Nordamerika und Südamerika, aus 
Afrika, Ostindien, Australien, Rußland neue Massen landwirth- 
schaftlicher Erzeugnisse herübergebracht haben und die Preise 
auf dem Englischen Markte (Weizen von B7 Shilling 1871—1872 
auf 23 Shilling 1894-95) geworfen haben. 

Das ist ein G-eschäftsdruck für die Englischen Landwirthe 
und Grundeigenthümer , aber eine Wohlthat für die große Mehr- 
zahl des Englischen Volkes, zumal der arbeitenden Klassen, die 
dadurch — neben anderen gleichzeitigen Ursachen — ihre Le- 
benslage erhöht haben. Für sie ist der Druck der Nothdurft um 
so viel leichter geworden, als der G-eschäftsdruck für die land- 
wirthschaftlichen Interessenten schwerer war. 

Eine andere Seite dieser „Depression" ! 

Die Commission hebt hervor, daß im Jahre 1874 noch 3% der 
Gesammtbevölkerung in der Textilindustrie beschäftigt waren, 
dieses Verhältniß im Jahre 1885 auf 2,7% gesunken sei *). "Wenn 
wir aus der Englischen Statistik entnehmen, daß die Zahl der 
Spindeln in derselben Textilindustrie 1870—90 von 45 Vi Millionen 
auf 5378 Millionen gestiegen ist, gleichzeitig die Zahl der Kraft- 
webstühle von 610,004 auf 822,489 und daß dieses Wachsthum 
ohne Schwankungen in jenen 20 Jahren vorwärts gegangen ist ') : 


1) Die absolnton Zableo waren nach dem Statistical Abstract for the üni< 
ted Kingdöm for 1881—95 

11870: 907 230 f 718 051 

1874*: 1, 005)685 für England \783,022 

1878: 975,546 und Wales <777,703 

1885: 1,034.261 allein i813,824 

1890: 1,084,631 \858,252. 

Spindeln KrafiwebstQhle 

2) 1870: 45» MUUonen 610,004 


288 Gustav CohD) 

so ist damit eine Tendenz der Entwicklung berührt, die wiedemm 
mit demjenigen niclits zu schaffen hat, was man unter „Geschäfts- 
druck" oder „Depression" versteht, die vielmehr in einem gewis- 
sen Gegensatze zu dieser steht. 

Es ist die Entwicklung in der Richtung fortschreitender 
Mechanisierung der großen Industrie und entsprechender Entbehr- 
lichmachung von Arbeitern. Diese Entwickelung ist gewiß nicht 
mit gleichgültigen Mienen anzusehen; sie bildet ihr eigenes und 
ein großes Problem. Sie hat aber nichts mit denjenigen Be- 
schwerden zu schaifen, welche von einem zeitweiligen Druck auf 
das Geschäftsleben reden. Oder man wollte denn alles Mög- 
liche darunter verstehn, was irgend jemand in der Volkswirth- 
schaft drückt , und nicht blos vorübergehend , sondern alles , was 
mit den dauernden Tendenzen der heutigen Volkswirthschaft ver- 
bunden ist. 

IV. 

Wir können hier nicht alle die Dinge entwirren , welche bei 
jener Gelegenheit (und bei ähnlichen anderen Gelegenheiten) unter 
dem gemeinsamen Begriffe der „Depression" (oder „Krisis") zu- 
sammengeworfen sind. "Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf 
solche Erscheinungen , die in der Linie dessen liegen , was man 
mit größerem Rechte in Beziehung zu dem beklagten Zustande 
setzt , auf das , was als die gemeinsame Ansicht jener Commis- 
sion die Quintessenz der Angelegenheit bildet — auf die Ver- 
minderung der Gewinne. 

Angenommen daß diese Thatsache erwiesen wäre, so würde 
sie im Einklänge stehen mit der unzweifelhaft festgestellten That- 
sache der Verminderung des Zinsfußes in England wie in den 
Ländern des Continents, als Folge des wachsenden Ueberfiusses 
an Kapital, die es dahin gebracht hat, daß selbst die Anleihen des 
Russischen Staates nur noch eine Rente von 37«% gewähren. 

Ob man das Recht hat, eine solche Erscheinung als De- 
pression zu bezeichnen , muß dahin gestellt bleiben — wol eine 
Depression der Gewinne , aber nicht eine Depression des Ge- 
Schäftslebens. 


1874: bV Millionen 

667,711 

1878: 63« „ * 

725,714 

1885: 53* „ 

773,704 

1890: 53« „ 

822,489. 


Aber das Wesen der Krisen in der Volks wirthscbaft. 289 

Ferner, wenn der G-rnnd hervorgehoben wird, welcher in 
England in den Vordergrund der Discussion getreten ist erst 
recht während der letzten Jahre , der aber die Commission von 
1885—86 bereits beschäftigt hat , und zwar ganz vorzugsweise 
beschäftigt hat, unter verschiedenen Gesichtspunkten — die Con- 
currenz des Auslandes gegenüber der Englischen Industrie und 
dem Englischen Handel (billigere Transportkosten, bessere tech- 
nische Erziehung der Arbeiter, wie der Unternehmer, zumal der 
Kaufleute , im Auslande) : so bedeutet dieses , soweit die That- 
sachen selber feststehen, für die hierbei in Frage kommenden 
Volkswirthschaften außerhalb Englands gerade so viel Hebung 
wie es Senkung für die Englische Volkswirthschaft bedeutet. 

Inzwischen scheinen einzelne Thatsachen wol geeignet zu sein, 
für England eine Warnung zu bringen, auf daß es sich anstrenge, 
um seinen Vorrang zu behaupten ; jedoch , wie es die nur eben 
angeführten Zahlen der Englischen Textilindustrie zeigen , (also 
des Hauptgebietes seiner industriellen "Weltmacht), sind die An- 
zeichen von einem Verluste dieses Vorranges oder einem Herab- 
gehen seiner Vormacht noch wenig beunruhigend. 

In jedem Falle, und angenommen es wäre heute viel Grund 
für solche Beunruhigung der Engländer vorhanden , so würde es 
abermals eine völlig neue Ausdehnung des Wortsinnes sein, wenn 
man unter „ Depression des Geschäftslebens " einen Niedergang 
der industriellen oder allgemeinen volkswirtkschaftlichen TJeber- 
legenheit über andere Nationen verstehen wollte. So viel ist ge- 
wiß, daß wenn man dieses Wort oder das Wort „Krisis" von Vor- 
gängen in der heutigen Deutschen Volkswirthschaft braucht, 
keine Begründung derartiger Vorgänge weniger zutreffend sein 
würde als diejenige eines Niedergangs von einer erreichten Höhe 
Deutscher Leistungsfähigkeit. Bei uns scheint umgekehrt, was 
man von Krisen in den letzten Jahrzehnten erlebt hat, der Kauf- 
preis zu sein, den die Deutsche Volkswirthschaft zahlen muß, um 
mit den großen Fortschritten des neuen Zeitalters auch deren 
Kehrseiten in den Kauf zu nehmen. 

V. 

Ist es mir gelungen, durch die voraufgehenden Betrachtungen 
zu zeigen, daß der Begriff der „Krisis" oder gar der „Depres- 
sion* ein äußerst verwickelter oder vielmehr ungeklärter ist, so 
werden wir jetzt fragen, was davon übrig bleibt. 

Eine „Handelskrisis* in dem Sinne, daß man den Handel zur 


290 Gufltav Cohn, 

Ursache und zum eigentlichen Sitze des Uebels machte, ist dieje- 
nige Erscheinung oder Reihe von Erscheinungen nicht, von wel- 
cher wir geredet haben. 

Welche Erscheinungen giebt es nun, denen dieser Charakter 
mit größerem Rechte zugesprochen werden kann ? 

Es sind vor allem diejenigen Stockungen, welche als Rück- 
schlag eines zu leidenschaftlichen Aufschwunges eintreten, und 
zwar Stockungen der Handelsthätigkeit als Folge einer entspre- 
chenden Steigerung der Handelsthätigkeit. 

Diese Charakteristik trifft zu für die meisten derjenigen Er- 
scheinungen, welche man als „Creditkrisis", „Geldkrisis^, 
„Spekulationskrisis**, „Börsenkrisis" bezeichnet. 

In diesen Fällen ist die Ursache die, daß der Handel, und 
zwar ganz überwiegend oder ausschließlich der Großhandel, nebst 
den Anhängseln desselben , die wir im Bankwesen kennen ler- 
nen, seine Unternehmungslust in einem Tempo entfaltet, welches 
selber eine Reaktion hervorrufen muß. Der Handel büßt , was 
der Handel gesündigt hat. Auf diese Weise gelangt man zu ei- 
nem begrenzten Begriffe einer Handelskrisis. 

Es bedarf hiezu aber einiger Ergänzungen. 

Die Vorstellung von der Produktionskrisis oder der chroni- 
schen Ueberproduktion (nach der Schilderung die uns vorhin das 
„kommunistische Manifest" gegeben) oder der >Depression", wie 
man sie nennen mag, doch mit Umgrenzung des Begriffes (und 
nicht mit jenem Zerfließenlassen in ein Vielerlei von Erscheinun- 
gen, wie wir es bei dem Inhalte der Englischen Untersuchung von 
1885 — 86 kennen gelernt haben) — beruht auf einem analogen 
Gegensatze wie der ist, welchen wir hier für die „Handelskrisis" 
festgestellt haben. 

Die „Produktionskrisis" ist der Rückschlag des Pro- 
duktenüberflusses als Folge übermäßiger Produktion. Der Unter- 
schied ist nur der, daß diese Erscheinung eine chronische ge- 
worden ist als Folge von Bedingungen der großen Industrie , ob 
man diese Folge in eben so harten Zügen malt wie das „kommu- 
nistische Manifest" oder ob man darin (wie wir) eine erträgliche 
und allmälig zu mildernde Schattenseite der kapitalistischen Pro- 
duktionsweise sieht. 

Der Grund liegt in den Vortheilen concentrierter Kapital- 
massen für die Produktion, die erst dadurch ausgeschöpft werden 
können, daß möglichst große Produktenmassen erzeugt werden. 
Das hieraus folgende Gedränge in einem Zeitalter wachsenden 
Eapitalüberflusses, wachsenden Unternehmungsgeistes, wachsenden 


Aber das Wesen der Krisen in der Yolkswirthsoliaft. 291 

Kampfes der Einzelnen nnd der Nationen am den Weltmarkt, 
macht jenes Mißverhältnis zu einem chronischen, welches man nun 
passend oder unpassend als „ Krisis ^ oder ,, Depression ^ be- 
zeichnet. 

Der Handel als solcher nnd seine „Krisen^ haben mit dieser 
Erscheinung zunächst nichts zu schaffen. 

Es giebt aber Ereignisse, welche den Zusammenhang herbei- 
fuhren — Ereignisse, welche vorzugsweise ergiebig sind in der 
Erzeugung von Krisen jeder Art. 

Das gesammte Wirthschaftsleben ist wie das Leben des ein- 
zelnen Menschen verkettet in die Zugehörigkeit zu Staat 
und Kation. Alle Schicksale, welche das Staatsleben berühren, 
treffen auch die Volkswirthschaft, treffen die Produktion und die 
Consumtion, den Handel und die Industrie. Die höchsten Opfer 
für Freiheit und Vaterland ruhen auf einem Untergrunde von 
ökonomischen Kräften, und so kehren die Triumphe der Schlachten 
und der Friedensschlüsse in ihren Consequenzen auch zu diesem 
Untergründe zurück. In gleicher Weise bleiben in trüben Tagen 
die Polgen nicht aus, welche von dem Mittelpunkte des öffentli- 
chen Lebens sich in alle Theile der Volkswirthschaft fortpflanzen. 
Und weil die Einflüsse der einen Art ebenso sehr die Stimmung 
emporheben, wie die Einflüsse der anderen Art sie herabdrücken, 
dabei aber ein objektiver Maaßstab nicht zu finden ist für das rich- 
tige Maaß der Hebung und des Druckes; weil ferner, auch in 
Zeitläuften in denen jene großen Erlebnisse ausbleiben, doch im klei- 
nen Aehnliches sich beständig wiederholt, in Furcht und Hoffnung, 
Erwartung und Enttäuschung, — so haben wir ein Aufsteigen 
und Absteigen als beständige Wellenlinie des Wirthschaftslebens 
vor uns, deren Höhen und Tiefen nur in Zeiten und Völkern sich 
andern mögen. 

Hievon wird nun der Handel eben so berührt wie die andern 
Theile der Volkswirthschaft. Er zeigt nur gewisse Erscheinungen 
dieser Art deutlicher auf seinem besondern Gebiete. 

VI. 

Hierher gehört vor allem diejenige Eiitegorie von Erschei- 
nungen, welche wir in der Gründungsepoche der Jahre 1871 
ff. kennen gelernt haben, mit den Folgen der Krisis (des „Krachs'') 
von 1873 ff. M. 


l)NeQwirth, Die SpekclationskriBii von 1873. Leiptig 1874. Otto 


292 Gustav Cohn, 

Was war das "Wesen dieser Vorgänge? 

Ein großer Krieg hatte die Volkswirthschaften der Europäi- 
schen Staaten ; zumal der beiden betheiligten Völker, zeitweilig 
gebunden gehalten. Der Sieg des Deutschen Volkes gab diesem 
zum ersten Male seine Einheit, und damit die Einheit seiner Volka- 
wirthschaft. Dieses große Ereigniß konnte an sich für die Ent- 
wicklung des Deutschen Wirthschaftslebens nicht hoch genug ver- 
anschlagt werden. Deutschland trat in der That dadurch erst in 
die Reihen der großen heutigen Staaten und Volkswirthschaften 
ein. Die inzwischen verflossenen Jahrzehnte haben den Beweis 
dafür geliefert. 

Der in diesem Ereigniß liegende Impuls vereinigte sich mit 
den Anregungen des Unternehmungsgeistes, welche aus dem Ende 
jedes glücklichen Kriegs entspringen. 

Hiezu kam die große Kriegscontribution der 6 Milliarden 
Franks, welche Frankreich an das Deutsche Reich zu zahlen hatte, 
in ihrer Wirkung auf Produktion und Spekulation. Das plötz- 
liche Einströmen dieser großen Geldkapitalmasse durch umfang- 
reiche Schuldentilgung der Deutschen Staaten u. s. w. , dazu die 
verstärkte Nachfrage des Reiches und der Einzelstaaten nach 
Produkten und Arbeitskräften , fachte den ohnehin gesteigerten 
Unternehmungsgeist an. Die durch die Preiserhöhungen in Aus- 
sicht gestellten Extragewinne steigerten die Spekulation mehr und 
mehr zur Ueberspekulation ^). 

Diese Ueberspekulation ergriff zuletzt wie ein Fieber 
alle Theile des Wirth schaf tskörpers. Es war eine 
Bauspekulation, die sich auf Hauptstädte und andere Städte er- 
streckte, ebenso gut wie eine Grundstücksspekulation, Bergwerks- 
spekulation, wie eine Spekulation in allen industriellen und com- 
merciellen Gebieten, in Eisenbahnen, Banken und was sonst noch 
zu finden war. 

Das heißt mit andern Worten : der entfachte Unternehmungs- 
geist , gestützt auf einen acuten Ueberfluß des Geldkapitals , stei- 
gerte die Produktion nach allen Seiten hin und bediente sich dazu 
ebenso sehr der modernen Technik des Werthpapierwesens , des 


Glagau, Der Börsen- und Qründangssota windet in Berlin. Leipiig 1876. 
Otto Qlagau, Der BOrsen- und Qrfindangssch windet in Deutschland. Leip« 
zig 1877. A. Schäffle, Der „große Börsenkrach ** des Jahres 1873. Zeit- 
schrift für die gesatnmte Staats Wissenschaft 1894, 1 — 94. 

1) Ad. Wagner, Das Reichsfinanzwesen, Jahrbach fQr Qosetsgebang, Ver* 
waltang und Reo.htflpdege des Deutschen Reichs. Hgb. TOn F. yon UoltzendorSl 
Iieipsig 1874. Dritter Jahrgang, S. 35!$. 


Aber das Wesen der Krisen in der Volkswiribscbaft 293 

Börsenliandels nnd der Emissionsbanken , wie amgekehrt diese 
wiederum von den Mittelponkten des großen Kapitalverkehrs die 
Ansteckong nach allen Theilen der Produktion und der Consum- 
tion, der Kapitalanlage und des Erwerbslebens fortpflanzte. 

Die hierauf folgende Reaktion beruhte auf der einfachen That- 
sache, daß die Entwicklungsfähigkeit des neuen Bedarfs an Gütern 
durch die Ueberspekulation überschätzt worden war, daß — um 
ein hervorragendes Beispiel zu nennen — in Berlin und in Pro- 
vinzialstädten zwar ein hohes Maaß der Bevölkerungszunahme zu- 
treffend vorweg genommen war, aber weit über dieses Maaß hin- 
aus eine Zunahme des Wohnstellenbedarfes vorausberechnet und 
demzufolge weite Flächen landwirthschaftlichen Bodens als groß- 
städtische Baustellen verwerthet worden waren. 

Diese Illusion mußte allmälig , sei es durch irgend ein er- 
nüchterndes Ereigniß, sei es durch die psychologische Nothwen- 
digkeit, einer veränderten Stimmung Platz machen. Nach dem 
Gesetz der Reaktion mußte diese Veränderung eben so stark sein, 
wie der Grrad der voraufgehenden Illusion. 

Wie zuvor die Ueberspekulation und Ueberproduktion alles 
in ihre Kreise gezogen hatten, so ergriff jetzt die Reaktion (Kri- 
sis, Krach, Depression) alle dieselben Gebiete der Volksvnrth- 
schaft. Es wurde eine Börsenkrisis, eine Spekulationskrisis, eine 
Creditkrisis, eine Baustellenkrisis, eine Bergwerkskrisis u. s. w. 

vn. 

Nun kann solch eine allgemeine Erscheinung, welche die 
gesammte Volkswirthschaft ergreift, auch vom entgegenge- 
setzten Ende beginnen. Ein unglücklicher Krieg oder sonst 
eine große Störung des Volkslebens kann zur Folge ha- 
ben, daß mit dem bittern Ende der Anfang gemacht wird. 

Man ist gewohnt, auch hier die unfreundliche Phase als „Kri- 
sis^ zu bezeichnen, obschon sie in diesem Falle nicht als Reaktion 
gegen eine Periode des übermäßigen Aufschwungs erscheint. Schon 
bei Ausbruch eines Krieges, dessen Verlauf noch zweifelhaft ist, 
pflegt man wol von einer „Krisis'' zu reden. 

Insbesondere ist man zu dieser Bezeichnung geneigt, wenn 
spezielle Unfälle eine einzelne Stelle der Volkswirthschaft 
treffen. Bekannt und verbreitet ist die Bezeichnung der „Baum- 
wollkrisis', welche zur Zeit des Amerikanischen Secessions- 
krieges ausbrach als Folge einer Sperrung der Ausfuhr von Baum- 
wolle ans dea Sfidstaaten Nordamerika's nach England. 


294 Gustav Cohn, 

Wie diese Bamnwollkrisis ohne Zweifel keine Handelskrisis, 
sondern eine Indastriekrisis war, so giebt es derartige spezielle 
Krisen auf dem G-ebiete des Handels and hier wiederum auf 
einzelnen Theilen seines Grebietes; so giebt es spezielle Krisen 
auf dem G-ebiete der Landwirthschaft, des Silberbergbau's u. s. w. 

Eine spezielle Krisis ist die agrarische Krisis, welche jetzt 
in den Ländern des alten Europa herrscht als Folge der auslän- 
dischen Concurrenz ; eine spezielle Krisis ist analog der Zustand 
des Silberbergbau's alter Bergwerke , welche mit der neuen Pro- 
duktivität und den darauf folgenden niedrigen Preisen nicht 
Schritt halten können. 

Allerdings verflüchtigt sich in den beiden letzteren Fällen 
der Sinn des Wortes zur Gleichbedeutung mit jedem — ob auch 
noch so weit ausgedehnten und noch so unwiderruflichen, aber 
drückenden — Zustande eines Theiles der Volkswirthschaft. 

Der Handel hat spezielle Krisen wie die anderen 
Theile der Volkswirthschaft. 

Der Zusammenbruch eines einzigen großen Bankhauses kann, 
gleich einem Steine, der ins Wasser fällt und weite, immer wei- 
tere Kreise zieht, sich auf große Gebiete des Handels von dem 
einen Punkte aus fortpflanzen. 

Es' entsteht dann dasjenige, was man im engeren Sinne als 
eine „Creditkrisis" bezeichnet. Durch das störende Ereigniß 
ist der luftige Bau des Creditwesens plötzlich ins Wanken ge- 
rathen; das Vertrauen an einer hervorragenden Stelle getäuscht, 
zieht sich auch von den andern Stellen zurück. 

Am häufigsten ereignen sich derartige Störungen und ihre 
Wirkungen an der Börse für den Werthpapierhandel. 

Hier giebt es, unabhängig von jenen umfassenden Erschei- 
nungen, wie denen der Jahre 1872 fi^., spezielle Spekulations- 
krisen, die von jenen großen Ereignissen sich namentlich da- 
durch unterscheiden, daß sie in engem Kreise der Börsenspeku- 
lanten und ihrer Hintermänner verlaufen. 

Es versteht sich von selbst, daß diese Krisen, gleichsam ein 
kleines und zusammengezogenes Abbild jener großen, ebensowol 
aus Perioden der Ueberspekulation hervorgehen können und diese 
wiederum aus anspornenden Ereignissen des Staats- und Wirth- 
schaftslebens, wie aus unvermittelten Störungen desselben. Eine 
Erfindung, eine neue Technik reizt die Spekulation, das spezielle 
Gründungswesen, und als Folge der speciellen Ueberreizung kommt 
dann der spezielle Eückschlag. 


über das Wesen der Krisen in der Volkswirthschaft. 296 

VIIL 

Die Frage ist aufzuwerfen, welches die Prognose für die Be- 
seitigung solcher Zustände ist. 

Hier wird zunächst auszuscheiden sein , was als krankhafte 
Störung überhaupt nicht betrachtet werden kann. Es ist die 
ganze Frage der ^planlosen Produktionsweise" und ihrer Eeform 
oder vielmehr Revolution durch eine planmäßige Produktionsweise. 

Es ist vollends auszuscheiden das Allerlei von Beschwerden, 
welches in dem ausgeweiteten Begriff der „Depression of trade" 
ün Sinne jener englischen Untersuchungs-Commission von 1886 — 86 
zu finden war; wo sogar die Beschwerden über den Druck der 
Englischen Arbeiterschutzgesetzgebung (im Kampfe um die Con- 
cnrrenz auf dem Weltmarkte) eine Rolle spielten. 

Auch über Ereignisse wie die „agrarische Krisis'^ ist von dem 
Standpunkte der Krisentherapie so gut wie nichts zu sagen — 
außer daß solche Wendungen in kleinerem oder größerem Maaß- 
Stabe, auf dem einen oder dem andern Gebiete der Produktion, 
sich immer wiederholen werden und daß es die Aufgabe der alten 
Productivität bleiben wird, sich mit der neuen Produktivität in 
Einklang zu setzen. Diese Aufgabe an sich wird in ein reich- 
haltiges Programm zerfallen; aber als Behandlung einer Krisis 
oder gsir als Vorbeugungsmittel einer Earisis ist das Alles nicht 
aufzufassen. 

Wir reden hier vielmehr von jenem umgrenzteren Gebiete, 
auf dem es sich um Phasen gesteigerter und herabgedrückter Un- 
ternehmungslust handelt. 

Wir fanden, daß es diese Erscheinungen als allgemeine Er- 
scheinungen einer ganzen Volkswirthschaft (oder mehrerer Yolks- 
wirthschaften zugleich) oder als spezielle Erscheinungen auf ein- 
zelnen Gebieten der Volkswirthschaft giebt, daß diese Speziali- 
sirnng sich wiederum auf Theile des Theils einschränken kann. 
Wir fanden femer, daß entweder der Rhythmus dieser Vorgänge 
mit dem übertriebenen Aufschwung beginnen und mit der Reaktion 
endigen kann (wie es in der Mehrzahl der Fälle geschieht) oder 
daß ein Unfall im politischen oder ökonomischen Leben von sich 
aus eine Störung hervorrufen kann und dann der Auftakt der 
Unternehmungslust folgt. 

Wie kann sich das ändern und was hat sich hiebei bisher 
geändert? 


296 Gastav Cohn, 

IX. 

Störende Ereignisse wie die Absperrung der Baumwollza- 
fahr 1863 ff. oder kriegerische Niederlagen gehören so sehr in das 
Grebiet der staatlichen Erlebnisse, daß wir von deren Ver- 
hütung oder der Möglichkeit ihrer Wiederkehr hier überhaupt 
nicht zu reden haben. Nur die Folgen solcher staatlichen Vor- 
fälle im Zusammenhange mit den sonstigen Entwicklungen der 
Volkswirthschaft gehören zu unserer Betrachtung. 

So würde es etwa darauf ankonmien, welche neuen Hülfs- 
quellen für die Baumwollzufuhr im Laufe der Zeiten erschlossen 
worden wären und dadurch die Abhängigkeit der Baumwollindu- 
strie von einem einzigen großen Produktionslande ihres Rohstoffes 
beseitigt hätten. 

Was kriegerische Katastrophen anlangt, so dürfte wol nie- 
mals ein Kraut wachsen, welches die Kraft hätte, eine Volks- 
wirthschaft dagegen zu feien. Ihr Einfluß wird wol für alle 
Zeit allein durch die Intensität ihres Auftretens bedingt sein. 
Aber freilich sehr viel hängt für die Dauer solcher Krisen und 
die Leichtigkeit der Wiedergenesung von der Entwicklungsstufe 
der ganzen Volkswirthschaft ab — wie es unter Anderen Frank- 
reich nach dem Deutsch-Französischen Kriege von 1870 — 71 im 
günstigen Sinne bevnesen hat. 

Acute Störungen wirthschaftlichen Ursprungs, wie 
Mißernten, Theuerungen, große Bankerotte, werden ihrerseits mit 
den Fortschritten der Volkswirthschaft immer seltener werden, 
wie sie es bisher geworden sind. Epidemien, wie die Cholera im 
Jahre 1892 zu Hamburg, haben noch unserer neuesten Zeit ihr 
grauenhaftes Angesicht gezeigt; aber die Seltenheit und zeitliche 
wie örtliche Begrenzung jenes Ereignisses hat selber den Fort- 
schritt gegen frühere Zeiten verdeutlicht. 

Ich glaube aber , auch das eigentliche Hauptgebiet unserer 
Erörterungen, darf an dieser Zuversicht theünehmen. Das Wech- 
selspiel von Ueberspekulation und deren Reaktion ist im Laufe 
der Zeiten ein anderes , ein gemäßigteres geworden als es ge- 
wesen, und darf daher wol auch in Zukunft auf eine fernere Er- 
mäßigung hoffen. 

Ein Blick in die Greschichte soll das beweisen^). 


1) J. Hejmann, Law und sein Sjatem. Ein Beitrag sar 
•ohiohte. ]853* A. Anderson, An historical and ohronological Deacription of 
the Origin of Commerce. Ans dem EnglUohen übersetit Biga 1773 — 79. Bd. 6. 


Aber das Wesen der Krisen in der Volkswirthschaft. 297 

Die Finanznoth der Regentschaft veranlaßt die Französische 
Regierung im Jahre 1718 dazn, die von Jean Law gegründete 
Banque g^n^rale in eine königliche Bank umzuwandeln und Law 
zu deren Director zu machen. Die Bank wird im J. 1719 durch 
4 Filialen über Frankreich erweitert und mit 110 Millionen Livres 
Banknoten ausgestattet, die für Zahlungen über 600 Livres statt 
des Silbers gebraucht werden sollen , weU die Circulation der 
Banknoten für die königlichen Unterthanen vortheilhafter sei als 
die des Gold- und Silbergeldes, zumal da der Rohstoff des Edel- 
metallgeldes aus fremdem Lande bezogen werden muß. 

Gleichzeitig wird, an Stelle älterer überseeischer Handelscom- 
pagnien, die nicht prosperiert haben, die Compagnie des Indes 
durch Kgl. Edikt (Mai 1719) gegründet, mit Ausgabe von 25 Mil- 
lionen neue Aktien zu 550 Livres (nominell 500 Livres). Trotz 
der Weigerung des Parlaments, dies Edikt zu registrieren, drängt 
man sich zur Subscription und die Aktien steigen rapide. Die 
Spekulation bemächtigt sich derselben, Lieferungsverträge werden 
abgeschlossen ; im Juli bereits stehen die Aktien auf 1000 p. Cent. 

Dieselbe Gunst ergreift auch die Banknoten. Um keinen Man- 
gel eintreten zu lassen, gestattet eine Verordnung vom 10. Juni 
eine weitere Ausgabe von 50 Millionen Livres, angeblich im In- 
teresse der Schuldner; am 16. Juli folgen 25 Mill. für Louisiana. 
Am 20. Juli erhält die Compagnie das Münzrecht auf 9 Jahre 
gegen eine Summe von 50 Millionen Livres , die der Regent für 
das Gleichgewicht der Finanzen braucht. Zur Abwehr der Ent- 
leerung der Bank von Edelmetall (die u. a. der Prinz von Conti 
als Kampfmaaßregel betreibt) wird der Compagnie das Recht auf 
Münzverschlechterung gegeben. Zur Aufbringung dieser 50 Mil- 


Sayarj, Dictionoaire universal de Commerce s. t. Action«, Cotupagnie«, Qain- 
qaempoiz. O. Cohn, Untersuchungen über die Eogliscbe Eisenbahnpolitik 
(1874 — 75) Bd. I, 243—245. Q. Cohn, Die auswärtigen Anleihen an der Lon- 
doner B6r«e. Zeitschrift für die gcsammte Staatswissenscbaft. 1876. A. Sc h ä f f 1 e, 
Der grofte Börsenkrach des Jähret 1873, Zeitschrift für die gesammte Staats- 
wissenschaft, 1874. Otto Michaelis, Die Haodelskrisis von 1857 (io dessen 
»Volkswirtbschaftlicbe Schriften'' Bd. 1, 217 ff. Berlin 1873). Äjcard, Hi- 
•toire du Credit Mobilier 1852-1867. Paris 1867. E. Struck, Zur Geschichte 
der Pariser BArsenkrisis yom Januar 1882. Jahrbuch für Qesetigebung, Ver- 
waltaog n. s. w. 1833. Ernst yon Halle, Die wirthsohaftliche Krisis des 
Jahres 1893 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Ebenda 1894, 1181 
1849. 


298 Gastay Cohn, 

lionen gibt die Gesellschaft eine neae Emission von Actien ans, 
zum Cnrse von 200> (50,000 Stück ä 500 Livres). 

Am 27. April 1719 wird der Compagnie die Generalpacht der 
Steuern gegeben auf 9 Jahre gegen eine jährliche Summe von 62 
Millionen Livres. Dafür hat sie dem Staate 1200 Millionen Livres 
zu 3% vorzustrecken. Zur Aufbringung dieser Summe wird sie 
zu einem Anlehen ermächtigt, das durch ebenfalls zu 37o verzins- 
liche Bentenbriefe (au porteur) aufgenommen werden soll. Da diese 
wenig Anklang finden, wird statt ihrer eine (vierte) Ausgabe von 
Aktien (300,000 zu 500 Livres) veranstaltet. Da man mit der Heim- 
zahlung der Staatsschulden nicht warten will, bis die Aktien ein- 
gezahlt sind, wird die Bank ermächtigt, den erforderlichen Betrag 
von Noten vorzustrecken. Damit diese große Menge Papiergeldes 
nicht seine eigene Entwerthung zur Folge hatte, mußte der Curs 
der Aktien so steigen, daß er den neuen Notenvorrath absorbie- 
ren konnte. Dafür wurde durch die Agiotage in der rue Quin- 
quempoix gesorgt. Im Juli 1719 steigen die Aktien auf 160 7oi 
im September auf 1200 — 1600 p. Cent. Die ganze Straße ver- 
wandelte sich in eine Börse, ihre Häuser in eine Menge Börsen- 
comptoirs ; für einen noch so kleinen Raum wurde eine monatliche 
Miethe von 300 — 400 Livres bezahlt. 

Am 13. September wurden 100,000 neue Aktien ausgegeben 
zum Curse vor 1000 7o ; ani 28. September ebensolcher Betrag zu 
denselben Bedingungen , und abermals am 2. October. Beson- 
ders rührig waren die heimgezahlten Staatsgläubiger ; es entstand 
ein Gedränge, daß militärische Wachen die Ordnung aufrecht er- 
halten mußten. Im December standen die Aktien 2000 7o- 

Ein wohlberechnetes Mittel, die Popularität Law^s in die 
Masse des Volkes zu tragen , bestand darin , daß die Compagnie 
Steuererlässe auf Oel, Talg, Fische u. dgl. auf ihre Kosten be- 
wirkte. Die Tochter Law's, ein Kind von 5 Jahren, veranstal- 
tete einen Ball, zu dem sich die creme der Gesellschaft einfand, 
auch der päbstliche Nuntius, der das Kind in sein Arme nahm 
und zärtlich küßte. Man nannte Law allgemein den Retter und 
die Stütze eines dem Untergange nahe gewesenen Reiches. Es 
drängten sich Herzoge und Lakaien, Offiziere und gemeine Sol- 
daten in der rue Quinquempoix täglich durcheinander. Auch das 
weibliche Geschlecht fehlte nicht. 

Eine Menge Glückspilze schössen in die Höhe ; ein unerhörter 
Luxus folgte ; Tuch, Sammet, Seide, Miethzins, Arbeitslohn stiegen 
ins Unglaubliche. Handwerker verließen ihre Werkstatte, Dienst- 
boten ihre Herrschaft. Von den Provinzen fand eine wahre Völ- 


über das Wesen der Krisen in der Volkswirthscbaft. 299 

kerwandemng nach Paris statt. Schaaren von Faßgängern . die 
in den Wagen keinen Platz gefunden, bedeckten die Landstraßen. 

Aber die Katastrophe nahte. Za Ende 1719 strömten die 
Banknoten zur Bank zurück. Das Vertrauen gerieth Anfang Ja- 
nuar ins Wanken. Law suchte Beruhigung zu verbreiten, indem 
er selber in der rue Quinquempoix erschien. Königliche Verord- 
nungen folgten sich, um die ;,Uebelwollenden" zu unterdrücken. 
Am 11. Februar verbot eine derselben den Terminhandel in den 
Aktien, vorgeblich weil so viele Personen dadurch beträchtliche 
Verluste erlitten hatten, thatsächlich um die Spekulationen ä la 
Baisse zu lindem. 

Jetzt kam der Zusammenbruch. Bald war Law seines Lebens 
nicht mehr sicher und flüchtete sich im Herbst des Jahres 1720. 

XI. 

Nicht nur Paris zog 1719 — 1720 die Fremden aus aller Welt 
an ; das Fieber verbreitete sich auch auf die benachbarten Länder, 
auf die. Niederlande, auf England. 

In London namentlich gingen ganz ähnliche Dinge vor sich. 

Das Britische Parlament und Ministerium y sagt Anderson '), 
gab ungerechten und schwärmerischen Vorschlägen zur Verminde- 
rung der nationalen Schulden Grehör, Vorschlägen arglistiger Pro- 
jectenmacher , welche die Eigenthümer dieser Schulden dadurch 
betrogen, daß sie die Namen, die Gestalt und die Lage derselben 
veränderten, und dadurch eher Taschenspielerkünste trieben als 
daß sie diese Schulden wirklich vermindert hätten. Gleich als ob 
irgend ein anderes Mittel im Stande wäre, die nationalen Schul- 
den zu vermindern als ein reiner und unverletzbarer sinkender 
Fond. Alle anderen Mittel sind für eine Nation, die Freiheit und 
Eigenthum besitzt, ein Betrug und eine Schande. 

Die Englische Südscegesellschaft bot dem Parlament SVt Mil- 
lionen Pfd. für das Becht, die Staatsschulden einzulösen durch Rück- 
kauf oder durch Austausch gegen ihre Aktien. Die Bank von 
England bot darauf 6 Millionen für dieses Recht; die Südseege- 
selLschaft überbot sie. Noch als über die Bill im Unterhause 
nicht entschieden war, standen ihre Aktien bereits auf 319%. 
Am 14. April 1820 wurden die ersten 2 Millionen Pfd. Aktien zur 
Zeichnung aufgelegt , zu 300 % ( der Marktpreis war bereits 


1) OeMbichte des Handelt VI, 623 f. 

Kffl. Om. 4. Wiii. HMkrUhUB. PliUoloff.-kUUr. KlaM« 18t7. HA. 3. 21 


300 Gustav Cohn, 

325 7o) ; am 30. April eine weitere Million zu 400 %. Am 25. 
Mai stand der Curs auf 500 %. Man ging mit der Convcrsion 
der Staatsschulden gegen Aktien vor. Am 2. Juni war der Curs 
890 7o, Ende Juni 1000 7o und darüber. 

Inzwischen waren auch die Aktien der Ostindischen Com- 
pagnie gestiegen (auf 445 °/o) , sowie der Bank von England (auf 
260 °/o). Man berechnete um Johannis 1720, daß nach den Cursen 
der Werth aller der Werthpapiere , die damals in London circu- 
lirten, 500 Millionen £ betrug, während der Werth aller Lände- 
reien und Häuser in Großbrittanien 224 Millionen £ war. 

Um dieselbe Zeit entwickelte sich die Ausbeutung von Pro- 
jekten (Bubbles) in dem Aktienhandel aller Art. Auch London 
hatte seine rue Quinquempoix in dem Gäßchen, welches seinen 
Nanien von der Börse erhielt (Change Alley). Die Kaffeehäuser 
und die Ga.sse waren von Morgen bis Abend voller Menschen, die 
sich mit den Bubbles (d. i. Seifenblasen) abgaben. 

Die Directoren der Südseecompagnie meinten klug zu ver- 
fahren indem sie gegen dieses Treiben die Regierung und die Ge- 
setzgebung aneiferten, da es doch nur der Reflex ihres eigenen 
Treibens war und diesem zunächst zu statten kam. Eine Unter- 
suchung des Unterhauses vom Februar 1720 hatte festgestellt, 
daß die Spekulationslust für neue Projecte bereits 1718 begonnen 
hatte. Am 11. Juni 1720 wurde das Gesetz gegen die Bubbles 
erlassen. „Alle dergleichen Unternehmungen, wie alle öffentlichen 
Unterzeichnungen, Quittungen, Uebertragungen wegen solcher Sa- 
chen, sollten auf immer für null und nichtig erklärt und für aU- 
gemeine Beschädigungen gehalten werden". 

Zunächst noch ohne Erfolg. Hohe und Niedere, Herren und 
Damen drängten sich zu, die Herren in den Kaffeehäusern, die 
Damen in den Läden der Putzmacherinnen. „Da die Täuschung 
bis aufs höchste gestiegen war, durfte ein unverschämter Betrü- 
ger nur auf einige Stunden ein Zimmer miethen und dann für et- 
was, das den Handel, die Manufakturen, die Colonien betraf, oder 
für irgend eine vorgebliche Erfindung, ein Unterzeichnungsbuch 
öffnen, und wenn er es einen Tag vorher in den Zeitungen ange- 
kündigt hatte, so konnte er in wenigen Stunden Unterzeichner zu 
1—2 Millionen £ des erdichteten Fonds finden ... Es war ge- 
nug, daß es auf die Quittungsscheine sehr bald eine Prämie ge- 
ben würde; die ersten Käufer fanden bald zweite Käufer^. 

Anderson hat zum Gedächtniß der Menschheit die Namen von 
mehr als 200 solcher Projecte aufbewahrt, deren meiste aber- 


aber dos Wesen der Krisen in der Volkswirtbschaft. 301 

witzig waren. Nur 3 — 4 setzten sich in dauernde Untemeh- 
mongen um. 

Am 18. August 1720 schritt die Regierung ein. Die Aktien 
der Südsee-Compagnie standen damals noch 850 7« ^^^ die Com- 
pagnie behauptete ihr Ansehn gegenüber dieser Maaßregel , die 
formell nicht gegen sie gerichtet war, die sie selber vielmehr pro- 
vociert hatte. Aber im September begann bereits der Sturz. Am 
20. September war der Actienpreis auf 410 °/o gefallen , am 29. 
September auf 175 % , bis dann auch diese Seifenblase platzte. 
Jetzt füllten sich Zeitungen und Pamphlets mit Anklagen über 
Bestechung und Beraubung des Publikum^. 

xn. 

Wohl hat in den bald zwei Jahrhunderten, welche seitdem 
verflossen sind, manches an das erinnert, was im Jahre 1720 zu 
Paris und London vorgefallen ist. Noch vor wenigen Jahren hat 
ein Französischer Schriftsteller denselben Stoff zum Gegenstande 
eines Romanes gemacht '). 

Indessen selbst dieses Zerrbild der heutigen Wirklichkeit 
bleibt weit zurück hinter demjenigen was 1720 in Paris und Lon- 
don sich ereignet hat. Jeder Anspruch auf den behaupteten Na- 
turalismus der Darstellung hätte geopfert werden müssen , wenn 
der Koman es hätte wagen wollen die Ereignisse von 1720 mit 
den heutigen Erscheinungen der Spekulation, der Ueberspekulation 
und ihrer Folgen, zu verwechseln. 

Wir fassen diejenigen Thatsachen ins Auge , welche als die 
typischen Beispiele ähnlicher Vorgänge in der Englischen Volks- 
wirthschaft des 19. Jahrhunderts, oft genannt worden sind *). Und 
zwar die Eisenbahnspeculation der Jahre 1844 — 1846, dann die 
neuspanischen Anleihen 1870 — 1872. 

Mit beiden hat sich das Englische Parlament beschäftigt, mit 
der Eisenbahnspekulation jener Jahre zufolge seiner Yerwaltungs- 
befugnisse, mit den neuspanischen Anleihen wegen der unliebsa- 
men Katastrophe , welche die Oeffentlichkeit beschäftigte. Aber 
beides (oder irgend etwas der Art, was im Laufe der zweiten 


1) Emile Zola, L*Argent (Les Bougoa-Macquart » Histoire naturelle et 
sociale d'uDO famille sous 1e second Empire) 71* mille, Paris 1891. 

2) Die Krisit Ton 1826 ist dadarch gekennEeichuet, daB ihr schon 1833 eine 
neue Spekulation speriode folgt. Vgl. B. Ehrenberg, Die Fondsspekalatioa und 
die QesetigebuDg (1888) 8. 47-58. 

21* 


302 Gustav GohD, 

Hälfte des 19. Jahrhnnderts sich ereignet hat) ist dazu gemacht, 
zu zeigen, wie weit .die Englische Volkswirthschaft, der Englische 
Staat, die Englische Gesellschaft, sich von dem Zustande des Jah- 
res 1720 , von der Möglichkeit der Wiederkehr einer ähnlichen 
Epoche, entfernt haben. 

Alles was 1844—46 geschieht, ist dieses. 

Der Englische Staat überläßt, seinen Traditionen folgend, 
und begünstigt durch Kapitalreichthum wie Unternehmungslust 
seiner besitzenden Klassen, den Bau der Eisenbahnen den Actien- 
gesellschaften. Anfangs gleich jeder neuen Technik beanstandet, 
wird der Erfolg ein Sporn, der bereits 1836 eine erste Spekula- 
tionsepoche hervorruft. Im Jahre 1844 wiederholt sich dieses in 
verstärktem Maaße. Dem Parlament liegen im Anfange des 
Jahres 1845 nicht weniger als 248 Entwürfe vor , in denen die 
Concession für neue Linien nachgesucht wurde. Im Laufe des 
Jahres 1846 steigerte sich die Spekulation; am 31. December 
1845 waren über 1400 neue Actiengesellschaften für Eisenbahnbau 
angemeldet. Dann kommt in den ersten Monaten des Jahres 1846 
der Bückschlag. In Zahlen der Curse ausgedrückt hatten z. B. 
die Actien der Caledonian im Jahre 1846, als sie noch im Sta- 
dium des Projects waren, auf 220 ®/o gestanden ; im Jahre 1846, 
als das Project zugelassen war, fielen sie auf 67 ®/o. Dem Aus- 
schusse des Parlaments lagen als Folge des Jahres- 1845 noch im 
April 1846: 619 Eisenbahn-Bills mit einem Kapital von 304 Mil- 
lionen £ vor. 

Die Spekulationslust hatte alle Klassen ergriffen, Reich und 
Arm, Jung und Alt, Frauen ebenso wie Männer. 

Aber welcher Abstand gegen 1720! Damals schwindel- 
hafte Praktiken, bei denen sich die Staatsregierung und abenteuer- 
liche Spekulanten die Hand reichten, indem man die Staatsschuld 
in Aktien der Südsee - Compagnie verwandelte; jahrelang eine 
Menge der tollsten Projecte, die zeitweilig großes Glück machten, 
um einem jähen Zusammenbruch Platz zu machen. Jetzt nichts 
weiter als eine übertriebene Entfaltung der Unternehmungslust 
nach den Zielen, welche die Gesetzgebung für die Eisenbahnen 
selber vorgezeichnet hatte ; eine Concurrenz von Linien, die frei- 
lich übermäßig, zum Theil unmöglich, dennoch die Durchführung 
dessen war, was der Englische Staat grundsätzlich verlangte, um 
sein Land mit Eisenbahnen zu sättigen nicht allein, sondern auch 
vermöge der Concurrenz mehrerer Bahnen wider einander durch 
billige Bedingungen derselben zu befriedigen. 

Und selbst dieses ist seit 50 Jahren nicht wieder vorgekom- 


über das Wesen der Krisen in der Volkswirthschaft 303 

men. Was sich in den nenspanischen Staatsanleihen 1870 ff. be- 
giebt, ist eine, im Vergleiche zu der Masse der Englischen Kapi- 
talanlagen geringfügige Erscheinung , welche davon entfernt ist, 
in die Breite der Wirklichkeit zu treten , vielmehr gleichsam 
abseit sich zeigt, wie um den Contrast zwischen diesem Einzelnen 
und dem Ganzen der heutigen Englischen Volkswirthschaft zu 
beleuchten. 

Die Republiken Santo Domingo, Paraguay, Costa-Rica drän- 
gen sich in das Leben des heutigen England hinein, wie um daran 
zu erinnern, daß der Englische Staat vor 200 Jahren einmal ähn- 
liche Finanzen und ähnliche Finanzpraktiken gekannt hat. 

xm. 

WiU man stärkere Ausschreitungen in der Gregenwart beob- 
achten, so darf man sie nicht mehr in England suchen. Es ist 
bezeichnend, daß die Erlebnisse der Periode 1872 ff. auf dem Fest- 
lande weitaus die ärgerlicheren waren, und dieses wiederum in 
Wien^). 

Ein so hervorragender Yolkswirth wie Schaff le ist es, wel- 
cher davon sagt: 

„Im Laufe des Jahres 1873 brach endlich das Strafgericht über 
ein Schwindeltreiben herein, wie es seit den Law' sehen Orgien 
der rue Quincampoix nicht erlebt worden war. Fünf Jahre lang, 
besonders aber im Jahre 1872 und noch im Beginne des Jahres 
1873, hatte es geschienen, als ob die Bäume der Spekulation wirk- 
lich in den Himmel wachsen sollten. An fast allen großen Bör- 
senplätzen hatte der Aktienschwindel einen seit Law nicht dage- 
wesenen Umfang und Cynismus erreicht. Aber nirgends hat 
der tolle Tanz um das goldene Ealb mit solchem Schrecken ein 
Ende genommen wie in Wien^. 

„Auch überall sonst, sagt er an anderer Stelle, wüthet der 
Durst nach Gold, die Sucht nach arbeitslosem Reichthum. Der 
Oesterreicher ist hierin im Ganzen nicht schlimmer als Andere. 
Aber nirgends führte die £lasse, welche diesen Geist hauptsäch- 
lich beherbergt, so ausgeprägt die geldoligarchische Herrschaft 
über den ganzen Staat, nirgends hat das bewegliche Großkapital 
in solchem Grade und gegengewichtslos die politische Gewalt 
usurpirt, alle Schranken und Controlen gegen sich niedergerissen, 


1) A. Schaffte , Der „grofie BOnenkrach*' des Jähret 1873. Zeittchrift f&r 
die getammte Staatawiiseniohafly 1874, S. 1 ff. 


304 Gustav Cohn, 

und zu keiner Zeit war dem mehr so als in den Jahren 1868 
bis 1873«. 

Es giebt nun, für die Kürze, in welche wir diese Erscheinung 
der Wiener Spekulationsperiode und ihres Ki^aches zusammen- 
fassen müssen, keine zweckmäßigere Methode als die Wiedergabe 
der Curse der hauptsächlichen Spekulationspapiere. 

Die Aktien der Oesterreichischen Creditanstalt standen am 
1. März 1872 (auf der Höhe der Spekulation) 
220 7o ; am 2. Januar 1873 : 207 > 
„ 5. Juni „ 170 jf 

„ 13. October 135 » 

Die Actien der Anglo - Oesterreichischen Bank waren von 310 7o 
am 1. März 1872 auf 125 7o am 13. October 1873 gesunken. 

Weit greller zeigt sich der Verlauf bei dem Hauptgegen- 
stande der Ueberspekulation jener Jahre , den Bau - Banken. Die 
Aktien der Allgem. Oesterreich. Baugesellschaft sinken (18. Febr. 
bis 13. October) von 294 auf 39 ; die Actien der Allgemeinen Wie- 
ner Bau - Actiengesellschaft in derselben Frist von 293 auf 18 V«« 

Und hiezn noch einige Worte. 

Für den ruhigen Betrachter ist gleichwol der Abstand ein 
großer *) , zwischen dem was zu Paris 1720 geschehn und dem 
was in Wien 1872—73 sich ereignet und sein Ende mit Schrecken 
gefunden hat. 


1) Es giebt, gerade in geechäftsk und igen Ereiseii, eineu Pessimismus, wie 
er sich im Gefolge der Krisis voq 1873 n. a. vor der preuBischen üntersachungs- 
Commission über das Eisenbahn -CoDcessionswesen aus dem Munde eines nam- 
haften Sachverständigen vernehmen ließ in den Worten „Sie können dem bOrsen- 
lustigen Manne, und nicht blos dem Kaufmann sondern dem Portier, Actien 
bringen, auf denen geschrieben steht : Es ist nicht 100 Thaler dafür bezahlt, es 
ist blos ein Bund Stroh dafür gegeben — aber Sie machen ihm Hoffnung, mor- 
gen werden sie 110 stehn, so nimmt er sie; und andrerseits bringen Sie ihm 
eine Aktie, deren eingezahlter Werth 150 ist, aber morgen werde sie wahr- 
scheinlich H9 stehn, so nimmt er sie nicht*' — einen Pessimismus der um lo 
trübseliger ist, wenn er sich darin gefällt, mit leeren Händen vor solcher Un- 
abänderlichkeit der menschlichen Thorheiten und Leidenschaften zu stehen — 
das ist in letzter Instanz eine Qemüthsstimmung und Weltansicht, gegen welche 
es schwer ist, mit historischen Thatsachen zwingende Beweise zn fuhren. 
Will jemand behaupten , die Schwindel periode Law's sei 1873 wiedergekehrt 
nnd könne jeden Augenblick und allenthalben sich wiederholen, so werden ihm 
die oben versuchten Beweise nicht genQgen. Wer aber diese historischen That- 
sachen im Zusammenhange mit der gesammten Entwicklung der Qesel Isohaft und 
der Staaten sieht, wer den unzweifelhaft großen Guiturfortschritt Englands seit 
200 Jahren erkennt, wer die Abstände betont, in denen sich die heutige Gultur 
andrer Völker und Volkswirthschaften dazu befindet, der wird anders urteilen. 


Qber das Wesen der Krisen in der Volkswirth Schaft 306 

Es ist ferner erheblich, daß es in Wien zu dieser Höhe ge- 
langt ist, die es anerkanntermaaßen in Berlin nicht erreicht hat, 
und wogegen vollends alles was zur selben Zeit in London er- 
lebt worden ist, abermals die Signatur einer gereifteren, gesitte- 
teren Volkswirthschaft bedeutet. 

Wir reden hier nicht von den Erscheinungen die sich zu- 
nächst noch als chronische aber verhältnißmäßig geringfügige an- 
hängen an die heutigen Kapitalmärkte, an deren Werthpapier- 
handel u. s. w. , wie etwa den neuesten Spekulationen in Gold- 
bergwerksant heilen *), die zumal in London gestiegen und gefallen 
sind. Wir reden von jenen gewaltsamen Uebertreibungen und 
Katastrophen — und in denen ist der Fortschritt unverkennbar, 
Hand in Hand mit den Fortschritten des Staats, der Gesellschaft 
und der Volkswirthschaft. 

Man hat den vergeblichen Versuch gemacht, eine Periodicität 
der Krisen zu behaupten ; man hat ihre Wiederkehr gar mit gewissen 
kosmischen Erscheinungen in Zusammenhang bringen wollen. Eine 
große Verirrung. In der fortschreitenden Vernunft, in der fort- 
schreitenden wirthschaftlichen Cultur, und zwar in erster Reihe 
der Handeltreibenden selber, liegt die Norm fiir Wiederkehr und 
Art der Krisen. 


1) Die Auffindung Ton Goldlagern in SQdafrika seit dem Jabro 1885 hat 
mit der wachsenden Größe der dortigen Goldproduktion auch die Spekulation 
in Aktien von Goldminengesellscbaften angefacht. Ihr Mittelpunkt war und ist 
London. Eine solche neue Entdeckung mit ihrem Gefolge in der Spekulation 
und in den daraus gezogenen Gewinnen („boom*' in Amerika und England ge- 
nannt = dem Deutschen ^,Bum" dem Tone der Bombe) wird stets zu Ueber- 
treibungen veranlassen, welche dann ihren Gipfelpunkt erreichen und eine Reak- 
tion hervorrufen. Dieser Fall ist bei den Südafrikanischen Goldminenantheilen 
längst eingetreten. Man hat berechnet , daß der Marktwerth der Aktien von 
146 Goldminengesellscbaften und etwa 40 Goldminentrusts am 1. October 1895: 
5005 Millionen Mark betragen hat, dagegen 28. Februar 1897 nur 1960 Millio- 
nen Mark, also ein Röckgang binnen kaum anderthalb Jahren im Verhältnisse 

von 5 zu 2. 

Daß es sich nur um eine üebertreibung der Spekulation (d. h. der Erwar- 
tung des zukOnfligen Gewinnes) auf der Grun<llage einer prosperirenden und 
dauernden Produktion handelt, beweist die Thatsache, daß die Gold Produktion 
in SQdafrika nicht blos von 1892—95 stark gestiegen ist (von 1,210,908 Unzen 
auf 2,277,635 Unzen) sondern sich auch im Jahre 1896, im Jahre des Curs- 
sturzes, auf der Höhe von 1895 behauptet hat (nämlich 2,275,428 Unzen) und 
im Jahre 1897 sich neuerdings stark gehoben hat (erste 5 Monate: 1,136,902; 
d. h. bei gleicher Ausbeute für den Rest des Jahres = 2,728,560 Unzen). 


Simonides der Epigrammatiker. 

Von 

Ulrich Ton Wllamowltz-Moellendorif , 

auswärtigem Mitgliede der Gesellschaft. 
Vorgelegt am 7. September 1897. 

Das eben erscheinende Heft der Athenischen Mitteilnngen 
(S. 52) bringt Gewißheit über einen merkwürdigen Fund, von dem 
man bisher nnr unbestimmtes gehört hatte. St. Dragumis, der 
Finder, Retter und Herausgeber des Steines hat zwar die Haupt- 
sache getan, indem er das Bruchstück richtig las und einordnete, 
aber er hat die litterargeschichtlichen Consequenzen nicht gezogen 
und sogar vor denen gewarnt, die da kommen würden und das 
Zeugnis des Steines wider die Vulgata verwenden, die ihm von 
Theodor Preger (Inscript. metr. ex Script, coli, 4 ffg,) verständig 
beurteilt zu sein scheint. Eben deshalb lege ich die ganz unab- 
weislichen Schlußfolgerungen sofort vor und hoffe selbst Dragumis 
davon zu überzeugen, daß sein Fund viel höheren Wert hat, als 
er ihn selbst geschätzt hat. Pregers Buch hat sich bei meiner 
Prüfung noch weniger bewährt als bei der Kaibels (Gott. Gel. Anz. 
1892, 89), auch abgesehen von der Urteilslosigkeit des Verfassers. 

Der Stein, auf dem Dragumis das Gedicht gefunden hat, das 
bei ßergk Poet. Lyr.* als Nummer 96 und in der eben erschei- 
nenden Anthologia Lyrica von Crusius als Nummer 81 des Simo- 
nides unbeanstandet geführt wird, ist in der Nekropolis der Stadt 
Salamis gefunden , wo er nach dem Zeugnisse Plutarchs {de maiig* 
nüate Herodoti 39) gestanden hat. Die Inschrift ist korinthisch in 
der Sprache und der Schrift, und die Schriftformen passen vor- 
züglich für die Zeit unmittelbar nach der Schlacht bei Salamis'). 


1) Sie hat das dreistrichige Iota aufgegeben, aber die alte Form de« £ und 
das Qoppa bewahrt, ist also älter als das olympische Epigramm 263 auf die 
Schlacht bei Tanagra. 


Simonides der Epigrammatiker. 307 

Es steht also außer Frage, daß wir den Grabstein im Originale 
besitzen, den die Korinther ihren Gefallenen auf der Insel errichtet 
haben, nach der der Sieg hieß, wie natürlich, bald nach 480; seit 
460 trennte sie von Athen der bitterste Haß. Damals entstand 
auf athenischer Seite die Verläumdung , daß die Eorinther unter 
Führung ihres Feldherrn Adeimantos geflohen und gar nicht in 
das Treffen gekommen wären. Herodotos, der sie mitteilt, mis- 
billigt sie; Plutarch widerlegt sie unter anderm mit diesem Ge- 
dichte; jetzt ist sie längst durchschaut, und das unwiderlegliche 
Zeugnis des originalen Grabsteines lehrt uns in sofern nichts 
neues. 

Wie der Augenschein auf Tafel IX zeigt, hat auf dem Steine 
niemals mehr gestanden als dieses Distichon in dieser Form: 
i ^evSj eüviolov nox^ ivaio(isg &6xv Qogivd'o' 
vvv if &(ih Ata]vtog [va6og ixBi EaXafiCg^), 
Das reicht nicht; wir verlangen daneben das Verzeichnis der Ge- 
fallenen, das 80 wenig wie auf den Denkmälern des attischen Fried- 
hofes gefehlt haben wird; gilt doch der ganze Cult der avögsg i- 
yad'oi der Erhaltung ihres persönlichen Gedächtnisses, so daß in 
Sparta nur diese Classe von Toten den Namen auf das Grab ge- 
setzt erhält. Die Namen werden auf anderen Platten um das Po- 
lyandrien gestanden haben. Umgekehrt haben wir z. B. von dem 
Polyandrien der 424 bei Delion gefallenen Thespier nur die Namen 
ohne die allgemeine Dedicationsinschrift des Grabes (Inscript. Gr. 
septentr, I 1888). Aber das Gedicht als solches ist fertig mit der 
Erklärung *wir sind Korinther und liegen auf Salamis'. Daß kein 
Wort des Selbstruhmes dabei steht, keines, das die Gelegenheit 
näher bezeichnete, bei der diese Korinther hier gefallen waren, ist 
die echte Bescheidenheit der großen Zeit; oder sollen wir sagen, 
ihr Stolz, so war auch dieser Stolz ein echter: auch die späte 


1) Da das hybride (offene) O des Genetivs mit einem Zeichen geschrieben ist 
(sehr aaff&]lig in Korinth), so ist das gleiche für ^ivb anzunehmen. Die Elision 
war anbezeichnet; so erklärt sich, dafi die antike Abschrift (eVf gegeben hat, 
wie fiberall. auBer in der besten Handschrift des Dio überliefert ist. Gott weifi 
mit welchem metrischen Aberglauben sich die Herausgeber über den Hiatus hin- 
weggetftascht haben. Davon kann natürlich keine Rede sein. Aber anrh ihßU^ 
wie Kaibel hat schreiben wollen, ist nicht glaublich, da &a%v seinen Anlant ver- 
]oren hat und SufonXf^ auf einer korinthischen Vase, 8155 im Göttinger Corpat, 
gesehrieben ist. — Der Pentameter war nicht eingerückt, aiih voll ausgeschrieben. 
Hergestellt ist der Anfang von Valckenaer, überliefert bei Dio di i^t Alavrosj 
bei Plutarch ^ Avdiuctog, Wer jetzt noch äfifie schreibt, macht einen Sprach- 
fehler. — Der erste Buchstabe von SaXaiUg scheint auf der Photographie kenntlich. 


308 U- von Wilamowitz-Moellendorff, 

Nachwelt kann vor diesem Grabe niett zweifeln, welcher Kampf 
diese Männer dahingeraift hat. 

Aber es kamen Zeiten, wo Hellas zwar keine Männer mehr 
erzeugte, die für das Vaterland zu siegen und zu sterben wußten, 
aber um so viel mehr Worte von den Siegen der Vergangenheit 
machte. Nun hatte man geringes Gefühl für die stolze Beschei- 
denheit der Helden, und allerdings nahm sich das Gedicht auf dem 
Papiere kahler aus als angesichts des salaminischen Meeres. Da 
flickten sie denn ein zweites Distichon an, das bei Plutarch also 
lautet 

ivd-dds 0OLVL66ag vfjag xal IliQtSaq ilövtsg 
xal Mr^dovg Ugäv ^EkkaSa ^vöfis^a. 
Favorin (der hat die 37. Rede in der Sammlung des Dio verfaßt) 
gibt am Anfange geta öe, am Ende [ÖQV^diisd'a. Das sind keine 
Schreibfehler, sondern Varianten, wie sie der Fälschung auf Papier 
zukommen ; relativ echt ist die Fassung bei Plutarch. Die Kritik 
hatte den Trug durchschaut. Zwar die Verkürzung der Endsylbe 
von nigöag ist nur so lange unerträglich, als Simonides der Ver- 
fasser sein soll ; von dem aber kann keine Rede sein , denn nur 
Favorin nennt den Namen, Plutarch nennt ihn nicht nur nicht, 
sondern kann ihn nicht gekannt haben, da er im Verlaufe des- 
selben Kapitels ein anderes korinthisches Epigramm eben dem Si- 
monides zuteilt. Aber kein Zeitgenosse konnte behaupten, daß die 
Korinther die Phoenikischen Schiffe und die Perser überwältigt 
hätten ; Perser und Meder waren für diese Zeit noch dasselbe, und 
den mangelnden Anschluß des zweiten an das erste Distichon be- 
seitigt so wenig die alberne Aenderung bei Favorin wie die mo- 
derne Ausrede, das wäre ein zweites Gedicht für sich. Nein, hier 
hat die Entdeckung des Originales so entschieden, daß keine Ap- 
pellation möglich ist. Kaibel ist zu weit gegangen, indem er das 
ganze Gedicht für spät erklärte , aber mit der Verwerfung des 
zweiten Distichons hat er Recht behalten. 

Plutarch citirt unmittelbar hinter diesem Gedichte zu dem- 
selben Zwecke noch drei andere, sämmtlich korinthischer Herkunft. 
Das erste stand auf einem Kenotaph, das die Korinther am Isth- 
mos offenbar für alle ihre Toten der Freiheitskriege errichtet 
hatten und trug die Inschrift: 

*Ax^äg iötaxvtav ijtl I^vqov *Ekkdda na6av 
xalg avt&v ilfvxcttg xiC^s^a ^vödfiBvot. 
Eine Liste der Namen mußte auch hier folgen, und auch hier waren 
sie eigentlich die Hauptsache. Das Gedicht trägt den Stempel 
derselben stolzen Kürze wie das von Salamis. Auch hier hat sie 


Simonides der Epigrammatiker. 309 

der späteren Ruhmredigkeit nicht genügt. Zwar in der Anthologie 
7, 250 ist nur das Lemma Sificn/idov zugetreten , das durch Flu- 
tarch widerlegt wird^). Aber Aristides fährt nach dem echten 
Distichon, das er mit ionischem Vocalismus citirt, also fort (49, 
S. 512 Dind.) 

dovloövvfig * nigöaig dl xsqI g>QS6l Jtijfiata Jtdvra 
fi^afisv, ägyaksrig ftvijftara vavfiaxirig' 

öötia S* &n(iiv i%Bi SaXa^Cg' naxQlg 81 KÖQLvd'og 
hfi eicQyeöirig fLviifi* inid'ri^B töds. 
Auch hier ist die Fälschung unverkennbar, und hier hatSchneide- 
win zwar nicht bei Bergks invidia, aber sonst mit dem richtigen 
Urteil Glauben gefunden. Offenbar hat derjenige, der das Gedicht 
auf Salamis erweitert hat, sein 'EXXdda ^vöfLsd'a aus dem echten 
Distichon vom Isthmos genommen, dem wiederum das letzte Disti- 
chon nach dem Vorbilde des echten Gedichtes auf Salamis ange- 
flickt ist. Wenn es nicht derselbe Fälscher ist, so haben zwei mit 
dem nämlichen Materiale gearbeitet. 

Darauf folgt bei Plutarch die Weihinschrift aus dem Leto- 
tempel in Korinth 

Tavt^ ixb dvöfisvimv Mi^dayv vaircai ^coöAqov 
SnV ivi^ev Aaxol (ivd^ara vav^axiccg^). 
Man kann unbedenklich glauben, daß die Schiffsmannschaft der 
Triere des Diodoros wirklich im Perserkriege 480/78 die Beute 
gemacht hat ; ob gerade bei Salamis, ist minder sicher. Das echte 
Gedicht nennt die Feinde, wie sich gebührt, nicht IliQtJatj sondern 
Mijdoi^). Es steht als simonideisch in der Anthologie 6, 215. 

Dann kommt die angebliche Grabschrift des Feldherrn Adei- 
mantos 

Oitog 'Adsifidvxov xsivov tdg)ogy 5v dia nätfa 
^EXXäg iksv^BQCag i^q>i^Bxo 6riq>avov. 


1) Die falsche Inhaltsangabe slg tohg aitohg, was bedeuten w&rde, auf die 
bei Thermopylae gefallenen (denn deren Grabschrift geht vorher), ist, wie so oft 
in der Anthologie , byzantinisches Geschreibsel ohne jede Gewähr. 

2) Dafi bei Plutarch sowol wie in der Anthologie &vi9svto steht, ist wol 
eher eine zufällige Uebereinstimmung später Copisten als ein Fehler der gemein- 
samen Ueberlieferung, denn sie ist zu alt, als daB man ihr einen Irrtum in der 
MessoDg Ton Aaroi zutrauen könnte, vavitaxirig bei Plutarch gegen die dorische 
Form der Anthologie ist ebenfalls wol erst Copistenfehler. 

8) £iDe Frage ohne Antwort ist es, ob die Derer damals auch Mf^dot sagten, 
weil sie den Namen von den loniern Oberkoromen hatten, oder dem wirklichen 
Persisch gemäB M&doi wie die Kypricr. Das kann nur ein gleichzeitiger dori- 
scher Stein entscheiden. 


310 ü. voD Wilamowitz-Moellendorff, 

Sie kehrt in einer gefälligeren, aber darum nicht verläßlicheren 
Fassung unter dem Namen des Simonides bei Favorin und in der 
Anthologie 7, 347 wieder '). Die Aechtheit wird durch die dumme 
Renommage ausgeschlossen, die sich nicht so sehr gegen den Ruhm 
des Themistokles als gegen die bei Herodot überlieferte Verläum- 
dung des korinthischen Feldherrn richtet. Aber die Fälschung 
ist auch hier mit echtem verbunden, denn Plutarch kann berichten, 
daß Adeimantos seinen Sohn Aristeus (den kannte man aus Hero- 
dot Thukydides und anderen), seine Töchter Akrothinion und 
Alexibia genannt hat: solche rare Kunde ward am ehesten durch 
das Familiengrab späterer Forschung erschlossen, und wenn dieses 
erwähnt war, verfertigte ein Fälscher so bequem eine Grabin- 
schrift, wie er die überlieferten Epigramme erweiterte. 

Dann kommt das Weihgeschenk an Aphrodite, auf dem die 
betenden Hierodulen dargestellt waren. Ich habe es früher erläu- 
tert '), und dabei dargetan, daß Plutarch zwar die Geschichte nach 
Theopomp erzählt , der das Gedicht copirt hatte , aber den Text 
nicht mehr so rein gibt wie das Excerpt aus Theopomp in den 
Pindarscholien. Ich nahm an, daß Plutarch selbst den Text aus 
der Gedichtsammlung des Simonides genommen hätte, da er auch 
den Namen des Verfassers gibt, von dem Theopomp nichts wußte. 
Das verschiebt sich nun in sofern, als Plutarch selbst nicht die 
Verderbnis bewirkt haben wird, da sich ja dies Gedicht von den 
früheren nicht wol scheiden läßt, in denen ebenso Aechtes mit 
TJnächtem verbunden ist. Wir müssen vielmehr annehmen, daß er sehr 
viel mehr von dem gelehrten Materiale seiner Widerlegung Hero- 
dots bereits gesammelt übernahm ; sehr wol möglich, daß Theopomp 
selbst schon die ersten Streiche gegen dessen Autorität geführt 
hatte und dann viele in diese Kerbe schlugen, als letzter der ge- 
kränkte Boeoterstolz des Plutarch, Nach den Namen für die 
Mittelsmänner zu suchen ist ganz müßig; nur zeigt sich, daß sie 
unlautere Quellen oder unlautere Machenschaften nicht verschmäht 
haben. Daß Simonides in dieser Ueberlieferung im allgemeinen 
nicht für den Verfasser der Gedichte aus der Perserzeit galt, ist 
wichtig festzuhalten; nur das Gedicht der Hierodulen ward ihm 

1) ov dia ßovX&g*EXidg ist viel besser, aber bessern kann auch ein Interpolator. 
Die Fassung bei Plutarch, der immer eine relativ reinere Ueberlieferung gibt, 
wird geschützt durch die Nachbildung in Peplos 13 von Odysseus, Zv 9ta nolXa 
'^EXkiivBg nolJ\uai Tifmi%&i iiftvxmav. Das ist eine der Dubletten, die dem Epi« 
grammenkranze gegenüber secundar and völlig zeitlos sind ; aber Hkv^f «tf beweist 
nur für den. Bildungsgrad, nicht für die Zeit des Verfassers. 

2) Commentarioluro grammaticum IV. Pregers Widersprach scheint mir kei- 
ner Widerlegung wert. 


Simonides der Epigrammatiker. 311 

gegeben, weil in dieser Zuteilnng Chamaileon mit gewohnter Weit- 
herzigkeit vorangegangen war. 

Benutzt wurden wie andere sehr gute und seltene Werke, 
z. B. die Chronik von Naxos (Kap. 36) , auch die Elegien des Si- 
monides, deren Zeugnis für die Stellung der Korinther in der 
Schlacht von Plataiai angerufen wird (Kap. 42) : Plutarch, so ge- 
nau er das Gedicht bezeichnet '), hat es nicht selbst herangezogen, 
denn ihm sind zwar die lyrischen Gedichte des Simonides sehr 
vertraut, aber die Elegien citirt er nur für sachliches aus fremder 
Hand'). Und in der Schrift wider Herodot (36) ist ihm passirt 
ein Citat als Epigramm zu bezeichnen, was seinem ganzen Stile 
nach, wie Kaibel richtig hervorgehoben hat, nur in eine Elegie 
gehören kann'). Der Irrtum lag einem, der an den Ruhm der 
Simonideischen Epigramme gewöhnt war, nahe genug. 

In demselben vorletzten Kapitel, das die Elegie des Simonides 
citirt, stehen noch zwei Epigramme von Monumenten, beide autor- 
los überliefert, das von dem plataeischen Weihgeschenk in Delphi, 
das Thukjdides citirt hatte, und das lediglich durch ihn erhalten 
worden ist, da es ja auf dem Monumente selbst ausradirt war'), 


1) Es ist zu lesen ta^a yap o^ x^Q^v (Herwerdeo sehr scböa für 06% otov) 
iv JTo^/rdoi diddcmmv o4)8* aitffta noi&v slg zi^v n6XiVy &lXiog dh täs ngd^Hg 
iiulvag <iv> iXtyiCat {iUysCa vulgo) y^dtpav tift6Qri%Bv, Leider kann ich die 
Verse selbst nicht herstellen. 

2) Wenn im Leben des Themistokles 15 Simonides als Zeuge dafür angeführt 
wird, daB der Kampf bis gegen Abend währte, so kann das auf das Qedicht gehn, 
ans dem die Heldentat des Demokritos genommen ist, und es kann auf dieses 
aach die Yerwirrte Suidasangabe bezogen werden, die Bergk (fgm. 83) heranzieht. 
Aber es ist ganz unsicher; die Stelle der Tbemistoklesvita kann ebensogut auf ein 
lyriachee Qedicht zielen, und die Existenz eines Gedichtes mit dem Titel ^ iv 
£alu^9i vaviucxia ist nicht glaubhaft , da das auf Artemision einfach als vnv- 
futxüt citirt wird. Der Titel slg riiv iv nXietai.ai:g itdxJiv ist Tollends ganz mo- 
derne Erfindung. 

8) Jr^wifixog XQitog ^p£e ftaxtig 2ks naQ ZaXafUva 
"EXXrivBg Mi^Soig avfißttlov iv neXdyiij 
nivtt dl vfjag iXsv dtilonv, lxr?]y ^ ^6 X^''9^ 
f^üato ßaQßaQi.%fjg datifid' aXicxofkivriv, 
Der Genetiv x^^^ ßeofßaQtxfjg ist aus dem Accusativ , den die Umgebung her- 
▼orgemfen hatte, Ton Turnebus hergestellt. Es gibt Editoren, die die Zeichen 
TBY (bei Bergk; weiter haben sie wo] nicht nachgeschlagen) für Handschriften 
halten ; es heiSt Tumelms Vulcöbius Bongarsius, Es gibt auch solche, die sagen 
Ton dem Verse, den Plutarch in dem Epigramme des plataeischen Altares auslfiSt, 
OMtttiml eodd. Parisimi gleich als ob es andere überhaupt g&be. 

4) Tbuk. 1, 132. Wenn er das Gedicht in attischem Dialekte gibt, was durch 
■eine Handschriften und die zahlreichen Ausschreiber gesichert ist, so könnte das 
für die Abfassung durch eiuen ionischen Dichter sprechen, wenn nicht am nach- 


312 U. von Wilamowitz-Moellendorff, 

and die Inschrift des Altares des Zsvg ^Elevd'BQiog zu Plataiai. 
Dieselbe kehrt im Leben des Aristeides 19 wieder und lautet von 
gleichgiltigen Schreibfehlern abgesehen übereinstimmend also: 

tövds noff "EXXrivsg Nixrig xgcitSL lQy(oi. "Agriog 

IIsQöag i^sXdöavtsg iXav^igai 'EXXddi xotvöv 
tdQi6avto /diog ßoftbv ^EXevd'sgiov, 
Es ist für die in diesen Dingen herrschende Kritik bezeichnend, 
daß die Herausgeber des Plutarch in seinen beiden Schriften ei- 
nen Pentameter aus der Anthologie einflicken, und der Gredanke 
niemandem kommt, daß man zwischen zwei Recensionen zu wählen 
hat. Die Anthologie nämlich gibt 6, 50 als simonideisch 

tövds no%^ "^EXXavBg ^6^riL xsgbg Igycit "jigriog 
sitöXfKoi, tl^vx^lg Aijfiart jCELd^ö^isvot 

lÜQtfag iJ^sXdöccvteg iXsvd'SQOv *EXXddi. xööiiov 
[ÖQvdttvro /lihg ßfofibv *EXbv%'bqCov, 
Die Interpolation ist handgreiflich. Die ganze Deduction Plutarchs 
beruht darauf, daß der Altar des Befreiers dem freien Hellas zu 
gemeinsamem Cultus gehört: daraus folgt ihm, daß alle Hellenen 
auch an dem Befreiungswerke Teil genommen haben. Im ersten 
Verse ist die schöne Parallelisirung der beiden Götter zerstört, 
von denen in griechischer Weise zuerst die Klraft des Sieges steht, 
dann erst die Mühe des Kampfes , die beide zur Vertreibung der 
Perser nötig waren. Erbärmlich ist der Gemeinplatz, mit dem 
ein Pentameter eingeflickt ist, wo doch gerade der Bau des Ge- 
dichtes (aab) seine Originalität beweist^). Da haben wir wieder 


8ten läge, daB Thukydides das Qedicht, dessen Original nicht mehr ezistirte ond 
das ihm vielleicht mündlich überliefert war, in seiner Mundart gegeben h&tte, 
Tielleicht geben mußte. Die Anthologie 6, 197 führt den dorischen Vocalismos 
ein und gibt zugleich den Namen Simonides : da discreditirt eins das andere. Die 
Anekdote verbindet den Simonides mit ziemlich allen notablen Zeitgenossen, also 
auch mit Pausanias, und sie erst führt zur Zuteilung dieses Gedichtes an ihn. 
Aus anekdotischer Ueberlteferung hat Tansanias der Perieget d, 8 den Verfasser- 
nameu für dieses Gedicht : er erzählt öfter vom Verkehre der Fürsten und Dichter. 
Ihm die eigne Lectürc irgend eines Lyrikers zuzutrauen ist ein stark^^s Zeichen 
von Urteilslosigkeit. Dagegen paßt für ihn ganz die Liberalität, mit der er dem 
Simonides alte Gedichte vindicirt, ganz wie Favorin. Es wird auf seine eigne 
Rechnung kommen, daß er die Inschrift der delphischen Lesche (Bergk 160) si- 
monideisch nennt wie die Anthologie: Plutarch weiß wiederum nichts davon. Trotz 
aller Chronologie führt noch Crusius dieses Gedicht als echt. 

1) Dieser Bau ist in der Praxis lange unvergessen geblieben; noch Solla 
(Appian hell, dv. 1, 37) hat ihn angewandt, als er der Aphrodite nach Aphrodi- 
Sias Weibgeschenke stiftete. Nach Preger S. 37 hat er griechische Verse f&r eine 
Dedication in Rom gewählt ; Preger hat den Appian nicht nachgelesen. Es geht 


Simonides der Epigrammatiker. 313 

genaa die Manier der Fälschung wie in den Gedichten der Ko- 
rinther. Ein Altar für Zeus den Befreier ist gleich nach der 
Schlacht auf dem Markte von Plataiai errichtet worden, Pausanias 
hat als Heerführer von Hellas ein Opfer für alle auf ihm gebracht 
und die für Plataiai beschlossenen Ehren verkündet *). Auf dem 
Altare dieses Gottes hat das Gedicht, so wie es Plutarch gibt, 
gestanden: so viel dürfen wir glauben. Ob aber das Gedicht und 
der steinerne Altar, den es zierte, schon aus dem Herbste 479 
stammt, ist minder sicher. Der große Moment bedurfte keines 
soliden Baues; die Eleutheria, die später so viel besucht waren, 
haben im fünften Jahrhundert, wenn überhaupt, nicht als ein be- 
deutendes Fest bestanden. Das Gedicht ist eleganter und poin- 
tirter als die andern sicher auf die Zeit der Perserkriege zurück- 
geführten, und die Nennung der üsQ^ai spricht für spätere Ent- 
stehung ; auf den attisch-ionischen Vocalismus ist zu wenig Verlaß. 
Den Dichter nennt nur die interpolirte Fassung^. Immerhin ist 
es so alt gewesen, daß derjenige, der die inschriftlichen Zeugnisse 
der großen Vergangenheit in Plataiai aufsuchte, es für original 
hielt; es wird also wol eher vor 432 als nach 386 gemacht sein. 
Um der übereinstimmenden Methode der Fälschung willen sei noch 
ein angeblich simonideisches Gedicht besprochen. Gelon von Sjn^a- 
kus hat nach Delphi einen Dreifuß und eine Nike von lauterem 
Golde geweiht; Hieron soll dasselbe getan haben. So lesen wir 
bei Athenaeus 6, 231^. Zeugen dafür sind Theopomp und Phainias. 
Aber das Excerpt aus Theopomp folgt unmittelbar dahinter, und 
da weiß dieser nur von der Nike und dem Dreifuße des Hieron 
und erzählt, wie mühsam dieser das nötige Metall schließlich aus 


dort ein Orakel an Sulla voraus, das Aphrodisias zwar nicht nennt, aber so deut- 
lich bezeichnet, daß Appian den Ortsnamen zu nennen für überflüssig hielt. In 
dem Orakel kann ich eine Kleinigkeit bessern : &XXä av n&aiv Mavdxoig initsta 
rt9tl<g> nii Xiid'Bo t&vds; der Schluss ist noch verdorben. 

1) Tiiukydides 2,91 erzählt das und hat das Decret für die Plataeer vor 
sich, wio die nur stüistisch leicht veränderten Formeln zeigen. &nedidov nXa- 
tatfvötp yfjv mal %6Uv tr\v afftrigav ix^vrag a()tov6fiovg oUsiv, öxgatsvaai xb 
fitidiva noth dtdUtog ii^ ainovg y^riS' inl dovlsiai, il dh fif}, &fivvHv xoitg na- 
969X€eg ipiifuixovg %axä SvvaiiLiv, Der Beschluss wird von den Plataecrn wol auch 
am Altare aufgeschrieben worden sein. 

2) Ich glaube, daß Pausanias in Wahrheit auch hier Simonides als Verfasser 
gekannt hat. Er erwähnt 9, 2, 6 erst die Gräber der Athener und Lakedaimonier 
utd ilByiid iaxt, ZiiKovidov y^y^ay^y^iva hti ahxoig. oi n6QQa dl &n6 to4) %oivo^ 
xAv ^EXXiivnv dibg ioxiv 'EXfv9$Q^ov ßoini6g. Wenn wir eine angeblich simoni- 
deische Inschrift des Altares, aber keine der Gräber kennen, so ist bei dem Con- 
ftisiODAriat eine VerUufchang sehr wol möglich. 


314 U. von Wilamowitz-Moellendorff, 

Korinth zusammengebracht hätte. Wenn er von Grelon gar nichts 
weiß, so verhält sich die Sache offenbar so, daß Phainias wiederum 
nur ein Geschenk des Grelon genannt hatte, und die Verdoppelung 
das Werk des compilirenden Athenaeus ist. Die Goldsachen waren 
natürlich bereits damals, als diese Berichterstatter schrieben, von 
den phokischen Tempelräubern eingeschmolzen. Diodor 11, 26 be- 
richtet nach Timaios von einem Dreifuße des Gelon und gibt das 
Gewicht auf 17 Talente an. Nun steht in den Pindarscholien 
Pyth. 1, IBB ipaöl tbv rik(ova to'bg aÖ€kg>oi)g ipLkoq>QOVovii£vov ava- 
d'Stvat rm d'S&c xQv6ovg tQLTtoöag iiciyQi^avxa taiha 

0ri(il nXioif 'l6Qa)va nokv^riXov &Qa6vßovXov 
jcatdag JsLvoiievsvg to'bg xgCicodag ^sfisvai, 

ßäQßaga vvxif^öavxag i9vrij nolkiiv dl TtaQaöxstv 
6v^fiaxov "Ekk'ri(fi,v xstg' ig iXevd'SQtriv. 
In der Anthologie 6, 214 steht als simonideisch 

0tl^l riXmtf 'IeQ(ova JloXii^fiXov ®Qa6'6ßovXov 
nalSag ^i,ofiiv6vg tbv tQlito^ ivd'd^svai 

il^ ixatbv XttQ&v xal nsvtijxovtcc tccXdvtmv 
daQBtCov xQ'^^^^i '^^9 dexatag dsxitav. 
Darin ist natürlich /iaivoyiivBvg durch späten Copistenfehler ver- 
derbt. Ueber die Methode, die diese lieber lieferungen zu einem 
Gedichte von drei Distichen zusammenschweißt, ist eigentlich nicht 
nötig zu reden. Die Unächtheit des zweiten in der Anthologie, 
die zuerst Schneidewin erkannt hat , ist nun wol zugestanden : es 
ist ja klar, daß man mit keinen erlaubten Mitteln die Damarete 
ordentlich hineinbringt, daß der Verfasser sie dennoch gemeint hat, 
und daß er das damaretische Silber mit Gold verwechselt hat. 
Timaios, der 17 Talente angibt, hat den schlimm gefälschten Vers 
nicht gekannt. Die sachliche Forschung muß nun ihre Rechnungen 
revidiren: die Grundlage, daß das Zeugnis der simonideischen In- 
schrift unanfechtbar wäre, existirte in Wahrheit seit Schneidewins 
Beweisführung nicht. Aber damit, daß die Anthologie eine Fäl- 
schung gibt, ist die Fassung des Scholions mit nichten gerecht- 
fertigt. Erstens sind es nicht mehrere Dreifüße gewesen, sondern 
einer; dafür stehn Theopompos Phainias Timaios ein. Der Irr- 
tum ist durch die Zahl der Weihenden hervorgerufen; wir sehen 
ja, wie auch Athenaeus durch Verbindung der Zeugnisse des Phai- 
nias und Theopompos den Dreifuß verdoppelt hat. Dann aber ist 
das ruhmredige und, was die Hilfeleistung für Hellas angeht, wahr- 
heitswidrige letzte Distichon, an dem Bergk Anstoß genommen 
hat, genau so gut und schlecht wie die oben erledigten Zusätze 
zu dem salaminischcn , isthmischen, plataeischen Gedichte. Was 


Simonides der Epigrammatiker. 315 

ist auch einleuchtender, als daß nur dasjenige Vertrauen verdient, 
was die beiden Zeugen gemeinsam haben ? Also das Gedicht lautet 
schlecht und recht 

q>ftlil rikanf ^liQmva noXv^fikov &Qcc6vßovlov 
Tcatdccg ^tsivoiidvevg tbv tQinod' ivd'diiBvai. 
Damit ist alles notwendige gesagt, da der Ort selbst genugsam 
bezeugte, wem die Weihung galt. Wenn man das Gedicht frei- 
lich auf dem Papiere liest, fehlt nicht nur diese Angabe, son- 
dern bleibt auch unklar, wer in g>riiii Subject ist ; das Weihgeschenk 
im Ganzen kann man ja nicht verstehn, da dessen Hauptbestand- 
teil eben der Dreifuß ist, auf den der hier redende deutet. Es 
ist schlimm für die beiden Fortsetzer, daß keiner von ihnen das 
ergänzt hat, was der Leser vermißt, dem Beschauer also das Weih- 
geschenk selbst bieten mußte. Da hilft die Beschreibung der Pe- 
ripatetiker, die neben dem Dreifuße eine Nike nennen. Aus der 
Anschauung des Monuments sehen wir sofort ein, daß diese Nike 
mitten zwischen den drei Füßen stand, vermutlich auch den Kessel 
stützte, und daß auf ihrer Basis das Gedicht stand, in dem sie 
also redet. Es muß vor dem heiligen Kriege copirt sein, in dem 
das Gold verschwand. Diese Copie mit der guten Beschreibung 
ist von den Peripatetikem benutzt worden; später haben sie ver- 
schiedene Fälscher erweitert. 

Die Erkenntnis, daß die inschriftlichen Documente einen reichen 
und reinen Schatz von geschichtlicher üeberlieferung enthielten, 
ist so alt wie die griechische Geschichte; Herodotos und Thuky- 
dides sind auch hierin vorangegangen. Sehr früh also sind auch 
inschriftliche Gedichte copirt worden. Wenn die Monumente selbst 
erhalten und zugänglich blieben, so konnten sie immer noch und 
immer wieder copirt werden, so lange wissenschaftlicher Sinn le- 
bendig blieb. Man kann also a priori als Termin, vor dem die 
Copie genonmien ward, zunächst nur die Zeit der Zerstörung an- 
setzen. So sind die korinthischen Monumente, ein Weihgeschenk 
aus dem Letotempel, von dem man später nichts mehr weiß, und 
das Familiengrab des Adeimantos, natürlich vor 146 abgeschrieben 
worden. Aber es ist begreiflich, daß die einmal genommene Ab- 
schrift weiterlebte und selten mit dem Originale confrontirt ward, 
selbst wenn es bestand. Die Grabschrift der Spartaner hatte He- 
rodotos in Thermopylae copirt^); vermutlich hat sie daher ihren 

1) Bory (ADoual of the British School at Athens 1895. 96), in einem sehr 
bemerkenswerten Aofsatse, bestreitet, daA Herodot Thermopylae besucht h&tte. 
Mir ist das schon deshalb onglaublich, weil er die Gedichte mitteUt. Aber mir 
fehlt die Aatopsie, ohne die ich die topographische Frage la berühren scheue. 

Kit 0«. C Wim MMkriekiw. PUlolof .-hiator. UuM 1897. Hft 8. 22 


Sl6 n. von Wilamowitz-Moellendorff, 

ionisclien Yocalismus ^). Sehr bald ward ^i^iiaöi xei^öiisvoc in nsi- 
d'ö^ievoL vo(ii(ioLg verdorben, and so hat Jahrhunderte lang jedes 
Kind in der Schule auswendig gelernt: keine Spur davon, daß 
irgend wer den Stein angesehen hätte, obwol er existirte. Plu- 
tarch hat sich als delphischer Priester um die dortigen Anatheme 
gekümmert und mag eine oder die andere dortige Inschrift gelesen 
haben; er hat in Athen studirt, ist athenischer Bürger geworden 
und hat dort zeitlebens viel verkehrt; er mag sich an den Monu- 
menten der Burg oft gefreut haben, aber daß er spontan irgend 
ein inschriftliches Document heranzöge, ist äußerst wenig wahr- 
scheinlich^). Jedenfalls wissen wir jetzt, daß er den Stein von 
Salamis nicht gelesen hat, obwol er den Standort genau angibt 
und als Student dort gewesen sein wird'). Der Stein selbst 
trägt noch die Spuren davon, daß die Besucher sich mit den ko- 
rinthischen Buchstaben plagten und eine Umschrift zu kritzeln an- 
fiengen. Wenn also Plutarch, dessen Texte sich als die verhält- 
nismäßig reinsten herausgestellt haben, weil er die ältesten und 
gelehrtesten Mittelsmänner benutzte, die Originale nicht controllirt 
hat, wie viel weniger Glauben verdienen die geringeren Zeugen. 
Aber selbst diejenigen, die das Verdienst haben, die Monumente 
zuerst angesehen zu haben, können zwar in allem was ihnen der 
Augenschein liefern konnte auf unbedingten Glauben Anspruch 
machen (nur daß auf dem Wege durch viele Hände solche Angaben 
eben so viel gelitten haben werden wie die Texte), aber für das 
was auch sie nur nach Hörensagen berichten gilt das schon nicht 
mehr. Ein Beispiel. Im Aristeides des Plutarch lesen wir, daß 
Euchidas von Plataiai 479 reines Feuer aus Delphi brachte, den 
Lauf an einem Tage zurücklegte, aber heimkehrend tot zusammen- 


1) Auf dem Stein wird gestanden haben m ^tvs &yyiXXsv Aansdatnovioig h6u 
xedB xeifLe^a toCg nivoDV (iiucci nsi96i^svoi: gut lakoniscli. 

2) Im ersten Capitel des >iikias sagt er, er wolle ra dtatpevyovta xohg nol- 
lohg ^tff ixifftav S* iigruiiva anogadriv i) ngbg Stva^fiaatv Tj ^tpiaimaiv £v^f]- 
fiiva nalaioig evvayaysiv. Darin gehört (}<p Mq^v auch zu Bi>Qriiiiva, Der Be- 
richt, an den er zunächst denkt, steht im dritten Capitel, wo Weihgeschenke aus 
Athen und Delos erwähnt werden ; von den letzten steht ausdrücklich am Anfange 
fikVTiiu>v8^etai, Von den attischen sagt er, daB das Palladion auf der Burg und 
der Dionysostempel noch standen: da hat er die Angaben seiner Quelle durch 
den Augenschein Terificirt, wozu ein Rundgang anter Führung des Poriegetea 
genagte. 

3) Vgl. über die Turnfahrten der Epheben nach Salamis CIA II 465 fgg. ins- 
besondere 469. Die Zeugnisse sind aus dem letzten Decennium Tor dem mithra- 
datischen Kriege. Aber die Feier von Salamis wird man in der Kaiserceit nicht 
uaterlaasen haben, vgl. die Ergänzung CIA III 1091. 


Simonides der Epigrammatiker. 317 

brach; die Plataeer begruben ihn an der Stelle, wo er gefallen 
war, im Tempel der Eokleia und schrieben auf das Grab 

Hier ist das Monument mit der Inschrift im Tempel der Eukleia 
auch für uns gegeben; aber weiter nichts. Der Vers ist keine 
Grabschrift und die pathetische Legende müssen wir abstreifen. 
Eukleia wohnt am Markte, auf dem Markte sollte das Opfer ge- 
bracht werden*): wenn Euchidas den Dauerlauf glücklich voll- 
brachte, so verdiente diese Tat schon den Denkstein, und mehr 
steht nicht darauf. 

Gerade aus Ehrfurcht vor diesen kostbaren unmittelbaren Zeug- 
nissen der großen Zeit muß das Rankenwerk der Legende mitleid- 
los beseitigt werden, noch viel mehr natürlich die Schmarotzer 
der Interpolation. Alles was das Monument nicht darbot, hat min- 
destens zunächst schlechterdings keine Autorität. Dazu gehört bei 
den Inschriften unzweifelhaft überall der Yerfassername. Da haben 
wir bereits constatirt, daß Plutarch aUe Epigramme anonym gibt 
mit Ausnahme des einen auf die Hierodulen, das Chamaileon dem 
Simonides beigelegt hatte. Vielleicht noch bezeichnender ist Ari- 
stides ; man muß die Rede nsifl xov nccQccq)^eyiiatog nur im Zusam- 
menhange lesen. Er hat unmittelbar vorher Gedichte des Simo- 
nides, auch Epigramme (achtes und falsches) citirt; dann geht er 
zu den Gedichten der Perserkriege über, aber deren Verfasser sind 
ihm die Staaten selbst, denen er sofort (S. 613) ihre Ruhmredigkeit 
von einem Zt^Kovideiog ivi^Q vorhalten läßt, d. h. von einem Manne 
von simonideischer Bescheidenheit, die er selbst kurz zuvor (510) 
als notorisch bezeichnet hat. Also Aristides legt die Gedicht- 
sammlung des Simonides aus der Hand um nach einer Sammlung 
anonymer Epigramme der alten Zeit zu greifen. Das negative ist 
ganz klar ; wie aber diese Sammlung, aus der er manches nur frag- 
mentarisch anführt, beschaffen war, ob es eine Gedichtsammlung war 
oder ein historisch-antiquarisches Buch wie die Vorlagen Plutarchs, 
kann niemand sagen: wer hätte ahnen können, daß Aristides die 
Gedichte Solons aus der athenischen Politie des Aristoteles an- 
führte? Favorin nennt allerdings Simonides als Verfasser von 
einigen dieser Epigramme; aber das beweist nicht, daß er die 
Werke des Simonides eingesehen hätte, ja er hätte in einer sophisti- 
schen Prankrede den Namen selbst erfinden können. Aber es gab 


1) Thakydides 2, 79. Der AlUr des Zeas sUnd za Paosanias Zeit neben 
den Orftbern der Qefallenen too 479 innerhalb der SUdt, unweit des Sadtorei: 
da« war nat&rlich nicht urtprangltch ; aber die Stadt war ja so oft zenrtdrt. 

22* 


3l8 tt. von Wilamowits-Moellendorff, 

damals natürlich schon Epigrammensammlungen, die mit dem Dich- 
ternamen so verschwenderisch waren wie unsere Anthologie. Um 
sie und das Gewicht ihrer Lemmata dreht es sich wesentlich. Nun 
hat sich bereits ergeben, da£ sie in der £egel den unzuverlässig- 
sten Text gibt. Das ist ein übles Praejudiz. Wo hat sie die 
Gedichte her ? Ganz windig ist der Schluß, daß sie aus Meleager 
stammen müßten, weil sie älter als er sind, und er natürlich si- 
monideische Gedichte aufgenommen hatte. In unsere Anthologie 
sind viele alte Gedichte z. B. aus Herodot und Diogenes Laertius 
gekommen, und die Aristidesscholien zeigen, daß die späteste Zeit 
noch über solche Sammlungen verfügte. Der Platz, den die Gedichte 
in der Pfälzer Handschrift einnehmen, beweist in sehr vielen Fal- 
len, wenn man genauer zusieht, für ihre Herkunft aus dem Kranze 
Meleagers gar nichts. Immerhin stehen 6, 212 — 17 in einem me- 
leagrischen Stücke. Darin ist 217 nur durch Copistenversehen mit 
dem Lemma xov aitov versehen: es ist eines der hellenistischen 
Variationen über den Stoff vom Gallen, der den Löwen schreckt; 
niemand konnte es im Ernst für simonideisch erklären. 213 ist 
echt simonideisch, copirt von einem Gemälde, das der Dichter selbst 
in Athen geweiht hatte. 214. 16 sind zwei der hier behandelten 
Gedichte, das delphische der Söhne des Deinomenes und das ko- 
rinthische des Diodoros '). Wenn es auch denkbar ist, daß sie den 
Namen Simonides erst aus der Nachbarschaft bezogen haben, so 


1) 212 ist recht merkwürdig und statt wild zu. coiyiciren h&tte man es erklä- 
ren sollen 

Bl9xe6 toi ddtQotctf K&ttoVf ^ebv &ds xuifijvat 
Arixoldriv &yoQf)g xaXXtx^Qov ngi^aviv^ 

mcncQ vitb ^B^vav te %al o2 vaiovci K6iftvd'ov 
alvov ixBig xaQitmv, diaicota, toCg üxsfpdvoig. 
Also Kyton weiht etwas an ApoHon auf dem Markte von Korintb; demselben 
haben die korinthischen Bürger und Metoekeu durch Kränze, die sie ihm votirt 
haben, ihren Dank ausgesprochen : it^iiricav inaivtov xQ^^^oig aTBipavotg^ tvtt tpai- 
votro 6 diJiMtg (rb uoivbv) j^a^traff &nodidövg toig negl ainbv fpilot^i^oig yByBvri- 
fiBvotg. Wer die Inschriften kennt, kann so weit nicht zweifeln. Aber was weiht 
Kyton, und wer ist es, der ihn anreden kann ? Das wird dadurch klar, daS dieser 
Sicmna zu ihm sagt So redet ein Sclave. Also hat Kyton dem ApoHon das 
Bild eines Sclaven geweiht. Wir kennen Ton Qräbern die Statuen von Klagefrauen 
und skythischen Schützen, wir kennen s. g. Qeurefiguren, wie den önXayxv^nttig, 
IL dgl. Vielleicht weiß ein Archaeologe sofort ein Analogen fQr das Weib- 
geschenk des Kyton. Aber wenn das auch nicht der Fall sein sollte, wenn in 
Athen solche Weihung vielleicht befremden würde: in Korintb, wo man der Aphro- 
dite Sciavinnen in natura schenkte, lag das n&her. Jedenfalls müssen wir solche 
Tatsachen einfach hinnehmen ; nur nach der Zeit des Simonides sieht das Gedicht 
eben nicht aas. 


Simonides der Epigrammatiker. 319 

ist es doch wichtig , daß ihre Existenz im Kranze Meleagers con- 
statirt ist; daß sie früher abgeschrieben waren, hatte sich schon 
oben ergeben. Mag man dann auch zugeben, daß um 100 v. Chr. 
die Zuteilung der anonymen Gedichte an Simonides statt gefunden 
hatte, so steigt dadurch nur unsere Achtung vor den Quellen des 
Plutarch und Aristides. In keiner Weise folgt, daß Meleager die 
alexandrinische Ausgabe der Werke des Simonides benutzt hätte. 
Denn wer kann bezweifeln, daß es damals vulgäre und philologi- 
scher ControUe entbehrende Gedichtsammlungen gegeben habe. 
Leichtgläubigkeit und auch Speculation konnten sehr wol eine 
Sammlung anonymer Gedichte durch den berühmten Namen inter- 
essanter und verkäuflicher machen. Um Meleagers willen sind wir 
durchaus nicht veranlaßt das Lemma Siiicovidov höher zu taxiren 
als Ikc7cg>ovg ^AqxiX6%ov jivaxgiovtog. Ich sehe keinerlei Anhalt 
dafür, daß auch nur eines der historisch wichtigen Epigramme der 
Perserkriege in dem Bande ^EmyQd(ifiata der alexandrinischen Aus- 
gabe gestanden hätte. Selbst von & l^alv* &yyiXkeiv ist das durch- 
aus unwahrscheinlich, da Strabon 429 es als anonym kennt, und das 
Zeugnis des Cicero (Tusc. 1, 101) in einer Reihe von Chrien steht, 
also weder die Gewähr philologischer Akribie noch überhaupt ir- 
gend welche Gewähr hat. Aber leider muß man noch weiter gehn : 
gesetzt auch, die Gedichte hätten wirklich in der alexandrinischen 
Sammlung gestanden, so würde ihr simonideischer Ursprung nicht 
im mindesten gesichert. Wir können die Autorität jenes Buches 
imyQdfifiara doch nur nach den Proben beurteilen, die wir besitzen. 
Darin stand das Gedicht des Antigenes auf den ersten Sieg der 
Akamantia (148 Bergk), copirt von einem attischen Steine 0- Da- 
rin stand neben dem echten Gedichte, das Simonides auf seinen 
eignen Sieg in Athen 476 verfaßt hatte, das also auch von dem 
Steine stammt, eine ganz erbärmliche Nachahmung, in der er an- 
geblich mit seiner Mnemonik rennomirt*). Ein Gedicht auf einen 
Olympioniken aus Mantineia (163) war für Aristoteles noch ano- 
nym : dem Aristophanes von Byzanz war es simonideisch ; er wird 
es also auch aufgenommen haben. Ja da stand sogar ein Gedicht 
auf den Olympioniken Aristodamos von Elis (188), obgleich es den 
Kritikern doch keine Mühe hätte machen sollen, aus einer Sieger- 
liste zu constatiren, daß der Sieg etwa 80 Jahre nach dem Tode 


1) Als simonideisch citirt bei Stephanas Byz. ; erl&atert Henn. 20,62. 

2) 146. 46 Bglc. Gerade die Nachbildang citirt Aristides. Das YerhUtnis 
ist Ton Kaibel richtig erkannt, Yon Bergk Terkehrt 


320 U. von Wilamowitz-MoelleDdorff, 

des Simonides fiel '). Das genügt, sollte ich meinen. Wir können 
nicht nmhin zn constatiren, daß wirklich philologische Arbeit von 
den antiken Philologen diesen Gedichten niemals zugewandt ist. 
Darüber wird sich niemand wundem, der weiß, daß das nämliche 
für die ganze alte Elegie gilt. Dieser Teil der Litteratur berei- 
tete dem Wortverständnisse zu geringe Schwierigkeiten, als daß 
die alexandrinische Philologie, die nun einmal leider niemals eine 
geschichtliche Wissenschaft geworden ist, sich für sie groß inter- 
essieren konnte. Für uns ist die Consequenz unvermeidlich, daß 
wir die Autorität selbst der alexandrinischen Sammlung auch da 
sehr niedrig einschätzen, wo die Gedichte selbst keinen unmittel- 
baren Anstoß geben. Da bleibt denn für Simonides außer den Ge- 
dichten, die seinen Namen nennen, nur sehr wenig, am ehesten das 
was eigentlich gar nicht Epigramm, sondern Elegie ist, wie das 
schöne Stimmungsgedicht an die Geraneia, das durch die Nach- 
ahmung des Kallimachos (17) gesichert ist *). Wir können auf dem 
Boden der Ueberlieferung nichts von einer besonderen Bedeutung 
des Simonides als Epigrammatikers behaupten. 

Aber wir sind doch von Kindesbeinen an gewöhnt, ihn gerade 
als solchen zu betrachten. Ja wol, wir. Wir stehen zunächst im 
Banne der öffentlichen Meinung, der Fable convenue. Wir lesen 
als Knaben Ciceros Tusculanen I und werden gehalten (wenn wir 
verständige Lehrer haben) die Vortrefflichkeit des simonideischen 
& Sstv^ &yydXl6iv an der hölzernen Uebersetzung des Cicero und 


1) Angeführt aus dem Buche iTeiygäfifueta von Hephaestion n. noiriik, XIII 
Consbruch. Da ist der letzte Vers überliefert 'Agiarddrifiog d'^aahg 'AXiiog naXai. 
Man setzt den Vatersnamen Gifdaidog aus Pausanias VI 8, 4 ein ; aber das liegt 
zu weit von der Ueberlieferung ab. £in Kurzname Ggacig ist gewiS möglich, 
aber das was man erwartet ist Bifdavg^ und dieser Name, in der Form Bdi^avg 
GdQOvog hat den Vorzug durch Leonidas 7, 506 an einem andern Menschen be- 
zeugt zn sein. Also Bifdovog ist in dem Epigramme das wahre, bei Paasaniaa 
mag auch Sgdavdog (oder Ogaa^dog) vorzuziehen sein. 

2) Krklftrt und verbessert Herm. 14, 163. Auch der Vers auf die Tyrannen- 
mörder (131, von Hephaestion aus dem Epigrammenbuche citirt) kann keine Auf- 
schrift sein, wie Eaibel mit Recht gesagt hat Dann zeigt Simonides aber auch 
keine verächtliche Charakterlosigkeit, wenn er, vielleicht Jahrzehnte sp&ter, in 
Uebereinstimmung mit dem Glauben der athenischen Demokratie den Tod des 
Hipparchos als Rettung Athens bezeichnet, mochte er selbst, der landfahrende 
Poet aus EeoB, auch am gastlichen Tische des Tyrannen gesessen haben. Sein 
Stand bringt es mit sich, daS er novl^ov 6iff^v {cx%t, Pindar ist stolz genug, 
daß er das nicht nötig hat, and in der Tat ist seine stolze Selbständigkeit ein 
Vorzug des Charakters, den ihm zwar seine Herkunft verliehen hatte, den aber 
alles Talent seiner Rivalen qicht wett machen kann. 


Simonides der Epigrammatiker. 331 

der abschenKchen Schillers zu begreifen. Und so gehört für uns 
Simonides mit den schlichten schönen Gedichten der Perserkriege, 
mit dem edelsten keuschesten Stile unlöslich zusammen. Gerade 
die geschichtlich interessantesten Verse, die ihm noch im 2. Jahr- 
hundert nach Christo , wenigstens für die Gebildetsten , nicht ge- 
hörten , begründen jetzt die Schätzung des Simonides. Ich muß 
mich des schuldig bekennen, daß ich Kaibels Kritik bislang nicht 
genügend gewürdigt hatte. Daran tragen nicht die unvermeidlichen 
Mißgriffe jener Erstlingsarbeit die Schuld (von den Widerlegungen 
zu schweigen), sondern meine Trägheit, das Joch der Fable convenue 
abzuwerfen. Und doch war diese ein modernes Gemachte. Ist etwa 
im Altertume Simonides der vornehmste Meister des Epigrammes 
oder an ihm seine Epigrammatik das berühmteste gewesen? Nicht 
im mindesten. Sein Ruhm gilt dem (isX^xögj seinen Hyporchemen, 
Threnen und sonstigen lyrischen Gelegenheitsgedichten. Wir kön- 
nen jetzt, wo wir so viele ausgezeichnete Epigramme des 6. und 
5. Jahrhunderts auf Stein besitzen, unmöglich mehr behaupten, daß 
er einen besonderen Stil darin ausgebildet oder besessen hätte, 
selbst wenn er verfaßt hätte was die Modernen ihm noch lassen. 
Der damals ziemlich allerorten in Hellas für die metrischen Auf- 
schriften geltende Stil verdient das hohe Lob, das bisher der Per- 
son des Simonides gezollt ward. Was diese Person angeht, so 
gibt uns die richtig eingeschätzte Ueberlieferung nur die Frage 
auf, wie Simonides schließlich die ganze monumentale Poesie der 
Freiheitskriege hat erben können. Wenn man ihm erst eine An- 
zahl solcher Gedichte vindicirt hatte, so wuchs die Lawine von 
selber im Rollen an; das zeigen unsere Ausgaben: es ist ein dan- 
kenswerter Fortschritt, daß in der Anthologia Lyrica jetzt wenig- 
stens fünf Gedichte abgesondert sind, die erst Schneidewin für 
simonideisch erklärt hat; seltsam berührt, daß das ihre Aufnahme 
hat bewirken können. Aber sollen wir anders als über Schnei- 
dewin über den Priester Helladius von Megara urteilen, der ein 
Ehrenepigramm auf die Megarer im 4. Jahrhunderte n. Chr. re- 
staurirt und dabei Simonides als Verfasser angibt (107)? Auf den 
ersten Anfang also kommt es an, die Zeit, wo Aristoteles ein Ge- 
dicht, das bei Thukydides anonym war (111), als simonideisch ci- 
tirt, Chamaileon das der korinthischen Hierodulen, das er copirt, 
auf seinen Namen tauft. Nun, derselbe Chamaileon hat ihm auch 
eine Menge Schnurren zugeschrieben. Verschen, Sätze, Apophtheg- 
men ; schon Piaton operirt im ersten Buche des Staates mit einem sol- 
chen; für Xenophon ist Simonides eine Novellenfigur. An dem Ruhme 
seiner Person lag es, nicht an seinem Dichterruhme, geschweige 


322 n. von WiUmowitz-Moellendorff, 

dem des Epigrammatikers. Der weitläufige und weltmSimische 
Dichter, der mit Skopaden und Feisistratiden , Spartanern nnd 
Athenern, Königen und Demokraten zu verkehren wußte, der sich 
nicht besser bezeichnen läßt denn als Uebergang vom Rhapsoden 
zum Sophisten, von Homer zu Hippias, hat mit vielem anderen 
auch die Autorschaft dieser Gedichte geerbt. Wenn er in einem 
berühmten Hyporcheme die über das Dotische Gefilde den Hirsch 
verfolgende Rüde beschrieben hatte (29), wie sollte man ihm nicht 
das Grabgedicht auf einen thessalischen Hund zusprechen?^ Seine 
lyrischen Gedichte und seine Elegien gaben die ausführlichsten 
und berühmtesten Schilderungen der Kämpfe von 480/79 : wie sollte 
man nicht ihm vor allem die Epigranmie zutrauen, die über eben 
diese Taten verfaßt waren? Nichts kann daran wunderbar sein, 
sofern man sich nur von der Entstehung der Ueberlieferung und 
der Macht der Tradition im Altertum einen Begriff gebildet hat. 
Mit Leuten freilich, die in Bergks Lyrici oder auch in der An- 
thologie das Fundament ihres Glaubens und Wissens haben, ist 
eine Verständigung unmöglich. Jetzt haben wir den Stein von 
Salamis : möge er dem Köhlerglauben eine ndxQa öxccvddXov werden. 

Ich habe so viel von der Kritik üben müssen, die destructiv 
gescholten wird, daß ich gern ein Corollar beifüge, in dem unsere 
Kenntnis von den Gedichten des Simonides positiv vermehrt wird. 
Man pflegt an den Anfang seiner Fragmente die spärlichen Reste 
des Gedichtes zu rücken, das Heliodor mit dem vollen Titel ^ in^ 
li(frsfiL6i(ot vav(iaxicc citirt. Die Titel haben die Grammatiker der 
Bequemlichkeit halber nach dem Inhalte gegeben wie bei Stesi- 
choros ^) ; für die Gattung folgt daraus nichts. Die Modernen aber 


1) 180, erhalten durch Pollux, also aas grammatischer Tradition. Das Ge- 
dicht hat die dreisylbige Form tQOfihiv: ein solcher der lebenden Sprache frem- 
der Homerismus findet sich wol in den Theognideen, aber nicht bei Simonides 
oder auf den Steinen des 6. Jahrhunderts. Unbegreiflich ist, dafi der Hund neben 
Pelion und Ossa auf dem Kithairon gejagt haben soll, wenn das der boeotische 
Berg sein soll. Darin muB ein thessalisches Homonymon stecken, wenn keine 
Corruptel vorliegt. Vom Titdiftov öifog kommt das Ttta^i/J9iog\ aber ich weiB 
den Einfall nicht weiter zu verfolgen. 

2) Es ezistirt auBerdem der Titel E^QSmri bei Aristophanes Ton Byzanz, den 
auch ein Gedicht bei Stesichoros (ßitQ^na) and ein Epos Ton Arktinos oder 
Eumelos führt: ich weiB nicht, wieso das des Simonides ein Dithyramb gewesen 
sein soll. Wer den Memnon immer wieder vorrückt, der erkl&re doch die Worte 
Strabons 728 Ziiimvidris iv Mi^vovi di^QdpLßai t&v Jtilucn&v und mache glaub- 
lich, daB Simonides den Memnon bei Paltos in Syrien am Flusse Badas begraben 
sein lieB. 


Simonides der Epigrammatiker. 623 

wenden daranf den Namen Enkomien in dem denatorirten rhetori- 
schen Sinne an: für die G-rammatiker nnd vollends die Dichter 
sind iyxAiiia Lieder beim Komos zu singen : davon kann hier keine 
Rede sein ^). Nach dem Siege bei Salamis hatten die Sieger Zeit 
die Knaben tanzen zu lassen ; auf die Treffen bei Artemision folgte 
ein ängstlicher Rückzug. Ich will, wahrscheinlich machen , daß 
das betreffende simonideische Gedicht ein Chorlied war, aufgeführt 
bei der Stiftung des Boreasheiligtumes am Ilisos, bald nach 479. 
Es gehörte also in die Bücher Big d-eovgy ungewiß welches. 

Daß Boreas jenes bekannte Heiligtum zum Danke für seine 
Hilfe bei Artemision erhalten hat, berichtet Herodot 7, 189*) 
und gibt aus athenischen Quellen so zu sagen das in Athen officiell 
anerkannte ahiov, Sie haben in Chalkis ungeföhr zur Zeit der 
Schlachten von Artemision dem Boreas und der Oreithjda geopfert, 
weil ihnen irgendwoher ein Götterspruch zugekommen war, sie 
sollten ihren yaiißgög, ihren affinis^ zu Hülfe rufen. Herodot kann 
dies Opfer zeitlich nicht einordnen ; wir werden nicht bezweifeln, 
daß erst die tatsächliche Hilfe des Boreas eingetreten ist, die Zer- 
sprengung der Flottenabteilung, die den Euripos südlich schließen 
sollte, dann der Dank sich in der Stiftung des Cultes aussprach 
und dabei die Geschichte von den Opfern in Chalkis entstand. Als 
dann Boreas am Ilisos wohnte, ist der Raub der Oreithyia dort- 
hin verlegt"), und jede andere Ansetzung erschien den Varianten- 
sammlem seltsam. So hat Sophokles, der Erklärer des Apollonios 
Rhodios, ausnotirt, daß in der simonideischen Seeschlacht Oreithyia 
vom Brilettos nach Thrakien entführt ward. Uns wird es sehr 
natürlich erscheinen, daß vor der Localisirung des Boreas am Ilisos 
Oreithjda in den attischen Bergen stürmte. Aber es ist ein zwin- 
gender und wol unbestrittener Schluß, daß Simonides diese at- 
tische Geschichte in diesem Gedichte erzählte, weil er die atheni- 
sche Tradition von der Hilfe, die Boreas seinen Schwähern leistete, 

1) Noch seltsamer ist es, daB das von Diodor erhaltene Loh der Kämpfer an 
den Thermopylen in ein Enkomion gerückt wird. Ein Enkomion auf Tote wQrde 
einem Griechen l&sterlich sein. Es steht in den Versen seihst, daß Leonidas und 
•eine Leate als Beispiel für echtes Heldentum genannt wnrden, also in irgend 
einem f&r einen Sterhlichen hestimmten Gedichte , Siegeslied oder Grahlied , das 
ist nicht an sagen. 

8) Aasschreiber, wie Aelian Y.H. 12, 61, Philostrat Vit. Apoll. 4, 21, Pan- 
müas 1, 19 lehren nichts. 

8) Plat Phaidr. 221''. Das älteste ist die Variante, die hier eingef&gt ist, 
daB der Raab am Areopag geschah: da ist die Königstochter dicht vor ihrer 
Barg. Natürlich nur das ftlteste für Athen : die Oreithyia Z 48 ist eine lonierin, 
Löachcke Dorpater Programm 1886. 


324 tJ. von Wilamowitz-Moellendorff, 

dann natürlich für einen athenischen Chor, behandelte. Damit haben 
wir für das Gedicht schon den Ort und eine Zeitgrenze *). Weiter 
hilft eine Stelle des Himerius or. 3, 14. Die Athener rufen bei 
der Fahrt des panathenaeischen Schiffes y die damals im Frühling 
stattfand*), den Wind, 5 dh iTtiyvovg olfiat xifv olxstav cbtd^v ^ 
2Jt[i(DVLdi^g airm 7CQo6fiL66 (iBtä tijv d'dXarrav ixolovd'et. Also hatte 
der Wind ein ihm speciell gehöriges Lied, das Simonides ihm ge- 
sungen hatte *nach dem Meere', also nachdem er auf dem Meere 
seine Gnade bewiesen hatte'). Ich denke, es ist nicht nötig, den 
Gedanken Wemsdorfs an die eignen Erfahrungen des Simonides 
auf dem Meere , oder die Annahme Schneidewins , es hätte einen 
besondern Hymnus an den Wind von Simonides gegeben, zu wider- 
legen. Himerius meint die Anrede an den Boreas, die Simonides 
nach dem Siege, aber in seiner Erzählung als das Gebet in der Zeit 
der Not gedichtet hatte. Daß die Legende bei Herodot solche An- 
rufungen wirklich nach Chalkis verlegt, schliesst den Beweis. 

Wenn in Athen ein neuer Cult' eingeführt ward, so war es 
unverbrüchliches Herkommen, von Delphi die Erlaubnis zu holen. 
Wie sich in diesem Falle der Gott, dessen Medismos eigentlich 
Strafe verdient hätte, herausgefunden hat, kann man bei Herodot 
7, 178 gut erkennen. Ganz unvermittelt schiebt er in seine Ge- 
schichtserzählung folgenden offenbar delphischen Bericht ein. In 
der Zeit der größten Spannung hätten die Delpher das Orakel 
erhalten, zu den Winden zu beten, und sie hätten sich durch die 
Mitteilung dieses Spruches unsterbliche Verdienste um die Hellenen 
erworben. Später hätten sie auch im Heiligtume der Thyia, der 
Tochter des Kephisos, den Winden einen Altar errichtet und brächten 


1) Daß Choirilo8 ia seinem Epos sich an Simonides anschloß, hat Naeke in 
dem Buche über ihn, S. 152, gesehen; aber das beweist nar die Geltung des Qe- 
dichtes. Wenn Kallimachos in der Hekale (fg. adesp. 12 Schneider) den Boreas 
yafißQbg 'Egsx^og nannte, so genügte dafür Herodot, und Kallimachos wieder für 
Nonnos 89, HS BoQfja yoftßffbv ifU)^ ngofidxoVf Ma^ad'iovi&og aqnaya vv^upii^s, 

2) Das ist für die Entartung des Cultus im vierten Jahrhundert überaas be. 
zeichnend ; aber vielleicht trieb man damals die vielbelobte Tempelorientirung, 
die um ihrer eignen Hirngespinnsie willen so ziemlich dieselbe Verschiebung der 
alten Festtage vorzunehmen sich nicht entblödet hat, Rhein. Mus. 40, SS6 ; 42, 86- 

3) Eine andere Stelle des Himerius, ecl, 8, 32 könnte weiter helfen, sroiijn- 
%3i9 i^ihav %aXhai xbv &vsim>v iha oim ^xtov noi7\;ti%iiv dcipiivai. ipmvifvy i% rffg 
Ksiag (Wernsdorf: olneiag codd.) (lovarig ngocBixeiv id'ilm zbv äviiiov. Aber 
die Anrede hat Photius nicht excerpirt. Wernsdorf hat auch in der oben citirten 
Stelle ol%i£av in %iCav geändert; aber da würde Himerius die simonideische Her- 
kunft nicht doppelt bezeichnet haben, und oUsiav hat seinen guten Sinn. 


Simonides der Epigrammatiker. 326 

ihnen immer noch Opfer ^). Das ist sehr seltsam. Es ist eine Du- 
blette zu dem athenischen Berichte, denn ganz za derselben Zeit 
rufen die Athener auf einen nicht näher bezeichneten Spruch hin 
Boreas und Oreithyia, und ebenfalls nach" erfolgter Hilfe stiften 
sie zu Hause den Cult. Von den unsterblichen Verdiensten der 
Delpher wußten nur diese selbst. Oreithyia hat seit Alters mit 
Boreas etwas zu tun, die Kephisostochter Thyia gar nichts mit 
den Winden. Man kann die Institution des Altars bei der Thyia 
nur für einen kläglichen Versuch der Delpher halten, die Athener 
zu übertrumpfen, damit sie eigentlich doch Hellas gerettet hätten : 
das steht auf einer Stufe mit den vielen delphischen Fictionen ex 
eventu, die wir bei Herodot lesen. Die Interpolation der histori- 
schen Tradition geht in der Tat der Interpolation der Texte ganz 
parallel. 


1) Ueberliefert ist iv Svirig, tilmsff rf^g Krifptaovg dvyatifbg Sv£i\9 xh tifis- 
v6g imiVt i^ ^g xal 6 x&Qog ovtog viiv intowfLitiv ixn. Man pflegt mit dem 
Angelicanas an der ersten Stelle Gvirii zu schreiben, was als Coojectur gelten 
ffiuB. Es ist aber sehr wenig wahrscheinlich, daß der Ort den Namen der He- 
roine im Singular trug. Zu schreiben ist 9vC7\ici oder ^itiig, d. b. hier ist in der 
Corruptel ein kurzer Dativ auf -riig erhalten. Wie Herodotos geschrieben hat, 
möge erkl&ren wer das verzweifelte Problem der herodotischen Orthographie zu 
bemeistem vermag. 

Westend, 3. September 1897. 


L'atterrage de Cabot au continent am^ricain. 

Par 

Henry Harrlsse. 

(Paris.) 
Vorgelegt ia der Sitzung ?om 30. Ootober 1897. 

L 

La question de d^terminer le point exact ou Jean Cabot 
aper^ut pour la premifere fois les cotes de TAm^rique du Nord 
en 1497, continne k pr^occuper les historiens de la Geographie. 
On se croirait report^ k Töpoque oi ils diseutaient avec achame* 
ment, mais avec aussi peu de succes, le problfeme de Tatterrage 
de Christophe Colomb aux iles Lucayes. Nous avons encore moins 
de donnies pour Cabot que pour le grand navigateur g^nois , et 
tout porte k eroire que ces deux importantes questions ne seront 
Jamals r^solues. II Importe n^anmoins de prendre note des efforts 
tent^s pour y arriver. 

Selon les plus aneiennes cartes connues et en consid^rant, 
comme on le doit, que rinscription : Mar descubierta por jnglese 
et les legendes analogues se rapportent aux entreprises trans- 
atlantiques de Jean Cabot, Tatterrage de ce navigateur au con- 
tinent am^ricain se fit dans une partie tr^s septentrionale, cor- 
respondant k ce que nous appelons et k ce qu'on appela alors 
Le Labrador, ou la Terre du Laboureur. 

Nous avons d'abord le planisphire de Juan de la Cosa, con- 
struit au Puerto de Santa Maria, entre avrU et octobre 1500, k 
one ^poque oü TAngleterre n'avait pas encore envoyi d'autres 
exp^ditions dans ces contr^es que Celles de Jean Cabot (1497 et 
1498). Les ^Wments, pour rÄm^rique du nord semblent prove- 
nir de la carte meme de Cabot que poss^dait Pedro de Ayala, 
an des deoz ambassadeurs des Kois Catholiques k Londres, et 


L*atterrage de Gabot au coDtinent am^ricain. 327 

qa'an 25 juillet 1498 il comptait * leur envoyer. Dans le pla- 
nisphere de La Cosa nne vaste ^tendae de cötes de la terre 
ferme est ämaill^e de pavillons anglais an nord, se prolongeant 
jnsqn'en sa partie la plns Orientale, avec nne legende et des 
noms, commen^ant k Test par Cauo de inglaterra, et se termi- 
nant ä Tonest par Mar descubierta por jnglese , dans nne longitnde 
qn'U est impossible de döterminer bien qne placöe dans Taxe des 
petites Antilles. 

Vient maintenant la carte falte k S^viUe et envoyöe en 1627 
par Robert Thorne an Dr. Lee, ambassadenr d'Angleterre. Elle 
porte, en bordnre d'nne terre sitnöe entre le 50® et le 65* de la- 
titnde nord, et dönomm^e Nova terra laboratarum dicta, la legende 
Terra hcec ab Anglis primum fuit inventa. 

Ensuite , il y a la mappemonde constrnite par Diego Bibeiro 
en 1529, dans laquelle snr nne terre qni s'ötend dn 56* an 61* 
de latitnde nord se lit: Tierra del laborador, Esta tierra des- 
cubrieron los Ingleses. Snr nne antre carte dndit Ribeiro , ^gale- 
ment datöe de 1529, il a inscrit an meme lien: Tierra del La- 
brador laqual descubrieron los Ingleses de la villa de Bristol. U en 
est de meme de la carte de WoKenbnttel, dress^e apparemment 
k Sivüle vers 1530. 

C'est donc bien an Labrador qne les cartographes de Täpoqne 
plafaient Tatterrage de Jean Cabot. 

n. 

H parait qne les Anglais consid^raient n^anmoins Tue de 
Terre-Nenve comme le lien oü Cabot ^tait venn atterrir; mais 
noos ne croyons pas qne cette opinion soit ant^rienre an XYII* 
si&cle. En tont cas, la premi^re carte, k notre connaissance , qni 
inscrit Tatterrage de Cabot snr nn point de Tue de Terre-Nenve, 
ne remonte qn'& Tann^e 1617 (carte de Mason). La croyance est 


I. Sir Clements Markbam se trompe lorsqu'il dit positiYement qoe Pedro de 
Ayala €meDtioDS in bis despatcb of July 25, 1498, tbat tbe cbart had been seni 
io 8pain*. (Oeographieal Joumalf vol. IX, N« 6, p. 607). Voict le texte relevä 
•or la copie indme qu'en a fait BergeDrotb k Simancas: cPorque creo V. A. ya 

tendra aviso de todo lo ( ] y asymismo al carta o mapa mondi qne este 

ha fecbo, yo do la enbio agora, qae aqni la ay». U y a ^videmment one la- 
cone apris «todo lo>, et plos bas il faat lire, selon noas, «[auo] qoe aqoi la 
hay> et traduire la pbrase ainsi : «Farce qoe je crois qae Y. A. ont däjä con- 
naissanee de toot ce qni .... et quant k la carte oo mappemonde qae celai«ci 
;[Cabot] a faite, j« oe tovs PeaToi« paa maintenant, fMiqjiH /# Pok iei». 



328 Henry Uarrisse, 

^videmment deriv^e des termes employäs dans les actes de Henry 
VII pour dösigner les pays d^couverts par Cabot en 1497, La 
r^compense de 10 livres Sterling du 10 octobre de cette ann6e 
est accord^e cto hym that fotmde the new ile». Les lettres- pa- 
tentes de 1498 portent: «Lande and lies of late found». Les 
prets faits par le roi d'Angleterre le 1*' avril 1498 k Thirkill, 
Bradley et Carter ont pour motif Tintention de ces demiers de 
se rendre k cthe new ile». Enfin dans nn acte da 24 septembre 
1602, il est fait mention de marchands qoi sont alias ein the 
Newe founde Lande». 

Les Partisans de cet atterrage sont le joaet d'one] illosion 
produite par le mot «ile». Ils ignorent que ni Jean Cabot ni 
beaacoup de ceux qui snivirent ses traces ne surent jamais que 
Terre-Neuve est une ile. Durant pres d'un demi-si&de eile resta 
soud^e au continent dans tontes les cartes. Jean Raysch, par 
exemple, qui plusieurs ann^es apr&s la d^converte visita ces rä- 
gions sur nn navire anglais, ne la s^pare pas de la terre-ferme 
dans sa c^l^bre mappemonde de 1607 , et ne la d^signe qu'en ces 
termes: «qni peninsulsö Terra Nova vocatae». Et c'est bien de 
notre Terre-Neuve dont-il s'agit, car ses contours sont emprontös 
k qaelqne carte Insitanienne , dont une, poor ne citer que la plus 
ancienne portant cette dösignation, c'est k dire la carte dite de 
King, y inscrit le Capo rasso. 

Les cartes de Bibeiro de 1629 et celle de Viegas de 1534, 
ignorent aussi que Terre-Neuve est entour^e d'eau de tous cötös. 
Enfin, ce n'est qu'ä la suite des d^couvertes de Jacques Cartier 
qui, en franchissant le d^troit de Belle-Isle, reconnut la väritable 
configuration de Terre-Neuve, que les cartographes se d^cidärent 
k la d^tacher du continent. 

Ceux qui adoptent Terre-Neuve comme atterrage en 1497, 
pr^tendent m§me fixer le point pr^cis, au Cap Bonavista, et en 
s'appuyant sur des raisons bien peu scientifiques. La premiire 
est que la carte de Mason (1617) et celle de Du Pont (1625, ms.) 
le disent. Est-ce parce qu'elles ont it6 dress^es par des Anglais ? 
Si c'est un argument, alors que penser de la fameuse New Map 
de Molyneux (ou d'Edward Wright), ögalement anglaise, grav^e 
avant 1600, et oA se lit, en travers du Labrador: This laful was 
discovered hy lohn SehcLstian Cabot for Kinge Henry y* 7, 1497 f 
Et les mappemondes construites par les cartographes officiels de 
la couronne de Castille, qui quatre vingts ans auparavant et du 
vivant de Söbastien Cabot, pilote-major d'Espagne et leur chef| 


L'atterrage de Gabot au cootioent am^ricaio. 329 

placent de meme cet atterrage au Labrador, n'auraient elles au- 
cone port^e dans la qaestion? 

Hs invoquent ensuite une prötendue «tradition constante». 
Or ce pays ne fut habitö que cent ans aprfes la döcouverte; tous 
les Indiens moururent, leur langage meme disparut, et ils n'öprou- 
verent Jamals pour les Europöens que de Taversion (Dawson). 11 
ne suffit pas que .des habitants, quatre si^cles depuis T^v^nement 
et pouss^ par Tamour-propre de docher (la plaie des ötudes histo- 
riques !) viennent formuler une assertion en invoquant ä Tappul 
uniquement «la tradition». L^existence de cette «tradition» et 
surtout d'une «tradition constante», exige d'etre dömontr^e. Jean 
Cabot dit lui-meme n'avoir pas rencontrö un seul habitant au 
conrs de son voyage de 1497: «non a visto persona alguna (Pas- 
qualigo)». Qui donc a recueilli cette pr^tendue tradition, qui 
Ta transmise, et comment alors que le pays ötait encore inhabitä ; 
enfin, ou en est-il question dans le folk-lore ou dans les an- 
eiens Berits? 

Un des nouveaux convertis k cet atterrage si probl^matique, 
sir Clements Markham , pr^sident de la Sociötä royale anglaise de 
Geographie , qui naguere avait d^fendu avec Energie TUe du Cap- 
Breton comme premier point d'arriv^e de Jean Cabot en 1497, a 
cru de\ oir renforcer cette opinion par des considörations techni- 
ques : «L^Ouest magn^tique , dit-il , düt etre en röalit^ lors de ce 
voyage, TOuest par S'/a S. Le meme trajet dans la direction du 
Sad causö par la Variation de la boussole qui conduisit Colomb 
k Guanahani, aurait conduit Cabot ä la baie de Bonavista». 

D'abord sir Clements omet de donner la longitude oü Cabot 
a commencä k gouverner vers TOuest magnötique. Cela est trfes im- 
portant car il n'est pas permis de dire que teile route de ce genre 
conduit k tel point, si on ne sait pas d'oü part la dite route. II 
se contente d'aflü'mer que ce point de d^part fut «vers le parallele 
de Blacksod», ce qui rend ce point de d^part tout aussi ind^ter- 
min^. II en serait autrement si la route reelle de Cabot avait 
6i6 suivant un parallele a VOuest du Motide. Dans ce cas, la 
donn^e de la longitude serait inutile pour d^terminer oü cette 
route Taurait conduit. Mais il n*en est pas ainsi , puisque sir 
Clements Markham fait intervenir explicitement la Variation mag- 
n^tique et que Cabot est suppos^ avoir sxdvi YOuest magnäique au 
lieu de VOuest du Monde. 

Le savant g^ographe dit ensuite, — k Timitation d'un con- 
firire dont nous examinerons tout k Theure le travail — , qu'apr&s 
avoir passö le märidien des Afores la Variation magnitique a dft 


330 Henry Harrisse, 

fetre ä rOuest , et ^gale i Ouest par SVi S (16<> 52' 0). Et dV 
bord , qu*en sait-il ? La ligne d*^gale Variation de 16® 52' du 
temps de Cabot est -eile döterminöe ? Meme, en snpposant que 
cette assertion fat exacte, que fait-on de la route rööllement sui- 
vie par Cabot avant d'atteindre le m^ridien des Afores? Cette 
partie de sa route totale est cependant, indispensable k connaitre 
si on veut savoir en quel point du m^ridien des A^ores sa route 
röölle fut rOuest par SV» S, afin de pouvoir connaitre ou cette 
derniere route Ta fait atterrir sur la cöte du continent amä- 
ricain. 

La meme döviation vers le Sud (<the same amount of sou- 
thing») dont parle sir Clements Markham se reföre sans aucun 
doute k r^cart angulaire total, causö par la Variation magntti- 
que, sur la route totale de Colomb et non pas au «southing» des 
trois jours employ^s par Colomb i TO S magn^tique, lequel 
csouthing» fut annulä par le cnorthing* des trois jours de navi- 
gation ä. rO N 0, ainsi que le reconnait sir Clements Markham 
lui-meme. 

Quant k Tassertion que dans ces conditions Cabot aurait fait 
son atterrage ä la baie de Bonavista, nous d^montrerons math^- 
matiquement que cette cons^quence suppos^e de la Variation mag- 
n^tique est complötement fausse, et que, meme avec les prömisses 
avanc^es par sir Clements Markham, Cabot serait venu atterrir k 
environ quatre degres plus du nard que la baie de Bonavista. 


m. 

On savait depuis longtemps, par Eden (1555), par Ortelias 
(1570), par Hakluyt (des 1682), par Chytrseus ou Kochhaff (1594), 
que S^bastien, fils de Jean Cabot, avait dressä, fait graver et 
publier, au moins en Angleterre dans Tann^e 1549, une mappe* 
monde. Nous savions aussi qu'elle renfermait une partie intitul^e 
dans les legendes de cette carte: Terra nova, quam vulgus Bacca- 
Hos appellat. D'apr^s Hakluyt ou y lisait aussi ce qui suit: 

cAnno Domini 1497, Joannes Cabotus Yenetus, et Sebastia- 
nus illius filius eam terram fecerunt per viam, quam nullus priüs 
adire ausus fuit, die 24 Junii, circiter horam quintam bene mani. 
Uanc autem appelavit Terram primum visam, credo quo ex man 
in eam partem primüm oculos injecerat. Namque ex adverso 
sita est insula, eam appellavit insolam divi Joannis, hac opinor 


L*atterrage de Gabot au continent am^rieain. 331 

ratione, qaod aperta fuit eo die qni est sacer Divo Joanni Bap- 
tistSB» *. 

Malheorensement, en Tabsence de tonte description graphique, 
il ^tait impossible de pr^ciser le lieu d*atterrage, et meme de dire 
dans quelle partie de TAm^rique septentrionale noos devions le 
chercher. On n'avait pour se guider que le mot pr^citö de Bacca- 
lios (Baccalaos = la contr^e des Morues). Quant k celui de 
Terra Nova, il faut bien se pönetrer de Tid^e que pendant trente 
sept ann^es an moins en France , et plus tard ailleurs , il ne 
s'appliqna pas k Terre-Neuve consid^r^e comme ile. On ne put 
donner ce nom et on ne le donna alors qu^aux terres continenta- 
les ou suppos^es telles, explor^es par Cabot et par les Corte- 
Realy et toujours dans le sens de pays recemment decouverts. C'est 
ä dire^ dans le cas actuel, la r^gion que nous appelons le Canada, 
et k laquelle on attribuait pour cöte k Test, les profils orientaux 
de notre Terre-Neuve, ile que les cartographes continu^rent k 
ne pas s^parer du continent jusqu'au retour de Jacques Cartier 
ä St. Malo au mois de septembre 1534. En tout cas, nous n'a- 
Yons constatä l'insularitä de Terre-Neuve, cartographiquement 
pour la premiire fois, que dans une carte de 1541 et, fait notable 
qui s'explique cependant par les ächancrures nombreuses et pro- 
fondes de ses contours, sous la forme d'archipel >. 

Ce n'est m6me qu'ä dater de la carte dress^e vers 1505 par 
Pedro Reinel, cosmographe portugais, qu'on trouve d^peinte Ten- 
tr^e d'une grande rögion fluviale entre le cap Bace et une Üe 
imaginaire de St. Jean, placke, dans les cartes de la premi&re 
moiti^ du XYP si^cle, k proximitä du nord de la Nouvelle-Ecosse. 
On ne saurait y voir que le Golfe St. Laurent. Ces contours se 
sont transmis avec quelques changements , de peu d'importance 
d'ailleurs, dans les oeuvres de Thydrographie s^villanne pendant 
de longues ann^es, sans que le g^ographe put, par cette seule 


1. Uakluyt a publik ce texte plusiears foiB, selon , dit-il, l'^dition que fit 
Cl^ineut Adams de cette carte k Londres en 1549. Hakluyt plus tard substitua 
k la date in^xacte de 1494 celle de 1497. Nous avous du choisir la ▼enion de 
1640, poor Dous placer au point de vue des conoaissances qu'on arait avant la 
däcouverte de la carte de 1544, et nous avous choisi la derni^re des publications 
d'üaklnyt (1699—1600), comme ayant M plus räpandue qae les autres. Son 
texte de la legende YIll diffäre de celui de la premi^re Edition. Peut-6tre est-ee 
on remaniement qni est propre k Hakluyt. 

2. Desliens, Descelliers, Jean Rose et tous les cartographes di^ppois conti- 
Bodrent pendant longtemps encore k reprteenter File de Terre-NeuYe fragment^ 
eo de oombreox morceaoz. 

Sgl. Qw. 4. WI«L HMkriAttB. PUlolog.-Ufltor. 11mm 1897. Hfl. S. .23 


33ä Henry Harrisse, 

repr^sentation , se faire one id^e de leor v^ritable forme. C'est 
k dire qae la cöte y est donn^e comme presqae lisse et qa'elle 
omet la grande ile ou pöninstile öchancr^e, övidemment la Noa- 
velle-Ecosse , qui, dans la r^alit^, va presque rejoindre en sa par- 
tie septentrionale extreme le littoral sad-oaest de Terre-Neuve. 

A la suite des döcouvertes de Jacques Cartier, les contours 
de cette r^gion commenc^rent k se modifier consid^rablement. 
L'lle du Cap-Breton, encore attach^e ä la terre-ferme, mais repr6- 
sentant avec une exactitude relative la partie essentielle de ses 
profils g^ographiques , n'apparüt d^abord que dans les mappemon- 
des des cartographes di^ppois. Ce qui est naturel, puisque la d6- 
couverte du dötroit de Belle-Isle avait 6t6 faite par un de lenrs 
compatriotes. 

rv. 

Tels ätaient les ^l^ments de connaissance et de discussion 
lorsqu'on trouva en 1843 chez un curä de Baviire, une grande 
mappemonde gravöe sur cuivre qui r^pondait k la carte de Cabot, 
teile que nous la connaissions par la description de Hakluyt et 
surtout Celle de ChytrsBus. Les legendes pr^sentaient des diffö- 
rences et elles ^taient pröc^döes du texte original espagnol, in- 
connu jusqu'alors. On y remarqua aussi le mill^sime de 1644, 
au lieu de celui de 1549 , comme date de la confection du planis- 
ph^re. C'ötait donc la premi^re Edition de ce curieux monument 
de la Geographie, sans autre valeur du reste que son extreme 
rarete et les questions qu'il soul^ve. Depuis 1844 cette mappe- 
monde est exposöe dans les galeries de la Biblioth^que nationale 
de Paris, et c'est le seul exemplaire connu. 

Lorsqu'elle fut mise k la port^e du public et que Jomard 
Teut publice en fac-similö, les g^ographes s'aper^urent que pour 
le Canada ce n'ötait qu'une reproduction servile des cartes di^p- 
poises connues jusqu*ici, notamment celle, dite k tort, de Henry U. 
£n d'autres termes, THe du Cap-Breton y affecte absolument les 
caractires d'une vaste presqu'fle, inclinöe de Touest k Test, et 
dont la partie sup^rieure forme un petit promontoire ou cap. En 
ce lieu est inscrite la legende prima tierra vista. A cotä , sur le 
terre-plein, ou lit encore prinia vista. C'est donc ]k que, Selon 
ce planisphäre, S^bastien Cabot qui le construisit, pla9ait en 1644 
Tatterrissage de 1497. Avant cette trouvaille, tous les historiens 
des d^couvertes maritimes pensaient que Jean Cabot aperfut ponr 
la premi^re fois le nouveau monde, soit sur la cöte de Terre-Neavei 


L'atterrage de Cabot ao continent amdricain. 333 

soit snr Celle da Labrador. Personne n'avait songi k VUe du Cap- 
Breton. 

Les opinions ^taient donc divis^es. Cependant, la plapart des 
historiens et des g^ographes^ parmi lesqaels il Importe de citer 
en premiire ligne Champlain , Biddle et Himiboldt tenaient pour 
le Labrador. Comme k T^poqae oü ils öcrivaient, la carte meme 
de Cabot n*ätait pas connae en tant qae monament göograpbiqae 
visible, oa pent se demander s'ils aaraient persistä dans lenr opi- 
nion en voyant les assertions si positives qui se trouvent inscri- 
tes sor les contonrs canadiens de ce planisph^re. 

Ainsi qa*on devait s'y attendre, la prodaction de ce docnment 
noavean prodnisit an certain effet sar les historiens de la Geo- 
graphie. Le Dr. Kohl, k notre avis le plas comp^tent des 6cri- 
vains qai s'occap&rent de la qaestion, rejeta ntomnoins Tatterrage 
an Cap- Breton. Noas devons ajoater qae le savant br^mois ne 
croyait pas qae la carte fat ToBayre de S^bastien Cabot. Selon 
lai, eile avait iti dress^e par qaelqae compilatenr ignorant, et 
s^il la rejette, c'est en raison d'ane sorte de moavement r^flexe, 
prodait par les nombreases errears g^ographiqaes et philologiqaes 
qa^elle renferme. La repoassant dans son ensemble, on comprend 
qa'il en räcase les d^tails et se ränge, poar Tatterrage, ä Topi- 
nion de Biddle et de Hamboldt, partisans convaincas de la Prima 
vista aa Labrador. 

II faat reconnaitre dans cette mani&re de voir an etat d'es« 
prit provenant d'ane conception a priori de la moralite et da 
sayoir de S^bastien Cabot, r^saltat de quatre si^cles de menson* 
ges accamaies et r^petäs soas toates les formes, sans cesse et 
partoat: Un si grand homme, an navigatear si fameax, an savant 
k qai la science est redevable de tant de grandes d^coavertes, le 
fondatear de la sapr^matie maritime et commerciale de l'Angle- 
terre; enfin Thomme qae Ferdinand d' Aragon et Charles - Qaint 
honoraient de la plas grande confiance ' , n*a pa faire ane oeavre 
aassi mediocret Tel fat le sens, sinon le texte des objections. 


1. Comme s'il manqnait d'exemples de grande rois et de grande emperenre 
«t'y connaiesaDt en hommes» et qui furent n^nmoine exploitde par dee charla- 
Unsl Combien en a-t-on tu leurr^e par la promesee de d^coofrir la tranamu- 
tation des m^taax? Pour Ferdinand, pour Charles-Quint, la pierre philosophale 
c'^tait la d^ouYerte d'un passage an Cathay par le Nord-Oueet, et c^est en 
faisant miroiter k leare yeux cette Prätention fallacieose, qae S^bastien Cabot 
•e maintaint dana lee emploie et les bonneurs en Espagne et en Anglelerre, 
aprte aToir Tainement cbercb^ plusienrs fois i s^oire et i trooper de la mteie 
f^n la B^pabliqoe de Venisa. 

28* 


334 Henry Harrisse, 

A ce sujet, il est triste d'avoir k dire que rövoquer en doute 
la vöracitö, la valeur scientifique, les pr^tendues d^convertes et les 
principes de Tastucieux V^nitien, c'ötait et c*est encore, aux yeux 
de certains critiques , le hair personnellement et le calomnier ! 
Cependant S^bastien Cabot ne poss^da Jamals an seul des mörites 
que la legende loi attribue, et la preuve en est faite par des 
docoments irröfragables *. 

Kohl s'est trompi quant au caractfere authentiqne de la carte. 
Elle est bien Tceuvre de S^bastien Cabot. 

XJne premifere raison, c'est que le fait est explicitement d^darä 
dans les legendes de la carte meme: «Sebastian Caboto capitan, 
y piloto mayor de la S. c. c. m. del Imperador don Carlos qointo 
deste nombre, y Key nuestro sennor hijso esta figura extensa en 
piano >. 

Ensuite, quand eile fut faite, en 1544, Charles-Quint ^tait 
souverain des Pays-Bas, et nul, pas plus k Anvers qu'ä Augsbonrg 
ou en Espagne, n'eut osö ajouter les armes de TEmpire k one 
falsification quelconque, et encore moins attribuer le planisph^re, 
Sans droit, au pilote-major de Sa Majest^. C'ötait aussi le fruit 
d'un travail de graveur de deux ans au moins, exigeant une presse 
importante, dont on n*eut gufere pu se servir clandestinement. 
D'ailleurs , rien de plus rare k cette öpoque que des cartes fal- 
sifiöes. 


2. II serait k d^sirer qu'on ne räpondit plus k des preuves documentaires 
par des phrases, des objurgations et des id^es pr^con^ues. Oai oa non, est-ce 
Säbastien Cabot qui a d(;couvert le continent am^ricain; etait-il m^me k bord? 
(Voir Protest of ihe Ttcelve Qreat Liveries of London \ 1521, &c.). SVst-il jamais 
montrd navigatear habile? (Voir VEnquete du lfiscal\ juillct 1532, suivie de 
quatre condamuations). Ses projets de d^coaverte d'un passage au Catbay, par 
rOuest, puis par le Sud, ensnite par l'Est, iie sont-ils pas empreints de cbarla- 
tanisme? (Voir les Relations des ambassadeurs väoitieus; 1522, 1551, &c.). Est- 
ce k lui que revient le m^rite des räsultats de rezpädition de Gbancelor au nord 
de la Russie? (Voir la correspondance daus Hakluyt). A-t-il d^couvert la D^cli- 
naison et la Variation de la boussole, ou quoique ce soit toucbant le magu^tisme 
terrestre? (Quel savant oserait le prätendre?). A-t-il trouv^ le moyen de d^ter- 
miner la longitude en mer, ou, au contraire, sa mdtbode ne se traduirait-elle pas 
par uoe erreur en longitude de 60«? (Voir le rapport d'Alonso de Santa Crus 
i Philippe II). Ses instructions nautiques, ayant pour base les courbes d'^gale 
d^clinaison, dont il fait des märidiens, ne sont-elles pas absolument erronto? 
(Voir le €Retulo> dans sa carte). Son planisph^re de. 1544 n'eat-il pas one oeo- 
Yre des plns mddiocres, m6me pour T^poque? (Voir oe que Kohl et les g^gra* 
phes compdtents en pensent). Et ainsi de suite pour tous les märites qae la 1^ 
gende attribue k S^bastien Cabot. (Pour les textes, Yoir le Syllabos dans Jtan 
et Sibastien Cabot] Paris, 1882, et dans «Tö^n Cabot, (Ke IMsco^ertr, London, 189«). 


L'atterrage de Cabot aa contioent am^ricain. 335 

Une autre raison, qae nons croyons tout k fait concluante, 
c'est que Richard Eden, ami personnel de Söbastien Cabot, s'est 
servi de cette carte qu'il dit positivement §tre TcBuvre du navi- 
gateur v^nitien: tthe carde made by Sebastian Cabot». Et nous 
savons que c'est cette carte meme, parce qu*il en a reproduit une 
des legendes , tr^s typique K Qualifiöe de «the great Map», eile 
fut longtemps exposöe dans la galerie du palais de Westminster, 
ainsi que chez le duc de Bedford, k Cheynies. H est facile de 
Tidentifier, car Hakluyt et Purchas en citent de visu la 8*"« le- 
gende : justement celle qui nous int^resse le plus. 

Enfin, lorsque Cabot revint en Angleterre, il fut fait k Lon- 
dres une nouvelle Edition de la carte. C'est k dire qu'on fit dans 
rannte 1549 un nouveau tirage de la planche, et que Clement 
Adams ayant remani^ le texte latin des inscriptions longitudinales, 
elles furent r^imprim^es et coll^es sur les cot^s, comme dans 
Texemplaire de 1544, aujourd'hui conserv^ k la Bibliothfeque 
nationale de Paris. 

Pour nous servir du langage de Hakluyt , «the copye of Ga- 
bote's map sett out by Mr. demente Adams was in many mer- 
chants houses in London». Non seulement S^bastien Cabot dans 
les neuf ann^es de son s^jour k Londres (1548 — 1557) n'a pu 
ainsi manquer de voir fröquemment sa propre carte, mais il n'est 
pas probable que Adams, rödacteur des voyages de Willoughby et 
Chancelor pr^par^s par Cabot; en plus, charg^ de Tinstruction 
des pages de la reine, et qui en cette qualitö a du le rencontrer 
souvent k la cour, aurait pris sur lui de faire une nouvelle Edi- 
tion de ladite carte, sans le consulter et sans lui en demander 
Tautorisation. Cabot a donc, de toutes fa^ons, acceptä au moins 
tacitement la paternitö du planisphere qui porte ostensiblement 
son nom, ses titres et qualit^s. 

Quant au caractere intrins^ue de la carte, on y remarque 
surtout le trait distinctif des id^es scientifiques de S^bastien Ca- 
bot; par exemple, sa th^orie absolument erron^e des courbes d'ä- 
gale d^clinaison, dont il fait des m^ridiens', k Taide desquels il 
pr^tend meme döterminer la longitude en mer. Ainsi, non seule- 


1. La legende byperbolique concernant la fertility de La Plata: «Cabote 
toold me that in a region withio the ryner, he sowed L graynes of weate in 
September, and gathered thereof L thoosand in December». Eden, Decßdei 
of the Hewe worldei London, 1666, fo 266. 

2. Voir ladite legende XYII avcc la description des cartes que Cabot en- 
▼oya i Juan de Samano et k Charles-Qaint, ainei qne sa conYorsation avec l'am* 
bassadenr Contarini; John Cabot, (he JHscaverer afN.Ammeß, pp. 28i,i8t»297. 


336 Henry Harrisse, 

ment cette m^thode se tronve expliqu^e et appliqnöe dans sa le- 
gende XVII; mais on relfeve dans le corps de la carte, en un 
point correspondant an 45® long. de Paris , la fameose ligne 
de d^marcation (nullement k sa v^ritable place), et le long de la- 
qnelle conre la lägende: tMeridiano adonde el agoia de marear 
mnestra directamente al Norte». 

V. 

C'est par la m^thode Ustorique qae nons devons roaintenant 
r^soudre le problfeme de Tatterrage k THe du Cap-Breton, tel 
qn'il est explicitement marqnä sur la carte de S^bastien Cabot, 
et en d^montrer rinaathenticitä. 

Qnand S^bastien Cabot accompagna Lord Willonghby en 
Espagne (1512), 11 se rendit k Bnrgos, oü Lope Conchillo, le se- 
cr^taire de la reine Juana, et Töv^que de Palencia Ini accord^rent 
nne audience. Tout porte k croire que le rusö V^nitien fit briller 
k leors yeux la possibilitä d'arriver au Cathay par quelque passage 
da cotä des Baccalaos, passage connue de lui seul, et comme U le 
dit ä Contarini quelques annöes plus tard, pour y avoir 6t6 de sa 
personne ^ Ce d^troit se trouvait m§me tracä dans la carte qae 
sir Humphrey Gilbert vit k White Hall*, Cabot invoqua sans 
doute aussi sa prötendue connaissance intime de cette contr^e, {oii 
tris probablement il ne mit jamais les pieds), s'attribuant, ainsi qu'il 
le fit nombre de fois, le mörite d'avoir d^couvert ces pays en 1497. 
Sur le rapport que Conchillo envoya k Ferdinand d' Aragon, ce 
prince le chargea d'interroger Cabot. Celui-ci, naturellement, 8*em- 
pressa d'ofirir ses Services au roi, qui les accepta, leurrä par ces 
esp^rances vaines, et il le nomma capitaine de vaisseau. 

Le point de d^part de la carriire de S^bastien Cabot en 
Espagne fut donc la connaissance speciale et exdusive qu'il pr^- 
tendait poss^der de la rögion des Baccalaos et d'un d^troit con- 
duisant du Canada k la Chine et au Japon. 

En 1516, il devint pilote de S. M., en 1618, pilote-major, sor- 
intendant de la chaire de cosmographie et professear de sdence 
nautique k la Casa de Contratacion. Cabot fut titulaire de ces 
emplois pendant trente annöes. II va de soi que les d^linöations 
de la cote Orientale de TAm^rique septentrionale , au moins k 


1. «lo so percbe io ho naTigato tatti qaelli paesi e so ben il tatto». D6- 
ptehe de Conurini aa Conseil des Diz, 81 d^. 1522. 

2. SSboiHen Cabot cwuidiri comme eatioffraphe , dans la Bevue de Oiogra^ 
ghie^ de M. L. Drapeyron; N» de joillek 1897. 


L'atterrage de Gabot aa continent amdrieain. 337 

partir de la Noavelle - Ecosse , dans tontes les cartes de Vhy- 
drographie s^villanne jnsqa'aa milieu du XVL si^cle, ^manent 
direetement oa indirectement, de Ini. Or oü placent- elles les d^- 
coavertes des Anglais, par lesqnelles , ä cette £poque , il ne pou- 
vait s'agir qae des pays trouv^s par Jean Cabot, est-ce k Tlle du 
Cap-Breton? C'est invariablement an Labrador, et jamais au snd 
de 60^ latitnde. 

D'antre pari, ces mappemondes ainsi qne tontes les cartes et 
globes terrestres constrnits an XVP sifeele en Allemagne, en 
France, en Italie, en Portugal, en Catalogne, repr^sentent , plns 
oa moins sommairement , le littoral de la Nonvelle - Ecosse dans 
tonte son ^tendne. Lit-on en ce lien snr nn senl de ces docn- 
ments g^ographiqnes la moindre allnsion k des d^convertes qn'y 
anraient fait les Anglais? Ce qne nons y lisons, k Tendroit m^me 
oA Ton voudrait aujourd'hni plaeer Tatterrage de Cabot, et oü 
S^bastien Ini-meme, mais trop tardivement, le marqne d'nne fa^on 
si explicite, c*est an contraire Tierra de los Bretones , Entree des 
BretonSy Isla de Bretovi et Cabo de los Bräones, On lit m^me snr 
la plns ancienne connne de ces cartes (Knnstmann N® lY): Terra 
que foy descuberfa por bertomes, Ponrqnoi les Portugals, les Ca- 
talans, les Italiens, les Espagnols, qui n'avaient aucnne raison de 
pr^f^rer les Bretons anx Anglais , anraient-ils attribn^ ä la Bre- 
tagne, tacitement et positivement , la d^converte de la Nonvelle- 
Ecosse, si le m^rite en revenait k TAngleterre? 

Ainsi , d'nne part , les docnments cartographiques , ceux - Ik 
memes qui furent pr^par^s d'abord par S^bastien Cabot, on sous 
sa direction , on d'apris ses donn^es , exclnent de la Nouvelle- 
Ecosse le pavillon anglais pour le plaeer an Labrador. De Tan- 
tre part, ils concident Tlle du Cap-Breton k la nation qui en 
porte et en a tonjours port^ le nom. Cette mani^re d'agir se 
continue sans interrnption. Tont k coup, en 1544, par un phä- 
nomine que personne n'a reprodnit en Espagne on aillenrs 
pendant trois si^cles, Cabot dresse et pnblie un planisphire dans 
lequel, par deux fois, il inscrit Tatterrage de 1497 k rextr^mitö 
septentrionale de Tue du Cap*Breton. 

Est-ce donc qu'il a d^couvert les ^pures de son p&re, oa quel- 
qu'autre document contemporain de la d^couverte, et que bour- 
relä de remords , il veuille corriger une erreur de tant d'ann^s, 
falte sous ses yeux, par son ordre? La surprise redouble lors- 
qa'on s'aper^oit que tonte cette partie de la carte, y compris la 
nomendatore fran^aise mal d^gaisöe, (mais, comme bien Ton pense, 
•ana la famease Inende insorite k Tue da Gap -Breton sor la 


338 Henry Harrisse, 

carte de Cabot: Prima tierra vista) a 6t6 andacieusement plagi^e 
de la carte di^ppoise dress^e par Nicolas Desliens en 1541, 
(Bibliothfeque royale de Dresde), exclnsivement d'aprfes les äpores 
que rapporta Jacques Cartier en 1534. 

Cette volte-face de Cabot, qui k cet ögard n'a Jamals 6i6 suivie 
par aucan autre cartographe , demande k ^tre expliqn^e. Malheu- 
reusement on en est röduit ä des conjectures. Certains critiqaes 
pensent s'en rendre compte par ce qui n'est qu*une legende, ä la- 
quelle nous crümes aussi autrefois: c'est que le gouvernement 
espagnol cachait avec le plus grand sein le Ken de ses d^couver- 
tes maritimes et punissait, meme de morti ceux qui les divolguai- 
ent par des cartes göograpbiques. Cette all^gation, au moins en 
ce qui concerne TEspagne du XVI* sifecle, ne repose sur rien de 
sirieux. 

D'abord, on ne s'explique pas Tint^r^t que les Rois Catholi- 
ques et Charles-Quint pouvaient avoir k placer les d^couvertes 
des Anglais au Labrador plutöt qu'a Tlle du Cap-Breton , si , en 
realit^, c'^tait sur les cotes de cette dernifere r^gion que Cabot 
avait atterri. Pour TEspagne, Tun et Tautre ^taient des pays sans 
valeur aucune. Les cartes de Ribeiro (1529) inscrivent au Labra- 
dor: cNo ay en ella cosa de provecho», et sur la r^gion terre- 
neuvienne casta aora no an allado cosa de provecho mas de la 
pescaria de baccalaos que son de poca estima», 

Aussi ni Ferdinand d* Aragon ni Charles-Quint n'attachaient 
d'importance aux contröes septentrionales du nouveau monde. 
D'ailleurs il ne savaient rien de la g^ographie de cette r^gion, 
puisque quand Agramonte voulut conduire une expMition aux 
Baccalaos, on lui imposa la condition d'avoir k bord deux pilotes 
bretons qu'il devait faire venir exprfes de Bretagne. Enfin, Oviedo, 
historiographe officiel des Indes, d^clare que ni lui ni aucun de 
ses compatriotes n'avaient de renseignements sur ce pays , et que 
c*est pourquoi la Carte modile ,{Padron General) de Chav^s, ne se 
prolongeait pas au-delä du 21® de latitude nord. Les Espagnols, 
cons^quemment , n'avaient rien k cacher concemant la g^ographie 
de ce que nous appelons la Nouyelle - Ecosse et des terres ad- 
jacentes. 

Quant k faire un secret de ses cartes, c'est encore une le- 
gende. Rien ne permet de supposer que la profession de carto- 
graphe ne fut pas libre k SäviUe, sous la condition toutefois de 
faire viser les cartes par le pilote-major et les cosmographes de 
la Casa de Contratacion. Si la chose se fut pass^e en Italie, on 
eut pu y voir une sorte de porte de derriire, pour reprendre 


L'atterrage de Cabot an continent amdricain. 339 

d*tme main ce qni ^tait doimö de l'antre. Mais en Espagne, rien 
de plus contraire k Tesprit des institntions. Charles -Quint n'ent 
pas häsitä k däclar^r qne les cartes marines £tait un monopole de 
TEtat. Aussi cette formalit^ n'avait en aucnne fa^on ponr bnt de 
s^assnrer qa'elles ne contenaient pas de renseignements g^ogra- 
phiqnes qne le gonvernement vonlait tenir secrets. Elle £tait 
dict^e nniqnement dans Tint^r^t de la navigation. 

Enfin, croit-on qn'en Espagne, le pays oü les rois l^giförai- 
ent Sans cesse, snrtont an XVP si^cle et particnliörement ponr ce 
qni concernait le nonvean monde, nne loi anssi draconienne qne 
Celle qni anrait condamn^ k la peine de mort tont individn con- 
pable d'avoir port6 snr nne carte des d^lin^ations g^ographiqnes 
non antoris^s, ne se tronverait pas dans les recneils de 9^dnles 
et d'ordonnances ? D n'y a rien de pareil dans ancnne des Recopi- 
laciones de leyes dont nons poss<ödons nn si grand nombre. 

Dn reste, on n'a qn'ä jeter les yenx snr tontes les cartes de 
rhydrographie s^villanne ainsi qne snr lenrs d^riv^s qni nons 
sont parvenns, ponr se convaincre qn'elles contiennent absolnment 
ce qn'on savait et ce qn'on ponvait savoir on snpposer en Espagne 
de l'Am^riqne septentrionale ä T^poqne oü elles fnrent faites. 

n reste maintenant k d^terminer ponrqnoi en 1544 les d^- 
couvertes de Jean Cabot qni jnsqne lä avaient ii^ fix^es par son 
fila an Labrador, fnrent transf^röes par celni-ci k Tlle dn Cap- 
Breton. 

Les archives vönitiennes nons ont edifiö snr la moralit^ et 
les procöd^s de S^bastien Cabot. C'ötait nn intrigant italien dans 
tonte la force dn terme; complotant sans cesse contre ses mai- 
tres, Charles-Qnint et Edonard VI, qn'il trahit tonjonrs. 

Dfes 1538, Cabot avait tentö de faire agr^er ses Services par 
Henry VIII. A cet effet, il s'^tait aboncW avec Tambassadenr 
d*Angleterre en Espagne, sir Thomas Wyatt, qni le recommanda 
ä sir Philip Hoby, de passage dans ce pays. La tentative ne 
r^nssit cependant qne plnsienrs ann^es apr^s. Dans Fintervalle, 
la r^gion des Baccalaos avait acqnis de Timportance. A la snite 
des yoyages de Jacqnes Cartier, la France, alors en gnerre avec 
l'Angleterre, y avait plante des colonies, notamment antonr dn 
golfe St. Lanrent, pays qne Cartier et Roberval d^crivaient k 
Fran^ois I*', conime ätant beanx et fertiles, riches en mines de 
coivre, avec d'excellents ports et arros^s par les plns heiles ri- 
vi&res dn monde. 

Dans ces conditions, placer les d^convertes de Jean Cabot k 
TDe du Cap-Breton, c*^tait d^clarer cette contr^e territoire rele* 


340 Henry Harrisse, 

vant de rAngleterre, pnisqu'il avait 6t6 le premier Enrop^en k y 
aborder et k en prendre possession au nom de Henry Vll: «sub 
banneris vexillis et insignis nostris», eomme dit ce prince dans 
ses secondes lettVes-patentes. C'ötait enfin et surtout, se conci- 
lier les bonnes gräces d'Edouard VI ou de ses conseillers. De 
fait, Söbastien Cabot fut appel^ k la cour d'Angleterre en 1547, 
et y re^at imm^diatement des pensions et des emplois. 

Cette explication n'est qn'nne conjectnre, mais eile noos pa- 
rait fort probable. 

VI. 

Aprfes avoir d^montri que jnsqu'ici on n'a pu prouver par 
les cartes, surtont par celle dont Cabot ^tait responsable en 
vertu de ses fonctions, que Tatterrage se fit k THe du Cap-Bre- 
ton , ou k Terre - Neuve , il faudrait pouvoir indiquer le lieu 
mSme. Ce probl^me n'est pas moins difficile k r^soudre que l'au- 
tre; mais on peut chercher dans les documents contemporains 
de la döcouverte quelque donn^e sur ce sujet, et voir s'il est 
possible d'en tirer une indieation utile. 

Aussitot que Jean Cabot arriva a Londres pour rendre compte 
k Henry VTI du rösultat de son premier voyage transatlantique, 
ses compatriotes se mirent imm^diatement en rapport avec Ini 
et rinterrogferent. Parmi ceux-ci, il y avait des gens de marque 
qui envoy^rent k leurs correspondants k Venise, k Milan et ail- 
leurs en Italie, les renseignements qu'ils avaient pu obtenir. Plu- 
sieurs de ces correspondances nous sont parvenues. La plus cu- 
rieuse est la lettre que Raimondo di Soncino, Tenvoy^ de Ludo- 
vic le More k la cour d'Angleterre , adressa k son mattre le 18 
döcembre 1497. On y remarque le passage suivant: 

ein questo regno k uno populäre Venetiano cbiamato messer 
Zoanne Caboto de gentile ingenio, peritissimo dela navigazione . . . 
Cum un piccolo naviglio e xvm persone se pose ala fortnna, 
et partitosi da Bristo, porto occidentale de questo regno, et pas* 
sato Ibernia piu occidentale, e poi alzatosi verso el septentrione, 
comenciö ad navigare ale parte Orientale \sic pro coccidentale»], 
lassandosi (fra qualche giorni) la tramontana ad mano drita, et 
havendo assai errato, infine capitoe in terra ferma, dove posto la 
bandera regia, et tolto la possessione per questa Alteza, et preso 
certi segnali, se ne retomato» ^. 


1. cEn ce royanme est an Y^oitien da peaple, appel^ Mr. Jean Cabot i de 


L'atterrage de Cabot an continent an^ricain. 341 

L'Irlande s'itena du Bl« 15' au BB* IB' lat. N. Entre la- 
quelle de ces deux latitudes Cabot mit*il le cap sur TOuest? 
Dans quelle longitnde commen^a-t-il k se diriger vers roccident? 
On l'ignore tout-i-fait. Prenons pour latitude une moyenne, soit 
B3^, et pour longitude un point peu ^loign^ de la cote d'Irlande. 
Comme il n'est pas fait mention d'un changement dans la di- 
rection du Sud ; qu'au contraire le langage de Soncino indique une 
travers^e se continuant k l'Ouest, un tel trajet malgr^ le carac- 
t^re irr^gulier de la nayigation qu'implique le mot cerrato», de- 
vait porter Cabot au Labrador. A Tappui de cette hypoth^se, 
ou peut admettre sans invraisemblance dans la r^gion des vents 
g^n^raux d'Ouest travers^e par ce navigateur, une pr^dominance 
des vents de S le portant vers le Nord. Louvoyant par mau- 
vais temps ou, comme disent les marins, tenant le cap bäbord 
amures, il n'aurait pu ni appr^cier ni corriger cet £cart. Rien 
d'impossible, cons^quemment, k ce que Cabot ait fait son atterrage 
anx environs de Sandwich Bay ou dlnvuctoke, par 53® 30^ de lat. 
N. Dans Fätat actuel de la question, et avec les maigres donn^es 
qne nous poss^dons, ceci n'est et ne saurait 6tre qu*une hypoth&se. 
Notons cependant qu'elle s'accorde parfaitement avec la r^gion 
dicouverte par les Anglais, c'est-i dire par Jean Cabot en 1497, 
seien les cartes faites ou inspir^es par son fils pendant trente an- 
n^es, et qui toutes marquent cet atterrage au Labrador. 

XJn savant canadien, le Dr. Dawson, prenant ^galement pour 
base les trop brefs renseignements de Soncino, a pens£, et avec 
raison, qu'il fallait tenir compte dans cette th^orie de la Varia- 
tion magnötique^ C'est Evident, mais oü puiser les ^l^ments 
n^cessaires? Cet äcrivain a pens^ les trouver dans les d^tails 
que donne le Journal de bord de Christophe Colomb lorsqu'il tra- 
versa TAtlantique en 1492. L'id^e ätait ing^nieuse, avec une 
apparence scientifique s^duisante, et on Taccueillit a priori avec 


belle intelligence , tr^s habile dans la Davigation .... Avec nn petit natire et 
18 persoDDcs, s'abaodoDnant k la fortnne, il partit de Bristol, port occidental 
de ce royaome, laissa l'lrlande [qui est?] plus k l'Ouest, pais s'^leva vers le 
Bord [et] commenga k natigner daos la partie de l'Est [stc pro Oaest] , laissant 
(aprte quelques jours) T^toile du uord k droite, et apr^s avoir beancoup err^, 
enfin arriTa k la terre-ferme, oü il planta l'^tendard royal, prit possession [de 
cette terre] pour Son Altesse [Henry VII], recueillit certaines indications et s'en 
retooma». 

1. Ihe Voyagti cf the CaboU in 1497 and 1498; wO^ an aUmpl io dder- 
mine iheir lanöfM . . Dans les TVansactimis of iht Bo^al Society of Canada 
n, 1894, p. 68. 


342 Henry Harriste, 

« 

faveor. ün membre de la Sociätö Boyale da Canada alla jasqn'ä 
d^clarer en pleine acad^mie, qp!k son sens, le Dr. Dawson avait 
csettled the long disputed question of Cabot's landfall» \ 

Malhenrensement, avec les vagues donn^es qne nous poss6dons 
sur les courbes d'^gale Variation k Töpoque dofit ü sagit et le man- 
qne de renseignements pr^cis sor les eirconstances nautiqaes du 
voyage de Cabot, cette id^e est absolument irrtelisable. D s'en 
est saivi sous la plume de Töcrivain canadien de graves erreors, 
qai infirment compl^tement ses prämisses autant que ses conda- 
sions, et qu'ä cause de la grande pubHcit^ dont elles ont &ii 
l'objet, le critique doit signaler. 

vn. 

Voici en qnels termes le Dr. Dawson pose la question: 
elf Columbus on a direct western course dropped two hun- 
dred and forty miles from Gomara, bis point of departure to his 
landfall in the Antilles^ in 1492, with a Variation of one poLut 
west, it is altogether probable that John Cabot, with a Variation 
of a point and a half would have dropped, in 1497, 360 miles to 
the south on his western course across the Atlantic; and again, 
if John Cabot laid his course to the west by compass from lati- 
tude B3* north the Variation, so much greater than that observed 
by Columbus, would have carried him clear of Cape Race and to 
the next probable landfall, Cape Breton» ^ 

II est tout k fait inexact de dire qu'un 4cart donnä produit 
sur une route d*une longueur donn^e, par une Variation magneti* 
que determinee^ est, avec un autre ^cart, sur une route d'une longueur 
diif^rente, dans le meme rapport que les variations magn^tiques 
diff^rentes qui affectent ces routes. L'erreur initisJe et absolue dans 
la th^se du Dr. Dawson est ävidemment d'avoir raisonnä comme 
si la route de Cabot et celle de Colomb avaient £t4 de meme 


1. Dr. Hftrvey; op. ctt., Sect. 11, 1696, p. 8 da tirAge ä part. 

2. <Si Colomb naviguant droit h l'Oaest a ^proavö un ^cart de 240 milles 
depttis La Qomera, qui fut son point de depart, jusqn'ä son atterrage dans les 
Antilles en 1492, avec une Variation de un qnart 0, il est toat-&*fait probable 
qo*avec une Variation de an quart Vti Cabot aurait ^prouv^ an ^cart en 1497 
de 360 milles vers le Sud dans son trajet ä TOuest en traversant l'Atlantique. 

Si Cabot se dirigeant & l'Ouest d'apr^s sa boussole, en parUnt de la lati* 
tude de 5So N, la Variation (bien plus grande que celle äproav^ par Colomb) 
ranrait port^ k dnuhlrr le Cap Kace , et serait venu atterrir au Cap BretOBt 
point d'atterrage probablement le plus proche». loc, dt. 


L'atterrage de Gabot au continent amdricain. 343 

longaenr. Si tel avait it6 le cas, le Dr. Dawson aarait eu appro- 
ximativement raison de dire que Töcart Unfaire (240 milles) de la 
roate de Colomb est k T^cart linöaire de la route de Cabot comme 
r^cart angulaire de Colomb (4<» 21') est k T^gard angulaire (6« 31', 3(r) 
de Cabot y et qne, par suite, T^cart lin^aire de Cabot est k pen 
pris de 860 milles. II est aussi loisible, par snite de la peti- 
tesse des angles d'öcart {4^ 21' et 6* 31', 30") de consid^rer les 
^carts Unfaires comme proportioimels aux angles d'^cart (4* 21' 
et 6^ 31"), au lien de les consid^rer comme proportionnels aox 
tangentes de ces angles, ainsi qa'on serait obligä de le faire poor 
des angles plus grands. 

Mais la ronte de Cabot, an lien d'etre de 3150 milles, comme 
Celle de Colomb, n'^tant qne de 1600 milles, son äcart Unfaire 
est beanconp plns petit qne T^cart Unfaire de 360 milles, attribnä 
par le Dr. Dawson k la ronte de Cabot. L'^cart est environ de 
la moitiä. C'est ce qne nons d^montrerons, avec les cons^qnences 
qni en r^snltent math^matiqnement, dans les pages qni snivent. 

Entrons maintenant dans le coenr de la qnestion: 

D'abord, la loi dn monvement söcnlaire des conrbes d'^gale 
Variation snr la snrface du globe est encore trop pen connne ponr 
qn'il soit possible de d^dnire, avec qnelqne probabilitÄ d'exacti- 
tnde, les variations qni inflnferent snr la ronte de Cabot par B3* 
de latitnde nord de celles rencontr^es par Colomb entre 35® et 25® 
de latitnde septentrionale. 

ßien ne pronve qne les variations rencontr^es par Cabot 
n'aient pas ^t^ de beanconp inf^rienres k nn qnart ^/n Onest, oa 
qn'elles n'aient pas ^t^ nnlles, on meme vers TEst. 

D'aillenrs, si les variations rencontröes par Colomb ont 6t6 
d^termin^es avec nne certaine approximation par des d^dnctions 
tris rationnelles tir^es dn jonrnal de Colomb Ini-meme ^ , rien de 
semblable n'existe ponr la ronte de Cabot. 

Le Dr. Dawson n'est donc pas fondö k dire qne <si la Varia- 
tion ^pronv^e par Colomb fnt d'nn qnart, celle rencontrie par 
Cabot a du ^tre de nn qnart et demi», et on ne pent d^dnire cette 
derm&re valenr d'ancnn fait. 

M^me en admettant qne Cabot ait renconträ nne Variation 
de nn qnart et demi, il n'est pas non plns exact d*en conclnre 
qne si, avec nne Variation d'nn qnart T^cart de la ronte de Co- 


1. Mähods and resuUs, appendice No. 19, dans le Rapport de 1880 par Char* 
let A. Schott; pablicatioQ de la üniUd SkUes Coati and GtodeUe Surv€if\ 
Washington, 1884, in 4«. 


344 Henry Harrisse, 

lomb a &t& de 240 milles snr 3150 milles environ de parconrs, 
r^cart de la route de Cabot, sur un.parcours de 1600 milles en- 
viron, a 6t& proportionnel , c'est-a-dire de 360 milles pour une 
Variation de nn qnart et demi. Le raisonnement n'anrait quelque 
jnstesse qae si las longueors de trajet de Cabot et de Colomb 
^taient absolument Egales, ainsi qne noas Tavons dit. 

En outre , les routes de ces deax navigateors se sont effec- 
ta^es dans des conditions et des circonstances compl^tement diffd- 
rentes. Les causes d'^eart de ces denx rontes, canses parmi les- 
quelles la Variation des compas est la moindre ponr la route de 
Cabot, n'ont pas eu sur ces deax rontes nne] influence ägalement 
importante. On ne doit donc pas conclure Töcart Äprouvö sur 
Tune de ces routes de l'^cart äprouvä sur Tautre. II ne faut pas 
surtout, comme le fait le Dr. Dawson ne raisonner que sur la diffö- 
rence de Variation des compas applicable k chacune d'elles. 

La route de Colomb s'est eifectu^e toute enti&re par des lati- 
tudes ou le beau temps et la mer belle sont la r^gle, ou le mau- 
vais temps est l'exception, et dans la rögion des vents alisäs de 
N E favorables ä cette route. Le navigateur n'a donc eu k subir, 
dans une grande mesure, les erreurs d'estime, tout-ä-fait incer- 
taines k son .^poque , provenant des louvoyages et des manoeuvres 
et allures de mauvais temps. Les courants ont it6 g^n^ralement 
en sa faveur, comme les vents; enfin s'il a äprouvä une Variation 
d'un quart vers TOuest, celle-ci ne s'est produite que vers le mi- 
ridien de 40^ Ouest (Greenwich). A TEst de ce möridien il a 
renconträ des variations beaucoup moindres et m^me de sens con- 
traire (Variation Est), ayant coupä la ligne de Variation nulle, 
probablement entre 28* et 32* de longitude Ouest (Greenwich ; Jfe- 
tlwds and restUts, carte et p. 7). II y a donc eu, en ce qui con- 
cerne la Variation, une compensation partielle. 

Aucune de ces conditions favorables k Tappr^ciation exacte de 
r^cart entre la route faite r^ellement par le navigateur et celle 
qu'il croyait suivre, ne se retrouve dans la navigation de Cabot. 
Ce demier, en effet, a toujours navigud dans la rägion des vents 
g^n^raux d'Ouest; c'est k dire avec des vents contraires qui Tont 
contraint k louvoyer sur toute la longueur de son trajet ou du 
moins sur la plus grande partie. Ces louvoyages ont ^t^ accom- 
plis par des latitudes oü les coups de vent, les fortes brises, les 
grosses mers r^gnent d'une fa^on presque permanente. 

Dans ces conditions, il est de nos jours m^mes eztrßmement 
difficile k un navire k voile, hors de vue de toute terre, sans ob- 
servations astronomiques et par sa seule estimCi de maintenir sa 


L'atterrage de Gabot au continent am^ricain. 345 

Tonte dans one direction d^termin^e ou le plus pr&s possible de 
cette direction, d'appr^cier les äcarts de ronte faits et de corriger 
ceux-ci convenablement par de nonvelles routes appropri^es. Cette 
difficoltö ätait infiniment plus grande pour Cabot dans des para- 
ges inconnns avec les moyens si primitifs et insoffisants relative- 
ment k ceax dont nons disposons aojoord'lmi; les observations 
astronomiques , Tätat d'armement et de constrnction des navires, 
tont ätait encore rndimentaire. II n'est donc pas possible d'affir- 
mer qae la route de Cabot a 6t6 ä TOuest magna tiqae et qae sa 
ronte yraie rdsoltante a iti cette ronte magnätiqne k TOnest cor- 
rig^e exactement de nn qnart et demi de Variation NO, — en 
snpposant qne cette Variation est bien celle qni convient, snppo- 
sition gratnite, qne rien ne pent jnstifier. 


vm. 

n importe maintenant de pronver mathömatiqnement l'errenr 
commise par le Dr. Dawson, et ce, en snpposant admise ponr nn 
instant sa propre th^orie et en pr^cisant le point oü, snivant les 
cons^qnences legitimes et forc^es de cette thäorie , anrait it6 Tat- 
terrage de Jean Cabot en 1497. Nons le ferons en nons servant 
de ses propres donn^es ainsi qne des pr^misses m^mes de son 
argomentation '. 

Si Colomb snr nn trajet de 3150 milles avec nne Variation 
magn^tiqne de nn qnart (11® 15') äpronva nn ^cart lin^aire de 240 
milles senlementy cet äcart lin^aire de 240 milles correspond k 
nn angle d'^cart x donn^ par Texpression: 

240 

Cet angle x d'^cart est d^termin^ par le calcnl snivant: 

Log 240 = 2,380211 
Co -JiOg 3150 = 4,501689 
Logtgx = 2,881900 
a: — 4« 2r. 


1. Noas adressons ici nos plus 8inc^res remerciemeDts k M. £. Baotieoz, 
offider de marine retraitä et bydrograpbe distingu^, dont le concours noot k 6U 
oon tealement pr^ieux mais inditpensable pour tottte la partie technique de 
BOtre iravail. 


346 Henry Harrisse, 

L'angle d'^cart ^prouv^ par Colomb a consöquemment ii6 r^- 
duit de un quart (11* 15') — Variation magn^tiqne — , ä 4* 21', 
qui est Tangle d*öcart de la route. 

Si le trajet de Cabot s'accomplit dans les meines conditions, 
Tangle d'öcart de sa ronte avec nne Variation magn^tiqne de un 
quart V« (16** B2' 30") qu'on suppose (gratuitement d*ailleurs) avoir 
m Celle de ce trajet, se trouvera r^duit dans les memes propor- 
tions que Tangle d'öcart attribu^ k Colomb , et au lieu de un 
quart V» (16** 62' 30") sera eelui donn^ par la proportion suivante, 
oü X repr^sente Töcart cherch^ : 


11« 15' 16« 52' 30 


// 


4« 21' X 

d'oi Ton tire: 

^ 40 2r X 160 6 2' 3a' .^ _, ^.„ .. . ^,, 

Cet angle d'^cart de 6* 30' 51", correspond k un £cart linö- 
aire ögal k: 

tg 6« 30' 51" X 1600 

en supposant le trajet de Cabot ^gal k 1600 milles. 
L'icart lin^aire s*obtient par le ealcul suivant: 

Log tg 6« 30' 61" = i;0576132 
Log 1600 = 3,2041200 

Log ^cart lin^aire = 2,2617332. 
Ecart linöaire = 182 «, 697, seit : 182 milles, 7. 

Ainsi done, avec la Variation magnötique de un quart Vi 
(16* 52' 30"), que le Dr. Dawson attribue k la route de Cabot, 
Töcart angulaire de cette route aurait ^t^ de 6« 30' 51", et Töcart 
lin^aire de 182", 7 , soit 183 milles vers le Sud , au lieu d'fetre de 
360 milles ainsi que le prätend le savant canadien. 

C'est-ä-dire que, au lieu d'atterrir au Cap-Breton, Cabot au- 
rait atterri k 360 — 183 = 177 milles plus au Nord que le Cap- 
Breton. En d'autres termes, son atterrissage se serait fait d Tue 
de Terre-Neuve^ sur la cöte Est de la longue presqu^Ue terminee au 
Nord par le Cap Bauld , ä proximite de White - Bay , ä envinm 90 
milles au Sud du Cap Bauld, 


L'atterrage de Cabot aa continent am^ricftin. 347 

L'atterrage ne fut donc pas k TDe du Cap- Breton, comme 
raffirme le Dr. Dawson. Th^oriquement et math^matiqnement, 
suivant les premisses de cet errivain et contrairement aux conclusions 
qu'il en tire, l'atterrage n'eut pu etre, dans ces conditions, que 
177 müles plus au Nord. 

Rien n^anmoins ne prouve que l'atterrage en r^alit^ se fit li 
plutöt qu ailleurs. Nous avons cherch^ seulement k d^montrer 
que les donn^es, la th^orie, les hypoth^ses, les arguments et les 
caiculs nautiqaes du savant canadien ne prouyent en aucone fa9on 
que ce fut «at the easternmost point, near Cape -Breton itself»; 
voire meme en aucune partie de Tile de ce nom. 

Nul ne sait, et probablement on ne saura jamais, le lieu pr^- 
cis oü Jean Cabot aper^ut pour la premi^re fois le continent da 
nouyeau monde. 

11 peut §tre interessant, comme confirmation de ce qui prö- 
ckde, de se proposer de döterminer, avec les donnees du Dr. JDaw- 
sofij quelle est la Variation magn^tique qu'aurait du 6prouver Ca- 
bot, pour que sa route lui fit doubler le Cap Race et le fit atter- 
rir k Texträmite septentrionale de la Nouyelle-Ecosse. 

D'abord, comme le Dr. Dawson ne peut fixer le point de d^- 
part en longitude par 53® de lat. N, il ne saurait affirmer qu'une 
Variation magn^tique d'un quart V« (16** 52'), pris comme angle 
d'icart de la route, Taurait fait atterrir a Tlle du Cap-Breton. 

Supposons cependant que le point de d^part de la route qui 
aurait menö Cabot k Tlle du Cap-Breton, ait it6 par !!• Long. 
Ouest (Greenwich), sur le parallele de B3*^ Nord. Cette longitude 
prise le plus pr^s possible de la cote d'Ir lande, est la plus favo- 
rable aux conclusions du Dr. Dawson. La route partant de ce 
point et passant k petite distance du Cap Race, implique un äcart 
angulaire vers le Sud de 11®, par rapport k une route Est et 
Ouest. 

Mais de^meme que nous avons vu que Töcart Unfaire de Co* 
lomb, sur une route de 3150 milles avait 6ti seulement de 240 
milles, correspondant k un äcart angulaire de 4® 21', quoique la 
Variation magn^tique fut supposöe avoir ^t^ de un quart (115 15'), 
et que la route de Cabot, suppos^e parcourue dans des conditions 
identiques de navigation, avec une Variation magn^tique de un 
quart V« (16® 52') devait etre affect^e proportionnellement d'un 
icart angulaire de 6® 31' seulement, en vertu de la proportion: 

K«l. Gm. d. Wte. Haehri«hUii. PUlolof.-hiitor. KImm 1897. HA. S. 24 


348 Henry Harifisse, L^atterrage de Cabot au continent am^ricain. 

4' 2r _ 6^ 3r 

11« 15' ~ 16« 52' 

de m^me ponr la route de Cabot affectöe d'nn ^cart angolaire de 
11« vers le Sud n^cessaire ponr qn'elle passät au Cap Race dans 
des conditions de navigation enti^rement semblables, la Variation 
magn^tiqne, en Tappelant x devra satisfaire a T^galit^ des rapports : 

11« 4« 21' 6« 31' 


X 11« 15' 16« 52' 

C'est k dire que cette Variation magn^tiqne x qa'aorait du 
äprouver Cabot ponr doubler le Cap Race, est 6gale k: 

11« X 11« 15' 11« X 16« 52' „^ „, .. QQ^ ^^ ^ . 

Ainsi donc, si Cabot a donbl^ le Cap Race, ce n'est pas d'nne 
Variation magnätique de 16« 52' (an qaart V«) V^^ sa ronte aurait 
6i6 affect^e, comme le pr^tend le Dr. Dawson, mais bien d'nne 
Variation magn^tiqne de 28« 30', c'est-ä-dire de plns de 2 quarts V>* 

Ainsi s'^cronle le demier point d'appoi de la th^orie absola- 
ment erronöe tendant k d^montrer, par la science mathämatiqne, 
Tatterrage snpposä de Jean Cabot k Tue da Cap-Breton en 1497. 


Papstarkunden in Padova, Ferrara und Bologna 
nebst einem Nachtrag über die Papsturkunden 

in Venedig. 

Von 

P. Kehr. 

Vorgelegt in der Sitsong Tom 80. Oktober 1897. 

Dank den Empfehlungen C. Cipolla's und G*. Mercati'^s, 
denen wir nnsem herzlichsten Dank wiederholen, fanden wir auch 
dieses Mal überall offne Thüren. In Padua hat nns der Alt- 
meister der Paduanischen Greschichtsforschong Prof. A. Gloria 
selbst die Wege geebnet ; ihm danken wir, daß wir hier das freund- 
lichste Entgegenkommen fanden. Ich möchte nicht yersSumen, dem 
Monsignore Grinzato vom Archivio capitolare, dem Herrn Prof. 
Lazzarini vom Museo civico, dem Sac. Stievano von der Bib- 
liothek des Seminario vescovile, endlich auch Herrn L. Carraro 
vom Archiv des Grafen Papafava dei Carraresi verbindlichst für 
ihre uns gewährte Unterstützung zu danken. In Ferrara gab 
uns der Director des Studio pubblico Herr Prof. Avv. Agnelli 
die noihigen Directiven. Ihm und Don Gioachino Preti sind wir 
besonders verpflichtet. Aber auch dem Monsignore Fratta und 
Herrn Torazzi vom Capitelarchiv, Herrn Dr. Dotti vom Archi- 
vio dei residui, Herrn Dr. Bottoni vom Stadtarchiv und Don 
Aroldo Canella von der erzbischöflichen Kanzlei danken wir hier 
herzlich: sie alle waren unermüdlich und zu allen Stunden des 
Tages bereit uns zu unterstützen. Nicht weniger freundlich war 
die Aufnahme, die unsre Mitarbeiter, Dr. Elinkenborg und Dr. 
Schiaparelli, in Bologna fanden. Des Kapitelarchivars Dr. 
Nicola Mar Chi liebensvnirdige Güte hatte ich schon im Frfihjahr 
kennen gelernt. Das erzbischöfliche Archiv haben die Herren Prof. 

Ij. Breventani und Don Pietro Piatelli ihnen zugänglich ge« 

24* 


360 P. Kehr, 

macht. In der Universitätsbibliothek fanden sie an dem Biblio- 
thekar Dr. C. Frati einen gefälligen Führer. Endlich in dem so 
wichtigen Staatsarchiv hat ihnen der Director Comm. Carlo Ma- 
lagola freundliche Aufnahme und der Archivar Dr. Emilio Orioli 
unermüdliche Hülfe zu Theil werden lassen. Bei solcher überall 
gleich hülfsbereiten Unterstützung sind die Arbeiten überaus schnell 
fortgeschritten ^). 


I. FadMa ^. 
Biblioteca del Seminario vescovile. 

Hier befinden sich die Sammlungen des Brunacci und des 
Geunari. Ihre Bedeutung ist, daß sie mit rastlosem Fleiße und 
bewunderungswerther Hingabe die gesamten urkundlichen Materia- 
lien der älteren Geschichte von Fadua zusammengebracht und co- 
pirt und so einen fast vollständigen handschriftlichen Codex diplo* 
maticus Paduanus geschaffen haben. Sie haben sich dabei nicht 
nur auf die engere Geschichte von Fadua beschränkt, sondern auch 
Materialien aus benachbarten Stiftern und Klöstern, wie Vicenza, 
Venedig, Treviso u. a. aufgenommen. 

Wir haben diese Sammlungen ausgenutzt, soweit die Zeit das 
erlaubte. Indessen erscheint eine Uebersicht der in ihnen enthal- 
tenen Papsturkunden hier um so weniger nöthig, als bis auf einen 
verhältnißmäßig geringen Rest die Quellen des Brunacci und des 
Gennari noch vorhanden sind. Verloren ist seit ihrer Zeit der 
größere Theil des Archivs von S* Stefano di Padova, von dem nur 
der geringere Theil im Museo civico in Padua erhalten ist, ferner 
das Archiv von S. Michele di Murano, dessen Reste sich im Staats- 
archiv in Venedig befinden — hieraus entnahmen sie die Urkunden 
für S. Maria delle Carceri — , endlich der Codex saec. XII von 
S. Zaccaria di Venezia, der wahrscheinlich die Urschrift des jetzt 
noch im Museo civico vorhandenen Catastico A des Viaro war. 


1) Die Nachforschungen in Padua und Ferrara habe ich in Qemeinschaft mit 
Herrn Dr. Klinkenborg angestellt. Seinem Eifer gebührt ein gut Theil des Er* 
feiges. 

2) Nebenbei sei noch erw&hnt das Archivio della congregazione dei parrochi 
di Padova» in dem sich ein Liber blaucus s. XV befindet, dem Brunacci, Qeonari 
and Gloria Alexander III. J-L. 12663 entnommen haben. 

Bezüglich der Biblioteca Antoniana in Padua verweise ich auf den Katalog 
ton Josa. Padua 1886. 


PapBtarknnden in Padova, Ferrara nnd Bologna. 351 

Es bandelt sich um folgende, übrigens schon von A. Gloria 
benutzte Sammlungen: 

Cod. 581. Brunacci Codice diplomatico Fadovano tom. I — IV. Band 

V bildet das Register zu Bd. I— IV. Tom. VI— VIH 
ist die Fortsetzung des Gennari. In diesem großen 
Sammelwerk ist ein Archiv nach dem andern ausge- 
schrieben, ohne rechte chronologische Ordnung, so daß 
es schwer ist, sich durchzufinden. 

Cod. 583. Brunacci Appendice dl Codice tom. I — ^III, eine Samm- 
lung, die identisch zu sein scheint mit desselben Bru- 
nacci Diplomata Patavina in der Marciana zu Venedig 
Cl. X c. 199—201. 

Cod. 585. Brunacci Documenti per la storia latina tom. I. 11 mit 
vielen Kaiserurkunden. 

Cod. 584. Gennari Raccolta di documenti inediti speitanti alla storia 
di Padova con illustrazioni delV abb. Giovanni Brunacci 
tom. I — in. Diese Sammlung ist die Fortsetzung der 
Documenti des Brunacci. 

Cod. 589. BrunctQci und Gennari Documenti doppii vol. I. II. 

Museo civico. 

Vgl. Schum im N. Archiv I 129 (Archivio municipale) über 
die Kaiserurkunden des Archivs. In ihm befinden sich die Archive 
der aufgehobenen Klöster, besonders die von S. Giustina, S. Pietro, 
S. Stefano , S. Maria di Praglia , der Kapitel von £ste und Mon- 
selice, weiter auch Theile von Archiven der Venezianischen Con- 
gregationen, wie S. Zaccaria, S. Giorgio maggiore, S. Teresa, S. 
Agatha u. A. Aber dieses sind nicht geschlossene Archivkörper, 
sondern aus Verwaltungsgründen zerrissene Bestände, die in den 
respektiven Abtheilungen des Archivio diplomatico , des Archivio 
Corona, des Archivio demanio untergebracht sind. Ich folge nicht 
dieser willkürlichen £intheilung, sondern den Provenienzen. 

Monastero di S. Giustina^). 

Originale : 

Eugen m. 1145 VI. 17. J-L. 8771 (Corona Nr. 1563). 
Alexander HI. 1165 U. 8. J-L. 11167 (Corona Nr. 1568). 
Alexander III. 1172 X. 18. J-L. 12166 (Arch. diplomatico 
Nr. 256). 


1) AaBerdem kommen hier noch in Betracht die Materialien des weiter tuten 
erw&hnten Archifio dei Papafara. 


362 P- Kehr, 

Copien : 

Gregor IV. 830 VI. 20. J-E. f 2572. Copie von 1341 (Arcli. dipl. 

Nr. 6). 
Leo IX. 1053 VHI. 2. J-L. t4300. Copie s. Xu (Arch. dipl. 

Nr. 31). 
Calixt n. 1123 m. 16. J-L. 7023. Copie s. XH (Arch. dipl. 

Nr. 78). 
Alezander m. 1172 X. 18. J-L. 12166. Copie von 1342 and 

Copie 8. XVI (Arch. dipl. Nr. 296. 257). 

CopialbOcher : 

S. OiusHna B. 45. Cod. membr. s. XVI ex. 

f. 62 Leo IX. 1053 VOI. 2. J-L. f 4300. 
S. Qiustina H. I. 49. Cod. membr. s. XVII. 

f. 61 Leo IX. 1053 Vm. 2. J-L. f 4300. 
8. Giustim H. I. 69. Cod. chart. s. XVII. 

f. 1 Urban H. 1092 IX. 14. J-L. f 5467. 

f. 3. 8. 11' Alexander IH. 1165 H. 8. J-L. 11157. 

f. 5 Alexander IE. 1169 I. 30. J-L. 11590. 

f. 7. 10 Alexander m. 1172 X. 18. J-L. 12166. 

Monastero di S. Pietro. 

Wibert 1091 L 19. J-L. 633^ Copien von 1264 und 1344 (Co- 
rona Nr. 3051. 3050). 

Urban m. 1186 IX. 12. J-L. 15668. Cop. s. Xm (Corona 
Nr. 3089). 

Urban HI. 1186 X. 17. J-L. 15679. Cop. s. Xm (Corona 
Nr. 3090). 

Urban HI. 1186 XI. 25. J-L. 15699. Cop. s. Xm (Corona 
Nr. 3092). 

Urban HL 1187 I. 25. J-L. 15931. Cop. a. ^TTT (Corona 
Nr. 3088). 

Monastero di S. Stefano. 

Lucins n. 8. d. J-L. 8685. Cop. s. XVI und 2 Copien s. XVm 
(A I 67). 

S. Maria di Praglia. 

Calixt n. 1122 V. 1. J-L. 6969. Orig. (Arch. demanio) and 
Copie von 1483 (Arch. dipl. Nr. 72). 

S. Benedetto di Polirone'). 
Innocenz H. 1132 VI. 25. J-L. 7574. (Arch. dipl. Nr. 92). 


1) DU Originale dieser ürkonden sind in Meiknd. 


Papstarkimden in Padova, Ferrara und Bologna. 353 

Eugen m. 1148 IX. 6. J-L. 9292. (Arch. dipl. Nr. 146). 
Celestin lU. 1195 XI. 6. J-L. 17292. (Arch. dipl. Nr. 503), 
alle in Copien von 1483. 

S. Zaccaria di Yenezia^). 
Copialbuch. Cod. chart. s. XVH (A. VL 853. 854) mit dem Titel : 
Cqpia degli istromenti ed altre carte antiche del Catastico A, tratta 
da Giov. Andrea Viaro nodaro vol. I. 11. Vol. I enthält 

Nr. 1. Eugen HI. 1151 IX. 26. J-L. 9494. 

Nr. 2. Hadrian IV. 1 157 H. 18. J-L. 10258. 

(p. 141) Alexander IH. 1169 Vin. 16. J-L. 11639. 

Nr. 3. Alexander IH. 1181 HI. 21. J-L. 14377. 

Nr. 4. Lucius HI. 1183 VH. 6. J-L. 14896. 

Nr. 5. Urban m. 1187 IL 17. J-L. 15938. 

Archivio capKolare. 

Das schöne Archiv der Kathedrale enthält auch die Urkunden 
der Bischöfe. Ein vortrefflicher Index von Franciscus de Dondis 
ab Horologio von 1789 erleichtert die Uebersicht. Dondi und 
Gloria haben das Archiv in der Hauptsache bereits ausgeschöpft. 
Die Kaiserurkunden verzeichnet Bresslau im N. Archiv DI 91. 

Die Urkunden sind in 44 Foliobänden, die nach sachlichen 
Gesichtspunkten angelegt sind, gebunden. Sie vertheilen sich in 
folgende Gruppen: 

Tom. 1—11: Villarum vol. I— XI. — Tom. 12. 13: Privilegia 
vol. I. IL — Tom. 14: Ecclesiae. — Tom. 15. 16: Canonici vol. 
L n. — Tom. 17: Canipa etc. — Tom. 18. 19: Testamenta vol. 
L n. — Tom. 20 : Mansionarii etc. — Tom. 21 : Commissariae. — 
Tom. 22. 23: Padua vol. I. 11. — Tom. 24—27: Episcopi vol. I 
—IV. — Tom. 28. 29: Feuda episcoporum vol. I. II. — Tom. 30: 
Feuda canonicorum. — Tom. 31 — 44: Diversa vol. I — XTIT. 

Originale : 

Calixt n. 1123 IV. 1. J-L. 7042. (XII Nr. 26). 
Innocenz D. 1132 VI. 29. J-L. 7577. (XXIV Nr. 17). 
Hadrian IV. 1155 VI. 4. J-L. 10075. (XU Nr. 34). 
Hadrian IV. (1157—59) V. 17. J-L. 10515. (XXIV Nr. 88). 
Alexander DI. (1168-70) I. 25. J-L. 11686. (VI Nr. 9). 
Alexander HI. 1172 X. 10. J-L. 12165. (XH Nr. 36). 
Alexander IH. 1177 V. 18. J-L. 12842. (XIV Nr. 7). 


1) Vgl. meinen Bericht Ober Papstarkonden in Venedig. Naehrielilen 1896 
S. 285. 


354 P- Kehr, 

Lnciua m. (1184— 8B) Vin. 29. J-L. — . (XH Nr. 37). S. An- 
hang. 
Urban HI. 1186 V. 6, J-L. — . (KU Nr. 38). S. Anhang. 
Celestin HI. 1196 V. 1. J-L. 17369. (Xn Nr. 40). 

Copien : 

Calixt n. 1123 IV. 1. J-L. 7041. Cop. v. 1309 (XXIV Nr. 11). 
Calixt n. 1123 IV. 1. J-L. 7042. Cop. s. XIV (XII Nr. 27). 
Innocenz II. 1132 VI. 29. J-L. 7577. Cop. s. XIII und Cop. 

V. 1309 (XXIV Nr. 18 und Nr. 11). 
Eugen in. 1151 V. 7. J-L. — . Cop. s. XIV (XXXI Nr. 4). 

S. Anhang. 
Lucius in. 1184 xn. 22. J-L. 15146. Cop, v. 1205 (XIV 

Nr. 9). 
Urban IIL 1186 V. 6. J-L. — . Cop. v. 1197 (Xn Nr. 39). 

S. Anhang. 
Celestin m. 1196 VI. 12. J-L. 17402. Cop. v. 1205 (XTV 

Nr. 13). 

Copialbnch : 

Liber niger, cod. membr. in fol. saec. XIV (vgl. Bresslau im 
N. Archiv in 92). 
f. 21 Calixt n. 1123 IV. 1. J-L. 7042. 
f. 34 Alexander in. (1168-69) VIII. 12. J-L. 11570. 
f. 34' Alexander III. 1172 X. 10. J-L. 12165. 
f. 34 Alexander m. 1177 Vin. 22. J-L. 12924. 
f. 23 Lucius m. 1182 L 21. J-L. 14571. 
f. 23' Lucius in. (1184-85) Vni. 29. J-L. — . S. Anhang, 
f. 21' Urban in, 1186 V. 6. J-L. — . S, Anhang, 
f. 22 Urban in. (1186-87) VL 23. J-L. -. S. Anhang, 
f. 33 Clemens in. 1189 lU. 21. J-L. — . S. Anhang, 
f. 27' Celestin in. 1196 V. 1. J-L. 17369. 

Archivio dei conti Papafava dei Carraresi'). 

Die für uns in Betracht kommenden Materialien stammen aas 
dem Archiv von S. Giustina, wohin sie D. Pietro Geoldo „dal co- 
mnne naufragio" brachte. Das eine ist ein Heft Urkunden, darunter 


1) 0«nnari RaccolU dei documenti II Nr. 182 und Nr. 1658 (Biblioteca dei 
Seminario Tescovile cod. 684) gibt Friedrich I. St. S900 und St. 4S87 ex ar- 
chivio Papafabaram apad s. Johannem. Wir sind diesem Hinweise nicht weiter 
nachgegangen. Aber im Archiv der Grafen Papafava in Via S. Spirito sollen 
dch diese Urkunden nicht befinden. Es ist vermutlich eine andere Linie der 
Grafen Papafava, um deren Archiv es sich handelt. 


Papstarinmden in Padova, Ferrara und Bologna. 866 

Gregor IV. 830 VI. 20. J-E. f 2572. Cop. s. XI, 
das andere das Copialbnch von S. Giustina, genannt Catastico verde^ 
Cod. membr. s. XIU. Hier stehen die ersten Urkunden geschrieben 
von der Hand des Notar Jacobas von 1274 , die andern sind im 
15. Jahrhundert nachgetragen worden. 

f. 14' Gregor IV. 830 VI. 20. J-E. f 2572. 

f. 4 und f. 12' Alexander III. 1166 II. 8. J-L. 11157. 

f. 13' Alexander UI. 1172 X. 18. J-L. 12166. 

f. 107 Leo IX. 1053 Vm. 2. J-E. f 4300. 
f. 107' Calixt n. 1123 HI. 15. J-L. 7023. 
f. 109' Alexander HI. 1172 X. 18. J-L. 12166. 
f. 109 Alexander HI. 1177 IX. 16. J-L. 12935. 
f. 109 Alexander IH. 1177 IX. 16. J-L. 12936. 


JT. Ferrara. 
Biblioteca deilo studio (comunale) 0* 

Ich beginne mit der öffentlichen Bibliothek, die, wenn sie auch 
keine fiir uns originären, wohl aber die ganze üeberlieferung von 
Ferrara umfassenden Quellen enthält. Und zwar kommen hier 
hauptsächlich in Betracht die Manuscripte Scalabrinis. 

Was Brunacci und Gennari für Padova sind, das ist für Fer- 
rara Joseph Antenor Scalabrini, der Freund und Qehiilfe Mura- 
toris, der ihm dankte, indem er ihn Antiquitates Ital. II 944 an- 
tiquitatum amantissimus nannte. Von seinen zahlreichen Manu- 
Scripten, in denen er mit unermüdlichem Fleiße die Abschriften 
der Ferrareser Urkunden niederlegte, kommen folgende für uns in 
Betracht ^ : 


1) Ich erw&hne hier noch aas Materialien, die ans durch die H&nde gingen, 
ftber ans nichts ergahen : Monumenta Feirariensia medii aevi Nr. 834 = nr. 151 
NC 5, eine Sammlang von Originalurkunden, Resten von Copialbüchern , Copien 
Q. s. w., darunter Otto III. Dipl. II 850 Nr. 416 in Copie saec. XII und Friedrich 
IL 1238 Juli in castris circa Brixiam, BesUllung des fiulganus civis Ferrariensis 
nun publicos tabelHo imperii (soweit ich festeteilen kann, anbekannt). 

Alle die hier in Betracht kommenden Handschriften der Bibliothek von Fer- 
rara hat Herr Dr. Klinkenborg durchgesehen. 

2) Keine Aasbeute ergaben die folgenden Manuscripte Scalabrinis : NoHmU 
deUa 8. chiesa di Ferrara da fondamenti autentici 1768 (Nr. 71 =s 389 ND 2), 
Memorie sacre e profane della s, chiesa di Ferrara (Nr. 170 « 241 NC 9), Dti 
veteaoi di Voghensa. Vita di 8. Maurelio vescovo di Ferrara (Nr. 224 » 483 


366 P> Kehr, 

Desermone deUa s. ehiesa metropdlUana äi Ferrara, de* veseovi 
ed areivescovif che Vhanno governata etc. 1766 (Nr. 46 ss 
nr. 26 NC 1). 
Innocenz H. (1133—34) IX. 30. J-L. 7641. 

Annali deOa ehiesa di Ferrara (Nr. 223 = nr. 460 ND 4). 
Innocenz H. (1133—34) IX. 30. J-L. 7641. 

Transsunto dei documenti enunciati nella storia etc. 1774 (Nr. 
225 = nr. 468 ND 5). 
f. 1 Vitalian s. d. J-E. f 2102». 
f. 20' Johann XHI. 967 IV. 25. J-L. 3718. 
f. 45' Victor H. 1056 VI. 26. J-L. 4338. 
f. 49' Alexander U. 1068 VI. 20. J-L. 4660. 
f. 60' Alexander U. s. d. J-L. 4651. 
f. 63' Innocenz H. 1139 V. 23. J-L. 8033. 
f. 69 Hadrian IV. 1168 L 10. J-L. 10378. 
f. 80 Alexander m. — J-L. 12945. 
f. 83 Gregor VUI. 1187 XI. 19. J-L. — . S. Anhang, 
f. 91 Celestin HI. 1196 VH. 28. J-L. — . S. Anhang, 
f. 179 Lucius in. 1184 X. 1. J-L. — . S. Anhang, 
f. 181 Urban IH. 1186 IV. 22. J-L. 16590. 

Notigie istoriche dd capiMo ddla s. ehiesa di Ferrara (Nr. 229 
= nr. 126 NC 4). 
f. 14 Alexander IH. (1160—76) V. 30. J-L. — . S. Anhang. 
Copie di scriiture estratte doli' archivio del capiMo di Ferrara 
1728 (Nr. 232 = nr. 469 ND 4) »). 
Quatem. ni f. 9' Alexander IH. (1160-76) V. 30. J-L. — . S. An- 
hang, 
f. 13' Celestin HI. 1196 VH. 28. J-L. -. S. Anhang. 
Quatem. X f. 20' Clemens IH. 1190 IIL 6. J-L. — . S. Anhang. 
Quatem. XIV f. 8 Gregor VIII. 1187 XI. 19. J-L. — . S.Anhang. 
Quatem. XVI f. 13 Innocenz H. 1139 IV. 9. J-L. 7967 ex scrip- 

turis domini Joh. Bapt. Benetti. 
Quatem. XVm f. 2 Victor n. 1065 VI. 26. J-L. 4388. 

f. 3 Alexander U. 1068 VI. 20. J-L. 4660. 


ND 6), Memorie dOia eaUedrale tU Ferrara (Nr. 227 = 447 ND 4) , HueelUmea 
coHcmicai« e parrcdtitUi (Nr. 228 = 484 ND 6), Liber eederie eathedroli» Ferra- 
riae (Nr. 281 = 456 ND 4). la der Sammlang ÄntoneUi, jetzt gleichfalls ia der 
Bibliothek, ist anter Nr. 662 eine Hs. Scalabrinis Copia di moftt doeumenü estratÜ 
dai Kbri dd eomune, worin angeblich Heinrich II. f&r Rarenna 1014. 

1) Von Kaisemrlianden stehen in dieser Sammlang Qaatem. IH f. 8 Otto HL 
Dipl. II 696 Nr. 275 ; Quälern. XII f. 39 Otto IV. BF. 359 ; Qaatem. XYIII 1 1 
Heinrich IL St 1694 ; Qaatem. XYIU t 10 Heinrieh HL St 2838. 


Papstarkondon in Padova, Femra uftd Bologna. 8ß7 

f. 4 Innocenz II. 1139 V. 23. J-L. 8033. 

f. B Hadrian IV. 1158 I. 10. J-L. 10378. 

f. 6 Alexander IH - J-L. 12945. 

f. 7 Urban m. 1186 IV. 22. J-L. 15590. 
Quatern. XIX f. 3 Johann Xm. 967 IV. 25. J-L. 3718. 

f. 5 Benedict VH. 978 IV. 22. J-L. 3797. 

f. 6 Victor II. 1055 XI. 8. J-L. 4351. 

f. 9 Alexander UI. 1169 IV. 17. J-L. 11614. 

f. 10 Gregor Vm. 1187 XI. 11. J-L. 16048. 

f. 11 Celestin HL 1192 III. 26. J-L. 16842. 
Prwüeggi e doeumenti spettanti alla chiesa di Ferrara vol. I. 
(Nr. 233 = nr. 507 ND 6) »). 
f. 1 Hadrian I. 780 m. 9. J-E. f 2430. 
f. 4' Hadrian II. 870 J-E. — , a. Kehr, Nachrichten 1897 

S. 193 Nr. 1. 
f. 6' Johann XHI. 967 IV. 25. J-L. 3718. 
f. 9 Benedict VU. 981 HL J-L. I p. 482 und Stumpf 

Reg. Nr. 791. 
f. 14 Benedict VII. 978 IV. 22. J-L. 3797. 
f. 17' Victor n. 1055 XI. 8. J-L. 4351. 
f. 19 Alexander II. s. d. J-L. 4651. 
f. 20 Paschal H. 1105 IV. 8. J-L. 6023. 
f. 60 Innocenz H. 1133 m. 11. J-L. 7612. 
f. 52' Innocenz II. 1139 IV. 22, J-L. 8013. 
f. 55' Celestin n. 1144 in. 6. J-L. 8515. 
f. 58 Lucius n. 1144 IH. 15. J-L. 8520. 
f. 63 Alexander m. 1169 IV. 17. J-L. 11614. 
f. 70' Gregor Vin. 1187 XI. 11. J-L. 16048. 
f. 72 Clemens IH. 1189 IV. 20. J-L. 16404. 
f. 74 Celestin IH. 1192 m. 26. J-L. 16842. 
f. 248 aemens m. 1189 IV. 20. J-L. 16404 aus Trans- 

sumt Nicolaus V. von 1447. 

Monumenta vetera monasterii Pomposiani et Bavennatis et Fer- 
rarienais eedesiarum (Nr. 234 as nr. 454 ND 4)*). 
Qaatem. I f. 3 Hadrian II. 870 J-E. — , s. Kehr Nachrichten 

1897 S. 193 Nr. 1. 


1) Hier steht auf f. 16' auch Heinrich HI. St 2883; auf f. 84 Otto HI. 
IHpL U. 860 Nr. 416 ; auf f. 84' Otto HI. Dipl. U 826 Nr. 896 ; f. 172' Frie- 
drich I. St 4015 ; f. 176' Heinrich YL St 4677 ; f. 177 Heinrich YL St 4948 ; 
l 177' Otto lY. BF. 862; f. 179 Otto IV. BF. 869. 

2) Diese Sammlang ist anch f&r die Kaisenirlcanden von gröSter Wichtigkeit 
Sie hitte Terdient fftr Diplomata II benuttt sn werden, denn sie gibt n. A. Sea- 


368 P. Kehr, 

f. 10 Anastasiaa IV. s. d. J-L. — . S. Anhang. 
Quatern. TL f. 15 Benedict Vm. 1022 VH. J-L. 4041. 

f. 16 Benedict Vin. 1013 VII. 6. J-L. 3999. 
Quatern. III f. 1 Leo IX. 1052 HI. 18. J-L. 4268. 

f. 2' Alexander IH. 1160 XH. 21. J-L. 10639. 

f. 4' Hadrian IV. 1155 IV. 9. J-L. 10024. 

f. r Celestin III. 1192 Vn. 13. J-L. 16917. 
Quatern. IV f. 4' Pascha! II. s. d. J-L. — . cit., vgl. Klinkenborg, 

Nachrichten 1897 S. 271 Nr. 1. 

f. 4' Calixtll. 1124 X. 16. J-L. 7168 cit. (Or.Modena). 

f. 5 Innocenz 11. 1132 XII. 20. J-L. — . cit., vgl. 
KHnkenborg, Nachrichten 1897 S. 274 Nr. 3. 

f. 5 Celestin n. 1143 XII. 16. J-L. 8459 cit. 

f. 5' Anastasius IV. 1154 IIL 19. J-L. 9852 cit. 
Quatern. diversorum f. 13 Celestin III. 1192 VII. 13. J-L. 16917. 

f. 18' Eugen m. 1148 VHI. 25. J-L. -. S. Anhang. 

f. 19 Urban HI. (1186) XI. 22. J-L. — . S. Anhang. 
Quatern. privilegiorum : Clemens III. 1189 IV. 20. J-L. 16404 im 

Transsumt Nicolaus V. von 1447. 

Scritture de' Serenissimi Estensi (Nr. 327 = nr. 110 NC 4). 

Nr. 52 Leo IX. 1052 HI. 18. J-L. 4268. 
Außer diesen CoUectaneen des Scalabrini haben wir noch die 
folgenden Manuscripte benutzt: 

Peregrini Prisciani Ferrariensium histariarum Liber primus et 
pars secundi cod. chart. s. XVI (Nr. 50 = 388 ND 2) '). 
Im zweiten Theil stehen folgende Papsturkunden: 

labrinis mit pftl&ographischer Treue gemachte Abschriften uach den Terlorenen 
Originalen von Pomposa. Ich verzeichne also auch hier die von Scalabrini co- 
pirten Kaiserurkunden Quatern. I f. 8' Konrad II. St. 1921 (nach dem Ferrareser 
£xemplar); f. 16' Otto III. Dipl. II 826 Nr. 895 Nachzeichnung aus dem verlo- 
renen Original, so daft sich der Schreiber feststellen l&Bt; f. 17' Otto III. Dipl. 
II 860 Nr. 416 desgl.; Quatern. n f. 2' Heinrich III. St. 2830; f. 4 Heinrich 
IV., wohl St. 2982; f. 6' Heinrich IV. St. 2691; f. 7 Friedrich I. St. 4222; f. 9' 
Friedrich I. St. 4228; f. 12' Friedrich IL, wohl BF. 1198; Quatern. V f. 14 
Friedrich I. mit corrupter Datierung, den ich aus Klinkenborgs Notiz nicht au 
bestimmen vermag; Quatemus diversorum f. 8 Heinrich VI. St. 4986; am £^de 
lose Bl&tter, hier Friedrich II. 1226 VI. Borgo San Donnino. — Ich notiere hier 
mit dem Verweis auf das Archivio dei residui, wo sich die Reste des Archivs von 
S. Benedetto di Ferrara befinden, in dem im vorigen Jahrhundert auch die Urkunden 
von Pomposa waren, daB sich hier ein ausführlicher Index der Urkunden von 
Pomposa befindet mit den alten Archivsignatoren. Hieraus habe ich mir nur 
sehr nebenbei notiert DO. III 896, 416, St. 1697 (?), 2088, 2288, 2880, 2691, 
4222, 4986. 

1) Der Liber IV ist im Archivio di sUto au Modena (vgl KUokenborg, Naebr. 


Papstarkuaden ia Padova, Ferrara and Bologna. 369 

f. 65 Hadrian I. 780 HI. 9. J-E. f 2430. 
f. 67 Paschal n. 1105 IV. 8. J-L. 6023. 
f. 68 Innocenz n. 1133 UI. 11. J-L. 7612. 
f. 69 Innocenz IL 1139 IV. 22. J-L. 8013. 
f. 71 Celestin H. 1144 UI. 6. J-L. 8515. 
f. 73 Lucius n. 1144 lU. 15. J-L. 8520. 
f. 82' Vitalian s. d. J-E. f 2102» '). 

Peregrini Prisciani Ferrariensium historiarum et antiquitaium 
LibH, cod. Chart, s. XVHI (Nr. 273 = Nr. 278 NC 10). 
Der erste Theil des MS. ist eine Copie der vorausgehenden 
Sammlung, dann aber folgt mit neuer Paginirung Liber 
septimus, die Geschichte von Ferrara im 13. Jahrh. ent- 
haltend "). 

Metnorie intorno alla cütä di Ferrara, Originale seriito da D. 
Girolamo Merenda^ Rettore della chiesa di s. Biagio^ 1595, 
cod. Chart. (Nr. 271 = nr. 472 ND 5). Merenda citirt 
p. 30 das Privileg Vitalians aus un libro antico scritto 
in carta pecora nel comune di Ferrara. Eine Abschrift 
dieses Ms. des Merenda s. XVII ist der cod. Nr. 276 = 
467 ND 5. 

(Carlo Bernardi) Documenti e memorie per la storia di Ferrara^ 
cod. Chart, s. XVUI (N. £E. 615). Zuerst eine Historie 
der Bischöfe von Ferrara, dann Diplome. 

Vitalian s. d. J-E. f 2102». 

Celestin n. 1144 lU. 6. J-L. 8515. 

Lucius U. 1144 m. 15. J-L. 8520. 

Privilegia ordinis Carthusiensis, cod. membr. s. XV (Nr. 199 = 
nr. 68 NA 3). Der Codex ist unvollständig. 
Alexander Hl. 1164 IV. 17. J-L. 11019. 
Alexander m. 1176 IX. 2. J-L. 12733. 
Alexander UI. (1173-76) VI. 19. J-L. — •). 
Alexander IH. 1177 VU. 11. J-L. 12882. 
Lucius in. 1184 XII. 21, J-L. 15141. 
Lucius in. 1185 I. 8. J-L. 15344, aber mit X lud. febr. 


1897 8. 246). Eine Abschrift des Ferrareser Ms. ist in der Biblioteca deir accv 
denia dei Concordi in Bovigo, cod. 272 s. XVIII, vgl. Macxatinti s. RoTigo. 

1) f. 81 Heinrich YL 8t. 4677. Auch im Cod. des Bernardi. 

2) Mit den Urkunden Ottos IV., Friedrichs IL und Rndolfi. 

8) Qedr. La Cootealx Annales ord. Cartos. II 411 (vgl. Schaos im N. Archi? 
Xini a02 Kr. 16). 


360 P- Kehr, 

Lucius in. (1186) I. 8. Le Coutenlx m 15 zu I. 9. 
Urban IH. (1186—87) HL 19. Cfr. Le Couteulx m 28. 
Clemens m. 1188 IV. 12. J-L. 16208. 
Clemens HI. 1190 VI. 7. J-L. 16508. 
Celestin HI. 1192 VH. 6. J-L. 16912. 
Celestin HI. 1192 VII. 9. J-L. — . S. Anhang, 
Celestin m. 1192 Vn. 12. J-L. 16916. 

Archivio capKolare ')• 

Originale *) : 

Victor n. 1055 VI. 26. J-L. 4338. (Busta Xm Nr. 5) »). 
Alexander n. 1068 VI. 20. J-L. 4660. (Büste Xm Nr. 6). 
Hadrian IV. 1168 I. 10. J-L. 10378. (Büste XHI Nr. 9). 
Alexander HI. (1160-76) V. 30. J-L. — . (Büste XTV Nr. % 

S. Anhang. 
Urban m. 1186 IV. 22. J-L. 16590. (Busta Xm Nr. 13). 
Gregor Vm. 1187 XI. 19. J-L. -. (Büste Xm Nr. 14). 

S. Anbang. 
Celestin m. 1195 VII. 28. J-L. -. (Baste XIV Nr. 10). 

S. Anhang. 

Copien : 

Benedict VII. 981 IH. Placitnm St. 791 und J-L. I p. 482. 

Cop. s. X— XI (Büste XVI Nr. 3). 
Victor II. 1056 VI. 26. J-L. 4338. Cop. s. XI (Büste XDI 

Nr. 5). 
Alexander II. 1068 VL 20. J-L. 4660. Cop. s. XH— XHI 

(Baste XIII Nr. 6). 
Innocenz II. 1139 IV. 22. J-L. 8013. Cop. s. XII— Xm (Hu- 
ste XVI Nr. 1) *). 
Innocenz U. 1139 V. 23. J-L. 8033. Cop. s. YTT-YTTT (Baste 

Xin Nr. 7). 
Lucius n. 1144 UI. 15. J-L. 8620. Cop. von 1174 (Baste 

XVI Nr. 2). 
Hadrian IV. 1167 VII. 3. J-L. -. Cop. v. 1220 (Büste Xm 

Nr. 8). S. Anhang. 


1) Die Ktpitelbibliothek hat aar moderne Sachea, aber eiae sUttliehe Serie 
prachtToIler Chorali. Solche aach in der Bibl. eomanale. 

2) Die Kaisemricondea verceichne ich nicht, da sie nnterdeS, wie ich in Fer- 
rara erfahr, von BreBlaa und Bloch benaUt siod. 

8) In der BasU XIII fohlt jetst Nr. 11. 

4) Jüngere Abschriften ron J-L. 8018 and 8620 befinden sieh noch in Buta 
XVI Nr. 18. 


Papsturkunden in Padova, Ferrara und Bologna. 361 

Hadrian IV. 1158 I. 10. J-L. 10378. Cop. v. 1219 (BustaXin 

Nr. 19). 
Lucios m. 1184 X. 1. J-L. — . Cop. v. 1279 ßusta XIII 

Nr. 12). S. Anhang. 
Clemens HL. 1190 m. 6. J-L. — . Cop. s. Xm (BustaXLIV 

Nr. 1). S. Anhang. 

Copialbuch : 

Liber privilegiarum ecdesiae Ferrariensis , cod. membr. in fol. 
saec. XVI. in. (ohne Titel), 
f. 3' Victor n. 1055 VI. 26. J-L. 4338. 
f. 5 Alexander U. 1068 VI. 20. J-L. 4650. 
f. 4' Innocenz U. 1139 V. 23. J-L. 8033. 
f. 2 Hadrian IV. 1158 L 10. J-L. 10378. 
f. 1 Alexander HI. — J-L. 12945 '). 
f. 5 Urban m. 1186 IV. 22. J-L. 15590. 
f. 4 Gregor VHI. 1187 XI. 19. J-L. — . S. Anhang. 

Archivio delia Cancellaria arcivescovile. 

Von dem alten Archiv der Bischöfe von Ferrara ist in Fer- 
rara so gut wie nichts mehr vorhanden. Die für die territoriale 
Gewalt der Bischöfe so wichtigen päpstlichen Privilegien sind, wie 
es scheint, theils schon früh in das Archiv der Commune von Fer- 
rara, die die Gewalt an sich gerissen, übergegangen und vermuth* 
lieh von diesem in das Archiv der Este, die übrigen sind in das 
Staatsarchiv zu Modena (Vescovado di Ferrara) gekommen. 

Die Serie dieser Privilegien, die wohl eine diplomatisch-histo- 
rische Untersuchung verdiente, ist folgende: 

Vitalian J-E. f 2102»; Hadrian I. J-E. f 2430; Johann XUI. 
J-L. 3718; Benedict VU. J-L. 3797; Victor U. J-L. 4351; 
Alexander II. J-L. 4651 ; Paschal U. J-L. 6023 ; Innocenz U. 
J-L. 7612, 7641, 8013; Celestinn. J-L. 8515; Lucius H. J-L. 
8520; Alexander IH. J-L. 11614; Gregor VUI. J-L. 16048; 
Clemens m. J-L. 16404; Celestin ITT. J-L. 16842. 

Nur von den beiden jüngsten Urkunden dieser Serie sind die 
Originale auf uns gekommen. Es bezeichnet die Schicksale dieses 
zerrissenen Archivs, daß das Original von Clemens IH. im Archiv 
der Este ist (Archivio ducale segreto im Modeneser Staatsarchiv, 
vgl. Nachr. 1897 S. 242), das von Celestin III. dagegen im Ar- 
chivio del Vescovado di Ferrara in Modena (vgL v. Pflugk-Hart- 


1) Mit der sp&ter nachgetrageosn Daiinmg VtiuUii 3. k ... a. MCLXUJL 


362 P. Kehr, 

tung Iter p. 64). Von den andern Urkunden besitzen wir Copien 
aus den verschiedensten Zeiten teils im Arcbivio del Vescovado 
di Ferrara im Staatsarchiv zu Modena, teils im Kapitelarchiv zu 
Ferrara, teils im Staatsarchiv zu Bologna. 

Besondere Beachtung aber verdienen von dieser mittelbaren 
Ueberlieferung die Versuche, dieses urkundliche Material zusam- 
menzubringen. Der früheste Versuch ist wie ich annehme zu Ende 
des 13. oder zu Anfang des 14. Jahrhunderts gemacht worden. 
Damals sind sechs dieser Privilegien — es sind diese: Hadrian I. 
J-E. t 2430, Paschal 11. J-L. 6023, Innocenz n. J-L. 7612 und 
J-L. 8013, Celestin U. J-L. 8515 , Lucius U. J-L. 8520 — in den 
Liber sivc catastrutn repositum in archivo publica episcopaitts Ferrariae 
eingetragen worden ^). Zum Schaden für die Geschichte von Fer- 
rara scheint dieser Band verloren zu sein. Aber er ist teils direct 
teils indirect oft benutzt worden. Zunächst sind im Jahre 1454 
XII. 20 aus ihm diese sechs Privilegien noch einmal durch einen 
Notariatsakt authentizirt worden. Auch dieses Transsumt von 1454 
ist nicht direct erhalten. Aber es ist einmal von Priscianus Pe- 
regrinus in seinen Historien und in seinen CoUectaneen (s. unten), 
ferner von dem Autor der Privileggi antichi und von Bernardi be- 
nutzt worden, dann aber noch zweimal notariell transsumirt wor- 
den, das erste Mal 1471 IV. 30 (Modena: Vescovado di Ferrara), 
das andere Mal 1474 IV. 27 im Catasticum S der Mensa arcives- 
covile zu Ferrara. Vollständigere Sammlungen der Ferrareser 
Privilegien besitzen wir in des schon erwähnten Priscianus Pere- 
grinus Historien und CoUectaneen und in dem weiter unten zu be- 
sprechenden Heft der Privileggi antichi der Cancellaria arcivescovile. 
Auf eben diesen Quellen beruhen auch Scalabrinis Sammlungen. 


Ein Index von 1631 Ärchivii s. Ferrariensis ecclesiae . . . index 
universalis ist vorhanden, er bestätigt, daß die alten Bestände schon 
damals verloren waren. Es fand sich in den Akten nur ein im 
Index f. 71 citirtes Papierheft s. XVI mit dem Titel Scritture di-- 
verse non episcopcUus tom. 88. Hier steht als einzige Urkunde 
Vitalian s. d. J-E. f 2102\ 

In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat dies ver- 
wüstete Archiv aber einen wichtigen Zuwachs bekommen. 


1) Und zwar vor 1309. Dean von Hadriaa I. J-E. f 2430 haben wir bereit« 
ein Notariatainstrument ans diesem Jahre, das entnommen ist ex acripimris com- 
munis Ferrarie et in libro archivi publici ipsius communis Ferrariae (Venedig 
Staatsarchiv Bolle ed atti I, vgl. Nachr. 1896 S. 281). 


Papstarkunden in Padova, Ferrara und Bologna. 363 

Unter dem 22. November 1734 dedizirte laat Vorrede Fran- 
cesco Estense Tassoni dem Cardinal von Ferrara das gleich zu 
besprechende MS. Privileggi antichi e varie altre authentiche per- 
game sciolte. Er gibt von diesen Pergamenen am Schlüsse jenes 
MS. ein Verzeichnis. Zugleich bemerkt er noch, daß er schon 
früher die Ehre gehabt habe di offerire all' Eminenza Vostra al- 
cune carte antiche tratte dall' archivio mio ^). In der That fand ich 
nach langem Suchen in der Ecke eines Archivschrankes einen Stoß 
alter Pergamene, von denen es sich sogleich ergab, daß sie die 
Schätze Tassonis seien. Es sind meist Privaturkunden für Fer- 
rara, Nonantola, S. Salvatore zu Pavia und Melara. Auch Scala- 
brini hat sie gekannt und copiert, die wichtigsten hat er Muratori 
mitgetheilt, der sie ex pergameni's Ferrariensibus publizirt hat. 
Darunter ist das Placitum des Bischofs Retald von Verona von 
820 III. 30 in Cop. s. X (Muratori Antiq. I 462), die Urkunde der 
Kaiserin Adelheid für S. Salvator zu Pavia in Copien s. XII und 
Xm (Muratori n 172) «), die Diplome Konrads n. St. 1921 in Cop. 
s. XTT und Heinrichs IV. St. 2799 in Cop. s. XII, das Original 
von Heinrich V. St. 3139 mit der wie ich denke eigenhändigen 
Unterschrift des Kaisers. Femer zwei Papsturkunden 

Hadrian U. 870 J-E. — . Cop. s. XII»). 

Anastasius IV. s. d. J-L. — , Cop. s. XII. S. Anhang. 

Das MS. Privileggi antichi diversi conceduti dai sommi pontefici 
ai vescavi di Ferrara e confini deUa diocesi, cod. chart. saec. XV 
ex. enthält 

f. 9 Hadrian I. 780 HI. 9. J-E. f 2430. 

f. 25' Johann Xm. 967 IV. 2B. J-L. 3718. 

f. 11' Benedict VU. 978 IV. 22. J-L. 3797. 

f. 17 Victor n. lOBB XI. 8. J-L. 4351. 

f. 30 Alexander U. s. d. J-L. 4651. 

f. 12' Paschal H. 1106 IV. 8. J-L. 6023. 

f. 13' Innocenz H. 1133 HI. 11. J-L. 7612. 

f. 13 Innocenz U. (1133—34) IX. 30. J-L. 7641. 

f. 14' Innocenz n. 1139 IV. 22. J-L. 8013. 

f. 18 Celestin H. 1144 HI. 6. J-L. 8515. 

f. 20 Lucius n. 1144 IH. 15. J-L. 8520. 

f. 8 Alexander HL 1169 IV. 17. J-L. 11614. 


1) D.h. aus dem Archiv der Marchesi Estense Tassoni. 

2) Eine Copie s. tl auch im Kapitelarehiv (BosU LV Nr. 1). 

8) Qedr. Nachr. 1897 S. 198 Nr. 1 ex Cop. s. XII Bayenna Archivio ard- 
vitooTile. Doch hat das Ferrareser Stück erhebliche Abweichnngen. 

KfL 0«. 4. W. VMkrlfllitaiL PUlol«ff.-kkl«. XImm. IM. H«A I. 25 


I 


f. 8' Gregor Vm, 1187 XI. 11. J-L. 16048. 

f. 31 Clemens HI. 1189 IV. 20. J-L. 16404 inser. in Nico- 

kws Y. 1447. 
f. 11 Celestiu m. 1192 HI. 26. J-L. 16842 *). 

ArohivJQ dQlk^ llenaa «rcivesoovUe. 

HXex be&idet ^ich die Serie der Catastioi, die Livelli yqb 1438 
^li) enthaltend, 43 Fergamentbl^nde in Foiio, woz^ noch verschie- 
dene Bäi(ide Jura kommen. Sie 8in4 signirt f. A — ^. 4^A, — ZZ. 
Im Catoßtro M stehen am S^h^v^ jüngere Bullen, darunter 

l 233 Clement lU, 1189 lY. 2fX J-L. 16i404 inse^ in 
Nicolaus Y. 1447. 
Im Cotmtro S (1456—1464) beginnt mit f. 161 die Reihe der 
6 Ferrareser Privilegien, die mittelbar dem verlorenen 
Liber sive catastrum repositum in arch^vo publico episoo- 
patiAS Jj^errariensis entnommen sind 
f. 161 Hadrian I. 780 JH. 9. J-JEl f 2430. 
f. 161' Paschal IL 1105 lY. 8. J-L. 6023. 
f, 16V Innocenz H. U83 HI. 11. J-L, 7612. 
f, 162/ Innocenz U. 113» lY. 22. J-K 8013. 
' f. 164 Celeatin 11, 1144 UI. 6. J-L. 8516. 
f. 165 I^cius II. 1144 m. 15. J-L. 85«). 


dei residui beni ecciesfastici. 

In diesem bei der Amministrazione della Mensa di Ravenna 
befindlichen Archiv sind die archivaliscben Reste der aufgehobenen 
Klöster von Ferrara untergebracht. Aber es sind meist jüngere 
Akten , da die älteren Urkunden bei der Aufhebung der Kloster 
nach Mailand transportirt wurden ; sie sind wie es scheint fast 
sämtlich verloren gegangen. Es sind insbesondere die Archive 
von S. Benedetto di Ferrara, dessen Pergamene mit 986 beginnen 
und dem das Archiv von 8. Maria in Pomposa einverleibt war, 
von S. Giorgio, von S. Bartotomeo in Borge, von S. Silvestro und 
von S. Maria in Yado. Einen Ersatz für diese Yerluste bieten 
uns die oben beschriebenen Manuscrij^te Scalabrinis , der jene Ar- 
chive noch in ihrem alten Zustand hat benutzen können. 

Noch vorhanden ist der ausführliche Index von 3- l^ria Pom- 
posa aus dem vorigen Jahrhundert unter dem Titel Qhartae archivi 
Pomposiani. Aus ihm läßt sich der damalige Bestand der Papst- 
urkunden leicht ermitteln. Es waren noch vorfanden 


1> ¥00 f. aA ab beginnen die KaiierarkBiideii Karls IV., Friedrichs U., 
ridu YL, Philipps, Otto lY., RadoUs. 


Papstarkanden in Pa4V9i Fapran and Bologna. 305 

Beqedioi VHI, IQia YH. 6. J-I<. 9999. 

Benedict Vm. 1022 Vn. J-L. 4041 mit ^iiUe Benedicts Xn. 

Leo IX. 1052 m. 18. J-L. 4268 (in Copie s. XII des Petras 

Yille de Baoria). 
Celestin H. 1143 XU 16. J-L. 846S. 
Engen EL 1145 IV. 13. J-L. — . 
Hadrian IV. 1155 IV. 9. J-L. 10024. 
Alewadw III. 1160 (Xu. 21). J-L. 10697? (ezemplnm). 
Alexaade» HL 1160 XII. 21. J-L. 10639. 
AlAzandev lü. (1160-1178) L 90. J-L. — . 
Alexander III. 1171 oder 1178 XL dl J-L. — fOr S. Salva- 

tore de Figarolo. 
Lncins HL (1184) XL 27. J-L. — . 

ürban m. 1186 I. 6. J-L. 15515 f^r 8. Salvatore de f^garolo. 
Clemens m. 1188 UL 31. J-L. — för S. Salvatore di Figorolo. 

Femer Exen^ diversemm privil^oram snmmoram pontifi- 
com, id est Pasebalis IL (s. oben), Oalixti (J-L. 7168), Lmocentii 
(8. oben)» Oelestini (J-L. 8959?). 

Arcbivio comunale antieo. 

Nach Merenicl& (s> obei^ SL 359) befand sich Her eistt ein libro 
antieo scritto in carta pecora, worin das Privileg VitaUians. Aber 
sowobl dieses wie den Liber sive catastmm repositnm in arcbivo 
pablico episcopatos Ferrariae haben wir vergeboui gesucht. Jetzt 
sind im Avchiv n«r moderne Oopien, nicht gwu ohne Werth frei- 
lich, weil sie Im «nd da «ine selbstXndige Ueberüefenng reprä- 
sentiren. Sie sind, wie das ao^fikrliehe Rqtertorinm yon 1770 
angibt, okronologiBeh georjbiet in dner fiartlaofnadeD Serie von 
läbri 

Uh. L Nr. 1. Vitalian s. d. J-E. f 2102>. 4 Cüpien s. XVIL 

Nr. 2. Hadrian L 780 HI. 9. J-E. f 2480. 2 Copien s. XVH. 
Nr. 9. Paschal IL 1106 IV. 8. J-L. 6083. 8 Copien s. XVU. 
Nr. 11. Innocenz H. 113» HI. 11. J-L. 7612. 2 Copien 

s. xvn. 

Nr. 13. InniQc^nz |L 1^39 IV. 22. J-L. 8013. Copie s. XVm. 
Nr. 14. Lacios n. 1144 IIL 15. J-L. 8520. Copie s. XVm. 
Nr. 15. Celestin II. 1144 m. 6. J-L. 8515. Copie s. XVUL 
Nr. 16. Alexander IIL 1169 IV. 17. J-L. 11611 Copie 

«. XVIJL 
Nr. 17. Qr^sor Vm. 1187 XJ. 11. J-L. 16(H& CWpie s. 

xvm. 

25* 


366 f. Kehr, 

Nr. 18. Celestin HI. 1192 HL 26. J-L, 16842. Copie s. 

xvnio. 


TTT. Bologna. 

Archivio di stato. 

Vgl. Carlo Malagola in Atti e memorie della R. deputazione 
di storia patria per le provincie di Romagna, ser. III, voL 1, 
fasc. 3. 1883. Ferner y. Pflugk-Harttong Iter p. 6, dessen An- 
gaben aber nicht vollständig sind. 

i. Archivio demanicde. 

Capitolo di S. Pietro (^)«) 

Originale: 
Nr. 29. Alexander IH. 1168 XH. 30. J-L. 11425. 
Nr. 26. Alexander IH. (1160—76) Vm. 6. J-L. 12618. 
Nr. 24. Alexander HI. (1166—79) IV. 9. J-L. 13205. 
Nr. 42. Urban HI. 1187 m. 2. J-L. 15945. 

Copien : 
Nr. 12. 13. Alexander H. 1066 Vni. 18. J-L. 4595». Zwei 
Copien saec. XTT (Nr. 12. 13) und Copie saec. XYI 
(Nr. 12). 

S. Salvatore (5^) 

Nr. 3. Innocenz n. 1136 VUI. 27. J-L. 7787. Orig. 

Nr. 4. Innocenz TL. 1142 TL. 13. J-L. 8345. Orig. 

Nr. 5. Lucins H. 1144 XU. 27. J-L. 8680. Orig. 

Nr. 7. Eugen HI. 1145 XH. 24. J-L. 8809. Orig. 

Nr. 9. Eugen IH. 1150 V. 13. J-L. 9388. Orig. 

Nr. 11. Anastasiua IV. 1154 V. 20. J-L. 9907. Orig. mit 

XIII. hol. iun. 
Nr. 10. Hadrian IV. 1155 HI. 17. J-L. 10020. Orig. 
Nr. 13. Alexander HI. 1177 L 23. J-L. 13012. Orig. 

S. Salvatore {^) 

Nr. 1. Lucius HI. 1182 V. 3. J-L. 14630. Orig. mit V. 
nan. madii. 


1) AaSerdem sind hier noch Copien von Paschal IL J-L. 6854, Innooeni II. 

J-L. 7699, Gelestin III. J-L. 16917 and mehrerer Eniserorkanden. 

S60 

2) Hier ist anter ^^ nach eine Copie des Lihro d'Asse des EApiteUrchin 

TOD 1700. 


Pspstarknnden in Padova, Femra and Bologna. 367 

Nr. 2. Lucius HI. (1185) V. 23. J-L. 15428. Orig. 

Nr. 3. Urban IH. 1186 I. 27. J-L. 15525. Orig. 

Nr. 4. Urban IH. (1186—87) I. 22. J-L. 15773. Orig. 

Nr. 5. Urban HI. (1186—87) L 22. J-L. 15774. Orig. 

Nr. 6. Urban IH. (1186—87) VL 13. J-L. 15874. Orig. 

Nr. 7. Urban HI. (1186—87) VH 15. J-L. 16894. Orig. 

Nr. 8. Clemens IIL 1188 IH. 3. J-L. 16166. Orig. 

Nr. 9. Clemens HI. 1188 IH. 17. J-L. 16177. Orig. ') 

S. Giovanni in Monte (j^). 

Nr, 27. Lucius IH 1183 IV. 22. J-L. 14872. Orig. 
Nr. 38. Urban HI. 1186 VL 3. J-L. 15622. Orig, 
Nr. 46. Gregor VHI. 1187 X. 31.- J-L. 16028. Orig. 

S. Cristina {^f^. 

Alexander HI. 1177 X. 4. J-L. 12947. Orig. 

S. Lucca (5^). 

Celestin JH. 1195 11. 25. J-L. — . Orig. s. Anhang. 
Celestin m. 1195 XI. 17. J-L. — . Orig. Ed. Calindri HI 405. 

S. Lucca (^)- 

Celestin in. 1193 VHL 24. J-L. -. Orig. Ed. Calindri 

m 401. 
Celestin m. 1197 XI. 20. J-L. — . Orig. Ed. Calindri m 406. 

S. Lucca (j^i) ((^) enthält Yerschiedene Copien saec. XllT — 
XVlil der vorausgehenden vier Urkunden Celestins IQ. 

S. Stefano (^ {^). 

Anastasiua IV. 1153 XH. 7. J-L. 9766. Orig. 
Urban HL 1186 IX. 26. J-L. — . Orig. s. Anhang. 


II. Arckivio dd eomune. 

8 Papierblätter saec. XVH (f IIb. I Nr. 3). 
f. 1 Alexander HL (1173—76) V. 23. J-L. 12646. 
f. 1' Celestin m. 1191 VI. 8, J-L. 16717 mit VI. hd iun. 


1) In 8. Salvaton (^) ist unter Nr. 2 citirt Lndnt DL (1183—88) Y. 4. 

J-L. 14766 Orig. (danach r Pflagk-Harttong Acta m 898 Nr. 828). Aber die 
Urlrande war nidit an ihrem Ort 


368 t*^ Ktsh», 

HL Ärehivlo pötUifido. 

Cod. diArtac. sae<i. XVl (N. lib. 2) ,tVöce5stt« »uHwHi üt^ ac 
ea^ d. ducis Feriratiat. 1546^ *). 

f. 95 InnocetiÄ H. 1133 m. 11. J-L. ?612. 
f. 99 Innocenz H. 1139 IV. 22. J-L. 8013. 
f. lOB Celöstin H. 1144 DI. 6. J-L. 8Bl5. 
fc 111 Lücitos n. 1144 m. 18. J-L. 8820. 

Archivio Cliptt«itf6. 

Vgl. Kaltenbranner Wiener SB. XCIV 631, doch sind seine 
Angaben weder erscbopfend noch genaa» t)ie tlrkonden befinden 
sich in der Bosta dei iPrivile^ B. 1. 

Originale: 

Nr. 2. Johiutti Xin. 967 IV. 15. J-L. 3T14 «). 
Nr. 15. Alexander m. 1173 XI. 10. J-L. 12242 «). 
Nr. 13. Alexander m. (1177) V. 6. J-L. 12827. 
Nr. 1«. Lucius tH. (1184-85) Vm. 22. J-L. 16888; 

Oot)i«h : 

Nr. 3. Johann XHL 967 IV. 15. J-L. 3714. Cop. s. XL 

Nr. 9 u. 10. Victor H. 1055 n. 14. J-L. 4337. Äwei Copien 
8. ^it, die eine ist eine genaue Nachzeichnung des Ori- 
ginals und läßt als dessen Schreiber denselben Notar er- 
kennön, der Victor 11. J-L. 4338 schrieb. 

Nt. 12. Honörittß U. 1129 IH. 15. Ji. 7363. Cop. von 1B87. 

Nr. 14. Alexander m. 1168 XQ. 30. J-L. 11425. Drei Oopien 

s. xvm. 

Nr. 17. Urban HI. 1187 HI. 2. J-L. 18946. Drei Obpien s. 

xvn^-xvin. 

Copialbuoh : 

Libro ddle Asse, cod. membr. s. XIII — ^XVI mit dem Titel: 
Libro di diverse bolle e privileggi chiamato il libro dalle Asse *). 
In dem ersten, mo^h im 13» Jahl'h. geschriebenen Theil ste- 
hen die folgenden Urkunden: 


i) f. i Friedriefc IL BF. llBft. 

2) Photographien von Popp! in Bologna. 

8) Der von Kaltenbranner 8. 682 nnvollst&ndig und von Pflttgk-EArtVang Her 
p. 7 genauer beschriebene Liber privikgiorum canomeorum BanatUemium nee. 
JLYlII (€aHol4Ho Ael CUpttolö di 8. Pietro) im AreMvfo di slaio in bölogna, 
ati8 deti v. Pflttgk^HarHiinl in lien ACU Itt «ie UnbekftAHIte SIA^lte {MiUicittt 
hat, ist lediglich eine Copie des Libro delle Ass^ 


Papstnrkimden in PadAT% FIrrua und Bologna. gj^ 

f. 6 Victor n. 1056 H. 14. J-L. 4337. 
f. 4' Alexander H. 1066 Vm. 18. J-L. 4595». 
f. 3' Honorins IL 1129 IH. 15. J-L. 7363. 
f. 6' Alexander lÖ. 1168 itÜ. 30. J-L. 11426. 
f. 18 Alexander HI. (1167—69) XH. 7. J-L. 11464 
f. 2 Alexander HI. (1160—76) Vm. 6. J-L. 12618. 
f. 1' Alexander ni. (ll'74-76) IH. 25. J-L. 12675. 
f. 5' Alexander HI. (1177) V. 6. J-L. 12827. 
f. 6' n. f. 6 Alexander IH. (1177) iX. 25. J-L. 12940. 
f. 2' Alexander HI. (1166—79) IV. 9. J-L. 13205. 
f. 18 Alexander Hl. (1180) V. 2. J-L. 13663. 
f. 2' Alexander HI. (1171—81) IV. 9. J-L. 14280. 
f. 10 Lucius m. (1184—86) VlH. 22. J-L. ib238. 
f. 2' Urban IH. (1186) XI. 12. J-L. 16691. 
f. 16' Urban HI. 1187 m. 2. J-L. 16945. 
f. 16' Urban IIL (1187) m. 2. J-L. 16946. 

ArchMb arclveMovflb ^). 

Vgl. L'archivio generale arcivescovile , desmtto dal sao ar- 
chivista Serafino Am orini, .Bologna 1866. So reidi das Archiv 
an modernen Akten ist, so arm ist es an alten. Für uns kommt 
allein in Betracht 

Aula m detta Sala della Rev. Mensa. Hier eine Busta mit der 
Signatur Lib. A. Bolle e privilegi a 966 — 1293 mit folgenden 
Papstnrknnden in Copien sacc. XVII 

Nr. 1. Johannes Xm. 967 IV. 16. J-L. 3714. 

Nr. 4. Gregor VIL 1074 III. 23. J-L. 4847. 

Nr. 5. Paschal IL 1114 IV^ 30. J-L. 6387 mit IL non. mart. 

Nr. 6. Lucius U. 1144 V. 13. J-L. 8602. 

Nr. 7. Alexander HI. 11700*) IV. 18. J-L. 11768. 

Nr. 9. Alexander IH. 1169 J-L. 11643. 

Nr. 10. Alexander HI. 1177 X. 2. J-L. 12946. 

Nr. 12. Urban HI. 1187 V. 25. J-L. 159«). 

Nr. 13. Urban IE. 1187 VH. B. J-L. 16994. 

Nr. 16. Celestin HI. 1196 L 87. J-L. 17313. 

Nr. 16. Celestin HI. 1197 V. 2. J-L. 17529. 


I) Ueber die Bibliotec« doli' UaiToniU i. t. Pflagk-Harttiaig Itor p. 7. Wir 
flgan hintB die Codd. ConstitstiODes canon. regnl. S. Marien in Porta ■. XII Ced. 
3722 f. »0 und Cod. 2811 f. 79: Paschal U. 1116 XII. 21. J-L. 6688. 


370 P. Kehr, 


Nachtrag zu den Papsturkunden in Venedig. 

(Nachrichten 1896 S. 277 ff.). 

Herr ß. Predelli hat sich von Neuem unsern Dank erwor- 
ben , indem er an der Hand meines Berichtes über die Papst- 
urkunden in Venedig die Nachforschungen fortgesetzt hat. Deren 
Ergebnisse trage ich im Folgenden nach. 

Die Angabe S. 281 Anm. 1 beruht auf falscher Information. 
Es sind nicht 3 Bände Bolle ed atti vorhanden, sondern 33. Ael- 
tere Papsturkunden befinden sich außer in Busta I auch in 

Bolle ed atti della Curia Romana. Busta XXI. 

Originale : 

CaUxt n. (1121) Vn. 24. J-L. 6924 (S. Maria della Cariti) ^). 
Innocenz H. 1141 V. 13. J-L. 8142 (S. Salvatore). 
Eugen in. 1148 Vm. 20. J-L. 9290 (S. Salvatore). 
Alexander m. 1167 I. B. J-L. 11340 (S. Salvatore). 
Alexander m. 1177 VII. 24. J-L. 12890 (S. Salvatore). 
Lucius m. 1182 L 16. J-L. 14569 (S. Salvatore). 
Urban HI. 1186 H. 5. J-L. 15530 (S. Salvatore). 
Gregor Vin. 1187 XI. 16. J-L. 16054 (S. Salvatore). 
Gregor Vm. 1187 XI. 16. J-L. 16055 (S. Salvatore). 
Clemens IH. 1188 HL 28. J-L. 16184 (S. Salvatore). 
Clemens m. 1188 HI. 29. J-L. 16186 (S. Salvatore). 

Copien : 

Anastasius IV. 1154 IV. 6. J-L. 9867 (Fructuaria). Cop. s. 

XII und Cop. s. XV*). 
Alexander m. 1181 m. 21. J-L. 14377 (S. Zaccaria). Cop. 

s. xn. 

Lucius in. 1184 IX. 19. J-L. 15082 (Moggio). Cop. s. XUI. 

Zu S. 279 ist nachzutragen 

Liber commemorialium vol. XIX. 
f. 32 Urban m. 1187 X. 15. J-L. 16004 (Cervia), mit id. ad. 


1) Die noch von Penotti erwähnte Urkunde Innocens n. J-L. 7746 för 8. 
Maria della Caritä scheint verloren za sein. Sie hat sich weder in der Abthei- 
Inng Bolle ed atti noch in dem inzwischen geordneten Archiv von S. Bfaria della 
Caritä (vgl. Nachr. 1896 S. 289) finden lassen. 

2) War ursprünglich in S. Daniele (vgl. Nachr. 1896 8. 289). 


Nachtrag an den Papstorkonden in Venedig. 871 

Museo cMco (Correr) 0- 

Vgl. Bethmaxm im Archiv XII 661. 

Für uns ergaben eine bescheidene Aosbeute die Mannscripte 

1. Capia pnvüegiarutn ei gratiarum concessarum rdigioni cano- 
n%e(mAm reverende congregaiionis Lateranensis , cod. chart. s. 
XVI (Cicogna 242, CoUoc. 160) «). 

f. 12 Anaclet H. 1136 V. 29. J-L. — . S. Anhang, 
f. 1 Celestin n. 1144 IH. 3. J-L. 8510. 

Es werden hier femer mehrere Privilegien citirt, doch nicht 
sicher genng, am bestimmt werden zn können. 

2. Oranica del monastcro dt 8. Salvatore di Veneeia (von Fran- 
ciscns de Gratia), cod. chart. s. XVIU. (Cicogna 2068, Col- 
loc 1876). Sie ist nur eine Copie des Nachr. 1896 S. 287 
besprochenen Codex des Staatsarchivs. Dort sind anch 
die in die Chronik aufgenommenen Papstnrkonden ver- 
zeichnet. 

3. Privüegia dbhatiae s. Zenonis Veronen., cod. chart. s. XVI. 
(Cicogna 2163, Coli. 1375) »). 

f. 25 Urban HI. 1187 X. 13. J-L. 16010. 

4. Privüegi e bolle delV abbajgia di S. Gregorio (Cicogna 3120, 
Colloc. 1661). Ist eine Sammlung von Pergamenen , ins- 
besondere späteren päpstlichen Urkunden. Unter ihnen 

Alexander m. 1177 X. 5. J-L. 12948. Cop. v. 1382*). 


1) Von Dr. Klinkenborg durchgesehen, der dem Yicedirector Cav. Ab. Gin- 
seppe Nicoletti xa Dank verpflichtet ist. 

2) Verwandten Inhalts ist der cod. Cl. IV c. 12 der Marciana, ygl. Nachr. 
1896 S. 801 Nr. 4. 

8) Lant einer Notiz im Codex von L. Bethmann im Februar 1861 benutzt 
4) üeber das verlorene Original s. Nachr. 1896 S. 298. 


ftVB P* t,tht, 


Anhangt). 
1. 

Änaclet IL nimmt nach rfcm Vorgänge Leos IX. tind Paschais 
IL das Etöster S. Maria in Tremiti in den dpostoUsck^ Schuta, be- 
stätigt ihm die Besitgungen Und vefleiht ihm das Recht, sich einen 
Bischof für die bischöflichen Leistungen ßu wählen^ und freie ÄbtswaJd. 

Benevent 1136 Mai 29. 

Copia privilegiorum congregationis Lateranensis f. 12^ M8. s. XVI 
Venedig Museo citfico Correr (A)^ — Copie s. XVI im MS. 482 
p, 378 P^trma Bädioteoa Reale (B). 

Ich gtbe die Urkunde^ die wir bisher nur tms dsH Codices 
der Loiteraikensischtn Oongregation (cU. von PenotH p. €10) ken- 
nen, wegen ihrer Wichtigkeit für das Itinerar Änadets IL Aus 
ihnen läßt sich ein leidlicher Text herstellen ; eine Emendation der 
Namen kann indeß erst nach Feststellung der gesamten Ueberlie- 
ferung für Tremiti erfolgen. — Die im Text angezogene Urkunde 
Leos IX. ist J-L. 4303 (gedr. v. Pflugk • Harttung Ada II 80 
Nr. 114). Die Paschais IL scheint nicht erhalten eu sein. 

Anacletns episcopns. sertrns seraomm dei. Dilecto in Christo 
filio A. abbati monasterii Tremetensis eiusque snccessoribas regu- 
lärem oitam professis in perpetaom salutem et apostolicam bene- 


1) Indem ich im Anhang zum obigen Bericht auch dieses Mal eine Reibe von 
bisher unbekannten Papsturkunden im Wortlaut oder im Regest darbiete, bemerke 
ich ausdrücklich, was ich als etwas ganz Selbstverständliches vorausgesetzt hatta» 
daft diese vorläufigen Publicationea durchaus nicht als endgiltige und kritische 
Editionen im letzten Sinn aufgenommen sein wollen. Wir veröffentlichen diese 
Texte in der Erw&gung, daft es Fachgenossen geben werde, die den Wunsch 
haben möchten, was wir an Neuem finden, auch sogleich kennen zu lernen, und 
die es vorziehen, einen vorläufigen Text, wie wir ihn zunächst bieten können, in 
besitzen statt die neuen Funde in unseren Schränken schlafen zu wissen bis zum 
Tag der kritischen Ausgabe. Dies zur Beruhigung H. BreBlaus. 

Ich freue mich Übrigens aufrichtig des plötzlich erwachten Interesses des 
unter der bewährten Leitung von H. BreBlau stehenden Neuen Archivs (Bd. XXm 
S. 276) an diesen Publicationen, und ich bin glQcklich , auch von dieser Seite 
eine indirecte Förderung unsres Unternehmens zu erfahren. Ich nehme mit Ver- 
gnügen und Dank jede Belehrung an , von welcher Seite und aus welcher Gesin- 
nung sie auch immer komme, selbst wenn sie so völlig jeder sachlichen SubsUos 
entbehrt, wie BretUos angexogeae Note. 


PapBtarknnden in PadbTA, F^rrara und Bologna. 878 

dictitNMiti. Sicat ininsia *> petentibua ntdlos est tribnendns effec- 
tiUy Bio legitinla desiderantium non Bsi differenda petitio. Qtut- 
propteFi dikcte in Christo fili A. abbas^, iustis posttdationibtis 
tnis demeiitiiis annaentes, Tremetense ceiiobiain, coi antmente *> do- 
itaino fo^sidere dignosceris, predecessomm nostroram sancte recor* 
dationis Leonis noni et Pascasii sectmdi Romanonun pontiflcom 
Metigia proseqaentes , in ins et tntelam beati Petri snscipimos et 
presentis piiaUegii pagina commnnimas. Statnimns efgo at qae- 
cofllque predia qoascamqne possessiones legitime possidet et qne 
in f^lttirnm öobcessione pontificum, liberalitate principnm, oblatioüe 
M^lifim ioste ao canonioe potent adipisci, firma tibi tuisque suc^ 
oejssoribns et illibata permaneant. In qoibas hec propriis nomini- 
bos ^ annotanda censmmns : Impriniis in oomitatn Theatino eccle«- 
siam sancte Marie in Fresa cum pertinentüs snid , castellom de 
rino Armari cnm ecdesia sancti Petri et snis pertinentüs, castel* 
lun') de Aqaatdaa cnm ecdesiis et suis pertinenttis'^ oastellnm 
de<^ Tnrrioella et castellnm Planatii^\ tertia pars de castello Li** 
taArii*>> castellnm qnod nocatnr Sparpalia cnm ecdesiis et perti* 
nentiis snis, in oomitatn Termnlaho'^ eedesiam sancti Pauli cnm 
poio et eedesiam sancti Nicolai et aliam ecclesiam *> sancti Nicolai, 
eedesiam stkncti loannis de Montenigro, sancti Silnestri, sancti 
Elenterii cnm snis pertinentüs, castellnm Gnilbonisii'), castellnm 
de Yetrana, castellnm de Campo de abbatissa, ecclesiam sancti 
Yiti cnm snis pertinentüs, eedesiam"*) sancti Qnirici cnm snis per- 
tinentiis**>, in principatu Benenentano ecclesiam sancte Lncie, sancti 
Martini, sancti Nicolai, sancti loannis, sancte Marie de Corneto, 
sancti Nicolai de Sapione, castellnm de Terra, castellnm de Petra 
fiota , eedesiam sancti Andree , sancti Petri in Pnliano , cinitas de 
Mari**^ castellnm Lnna^ de cansa cnm omnibns eomm pertinen- 
tüs, in territorio Ripe alte ecclesiam sancti loannis, sancti An* 
gell, sancti Panthaleonis, sancti Panli, sancti Lanrentü, in terri*- 
torio Lisino '> eedesiam sancte Cmcis et ^^ sancte Marie, sancti An- 
tonü et«> sancti Andree «^ cum pertinentüs eornm, in territorio Ci- 
fdtatis eedesiam sancti Feiids, sancti Symeonis et "^ sancti loannis 
cnm pertinentüs snis^\ in territorio Draconarie*' eedesiam sancti 
AngeU, in territorio Zenie^ eedesiam sancte Marie de Mari cnm 


o) hata B. b) Amiaadab» B. e) asctore Ä. 4) ttAalbtt 6. 

I) oaitsllma--^rtinentii8 fMt in B. f) ds fMt in A p) PlA&atl B. 

K^ Umai B.^ %) Tremalano A, ft) eeölesiam aliasi B, l) OalbottfK ^ 

«^ eeelisiam—p^rtiiKaili« ftMt in Ä. fi) de tfttita ds Mar« B. o) B»aa Jf. 

^ Uslae eccMiaM lanete LMM B, pp) st fMt in B. 9) ei Untftt 

ÄiAtm fMt «n M. r) «SrMi Jf. 9) DMKMSafi^ Ä. f ) d6 ais B. 


874 P. Kehr, 

pertinentiis sniB, ecclesiam sancti Nicholai de Laoris, in terriiorio 
Montis sancti Angeli de Gargano**^ ecclesiam sancte Marie de Ca- 
lena, sancte Marie in Calanella, in cinitate Yesta *) ecclesiam sancti 
loannis, foris ipsam eiuitatem ecclesiam sancti Laorentii, in dai- 
tate Troya ecclesiam sancti Vincentii cnm omnibns earum perti- 
nentiis*'). Decemimns ergo ut nnlli omnino hominom liceat idem 
monasterinm temere perturbare ant eins possessiones anferre nel 
ablatas retinere*^ minnere seu temerariis uexationibus fatigare, 
sed omnia integra conseruentur eornm, pro qaornm snstentatione 
et gnbematione ^^ concessa sunt, nsibns omnimodis profntnra. Crisma, 
olenm sanctum', consecrationes altariom sine basilicarnm, ordina- 
tiones monachorom sine clericornm, qni ad sacros ordines fnerint 
promonendi, a qnocamqne malneritis episcopo accipietis, siqoidem 
catholicus faerit et graciam atque commnnionem apostolice sedi8"> 
habnerit et si ea gratis ^^ et absqne pranitate impendere nolnerit, 
qni ^^ nostra foltns anctoritate qnod postnlatur ^> indnlgeat. Obennte 
antem te eins loci abbate nel tnornm qnolibet snccessomm nnllns 
ibi qnalibet •) snrreptionis astntia sen-^ niolentia preponatnr^, nisi 
qnem fratres commnniter uel^^fratrnm pars consilii sanioris*^ se- 
cnndnm dei timorem et beati Benedicti regnlam eligendnm preni- 
derinto a Romano semper pontifice consecrandnm. Si qnis sane 
impostemm archiepiscopns ant *> episcopns , imperator ant rex, 
princeps ant dnx, comes sine'^ nicecomes, index*") sine marchio ant 
ecclesiastica secnlarisne persona hanc nostre constitntionis paginam 
sdens contra eam temere nenire temptanerit, secnndo tertione com- 
monita, si non satisfactione congma emendanerit, potestatis hono- 
risqne sni dignitate careat**) reamqne se dinino inditio de perpe- 
trata iniqnitate existere*) cognoscat et a sacratissimo corpore ac'^ 
sangnine dei et domini nostri lesn Christi aliena fiat atqne in ex- 
treme examine districte nltioni snbiaceat. Cnnctis antem hec inste 
sernantibns sit pax domini nostri lesn Christi, qnatenns et hie 
frnctnm bone actionis percipiant et apnd districtnm indicem premia 
eteme pacis inneniant. 

Dat. Benenenti Uli. kal. innii incarnationis ^^ dominice anno 
MCXXXVn«>, pontificatns domini Anadeti pape IL*^) anno VII. 


tt) Qargomo B, t) aestra B. w) cum earom pertinentiis omnibtit B. 

x) retinere fehlt in A. y) et gubernatione fekU in A, t) seenndom B. 

a) sedis apostolice B, b) gratiae B, e) qaae B. d) postnletur B. 

e) qaelibet B f) siae B. ff) proponator B. g) commmii consensa B. 

h) senioris B. t) proaiderint AB. h ant ftKU in B. I) ael B. 

m) dox B. n) careat dignitate B. o) existere fthU in B. p) el B. 

S) incarnationis— MGXXXVn fthU in A. r) pont. antem D. N. Anacleti II pape B. 


Papstarkondea in Padova, Ferrara and Bologna. 375 


Eugen HL nimmt die Kirche S. Maria in Vado (in Ferrara) 
unter dem Prior Martin in den apostolischen Schutz^ bestätigt ihr die 
Besitzungen und gewährt ihr das Äuf'nahmerecht und die eventuelle 
Wahl des Bischofs für die bischöflichen Obliegenheiten. 

Brescia 1148 August 25. 

Copie von Scalabrini in Monumenta vetera monasterii Pomposiani 
etc. Quatern, diversorum f. 18' Ferrara BibL comunale Ms. 234. 

Die Abschrift bietet ein verstümmeltes Eschatocoll. Insbeson- 
dere ist die überdies nachgetragene Datierung in dieser Form nicht 
authentisch; doch sind die Angaben ricfUig. 

Engeniua episcopas seraas seraoram deL Dilecto filio Martino 
priori ecclesie sancte Mari^ in Uado eiusqne fratribos tarn presen- 
tibns quam futoris canonicam uitam professis in perpetuom. Pie 

postolatio uolontatis effectu debet prosequente '^ compleri, ut de- 
aotionis sinceritas laudabiliter enitescat et utilitas postolata nires 
indubitanter assomat^^ Eapropter, diiecti in doniino filii, uestris 
postolationibos clementer annuimos et prefatam beate Mari^ eccle- 
siam, in qua dioino mancipati estis obseqoio, sab beati Petri et 
nostra protectione soscipimas et presentis scripti prioilegio com- 
miinimas. Statuentes ut quasconque possessiones et precipue ec- 
clesiam ipsam sancte Mari^ de Uado, in qua domino deseroitisi 
sicat Landoltos bone memoria Ferrariensis episcopas aobis eam 
com pertinentiis sais concessit et scripto conlirmaait, qaecanqae 
bona ipsi spectantia, qa^ nanc possidetia aat in lataram concessione 
pontificam, largitione regom ael principam, oblatione tideliam aat 
aliis iastis modis poteritis adipisci, tirma aobis aestrisqae sacces- 
soribas illibata permaneant. Liceat etiam aobis clericos ael laicos ^> 
libere e secalo fagientes ad conaersionem sine contradictione sasci- 
pere. Oleam sanctam et alia sacramenta ecclesiastica a diocesano 
soscipiatis episcopoi si tarnen catholicaa faerit et gratiam atque 
commanioneni apostolice sedis habaerit eaqae gratis et sine praai- 
täte aolaerit exhibere. Alioqain liceat aobis catholicam qaem ma- 
laeritis adire antistitem. Decernimas ergo at nalli omnino homi- 
nam liceat prefatam locam temere pertarbare aat eias possessiones 
aaferre ael ablatas retinere minaere sea aliqaibas molestiis fati- 
gare, sed omnia integra conseraentar eoram, pro'^ qaoram gaber- 
natione et sastentatione '^ concessa sant, asibos omnimodis prot'a- 

a) eifectam deb. proseqaenter. b) iure adiauante assomatar. c) de* 

ricia ael laicis. d) pro fehU. c) gabernationooi ei sofectionem. 


tora, salna sedis apostolice auc^oritate et diocesani episcopi sta- 
tuta iuatitiet. Si quja. igitur in futurum ecAlesiftstic^ s/^ulj^risue 
persoua haue «oatre constitutionis psigiu^«! ^pie^a ooii^pfk QftiA to^- 
xaei:e ueuiire tempt^uerit» si post aecuA^p t^ircia!;^^ 9<mmoiut^ a^w 
satisfactione cougrua uon emeudaue^it , pote^t^tis^ ho^QriaquQ 9^i 
dignitate careat ream(jue sq diuino iuditio existere de perpetrata 
iniquitate cognoscat et a sacratissimo corpore et sanguine dei et 
domini nostri lesu Christi aliena fiat atque in extremo examine 
districte ultioni subiaceat. Ounctis autem eidem loco sua iura ser- 
uaAtibua sit pa)( domiui nostri lesu Christi, quatenus et hie fmc- 
tum hPA? actioi^s p^rcipiaut et-^ apud districtom ittdicem pi^mia 
$tem$ paeis inueniant, Aman. Amen. 

Dat. Brixi§ VIII. eal. septembris auno (s^lutis) JICXIaVIÜ, 
pontificatus anno IIII^. 


f) et'fehU. 


9. 


JSugen IIJ. mtscheidet die zwischen dem AU Aßo und ^ ^fanden 
des Andreashlosters eu Mantua und dem Arehijfresbjfter \t$^ d^Jgjo^ 
nonikern von Manittß schw^enden SireitißkeUen- 

FerentinQ U5X Mai 7^ 

Csijfie smc. XIII Padtwa Ärehiviß capiklare Tom, XXX J: 3i^ 
verea vßl. I Nr. 4. — Damul^ Brunacci CmI. di]d. FmknK II f. 141J9. 

IHe orthographischen Besonderheiten des HberliefMen 7*<ßx^ 
sind hier wie sonst nicM beachtet, 

^EiUQENIUS episcopus seru^s aerupr^m di&l^ J^tU^ctis ^^fy^ 
Afoju abbati et monachis s^ucti Audre^ Maut.uaAi s^l^t^o^ ^t %|t9^ 
stoUcam benediction,em . Pro controuersiis, qiji; vuA^x MOa et ^^ 
ehipresbiterum et Mautuauos eanp^icips super usu loex^o^is Foniü^ 
cat^ et supejc po^sepsioue ^cclesie sauet^ Mp^ri^ 4^ -P^oji^iAigOM 9^ 
super ecclesiis sa^icti Laureutii [et] sanoti SQjua.tpxi^ et super 4e* 
cimacioue uouajülum predicti uemoris Fornice.t^ supt 4iutiua a|^^%ib^ 
utraque pars nostro se coospeetui preae^utajuit , [iAteoJtipue^ i^** 
gatioues et testatioues suas per prudentes adaec^to^ auffiQifflteJC 
exposuit. Quas primum in presentia uenerabüis £rati;'i;9 uoßtri Qih> 
sidouit'*) Hantuani episeopi plenarie exposuerat, qoi exinde t^atea 
utrimque reeepit 'et dieta testium nobis sub proprio sigillo trans* 

a) Griw. 


Papstarkunden in Pajiqxis F^rrara und Bologna. ^7? 

misit. Qae omnia diligeuteJT audioimas et ii^apeximaa [et] super 
^19 cum iVatribus xiQstv'ia diu et multum cootulimua. üia igitor 
ad pleaum e^amioatis et Qogaitis, libratQ cmmiuia fratrum ^oatro« 
ruiu ex coUacione coiUsUio, aoa et monasteriom uestram a peticione 
canonicormn super ugu «emoris, quem asserebaut ad homine^ dei 
FletoJUs pertiuere^ absoluimus« Fossessionem uero ^cclesi^ dct ^oi« 
xoigosa r onde se caponici per uiolentiam abbatia et monacboaruiu 
sancti Andree ei^pulsos dicebaut, a uohia eis uou esse r#atitueudam 
censemas et a peticione ipsorum super possessiona eius uos relaza-» 
mus, qoia eam possessionem non per uioleutiaui, sed per cwcea* 
aionem Ugonis ^iscopi^) monaste^ium uestruu^ possidere wguooi- 
«aus. InteBtionem eorom de iure decimacionis nouaUnin iam dicti 
uemoris, quam Itulfus episcopus') uobis concessiti et de iure ^ 
clesi^ saucti Laurentii et saucti Saiuatoris, quas suas esse di(^- 
bant, locum neu habere decernimus» sed uos super bis ab ipsorum 
peticione abso^uimas, quoniam eas ad aos pertinere coguouimusi 
boc excepto quod cauQuici iu ecclesiis sancti Laureutii et a^cti 
Saloatoris anuis singulis bactenus perceperont, uidelicet medietatem 
oblacionis ^lesi^ sancti Laurentii in i'estioitate eiusdem et me^ 
dietatem obJlationis fcclesi^ sancti Saluatoris in kal. iau« (^a^ 
abülacioüaes [babeajat de cetero, sicut habere soliti sunt, quQd n 
uestra concessione coguouimus. Fresbiteros uero illarum duaruja 
ecclesiarum ad processiones cauonicorum ire maudamus, sicut iUi^^ 
|l(antua[ni presbiteri] ad easdem processiones eont, et cum iu eis-* 
dem ecc^iis presbyteri fueriut coliocaudi, eos Mantuauo episoopQ 
presentabitis , qai, si ydonei iuerinti iuxta decretum t'elicis memorie 
pape Urbani predecessoris nostri curam eis animarum committat. 
Cetera uero ad dispositionem uestrami sicut äobis ab episcopo 
Mantuano fnit concessum, pertineant. Preterea ipsi canonici pro- 
ponunt, quod in uigilia ascensionis domini soliti sint ad monaste- 
riam uestrum nenire et uesperas decantare et inibi uespertiois lau- 
dibus ad honorem domini decantatis debeat eis ninum et potio 
exiberi, adicientes eciam quod sequenü mane, postquam missarum 
ibi fuerint offitia celebrata, debeatis ipsis conuiuium exibere. Ce- 
terum nos eorum assertionem et uestram contradicionem subtiliter 
attendentes et merita ntriusque partis cognoscentes iudicauimus, 
%% caucgaicis ia uigUia ascensionis domini oinum honesta post can- 


6) fas^ unkemUUd^, 


1) Bifcbof Hugo TOS liantoa ca. 1102—9. 

2) Bischof Hitnlfiu ton Maatna ca. 1007—44. 


378 P. Kehr, 

tatas uesperas tribuatis, a peticione autem conuiuii eiusdem festi- 
uitatis uos absoluimus, qnia conuiuinm ipsnm uos in festiaitate illa 
tantam episcopo dare solere ac ab episcopo uobis remissum esse 
cognouimns. Ad hec super exequiis defanctomm et celebratione 
maioris misse in ipsis exequiis ex auetoritate offitii nostri hoc 
statuendum decernimus ut, si canonici ad ipsas exequias fuerint 
inuitati, ueniant ad monasterium et in maiori choro honeste com* 
morantes pro ipsis defunctis offitia diuina excolant et missam ma- 
iorem in eisdem exequiis defunctorum^> archipresbiter uel aliqnis 
presbiterorum ex canonicis, qui illuc uenerint et ftierint inuitati, 
decantet et ipsi canonici oblacionem, qu^ eis in ipsis exequiis de- 
functorum data fuerit, libere habeant; ceterum siue canonici ad 
cantandam ^ maiorem missam inuitati fuerint uel non abbas uester 
seu aliquis monachorum maiorem missam in ipsis exequiis non aa- 
deat celebrare. Statuimus eciam ut non liceat uobis per uos ad 
domum defunctorum ire , sed cum corpora defunctorum ad uos de- 
feruntur, liberum sit uobis pro foribus monasterii ea recipere et 
presbiteros capellanos uestros usque ad defuncti domum, si fueritis 
inuitati, transmittere. Processiones uero, quas in rogacionibus et 
in dominica palmarum hactenus facere consueuistis , de cetero uos 
omnino facere prohibemus. Si quis autem hanc nostre diffinitionis 
et constitucionis paginam sciens contra eam temere *^ uenire tempta- 
uerit, secundo tercioue commonitus satisfactione congrua errorem 
suum minime correxerit, potestatis honorisque sui dignitate careat 
atque in extremo examine districte ultioni subiaceat et domini dei-^ 
corporis et sanguinis communione priuetur. 

Dat. Ferentini non. mai, indicione XTTTT, incarnacionis dominice 

anno M.C.L.l, pontificatus uero domni Eugenii pape HI. anno 
septimo. 


c) folgt getilgt data fuerit libere habeant. d) catandam. e) folgt 

getilgt ein eweites temere. f) domini dei auf Bctsur und unaicher. 


4. 

Anastasius IV. nimmt das Kloster S. ScUvcUore bei Pavia unter 
dem Abt Cencius nach dem Beispiel seiner Vorgänger Johann ^ Bene^ 
dictj Paschal, Calixt, Honorius, Innocene, Lucius und Eugen in den 
apostolischen Schuts, bestätigt ihm die Besitjmngen ^ freie Abtswahl 
und Consecratiün des Abts durch den Papst, die Wohl des Bischofs 
für die bischöflichen Obliegenheiten, das Taufrecht der dem Kloster go- 


Papstarkunden in Padova, Forrara and Bologna. 379 

hörenden Kirchen ^ die Freiheit vom Zehnten und den Gebrauch der 
Scmdalen und der Mitra. — — 

Copie saec. XII Ferrara Cancellaria arcivescavile, — Danach 
Copie von Scalabrini in Monumenta vetera monasterii Pomposiani etc. 
Quatern. I f. 10 Ferrara Bibl. comunale MS. 23A. 

Quomam sine aer$. 
Die Datierung fehU, 


5. 

Hadrian IV. bestätigt den Kanonikern von Ferrara unter dem 
Archipresbyter Paui nach dem Vorgange Innocene IL die Freiheit von 
Zehnten und die Immunität und verleiht ihnen den apostoliscJien Schutz 
und das Appellationsrecht nach Rom. 

Lateran 1157 Juli 3. 

Notarielle Copie von 1220 Ferrara Archivio capitolare (Busta 
XIII Nr. 8). 

Als Vorlage diente das hie und da wörtlich wiederliolte Pri- 
vileg Innocenz IL J-L. 8033. — Die Copie gibt die originalen 
Charaktere nicht übel wieder. 

ADBIANüS episcopas seraus seruoram dei. Dilecto filio 
Paolo connentas Ferrariensis archipresbytero salntem et aposto- 
licam benedictionem. Apostolice sedis moderamini et clemencie 

congmit, denotos et homiles sacrosancte ecclesie Romane filios 
propensius confovere^^ et in suis iustis petitionibus attentius ex- 
audire. Eapropter, dilecte in domino tili Paule archipresbyter, 
tois iustis postulationibus clementer annuimus et quicquid per bone 
memorie Landulfum quondam Ferrariensem episcopum de ecclesüs 
oblationibus decimis ac primiciis a laicis excussum est, ad instar 
felicis recordationis INXOCENCU pape predecessoris nostri col- 
laudanteSy statuimus ut nullus deinceps clericus de Ferrariensi con- 
aentu de patrimonüs suis uel ecclesiasticis possessionibus siue la- 
boribus decimas ulli cogatur persoluere laicorum. Quicquid etiam 
de missis maioribus et exequüs mortuorum per eundem L. Fer- 
rariensem episcopupi canonice statutum^^ est et pacifice possides, 
tibi tuisque successoribus confirmamus, inuiolabiliter santientes om-' 
nes clericos de conuentu Ferrariensi iuxta mundiburdum recolende 


a) conuere. 5) Btatom. 

KgL Q«. 4. W. HMbMIia. PkUolog.-kiitor. Umn 1897. Htfl S. 26 


380 P- Kehr, 

memorie Ottonis imperatoris inmimes esse ab omni tributo sine 
datione et laicali penitns fanctione. Preterea personam tuam cum 
bonis tarn ecclesiasticis quam mundanis, qne impresentiarom inste 
et canonice possides aat in fatamm prestante domino rationabiliter 
poteris adipisci; sab beati Petri et nostra protectione sascipimus 
et presentis scripti patrocinio comnnimas , statnentes nt, si te uel 
aliqaem de prefato connentu in aliquo grauari presenseris, libere 
tibi liceat sedem apostolicam appellare. Nolli ergo onmino homi- 
num fas sit hanc paginam nostre confirmationis et protectionis in- 
fringere nel ei aliqaatenns contraire. Si qua aero ecdesiastica 
secolarisue persona hanc nostre confirmationis et protectionis pa- 
ginam sciens contra eam temere nenire temptauerit, secondo ter- 
cione commonita, nisi reatum snnm congrua satisfactione correxe- 
rit, potestatis bonorisque sni dignitate careat reamque se diuino 
iudicio existere de perpetrata iniqoitate cognoscat et a sacratis- 
simo corpore ac sangoine dei et domini redemptoris nostri lesii 
Christi aliena fiat atque in extremo examine districte oltioni sab- 
iaceat. Seroantibus antem sit pax domini nostri lesu Christi, qna- 
tinus et hie fructnm bone actionis percipiant et apnd districtnm 
iudicem premia eterne pacis inueniant. Amen. Amen. Amen. 

B.. Ego Adrianns catbolice ecclesie episcopos ss. BV. 
t Ego Gregorins Sabinensis episcopus ss. 
f Ego Habaldus presbyter cardinalis titoli sancte Praxedis^) ss. 
f Ego Manfredas presbyter cardinalis tituli sancte Sabine ss. 
f Ego Inlius presbyter cardinalis tituli sancti Marcelli ss. 
f Ego Habaldus presbyter cardinalis tituli sancte f in Terusalem ss. 
t Ego Berardus*^^ presbyter cardinalis tituli sancti Clementis ss. 

t Ego Gerardus presbyter cardinalis tituli sancti Stephani in Celio 

monte ss. 
t Ego lohannes presbyter cardinalis sanctorum lohannis et P(auli) 

tituli Pamachii ss. 
f Ego Ildeprandus presbyter cardinalis basilice XII apostolorum ss.*> 
t Ego Odo diaconas cardinalis sancti Georgii ad aelom 
aureum ss. 

f Ego lohannes diaconus cardinalis sanctorum Sergii 
et Bachi-^ ss. 


o) Prexedif. d) ttaU Beraardas. e) Die üntersdkrifi f Bgo Ddi- 

brandos— 88. hat der cqpierende Notar noch einmal unter der Datierung wieder^ 
holt. f) Brachü. 


Papsturkonden in Padova, Ferrara and Bologna. 381 

Dat. Laterani per manum Rolandi sancte Romane ecclesie pres- 
byteri cardinalis et cancellarii, V. non. iul. , indictione V, incama- 
tionis dominice anno M® . C . L . VII , pontificatus nero domni 
ADRIANI pape TTTL anno tertio. 


6. 

Alexander III. verleiht den Kanonikern von Ferrara das Recht^ 
bei den Exequien sowohl in Gegenwart wie in Abwesenheit des Bi- 
schofs am Hochaltar Messe eu hauen, 

Anagni Mai 30. 

Orig. Terrara Archivio capitolare (Busta XIV Nr. 8). — Copie 
von Scalabrini in Notieie istoriche del capitoh deUa s. chiesa di Fer- 
rara f. 14 und in Copie di scrüture estratte dalV archivio dd capitcto 
di Ferrara Quatem. III f. 9' Ferrara Bibl. comunale Ms. 229. 232. 

Dem Ausstellungsort nach kann das Stück angehören den 
Jahren 1160. 1173. 1171. 1176. 

ALEXANDER episcopus seruas semorum dei. Dilectis filiis 
Guidoni arcbipresbytero et canojnicis Ferrariensia ecclesie salatem 
et apostolicam benedictionem. Licet omninm desideriis, que | ab 
honestate non discrepant, prompta debeamus benignitate annuere ; | 
Ulis tarnen specialius nos in suis iustis peticionibus reco|gnoscimua 
debitoresy qui proprie et principaliter ad dispositionem | sacrosancte 
Romane ecclesie spectare noscuntar et in ipaiua protectione con- 
sijstant. Eapropter, dilecti in domino filii, nestris racionabilibus') 
notis I clemencins annnentes , auctoritate uobis apostolica indulge- 
mus I ut, cum ad exeqnias mortuorum inuitati fueritis, cum epis- 
copo aestrOy qui pro | tempore fuerit, presente maius altare ad di- 
uina celebranda officia bajbeatis. Si autem episcopus uester absens 
fuerit, nichilominus ma|iu8 altare et maiorem missam, sicut tempore 
Land(nlfi) et Grrifonis | quondam Ferrar(iensium) episcopomm^^ ha- 
bnistis, in posterum libere habe|atis. Dat. Anag(nie) m. kal. 

ion. 

fi. 


a) racioniobni Or. h) eponun Or. 


382 P. Kehr, 

7. 

Lucius IIL nimmt nach dem Vorgange Alexanders IL die Ka- 
noniker von Ferrara in den apostolischen Schute^ bestätigt ihnen die 
Besitzungen und gewahrt ihnen Freiheit vom Lnterdiä und andere 

Vorrechte. 

Verona 1184 Oktober 1. 

Notarielle Gopie von 1279 Ferrara Archivio capitolare (Busta 
XIII Nr, 12). — Auch Copie Scalabrinis in Transsunto dei docu- 
m&nti f. 179 Ferrara Bibl. comunale Nr 225. 

Quociens a Dobis petitur. 

Dat. Verone per manum Hagonis sancte Romane ecclesie no- 
tarii, kal. octobr. , indictione tertia, incarnationis dominice anno 
M . C . LXXXTTII, pontificatus uero domini Lucii pape HI. unno TTTT^. 

CardincUe: Theodinus von Porto und Rufina, Theöbcdd von Ostia 
und VeUetri; Johannes von S. Marco, Laborans von 8. Maria in 
Trastevere, Willielm "^ Erebisclwf von Rheims und Cardinal von 8. Sa- 
bina, Hubert von 8. Loreneo in Dankiso, Tandulf von 88. Apostoli; 
Ardicio von 8. Teodoro, Gratian von 88. Cosma e Damiano, 8offred 
von 8. Maria in Via Lata, Alhin von 8. Maria Nuova. 


a) Ybalda8(?) Cop. 


8. 

Lucius III. bestätigt die unter Vermittlung des Bischofs G(erard) 
von Padova und der Richter Manfred und Bonus Johannes zwischen 
den Kanonikern von Padova und dem Abt von 8t. Justinus getroffene 
UAereinkunß. 

Verona (U84—85) August 29. 

Orig. Padova Archivio capitolare Tom. XII: Priväegia vol. I 
Nr. 37. — Die Urkunde steht auch im Liber niger f. 23^ ebenda und 
bei Brunacci Dipl. Patav. II f. 202 Venedig Marciana Gl. X c. 200 
und Cod. dipl. Padov. II f. 1430 Padova Bibl. dd 8eminario. 

LITCIÜS episcopus seruus sernorum dei. Dilectis filiis cano- 
nicis Paduanis salutem et apostolicam benedictionem. Ne | con- 
trouersie, que iudicio sant ael amicabili concordia terminate, itemm 
in recidiue contentijonis scrapulnm dedacantar, commendari debent 
memorie litteramm apostolicoque presidio commn{niri. Cum autem 
inter uos et dilectum filinm nostmm D. abbatem sancti luBtini 


Papsturkimden in Padova, Ferrara nnd Bologna. 383 

super celebranda misisa maiore in eodem cenobio et aliis quibusdam 
ecclesii3 et saper quibusdam decimationibus questio fujisset ali- 
quamdiu agitata, tandem mediantibus uenerabili fratre nostro G. 
episcopo uestro et dilectis filiis Manjfredo et Bono lohanne iud[i- 
cibus] inter uos super bis amicabiliter conuenistis , nos igitur ean- 
dem comlpositionemj sicut rationabiliter facta est et in scriptis au- 
tenticis continetur, auctoritate | apostolica confirmamus et presentis 
scripti pa[trocin]io communimus. Nulli ergo omnino hominum | li- 
ceat hanc paginam nostre confirmationis [inf|ringere uel ei ausu 
temerario contraire. Si | quis autem hoc attemptare presumpserit, 
indignationem omnipotentis dei et beatorum Petri | et Pauli apo- 
stolomm eins se nouerit incursurum. Dat. Yerone IUI, kal. 

septembris. 

B. dep. 


9. 

Urban IIL nimmt die Kanoniker von Padua in seinen Schute 
und bestätigt ihnen die Besitzungen und Zehnten. 

Verona 1186 Mai 6. 
Orig. Padova Ärchivio capitolare tom, XII: Privüegia vol. I 
Nr. 38. 

Das Original ist durch StocTcflecke sehr zerstört. Aber es 
sind mehrere gute Cqpien vorhanden. So eine Copie von 1197 
Padova Arch. capitolare tom. XII: Privilegia vol. 1 Nr. 39, fer- 
ner eine zweite im Liber niger f. 21* (benda. Die Urkunde steht 
auch bei Brunacci Dipl. Patav, II f. 226 Venedig Mardana 
Cl. X c. 200 , im Cod. dipl. Padov. II f. 1434 und bei Gennari 
Baccolta II Nr. 1601. 

Pia postulatio. 

Dat. Yerone per manum Alberti sancte Romane ecclesie pres- 
byteri cardinalis et cancellarii, II. non. madii, indictione quarta, 
incamationis dominice anno M.C.LXXXVI, pontificatus uero do* 
mini TJrbani pape HI. anno primo. 

B. dep. 

Cardinäle: Heinrich von Albano, Paid von Palestrina^ Theobald 
von Ostia und Vdletri; Johannes von 8. Marco ^ Ldborans von S. 
Maria in Trastevere , Pandulf von SS. Apostoli , AJbin von S. Croce 
in Jerusalemme , Mdior von SS. Giovanni e Paolo , Adelard wn S. 
MarceUo ; Gratian von SS. üosma e Damiano , Bobo von S. AngelOf 


884 P. Kehr, 

Ootwrian 9(m 88. Serfius e Bacchus, Soffred ton 8. Maria in 7ia 
lata^ Sciimd von 8. Maria in Particu, Peh^s v(m 8. Niccio m Car* 
cerey Badulf van 8. Qiorgio in Vdabro. 


10. 

Urhan IIL nimmt die Kirche des h. Stephanus in Bologna unter 
dem Abt Bainer nach dem Beispiele seiner Vorgänger Hadrian IV. 
und Alexander IIL in den apostolischen Schute^ bestätigt ihr die 
Begel des h. Benedict und die Besiteungen. 

Verona 1186 8eptemher 26. 
Orig. Bologna Archivio di stato (8. Stefano ^. 

Effecttun iasta postulantibus. 

Dat. Yerone per manum Alberti sancte Bomane ecclesie pres- 
b3rteri cardinalis et cancellarii , VL kal. octubris , indictione V, in- 

camationis dominice anno M.C.LXXX.VI, pontificatus vero do- 
mini TJRBANI pape HI. anno I. 

B. dep. 

Cardinäle : Heinrich von Albano ; Johannes von 8. Marco, Petrus 
de Bona von 8. 8u8anna^ Laborans von 8. Maria in Trastevere, Fan- 
dulf von 88. Apostoli, Albin von 8, Groce in Jerusälemmej Metior von 
88. Giovanni e Paolo, Addard von 8. MarceUo] Jacinihus von S. 
Maria in Cosmedin , Oratian von 88. Cosma e Damiano , Bcbo von 
8. Angelo^ Soff red von 8. Maria in Via lata, Boland von 8. Maria 
in Porticu , Petrus von 8. Nicolo in Carcere , Badulf von 8. Qiorgio 
in Velabro. 

Die Urkunde stimmt überein mit dem Privileg Anastasius 
IV von 1153 XII. 7 (J-L. 9766), das v. Pflugi-HarUung Ada 
III 130 Nr. 123 bekannt gemacht hat. Die hier angtaogenen 
Privilegien Hadrians IV. und Alexanders IIL haben sich dagegen 
nicht erhalten. 


IL 

Vrban III. i^erfUgt unier Hinweis auf die der Kirche 8. Maria 
de Vado (in Ferrara) von seinen Vorgängern gegebenen üivilegien, 
daß insbesondere die Kirche von Ferrara sie durch keine unreckimäfli- 
gen Forderungen belästige. 

Verona (1186) November A9. 


Papstnrkanden in P«dovS| Ferrara und Bologna. 

Unvollständige Copie von Scalabrini in Monwmnta vetera mona- 
sterii Pomposiani etc. Quatern. diversorum f. 19 Ferrara BM. comu-- 
naU MS. 234. 

Looa per regnlaxem. 

Dat. Yerone X. kal. decembr. 


12. 

Urhan IIL benachrichtigt den Bischof und die Kanoniker von 
Padova^ daß die von dem Abt von Praglia im Gtbiet der Kcdhedrai- 
Eirche geplante Kirche erbaut werden dürfe unter Wahrung der Rechte 
des Bischofs und des Kapitels. 

Verona (1186 --87) Juni S3. 

Liber niger f. 22 Padova Ärchivio capitolare. — Brunacci Dipl. 
Patav. II f 229, MS. Venedig Marciana Cl. X c. 200 bietet die Ur- 
kunde nach einer Bestätigungsurhunde Innocens IIL 

Sollicitudines nostre. 

Dat. Verone VIin«> kal. iulü. 


a) VielleiM corr. tw VIII. 


18. 

Crregor VIII. nimmt nach dem Vorgange Alexanders IL und Lu- 
cius III. die Kanoniker von Ferrara in den apostolischen SchutM, be- 
stätigt ihnen die Besitzungen und gewahrt iht^en Freiheit vom Inter- 
dict und andere Vorrechte. 

Bologna 1187 November 19, 

Orig. Ferrara Arehivio capitolare (Busta XIII Nr. 14). — 
Ferner im Liber privilegiorum ecdesicte Ferrariensis f. 4 ebenda und 
bei Scalabrini in Transsunto dei documenti f. 83 und in Copie di 
scritture estratte dalV arehivio del capiMo di Ferrara Quatern. XIV 
f. 8 Ferrara Bibl camunale Ms. 225. 232. 

Qnotiens a nobis petitar. 

Dat. Bononie per mannm Moysi Lateranensis caBonioi vicem 
agentis cancellarii , XTTT. kal. decembr. , indictione sexta, iaoania- 
tionis dominice anno M^.C^.LXXXYII^ pontifioatoa uero domini 
GBEGOBn pape YHI. anno primo. 

B. dqp« 


386 P- Kehr, 

Cardinäle: Paul von Palestrina, Theöbald von Ostia und VeUetri; 
Laborans von S. Maria in Trastevere, Melior von SS. Giovanni e 
Paolo 'j Jadnthus von S, Maria in Cosmedin^ Gratian von SS. Cosma 
e Damiano^ Octavian von SS. Sergius e Bacchus, Badulf von S. Gior- 
gio in Velabro. 

Die Urkunde unederhoU wörtlich die Lucius IIL von 1184 
Oktober 1 (s. Nr. 7). 


14. 

Clemens III. beauftragt den Bischof G(erard) von Padava^ die 
Verwandten des Laien B. eu zwingen , die von diesen der Kirche des 
h. Basilius in Boncaia gewidmete Hufe eurikkzugAen. 

Lateran 1189 Mars 21. 

Liber niger f. 33 Padova Ärchivio capitolare. — Brunacci Cod. 
dipl Padov. II f. 1496 und Getmari Baccolta II Nr. 1680 angdilich 
ex autographo arch. capit. 

Clemens episeopas seruus seraomm dei. Venerabili fratri 6. 
Padnano episcopo salutem et apostolicam benedictionem. Consti- 
tatus in presentia nostra D. presbyter pro se et A. presbytero 
socio suo conquestus est coram nobis quod, cum £. laycus pro 
anime sue et parentum saomm salate mansum pro dotatione ele- 
ricis sancti Basilii in Roncaia^^ in ultima volantate legasset, eo 
sublato de medio parentes eins mansum ipsum ecclesie subtraxerunt 
et reddere contradicunt. Quia igitur uiam uniuerse carnis ingressis 
non debent beneficia subtrahi sed augeri, fratemitati tue per apo- 
stolica scripta mandamus quatinus, si verum est quod asseritur, 
detentores ipsos ad restituendum mansum ecclesie memorate per 
censuram ecclesiasticam , prout iustum fuerit, appeUaeione remota 
compellas. Dat. Laterani XU. kal. aprilis pontificatns nostri 

anno secundo. 


a) Dcndi im Index liest BoncaÜA. 


15. 

Clemens III. nimmt das Nonnenkloster des k. Silvester gu Fer* 
rcura in den apostolischen Schutz, bestätigt ihm die Besit£fungen j inS" 
besondere die Häuser und Weinberge in der StcuU Ferrara^ die Güter 
in Coma Cervinaj Fostaiia, Casalegio und BoneOf die KirAe & Mar^ 


Papstarkanden in PadoTa, Ferrara and Bologna. 387 

garite de Ponclaro und die Kirche der hh. Cosmaa und Damiaf^, ge^ 
währt ihm Freiheit vom Interdict^ das Recht der Septdtur und die 
Wahl der Äebtissin^ die freie Wahl des Bischofs für die Benedictumen 
und Ordinationen und das Aufnahmerecht und bestätigt ihm die Zehnten» 

Lateran 1190 Märe 6. 

Notarielle Copie saec. XIII Ferrara Archivio capitolare (Busta 
XLIV Nr. 1). — Danach Copie Scalabrinis in Copie di scritture 
estratte dalV archivio del capitolo di Ferrara Quatern. X f. 2ff Fer- 
rara Bibl. comunale Ms. 232. 

Prudentibus uirginibus. 

Dat. Lateran! per manum Moysi sancte Romane ecclesie sub- 
diaconi vieem agentis cancellarii, VIII. id. martii, indictione VIII, 
incarnationis dominice anno M^ . C^ . TjXXXX , pontificatus dompni 
Clementis pape III. anno in. 

Cardinäle: Albinus von Albano, Oäavian von Ostia und Veüärij 
Fandulf von SS. ApostoH, Petrus von S. Cecilia^ Jordan von S. Pu- 
denziana^ Johann von S. demente und Bischof von Toscandla^ Johannes 
Felix von S. Susanna *) ; Jacinihus ^> von S. Maria in Cosmedin, Gror 
tian von SS. Cosma e Damiano, Soffred von S. Maria in Via Lata^\ 
Gregor von S> Maria in Porficu^ Johann von S. Teodoro, Bemard 
von S. Maria Nuova, Gregor von S. Maria in Aquiro. 

a) Janacius. h) EBostodos b. Margarite in Tia lata. 


1) Der bisher erst vom 18. Mai 1190 ab nachgewiesen war. 

16. 

Cdestin III. bestätigt dem Prior und den Brüdern der Karthause 
die Besitßungen des Ordens^ das Aufnahmerecht ^ Zehntfreiheit^ TJnoih 
hängigkeit vom Diöeesanbischof Freiheit von weltlicher und geistlicher 
Gerichtsbarkeit f Ungültigkeit edler gegen die Freiheit des Ordens ver- 
stoßender Privilegien und das Wahlrecht. 

Lateran 1192 Juli 9. 

Privüegia ordinis Carthusiensis, cod. membr. s. XV Ferrara Bibl; 
comunale Ms. 199. 

Cit. Le Couteulx III 121. 

Beligiosam nitam gerentibus. 

Dat. Laterani") per manum Egidii sancti Nicholai in carcere 
Tnlliano diaconnm cardinalem^^ VI. idns iulii, indictione deeima, 

a) Lateranen. h) diaconos cardinalis. 

Kffl. Gm. d. WIM. NMhrioktoB. PhUoIog .-Uat«r. KImm 1897. Hfl. S. 27 




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