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Nachrichten
von der ^
EönigL Gesellschaft der Wissenschaften
zu GöttiDgen.
Philologisch • historische Klasse.
WM dem Jahre 1896.
Q-öttingen,
ClommissionsTeriag der Dieterich'schen Yerlagsbucbhsndlang.
1896.
Nachrichten
A2 ^ / ■/ 7
von der — "^
EönigL Gesellschaft der Wissenschaften
zu Göttingen.
Philologisch -historische Klasse*
aus dem Jahre 1896.
Ghöttingen,
CommissioiuTerlag der Dieterich'scben Yerlagsbachbandloog.
1896.
Zq ABvaghosa's Baddhacarita.
Von
Heinrich Lttders.
Vorgelegt yon F. Kielhorn in der Sitcnng yom 16. Norember 1895.
Trotz der erfolgreichen arbeiten Cowells, von Böht-
lingksy Eielhorns, Kerns und Speijers^) bedarf der text
des Baddhacarita, wie er nns in Cowells ausgäbe vorliegt, noch
an mancher stelle der kritischen herstellnng. Bei der Wichtig-
keit des textes wird man es mir nicht verübeln, wenn auch ich
im folgenden als einen kleinen beitrag dazu das veröffentliche,
was ich bei wiederholter lektüre des Werkes im laufe des letzten
Jahres gefonden and mit einiger Sicherheit als verbesserang za
bezeichnen wage. Ich fiige außerdem einige bemerkungen hinzu,
die, wie ich glaube, zeigen werden, daß der text auch nach ab-
Streichung der von Leumann, Wiener Zeitschr. f . £. d. M. YII,
193 ff., nachgewiesenen zusätze von interpolationen noch nicht frei
ist. Auf die englische Übersetzung Cowells bin ich nur in soweit
eingegangen, als sie für den text in betracht kommt.
Dem beispiele Kielhoms und Speijers folgend, habe ich auch
des öfteren Beals Übersetzung der chinesischen version des Bud-
dhacarita in den Sacred Books zur stütze meiner aus dem Sans-
krit selbst gewonnenen Vermutungen herangezogen. Man findet
bei einer vergleichung , wie zuerst Kielhorn bemerkte, daß häufig
trotz völliger Verschiedenheit des sinnes die einzelnen worte des
Sanskrittextes im chinesischen wiederkehren, und es ist daher mei-
nes erachtena berechtigt, da wo eine durch konjektur gewonnene
1) 8. die Tollstiiidsge EOMaaiieostelliuig bei Speijer, VenlAgeo en Mededee-
Hngen der KeidiiklJljke Akadenie tmi WetenseluippeD , Afdeellag Letterkonde,
ZU Beeki, Deel XL Amsterdam 1895.
CgL 8«. 4. W. VadakfctaB. ndtolfg.-fttaUr. Umm. UM. Haft 1. 1
i
Nachrichten
von der ---'
Eönigl. Gesellschaft der Wissenschaften
zu Göttingen.
Philologisch- historische Klasse.
ans dem Jahre 1896.
G-Öttingen.
ComnÜBsioDSTerlag der Dieterich'scbeo Yerlagsbacbbandlaojp.
1896.
4 HeiDrich Lüders,
Die erste zeile hat verschiedene erklärnngen gefunden. Weder
Cowells text ond Übersetzung noch Speijers verschlag befriedigen
mich. Auch Wenzels auf der tibetischen Übersetzung beruhende
ändemng vyavahära&uddham kann kaum richtig sein. Ich schließe
mich Max Müller xmd von Böhtlingk an, die vyavahäralabdham
lesen, nnd übersetze in ihrem sinne: „er genoß das glück, das im
weltlichen leben erworben wird". Die zweite zeile: „he did not
so highly valne sacrifice", kann unmöglich richtig sein. Speijers
konjektur yathä tarn für yathävat hängt mit seiner herstellung der
ersten zeile zusammen. Ich lese vimene: „und ebenso schätzte er
auch das opfer, wie es sich gehört, nicht gering" ^). Es wird also
in den beiden zeilen gesagt, daß der könig in gebührender weise
seine weltlichen zwecke verfolgte und seine religiösen pflichten
erfüllte, dem artha und dem dharma oblag. Allerdings ist das
Simplex viman in der bedeutung „verachten« bisher im P. W. nur
im p. p. p. belegt. Ich glaube aber, daß wir Asvagho^a, besonders
hier, wo er seine gelehrsamkeit entfaltet, den gebrauch des me-
diums ganz gut zutrauen dürfen^.
n, 43. — yaiafhsi hat hier das beiwort gunagandhavanti, „re-
dolent with the fragrance of virtue". Ich würde gunagarhha-
vanti lesen. Vgl. umgekehrt sagarbhdh für sagandhah in 11, 21.
lU, 14. — iah srctstakMcigunavighnüaS ca
suptaprdbuddhdkulalocanaS ca \
vrUantavinyastavibha^anas ca
katdühalenapi bhrtah parJyuh ||
Jeder wird fühlen, daß das api hier nicht richtig sein kann.
Ich lese kautühalenanibhrtah j „aufgeregt vor neugierde". Vgl.
die im P. W.* angeführten stellen.
m, 19. — Ich würde upOsüa in parasparopOsitakundalani durch
upairita ersetzen.
m, 60. — amsetia samSli^a ca havarOgram
provaca nihrodavata svarena \\
Daß der prinz bei dieser gelegenheit „mit lauter stimme''
sprechen soll, ist kaum denkbar. In der Schilderung der gleichen
Situation in vers 46 heißt es: provaca kimcin mfduna svarena. Ich
lese na hrädavatä. Die chin. übers. (249) drückt dasselbe aus:
„with bated breath and struggling accents, stammered thns". Der
1) Vgl. vijigäya statt hi jigäya in I, 28.
2) Ich erinnere an t mit parä nnd gam mit proH nnd pari, die ebenfklls von
Aivaghosa in bisher nnbelegten bedentongen gebraucht werden. Bei dem letzten
Worte liegt die sache genau so wie bei man mit vi (s. bem. zu V, 78).
lu Aiyaghofa's Buddhacarita. 5
chin. Übersetzer hat ofPenbar anch aiigena statt athsena gelesen:
iihis body bent apon the ehariot leaning-board (248)^.
rV, 14. — Es erscheint mir zweifellos, daß vä statt vo zu
lesen ist.
IV, 16. — pura hi Kaüsundaryä veSavadhvä mahan rfih \
tadito ^bhüt padanyOsad durdhar^o daivaiair api \\
Der ablativ padanyOsad ist hier nicht am platze. Aoßerdem
vermißt man den namen des r$i. Die Hss. CD lesen padübhyosa ;
ich verbessere das znpadä Vyäso.
lY, 26. — tu bhnibhih prek^itair bhavair Juisitair hlitair gaiaih \
cakrur äk^pihäs ce^ta hhTtabhUä ivaiiganoh H
Die Sndernng von bhävair zn hävair ist schon bemerkt. Co-
well übersetzt die letzte zeile : ,,like women atterly terrifled^. Aber
firanen benehmen sich in der höchsten forcht doch nicht in der be-
schriebenen weise. Es ist hhJtäbhUä zn lesen: furchtsam nnd
doch wieder nicht furchtsam , also schüchtern. A^vagho^a be-
schreibt in vers 24 — ^26 das benehmen der franen mit großer knnst :
Aufgestachelt durch Udäyins rede raffen sie sich auf, den prinzen
zu gewinnen (24). Ihre ersten versuche sind indessen noch schüch*
tem (26). Aber eingedenk des befehles des konigs und von liebe
ergriffen, geben sie schnell ihre Schüchternheit auf (26).
lY, 89. — Ich würde hy asaikvignah statt *py asa$hvignah le-
sen. Zur Verwechslung von p und h s. bem. zu IX, 66.
lY, 102. — iaiah purodyanagatäth janahiyofh
nirtk^a sayam praHsafhhrUXuh punah \
,,Having thus seen the beauty of the troop of women who had
gone out to the city-garden, now withdrawn in the evening*.
Dem sinne nach ist das gewiß richtig, aber Jana heißt nicht ;, troop
of women^. Ich lese purodyänagataüganäsriyam. Die chines.
übers. (320) hat: „the women all retuming home*.
V, 4. — salilannivikarasfi^amargaih vastidhäm übersetzt Cowell :
„a piece of land . . . with the path of the plough broken like waves
on the water ^. vikära kann aber nicht die ihm hier zugewiesene
bedeutung haben. Ich lese salilorminikäia s^amärgMi; vgL V, 9
vaidOryanikäSadädvalayäm^). v und n sind oft vertauscht; r steht
für 8, das von ä nicht geschieden wird, auch V, 24 {rMijiüir CD)
und auch wohl XTT, 42, wo Speijer cörayanti statt vasayanti liest.
V, 12. — Statt araso würde ich, da t? und r auch sonst ver-
wechselt werden, avaSo lesen, avaäa ist ein UebUngswort Aiva-
gho9a*s; vgL besonders YI, 44.
1) So würde ich mit CD leson; Tgi. I, 86.
6 Heinrich Lüders,
V, 22. — tata Indrasamo jitendriyai ca
praviviJc^h paramäham aruroha
parivartya janath tv avek^amanas
tata eväbhimatam vanam na bheje ||
Im ersten halbvers liest Kielhorn zweifellos richtig puram a-
Svam, Den zweiten halbvers übersetzt Cowell: „and having made
him turn back as he looked for his friends, from that moment he
sought no more the desired forest". Das kann nicht richtig sein.
Ich lese parivärajanam tv apek^amanas: „Der prinz bestieg sein
roß, um nach der stadt zurückzukehren ; nur aus scheu vor seinem
gefolge wandte er sich nicht gleich von dort aus nach dem walde,
nach dem er verlangte*^. Der wald ist hier natürlich, wie gleich
im folgenden verse, der büßerwald, nicht das lustwäldchen.
V, 25. — ^utaväfhs ca hi nirvrteti iahdam
parinirvänavidhau matim cdkära \\
Das ca ist hier unverständlich. Es ist srutavän sa zu lesen.
V, 36 und 37. — tyaja buddhim imöm gaiipravrttam
avdhüsyo Himanorathakramc^ ca ||
„Abandon this idea beut upon departure; extravagant desires
are only ridiculous". Wenn das richtig wäre, müßte wenigstens
hi für ca ipi texte stehn; das ca ist so ganz unerklärlich, krama
erscheint außerdem ganz überflüssig.
atha Merugnrur gurum hahhose
yadi nasti krama e^a ndsti varyah |
Cowell übersetzt die zweite zeile : „If this is impossible, then
this course of mine is not to be hindered". Hier hätte krama also
eine ganz andere bedeutung als unmittelbar vorher ; und bei nasti
wäre das subjekt „die erfüllung des Wunsches" weggelassen. Nun
ist krama ein terminus in der technik des Schauspiels. Im BhÄra»
tiyanätya^ästra 19, 84 wird er als tattvopalabdhir vakyasya definiert,
im Sähityadarpaisia 369 als bhavatattvopaloMhih] im Dasarüpa 1,36
werden zwei erklärungen gegeben: „apare" erklären krama als
bhävujMnam^ während es nach der ansieht des Verfassers selbst
snmcinfyamandptih j „das erlangen dessen, woran man denkt", be-
deutet. Ahnlich muß auch hier, glaube ich, krama „die erfüllung
d<?s Wunsches" bedeuten*). Ich lese Himanoratho ^kramaS ca
und näsmi für das zweite nasti ^, und übersetze: „Grieb diesen
1) Ebenso gebraucht Aävaghosa z.b. II, 82 karkaiä in der in den Wörter-
büchern fehlenden speciellen bodeutung der bühnensprache ; s. die definition Bha-
ratlyanatya«. 24, 26; vgl. auch icUrabhavat IX, 37 (s. bem.), rasäntara III, 61.
2) Ebenso lese ich nasmi für nasti in versXI, 50, der im übrigen von Speyer
hergestellt ist.
zu A«?aghoBa's Buddhacarita. 7'
gedanken auf . . .; ein maßloser wunsch ist lächerlieh mid findet
keine erfullung*. Da aber sprach er . . . zum vater: „Wenn diese
erfullnng nicht möglich ist, dann bin ich nicht znrückznhalten^.
V, 78. — Ich lese niryanam ito für niryanam ato: ;,Wenn
da daher einsiehst, daß dies mein fortgehn von hier nm des dharma
willen zum heile der weit geschieht, so strenge dich an mit deiner
Schnelligkeit und deiner kraft, dn trefSiches roß, zmn eigenen heile
und zum heile der weit", gafn mit pari in der bedeutung „ver-
stehn" ist im Wtb. nur im part. parigata belegt.
YI, 13. — mukutoddiptakarmanafh manim odaya bhasvaram \
„Having taken a brilliant jewel whose effect illumined his
diadem". uddlpta kann nicht active bedeutung haben. Ich lese
nmkufäd dlpta^ : „er nahm ein glänzendes juwel aus seinem diadem".
Vn, 1. — tarn airamarh siddham iva prapede, siddham ist hier
unverständlich. Es ist siddha zu lesen, wie die parallelstelle
VI, 2 zeigt :
viSranta iva yad^) dr§tva hrtdrtha iva cöbhavat.
Der gleiche fehler begegnet auch z. b. 11, 13: svargam iva für
svarga iva.
VJÜL, 5. — Ich würde ivonnatam tarn für ivonnamantam lesen,
tctm als Objekt zu dr§tva kann nicht fehlen.
vn, 36. — Ich lese apayäntam statt apayotam: „Die büßer
folgten dem prinzen wie die großen r^is dem fortziehenden
Dharma". Da der prinz im fortgehn begriffen, aber noch nicht
fort ist, würde sonst der vergleich nicht passen.
vn, 43. — vosas tvaya hlndrasamena sardhath
Brhaspater abhyudayavahaJi syOt \\
Ich lese apy udayavahah. p und bh sind auch z. b. VU, 29;
XTT, BB (s. bem.) verwechselt.
vn, 56. — yatha tu paSyami matis tavai^ä
tasyapi yosyaty avadhüya buddhim \\
„But as I foresee, this purpose of thine will go on further,
after having rejected his theory". Ich bezweifle, daß paAyämi und
yOsyati in dem hier angenommenen sinne gebraucht werden können.
Ich schlage vor, matitk tavai^äm und yäsyasy zu lesen: „So wie
ich aber diese deine absieht erkenne, so wirst du fortgehn, auch
dessen lehre verschmähend". Vgl. umgekehrt -tanayath tor für
-tanayas ta- I, 87. Die erklärung dieser Verwechslungen liefern
wohl die Schreibungen buddhim tu^ buddham tu XII, 19. 21.
1) Nftmlich diramapadam*
8 Ueinrich Lttders,
VULL, 11. — idcah vacas tasya niiamya te janah
sudufiharafh hhaiv üi niScayath yayuh |
„Having heard these words of his those crowds adopted a
most difficult resolve". JchcUu und üi ist hier unübersetzt geblie-
ben , und was ist das für ein schwerer entschluß? Ich lese vi-
smayam: „da erstaunten sie, indem sie sagten: in der tat, höchst
wunderbar^, suduskara kommt in dieser bedeutung im Mahäbh.
und VILL, 77 bei Aävagho§a selbst vor. Ebenso erstaunen (vi-
smayam yayuh) zunächst die frauen, als sie den Sachverhalt er-
fahren; s. Vlll, 50. Die chin. übers. (582) hat: „were oppressed
with thoughts of wondrous beding".
Vm, 46. — Daß im Vordersätze das präsens {gacchait) ge-
braucht sein soll, während im nachsatze das präteritum {abhavat)
steht, halte ich für unmöglich. Außerdem vermißt man das cor-
relativum zu dem folgenden emphatischen Mah (s. 48). Ich halte
es für sicher, daß, durch das tadä veranlaßt, ein Schreiber den ur-
sprünglichen text yato bahir gacchati parthivaimaj e tada zu dem
jetzt in den Hss. vorliegenden texte veränderte. Genau so heißt
es in der entsprechenden stelle V, 82:
vrajati nfpasute gatasvanäs tah
svayam ahhavan vivrtah purah pratolyah.
In 47 will von Böhtlingk yad apramatto statt yadapramatto lesen.
Ich nehme auch hier absichtliche Veränderung aus yato apramatto an.
vm, 63. — mahhe^u vH vedavidhanasamsJcrtau
na äampail paiyati dtk^itoo ubhau \
samari^ hubhuk^ paraio 'jn tatphdlafh
tato ^sya jato mayi dharmamatsara^ \\
CoweU übersetzt diesem texte gemäß. Aber wenn der prinz
nicht einsieht, daß die gatten gemeinsamen anteil an dem opfer
und seinem lohne haben, so kann er seine gattin doch auch nicht
deswegen beneiden. Ich lese s a statt na. sa steht umgekehrt für
na z. b. V, 17 und XIH, 20 {ajasu^ für ajanu^). Ich bemerke noch,
daß das pronomen in allen übrigen versen, die die rede der kö-
nigin enthalten, nicht ein einziges mal fehlt, außer da (in 67 xmd
69), wo die speciellen ausdrücke bhartr oder pitf dafür eintreten.
Vm, 66. — na Jchalv iyath svargasukhaya me spjrha
na taj janasyätmavato ^pi durlabham \
Co well übersetzt die zweite zeile: „nor is that hard for even
common people to win if they are resolute^, und bemerkt daß api
eigentlich hinter janasya stehn sollte, von Böhtlingk will daher
Uidurlahham lesen. Kern ändert '/>» in hi. Aber das alles befrie-
digt nicht; tat kann sich doch nicht auf das nuMiealiiiiim svarga
SU Aivaghota's Buddhaearita. 9
beziehen, nnd man erwartet daß die kSnigin gerade im gegenteil
sagt: „nach dem himmel verlange ich nicht; er ist mir zu hoch;
er ist auch für entschlossene menschen schwer zu erlangen^. Ich
lese daher viyaj für naiaj. viyai wird von Indras himmel , nm
den es sich hier ja handelt , auch m , 20 gebraucht. VgL auch
nayaty für viyaty XTTT, 47, und zur Verwechslung von t und y tär
vat ftir yävat Xu, 117.
VUl, 76. — Lies vrajan drutath.
Vlil, 77. — ahaih punar dharmaratau sute gaie
^mumuksur (Umänam anäimavän iva ||
Die zeile würde, wenn richtig, wegen der elision des a in der
casur für die beurteilnng der metrik von Wichtigkeit sein. Ich
lese mumuhfur und übersetze den ganzen vers: „Höchst wun-
derbar war es, daß Srfijaya nicht starb, als der tod den Suvar-
^ani^thlvin dahin gerafft hatte; ich aber will sterben, da mein
söhn aus liebe zum dharma dahingegangen, wie einer, der seine
Selbstbeherrschung verloren hat".
IX, 37. — kasmäd akäle vanasa/iihiraya/ih me
putrapriyas tcUra bhavän avoeat 1
„Why, in thy affection for thy son, hast thou called my de-
parture to the forest ill-timed?" Allein der könig kann hier nicht
angeredet sein; bhavat ist, wie vers 33 zeigt, der purohita. Ich
lese tatrabhavän: „Wenn es feststeht, daß der tod den men-
schen vom mutterleibe an stündlich droht *), wie konnte dann seine
majestät, wenn er seinen söhn lieb hat, sagen, daß ich zur unzeit
zum büßerwalde gegangen sei*. Ebenso wird, tairabhavat Bamäy.
n, 26, 19 ■) vom vater gebraucht :
üfva vilapantfth täth praväea Baghunandanah \
SUe tatrabhaväfhs tätah pravräjayati mä9h vanam |
IX, 48. — api im vierten päda ist unverständlich. Ich lese
aio vimogho. p und v sind oft verwechselt.
IX, 67. — iai saumya moh^e yadi bhakiir asH.
bJudcHr kann nicht richtig sein. Ich lese saktir. umgekehrt
steht z. b. IX, 19 ^srajair für ^bhujair] vgl. auch benu zu I, 68.
IX, 64. — na me hfamanih MhgaSataih hi darSanank
grahUum avyaktaparafh parähatam \
saihgaiatam giebt Co well durch „which involves a hundred pre-
possessions'' wieder. Aber wenn sa'^ga auch wirklich diese be-
deutung haben sollte, so müßte man doch noch iatasangam erwar-
1) Das ist jedenfalls der sinn des ertten Tentttmmelten halbfenes.
3) Im FW* angeftUirt.
XQ Heinrich Lüden,
ten. Auch Kerns Vorschlag sa'Agavatänh (= smginäfh) sagt mir
nicht zu. Ich würde samiayitam lesen.
IX, 66. — adr^fcUaUvasya sato 'pt kifh tu me
iub/iOSübhe samSayüe Subhe matih \
vrthapi khedo ^pi voArath iubluUmanah
suJchafh na tattve ^pi vigarhitcUmanah ||
„Bnt even thongh I cannot discern the truth, yet still, if good
and evil are doubted , let one's mind be set on the good ; even a
toil in vain is to be chosen by him whose sool is good, while the
man of base sonl has no joy even in the truth^. von Böhtlingk
ändert vrthapi in vrthä hi. Ich lese ^iubhe ^samSayüe und khedo
hi für khedo ^pi: „Aber obwohl ich die Wahrheit^) nicht kenne, so
will ich doch, da über gut und böse kein zweifei herrscht, meinen
sinn auf das gute richten; denn der kämpf selbst um das ver-
kehrte seitens eines guten ist besser als der genuß selbst der
Wahrheit seitens eines bösen^.
X, 19. — taih rüpalaJc^myä ea iamena caiva
dhartnasya nirmänam ivopadi^am \
Für upadiffam, das hier unverständlich ist, schlägt von Böht-
lingk upadrffam vor. Ich lese upavi^f^m: „ihn, der da saß,
wegen der Schönheit seiner gestalt und wegen seiner ruhe gleich-
sam ein bild des Dharma". v und d sind auch sonst verwechselt,
z.b. V, 15. IX, 38.
X, 21. — Daß der f eisen dunkel wie das ohr eines elephanten
genannt werden sollte, halte ich nicht für wahrscheinlich. Ich
lese väranavarnanüe für väranakarnanile, k und t; sind oft ver-
wechselt; vgl. besonders XTTT, 35 ^varnäh für ^karnäh.
X, 22. — prUih parä me hhavatah kulena
kramägata caiva parikfitä ca \
jäta vivakfä suta yü yaJto me
tasmäd ida»h snehavaco nibodha ||
Der dritte pada kann nicht in Ordnung sein. Kern schlägt
sutapo vor. Xch lese vivak^ä tu tayä. vgl. IV, 63:
yasmät tvayi vivak^ä me tayä pranayavattayä.
Ebenso steht närhasi für närhati in Xm, 17, umgekehrt tvaya^
für svayath in V, 38.
XI, 12. — samudravasträm api gäm aväpya
pärafh jig^fanH mdhärnavasya \
lokasya kämair na vitrptir asti
patadbhir ambhobhir ivärnavaeya ||
1) Nimlieb, ob etwM ist oder nicht, s. 68.
zo AtvBghofa's Baddbaoarita. 11.
In der zweiten hälfte des verses fehlt die anknüpfong, und
vifrpti kommt weder bei Ai^vagho^a noch sonst vor. Es ist na
hi trptir zu lesen; vgl. vers 10. Ebenso steht vijigäya in I, 28
für hi jigäya, umgekehrt ä für t? V, 24, II, 39 (s. bem.) u. o.
XI, 30. — tirthaih prayatnair vividhair aväptah
l'^aneua ye näSam iha prayänti \
Niemand erlangt die käma's durch heilige badeplätze ; es ist
tfvraih zu lesen; vgl. I, 74 Hvraih prayatnaih und die chin. übers.
(867): „how painfully do men scheme after wealth".
XI, 40. — yah pittadähena vidahyamanah
SUakriyath bhoga iti vyavasyet \
duhkhapratikaravidhau pravrttah
hd)ne?u kuryot sa hi bhogasathjüam ||
Cowell zieht den dritten päda zum vorhergehenden : „ when he
is only engaged in alleviating pain". Ich lese pravrtteh: „Denn
nur der, der in der fieberglut eine abkühlung als genuß bezeich-
net, dürfte wohl die käma's genüsse nennen, weil sie dazu dienen,
schmerzen zu beseitigen''. Ebenso werden die käma's in XI, 39
duhkhapratikaranimittahhiltah und prattkoravidhau pravrttdh genannt«
XI, 59. — pade tu yasmin na jara na bhXruta
na janma naivoparamo na vodhayah |
Für bhlrtUa haben die Hss. bhfrur. Was in dieser aufzählung
der leiden vermisst wird, ist sicherlich die krankheit; von Böht*
lingk schlägt daher rogahhJt vor, was sich aber nicht mit den über-
lieferten Schriftzügen vereinigen läßt. Kern will bhfr uta lesen,
bemerkt aber selbst, daß uta sonst in der bedeutung „und'' bei
Asvagho^a nicht vorkomme. Ich möchte bhT rujo lesen, was
leicht zu bhfrur entstellt sein kann.
XI, 73. — parivrajantath samudik^a vismito
nrpo 'pi ca prapur imafh giritn vrajan ||
Von Böhtlingk hat den Schluß richtig zu Oirivrajarh herge-
stellt. Für prapur empfiehlt er die konjektur Cowells prüpad an-
zunehmen. Aber dann bleibt doch noch das tmam, das gar nicht
paßt. Ich lese präpa purafh Girivrajath. So erklärt sich die
silbe pu ; das pa von prapa blieb durch ein versehen weg, und ein
späterer Schreiber fügte dann, um das metrum herzustellen, im ein«
Xn, 66. — tatra kecid vyavasyanti mok^ ity api mäninah |
api ist hier völlig unverständlich. Ich lese ity abhimäninah:
„indem sie fälschlich dies für die erlösung halten". Vgl. bem. zu
Vll, 43. Übrigens steht die strophe an der falschen stelle. Das
erste Stadium, aus dem viveka entstanden, ist mit vitarIca verbondeiL
12 Heinrich Laders,
(49), das zweite ist frei von vitarJca^)^ aber mit prüi and suJcha
yerbimden (62), das dritte frei von prfti, aber noch mit sükha ver-
bunden (54). Nun heißt es aber in unserer atrophe, daß einige das
genannte stadiom für die erlösong halten, weil sukha and duhkha
geschwanden sind. Der nnterschied von sukha and duhkha hört
aber erst im vierten stadiam auf (67) ; unsere strophe gehört also
hinter strophe 67. Auch 66 ist nur im anschluß an 64 verständ-
lich; es kann nicht vom steckenbleiben im sukha die rede sein,
wenn eben die abwesenheit von sukha und duhkha erwähnt ist.
68 schließt sich vortrefflich an unsere strophe an. Zu dem allen
kommt, daß in den Hss. CD die strophe zweimal, hinter 64 und
hinter 67, steht und in C überdies an der ersteren stelle einge-
klammert ist.
XTT, 66. — ity upäyas ca mok§a£ ca mayä sarndarSittis tava \
yadi jfiätam yadi ruci yathävat pratipadyaiäm \\
Von Böhtlingk liest mit recht rucir. Aber auch das doppelte
yadi ist sehr auffallend , und das neutrum j^ätam ist ganz uner-
klärlich. Ich lese yadi jätä hrdi rucir: „Mittel und erlösung,
die ich so dargestellt habe, nimm an nach gebühr, wenn du sie im
herzen billigst^, vgl. YII, 66 : tattvamärgam satyäm rucau safhpra-
tipatsyate, und V, 69: hrdi yä mama tu^tir adya jätä, auch IV, 99.
h und y sind auch sonst verwechselt; z. b. 11, 11.
XTTT, 9. — varasva dharmam tyaja mok^adhartnam.
Da Co well übersetzt: „ Folio w thine own duty and abandon
this law of liberation'^, so scheint varasva dharntafh nur ein druck-
fehler für vara svadharmath zu sein. Es ist aber cara svadhar-
mam zu lesen; vgl. 11, 14. c und v sind oft verwechselt.
XTTT, 26. Ich lese vipusphürja für das vapusphürja der Hss.
Die Symmetrie der vier versglieder gestattet weder ha noch ca,
wie von Böhtlingk vorschlägt.
XTTT, 31. — iuddhädhiväsä vibudhar^ayas tu
saddharmasiddhyartham iva pravrttäh |
Märe ^nukampäth manasä pracaJcrur
virägabhävät tu na ro§am %yüh ||
„But the god-sages, the äuddhädhiväsas, being as it were ab-
sorbed in the perfect accomplishment of the good Law, feit only
a pity for Mära in their minds and through their absolute passion-
lessness were unruffled by anger^. Daß saddharmasiddhyartham
ioa pravrttäh die angegebene bedeutung haben kann, bezweifle ich,
1) So fasse ich tadüiyukkm in XII, 52; die zweifei sind nun gelöst (jnatoa
vüarkän).
zo Afyaghosa's Baddhacarita. 18
und das tu im letzten satze kommt nicht zum ansdrack. Ich lese
iväpravrttäh: „Die göttlichen r^is aber fühlten mitleid mit Mära,
gleich als ob ihnen nicht die vollendong des gnten gesetzes am
herzen läge; es war aber nur ihre freiheit von leidenschaften, die
es ihnen nnmöglich machte, zornig zn werden**.
XIV| 6. — hrtveha sujanatsargam punar anyaira ca kritfäh \
atränah khalu loko ^yam paribhramati cakravcU ||
„Having wilfolly rejected the good goides in this life and done
all kinds of actions in varions lives , this world of living beings
roUs on helplessly, like a wheel**. Ich lese svajanotsargam nnd,
des metrams wegen, paribhramyati: „Die menschen weit rollt
htilflos wie ein rad dahin, nachdem sie hier die angehörigen ver-
lassen nnd dann dasselbe in anderen gebarten getan** ^). Zom ge-
danken vgl. besonders IX, 36, wo ich gacchaty statt gacchety
nnd, wie Cowell selbst anf gmnd der tibetischen übersetzong
vorschlägt, jane tyägini (vgl. XI, 46) statt jano yogini lese«
Die angenommenen Schreibfehler sind gewöhnlich.
XIY, 31. — äiayä samabhikrätUä dhäryamä^Mh svakarmdbhih \
labharUe na hy am% bhoktuth pravrddhäny aiucfny
api II
„Rnshing np filled with hope bnt held back by their former
deeds, they try in vain to eat anything large, however impore**.
Ich lese äiapärivatn abhikräntä väryamänäh nnd praviddhäny:
„Denn dicht vor der nahrnng stehend, aber zurückgehalten durch
ihre früheren taten, bekommen jene auch nicht einmal das 'fortge->
worfene xmreine zu essen**. Ebenso hat die chin. übers. (1131.32):
„they seek for food, but cannot findwithaL The refuse ofthe
unclean man they fain would eat, but this is changed and lost**.
Die angenommenen Schreibfehler begegnen auch sonst. Auch diese
Strophe steht an der falschen stelle. Sie gehört vor 30, da sie
sich unmittelbar an 29 anschließt. Strophe 30 enthält die allge«
meine betrachtung über die geburten im pitrloka, die an den schluß
der eigentlichen beschreibung (28. 29. 31) gehört. Ebenso sind die
abschnitte über die geburten in der höUe (11 — 21) und in der
tierweit (22—27) disponiert. Die chin. übers. (1131—1133) zeigt
noch die ursprüngliche reihenfolge.
Xm, 73. — Diese strophe ist meiner ansieht nach eine Inter-
polation. Die folgende liste zeigt die Verteilung der verschiedenen
metren in sarga I — XTTT.
1) Dies wird der sinn des sweiten plda sein , den ioh im übrigen nicht her-
snstellen Termag.
14
Heinrich Lüders,
I, 1. Yamaastha (4b). ')
2-19. Upajati (44).
20. Vasantatilaka (66).
21. 22. üpajati (44).
28. 24. äloka (82).
25. 26. Upajati ^44).
27. Vasantatilaka (66).
' 28—84. üpajati (44).
86—94. Puspitagra (50).
II, 1—65. üpaJÄti (44).
66. Malini (60).
UI, 1—62. Upajati (44).
68. Vamsastha (48).
64. 66. Racira (52).
IV, 1—96. ^loka (82).
97—102. Vamsastha (48).
103. äikharint (68).
V, 1—78. Aapacchandasika (46).
79—87. Puspitagra (60).
VI, 1—56. äloktk (82).
VI, 56— üö. üpajati (44).
66—68. Vamsastha (48).
VII, 1—67. üpajati (44).
58. Aparavaktra (46).
VIII, 1—80. Vamtastha (48).
81—87. Puspitagra (60).
IX, 1—70. üpajati (44).
71. 72. Praharsinl (62).
X, 1-89. Up8jati'(44).
40. Vamsastha (48).
41. Praharsinl (62).
XI, 1—57. üpajati (44).
68—78. Vamsastha (48).
XII, 1—112. I^loka (82).
118—117. Vamtfastha (48).
118. Rucira (62).
XIII, 1—69. üpajati (44).
70. 71. Vamsastha (48).
72. Malini (60).
78. Vamsastha (48).
Sehen wir zunächst vom ersten und dreizehnten sarga ab, so
finden wir , daß Asvagho^a für den größeren teil jedes sarga ein
and dasselbe metmm verwendet, am Schlüsse aber, wie dies schon
bei Da^^in (I» 19) vorgeschrieben wird, mit dem metrom wechselt.
Bald tritt nur ein neues metrum ein, bald deren zwei; in allen
lallen aber ist das gesetz beobachtet, daß das folgende metrum
immer länger ist als das voraufgehnde. So folgt z. b. im Schlüsse
von VI wohl Vamsastha auf Upajati, wenn aber, wie in VIEL, der
sarga selbst in Vaihsastha abgefaßt ist, so folgt Pushpitägrä. Die-
ses gesetz ist in XTTI verletzt. Hier ist die letzte strophe in
Vaihsastha, während die vorausgehnde in Mälin! ist. Das läßt ver-
muten, daß sie unecht ist, und dies wird durch inhalt und spräche
bestätigt. XTTT, 73 ist eine genaue Wiederholung von XIII, 72,
nur mit etwas anderen werten, der sich Asvaghoi^a unmöglich
schuldig gemacht haben kann. Außerdem wird Mära hier päpi-
yas genannt. Das ist die gewöhnliche bezeichnung im Lalitavi-
stara, im Buddhacarita aber kommt sie sonst nicht vor'). Auch
dem chin. Übersetzer (1108 — 1110) hat, wie ein vergleich zeigt,
atrophe 72, nicht strophe 73 vorgelegen •). Daß die Strophen I,
1) Die zahl in klammern bezeichnet die gesamtzahl der Silben jeder strophe.
2) Auch iaihäpi als anknfipfnng „und so'' kommt bei Asvaghosa nicht Tor.
8) Solche unechte paraUeWerse finden sich ja auch anderswo in den Hss.»
z. b. im ersten sarga des KumftrasambhaTa.
XU A8?agho8a*8 BaddhacariU. 15
1 — ^24 und 26 — 28 unecht sind , hat schon Lemnann a. a. o. nach-
gewiesen.
XIY, 21. — Diese strophe ist sicherlich ein späterer einschob.
Nicht nnr, daß sie in keiner verbindong mit dem voraosgehenden
steht y ist sie auch inhaltlich so anüberlegt, daß sie anmöglich
von Ajvagho^a herrühren kann. Wie soll denn ein j^fnanasvin*^
überhanpt daza kommen, mit den bösewichtern in der hölle zu-
sammen za leben? Aach die chin. übers, (vgl. 1126) übergeht die
Strophe nnd bestätigt so meine vermatang.
Die handschriftliche Ueberlieferung des Daniel-
commentars Hippolyts.
Von
Nathanael Bonwetseh.
Mit 2 Textfigaren.
(Vorgelegt in der Sitznng vom 19. November 1896.)
In der von der Königlichen Akademie der Wissenschaften in
Berlin unternommenen Edition der vornicänischen griechischen
Kirchenväter wird der die exegetischen Schriften Hippolyts ent-
haltende Band zu einem großen Teil erstmalig zur Veröffentlichung
Grelangendes bringen. Dies gilt auch in Bezug auf den Daniel-
commentar Hippolyts , mit dessen Herausgabe ich betraut worden
bin. Waren bis vor einem Jarzehnt nur Fragmente dieses Com-
mentars bekannt, so hat auch die Edition des Georgiades ^Exxlvi-
ifM6tixii 'AX^Bia 1885 S. (10—21) 21—24. 49-60. 1886 S. 22&—
247. 273—287 nur das vierte Buch zu geben vermocht. Die neue
Ausgabe wird den vollständigen Danielcommentar (fortan meist
D.C. bezeichnet) — wenn auch nicht vollständig im griechischen
Original — enthalten. Ueber den handschriftlichen Apparat, wel-
chen ich dabei verwerten konnte, sei mir hier zu berichten
gestattet ^).
1) Ausgaben von Bruchstücken bei Fr. Combefis, Bibliothecae graecomm
patrum anctarium novissimum , Paris 1672. I. A. Fabricins, S. Hippolyii
episGopi et martyris opera graece et latine, Hamburg 1716 und 1718. A. Oal-
landi, Bibliotheca Teterum patrum II, Venedig 1766. A. Mai, Scriptomm
reterum nofa coUectio, Rom 1825 und 1880. Migne, Patrologia gr. X, Parii
1857. P. A. de Lagarde, Hippolyti Romani quae feruntur omnia graece, Leip-
zig and London, 1858. £rg&nzangen su Mai in Pitra, Analecta sacra spicilegio
Die handschriftliche Üebcrtieferung des Danielcommentars fiippolyts. 17
I
•*v'
.• t '
1. Bie grieehlschen Handschriften.
Unter den griechischen Handschriften des Commentars nimmt
dnrchaas die erste Stelle die von Philipp Meyer, jetzt Con-
sistorialrat in Hannover, entdeckte Athoshandschrift des
Klosters Vatopedi No. 260 ein. In angestrengtester Arbeit
hat sie, obwol fieberleidend und unter den Entbehrungen der Fa-
stenzeit, im Auftrage der berliner Akademie Herr Dr. Kern, jetzt
Privatdozent in Berlin, 1892 aufs Sorgfältigste teils verglichen
l fei!. teils abgeschrieben, dabei entdeckt, daß sie noch vollständiger ist,
als Ph. Meyer vermutete. Sie ist in einen modernen Halblederband
— etwa vor zwanzig Jaren gemacht — gebunden mit dem Titel
auf dem E.ücken löxoQia \ tqkov naiS. x\ darti^A | fiaxaß, ßißX. 4 |
Sri awxxak, zh d'eiov \ tcbq. agg. yvaör. x, ayva)6 \ xBiux%iov /xv^t-
tftopix' I TtBQ. StatpoQ, aiQBö' I eniip. xbq. rayv q. aiQEö \ 6mq>Qov' sx
xmv 6wo8, Die Höhe des Einbandes beträgt 0,29, die Breite 0,22 m.
Die Handschrift ist auf Pergament geschrieben. Die Seiten des
.ri Codex haben die Höhe von 0,27, die Breite von 0,21 m. Die
Schriftfläche ist 0,205 (33—34 Zeilen) m. hoch, die beiden Spalten
jeder Seite sind je 0,056 m. breit. Der Codex enthält 159 Blätter
und ist durchweg von Einer Hand in sauberer Schrift geschrieben.
nDie Numerirung der Seiten" (der Cod. beginnt mit Blatt 140)
„ist vor dem Einbinden geschehen." „Die Linien für die Zeilen
j^ V sind mit dem Griffel eingedrückt" und zwar „so, daß sie für beide
. .^^- Seiten zugleich dienen." Die Buchstaben stehen unter der Linie.
^; 'j- Oben am Rand steht auf Bl. 140 mit Tinte geschrieben lA^^vet^
.^;^. unten kBinovöi 10 tstgcid. Ebenso ist im handschriftlichen Katalog
der Bibliothek bemerkt „rö xeiQdyQatpov atsXig ti^v &Q%ii[v xaxa 10
xixQid^a' ikkä noixtXovy xsQiegyov xal d}q)aXi(iov, Dr. Kern hat
nicht erfaren können, worauf sich diese genaue Angabe gründet.
^^^,, Der Inhalt des Codex ist folgender: Bl. 140 — 147 Hippolyts
'^;... Commentar z. Gesang der drei Jünglinge ; ein kleiner Rest noch
Solesmensi parata, Rom a. Venedig 1888, IlundlV. Anderes unten. — Nachdem
schon Fr. C. Oyerbeck, Quaestionum Hippolytearum specimen, Jena 1884,
durch seine Untersachung über Hippolyts Schrift De antichristo f&r die Oriea-
"j/pt ^ tirong anch über den Danielcommentar gut vorgearbeitet, hat 0. Bardenhewer,
. -j.^ Des heiligen Hippolytus von Rom Ck>mmentar zum Buch Daniel, Freiburg i. Br.
^i 'fi 1877, in ausgexeiehneter Weise allem für jenen Commentar in Betracht Kommen-
^](i:-' den nachsngehen und über ihn, soweit es one erneute Erforschung der Hand-
ypC- Schriften möglich war, zu unterrichten Termocht. Eine eingehende üebersicht
^^ gibt auch Lightfoot, The apostolic fathers I, 2, London 1890.
^1^' Xgl. Ott. d. WIM. NMkricktML PUl9l«f-lüit«r. KImm. 189^. HA. 1. 2
18 Nathanael Bonwetscli,
auf l'a. Bl. l'a (Mitte)— 16^ a Commentar zu Dan. 3, 98— 6, 27. —
Bl. 16^b— 4B'a Danielcomm. Buch IV. — Bl. 45''a-83'b Makka-
bäer I. Bl. 83'b— lll'a Makkabäer 11. Bl. 111' a- 121' b Makka-
bäer m. Bl. 121'b— 137'b Makkabäer IV. Bl. 137-ar~139^b of-
fenbar Anfang eines Morilegiums (137^ a — 137' a [137 zweimal]
137^ a 8 (so) äxaräXeinrov rö d'ecov Tcal ort (yö det ^rpcstv xal nefl igyd"
^eöd'at rä ft^ xagadedofiiva ij^lv inb t&v ayt&v TtQO^prj^t&v x\ xal
inoötökav xal tbayyeUov, Bl. 137' a — 138' b neQl xov appijrov xal
yvfoöx xal äyvcoör, Bl. 138' b — 139' a negl tov xC iöxL ^s6s Zxi i-
xaxdXsiTtxov. Bl. 139' a — 139' b [unvollständig] ixöSsil^ig oxi slg
i6xiv b d'sbg xal aö jcoHol), Bl. 148' — 14S^ a, xsfidxtov ^ivd'iöxoQtxöv,
BL 149' a beginnt mit nsgl aCgdöscov diatpögav xegl Jttegiov eine
Schilderung einer Reihe von Häresien: (Bl. 149' a — 149' b negl al-
gsxLXßyi/ iiLav\.%alGyv xal x&v &%h oiakevxCvov yv(o6xLX&v xalovfiivmv.
Bl. 149' a — 149' b negl navxaviöx&v xal xQv &öxovdovgyixa)v xal
negl XsTtov^i^anf x&v xal igxoxvgovvxtov xaxa q>gvyag^ Bl. 149' b —
150' a xsgl öaßekXiov xov Ußvog^ Bl. 150' a — IBO'b nsgl igiav&v
x&v &gvo^vLX&v' xal xsgl el^iagsiav xal &£xcav&v xal Bivoiiiav&Vy
Tcegl x&v &7eb fiaxsdoviov xvevfiaxofidxov, Bl. 150'b — 151' b nsgl t/aver-
xiav&v' x&v x€7tad^agoi)g iainoifg inoxakoihmov' xal negl iieXexiav&v
xal xsöödgig xal deocdxri x&v 6aßaxiav&v scgeößiksgog xijg iv gA^ifi
ixxXfi0iag tßnfigxsvj Bl. 151' b — ^152'a negl (iagxiayvi6x&v xal iyxga^-
xrjfc&v, Bl. 152' a — 152' a nsgl x&v bgiysviaöx&v, Bl. 152' a — 153'a
negl dnoXivagCovy Bl. 153' a — 154'a negl ve6xogCov xal ^etodmgov
xov fioiiiffoveöxiag' xal diodmgov xal navXov xov 6a(LOv6axi€ov xal
qxoxivovj Bl. 154'a — 154' b negl fvnJjrovg xal dioöxogov igxri(iav-
SgCxov^ Bl. 154'b — 154' b negl x&v öewigiav&v xal d'eodmöiav&v xal
iaxaßixan/ * xal xgi^eixayv, Bl. 154' b — 155' a negl x&v inb iovXiavov
xov dXixagvdmg' xal iovXtavov xov äXe^avögioig Atpd'agxodoxixayVj
BL 155'a-^155'b negl iyvmtjx&v, BL 155' b — 156 'b ix x&v nava-
gtnav xov ayCov initpavCov negl x&v g algiöemv hv iöxriXixevöev 6
aixbg Sytog' Syv iigeg xal ng6xvnoi xal bvofiaöxal xiööageg il^ &v at
äXXat' näöaL iq>vri6av' Bl. 156' b — 158'b ix x&v öwodix&v xov 4-
yiov öiotpgovCov^ BL 158' b — 158' a negl (^tftövog, Bl. 158' a — 158'b
negl xrigivJ^ov, BL 168' b— 159' a negl ßaöiXeiSri, BL 159' a— 159' b
negl xov \idvi. Die letzten Zeilen von 159*'b lauten xal duxdlaxo
ixSagfivav xbv iidvevxa neg6ix& v6ii(0' xal xb Xotnbv aixov.
Durch ein glückliches Geschick ist mir aber auch von den ge-
genwärtig in der Handschrift Vatopödi 260 zu vermissenden Be-
standteilen ein weiteres Stück und damit auch ein weiterer Teil
des Danielcommentars Hippoljrts zugänglich geworden. Als Herr
College Lic. Dr. Achelis im Auftrag der Akademie im Herbst 1893
die handschriftliche Üeberlieferang des Danielcommentars HIppolyts. 19
nach Paris ging , hat er meiner Bitte , an Hippolyts D. C. betref-
fenden Handschriften Par. gr. 139. 159. 174. App. 1140, 1496 und
Sappl. gr. 682 einsehen zu wollen, gütigst Erfüllnng gegeben.
Wärend nicht nnr 1496 sich, wie zn erwarten, nur als den stets
wiederkehrenden Commentar ober die drei Jünglinge enthaltend
erwies, sondern auch Append. 1140 trotz dem verheißungsvollen
Titel Bl. 77' iit^ytiöig ItcxoXioxov xdxa ^(o(iijg elg rb dgad^hv oga^uc
tav vttßovxovööoQ (so), tb ÖLakv&lv nagä daviijX rov ^rpo^i^ov Stt
di xal fiigog t^g tov ngofpi^ov ^srngCag nur Pseudohippolytus De
consummatione saec. Cp. 12 — 21 resp. 22. 28. 39 enthielt, fand
sich in Suppl. gr. 682 in der Tat BL 1 — 22 ein Bruchstück von
Vatopidi 260, und zwar Bl. 16 — 22 — von Omont als de Na-
buchodonosoris icone fragmentum bezeichnet — Buch I Cp. 29
S. 41,4 bis n Cp. 21 S. 80,20 des D. C.'s Ueber die Zugehörigkeit
zur gleichen Handschrift mit A kann ein Zweifel nicht obwalten.
Eben wo Par. Suppl. gr. 682 schließt, setzt A ein; die Beschädi-
gung der nach Paris gekommenen Blätter ist die gleiche wie die
der auf dem Athos gebliebenen. Der ganze Charakter der Schrift
(auch betreffs der Abkürzungen) ist derselbe, die Grrößenverhält-
nisse sind die gleichen nach meinen Messungen. Dr. Achelis hat
die Handschrift Par. Suppl. gr. 682, soweit sie Hippolyts D. C.
enthält, vollständig abzuschreiben die Grüte gehabt. Doch ist mir
hernach die Handschrift durch Vermittlung des Cultusministeriums
auf diplomatischem Wege zur Benutzung in der Göttinger Biblio-
thek zugegangen. Manches vermochte ich auch noch innerhalb der
scheinbar ganz unlesbaren Abschnitte zu entziffern ; nicht Weniges
spottete aber aller meiner Bemühungen.
Außer dem Fragment des D. C.*s enthält Par. Suppl. gr. 682
auch noch aus der gleichen Handschrift „Chronographi fragmenta
usque ad Theophilum (829 — 842), de imperatoribus Romanis et CP,
Antiochenis, Alexandrinis et Hierosolymitanis , ex Eusebio (2); —
Joannis [Antiocheni] chronologiae universalis excerptum^ (H. Omont,
Inventaire summaire des Mss. du Suppl. gr. de la Bibl. Nationale).
Einen völlig anderen Charakter gewinnt dagegen die Handschrift
von BL 23 an. Stammt 1 — 22 aus dem 11. Jarh., so das Folgende
teils selbst aus dem 19. Durch Menno Menoides ist die Hand-
schrift nach Paris gekommen. Wo die noch fehlenden Blätter von
A sich befinden, ob sie überhaupt noch existieren, — wer will das
sagen? Ein freilich — weil durch Durchbausung gewonnen —
nur annäherndes Bild der Athoshandschrift gibt die folgende Zin^-
kotypie (von BL l'a Mitte).
2*
20 ÜAthanael Bonwetscb,
TovcXecri -rac
Neben die Athoshandschrift tritt für das ganze vierte — am-
fangreichste — Bnch die Chalkihandschrift , ans welcher
Georgiades diesen Teil des Commentars erstmalig herausgegeben
hat. Bei der Bedeutung dieser Handschrift durfte mir die Edition
von Georgiades natürlich nicht genügen, da die genaue Wieder-
gabe des handschriftlichen Textes in jener Edition erst sicherzu-
stellen war. Wie aber mein verehrter College Herr Prof. von
Wilamowitz mir Beziehungen zu Dr. Kern vermittelt hatte, so
habe ich auch ihm und Herrn Professor Dr. Wolters in Athen
es zu danken, daß Herr Dr. Körte für die Ausgabe der EL Aka-
demie durch zweimaliges Aufsuchen der theologischen Schule zu
Chalki eine genaue und zuverlässige Collation der Chalkihand-
schrift (bei mir B) angefertigt hat. Das Ergebnis der Verglei*
chung Dr. Körte's zeigt, wie notwendig dieselbe gewesen. Erst
jetzt läßt sich mit Sicherheit das Verhältnis von B zu den übri-
gen Textzeugen feststellen.
Dr. Körte gibt folgende Beschreibung der Handschrift. „Der
ChalM'codex ist jetzt in schwarzes Papier gebunden, auf dem
die handschriftliche Ueberlieferung des DanielcoMmentars Hippolyts. 21
Rücken steht in Golddruck VaXtiJQiov, darunter aaf einem Zettel
11." Als Bombycin-Codex wird er bezeichnet. „Er enthalt 146
(modern mit Bleistift numerierte) Blätter: zuerst den im Anfang
verstümmelten Psalter (Bl. 1—77), dann — auf Bl. 78—127 —
den Danielcommentar. Die Rückseite von Blatt 127 ist unbe-
schrieben. Auf Bl. 128 beginnt mitten im Satz ein anderes Werk
anscheinend von derselben Hand wie der Commentar ; sein Anfang
lautet ^XiTtia iöri. naXaibg di r^ fpQovijöst' k6ym xal ßica tldri tl
%Qffir& xal intvoia xsxoöfiruisvoi. Diese Schrift reicht bis Blatt
ISO, auf dessen Rückseite ein anderer schwer lesbarer Text von
anderer Hand anfangt. Die Höhe der Seiten ist »= 0^22 m. , die
Breite »= 0,14 m. Die Zeilenzal des Danielcommentars beträgt
meist 23, auf der zweiten S. 22, auf den drei letzten 24. '^ „Ir-
gendwelche Gliederung durch Absätze u. s. w. findet sich nicht.^
„Die erste Seite ist sehr stark abgegriffen, zum Teil unleserlich.^
— Ebenso wie A hat auch B kein i subscriptum. Die Abkür-
zungen sind die gleichen hier wie dort. So gut wie stets werden
in beiden Handschriften d'sdg^ xvgiog^ XQi6t6g, öaniJQ, 7i}<Tot>g, nvsl^iia
— und zwar in aUen Casusformen — abgekürzt, ebenso Bvd'Qmjtog,
(yÖQavög^ «arijp in allen Casus- und Zalformen. B „verwechselt
beständig t^, ei und i, ferner o und o, sowie mitunter s und ai^,
aber alles dies doch in geringerem Maß als Cod. A. B ist aber
ganz ungleich jünger als A. Georgiades bezeichnet B als iierays^
vB^xiQtov xq6v(ov. Nach der folgenden durch Durchbausung ge-
wonnenen Probe (Bl. 97') gehört sie frühestens dem 15. Jarh. an
Herr Bibliotheksdirektor Geheimrat Dziatzko hat mich auf die
22 NathAnael Bonwetsch,
änliche von Edw. Maonde Thompson, Handbook of greek and
latin Palaeography (London 1893) S. 176 mitgeteilte Probe aus
Simplicias vom J. 1441 aufmerksam gemacht, one behaupten zu
wollen, daß die Chalkihandschrift nicht noch jünger sein könnte.
Eine neue Collation der Chigihandschrift (J) welche nach
De antichristo Cap. 23 — 28 auch Buch IV des D. C.'s von Cap. 23
an teilweise enthält, verdanke ich Herrn Dr. Achelis. Diese
Handschrift Chigi gr. R. VII , 45 , gross 4® oder klein Folio , ist
jener Pergamentcodex des 11. (früher urteilte man des 10.) Jar-
hunderts, welcher den Septuagintatext des Daniel erhalten hat.
Mit jenem Text zusammen ist daher auch das Fragment aus Hip*
polyts Commentar von Simeon- de Magistris (aber anonym) unter
Beigabe einer lateinischen üebersetzung veröffentlicht worden:
Jawi^k xata toi>g ißdofiiixovta ix t&v xbxqutcX&v ^ÜQi^yivovg , Rom,
1772. Das Fragment ist überschrieben *Ijtaokvtov imöxÖTcav ^FA-
(ifjg ZTjg tov /davi'^X bgaöemg xal tov Naßov%o8ov66o(f imkriösig iv
xain^ äliqxndQonf. Wie in den Göttinger Ausgaben des Daniel
secnndum LXX, so ist auch in Migne's Patrologie, Bd. X der grie-
chischen Väter Col. 641 — 669 , und bei Lagarde , Hippolyti quae
feruntur omnia, das Fragment wieder gedruckt.
Noch mehr als J tragen den Excerptcharakter die in den Ga-
te nen enthaltenen, ebenfalls alle (ausgenommen L) von Herrn
Dr. H. Achelis neu verglichenen Stücke des D. C.'s (C). Sie
bieten aber zum TeU den griechischen Text selbst von solchen
Abschnitten, welche durch keine der erhaltenen Handschriften im
Original auf uns gekommen sind. Nach einigen kleinen von Hugh
Broughton, The Works of the great Albionean divine, London
1662, S. 334 und 336 edirten Fragmenten (IV, 26, 8 und IV, 54,
1. 2) hat zuerst Fr. Combefis I S. 50 ff. die weitaus meisten der
in das erste Buch des Danielcomm.'s gehörenden Fragmente ver-
öffentlicht ; I. A. Fabricius I S. 266 ff. II, 22 ff. und A. Gallandi
n, 411 — 530 haben sie abgedruckt; Bandini, Catalogus codd. mss.
bibliothecae Mediceae Laurentianae , I, Florenz 1764, hat sie um
einige, A. Mai um zalreiche Scholien zu Buch I, 11, IV vermehrt ;
alle sind dann, von einigen Ausnahmen abgesehen, von Migne und
Lagarde in ihre Ausgaben aufgenommen worden.
Für den Text dieser Catene kommt in erster Stelle Otto-
bon, gr. 452 (0) in Betracht. Vgl. Codices mss. graeci Ottobo-
niani ])ibliothecae Vaticanae. Rec. E. Feron et F. Battaglini«
Bom 1893. S. 251 f. Diese Handschrift in Folio auf Pergament
(0,25 + 0,231 , mit 261 Bl. , 11. (?) Jarh.) enthält eine Catene zu
den Propheten und zwar 80| daß sie in der Mitte groß und schSn
die handschriftliche Ueberlieferimg des Danielcommentars Hippolyts. 23
geschrieben den Text, an den Rändern in feiner, zierlicher Schrift
die Exegesen bringt. Anf die kleinen Propheten folgen Jeremia
und Daniel. Auf Bl. 237^ beginnen die Excerpte aus Hippolyt
^InxoXvvov inttfxönov ^(hfirig sig r^v 6fo<sAvvav ' fi iQxii* aCrij [ihv oiv
1} tötOQia. Bl. 238 OQaöig ngtorri xov Jai/tijA fisff SQfitiveienf [%ico-
itkov, &(iii<oviov TCQSößiniQoVj icodvvov xovöravtLvovnöXecDg. 1} ^QX^*
xal fjfv äviiQ olx&v iv ßaßvX&vi. Bl. 239^ [xycoXvrov i%i6x6%ov ^A-
lirig änödstl^Lg %q6v(ov x^g alxiicckmöiag roD löQuijl' ^ ^QX'^* ^4^
ixQißeicev t&v ;|^p<$t/oit/ r^ff ysysvrm^VTig aixf^aXioöiag. Bl. 240^ T9pa-
6tg diwiga ^leff iQ^tjVBt&v [nicokvtov, nolvxQovioVj inokXivaQ^oVj
aidoJ^Cov q>iXo66q>oVj Imdvvov xmvör. , xal ÜQi^yivovg u. s. w. bis 8pa-
6i.g dvoxaidsxdzfi. Die Vorzüglichkeit von gegenüber den andern
Catenenhandschriften zeigt sich in Bezug auf die Hippolytfrag-
mente schon durch die üebereinstimmung mit A und B : so liest
mit A U, 4, 2 S. 50, 17 ol SQXOvtsg (dh <) rot) xdöfMv, 11, 5, 2
S. 62, 20 xal rä altijiiara st. t&v altrjfidtmv, ü, 9, 2 S. 62, 12 x^'
Qag nicht < vor Baßvk&vog , II, 27, 1 S. 90, 14 ßXri&Hvai {iyißXrfiH^-
vat A) nicht ^t^^vat, H, 33, 2 S. 106, 12 y&Q nicht <, IV, 1, 2
S. 180,18 iip^6v(og 8iifiyf/^6axo mit AB.
Oefters (z. B. S. 106, 12) trifft mit zusammen Par. gr. 174,
früher Fontebl. Reg. 2919 (P*). lieber diese besonders für den
Text Tatians so wichtige Handschrift s. die eingehende Charak-
teristik Harnacks, Texte und Untersuchungen I S. 1 ff., sowie Ed.
Schwartz in der Praefatio zu Tatian ebd. IV S. IV; doch handelt
es sich für beide um den zweiten Teil dieser Handschrift. Ist
dieser Teil von Bl. 84 an von einem Schreiber des 12. Jarh.'s ge-
schrieben, so der erste Teil von mehreren Händen, wol des 11.
Jarh.'s (Omont 10. bis 11.) und enthält Erklärungen zu Ecdes.
(Olympiodor), Prov., Ezech., Daniel u. Anderes. Auf S. 1 ist von
einer Hand des 14. Jarh.'s bemerkt avriy iinskovg 8iax6vov' jjap-
tofpMaxog vxiQx^fl ye(OQyiov: imöxoitfjg rtjg xi(pov roi) xal ^(oyQdipov
rov iv TtXaxav/fixHav otxriöiv Ix^ov, änlich auf der letzten Seite
(Schwartz a.a.O. S. IV). Bl. 69^ beginnt die Catene zu Daniel
mit Chrysostomus zu Susanna, dann folgt Bl. 69^ der Text Dan.
13, 1—3 und auf fiaöfl ^^^ Autor S. 20, 4. Es ist ein Auszug
aus der Danielcatene (auch der Text nur im Auszug), das Lemma
txxoXOxov nur I, 26, 5. n, 9, 2. 15, 1. IV, 11. 5. Die Schrift des
Textes ist „nur um ein Minimum größer*', als die der im Uebrigen
klein aber deutlich geschriebenen Catene , deren Erklärungen sich
von einander wie vom Text nicht deutlich abheben. Nach Sgaöig
ßy a. s. w. sind die Teile des Danielbuches geschieden. Aus Hip-
polyt enthält P» die Abschnitte 1, 12, 2-4. 14, B.6. 26,5. H, 2,5.
24 Nathanael Bonweisch,
9,2. 15, 1. 2. rV, 2,9. 3, 1-4. 6-8. 6, 3-5. 10,2. 11, 2.5. 12,4.5.
26, 1—3. 7. 8. 41, 4. 54, 3. 57, 7. 8. Die Uebereinstimmimg mit
zeigt z. B. S. 62, 12. 106, 12.
Unter einander aufs engste verbunden (s.u.) sind Vat. gr.
1553/1554(V*), Vat. gr. 561 undPar. gr. 159 (P»), besonders
V^ und P^ Vat. gr. 1553 und 1554 bilden ofiFenbar nur zwei Teile
Einer Handschrift. Diese — größtes Folio — ist in zwei Colum-
neu mit breiter, aber nicht gut lesbarer Schrift geschrieben: der
Text links oben in der ersten Columne, rechts daneben und
darunter durch die Columnen die Catene. Die Hand ist die gleiche
in Vat. 1153 und 1154. Vat. 1553 BL 1-330 ist Pergament, BL
331-— 340 Papier. Vat. 1154 trägt auf dem Rücken das Wappen
Pius VI. Eine Catene zu allen Propheten wird hier geboten.
Neben Hippolyt erscheinen für Daniel als Interpreten die schon
zu namhaft gemachten. Enthält Vat. 1153 die Erklärung bis
Dan. 1 Schluß, so beginnt Vat. 1154 mit Dan. 2, 1.
Als V bezeichne ich Vat. gr. 561, eine Handschrift in Quart,
auf Papier, von deutlicher rund schreibender Hand geschrieben.
Sie soll dem 15. Jarh. angehören, der Einband trotz dem Wappen
auch Gregor des XTTT. der Zeit Paul 11., dessen Wappen in beiden
Deckeln. Mai hat in beigeschriebener Bemerkung diese Hand-
schrift für ein Apographon von Vat. gr. 562 BL 5 ff. erklärt, doch
gilt dies nicht für den Abschnitt der Hippolytfragmente. Mit Bl.
115^ beginnt Dan. 2,2. Je einem Schriftvers folgen die Erklä-
rungen der Väter.
Noch durchgehender als V stimmt mit V^ die Catene zu
Daniel in Par. gr. 159 [Fontebl. Reg. 1892, noch früher 229]
überein. P^ ist nach Omont eine Bombycinhandschrift des 13.
Jarh.s von 470 Bl. , eine Catene zu allen Propheten (auch Julius
Afric.-Origenes über Susanna) umfassend. Eine durch Herrn Bi-
bliothekar Prof. Neubauers gütige Vermittlung mir gewordene photo-
graphische Aufnahme der Hippolytfragmente in Bodlej. I (Catal.
cod. man. bibl. Bodl. I) Adversaria Grabe Cod. 7 Bl. 62^—67 er-
wies diese als aus P^ abgeschrieben. In P^ findet sich auch unter
dem Lemma rkov Bl. 360^ das zuerst von Mai mitgeteilte Frag-
ment (IV, 8, 4—8 S. 204, 9 ff.). Die nicht leicht zu lesende Hand-
schrift ist „klein geschrieben" „mit vielen Abkürzungen und Liga-
turen." Es „hebt sich von dem fleckigen schmutzigen Bombycin
die unschön braune Schrift nicht gut ab", „die Easuren sind schwer
zu erkennen und von zufalligen Verletzungen des Stoffs nicht zu
unterscheiden."
Als V bezeichne ich Vat. gr. 676, eine Papierhandschrifk
die handschriftliche üeheriieferang des Danielcommentars Hippolyts. 26
in klein Quart mit rotem Einband. Bl. 1 nnd 208 angeheftet nnd
modern, BL 2 — 207 von „klein schreibender zierlicher Hand etwa
im 15. Jarb. beschrieben" (Achelis). Bl. 2 — 37' (ebenso z.B. Par.
gr. 1059) des Enstratias (nm 678) Xöyog ivatQennxbg iCQbg t(yög
kiyovxag fti) ivsgyBtv rag t&v ivd'QfbjCfov tln}xäg iiBtä xi^v didtsvitv
x&v iavt&v öaiiäxanf (Adv. Psychopannichitas , heraasgegeben von
Leo Allatins, De atrinsqne ecclesiae perpetna in dogmate de pnr-
gatorio consensione, Korn 1656), in welchem auch Cap. 19 Bach
n, 29, 1. 4. 11 von Hippolyts D. C. ; Bl. 37^ Theodoret zu Da-
niel; dann von Bl. 41' an von anderer, aber nicht viel späterer
Hand am Rand Citate ans den Vätern. Die Schrift ist sehr klein,
dorch Wurmstiche und Risse zerstört, oft durch Wasser unleser-
lich. Neben ApoUinaris Eudoxius, Chrysostomus, Origenes, Seve-
ms, Ammonius, Polychronius , Titus (?) wird auf Bl. 43^, 44'', 45%
46^, 47% 53', 54', 82^ auch Hippolyt I, 10, 4 S. 18, 8. 11, 4 S.19,
11. n, 2, 1. 2 S. 46, 16. 4, 1 S. 50, 11. 6, 2 S. 52, 18. 9, 2 S. 62,
10. 15, 1.2. S. 72, 1. IV, 2 S. 184, 17 ff. angefürt.
Von Vat. 1153 ist Paris gr. 3067 (2836), welche Handschrift
BL 201 — 215' die Danielcatene entsprechend Buch I des Dan.
Comm.'s enthält, nur eine Abschrift.
Auf die gleiche Excerptensammlung geht zurück, was an Er-
klärungen Hippolyts zu Daniel die zuerst von Bandini in seinem
Catalogus codicum manuscriptorum bibliothecae Mediceae Lauren*
tianae I geschilderte Catene Laur. Plut. V Cod. 9 (L), saec. XI,
zu den großen Propheten umfaßt. Neun dieser Erklärungen hat
Bandini S. 21 f. mitgeteUt : nämUch zu I, 12, 2--4. 13, 4. 6. 23, 2.
3. 25, 5. 26, 2. 5 und zwei Fragmente , welche durch das Lenuna
xw cc^av dem Hippolyt zugewiesen waren, die aber in den andern
Catenen richtiger mit l^(iiie>v{av überschrieben sind, vgL Mai a. a. 0.
2 S. 163 (3 S. 28) und Bardenhewer S. 52 Anm. 1 ; dem D. C. ge-
boren nur die sieben erstgenannten Schollen an. Für Lagarde
hat diese Handschrift, soweit das Lemma auf Hippolytus hinwies,
Alfred Schoene seiner Zeit verglichen, Lagarde schenkte die
Collation H. Achelis, dieser hat sie mir gütigst überlassen.
unabhängig von jener Excerptsammlung der Catene (C) ist
aber was die bereits oben charakterisirte Handschrift Par. gr. 159
(oben P^) auf ihren beiden letzten Blättern Bl. 469 und 470
aus dem D. C. enthält (P). Georgiades hat zuerst auf P auf«
merksam gemacht und P für seine Ausgabe verwertet; Dr. H.
Achelis hat die Handschrift neu verglichen. Unter der TJeber-
schrift txxoX^ov ^lijijtf (Rasur von 10—12 Buchstaben) \ fUtofLä-^
iw bringt P zunächst D. C. IV Cap. 80, 3-35, 3 (S. 264, 2-280,4),
26 Nathanael Bonwetsch,
alsdann hieran nnmittelbar anschließend anter der Ueberschrift tav
ttinov nsgl t&v xq6vo)v rrjg awreksiag IV Cp. 23 , 2 — 24, 9 (S.
240, 17 — S. 248, 13). Achelis bemerkt dazu : „Um die beiden letz-
ten Blätter der Handschr. nicht leer zu lassen, schrieb eine andere
aber gleichzeitige Hand hierhin die Stücke aus dem Danielcom*
mentar. Sie sind noch schwerer zu lesen als das vorige: der Za*
stand des Bombycin ist schlechter, die ganz gelbe Tinte hebt sich
sehr schlecht ab, die Ecken sind weggerissen." Unrichtig ist die
Inhaltsangabe bei Omont „einsdem de consommatione mondi et de
antichristo. "
Der mit den Sacra Parallela des Johannes von Damaskus zu-
sammenhängenden Litteratur gehört die zuerst von Achelis un-
tersuchte Handschrift S. Sepulcri 15 an. Für Hippolyts D. C.
kommen in Betracht Bl. 331' b — 331^ b, wo unter dem Lenmia tn-
xoXikov Buch m, 4, 4 ff. 6, 2. 7, 1. 2. 9, 2. 4 enthalten sind, und Bl.
123* b und 124' a, wo auf das Lemma rov a^ [jtnolikov Buch lY,
4, 6 S. 198, 5—7 und 15, 1 S. 222, 16—224, 2 folgen. Diese beiden
letzteren Stellen finden sich in gleicher Gestalt wieder in Fhil-
lipp. 1450, dem Cod. Rupefucaldinus , Bl. 3G', aus welchem sie,
von Friedr. Loofs auf sie aufmerksam gemacht , Gerhard Ficker,
Studien zur Hippolj^frage, Halle 1894, S. 107 mitgeteilt hat.
In seiner Scriptorum veter. nova collectio I, 2 S. 5 f. (doch nur
Inder ersten Auflage) hat A. Maiein chronographisches Frag-
ment mitgeteilt, welches A. Schoene, Eusebii chronicorum libri
dus I Append. Sp. 66 f. und Bardenhewer a. a. 0. S. 48 ff. (vgl. auch
G. Frick, Chronica minora I S. 440 ff.) in verbesserter Gestalt
wiedergegeben haben. Dieses Fragment bezeichnet sich freilich
als der Chronik Hippol3^s entnommen {^Tjc6fivri6ig ix r^^ *I(o6'/piiyo
iQ%ttiokoylaq otal ix xSnf xqovix&v *IxnoXv%ov iniöxöxov *PAiifig ibtf-
avtmg Ttal DzQozrjyCov (lovä^ov itegl t&v &X(b6imv t^g *l6Qov6aXi^ii)
und von* Mai, v. Gutschmid (bei Schoene) und Frick S. XVU
u. 440 wird diese Auffassung durchaus vertreten. Doch betont auch
Frick, daß das Fragment auch für den Text des D. C.'s wertvoll
ist, und wenn schon Hippolyt sich nicht gescheut hat, sich selbst
auszuschreiben (außer den im D. C. und in De antichristo paral-
lelen Stellen vgl. Contra Noetum 18 S. 56 [und S. 91] ed. Lag. und
die Erklärung des zweiten Psalms S. 194 ed. Lag.), so bleibt
doch Bardenhewers Annahme die durchaus warscheinliche , daß
es sich hier nicht sowol um ein Bruchstück aus der Chronik Hip-
polyts als vielmehr einfach aus dessen Danielcommentar handelt«
Mit I, 2, 2 — 3, 8 stimmt es fast völlig überein.
In eine sehr große Zal von Handschriften, nämlich die Exe-
die htndifJiriftliche üeberlieferang de« Danielcommentan Hippolyta. 27
getisches za den Liedern des Alten Testaments enthaltenden, hat
D. C. II, 80, 4 Aufnahme gefanden. Von Balthasar Corderius in
seiner Expositio patrum graecornm in psalmos, Bd. m, Antwerpen
1646, S. 951 ist dies Stück zaerst aas wiener and münchener Hand-
schriften, dann von Simeon de Magistris Acta martyram ad Ostia
Tiberina S. 88 f. aus vatikanischen herausgegeben worden (bei La-
garde Fragment 138). Aach in der Aasgabe der berliner Aka-
demie konnten für dies Fragment viele Handschriften benatzt wer-
den, nämUch V* Bl. 11', P^ Bl. 349', Vat. 744 Bl. 157', Vat. 764
BL 389^ Vat. 1422 Bl. 255\ Barber. m, 49 Bl. 465',; Vat. 1683
BL259^ Vindob. theol. gr. 17 (bei Lambec. 11), Phillipp. 1484 Bl.
43^ Par. gr. 139 Bl. 443^ Par. 141, Par. 143, Par. 146, Par. 163
Bl. 245% Coisl. 275 BL 400% (Vind. theol. gr. 17 von Professor
W. Lotz in Wien, Phillipp. 1484 von mir, die übrigen Hand-
schriften von Dr. H. Achelis verglichen), aber doch ist dies nur
ein Teil der Handschriften, welche es enthalten (vgl. Monac. gr«
478, auch 60 and 296).
An Umfang werden die zuletzt genannten Fragmente weit
aberragt durch die Excerpte , welche N o. 5 3 der griechischen
Handschriften der K. Hof-Staatsbibliothek zu München enthalt.
In den „Fragen und Antworten^ des Anastasius Sinaita findet sich
hier Bl. 268^ ff. eine der Ausgabe J. Gretser's (Ingolstadt 1617)
fehlende Einschaltung aus Hippolyt (Dan. Comm. , zu geringem
Teil aus De antichristo). Die Handschrift wird bei I. Hardt, Ca-
talogus codicum manuscr. bibliothecae regiae Bavariae (Müncheni
1806) geschildert als „chartaceus, charta laevigata, titulis, initiali-
bus et numeris minio notatis, literis minutis et elegantibus, manu
diversa, in folio, ex parte a Hichaele Halea Epidaurio exaratus
(BL 1—132, a. 1549) saec. XVI, mutilus , constans foliis 309 ; op-
time conservatus et inscriptus. BL 133 — 271 stehen die „Fragen
u. Antw." des Anastasius. I. B. EumpfmüUer, De Anastasio Si-
naita (Würzburg 1865) hat S. 174—177 einen TeU der Excerpte
aus Hippolyt abgedruckt, Bardenhewer seine Absicht, über die
hier erhaltenen Bruchstücke von Hippolyts Danielcommentar einge-
hender zu handeln, bisher nicht verwirklichen können. Nachdem
mir durch die Munificenz der Verwaltung der Kön. Bibliothek zu
München die Handschrift gr. 53 zugegangen war, habe ich sie in
dem Hippolyt betreffenden Teil collationirt und zu meiner Aus-
gabe des D. C.'s die Abweichungen durchweg angemerkt (M).
Fast durch das ganze vierte Buch des D. C.*s hindurch (von Cap. 2
an) ziehen sich die, freilich nur wenig wortgetreuen, Excerpte
von M. — Das bei Anastasius mit 'IxxoXvxov ix toO 9lg %bv ^avii^X
28 Nathanael Bouwetscli,
eingeftirte Citat in Frage 48 gehört nicht dem D. C, sondern De
ant. 43. 26 an , vgl. schon Overbeck S. 34 , Bardenhewer S. 13.
In dem Susemihl - Cohn'schen Catalog der von der Kon. Bi-
bliothek in Berlin erworbenen Codices Phillippici wird Cod. 1422
Bl. 137' von einem Commentare zu Daniel berichtet. Ich habe die
Handschrift hierher erbeten und gütigst erhalten; sie enthält in
Wirklichkeit weder einen Commentar zu Daniel, noch ein Bruch-
stück eines solchen, sondern den bekannten Briefwechsel des Ori-
genes mit Julius Africanus.
2. In syrischen HandschrUien erhaltene Bruchstflcke ^).
Ebedjesu, der nestorianische Metropolit von Zoba (Nisibis)
und Armenien (f 1318) , fürt in seinem Verzeichnis der von den
Nestorianern recipirten Schriften (vgl. Assemani, Bibliotheca orien-
talis rH, 1 S. 15. Rom , 1725) , unter den Werken des hl. „Mär-
tyrers und Bischofs" Hippolyt auch an die „Erklärung Daniel des
Kleinen und der Susanna". Bardenhewer S. 25 — 29 erblickt in
„Daniel dem Kleinen" einen Hinweis auf die Erzälung von Bei
und dem Drachen, Th. Zahn, Forschungen zur GescL d. neutesta**
mentlichen Kanons Bd. V S. 120 auf die apokryphe Danielapoka-
lypsö» ^i^d W. Bousset, Der Antichrist S. 43 ff. ist nicht abgeneigt,
ihm zuzustimmen. Die Erzälung von Bei und dem Drachen ist
Hippolyt bekannt D. C. 11 , 26, 1 — 4. 35, 2, aber davon, daß er sie
auch commentirt habe, ist keinerlei Spur vorhanden, und nichts
weist darauf hin. Seine Ansicht stützt Zahn durch eine syrische
Handschrift des 12. Jarh.'s bei W. Wright , Catalogue of Syriac
manuscripts in the British Museum I, 19, in welcher den deutero-
kanonischen Zutaten zu Daniel ein Fragment aus dem „kleinen
Daniel über unsem Herrn und über das Ende der Welt** folgt*
aber noch ist der Inhalt dieses Fragments nicht erwiesen. Ich
vermag in der Erklärung „Daniel des Kleinen und der Susanna*'
nur das erste Buch des D. C.'s bezeichnet zu erblicken, welches
denn auch getrennt von dem übrigen Commentar überliefert
worden sein muß. Wie Daniel nach Dan. 13, 45 zur Zeit des
Gerichts über Susanna noch ein Knabe ist (iitiyBHfs tö xvei>fui
tb ßyiov naidagiov veanigov), so heißt es auch im D, C. Hippolyts
I, 1, 8 S. 3, 11 „Dieser ein junger Knabe seiend überfürte die ge-
alterten Aeltesten . . , hierdurch abbildend den himmlischen Bichteri
welcher sollte ein Jüngling von zwölf Jaren seiend im Tempel die
1) Zuerst susammeDgestalU von de Lagarde, De Geoponieon yersione Syriaea.
die handschriftliche Üeberliefentng des Danicicommentars Hippolyts. 29
gesetzlosen Aeltesten überfören.^ In jedem Falle aber liefert
Ebedjesu den Beweis für das Vorhandensein des ersten Baches des
D. C.'s im Syrischen.
Von der die Datierung der Gebart Christi enthaltenden Stelle
D. C. IV, 23, 3f. S. 242,1 ff. 24,4f. S. 246, 7ff. sagt Georg der
Bischof der Araber (f 725) aasdrücklich, sie stehe im vierten
Bach des Danicicommentars (V. Ryssel, Georg des Araberbischofs
Gedichte and Briefe S. 49 „Aach der heilige Hippolytas, der Bi-
schof and Märtyrer , hat aber in der vierten Rede über den Pro-
pheten Daniel gesagt.") Zaerst hat den Text Lagarde , Analecta
syriaca, Leipzig a. London, 1858, S. 108 ff. heraasgegeben nach
Addit. 12154 d. Br. Mas. BL 246'). Später Pitra, Analecta sacra,
IV S. 61 a. 320. Der Eindrnck , daß Georg hier aas dem D. C.
anmittelbar geschöpft habe, wird dadarch noch verstärkt, dafi
Georg aach anderwärts Bekanntschaft mit jenem Commentar be-
kundet. Was Georg nämlich in seiner Beantwortang der sie-
benten Frage über schwerverständliche Stellen in den Briefen des
Bischof Jakob von Edessa (bei Kyssel S. 70) bemerkt, berürt sich
eng mit Hipp. D. C. I, 8, 5 S. 15, 14.
Bei Aphraates, dem „persischen Weisen*' (am 337), vermag
ich keine Spar einer Kenntnis von Hippolyts D. C. warzanehmen.
Gerade wo sachliche Berürangen statthaben, wie z.B. in der (6.)
ylJnterweisang von den Kriegen" and der (21.) „von den Verfol-
gungen^, zeigt das Aaseinandergehen, daß Aphraates den Hippo-
lyt nicht kennt. Dagegen erwänt Bardenhewer — nach Lagarde's
Vorgang — aaf Grand von W. Wright a.a.O. II, 988b aas Ad-
dit. 12154 (s.o.) Bl. 291 ff., daß Johannes der Stylite (am 700)
in einem Schreiben an einen Presbyter Daniel aach der Erklärung
Hippolyts za Daniel gedenkt. — Diese Handschrift Addit. 12164
gehört dem achten oder nennten Jarh. an. Sie enthält aaf Bl. 28^
— 31' jAasgewälte Worte aas dem Commentar des heil. Hippolytas
fiber den Propheten Daniel, die nnr der Hauptsache nach aasge-
hoben sind.'' Dies ziemUch nmfangreiche Fragment (R) ist abge-
drockt bei Lagarde, Analecta syriaca S. 79 — 83 and Pitra, Analecta
sacra IV S. 47 ff., woselbst aach S. 317 ff. eine lateinische üeber-
setzong. Eine deatsche Uebersetzang bei Bardehewer S. 100 —
106. Der Text entspricht D. C. IH, 10,2. 11, 1.2. 14, 1-3. IV,
2,4.5. 3,1.2.4—7. 5,1.2. 12,4. 41,4. 42, 1—6. 44, 2. 3. 46. 46, 1.
2. 47—60. 64—66, 2. 67, 8. 58, 3.
In der Catene des Mönches Severas za Edessa aas dem
Jar 1162—1172 der Griechen d. h. 851—861 n. Chr. (vgl. dazu
Wright n S. 906 ff. and Bardenhewer S. 24 f.) findet sich Addit
30 Nathanael Bonwetsch,
12144 Bl. 177' ein von Lagarde a. a. 0. S. 91 , 5—9 bei Pitra IV
S. 54 f. 323 veröffentlichtes Scholion zu Matth. 1, 11 (in deutscher
und griechischer XJebersetzung bei Bardenhewer S. 25. 67), welches
dem Danielcomm. angehört. Dasselbe Scholion auch auf BL 303^
der Handschrift, über welche Assemani, Bibliotheca orientalis I
S. 607 Mitteilung macht , jetzt Cod. Vat. syr. 103. Monsignore
Ugolini hat auf Herrn Lic. Holl*s freundliche Bitte hin den schwer les-
baren Text abzuschreiben, Herr College Lic. Dr. Rahlfs mir zu über*
setzen die große Güte gehabt. Bl. 172' „Hippolyt von Rom" über-
schrieben erweist sich danach als D. C. 1 , 2, 2 ff. — 3, 5. 7. 8. 6, 2.
12, 2 — 9 entsprechend. Zunächst sind nur lesbar die mit rot) lutKa-
giov . . . Toi) TtatQog avrov . . it&v xy. xal (statt inl zoircov) ivu"
ßaiv£i Oagah . . xal xa^töt^ itvx^ ctötiyv . . Naßov%oiov66oQ . . Big
BaßvXe>va correspondirenden Worte; dann einige Erweiterungen
nach dem biblischen Text, mehr jedoch Verkürzungen. — Am
Rande der londoner Handschrift Bl. 68' ist etwas über Antiochus
Epiphanes im Buch Daniel mit dem Namen Hippolyts bezeichnet
(Wright n, 910 a). Bardenhewer S. 24 f. hält es für diesem Exem-
plar der Catene, vom J. 1081, eigentümlich.
Ueber Paris, syr. 9 [Ancien fonds 3] (Catalogue des Manuscrits
orientaux de la Biblioth&que Nationale I 2. Sörie. Manuscrits sy-
riaques et sab^ens (Mandaites). Paris 1844 S. 2 f.) bin ich, zunächst
durch Herrn Pfarrer Lic. Dr. Preuschen und Herrn Lic. Dr. H.
Achelis aufmerksam gemacht, durch die Grüte des Herrn Abb&
Graffin unterrichtet worden. Diese Handschrift enthält „fragments
et sentences dötachöes, tir^s de tout TAncien Testament^ ; sie ge-
hört dem 13. Jarh. an. Das Fragment auf Bl. 345' kommt nach
Herrn Abbfe GrafBn mit dem von Pitra IV S. 47 Z. 11 mitgeteil-
ten überein; das teilweise zerstörte Fragment auf Bl. 349^ ent-
spricht Pitra IV S. 47 Z. 15-48 Z. 7.
Bardenhewer S. 21 hat auf Grund der Angaben von PL S.
Somal und C. Fr. Neumann darauf au&nerksam gemacht, daß War-
dan d. Große (f 1271) eine Auslegung des Danielbuchs „nach dem
Vorgang der alten Erklärer Ephrem, Hippolyt und anderer^ ver-
faßt hat, welche 1826 zu Konstantinopel gedruckt worden. Auch
mir ist über Wardans Schrift nichts bekannt. Lagarde's arme*
nische Handschrift von Werken Hippolyts enthält nichts für den
Danielcommentar. Näheres wird über sie Dr. H. Achelis, welchen
Lagarde mit der Verwertung dieser Handschrift betraut hat, auf
Grund der Durchforschung der Handschrift durch Lic. Karapet
berichten.
die handscliriftHche Üeberliefcrung des Danielroininentara Hippolyts. 31
3. Die slaylsehen Handschriften.
Schon im Jar 1874 konnte I. I.Sreznevskij in seiner Schrift
Skazanija ob antichrist^ v slavjanskich perevodach tvorenij sv.
Ippolita (»Die Sagen [Erzählungen] vom Antichristen in slavischen
üebersetzungen mit Bemerkungen über die slavischen Uebersetzun-
gen der Werke des heiligen Hippoly t. " St. Petersburg 1874) darauf
hinweisen, daß alle weitere Erforschung resp. Wiederherstellung
des Danielcommentars Hippolyts von dessen altslavischer Ueber^
Setzung auszugehen habe. Auch ward in dem Bericht A. Har-
nack's 187B in der „Zeitschrift für die historische Theologie" (Band
45) S. 38 — 61 („lieber eine in Moskau entdeckte und edirte alt-
bulgarische Version der Schrift Hippolyt's De antichristo") über
K. Nevostmev's Ausgabe der altslavischen Uebersetzung der Schrift
Hippolyts Vom Antichristen (K. Nevostruev, Slovo svjatago Ippo-
lita ob antichristi v slavjanskom perevodä po spisku XII vSka
[K. Nevostruev, „Die Abhandlung des heiligen Hippolyt vom Anti-
christen in einer slavischen uebersetzung nach einer Handschrift
des XU. Jarhunderts "] Moskau 1868) nach den Mitteilungen Nevo-
struev's S. 41 angemerkt, daß die von diesem zu Grunde gelegte
Handschrift auf Bl. 69 — 127 Schriften Hippolyts zu Daniel ent-
halte. Aber m. W. hat nur Th. Zahn, Theol. Lit. Zeit. 1877, Sp. 496
(in seiner Besprechung der Schrift 0. Bardenhewers) bestimmtere
Erwartungen an letztere Mitteilung geknüpft, und Sreznevskij's
AusfUrungen blieben um so mehr von Seiten der patristischen For-
schiuig unbeachtet, als sein schon durch die russische Sprache vie-
len Kreisen verschlossenes Werk nur in 160 Exemplaren gedruckt
worden und nicht in den Buchhandel gekommen war. Auch ich
bin nur durch Golubinskij's „Geschichte der russischen Kirche*'
(Moskau 1880, russisch) I, 1 S. 719 auf das Werk Sreznevskij's
aufmerksam geworden , und zunächst war es nur die hilfsbereite
Güte S. ExceUenz des Herrn Geheimen Rats E. E. Kunik, Mitglieds
der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, welcher ich
die Möglichkeit es einzusehen zu danken hatte.
Wie sehr mit Recht aber Sreznevskij die Bedeutung der alt-
slavischen uebersetzung des Danielcommentars zur Geltung zu
bringen sucht, davon hatte mich die schon vor Kenntnisnahme des
Inhaltes seines Werkes begonnene Durchforschung der Handschrif-
ten dieser Uebersetzung selbst überzeugt.
Keine der erhaltenen Handschriften für sich, aber wol ihr ge-
samter Bestand umfaßt nämlich den vollständigen D. C. Hip«
polyta : und zwar fast den ganzen Commentar eine Handschrift
32 Kathanael Bonwetsch,
der Moskauer geibtlichen Akademie (A) — nur U, 1 — 18 and B.
m in Cap. 3—5 S. 123, 9—129, 9 (dies durch ein Versehen des
Abschreibers) fehlen — , das U. Buch die oben erwänte Handschrift
des Öudovklosters (B), Buch 11 — IV, 36, 1 eine solche der Troicko-
Sergiev'schen Laura (L) ; schließlich ist Buch in bis Cap. 13, 1
auch in einer zweiten Handschrift der geistlichen Akademie, welche
über die Eroberungen Jerusalems berichten will (J), und Buch IV
Cap. 36,2 — 40,4 auszugsweise bei dem Kiever Annalisten unter
dem Jar 6619 (Uli) erhalten.
Die älteste und beste Handschrift ist B, beschrieben von Ne-
vostruev a. a. 0. S. 2 ff. und noch eingehender von Srezuevskij
a.a.O. n S. Iff. (vgl. auch meine Abhandlung „Die altslavische
lieber Setzung der Schrift Hippolyts vom Antichristen" in den Ab-
handlungen der Gott. Ges. d. Wiss. PhiloL-histor. Kl. XL. 3 S. 4).
Es ist No. 12/22 der Handschriften des Öudovklosters, dem ^TT —
Xni. Jahr, angehörend. Der Pergamentcodex in Kleinfolio ist
nach meinen Messungen 37 Centim. hoch, 29^/t breit ; die Schrift-
höhe beträgt 21, die Schriftbreite 13 Vs Centim., die Breite der Co-
lumnen je 6 Centim. In zwei Columnen zu je 15 Zeilen ist mit 6
Millimeter großen Buchstaben der Codex sehr schön geschrieben
(Tafeln mit Schriftproben bei Ne vostruev und Srezuevskij). Den
auf der Rückseite des ersten, unbeschriebenen, Blattes abgebildeten
Fürsten hält Srezuevskij für den Pskov'schen Fürsten Vsevolod;
vgl. seine eingehende Untersuchung in den „Memoiren der Kais.
Akademie der Wissenschaften (Zapiski Imper. Akademii Nank)
in St. Petersburg" 1866. Gegenwärtig umfaßt die Handschrift 127
Blätter. Das war (abgesehen von Einem Blatt) ihr Bestand schon
im XIV. Jarh. wie die in halbmysteriöser Schrift damals auf der
letzten Seite beigeschriebene Bemerkung „In diesen Büchern sind
128 Blätter, und dies vier Reiche" zeigt, (ursprünglich waren
138 Blätter in 17 Vs Quaternionen.) Den Defekt hat man schon
damals durch Correkturen vor und nach den fehlenden Blättern
zu verdecken gesucht (vgl. darüber Srezuevskij 11 S. 1 f.). Nur
bei den üeberschriften sind ganze Zeilen mit roter Tinte geschrie-
ben (so Bl. 68^ und 87), sonst nur einzelne Buchstaben in Zeilen-
anfangen. Hipp.'s Schrift Vom Antichristen hat Nevostruev a. a. 0.
aus dieser Handschrift herausgegeben und mit eingehenden Anmer-
kungen versehen (s. darüber Harnack a. a. 0.). Srezuevskij hat zu
seiner Ausgabe der slavischen Uebersetzung jener Schrift Hipp.'s^
die Varianten aus ihr mitgeteilt (III S. 1 — 30). Er hat aber auch
aus ihr (Bl. 68''— 127*) die Teile des D. C.'s enthaltenden Stücke in
genauer Anlehnung an die Handschrift herausgegeben 11 S. 6 — 85.
die bandschriftliche Üeberlieferan^ des Danielcommentars Htppolyts. 33
Ich habe seine Ausgabe meiner Verwertung von B zu Grunde ge-
legt, aber auch selbst die Handschrift verglichen, und zwar bis
S. 89, 18 der Ausgabe der berliner Akademie Wort für Wort, für
das Weitere an allen Stellen, wo Diiferenzen gegenüber der Hand-
schrift A vorliegen.
Diese Handschrift A ist No. 131 (486) der aus dem Joseph-
kloster zu Volokalamsk in den Besitz der Moskauer Geistlichen
Akademie übergegangenen Handschriften; vgl. Opis' rukopisej pc-
renesennych iz biblioteki losifova monastyrja v bibliotheku Mos-
kovskoj Duchovnoj Akademii , ieromonacha losifova. Izdanie
ObätSestva Istorii i Drevnostej Rossijskich pri Moskovskom uni-
versitete. („Verzeichnis der aus der Bibliothek des Josephklosters
[zu Volokalamsk] in die Bibliothek der Moskauer Geistlichen Aka-
demie übergeführten Handschriften. Von dem Hieromonachos Jo-
seph verfaßt. Ausgabe der Kais. Gesellschaft für Russische Ge-
schichte und Altertümer bei der Moskauer Universität.") Moskau,
1882. Eine sehr genaue Beschreibung der Handschrift hat Srez-
nevskij a. a. 0. 11 S. 35 — 55 gegeben (s. auch m. oben citierte
Abhandlung in den „AbhandL d. Gott. Ges. d. Wiss." S. 4 f.). Sie
ist mit zum Teil sehr großer Schrift in Quart auf Papier ge-
schrieben. Je etwa 15 Zeilen stehen auf jeder Seite. Die Hand-
schrift ist vollständig erhalten und zält 307 Blätter, welche
38 Va Quatemionen bilden. Am Schluß wird sie genau datirt:
„Im Jahr 7026 (3k3) ward dies Buch geschrieben im Kloster
unserer heiligen Herrin der Gottesmutter". Das Jahr 7026 ist
das Jahr 1519 n. Chr. — Ein und dieselbe Hand hat den ganzen
Codex geschrieben. Hier und da sind ausgelassene Worte und
Silben hinzugefügt, zumeist von erster Hand. Die Schreibweise
der Vorlage ist hier mitunter noch erhalten. Zunächst bietet die
Handschrift auf Bl. 2 — 78 das Werk De antichristo — jedoch
unter der Ueberschrift : „Des Buches des Propheten Daniel Ge-
sicht, Hippolyts des Bischofs, des Papstes von Rom Erläuterung.
Erklärung (über) Christus und über den Antichristen — , alsdann
Bl. 79—291 den fast vollständigen D.C. Hippolyts (s. ob. S. 32).
Die Bl. 292—306 folgenden Schriften (vgl. Sreznevskij H S. 64 f.)
haben keine Beziehungen zu Hippolyt, sondern sind den Auf-
zeichnungen des russischen Metropoliten Kiprian entnommen. Um
gut drei Jarhunderte steht A hinter B zurück, aber obschon A
auch an Zuverlässigkeit des Textes sich mit B nicht vergleichen
läßt, ist doch der Abstand hierin viel geringer, als man nach der
Verschiedenheit des Alters mutmaßen könnte. Gerade durch die
weitgehende Uebereinstimmung mit B beweist A die relative Güte
KfLOM. d. W. HMkriditmi. PkUolO(.<litolor. KImm. 188«. B«n 1. 3
$4 Nathanael Bonwet8c[h,
seines Textes, und wärend B nur Bach 11 umfaßt, so A fast den
ganzen Commentar (s. o.). Am größten sind die Textdifferenzen
natürlich in den Schriftcitaten. — Ich habe A bei meiner zu dem
Zweck mit Unterstützung der K. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin dorthin unternommenen Keise zu Sergievo bei Moskau
teils abgeschrieben, teils verglichen und dabei mich des freund-
lichsten Entgegenkommens des Rektors der Geistlichen Akademie
wie des Bibliothekars zu erfreuen gehabt.
Ganz ungleich weniger wertvoll als A ist aber der Text der
doch nur um weniges jüngeren Handschrift der Troicko Sergiev-
schen Laura (des Dreifaltigkeitsklosters zu Sergievo bei Moskau)
Ko. 77 (L). Dieser Codex — in Quart, auf Papier — ist 0,195 m
hoch, 0,145 m breit ; die Schrift 0,145 m hoch, 0,08 m breit. Nach-
dem auf Bl. 79 — 127 die Schrift lieber den Antichristen gestanden,
und zwar unter der gleichen XJeberschrift wie in A, folgt Bl.
128^-208" der D.C. von Buch H, 1-13 und HI, 1 bis Buch IV
Cap. 36, 1. L. beginnt diesen Abschnitt mit den Worten »Des
heiligen Propheten Daniel vom vierten Gesicht und die Deutung
des Traumes". Der hier mit B, später mit A parallele Text von
L zeigt, wie wenig sorgfältig diese Handschrift (oder ihre Vor-
lage) geschrieben worden.
Als eine glückliche Fügung darf ich es daher bezeichnen, daß
für die einzige Stelle, wo sowol A wie B der Handschrift L nicht
zur Seite stehen, EU Cap. 3 — 5 S. 123,9 — 129,9, doch noch ein
anderer Textzeuge als L mir zugänglich wurde, nämlich No. 217
der Moskauer Geistlichen Akademie (J), woselbst unter der XJeber-
schrift: „Des Propheten Daniel Erzälung (Erklärung) vom fünf-
ten Gesicht, von dem Baum, und wie ausgetrieben ward der König
Nabuchodonosor aus seinem Reich. Die Erzälung Hippolyts"
ß. m, 1—13 S. 117, 18—147, 20 des D.C.'s Hippolyts wiederkehrt.
Die XJeberschrift des Ganzen lautet in J: Sija kniga plenenii
ierusalimskaja („Dieses [„Dieses das"?] Buch der Eroberungen Je-
rusalems"). J ist eine Papierhandschrift in Quart von 371 Blät-
tern; 18,5cm hoch, 13 cm breit; die Schrift 15V8cm hoch, 8V8cm
breit; bei kleiner Schrift stehen je 24 Zeilen auf der Seite.
Bl. 49^ — 57^ sind leer, Bl. 58 tritt eine andere Hand mit etwas
größerer Schrift ein. Der Text ist L verwandt, aber besser. —
Da nach Stroev's „Bibliologischem Wörterbuch" (Herausgeg. von
Byckov im Sbornik der Kais. Akad. d. Wiss. 29, 4. St. Peters-
burg 1882. Russisch) S. 399 und 401 in No. 178 Bl. 760 (vgl.
auch No. 182 BL 830) der slavischen Handschriften der Moskauer
Synodalbibliotbek sich die gleiche üeberschrift wie in J findet,
die handschriftliche Üeberliefernng des Danielcommentars Hippolyts. 35
so dürfte auch dort dieser Abschnitt aus Hippolyt nicht fehlen.
Vielleicht entspricht auch der Inhalt von No. 45 der armenischen
Handschriften der Kön. Bibliothek in Berlin (Bd. X), wo Bl. 135—
144' „über die Zeit der Bedrängnisse, welche Jerusalem bedräng-
ten* gehandelt ist; auch ist das oben S. 26 erwänte chrono-
graphische Fragment zu vergleichen.
Außer in den genannten Handschriften ist die slavische Ueber-
sctzung des D.C.'s Hippolyts noch in anderen vorhanden, deren
fiir russisch-slavische Manuscripte hohes Alter eine gute Textes-
überlieferung voraussetzen läßt, die aber allzu schwer zugänglich
sind. Hieher gehört die Handschrift No. 92 (1827) des Siiskij'schen
Antoniusklosters im Norden Rußlands, eine Handschrift in Quart,
mit ca. 500 Bl. , aus dem Ende des 15. Jarh.s (Enthält auch die
Apokalypseerklärung des Andreas) : Ippolit k theophilu tolkovanie
daniila (Hippolyt an Theophil, Auslegung des Daniel). Femer
No. 11 (213) der Bibliothek des Bischofshauses zu Petrozawodsk :
in Quart, mit 181 Bl. , des 15. Jarh.8: Bl. 163 „Gesichte bei
(oder „über) Daniel" ; Bl. 157 „lieber die Gefangenschaft des
Königs Joakim*s und der Söhne Juda's (und) der (eigtl. »die**)
Stadt Jerusalem" (Beginnt: Im dritten Jahr u. s.w.). Berichtet
hat über diese Handschriften A. E. Viktorov, Opisanie rukopis-
nych sobranii v knigochranilistsach sSvemoj Rossii („Beschreibung
der Handschriftensammlungen in den Bibliotheken des nördlichen
Rußland") St. Petersburg 1890.
Ob die mir völlig unbekannt gebliebene Handschrift Georgevic's,
aus welcher Nevostruev a. a. 0. die in B fehlenden Stücke von
De antichr. mitgeteilt hat, auch Teile des D.C.'s enthielt, vermag
ich nicht zu sagen; es ist auch ohne Interesse bei der lieber-
einstimmnng jener Handschrift mit L, von der sie sogar abge-
schrieben sein kann.
Noch ist schließlich zu erwänen der Auszug aus IV, 36,2 —
40,4 S. 281,11—291,1, welchen der Kiewsche Annalist enthält.
Sein Verhältnis zu dem durch A vertretenen Text hat Sreznevskij,
„Sagen vom Antichristen" I S. 10—12 beleuchtet. Da der Text
jenes Annalisten selbst nur in sehr mangelhaftem Zustand vorliegt,
hat es keinen Zweck die Differenzen im Einzelnen namhaft zu
machen, sondern es genügt zu constatieren, daß alle Abweichungen
des Annalisten von A sich als Textescorruptionen deutlich zu
erkennen geben.
Wie hierin schon ausgesprochen ist, daß der Annalist die
gleiche Uebersetzung benutzte, so gilt dies überhaupt von
allen namhaft gemachten Zeugen. Sie geben alle unzweideutig zu
3*
36 Nathanael Bonwetsch,
erkennen y daß Eine Uebersetznng von ihnen verwertet ist. Dies
zeigen die in B und A und in B und L, ebenso die in A und L
und J gemeinsamen Abschnitte. Nun fürt aber der Annalist nur
bis zum Ende des XU. Jarh.'s , und gehört nach Nevostruev und
Sreznevskij auch B dem XII./XTIT. Jarh. an. Für den gemein-
samen Archetypus werden wir also in noch frühere Zeit gewiesen,
eine Beobachtung die durch in dem Text erhaltene altertümliche
Sprachformen ihre Bestätigung findet.
Was die Classificirung der Handschriften anlangt, so weisen
AL gegenüber B gemeinsame Merkmale auf. Da im D.C. nie ABL
neben einander hergehen, sondern — wol nicht zuföllig — 11, 14 A
einsetzt, wo L aufgehört hat, so tritt hier das Verhältnis nicht
so deutlich zu Tage wie in der von allen drei Handschriften so
gut wie vollständig gebotenen Schrift De antichristo. Schon die
De antichristo voraufgehende, deutlich auf den D.C. sich beziehende
lieber Schrift „Des Buches des Propheten Daniel Gesicht, Hippolyts
des Bischofs, des Papstes von Rom, Erläuterung^ zeigt die Zu-
sammengehörigkeit von AL gegenüber B. So lesen auch z. B. De
antichristo (Cap. 1) S. 7, 5 meiner deutschen Wiedergabe der alt-
slavischen Uebersetzung von De antichr. in den Abh. d. Gott.
Ges. d. Wiss., Phil. -bist. Klasse XL, 3 — AL „eitelrümenden"
tusteslavnyich gegen „eitelrednerischen" tüsteglasnyich in B, und
S. 7, 18 „das Zukünftige" budustaja (mit Auslassung von „und das
sein Sollende") gegen „das Gegenwärtige" byvajustaja in B, S. 10, 23
(Cap. 6) „König Christus und irdischer König der Antichrist"
<AL, S. 12,7 (Cap. 8) „in ihr" <AL, Z. 19 (Cap. 10) „denn"
<AL, S. 24,16 (Cap. 35) lesen für „dürre (Reiser)" suchoti AL
sut, Z. 23 (Cap. 36) „schauer voller" <AL, S. 25,15 (Cap. 37)
„war" <AL, S. 26,13 (Cap. 40) „und ein Gewarsam eines jeden
unreinen und gehaßten Tieres" < mit dem griechischen edirten
Text AL, S. 35,16 (Cap. 55) für chitrost' „die List" haben AL
chitrostiju, 36,27 (Cap. 68) „ebenso" <AL u. A. Im D.C. findet
sich aber nichts, was ein anderes Verhältnis der Handschriften
zu einander nahe legte. — Gegenüber A sind jedoch wieder 3L
einander näher stehend. Gleich in der Ueberschrift des fünften
Gesichts (Buch m, 1 S. 117) fügen JL zu „ausgetrieben ward
Nabuchodonosor" hinzu „der König aus seinem Reich", statt „Ge-
schlechtem" („Stämmen") plemenem lesen sie S. 117, 18 mnogym,
sie lassen S. 121, 24 „ganzen" gemeinsam aus und schreiben „aber
waren" ie bäachn (2e bjachu L) für „wonten" zivjachu , S. 123, 8
„liegen" für „wonen", S. 131, 9 „kam" für „kehrte wieder",
lassen S. 131, 11 „Gewalt", Z. 18 „für", Z. 15 „ihm", S. 188, 1
die handschriftliche Ueberlieferung des Danielcommentars Hippolyts. 37
„die*, Z. 2 „auch«, Z. 5 „als^ Z. 10 „denn«, Z. 23 „damals« aus
a. 8. w. Wärend bei J eine selbständige üebersetzung aus dem
Griechischen nicht hätte überraschen können, bietet diese Hand-
schrift nicht einmal eine selbständige Recension des Textes. Ich
bemerke, daß ich in Bezug auf J am wenigsten die volle Zuver-
lässigkeit aller meiner Angaben zu vertreten vermag, da ich meine
Collation nicht noch einmal habe revidieren können. Der Text
durfte aber dadurch nirgends gelitten haben.
4. Das gegenseitige TerhUtnls der HandsehrUten.
In meinem Aufsatz „Zur Datierung der Geburt Christi in
dem D.C. Hippoljiis« Nachr. d. Gott. Gesellsch. d. Wissenschaften
1895 Heft 4 S. BIB ff. habe ich bei Untersuchung der Stelle IV,
23, 3 darauf hingewiesen wie ASC, andererseits BP in einem deut-
lich hervortretenden Verhältnis der Verwandtschaft stehen (Ich
kann die Wiederholung von Einzelnem hier nicht vermeiden). Be-
sonders klar ist dies bei B und P. Buch IV, 23, 2 S. 240, 17
setzt P ein und bekundet sofort seine Zugehörigkeit zu B, indem
es mit diesem S. 240, 17 yd^p, 242, 9 tb cißßaxov wegläßt. Dagegen
bieten S. 244,2 B und P xh yäg 6äßßatov gegen das eiirfache
ödßßatov der andern Handschriften, 244, 4 xagayivoiiivfo für xaga-
yivoiiivov, S. 244, 19 und 246, 1 'Ijiiiöovg für iifkCfSBmg und ^fiitft;.
S. 246,2 lassen sie das durch A und J bezeugte xh iiixQov weg,
246, 6 r^ &yip. Wärend 246, 8 xä laixovxa in P gegenüber dem
inlUMttv in B sich dem x& iniXoma von AJ annähert, lesen sie
doch wieder beide 246, 14 xal i6xai für xXiüxm^ 248, 9 Sxs für Zva
und Z. 10 xdXiv für nä6iv. S. 248, 13 endet P , und beginnt
wieder S. 264,2. Auch hier zeigt sich die Zusammengehörigkeit
mit B in dem gemeinsamen yäg S. 264, 11, dem Fehlen von (töxotg
266, 3 , der Anordnung Tcaxa xbv vöiiov ^vöCctv (gegen Ov0iav xaxä
xbp vöiiav) 266, 7 und nQoiiijvvoxsg vor i(pBQov (zugleich mit Weg-
lassung von xbv xvnwi) 266, 10. S. 266, 9 fügen sie xvxixSiq vor
xi^iov ein. 266, 11 wird von beiden o{l weggelassen, Xp^tfrög vtbg
zugefügt , 266, 16 UbIv mehr vorangestellt , 270, 13 XQbg tcinoi)q
und 270, 17 xov Ugiag weggelassen. Am klarsten tritt die Zu-
sammengehörigkeit von BP Cap. 32,7 S. 272,3 hervor, wo BP
einen von AJS stark abweichenden Text enthalten. Die Frage,
ob dort BP oder AJS den echten Text vertreten, wird zu Gunsten
der Letzteren zu beantworten seÜL In BP erscheint der Gedanke
in vereinfachter Form. Hatten zur Begründung der Worte: Tot)
0vv%eli6at ijutfxias xal xov efpfaytöai ifucfxiag AJS gesagt Stfo»
38 Nathanael Bonwetsch,
yap 6(os tiXovg 'tinel^ifiöav airtm^ toikmv ovv oö (< AS) öwsteXiö&fi-
öav at afiaQriai aXk^ {xal AS) ifJg>Qccyi6d'ri6av etg XQiöiv fqgoiifLevttL *
o6ov dh fjiiskkov niöTSiietv airdi xal iioiioloyetöd'ai avtp üg dwa-
liivo) ätpidvai a^gtiag , xo'&toiv &nrikBlq>ovxo {a[ äfiagtLai + A) , so
heißt es bei BP Söoi ovv (yovv P) inlöxBvov aixA^ xovxcdv 6wBxe-
Xovvxo xal ii'qk££q)Ovxo al ufiaQxiaL' oöoc äi "^jtsi^tiöav (//(Tcid'oxfv B)
airnp^ xo'&cmv i6q)Qayi^ovxo al afiaQxlai xriQoviisvat Big xqCölv, —
Zu beachten ist noch S. 272, 10 kakiffi^ivxa für AaAot5ft£i/a, und nach
6g>QayliB6d'ai die Hinzufügung von xal nlriQovö^ai' xal Skkmg d^:
femer 274, 3 f. äsöficbv xrig afia^xiag , wärend A JS nur xov %avA-
xov ÖBöfiav bieten , 274, 7 jcdXaL xä für xä %dkai , 276, 1 iyyByga^
liBvov für yByQafi^ivoVj Z. 5 die Auslassung von oüxb inoxdxG) xf^g
yf^g^ 278, 13 Blifi für inl u. Anderes.
Mit voller Bestimmtheit tritt auch die Gemeinsamkeit Einer
Vorlage bei A und S zu Tage. Da fast der ganze D.C. in diesen
beiden Handschriften sich findet, ist hier auf eine annähernde Voll-
ständigkeit der Aufzälung der in Betracht kommenden Stellen
zu verzichten. Besonders charakteristisch ist der IV, 23, 3 zu-
gleich in A und S hinter vnaxBijovxog ^Povtpov xal ^PovßBkkmvog
sich findende Zusatz xal Fatov Kai6aQog xo xixagxov (xaX) ratov
KböxIov IkcxoQvivoV' lieber die Unechtheit dieses Zusatzes kann
ein Zweifel nicht bestehen: er widerspricht ja nicht nur aller
sonstigen Tradition der abendländischen Kirche über da^ Todes-
jar Christi (vgl. Ideler, Handbuch d. Chronologie U S. 415),
sondern auch der unmittelbar vorhergehenden Angabe. Von we-
niger strikt beweisenden Auslassungen, Umstellungen und Aende-
rungen sehe ich ab (S. 200, 8. 204, 9. 224, 15. 228, 16. 230, 3. 236, 13.
240, 2. 252, 17. 256, 7. 262, 15. 272, 4. 296, 10. 306, 14. 318, 3. 16. 320,
17). Aber S. 224, 18 f. lesen AS Blgti^ivcw und alaviov für ngoö-
xBxay^iviov und inovqavlov^ 232, 14 i/LiXQog für wol richtig BircBkiig^
lassen dort iiövov, Z. 16 itdvxag afiaQxokovg xal und Z. 20 itpd'aöBV
yäg ix^ avxbv fi öwxiksia weg. Ebenso fehlt gleich darauf S. 234, 6
ainov nQokdyovxog , i}g oxb ivBöxrpcsv ^ f^Liga xov xvqIoVj Z. 17
kotnbv^ Z. 22 xal xatg iavx&v nkdvaig xal xotg iavx&v ivvnvloig
xal iiv^okoylaig xal kdyoig ygapÖBöt und S. 236, 4 f. ngoöixovxBg
igdfucöi (laxalotg xal didaöxaklatg datfioviav . . xal xvgtaxfl xokkd-
xig. S. 240, 1 lesen sie jtöd'Bv dl für BlTcd (loi bI^ 288, 1 tö xad'ökov
für xifv xad' Skov ivavd-Q(07tri6iv. S. 286, 8 fehlt der sicher echte
Satz ikkä xb fi,dkkov xf^g olxovofiiag 8t& xfig XBLQog ötjiialvQv in A
wie S , ebenso S. 292, 14 hinter avmxiQm di^r^yfiödiiB^a die Worte
i^txa xbqI x&v xB66dQ<ov d'tiQLcav xov köyov ixotov^Bd^a, 318,8 ix
x&v 118 fi lUQix&g yivoiiivoiVj 328,2 — 5 ist eine gemeinsame Lücke;
die bandscbriftliche Ueberlieferung des Danielcommentars Hippolyts. 39
im Schlußcapitel 60 häufen sich die A und S gemeinsamen Aas-
lassungen S. 338, 10. 12. 13. 14. 18. 19. 340, 3.
Nicht gleich einfach ist die Frage nach dem Verhältnis von
C zu A zu beantworten. Es kommen auch gemeinsame Aus-
lassungen in B und C vor. So z. B. fehlt das ursprüngliche ainii
S. 216, 16 und das von AS bezeugte röv &yyil(ov S. 262, 12, —
aber an beiden Stellen erfdärt sich ein Ausfallen der betreflPenden
Worte leicht. Aber auch das schon häufigere ZusammentrefiPen
von CS ist nicht von Belang. Die bei beiden fehlenden Worte
avxfiq S. 72, 4, avtol 102, 17, aitov 196, 5, x6xb 196, 14, 8\ 208, 19
und auch xovq iöixovg 222, 10 konnten leicht beim Excerpt und
bei der Uebersetzung in Wegfall kommen. Wenn dagegen in A
und C S. 88, 1 die im Zusammenhang ganz unentbehrlichen Worte
von S „Soviel das Wort der Jünglinge siegte, so viel erzürnte
sich der König und befahl den Ofen" zu vermissen sind (die
Schlußworte des Satzes ixxavöai ixranXaöimg haben AC), wenn
S. 184, 15 statt diatp^eiQOvta (so mit Recht BS) AC diag>iQOvta
bieten , und wenn S. 278, 15 für iv navtl töxp (S übersetzt , wie
wenn jtäöiv röxoig in seiner Vorlage gestanden hätte) AC iv navxl
Tp xööiAWy — so kann kaum bezweifelt werden, daß AC gegenüber
S auf eine gemeinsame Wurzel zurückzuführen sind. Auf die
Weglassung von ßtßXq) (in iv rfj TtgAr^i ßißXq) xSiv Maxxaßatx&v)
S. 194, 1, von T« inoTcatG) tijg yrig S. 214, 1 und von devteQog S. 214, 3,
von avtov S. 324, 6 und die Ersetzung von naQayBvo\iivov S. 326, 2
durch «agayivofiivov mag man, weil auch sonst erklärlich, nur ge-
ringes Gewicht legen.
Daß die mit C bezeichnete Catene in den Handschriften
OV*V*P*P*L nur ihre Repräsentanten hat, bedarf keines einge-
henderen Beweises. Fast stets stimmt Anfang und Schluß des
Excerptes überein (nur P* gibt öfters nicht das ganze), und die
Abweichungen von dem durch ABS gesicherten Text sind gemein-
same. Es genügt hierfür auf die charakteristischen Differenzen
in Buch IV, 7 S. 200, 13 ff. zu verweisen: gegenüber tbv (iihv
Xifvöbv Blvai tifv r&v Baßvk(ovC(ov ßaöikeiavj iitig ^v f^ Xiaiva lesen
OV*V*P* flv 6 %QOfpifj[trig iv rg igdöei Xiaivav xaXsf ottivsg elöl
ßaßvXAviOij gegenüber tbv di äfyvQov tifi/ t&v IIbq6&v V^ig fj(v fi
ä(fxog hat C 6 srpo^ifrijg iv rg Sgäöst ainov Sqxvov (6pa + P') •
otxivBg [Vjitig P^) bUI xigöai xal fiijdoi und so fort. Unter den
C vertretenden Handschriften sind und P' wie die ältesten, so
die besten (s. o. S. 23 f.). Dagegen gehören V" V*P* eng zusammen.
V* und P* sind auch durch das stets fast gleiche Lemma ver-
bunden: das einfache InnoXvtoVy während V tnndXvtog fidftvg
40 Nathanael Bonwetsch,
(V* verbindet nicht selten auch ohne Lemma) und hixoX'&tov
iniöxönov ^6(irig (auch &yi(otdtov [xnoL u. s. w.) zu haben pflegen,
dagegen P* ein Lemma meist vermissen läßt. Aber auch im Text
ist des V^ und P* Eigentümlichen genug: S. 2 zu Z. 10 < V*P»
xal; S. 6, 10 lesen övvstxBv V*P^ (öweixovro 0); S. 17, 1 of aix-
ftaAorot für aix^dkcotoL ; S. 19, 1 xal rfj für r^ ; 20, 9 ßaöiUiav
für aixiiccXmöiav; 22,3 ysyevrifidvoL für- y£vdft€i/ot; 31, 23 < ftiv,
dagegen 31, 24 + iiiixBQog; 44, 20 fiLfitiöafisd'a (0 iiifi,ri66(i€^tt\
S. 48,11 inb rov d^sov für inb d'sov; 50,17 &Qxovtsg dh für &q-
XOvt^Sj 52,19 vostv erst am Schluß des Satzes; 54,14 iv + yor
iSlovg xaiQots ; 60, 17 öjcstöav für axivdsöd'ai, ; 62, 12 < x^Q^S vor
BaßvkSfvog u. s. w. — V* teilt im Ganzen die Lesarten von V*
und PS aber weicht doch nicht selten ab: Z.B. S. 46,17 <iroi),
Z. 18 xal; S. 48,11 liest V* ixksyöiisvog statt ixXeyslg wie C,
6 ngoipi^rfg für jCQoq).,^ 60,17 aixbv für ait^, S. 72,8 di^ d'sbv x&v
jfdvtmv für Äg d'ebg vjtb srai/rcn/, Z. 15 mit ccötbv rbv ßaöiXia
st. mit V^P* ait&v tbv ßaöiXaa u. s. w. Dennoch würden diese
Differenzen nicht hindern, V^ geradezu für eine Abschrift von V
zu halten, wenn nicht schon das warscheinliche Alter der Hand-
schrift dem widerstritte, zumal da V* eine recht mechanische Ab-
schrift zu sein scheint (vgl. IV, 30, 2 S. 262, 19) , wärend doch
das Auseinandergehen im Lemma ein selbständiges Verfaren des
Schreibers gegenüber seiner Vorlage voraussetzt. Daher habe ich
auch die Lesarten von V* in meinem Apparat angemerkt, obwol
diese Handschrift für die Herstellung des Textes nichts austrägt.
Wirkliche Schwierigkeit bereitet nur das Verhältnis von J zu
den Handschriften ABS. Wie J keine Handschrift des Danielcom-
mentars ist (s.o.), sondern Abschnitte von De antichri^o mit
Teilen des D. C.'s vereinigt, so bietet es auch nicht von Buch IV,
23 S. 240,15 an, wo es einsetzt, in ununterbrochener Folge den
ganzen weiteren Commentar. Wie J hier und da zur Verdeut-
lichung einige Worte einfügt (gleich S. 240, 16 r& t&v ^pövcoi/ et-
xetv und Z. 17 x^ äv^fäxo) , S. 244, 4 ainov , 270, 1 xovxo d^Aoi,
274. 17 xal ndkiv 6 avrbg tp'gfily 282, 14 [mit C] rovro, 284, 1 avxov\
330. 18 ovvj 332, 10 iv xdi 6wxsXB6^rivai, diaöxoQjtiöfiöv , so macht
J recht häufig sich mannigfacher Auslassungen schuldig. Kürzere
Auslassungen liegen vor (ob J und S S. 244, 2 &v ^gl^axo icoutv
mit Unrecht weglassen, ist nicht sicher zu constatieren) S. 246, 1
(mit S) xal xb üi^og avxflg X'^x^og otal fl(ii6v, 248,3 Sst, Z. 7 negl
ov liMCQoö^sv Xöyov inoiriödtied'a, 252, 13 f. xbv xgdyov^ 254, 5 xovx'
iöxiv I^BkBvxtpj JruLtjftQlm^ JlxoXBnaiai xal OiXtxnp, 204, 4 rot), 264, 5
xal xov dyayBlv dixaioövvriv aiavtov (auch AS haben an dieser
hand8cliriftli€he Ueberliefenmg des DaDielcommentara Hippolyts. 41
Stelle Eürzimgen), Z. 12 yäg^ Z. 13 h&v, 270, 11 iavtbv elvM tbv
xtxQiöiidvov {mb rov xargbg xccl slg tbv xööitov &ies6raXitivov, 272, 6
xal i^o^oXoystöd'ai aina, Z. 11 f. tä iötpQayfi^va xal yvm^d'flvm ^^
dttvttfLBva cvx6X(og i^tiyvmöd'fl, xal, 274, 14 nävta^ 276 mehrfach, 278,
10 ovrijff, 280,6 6 ftax. ^av., 8 xdXiv avrbg^ Z. 14 fifiBgcbv, Z. 15
slKOfftfl xal, 282,3 xal elSov, 7 elg, Z, S b XQi6tbg, Z. 10 elg iv-
dnliv, Z. 17 y&Q, Z. 18 airov und &g, 284,4 6 Xöyog^ Z. 8 totg
81 dixaCoig xal elg avtbv '/jXntxoöiv xi^v atavcov ad'avaöiav icaQaöxfj^
Z. 12 Xsy$i, Z. 15 Xqi6tov, S. 290,4 (ist i(iov, Z. 12 iv x^ 6*ö,
292,7 Ixi, Z. 14 ovv, Z.16 xavta, 7j, 20 (mit A) alxa S^pSi^?, 294,4
vtbg <biXC7txov ysyovmg, xal, Z. 9 exegog dvvaxbg, Z. 12 xorl rpta-
xo6xa, Z. 15 xs66aQaxo6ta^ Z. 16 roi^? Svra^ ir orxco (dafür ofxov),
Z. 17 roiJroi/ ovrog yai/ofi/i/coi/ (dafür xal), 296, 2 xal vöfiotg^ 300,11
atnavg , 308, 1 (iiä, Z. 16 iäiav , Z. 18 oödi ainm iiivei^ 310, 6 xal
oixog^ Z. 9 IdCoig^ 314, 1 tov iöxQafifiivoVj Z. 15 dtä rov ;rpo9>i}rov,
316,3 ndvxa, 324,5 of vfol rot) ^cor, 330,3 xal eldov y Z. 4 bxbqoi.
Umfangreichere Weglassungen finden sich S. 248, 9 — 13 , 248, 19
—252, 6 (Dan. 8, 1—14), 254, 14 ff. 256, 9-258 , 16 (der Text von
Dan. 8, 16-27), 260, 7-262, 15 (Text von Dan. 9, 2—7. 10. 20—23,
teils direkt, teils umschreibend) 262, 16 — 19 (umschriebener Text),
268,12-14 (Eph. 2,14.15: xal i|i}(? J) und Z. 16 f. (Col. 2,14).
Von der großen Auslassung 284, 17 — 290, 1 (Erklärung von Dan.
10,7 — 19) an wird in J der Text nur noch lückenhaft geboten;
es fehlen 292,4—7, 296,2—298,8 (Bericht aus 1 Makk. 2) 298,11
—13.15. 298,18-300,9. 302,16—306,6 (Vorgänge aus 1 Makk. 3
—7) 308,2-4.7— 9. 14 f. 308,18—310,3. 310,13—19, 312,6—18.
314,6-12. 316,6-322,15. 322,19-324,1. 324, 12 f. (mit A, wol
wegen des Homoioteleuton). 326, 5—9. 326 , 12—330, 2. 332, 17 bis
zum Schluß.
Daß J nicht zur Gruppe BP gehört, wird durch die J mit
AS gemeinsame Fassung von IV, 32, 7 S. 272, 3 ff. und 33, 4 S.
274, 3 f. (s. 0. S. 37f.) deutlich. Noch bestimmter durch das Zu-
sammentreffen mit A in IV, 45, 1.2 S. 300, 13. 17 , wo A und J
gegenüber dem besseren Text von B die gleichen Abweichungen
aufweisen. Dan. 11 erklärt dort Hippolyt aus dem Bericht des
Makkabäerbuches. Er hat Dan. 11, 3. 7 und 34 durch die Erhebung
des Mattathias zu belegen gesucht (Cap. 42—44), zu der Deutung
von Dan. 11, 6 geht er Cap. 45 über. Da ist XiyBi naXiv^ wie B
liest, aber nicht XiyBi 8\ oOrcD^, wie AJ bieten, oder XiyBi yäg oCf-
xmg, wie S voraussetzt, das Richtige. Ebenso hat B das Richtige
— so urteilte Herr College von Wilamowitz, dessen auf mein An-
fragen mir erteilter Auskunft ich mich nur anschließen kann — ,
42 Nathanael Bonwetsch, die handscbriftliche üeberlieferong eic
wenn diese Handschrift gleich darauf 46, 2 im Anschluß an das
Citat (in 45, 1) von Dan. II, 6 liest : xal ysyivirjitai xal rovro. Tlro-
Xsfiatg yäg tig ßa6iXsvov6a Atyiixxov ixitogevEtai xxX, AJS dagegen
haben: ysyevrjrac ydg rvg ntoXe^atg* avrij (in J vor IltoLy S liest
ywif) ßaöiks-vovtfa Alyvnxov. törs di) ixjcoQsvetai xxX. — Scheint
hierdurch ein engeres Verhältnis von A zu J als zu B angezeigt, so
spricht nicht minder dafür die A und J gemeinsame Auslassung IV,
55, 1, wo nach fnaigag xikiag Siaxoeiag ivevi^xovxa die Worte fehlen:
(ä)g) xal daviiik Xiyei* xal dd}6ov6tv ßddkvyfia iQijiimöeiüg f^fiigat^
%CXvai dtaxööiai ivsvi^xovxa. Aber niemand wird verkennen, wie
leicht an der letzteren Stelle durch das Homoioteleuten selb-
ständig in A und J jene Auslassung eintreten konnte. Schwerer
wiegt jenes Zusammentreffen von AJS IV, 45, 1. 2. Doch auch hier
dürfte keine Nötigung zur Annahme eines AJS gegenüber B ^-
meinsamen Archetypus vorliegen. Einer solchen aber stellt sich
sehr entschieden die im Gegensatz zu J den Handschriften ABPS
gemeinsame Gestalt von IV, 23, 3 gegenüber. Im Unterschied von
der genauen Datierung der Geburt Christi auf die Octave vor
den Kaienden des Januar in den letztgenannten Handschriften
(vgl. diese „Nachrichten" 1895 S. 517 ff.) hat J nur ^ yag jtgAxti
naQovtSia xov xvgCov fi^&v ii Ivöagxog iv Bti^Xeifi inl Avyov6xov
yeysvrjxaL nBvxaxi6%i,XL06xm xal 7Csvxaxo6iO(Sxdi ixei. Daß es sich
hier aber nicht um eine Auslassung änlich den sonstigen in J
handeln kann, ist nicht nur dadurcn ausgeschlossen, daß solche
Auslassungen in J (abgesehen von längeren Schriftstellen) nur
gegen Ende des Buches eintreten, sondern auch durch die völlig
gleiche Gestalt der Stelle bei Georg dem Bischof der Araber,
welcher nicht aus einer mit J gleichlautenden Vorlage, sondern
nur unmittelbar oder mittelbar aus einer die einzelnen Bücher des
D. C.'s deutlich erkennen lassenden geflossen sein kann (s. o. S. 29).
Daher dürften A und B gegenüber J zusammengehören, obwol eine
gewisse Unsicherheit hier zurückbleibt , da IV, 23, 3 in einem Ar-
chetypus von J und Georg tendenziös gekürzt sein könnte. Das
Stemma wäre demnach Folgendes:
I
1
1
1
A C
1
BP
S
1
P»
b 1
a 1
yi pi
1
1 i 1
V*
\
Georg d. Araber
Uer Ursprung des Buddhismus aus dem
Sänkliya-Yoga.
Von
Hermann Jacobl.
(Vorgelegt vou F. Kiel hörn in der Sitzung vom 14. December 1895.)
Die früheren Erklärer des Baddhismas führten dessen philo-
sophische Grundlage gewöhnlich auf den Sänkhya zurück. Ihr Ur-
teil war auf Aehnlichkeit mehr im Allgemeinen als in festen greif-
baren Punkten gegründet; daher erhob Prof. M. Müller scharfen
Einspruch: ;,we have lookcd in vain for any definite similarities
bctween the System of Kapila, as known to us in the Sänkhya-
sütras , and the Abhidharma or mctaphysics of the Buddhists*'.
Prof. Oldenberg stimmte ihm in der ersten Auflage seines Buddha
unbedingt bei, während er in der zweiten Anklänge der Sänkhya-
lehren an die buddhistische Doktrin gelten läßt. Aehnlich Herr
A. Barth (Religions of India* p. 116); derselbe glaubt, daß beide
Systeme neben einander aufgewachsen seien und sich gegenseitig
beeinflußt hätten. Neuerdings hat nun Prof. Garbe, der gründ-
lichste Kenner des Sänkhya, die ursprüngliche Ansicht wieder
aufgenommen und den Ursprung der buddhistischen Philosophie
aus dem Sänkhya behauptet. Seine Gründe hat er in der Vorrede
zu seiner Uebersetzung der Sänkhya-tattva-kaumudi niedergelegt
(Abhandlungen der k. bayer. Ak. d. Wiss. I. Cl. XIX. Bd. HI. Abth.
p. 622 ff.) Es sind folgende acht Punkte: 1) die beiden Systemen
gemeinsame Neigung für pedantische Zählung der von ihnen auf-
gestellten Begriffe. Gegen die Beweisfähigkeit dieses Argumentes
habe ich bei Gelegenheit einer Besprechung von Garbe's Säipkhya-
Philosophie in den Gott. gel. Anzeigen 1896 p. 209 geltend ge-
macht, daß diese Neigung allgemein indisch und in der Natur des
wissenschaftlichen Erkennens auf der ersten Stufe seiner Ent-
wicklung begründet ist. 2) die Vorstellung, daß dies Leben ein
Leben der Schmerzen sei. Aber auch diese Vorstellung scheint
44 Hermann Jaeobi,
allgemein indisch zu sein. Der Begriff von nirveda, mrvinna eic.
ist zu eng mit dem weltflüchtigen Asketentnm verwachsen, als
daß wir seinen Ursprung in einer bestimmten Philosophie suchen
dürften. 3) Buddha's Verurteilung des Opferwesens und die Her-
absetzung der Opfer im Sänkhja auf das Niveau der alltäglichen
Mittel zur Bekämpfung «des Leides , weil sie mit dem Töten von
Tieren verbunden wären. Aber auch die übrigen Philosophien
lassen die Opfer nicht als Mittel zur Erlangung des ewigen
Heiles zu. Wenn nun als einer der Gründe, weshalb das Opfer
ebenso wie andere Mittel unzulänglich sei, von Commentatoren
hervorgehoben wird, daß das Opfer von Tieren zwar hauptsäch-
lich Verdienst herbeiführe, diesem aber wegen der Tötung des
Tieres, dem Zerstören von Samenkörnern etc. eine geringe Bei-
mischung von Sünde beiwohne , so ist daraus noch keine Abnei-
gung des Sänkhya gegen das Opfer überhaupt und aus dieser die
Verurteilung desselben wie bei den Buddhisten herzuleiten. Man
beachte daß für alle Asketen , brahmanische , buddhistische und
Jaina, das Nichttöten lebender Wesen als höchstes Gesetz galt
(cf. Sacred Books of the East vol XXTT Introd. p. XXTT ff.). -
4) die Verwerfung der Askese bei den Buddhisten und das sthtra-
sukham äsanam „unbeweglich aber bequem soll die Sitzart (des
Meditirenden) sein" im Yoga und Sänkhya. Beides hat aber nichts
mit einander zu thun. Denn das äsanam , die Sitzart , ist keine
Askese, sondern ein Mittel zur Meditation. Die Askese tapas
selbst wird im Yoga ausdrücklich empfohlen als erster des Jcriffä-
yoga (Yogasütra 11 1) und die Sänkhya -Philosophie verurteilt
iapas nirgends. 6) Die Ansicht, daß Alles in stetem Werden und
Vergehen begriffen sei; es stimmt also der Grundsatz von dem
parinäminitycUvam aller Produkte der Prakrti mit der Vergäng-
lichkeit aller dhartna's bei den Buddhisten überein. Dies ist ein
durchaus richtiger Gesichtspunkt, der wohl beachtet zu werden
verdient. 6) Der geringe Unterschied, der zwischen dem höchsten
Ziele menschlichen Strebens in der Sänkhya Philosophie und dem
Nirvä^a des Buddhismus besteht. Aber größer ist der Unterschied
zwischen dem Nirvä^a und dem ewigen Heüe, mukti apavarga
nihsreyasa kaivälya etc. aller anderen Systeme auch nicht. 7) Die
Bezeichnung der verschiedenen Stufen der Befriedigung (tuffi) als
pära , supära , pärapära , und der 3 ersten Vollkommenheiten («td»
dhPs) : tära^ sutära, iäratära gehe auf das Bild zurück, welches dem
Buddhismus so geläufig ist: das von der Ueberfahrt aus dem
Ocean des Weltdaseins in den Hafen der Erlösung. Aber auch
dieses Bild ist ein ganz allgemein indisches und beweist daher
der Ursprung des Baddhismas aas dem Sänkhya-Yoga. 46
ebensowenig wie andere dergl. Uebereinstimmangen etwas fiii' die
Herkunft der buddhistischen Philosophie aus dem Sankhya. Zu diesen
Gründen tritt noch ein weiterer , den Prof. Garbe in seiner Säm-
khya Philosophie p. 195 f. dargelegt hat : 8) die Uebereinstimmung
der vierfachen heiligen Wahrheit (vom Leiden, von der
Entstehung des Leidens, von der Aufhebung des Leidens, von dem
Wege zur Aufhebung des Leidens), des a^'iyasaccam des Buddha,
mit der Yierteüung des LehrstoÜes im Yoga (der Samsära, die
Ursache des Samsüra, die Befreiung und die Mittel zur Befreiung).
Etwas abgeschwächt wird das Gewicht dieser Uebereinstimmung
durch die Bemerkung Yyäsa's, daß diese Yierteilung analog derjeni-
gen der Medicin sei, aus der sie also entlehnt sein könnte, wie
Prof. Kern annimmt (Buddhismus I p. 469).
Wenn auch die von Prof. Garbe angeführten Gründe nicht
genügen, seine These zu beweisen, so machen sie dieselbe doch
wahrscheinlich. Zu derselben Ueberzeugung wie er war ich schon
lange gelangt. Ich will im Folgenden versuchen das Problem,
wie ich es erfasse, zusammenhängend zu behandeln und zu seiner
Lösung, wie ich hoffe, zu führen.
Prof. Kern hat in seinem „Buddhismus^ mehrfach, besonders
aber in dem Kapitel „Meditation und ihre Hülfsmittel^ p. 470 ff.
darauf hingewiesen, daß der Buddhismus viele Begriffe
dem Yoga entlehnt hat. Die Ueberlieferung über Buddha's
Leben zeigt uns den wahrscheinlichen Weg, auf dem dieser zur
Annahme von solchen yoga-technischen Begriffen gelangt ist. Denn
Buddha soll, nachdem er das Haus verlassen hatte, bei Älära
(Aräfja) KälSma und Udraka (Rudraka) Rämaputra in die Lehre
gegangen sein. Beide Lehrer waren Anhänger des Yoga. Der
erstere hatte es bis zu einer Stufe der Versenkung gebracht, die
(M^a^äyatana^ sanskrit: äkifkanyäyatana genannt wird, und der
zweite zu der Stufe nevasaf^iMnäsaiMiäyatana , sanskrit: naivasa^it'
ßkanäsanijfiätfatana^). Diese Ausdrücke gehören der buddhistischen
Terminologie an, und zwar bezeichnen sie die zwei höchsten der
äruppakammaftkana*). Daß wir es trotz dieser specifisch buddhisti-
schen Ausdrücke mit echtem Yoga zu thun haben, beweisen die
1) Siehe die zaerst von Prof. Oldenberg aas dem Ariyftpariyosftoa Sotta mit-
geteUle Stelle (der Baddha p. 427) und LftliU Vistara 296 f und S06ff.
2) Siehe Ghilders Pali Dictionary p. 180 und Saliekha SatU des Majjhima
KikiTa (Pali Text Soe. Ausgabe p. 41 f.). Die beiden Stafea entsprechen etwa
dem smnando' and säsmita-samädhi des Yoga Satra I 17., die aach die der
vidtka and jprakrUlaya genannt werden ib. 19. Allerdings stimmen die ErkU-
rangen von Bhoja Rlja and VficaspatimUra nicht ftberein.
46 Hermann Jacobi,
Worte des Ariya Pariyosäna Sutta: na Jcho Älärass' eva Kälä-
niassa atlhi saddhäy mahyam ly'aitlii saddhü . na kho Alärass' cva
Kälämassa atthi viriyam , . . satt . , . samädhi , , . paflfiä mahyam p^aithi ;
ähnlich lautet die Stelle im Laiita Vistara p. 295 und 307 *)). srad-
dhä^ vTryam, stnrli, samädhi und prajtiä sind aber nach Yogasütra
I 20 die 5 upäyd's des yoga's derjenigen, welchen er nicht ange-
boren ist. Wenn wir nun dem Buddhacarita des Asvagho^a XTT
Glauben schenken wollen, so war Arä<}a Käläma ein Anhänger
der Lehren Kapila*s, Janaka's, Parääara's und Jaigisavya^s ; diese
Lehren stimmen in allen Hauptpunkten mit dem uns bekannten
Sänkhya und Yoga überein, nur daß, wie schon Prof. Windisch*)
hervorgehoben hat, die drei guna^s nicht in den Vordergrund treten.
Aehnlichen Abweichungen,, wenn auch nicht denselben, begegnen
wir auch bei populären Darstellungen derselben Lehre im Mahä-
bhärata an verschiedenen Stellen. Folglich wäre die erste Philo-
sophie, der Buddha angehangen hätte, die Sänkhya Lehre gewesen,
und es wäre zu erwarten, daß sie einen starken Einfluß auf seine
spätere Entwicklung ausgeübt hätte. Wenn sich aber Afivaghosa's
Darstellung nicht auf eine echte Ueberlieferung stützt, so wird
dennoch dieselbe der Wirklichkeit entsprochen haben. Denn die
Meditation oder Versenkung war als eine Kunst im Yoga ausge-
bildet worden ; die Kenner des Yoga waren die berufenen Meister
und Lehrer in dieser Kunst, die ja auch einfach yoga heißt. Die
Praxis des yoga mußte auf Grund einer psychologisch - phüosophi-
schen Theorie aufgebaut worden sein. Diese bot die Sänkhya
Philosophie, die immer mit dem Yoga zusammen vorkommt, wes-
halb beide auch im M. Bh. als sanatane dve bezeichnet werden'}.
Soweit uns der Yoga bekannt ist, ist seine philosophische Grund-
lage dieselbe wie im Sänkhya. Wenn also Buddha sich im Yoga
geübt hat, muß er durch die philosophische Schule des Sänkhya
hindurch gegangen sein, und wir sind daher wohl berechtigt anzu-
nehmen, daß seine Philosophie sich aus der des Sänkhya heraus
entwickelt habe.
Man beachte, daß nach der Tradition Buddha zu seinen ersten
Lehrern nicht in Gegensatz getreten ist; denn nach Mahävagga
1) An der ersten Stelle steht chandas für iraddhä, was p. 807 wirklich ge-
braucht wird« — Dieselben Ausdrücke in derselben Reihenfolge kehren auch sonst
im Canon wieder z. B. in der von Prof. Oldenberg ans dem Anguttara Nikftya
(Buddha * p. 446) angeführten Stelle. Sie bilden die fünf hala's eines BodhisattTa,
siehe Hardy, Manual of Buddhism p. 498.
2) Liter. Centralbl. 1894 p. 1206.
8) Siebe Garbe: S&mkhya Philosophie p. 4.
der Drspnuig des Buddhismus aus dem Sänkhya-Yoga. 47
I 6 soll er beabsichtigt haben, ihnen zuerst die von ihm gefundene
Wahrheit zu offenbaren. Er konnte es aber nicht mehr, weil jene
beiden Männer schon gestorben waren. Mag das auch Erfindung
sein, so geht doch soviel daraus hervor, daß Buddha oder wenig-
stens die Gemeinde den beiden Lehrern ein gutes Andenken be-
wahrte. Buddha soll sich von ihnen getrennt haben, weil die von
ihnen erreichte Stufe der Versenkung nach seiner Meinung nicht
die absolut höchste sein konnte. Denn beide Meister waren aus
ihr zu weltlichem Dasein zurückgekehrt. So versuchte er dann
durch eigene Bemühung auf dem gewöhnlichen Wege der Askese
2ur höchsten Stufe vorzudringen. Aber er gelangte nicht zu der
vom Yoga verheißenen inneren Anschauung des ätman. Darum
verwarf er die Askese und ließ den ätman aus seinen Betrach-
tungen weg, weil er nicht zu innerer Gewißheit über ihn gelangen
konnte. Er versuchte ohne ihn auszukommen. Dabei hielt er
dennoch an den übrigen psychologisch - philosophischen Grundbe-
griffen fest, die im Yoga und Sänkhya gelten. Dies soll im Fol-
genden gezeigt werden.
Die buddhistische Philosophie ist zu einer bei den Südlichen
und Nördlichen gleichlautenden Formel condensirt in der 12glie-
drigen Kette von Ursachen und Wirkungen, dem paficcasamuppcida
oder den 12 Nidäna's, nämlich: 1) avidyä, 2) samskäraj 3) vij^äna^
4) näniarüpay 4) ^adäyatana, 6) sparsa, 7) vedanä^ 8) tr^näj 9) upä-
dänCf 10) bhavay 11) jäti^ 12) jarämarana. Schon Prof. Weber *)
hat versucht, diese Nidäna's mit den tattva's des Sänkhya zu ver-
einigen , indem er avidya mit prdkrii , die saffiskärd's mit buddhi,
vißiäna mit ahaijihära etc. etc. identificirte. Doch das ist gewalt-
sam, weil die von ihm zusammengestellten Begriffe nichts mit
einander zu thun haben. Die Uebereinstimmung der Nidäna's mit
den Grundbegriffen des Sänkhya wird sich uns auf anderem Wege
ergeben; dazu müssen wir uns kurz die Grundbegriffe vergegen-
wärtigen, wie sie uns namentlich im Yoga entgegentreten. Aus
der an sich weder belebten, noch intelligenten Prakrti hat sich durch
den Einfluß des Puru^a die Denksubstanz buddhi (cetas, citta) ent-
wickelt, die, soweit sie einem bestimmten Puruija eignet, dessen
Verstand bildet. Diese ist in steter Bewegung oder fortwähren-
dem Flusse. Ihre Bewegungen oder Fluctuationen (vrUi) werden
durch Abspiegelung des purufa in ihnen scheinbar intelligent und
werden dann als Gedanken oder Gemütszustände von dem purufa
1) Die neuettea Forschongen auf dem Gebiete des Baddhismns, Berlin 1868
p. 16 f.
48 Hermann Jacobi,
„geschaut". Wenn diese vrtti^s nach außen gerichtet sind, bilden sie
in der Denksubstanz die Dinge der Außenwelt nach , dadurch
entstehen die Vorstellungen und Begriffe. Indem nun auf diese
Weise der Puru^a sich für ein denkendes und handelndes Sub-
jekt hält, entwickelt sich aus der huddhi der afiarnkära^ das
iSubjectivirungsorgan , oder kosmisch: die Substanz der Indivi-
dualität. Aus dieser gehen einerseits die 10 Organe, indriyaj
und der innere Sinn nmnaSj anderseits die fünf feinen Elemente
hervor; aus diesen entstehen die fünf groben Elemente, aus denen die
Welt aufgebaut ist. Bei der Entstehung dieser Producte der
Prakrti spielen die drei gund's oder Constituenten derselben je
nach dem Vorwalten der einen oder anderen eine wichtige Rolle;
doch können wir in diesem Zusammenhang davon absehen. Diese
im Sänkhya consequent entwickelten Begriffe bUden im Yoga die
theoretische Grundlage für die Praxis der Meditation oder Ver-
senkung. Die Versenkung oder yoga besteht in der Unterdrückung
der Bewegungen, vrUi'Sj der Denksubstanz *). Dann bildet dieselbe
gewissermaßen wie unbewegtes Wasser einen glatten Spiegel, in
dem sich der puru^a unverzerrt , wie er ist , abspiegelt , während
sonst sein Bild verzerrt wird in den Fluktuationen der Denksub-
stanz, wie das des Mondes auf unruhiger Wasserfläche^). Wenn
die Denksubstanz also zur Ruhe gelangt ist und sich nur der
purvfa abspiegelt, dann wird das Wissen unendlich und die Ver-
bindung von puru^a und prakrti löst sich definitiv, es tritt das
kaivaiyam (oder muklij nirvrti^ nirväna) ein. Aber selbst wenn
man auf dem Wege dahin ist, wird die Denksubstanz immer wieder
in Bewegung gesetzt durch die sa7iiskära^s oder väsanä^s , d. h. die
latenten Eindrücke, die in ihr von früheren Handlungen; karman,
zurückgelassen sind '). So lange die sariiskära^s nicht vertilgt sind,
tritt nicht der für die Erlösung erforderliche Zustand der buddhi
definitiv ein, oder mit andern Worten, löst sich nicht die Verbin-
dung zwischen puru^a und prakrti. Der Grund dieser Verbindung
ist die avidyä, der Irrtum*). Schwindet sie, so löst sich die Ver-
bindung definitiv und es tritt das kaivalya ein ^). Also : avidyä ist
1) yoga4 dUavrttinirodhah. YogasQtra I 2.
2) ib. I 8, 4 tadä droffuh svarüpe ^vasthänam . vrttiaärapyam itaratra.
8) ib. IV 26 iacehidrefu prcUyaySntarä^i aamshSrebhyah.
4) ib. 11 24 tasya hetur avidyä. Vyäsa erkl&rt hier avidyS als viparyaya-
jninaväsanä d. h. der latente Kindruck (samtkära) , den anrichtige Erkenntnis in
der buddhi sarückgelassen hat. Sie ist der erste der fünf kleda : avidym asmitä
rsga dotfa abhiniveia, ib. II 8 ; und als solche ist sie die Ursach der abrigen :
avidym kfelram uUarefäm.
5) ib. II 26 t4iddbhmväi samyogäbhävo hänam'^ lad dfieh^ kaivaiyam.
der ürsprnog des Boddhismus ans dem Sankhya-Toga. 49
der Grnnd für das Bestebenbleiben nnd In- Wirksamkeit -treten
der sa/rßskära^s. Mit dem Schwinden von avidyä schwinden auch
die SQfitskärd's. Wie man sieht, hat der Baddhismns dieselben Be-
griffe als Nidäna 1. nnd 2. ebenfalls an die Spitze der Kette von
Ursachen nnd Wirkungen gestellt, die vom Sein des Leidens zur
Erlösung führt. Dies hat bereits Prof. Oldenberg anerkannt. In
der zweiten Auflage seines Buddha p. 266 Anm. 1 sagt er : ,, Sollte
sich vielleicht diese authentische Gestalt der Doctrin (nämlich daß
die safßsiära^s als Grund die avidyä haben) oder eine ihr nahe
kommende im Sänkhyasystem erhalten haben ?^ Er würde seine
Frage mit einem unbedingten Ja beantwortet und auch wohl die
weitere Entsprechung des Buddhimus mit dem Sänkhya aufge-
sucht haben, wenn er sich von der irrigen Vorstellung hätte
losmachen können, daß die philosophischen Systeme der Brah-
manen später als der Buddhismus seien, und daß dieser direkt an
den Veda anzuknüpfen sei!
Wir sahen, daß nach dem Yoga die sar[iskära!8 die Denksub-
stanz zur Bewegung anregen; sie sind der Grund für die Vfitts
der buddhi. Letztere sind nun die Gedanken und entsprechen somit
dem 3. Nidäna : vijMna. Beide Ausdrücke sind 83aionym ; so wird
von YijfiänabhikQu zu Sänkhya Sütra I 89 vijMna durch btiddhi-
tftti erklärt. Nun beachte man weiter folgendes. Durch die vrttVs
wird erst die buddhi zur buddhi, weil ihr wie allen Produkten der
prakfii als charakteristisches Merkmal das In-steter-Yeränderung-
Begriffensein , parinaminityätvafn zukommt. Buddhi ist eine Sub-
stanz ; aber auch vijMna wird von den Buddhisten substanziell
aufgefaßt. Denn es kommt das Element des Erkennens (viffiäna-
dhätu) als sechstes zu den Elementen Erde, Wasser, Feuer, Wind
und Luft. Es entspricht also das dritte Nidäna vijMna seinem
Wesen nach der buddhi und steht an derjenigen Stelle, wohin es
nach dem Sänkhya-Yoga gehört.
Das vierte Nidäna ist nämarüpa. Prof. Oldenberg übersetzt
es mit ^Name und Gestalt^ oder „Name und Eorperlichkeif.
Aus den von ihm gegebenen Erläuterungen geht hervor, daß damit
das gemeint ist, was die Individualität ausmacht. Man ersieht das
auch noch klarer, wenn man den entsprechenden Ausdruck der
Jaina's vergleicht. Derselbe lautet nämagotra und bezeichnet das
Individuum als solches und als zu einer bestimmten Species gehörig.
Die Sänkhya Philosophie faßt dies als ahantkära auf, welchen Aus-
drack wir oben mit Substanz der Individualität wiedergegeben
haben. Der ahaifikara geht aber aus der buddhi hervor, ebenso
geht nämatüpa aus vijüäna hervor. Somit entspricht nicht nur
SfL e« i. Wla. HMMektüL PUtotof^klil«. Dmm. MM. HA. 1. 4
50 äermann iAcobi,
das vierte Nidäna dem ahariiküra des Sänkhya, sondern steht aucli
an derjenigen Stelle der Reihe, welche nach der Entwicklungs-
theorie des Sänkhya dem ahanikära zukommt.
Wir können auch aus der Praxis des Yoga das Gegenstück
zu der Reihe der Nidäna's 1 — i nachweisen, yoga iat, wie oben
gesagt, die Unterdrückung der Modificationen der Denksubstanz;
man erreicht diesen Zweck durch Meditation oder Versenkung,
d. h. yoga. Nun giebt es einen niedern yoga mit Objekt , sampra-
jfiäta, und einen höheren ohne Objekt, asamprajMia. Beim letzteren
ist die Denksubstanz regungslos und spiegelt nur den puru^a
wieder ; dabei bleiben nur die sartisküra^s bestehen *), die erst ver-
schwinden, wenn avidyä schwindet. Also das, was den beiden ersten
Nidäna's entspricht, fällt in den asamprajMta yoga. Diesem geht
.der samprajMta voraus. Derselbe ist vierfach, je nachdem er durch
vitarka^ vicära, änanda oder asmitä^) charakterisirt wird. Die
beiden ersten, welche sich auf grobe und feine Objekte beziehen,
können wir bei Seite lassen. Beim sänanda yoga bleibt ahainköra '),
während bei dem säsmila yoga die buddhi allein neben dem purn^a
besteht. So bewirkt also hier der Yoga der Reihe nach die Auf-
lösung von Ahamkära, Buddhi als auf die Außenwelt gerichtetes
Organ, Samskära und Avidyä.
Wir kommen zu dem fünften Nidäna: ^adäyatana, womit die
sechs Organe, nämlich die fünf Sinne und der innere Sinn, manaSj
mit ihren Objecten, nämlich den fünf Grundeigenschaften der fünf
Elemente: Farbe, Geschmack, Geruch, Gefühl und Ton, und die
Zustände der Dinge {dlmrma) gemeint sind. Alles dies geht also aus
nämarüpa hervor. Ganz ähnlich gehen im Sänkhya aus dem ahafß-
kära die 10 Organe, indHya, mit dem innern Sinn, manas, und
die fünf subtilen Elemente, tanmätra^s, hervor. Im Sänkhya werden
nämlich außer den fünf Sinnesorganen und dem manas, die in der
ganzen indischen Philosophie anerkannt sind, 5 Organe der Thä-
tigkeit (karmendriya)^) angenommen. Die gemeine Ansicht der
Inder erkeimt diese 6 Organe der Thätigkeit nicht an ; es ist also
1) Yogasfltra I 18. Ich folge der Erklärung VftcaspatimitrA's.
2) BeU&ofig sei hervorgehoben, dase sich iwischen den verschiedenen Arten
des 8amädhi im Yoga and Baddhismus manche Berährnngsponkte finden. So
geben anch bei den Buddhisten vüdkko und vicäro einen Einteilungsgrund des
aatnädfU ab; siehe ChUders, Pali Dictionary p. 428.
8) Bhoja gebraucht ahantkära und snanda als synonym in der Behandlung
der obigen Stelle: na ca ahaij^kärStmitayor abhedaJ^ dankantya^.
8) Vicaspatimisra: s0 estmana grahfM $aha buddhir ekUmika samvid.
4) Ebenso in Arada's Lehre im Buddhacarita XII 19.
der Ürsprang dos Buddhtsmas aas dem Saokhya-Yoga. 51
nicht aofPällig, daß die bnddhistische Lehre sie nicht aufgenommen
hat. Die fanmätra^s entsprechen den „Objekten der Sinnesorgane" ;
denn die tanmätra's sind ja nur die sabstanziell gedachten Eigen-
schaften Farbe etc. Daher ihr Name. Anderseits fehlen die
dharma^s der Buddhisten an der betreffenden Stelle der Sänkhya-
Evolutiotstheorie. Aber sie fehlen nicht der Sänkhya und Yoga
Philosophie, dharma ist nämlich ungefähr mit parinäma gleich, wie
dharmin mit parinämin. Das Ding (parinämin oder dharmin) nimmt
nach bestimmter Reihenfolge {krama) yersdhiedene Zustände dhar-
rna's an (parinarncUi) ; ein dharma betritt, nachdem er bis dahin auf
dem anägatädhvan verharrt hatte d. h. nur potentialiter dagewesen
ist, den astyadhvan d.h. er ist wirklich, um dann den atftädhvan
za betreten , d. h. er ist gewesen ^). Diese Theorie * vertritt im
Sänkhya- Yoga die Lehre von der Causalität. Man kann also auch
sagen, daß mit dharma die Erscheinung der Dinge gemeint sei').
Diese wird allein wahrgenommen, das Ding selbst ist nur das
Substrat, in dem oder durch das die Erscheinungen sind. Die
-Buddhisten gebrauchen nun dharma oft scheinbar im Sinne von Ding.
Wie Buddha, den äbersinnlichen äbnan aus seinen Betrachtungen
wegließ, so hat er auch das Substrat der Erscheinung, das Ding
selbst, nicht ausdrücklich anerkannt. Dem gemeinen Verstände
mag diese Lehre unfassbar gewesen sein ; einen Ausweg scheint er
gesacht zu haben in der späteren buddhistischen Lehre von der
nur momentanen Existenz alles Seienden (k^aniJcatva). Wie dem
aber auch sei, den buddhistischen dharma' Sj Erscheinungen, ent-
spricht ungeföhr die Außenwelt, die in den mahabhilta, groben
Elementen, des S&nkhya-Yoga enthalten ist. Die mahäbhüta gehen
nach dem Sankhya als besondere Schöpfung aus den tanmätra's
hervor. Dagegen würden sie nach der buddhistischen Lehre mit
mit ihnen auf gleicher Linie stehen.
1) Siehe Togasütra HI 13. IV 12.
2) Sie scheint auf den ersten Blick recht abstrus, ist aber nar die gemeine,
in phUosophisch sein wollende Worte gefasste Erfahrung, dass ein Ding wird
und Tergeht Es ist nur der erste Schritt gemacht, diese Erfahrung su analysiren.
Die genannte Theorie gehört also einer primitiven Stufe des Denkens an. Die
Lehre von der Causalität, wie sie im Nyftya-Yaise^ika auftritt, bedeutet einen
nngeheuren Fortschritt des philosophischen Erkennens.
8) Die Erscheinung eines Dinges ist Objekt der Th&tigkeit des mafMS^ das
also die Wahrnehmungen der einzelnen Sinne zu der Qesammtwahmehmung com-
biairt So erkl&rte Garbe's Pandit manaso vifayah mit yad vastu samkalpamyam:
jfidam iedOmxU^ , vikdlpa/tüyam ea : j,idam ütham asH fUM veH'^, Siehe sein
Animddha'i Commentary p. 89 note 8.
4*
^2 Bermanii Jacobi,
Die folgenden zwei Nidäna 6, 7, spar&a und vedanä, beziehen
sich anf den Erkenntnis-Froceß. Die dabei obwaltenden Vorstel-
lungen scheinen gemeinindisch zu sein. Die Organe treten mit
den Objekten in Berührong ; dadurch entsteht einerseits die Wahr-
nehmung und anderseits, da bei diesem Akt der innere Sinni
manaSf mitwirkt, ein Lust- oder Unlustgefuhl vedanä. Aus dieser
geht tr^ä ,,der Wille zum Leben", das 8. Nidäna, hervor. Diesem
entspricht im Yoga ahhinivesa oder äsiSj wofür auch tr^nä gebraucht
wird. Aus dem abhinivesa „Lebenslust" wird auf in früheren Exi-
stenzen erlebte Freuden und Leiden geschlossen, siehe Yoga Sü-
tra n 9. Also aus suJchaduhkha geht äbhiniveda hervor, genau wie
aus vedanä die tr^nä. Damit ist auch das 8. Nidäna erledigt.
abhinivesa oder äsiSj nach lY 10 allein, nach 11 12 in Verbin-
dung mit den übrigen klesa^s, ist der Grund für dharmüdhamiaUj
Verdienst und Schuld, und diese sind der Grund des weltlichen
Daseins , satfisära , vergl. Sänkhya Sütra LDL 3 tad-hljät safqisrtih.
Hier steht also zwischen abhiniveSa oder tr^nä und samsära oder
bhava als Mittelglied dhw'mädharma\ ähnlich werden in der Sänkhyc^
s^ülravrtii II 1. als die speciellen Ursachen (causa effidens) ange-
führt: avidyäj tr^näy dharmädharmau. In der Keihe der Nidäna's
folgen nun auf einander: 8) tf^ä, 9) upädäna, 10) biMva; von
diesen stimmt ir^nä mit ir^ä oder abhiniveia des Sänkhya- Yoga
überein, ebenso bhava mit saffisära^ mit dem es ja nach gemein-
indischem Sprachgebrauch synonym ist. So werden wir darauf
geführt, in dem upädäna der Buddhisten etwas dem Begri£fe von
dharmädharmau analoges zu suchen. Aus den von Prof. Olden-
berg in der ersten Auflage seines Buddha p. 434 ff. angeführten
Stellen scheint mir hervorzugehen, daß upadana besteht im Ge-
fallenfinden an etwas, das unwahr, unrein oder nichtig ist, ja
selbst an dem, was an sich gut ist^). Dies ist zwar nicht direkt
gleich dharma oder adharma , aber wenigstens die Ursache davon«
dharmädharma heißen auch adrpfa, das Ungesehene, Unsichtbare;
sie sind sa^kära's. Man sollte nun dem entsprechend bei den
Buddhisten karman erwarten , aber derselbe Begriff war schon im
2. Nidäna sariiskära gegeben. So konnte an dieser Stelle, wo es
sich um bestimmte saniskära^s handelt, dieser Ausdruck nicht wieder-
kehren. Buddha wählte daher die conkrete Ursache derjenigen
saniskära'Sj welche das weltliche Dasein unmittelbar zur Folge
1) ypSdSna heisst im Sftokhya eine der vier Mdhyatmika iusfi^Bf die ikrerseiU
an die 4 upmdäna'a der Buddhisten ibiina, diffM, «ftoovato, ond aUav9da erioDem«
Yrtti la m 48.
der Ursprung des Baddhismos aus dem Sftnkhya-Yoga. 53
haben, während diejenigen, welche das Seiende überhanpt vom
vifMna an bewirken, im 2. Nidäna genannt sind.
Die beiden letzten Nidäna's : jäti , Gebart , nnd jaranuxrana^
Alter nnd Tod, bedürfen keiner Erörternngen. In allen indischen
Philosophemen , welche die Wiedergebnrt annehmen, ist die Ge-
bart eine Conseqaenz des Samsära, nnd die Gebart hat Alter and
Tod zur Folge.
Wir haben also gesehen, daß die Caasalitätsreihe der Bud-
dhisten sich aas Begriffen zasammensetzt, die denjenigen ent-
sprechen, welche aach im Sänkhya-Yoga gelten nnd in derselben
Beihenfolge als Ursache nnd Wirkang mit einander verknüpft sind.
Natürlich behaapte ich nicht, daß diese Begriffe der beiden ver-
schiedenen Philosophien sich genaa deckten, aber sie entsprechen
sich gegenseitig, soweit dies bei zwei Systemen möglich ist, von
denen das eine ein ewiges Sein sowohl der Seele (ätman) als auch
der Natnr (jprahrii) anerkennt, das andere aber ein solches Sein
leugnet.
Es erhebt sich nan die Frage : welches dieser beiden Systeme
ist das ursprüngliche? Darüber kann meines Erachtens kein
Zweifel sein. Die Evolutionstheorie des Sänkhya ist consequent
und verständlich : sie ist ein Versuch primitiver Denker, zwischen
dem unveränderlichen Sein, das ja auch die Eleaten forderten,
und der Welt der Erscheinungen einen vernunftgemässen Zusam-
menhang herzustellen. Das unveränderliche Sein wurde in den
puru^ oder ätman (wir könnten sagen: Seele als Ding an sich)
verlegt, während die Welt der Erscheinungen auf die prakrU zurück-
geht, deren Wesen ist, sich unablässig zu verändern. Nimmt man
aber aus dieser Gedankenreihe den äiman heraus, auf den sich
das eigentliche Problem stützt, so wird sie unverständlich und
das ganze psychologisch - kosmogonische System sinkt zu einer
wilden Phantasie herunter. Das beweisen alle Versuche, die
buddhistische Causalitätsreihe zu verstehen; sie blieb ein Rätsel,
nach wie vor. Auch. Prof. Oldenberg muß darauf verzichten , die
beiden ersten Nidäna's logisch aus dem System heraus zu begrün-
den; er sagt^): „Man empfangt den Eindruck, daß, wie die Nen-
nung der Avijjä als letzter Wurzel alles XJebels, so auch diejenige
der Sankhäras als des nächsten Produktes aus dem Nichtwissen,
von den Buddhisten als etwas fertig ausgeprägtes den Vorräthen
der altern Speculation entlehnt ist". Trotz dieser Annahme ver-
hehlt sich Prof. Oldenberg nicht die Widersprüche') in der Cau-
1) Buddha* S^f.
2) ib. p. 266.
S4 Hermann Jacobii
salitätsreihe , die auch bei seiner Erkläningsweise zurückbleiben.
Nach ibm wird vom 3. Nidäna an die Entwicklang beginnend mit
dem Moment der Empfängnis geschildert ; mit dem 11. Nidäna haben
wir erst die Geburt, während die vorhergehenden Nidäna's sich
schon auf das Leben in der Welt beziehen. Solche Widersprüche
würde sich auch ein weniger scharfsinniger Eopf, als Buddha
war, nicht haben zu schulden kommen lassen, wenn es sich um
eine so einfache Sache handelte , die verschiedenen aufeinander
folgenden Zustände eines Wesens von der Empfängnis bis zum
Tode in ihrer gegenseitigen Verkettung darzustellen. Ich ver-
werfe diese Erklärung ^) und nehme an, daß Buddha überhaupt
die Begriffe , die er in der Causalitätsreihe zusammenfügt , vom
Sänkhya-Yoga überkommen hat; wenn er auch mit Bücksicht auf
seine Grrundansicht diese Begriffe etwas umgemodelt hat, so sind
sie darum nicht weniger Entlehnungen. Sollte Buddha, wird man
einwenden, nicht gefühlt haben, daß der ursprüngliche Causalnexus
zwischen diesen Begriffen in sich zerfallen mußte, sobald man
den Grundstein des Gebäudes, den ätman^ weg nahm ? Ich glaube,
hier war eine Täuschung wohl möglich. Denn mit jenen im Sän-
khya-Yoga ausgeprägten Begriffen erfaßte und gruppirte man
Erscheinungen des Geisteslebens, Thatsachen der Erfahrung, welche
die Grundlage des psychologischen Wissens jener Zeit ausmachten.
Wollte man dieses festhalten, so durfte man jene nicht preisgeben.
Jene Begriffe hatten also einen wertvollen Inhalt erhalten, der
sie unabhängig von der ursprünglichen Begründungsweise zu machen
schien. Sie standen gewissermaßen fest durch ihren Inhalt und
mit ihnen war ihre gegenseitige Abhängigkeit gegeben. Uns fällt
sofort der Widerspruch auf, weil unser Denken von jenen Be-
griffen unabhängig ist und ihnen objektiv entgegentritt ; das indische
Denken übersah zunächst den Widerspruch, weil es mit jenen Be-
griffen zu operiren gewohnt war und sich ihnen also nicht objektiv
gegenüberstellen konnte. Es kommt noch hinzu, daß Buddha wohl
nicht das Dasein des ätman schlechtweg leugnete, sondern als
etwas jenseits der Erkenntnis liegendes aus seinem System fort-
ließ. Er folgte darin einer für jene Zeit durch das Zeugnis der
1) Die von Prof. Oldenberg in Uebersetzung aus dem Mah&nid&na Sutta an-
geführte Stelle erl&atert nur den Zusammenhang der Nidftna's 3 u. i an einem
fieispiel, giebt aber nicht die Erklärung für diesen Zusammenhang. — Die Nen-
nung der Geburt im 11. Nid&na geht auf diejenige Geburt, womit das gegen-
wärtige Leben eines Individuums beginnt Diese letzte Geburt ist aber die Folge
von früheren. Was in diesen vorging, muss in den vorausgehenden Nidftna's cum
Ausdruck gekommen sein.
der ünpning de« Baddhismoi aus dem Ssnkbya-Toga. 56
Jaina gat beglaubigten Richtung, nämlich der der Ajfiänavädinas
oder Agnostiker, siehe Sacred Books of the East, vol. 45, p. XXVm.
Also, die Entwicklung der Nidäna's auf der Grundlage des Bud-
dhismus wäre unbegreiflich; dagegen ist die Entstehung der ent-
sprechenden BegrifPe auf dem Boden der Sänkhya Lehre durchaus
folgerichtig.
Auch von einem andern Gesichtspunkte aus betrachtet stellt
sich die buddhistische Lehre als eine abgeleitete dar. Im Sänkhya-
Toga ist wohl die Verkettung der Begriffe, die vom Sein zur
Erlösung fuhren, recht bekannt, aber sie erscheint nur als End-
resultat in dem System, das hauptsächlich der Begründung dieser
Begriffe gewidmet ist. Man hat sie nicht formelhaft als eine
Kette dargestellt. Umgekehrt verhält es sich im Buddhismus:
die Kette erscheint als Formel, als Grunddogma, und die Be-
gründung blieb anderweitiger Belehrung überlassen. Wenn die
Reihe der Nidäna's so aufgestellt werden konnte, wie es im pafk-
casanmppääa geschehen ist, so durfte wohl vorausausgesetzt werden,
daß die Bedeutung der einzelnen Glieder im Großen und Ganzen
allgemein bekannt und verständlich war. Mit andern Worten, die
Lehren des Sänkhya- Yoga waren in denjenigen Kreisen bekannt,
an die sich Buddha richtete.
Zu diesen inneren Gründen für die Priorität des Sänkhya-
Yoga muß aber noch der Nachweis hinzutreten, daß diese Systeme
thatsächlich älter als der Buddhismus sind. Es ist schon oben
die Erzählung im Buddhacarita erwähnt worden, nach der Buddha's
erster Lehrer ein Anhänger des Sänkhya war *). Aber wenn man
derselben keine Beweiskraft beilegen will, so erwäge man, daß
die Lehren des Sänkhya- Yoga im Mahäbhärata oft erwähnt und
diese beiden Systeme als zwei ewige (sancUawi) bezeichnet werden.
Sie mußten sich sehr lange hohen Ansehens erfreut haben, um
diese Bezeichnung zu verdienen und um die philosophische Grund-
lage zur alten Bhägavata Religion abgeben zu können, was nach
Ausweis der Bhagavadgitä thatsächlich der Fall war. Nun wird
man das Mahäbhärata nicht später als in das zweite oder dritte
Jhd. v. Chr. setzen können ^. Daraus folgt, daß die damals schon
1) In dieaem Znaammenhang hat schon Prof. Windisch im Literarischen Cen-
tnlblatt 1894 p. 1206 anf die Bedeutung jenes Berichtes hingewiesen.
2) Meine Griknde sind in Karte folgende. Im MahabhftraU, das dem west»
liehen Indien angehört, gelten die Volker des Poigab als vrUya^ als nicht gleich-
hereehtigt mit den reineren Stämmen. Dies gründete sich auf ihre abweichenden
Sitten (unter denen auch das Matriarchat erwähnt wird) ; es wird aber mit keinem
56 Hermann Jacobl,
als uralt angesehenen Lehren des Sänkhya-Yoga weit in die vor«
buddhistische Zeit zurückgehen müssen. Nach diesen Erwägcmgen
war also das zeitliche Verhältnis zwischen Buddhismus und Sän-
khya-Yoga derart, wie es sein muß, weim unsere Ansicht von der
Entstehung der buddhistischen Lehre aus dem Sänkhya-Yoga über-
haupt möglich sein soll.
Also die buddhistische Philosophie ist auf dem Sänkhya auf-
gebaut. War jene Sänkhya-Lehre, die Buddha zu seiner Religion
umbildete, durchaus identisch mit derjenigen, welche uns in den
Stttras engegentritt , oder war es nicht vielmehr eine Variation
des Sänkhya, wie wir solche im Mahäbhärata und in den Puräpa
kennen lernen? Ich glaube, letzteres läßt sich wahrscheinlich
machen. Denn bei der Vergleichung der buddhistischen Nidäna's
mit den Sänkhya-Begriffen konnten wir die drei guna!s ganz beiseite
lassen. In der Sprache der Buddhisten hat, soweit ich nach eigener
Erinnerung und nach Chüders' Pali Dictionary urteilen kann , das
Wort guna nur seine gewöhnliche Bedeutung und es findet sich
kein Anklang an die technische Bedeutung, die guna im Sänkhya
hat, während dies wohl in der Sprache der Jaina's der Fall ist.
Danach darf man annehmen, daß dar Sänkhya, aus dem Buddha's
System hervorging, ohne die Theorie von den drei guna's auszu-
Worte angedeutet, dass sie Yon Barbaren beherrscht worden seien. Im Gegen-
teil, ihre F&rstenh&user sind mit denen des orthodoxen übrigen Indiens ver-
schwägert So ist ja Pftnda's zweite Frau eine MadrI, w&hrend ihr Bruder 8alya
auf Seiten der Kuruinge k&mpft. Zur Zeit, in der die Sagen des Mah&bharata
sich ausbildeten und in epischen Liedern besungen wurden, konnte das Puigab
noch nicht unter die Herrschaft der Achämeniden geraten sein. Diese Annahme
wäre auch wegen der Stellung der Qsndhära in der Sage unmöglich. Ihre Fürsten
gelten nicht nur als mächtig und durchaus selbständig, sondern sie sind auch
mit dem Kuruiugen verschwägert und aufs engste befreundet. Dem Inhalte nach
geht das M. Bh. also in die Zeit vor dem 6. Jhd. v. Chr. zurück. Sein Text
könnte ja später sein. In ihm erscheinen nun die itktL und Yavana, die meist
zusammen genannt werden, nicht als in Indien wohnende, keineswegs als in Qän-
dh&ra und im Punjab herrschende Völker. Von einem HaB gegen dieselben ist
nichts zu verspüren; und doch würde ein Dichter ihn nicht ganz haben unter-
drücken können, wenn diese Barbaren in seinem Lande oder im benachbarten
sich breit gemacht hätten. Gegen die griechische Herrschaft trifft dies Argu-
ment vielleicht weniger zu, weil die Griechen wohl nur in geringer Anzahl ge-
kommen sind; dagegen behält es gegen die Horden der Skythen seine volle Be-
weiskraft Mit der Skythen Herrschaft, wahrscheinlich schon vorher gelangte
der Buddhismus im westlichen Indien zu groBem Ansehen. Auch davon ist im
M. Bh. noch nichts zu verspüren. Nach alle dem dürfen wir das IL Bh. nicht
zQ nahe an den Anfang unserer Zeitrechnung setzen; das 2. oder 8. vorchrist-
liche Jahrhundert dürfte der allerspäteste Tennin sein.
der Ürspnmg des Baddhiisrai ans dem Sftnkhya-TogA. 67
kommen sachte. Das Bestehen dieser Abart der Lehre Kapila's
wird nns mm beglaubigt durch Aivagsosa, der, wie wir oben ge-
sehen haben, gerade eine solche Lehre dem Ar&(}a Eäläma, dem
ersten Lehrer Buddha's, zuschreibt. Wir haben oben immer die
Frage unentschieden gelassen, ob Ai&vaghoBa*s Bericht auf Fiktion
oder Tradition beruht; ich glaube wir müssen ihn jetzt als Tra-
dition gelten lassen. Denn wenn wir auf Grund anderer Unter-
suchungen zu der TJeberzeugung gekommen sind^), daß Buddha
von einer Abart des Sänkhya, die von den 3 guna's abstrahirte,
ausgehend sein System ausbildete, und wenn dann A^vaghosa uns
berichtet, daß Buddha's Lehrer gerade diese Form des Sänkhya
vertreten habe, so ist es schwer an Zufall zu glauben. Wir
könnten wohl verstehen, daß A&vaghosa aus freier Erfindung dem
Lehrer des Buddha irgend eine Philosophie — und warum nicht
den Sänkhya — zugeschrieben hätte; aber wenn er ihm die Sän-
khya Philosophie andichtete, warum unterdrückte er dann in der
Schilderung derselben die Erwähnung der drei guna's? Denn daß
die drei guna's zum System gehörten, ist sicher; die üeberein-
stimmung der Sütras ') mit dem Zeugnis des Mahäbhärata und der
Pura^a läßt darüber keinen Zweifel bestehen. Wir können also
die Annahme nicht von der Hand weisen, daß sich eine genauere
üeberlieferung betreffs der Lehre von Buddha's Lehrern erhalten
habe, die in Asvaghosa's Buddhacarita auf uns gekommen ist. Da
also das Resultat unserer Untersuchung mit der üeberlieferung
übereinstimmt, so ist der Beweis erbracht, daß die buddhistische
Philosophie aus dem Sänkhya- Yoga hervorgegangen ist. Es wäre
vielleicht richtiger zu sagen, daß eine Form des Yoga ihr zu Grunde
liege. Denn eruerseits werden in Aivaghosa's Bericht von Arä^a
Eäläma's Lehre die verschiedenen Arten von Versenkung ebenso
ausführlich behandelt wie der rein theoretische Teil der Lehre,
anderseits spielen gerade die Arten der Versenkung im Buddhismus
eine große Bolle, wie ja die letzte Stufe des heiligen achtteiligen
Weges, des ariyo affhangiko maggo') eben Versenkung, samä-
1) Ich darf wohl erklären, daft als ich meine Untersuchungen Aber den Zn-
sammenhang des Bnddhismas mit dem S&nkhya aufnahm, ich noch nicht das
SchloSresnltat voraussah, das uns jetst beschAltigt , und daS ich selbst nicht
wenig aberrascht war, als sich in so unerwarteter Weise die letzte Lücke der
Beweisfthmng schloS.
3) Die Erklärer des Toga gehen tou der Gnna-Theorie aus, wie sie im
Siakhya gilt; aber auch in den Satra wird darauf Beeng genommen. Das Wort
gma im technischen Sinne findet sich Togasfitra II 16. lY 18. 83. 84. aaUva II 41.
m 34. 48. 64. rajas und tanMS werden nicht ausdrücklich erwähnt.
8) Sollte Tielieicht dieser selbst dem asfsnga yoga nachgebildet sein? Aller-
58 Hermann Jacobi, der Ursprung des fiaddhUmns aas dem S&nkhya-Toga.
sdmädKi^ ist. Aach kann maii dafür anfahren, daß eine An-
zahl von technischen Begriffen des Toga in der baddhistischen
Lehre wiederkehren, wovon ich einiges im Vorübergehen oben
bemerkt habe, anderes von Prof. Kern hervorgehoben worden ist.
Besonders wichtig scheint mir aber noch folgendes. Yoga ist die
Aafhebang (nirodha) der Funktionen der Denksnbstanz (dUcwrUi)
I 2. Dadurch wird das Jcaivalya^ die Loslösung des puru§a von
der Welt des veränderlichen Seins erreicht. Auch im Buddhismus
bewirkt die Aufhebung (nirodha) des Leidens das Nirvä^a. Niro-
dha ist also in gleichem Masse ein Grrundbegriff des Buddhismus
wie des Yoga. So lautet die stets wiederkehrende Formel: yan^
Jcifid samudayadhamrnarn säbham tarn nirodhadhammam. Dieser Satz
lehrt mehr als dass Alles, was entsteht, auch vergeht; das wusste
Jeder, ohne Buddha's Predigt zu hören; der Satz lehrt vielmehr,
daß Alles was in's Dasein treten kann, auch daran verhindert
werden kann, in's Dasein zu treten. Wer das begriff, dem gieng
das dhammacdk'khum auf, der war reif die Lehre Buddha's anzu-
nehmen. Dasselbe liegt in dem mantra der Buddhisten, jener alten
Äryästrophe: ye dhamma hetupabhavä tesam heturh tathägato aha \
tesafii ca yo nirodho evamvädt mäkäsamano \\ „Welche Erscheinungen
aus einer Ursache hervorgehen, deren Ursache hat der Tathägata
erklärt, und ebenso dieser (Erscheinungen) Aufhebung; das ist die
Lehre des grossen ^rama^a''. Also überall die engsten Beziehun-
gen zum Yoga. Da aber im Einzelnen schwer zu scheiden ist, was
man dem Sänkhya und was dem Yoga zuschreiben soll, so wird es
den bekannten Thatsachen entsprechen , wenn wir Sänkhya- Yoga
als die philosophische Grundlage des Buddhismus bezeichnen.
dinge stimmt nur das letzte Glied samädhi in beiden Oktaden Überein; andere
yogungas finden dagegen wie Kern 1. c. p. 601 bemerkt bat, in den buddhistischen
karmafihäna^a ihre Entsprechung.
Bonn, 11. December 1896.
H. Jacobi.
Die Sonnen- und Mondfinsternisse in den Daten
Indischer Inschriften.
Von
F. Elelhom.
Torgelegt in der Sitzung vom 25. Januar 1896.
Nach den Angaben der modernen indischen Textbücher dauert
bei Sonnen- and Mondfinsternissen der punya-häla , d. h. die für
Schenkungen und andre fromme Handlungen passende Zeit, nur
80 lange wie die Finsterniß sichtbar ist oder doch sichtbar sein
würde, wenn Sonne oder Mond nicht von Wolken bedeckt wären.
Bei einer in Indien nicht sichtbaren Finsterniß giebt es keinen
punya-Jcäla] gchn Sonne oder Mond verdunkelt anf, so rechnet der
punya-'iäla von Aufgang der Sonne oder des Mondes; gehn sie
verdunkelt unter, so dauert er nur bis zum Untergänge. Wenn
diese Lehren immer gegolten haben, so können die in den Daten
indischer Inschriften, die von Schenkungen berichten, erwähnten
Finsternisse nur solche sein, die in Indien sichtbar waren. Ich
bin zu einer sorgfältigeren Erwägung dieser Frage zunächst durch
das Datum einer Inschrift des Cola Königs Eäjaräja-Kesarivar-
man^) veranlaßt worden, bei dem zu entscheiden war zwischen
dem 26. September 991, wo eine in Indien sichtbare Mondfinster-
niß stattfand, und dem 26. September 1010, wo ebenfalls eine
Mondfinstemiß stattfand, die aber in Indien nicht sichtbar war;
und ich glaube denen, die sich für indische Epigraphik interessie-
ren, einen Dienst dadurch zu erweisen, daß ich meine aus mehr
als 1600 Inschriften zusammengestellten Listen von Finsternissen
mit einer kurzen Angabe des wirklichen Thatbestandes hier ver-
öffentliche *). Zu meiner Eintheilung der Finsternisse bemerke ich,
1) Vgl. Ep. Jnd, IV, 66; das Datum iBt das unten unter Mondfinsternissen,
No. 9, enr&hnte.
2) Von den untersuchten Inschriften gebrauchen 496 die ^aka Aera (unten
60 F. Kielhorn,
daß die hier als in Indien sichtbar bezeichneten Finsternisse es
auch an dem jedesmal genannten Orte waren, wenn nicht das Gre-
gentheil gesagt wird.
Sonnenfinsternisse werden in den mir bekannten In-
schriften 62 erwähnt. Bei dreizehn davon (No. 50 — 62 der Liste)
enthalten die betreffenden Inschriften kein oder wenigstens kein
berechenbares Datum, oder das Datum ist eins, an dem eine Sonnen-
finsterniß nicht stattfinden könnte. Werthlos sind hier auch zehn
andre (No. 40 — 49), weil an den gegebenen berechenbaren Daten
Sonnenfinsternisse überhaupt nicht stattfanden. In Betreff dieser
zehn Daten mag bemerkt werden, daß wenigstens zwei derselben
(No. 40 und 41) gefälschten Inschriften angehören; daß in drei
Fällen (No. 42, 43 und 46), wo in dem auf den gegebenen Monat
folgenden Monate wirklich eine Finsterniß (in No. 42 und 46, wo
der Wochentag gegeben wird, an diesem Wochentage) stattfand,
der Schreiber sich vielleicht nur in der Angabe des Monats geirrt
haben könnte ; und daß von den übrig bleibenden fünf Fallen der
gegebene Wochentag des Datums zweimal (in No. 44 und 48) rich-
tig sein würde, zweimal (in No. 46 und 47) dagegen falsch ist.
Es bleiben demnach 39 Fälle, in denen die Bechnung für das
fiberlieferte Datum oder eins seiner möglichen Aequivalente wirk-
lich eine Sonnenfinsterniß ergiebt ; und meine Liste zeigt zunächst,
daß von diesen 39 Sonnenfinsternissen 32 in Indien sichtbar ^) und
7 nicht sichtbar waren. In der Liste der nicht sichtbaren Fin-
sternisse sind jedoch zwei , No. 36 und 37 , ohne Weiteres zu
streichen, denn die beiden Inschriften, die sie erwähnen, sind Fäl-
schungen, und überdies stimmt bei einer derselben weder der
Wochentag noch das nak^atra. Sehr zweifelhaft müssen aber auch
No. 38 und 39 erscheinen, weil auch hier die Finsternisse nicht
bezeichnet mit ä. , mit einem Stern hinter der Jahreszahl wo das Jahr ein lao-
fendes ist), 825 die Vikrama Aera (Y.), 70 die Qupta-Valabhl Aera, 40 die Gedi
Aera, 83 die aU Cftlakya-Vikrama-Yarsa bekannte Aera (Cft-Vi-Ta.), 16 die Harfa
Aera, 16 die Kollam Aera, 10 die Newftr Aera, 9 die Oftngeya Aera, und 25 ^e
Aera dea Kaliynga, die Simha Aera, die Saptarsi Aera, die Laksmapasena Aera,
und die Aeren ?on Buddha's Nirv&na and Yardham&na^s Nirvftna. 152 sind in
Begiemngsjahren datiert, 80 in Regierangsjahren and Jupiterjahren, und 24 nar
in Jnpiterjahren. 259 Inschriften enthalten kein Datam irgendwelcher Art
1) Der Grand weshalb ich die beiden Daten fftr die [Terflossenen] ^aka Jahre
716 and 780 (No. 2 and 8) als Daten mit sichtbaren Finsternissen gebe, obwohl
in Indien nicht sichtbare Finsternisse an den gegebenen Daten aach in den lau-
fenden l^aka Jahren 716 and 780 stattfanden, ist der, dal die mir bekannten oor-
recten Daten, aber deren exaete Aeqairalente kein Zweifel obwalten kanS| Ua
lum läaka Jahre 948 nar terflossene Jahre eitleren.
die Sonnen- and Moudfinsicrnisse in den Daten Indischer Inschriften. gl
an den von den Daten der Inschriften gegebenen Wochentagen
stattfanden. Aas dem gleichen Grnnde werden nnter den sichtbaren
Finsternissen Bedenken erregen die Finsternisse No. 12, 16, und
18, wenn anch der (scheinbar falsche) Wochentag der beiden letz-
ten vielleicht in dem Gebrauche des Terminus vycUfpäta im Datum
seine Erklärung finden könnte.
Das Resultat der Untersuchung ist demnach folgendes: Von
82 in correct datierten Inschriften, deren Aechtheit zu bezweifeln
kein Grund vorliegt, erwähnten Sonnenfinsternissen waren 29 in
Indien — alle an dem Orte der Inschrift — sichtbar und nur
8 nicht sichtbar. Die frühste sichtbare Sonnenfinstemiß ist die
vom 26. Juni 754; von den nicht sichtbaren sind früher die vom
2. August 612 und die vom 17. Februar 668, und die dritte
nicht sichtbare Finstemiß , vom 2. Januar 987 , ist die frühste
in einem ächten Datum der Vikrama Aera erwähnte Sonnen-
finstemiß. In weiter zurückliegenden Jahrhunderten gaben also
bisweilen auch nicht sichtbare Sonnenfinsternisse Anlaß zu Schen-
kungen^); für die spätren Inschriften aber, auf jeden Fall
für alle Inschriften nach dem Jahre 1000 n. Chr. , gilt die oben
1) Manche Schenkung ist gewiB durch eine Sonnen- oder Mondfinsternift yer-
anlalt worden, ohne daB dies in der Ober die Schenkung ausgestellten Urkunde
gesagt wird. £ine noch nicht veröffentlichte Kupferplatte des Qofindacandra
Ton Kanaig ist datiert V, U^OO^ 8rävana-8udi 15, Bavau s Sonntag d.
ie.JalilI44, wo eine in Indien sichtbare Mondfinsternis stattfand, die hier nicht,
in einer Kupferplatte des Param&ra Laksml?arman (No. 23 der Mondfinsternisse)
aber wohl erwähnt wird. In ähnlicher Weise entspricht das Datum einer In-
schrift des W. Galukya Vikramftditya IL, 5. 656 ^ Mägha-paur^masyäm {Ind.
AmL VII, 107), dem 18. Januar 735, wo ebenfalls eine in Indien sichtbare Mond-
finiternift stattfand. Besonders aber möchte ich hier darauf aufmerksam machen,
daS alle bekannt gewordenen Gupta-Yalabhi Daten mit Tagen des Neumonds oder
Vollmonds, soweit sich dies ohne Angabe der Wochentage behaupten läftt, Tagen
entsprechen, an denen Finsternisse stattfanden. Die Fall Kupferplatte des Ma-
harl^a Laksma^a von Jayapura (Ep. Ind. II, 864) ist datiert tamnaUara-iaie»
»fapaiUiäiad'UUare Jye^ha-^äse paurnamasyam ^ d. 18. Msi 477, mit einer in
Indien sichtbaren MondfinsterniB ; die Oapesgad Kp. des DhruTasena I. Ton Va-
labbl (Ep. Ind. III, 820) sam 207 Vai^äkha^ 15, fOr den pün^mänta Vais&kha
s: d. 28. M&rs 526, mit einer in Indien nicht sichtbaren SooDeafinsterniS. Vier
Knpferplatten des Dharasena II. ?on Valabhl (Gupla Inwr. 165, Ind. Ani. VII,
68 und VIII, 801, und Bhavnagar Intcr. 85) sind datiert aam 252 VaiiaXharba
15, fbr den pOr^manta Valtfakha = d. 10. April 571 , ebenfalls mit einer in In-
dien nicht sichtbaren Sonnenfinsternis, und die Bot&d Kp. des Dhru?asena IL
TOB Yalabhl {Ind. Ani. VII, 18 und Bhavnagar Intcr. 40) trägt das Datum saiii
310 Äha^a^ 15, auch hier für den parfdmänia Äivina es d. 84. Aogast 639,
mit einer in Indien nicht sichtbaren Sonnei^tarnü.
62 F. Cielhorn,
erwähnte Vorschrift der Textbücher, und die Erwähnung einer
nicht sichtbaren Sonnenfinsterniß in einer spätren Inschrift dürfte
darum wohl geeignet sein, Zweifel an der Aechtheit einer solchen
Inschrift zu erwecken.
Die Zahl der in den Inschriften erwähnten Mondfinster-
nisse ist 65. Fünf davon (No. 61 — 65) lassen sich nicht berech-
nen; und in 13 Fällen (No. 48—60) fand an dem überlieferten
berechenbaren Datum keine Finsterniß statt. Eins dieser 13 Da-
ten (No. 4S) gehört einer sicher gefälschten Inschrift an; was die
andren 12 Daten betrifft, so muß es von vorn herein Mißtrauen
erwecken, daß in den neun davon, die überhaupt einen Wochentag
geben, dies siebenmal Montag (und zweimal Sonntag) ist^). Auf-
fällig ist auch, daß viermal (in No. 50, 51, 52 und 68) außer der
Mondfinsterniß noch eine samkränti in Verbindung mit dem Datum
erwähnt wird, nur in einem Falle (in No. 58), wie es scheint, mit
einer gewissen Berechtigung.
Es bleiben uns somit 47 Fälle, in denen an dem überlieferten
Datum wirklich eine Mondfinsterniß stattfand; und hier ist das
sehr einfache Resultat dies , daß in 46 Fällen die Finsterniß eine
in Indien sichtbare war, und daß die einzige in Indien nicht sicht-
bare Finsterniß (No. 47) in einer Inschrift erwähnt wird, die an-
erkanntermaßen eine Fälschung ist. Dies Resultat wird in keiner
Weise durch den Umstand beeinträchtigt, daß die Finsterniß in
fünf Fällen (No. 15, 19, 31, 32 und 41) nicht an dem vom Datum
gegebenen Wochentage stattfand *) , denn auch so dürfen wir
behaupten, daß die in den bisher gefundenen ächten und richtig
datierten Inschriften erwähnten Mondfinstemisse alle in Indien
— und zwar, meiner Berechnung nach, alle an dem Orte der In-
schrift — sichtbar waren. Gestützt auf dieses Resultat habe ich
mich bei dem oben erwähnten Datum des Räjaräja-Kesarivarman
für den 26. September 991 entschieden , und eine nach der Se3s&
Aera datierte, vor kurzer Zeit gefundene Inschrift desselben Königs
hat die Richtigkeit meiner Entscheidung bestätigt.
Zum Vergleich mit der Thatsache , daß mehr als 20 Daten
1) Das Eiotreten einer MondfinsterniB an einem Montag heiBt cü^mani
*Scheiteljawel' , und Schenkungen bei solcher Gelegenheit sichern endloses Yer*
dienst. Dies ist gewiB der Grnnd, weshalb in den sonst regelm&Bigen Daten der
Mondfinsternisse No. 15, 31, 82 und 41 Montag statt des richtigen Wochentags
genannt wird. Aber Ton 28 ganz correoten Daten mit Mondfinsternissen, die dea
Wochentag geben, haben doch nur fünf den Montag.
2) Vgl. die vorhergehnde Anmerkong.
die Sonnen- and Mondfiasternisse in den Daten Indischer Inschriften. 63
in den folgenden Listen Finsternisse erwähnen, die an den gege-
benen Daten nicht stattgefunden haben, und daß in andren Feh-
ler namentlich in Betreff des Wochentags nicht selten sind, diene
hier noch eine kurze Bemerkung über die inschriftlichen Daten,
die eine sathkräntij d.h. den Eintritt der Sonne in ein Sternbild
des Thierkreises erwähnen. Die mir zu Gebote stehnden Inschrif-
ten enthalten 125 solcher Daten, fast genau ebensoviele wie Daten
mit Finsternissen. Nicht weniger als 84 davon erwähnen die Ut-
tarftya^a - samkränti (das Winter-soktitium), 12 die Dak^iQäyana-
saihkränti (das Sommer-solstitium), nur 16 eine der beiden Yi^uva-
saiükräntifl (das Frühlings- oder Herbstäquinoctium), und nur 10
eine der acht andren saihkräntis. Von den 125 Daten sind 31
nicht berechenbar, und bei 25 andren fand an dem gegebenen
Datum oder in unmittelbarer Nähe . desselben keine sariikränti
statt, auch keine tropische. Aber auch in 23 der übrigen 69 Fälle,
in denen die gemeinte sanikränti mit Sicherheit bestimmt werden
kann, enthält das gegebene Datum, wenigstens wie es uns vorliegt,
einen Fehler. Neunmal ist der gegebene Wochentag (mit einer
Ausnahme Sonntag ^) oder Montag) falsch, fünfmal die tithi, ein-
mal das nak^atra, viermal die MonatshäKte, zweimal der Monat*),
und zweimal das Jahr. Uebrigens darf man nicht vergessen, dafi
wir von manchen der hier benutzten Inschriften noch keine kri-
tischen Ausgaben besitzen').
l,a. — In Indien sichtbare Sonnenfinsternisse.
1. — 25. \runi 754; totale Finsterniß im Monat Sräva^a. —
Pattadakai I. des W. Calukya Eirtivarman U. Satyäiiraya; J^.
ImL m, 4.
2.-4. Mai 794; k 716, VaiÄäkha*). — Paithä? Kp. des
R&Strakuta Govinda HI.; Ep. Ind. IH, 103 und Ind. Ant. XXIU, 131.
3.-27. Juli 808; ä. 730, äräva^ia«^). — Rädhanpur Kp. des
RäStraküta Govinda HI. ; Ind. Ant. VI, 68 und XXIU, 131.
1) Aach bei den 26 berechenbaren Daten , an denen in Wirklichkeit keine
•amkr&oti ttattfand, ist der Wochentag mit einer einzigen Ausnahme immer Sonn-
tag oder Montag.
2) Es ist wahrscheinlich, daB in einem dieser beiden F&lle eine andre als
die im Datam genannte samkrftnti gemeint ist.
8) In den folgenden Listen beseichnet I. eine Steininschrift and Kp. eine Kapfer-
platte.
4) Eine in Indien nicht sichtbare SonnenfinsterniB fand am 14. Mai 798, im
selben Monate des laafenden Jahres &. 716, statt.
6) Bereebnet für Nftsik. Eine in Indien nicht sichtbare Sonnenfinstemü
fand am 7. Aogost 807, im selben Monate des laufenden Jahres ^. 780, statt
64 ^' Itielhorn,
4. — 16. Juni 866; Ö. 788, Jyai^tha. — Sirör I. des Rä^tra-
küta Amoghavar^a I.; ImL Ant. Xu, 219 und XXTTT, 123.
B. — 6. Juni 867; 6. 789, Jyairtha*). — Bagumrä Kp. des
Rä^trakuta Dhärävar^a Bhruvargja 11. von Gujarät; Ind. Ant.
Xn," 185 und XXin, 131.
6. — 15. April 888; Ö. 810, Caitra. — Bagumrä Kp. des
Rä^traküta Akälavar^a ErijQaräja von Gujarät; Ind. Ant. XTTT,
69 und XXTTT, 123.
7.-9. September 946; ä. 867, Bhädrapada. — Sälotgi I.
des Rä$traküta Er$Qa UI. ; Ep. Ind. IV , 60 und Ind. Ant. XXTTT, 123.
8.-22. betober 971; S. 893, ÄÄyina. — Adaraguficld L
des Rä$trak&ta KhotUga; Ind. Ant. XU, 256 und XXTTT, 123.
9. — 20. September 982; ä. 904, Bhädrapada, — Nilgond
I. des W. Cälukya Taila 11.; noch nicht veröffentlicht.
10. — 23. November 1025; 6. 948*, Kärttika. — Kalas-
Budrfikh Kp. des Yädava BhillamaHI.; Ind. Ant. XYII, 120 und
XXm, 129.
11. — 15. Januar 1051; S. 972, Pau^a. — Surat Kp. des
Caulukya Trilocanapäla von Lätadeia; Ind. Ant Xu, 202 und
XXTTT, 124.
12.-10. Mai«) 1064; 6. 976, VaiÄäkha. — Honwäd L des
W. Cälukya Someivara I. ; Ind. Ant. XIX, 273 und XXIV, 7.
13. — 21. Juli 1069; 6. 991, Äsäijha. — Väghli I. des Yä-
dava Seu](^acandra 11. ; Ep. Ind. IE, 227 und Ind. Ant. XXTII, 124.
14. — 19. März 1094; Cä-Vi-va. 18, Phälguna. — Balagäifave
I. des W. C&lukya Tribhuvanamalla Yikramäditya YI. ; Ind. Ant.
Y, 342 und XXH, 110.
15. — 11. Mai 1119; Y. 1176, Jyai^tha. — Kamauli Kp. des
Govindacandra von Kanauj; noch nicht veröffentlicht.
16.-26. December 1144; Jahr 7, Raktäk^a {^ ^. 1066),
Paufa"). — Kodikoppa I. des W. Cälukya Jagadekamalla ü. und
des Sinda Permädi L; Bo. As. Soc. XI, 253.
1) Eine in Baroda ebenfalls sichtbare Sonnenfinsternis fand am 16. Joni 666,
im selben Monate des laufenden Jahres 6. 789, statt; s. No. 4.
2) Dies war ein Dienstag, nicht, wie in der Inschrift angegeben, ein Montag.
8) In Kodikoppa nicht sichtbar. Der Wortlaut des Datums ist Puijfad-
amavasye Borna- vära uiianya^uuaiMranMfM'VyaRjßUi'9ihyyagraiha^
Die nttarSya^a - samkr&nti fand statt Sonntag, d. 24. Deoember 1144, 16 h.
22 m. , and die Sonnenflnsternii Dienstag, d. 26. December 1144; der im Da-
tum erw&hnte Montag w&re also Tielleicht der swischen dem Tage der samkrtati
und dem Tage der Finsternis liegende Tag. Ton siebaehn mir bekannten Daten,
die das Wort vyaüpaia enthalten, sind sechsehn scheinbar unregelm&lig. Dasa
die Sonnen- und Mondfinsternisse in den Daten Indischer Inschriften. 65
17. — 17. Januar 1162; Jahr 6, Vi^u (« S.1083), Pau?a. —
Balagäihve I. des £a{acarya Bijjala-Tribhavaiiamalla ; Päli^ Skr.
and Old'Can. Inscr, No. 184 und Mysore Inscr. 92, No. 43.
18. — 1. Juni^) 1174; k 1096, Jyai^tha. — Hulgür I. des
Kalacurya Somesvara; Ind. Änt. XVm, 127 und XXIV, 8.
19. — 26. November 1174; 6. 1096, Margasir^a. — Hulgör
L des Kalacurya Some6vara ; Ind. Ani. XVm, 127 und XXHI, 124.
20. — 26. November 1174; Kaliyuga 4275, Märgaiilr^a. —
Degäihve I. des Eädamba PermSdi-Sivacitta von Goa; Bo. As. Soc.
IX, 266 und Ind. Ant. XVH, 266.
21. — 28. Juni 1191; k 1113, JyaLjtha. — Gadag I. des
Devagiri - Yädava Bhillama; Ep. Ind. in, 219 und Ind. Ant
XXm, 126.
22.-18. December 1191; 6. 1113, MärgaÄir^a. — Chau-
dadämpur L des Yira- Yikramäditya ; Päli^ Skr. and Old-Can. Inscr.
No. 109 und Ind. Ant. XXHI, 125.
23.-5. October 1195; 6. 1118*, [ÄÄvina]. — Tadi-MiUihgi
l. des Hoysala Yira-Balläja; Ep. Cam. I, 146, No. 31.
24. — 22. April 1213; Ö. 1136*, Caitra. — Khedräpur l.
des Devagiri-Yädava Singha^a; Bo. As. Soc. XII, 7 und Ind. Ant.
XXm, 130.
25.-22. April 1213; 6. 1136*, Caitra. — HalebicJ L des
Hoysala Yira-Balläja; Päli^ Skr. and Old-Can. hiser. No. 234
26. --22. April 1213; Y. 1270, YaiÄäkha. — Bhopäl Kp.
des Paramära Arjunavarman ; Amer. Or. Soc. YII, 32 und Lid»
Änt. XIX, 175.
27.-3. Juli 1228; Ö. 1151*, A^ädha. — Saundatti I. des
Ralta Lak«m!deva n. ; Bo. As. Soc. X, 260 und Ind. Ant. XXm, 130.
28.— 1. März 1253; k 1175*, Phälguna. — Bangalore Mu-
seum Kp. des Hoysala Somesvara; Mysore Inscr. 322, No. 171 und
Ind. Ant. XXm, 130.
gehören Ton den hier aufgesählten Daten noch das der SonnenfinsterniB Nr. 18
(das Datum giebt den Wochentag Sonntag, w&hrend die FinsterniB an einem
Sonnabend stattfand); das der MondflnsterniB No. 81 (das Datum giebt Montag,
aber die FinsterniB fand an einem Sonnabend statt); das der SonnenfinsterniB
No. 44 und das der MondfinsterniB No. 51. bei denen der Wochentag stimmt,
die aber wie es scheint fälschlich sowohl Finsternisse wie samkr&Qtis erwähnen;
und die der Mondfinsternisse No. 52 und No. 58. Ueber die Bedeutungen des
Wortes «yolifMita siehe meine Angaben im Ind. Ant, XX, 292. Von den siebzehn
Daten, die das Wort vyaüpSia enthalten, geben neun den Tag Sonntag and sechs
Montag.
1) Dies war ein Sonnabend; der Text der Inschrift hat aber ÄdUya-^^ra
suryyoffraha^^a^aüpätad'andu', s. die ?orhergehnde Anmerkung.
Kfl. 0«t. 4. W. VMkrlohtra. PUtolog-lüflwr. Umm. 1S96. Haft 1. 5
66 F. Kielhorn,
29.-25. Mai 1267; 6. 1189, Jyai^tha. - Hulgür I. des
Devagiri-Yädava Mahädeva ; Ind. Ant. XVEU, 128 und XXIII, 125.
30. — 5. April 1391; 6. 1313, Vaisäkha^). — Kp. des Hari-
hara 11. von Yijayanagara; Bo. As. Soc. IV, 116 nnd Ind. Ant.
XXin, 122.
31.-13. December 1498; Jahr Kalayukta (= S. 1420),
Märgadir^a. — Datum für Narasa (Nrisiinha) von Yijayanagara,
in der Nanjangü(J Kp. des Kr^^iaräya von Vijayanagara ; Ep. Com.
I, 186, No. 16.
32.-2. November 1656; S. 1478, Kärttika. — Tumbala
I. des Sadäsivaräya von Vijayanagara; Ep. Ca$n. I, 174, No. 108.
l,b. — In Indien nicht sichtbare Sonnenfinsternisse.
33.-2. August 612; k 634, Bhädrapada '). — Haidaräbäd
Kp. des W. Calukya Pulikesin U.; Ind. Ant. VI, 73 und XXIH, 130.
34. — 17. Februar 668; Jahr 6, Phälguna. — Mattewäda Kp.
des Ö. Calukya Vii^^uvardhana 11. Vi^amasiddhi ; Ind. Ant. VII,
191 und XX, 90.
35.-2. Januar 987; V. 1043, Mägha, Sonntag. — Ka(|i
Kp. des Caulukya Mülaräja ; Ind. Ant. VI, 192 und XIX, 166.
36. — ä. 417, Jyai^tha. — Die möglichen Aequivalente des
Datums für ä. 417 sind d. 10. Mai und 8. Juni 496; an beiden
Tagen fanden in Indien nicht sichtbare Sonnenfinsternisse statt.
Iläo geflUschte Kp. des Grurjara Dadda Prasäntaräga ; Ind. Ant.
Xm, 117 und XXIV, 10.
37. — V. 794, Kärttika, Sonntag, Jye^thä-nak^atra. Am 28.
October 737, einem der möglichen Aequivalente des Datums, fand
eine nicht sichtbare Sonnenfinsterniß statt; aber der Tag war ein
Hontag, mit den nak^atras Visäkhä und Anurädhä. Dhiniki ge-
fälschte Kp. des Jäikadeva; Ind. Ant. XII, 155 und XIX, 369.
38. — S. 988, Bhädrapada, Dienstag. — Dem Datum entspricht
d. 22. September 1066, an dem eine in Indien nicht sichtbare
(oder doch nur im äußersten Norden eben sichtbare) Sonnenfinster-
niß stattfand; der Tag war jedoch ein Freitag. Däva^gere I. des
W. Calukya Somesvara L; Pali^ Skr. and Old. Can. Inscr. No.l36
und Mysore Inscr, 19, No. 11.
39. — ä. 1095, Mftrgasir^a, Montag. — Dem Datum entspricht
d. 6. December 1173, an dem auch eine in Indien nicht sichtbare
1) Dies wftre der pSr^mänta Yaitekha; es scheint aber sicher, daB der
amanUi Caitra beabsichtigt war.
2) Eine nicht sichtbare SonnenfinsterniB fand auch am 18. Aagost 611, im
selben Monate des laufenden Jahres &, 584, statt.
die Sonnen- und Mondfinsternisse in den Daten Indischer Inschriften. 67
Soimenfinsterniß stattfand; aber der Tag war ein Donnerstag.
Curngode L des Rak^ämalla; As. Bes. IX, 431 und Colebrooke's
Mise. Essays TL, 276.
1,0, — Sonnenfinsternisse, die an den gegebenen
Daten nicht stattfanden.
40. — S. 41B, Jyai^tha. — Die möglichen entsprechenden Da-
ten sind d. 12. Mai nnd 10. Joni 492, und d.. 1. and 31. Mai 493;
an keinem dieser Tage war eine Finstemiß. Bagomrä gefälschte
Ep. des Gorjara Dadda Fra^äntaräga ; Ind. Auf. XYII, 200 und
XXIV, 11.
41. — S. 532(?), Vaisäkha, Sonntag. — Das für 6. 532 ent-
sprechende Datum ist Dienstag, d. 28. April 610, an dem keine
Finsternis stattfand. Enrtakoti gefälschte Kp. des W. Calnkya
Vikramäditya I. ; Ind. Ani. VII, 220 und XVm, 285.
42. — ä. 872, Kärttika, Donnerstag. — Dem Datum entspricht
Dienstag, d. 12. November 950, an dem keine Finsterniß statt-
fand. Eine in Indien nicht sichtbare Finsterniß fand in dem auf
Kärttika folgenden Monate Märgai^ir^a, Donnerstag d. 12. Decem-
ber 950, statt. Naregal I. des Sinda Permädi I.; Bo. As. Soc.
XI, 239 und Ind. Ant. XXIV, 5.
43. — 1§. 922, Bhädrapada. — Dem Datum entspricht d. 31.
August 1000, an dem keine Finsternis stattfand. Eine in Indien
nicht sichtbare Finsterniß fand in dem auf Bhädrapada folgenden
Monate Äsvina, am 30. September 1000, statt. Saihgamner Kp.
des Yädava Bhillama U.; Ep. Ind. H, 217 und Ind. Ant. XXIV, 12.
44. — S. 1106, Äi^adha, Montag, süryyagrahapa - saiükräihti-
vyatipätad-aihdu ^). — Das Datum ist Montag, d. 9. Juli 1184, an
dem weder eine Finstemiß noch eine saihkränti stattfand. Eine
in Indien sichtbare Sonnenfinsterniß fand im Monate Kärttika des-
selben Jahres, Montag d. 5. November 1184, statt. Dambal I. des
W. Cälukya Somesvara IV. ; Päli, Skr. and Old-Can. Inscr. No. 102.
45. — ä. 1174*, Jyai^tha, Freitag. — Dem Datum entspricht
Dienstag , d. 20. Juni 1251 , an dem keine Finsterniß stattfand.
MnnoUi I. des Devagiri- Yädava Kr9Qa ; Bo. As. Soc. XII , 34 und
Ind. Ani. XXIV, 16.
46. —S. 1254, prathama-Caitra, Montag, Pürwä-Bhadrapadä-
nak^atradalli. — In ä. 1254 war Jyai^tha, nicht Caitra, ein Schalt-
monat, und im ersten Jyaiftha fand eine in Indien sichtbare Son-
nenfinsterniß Montag, d. 25. Mai 1332, statt; aber das nak^atra
1) Vgl. oben 8. 64, Anm. 8.
6
68 F. Kielhorn,
an diesem Tage war Mrga6ir§a. HulluhaUi I. des Hoysala Vira-
Balläla (BaUäla UI.) ; Ep. Carn. I, 194, No. 6B.
47. — j^. 1478, Märga8ir§a, Sonntag. — Dem Datum entspricht
Dienstag, d. 1. December 1556, an dem keine Finsterniß stattfand.
Eine in Indien sichtbare Sonnenfinsterniß fand in dem vorherge-
henden Monate Kärttika, aber an einem Montag, statt; s. oben
No. 32. Chingleput Kp. des Sadäöivaräya von Vijayanagara; Ep.
Ind. IV, 2 und Ind. Ant. XXIV, 17.
48. — V. 1166, Pau^a, Sonntag. — Das beabsichtigte Datum
ist aller Wahrscheinlichkeit nach Sonntag, d. 3. Januar 1109, an
dem keine Finsterniß stattfand. Eine in Indien nicht sichtbare
Sonnenfinsterniß fand einen Monat früher, Freitag d. 4. December
1108, statt. Rähan Kp. des Govindacandra von Kanauj; Ind. Ant
XVm, 15 und XIX, 371.
49. — V. 1235, Pau^a. — Die möglichen Aequivalente des Da-
tums sind d. 21. December 1177, d. 20. Januar und d. 11. Decem-
ber 1178, und d. 9. Januar 1179; an keinem dieser Tage war eine
Finsterniß. Pipliänagar Kp. des Paramära Hariscandra; Beng.
As. Soe. Vn, 736.
l,d. — Sonnenfinsternisse in Daten mit Vollmond-
tagen und nicht berechenbare Finsternisse.
50. — ä. 948, Kärttika-suddha 15, Sonntag. — Dem gegebe*
neu Datum entspricht d. 28. October 1026, an dem eine in Indien
sichtbare Mondfinsterniß stattfand ; der Tag war aber ein Freitag.
In demselben Monate Kärttika, Sonnabend d. 12. November 1026,
fand eine in Indien nicht sichtbare Sonnenfinsterniß statt. Bhä^^üp
Kp. des Silära Cittaräja; Ind. Ant. V, 278 und XXIV, 13.
51. — V. 1164, 'on the full-moon of Pausha'. — Dem Datum
entspricht d. 31. December 1107, an dem eine in Indien sicht-
bare Mondfinstemiß stattfand. In demselben Monate Pau^a, am
16. December 1107, fand aber auch eine in Indien sichtbare Son-
nenfinsterniß statt. Madhucaraghar I. des Paramära Naravarman ;
Transactions Boy. As. Soc. I, 226.
B2.-.V. 1299(?), Phälguna. — Das in der Inschrift gegebene
Datum, von dem das Jahr der Finsterniß abhängt, ist falsch.
Kadi Kp. des Caulukya Tribhuvanapäla; Ind. Ant. VI, 208 und
XIX, 372.
58.— Gupta Jahr 585. — Morbi Kp. des JäiAka; Ind. Ant.
n, 257,
die Sonnen» and MondfinsterniMe in den Daten Indischer Inschriften. 69
64, — GäAgeya Jahr 51 (?). — Chicacole Kp. des GaAga Deven-
«dravarman; Ind. Änt XTTT, 275.
56. — Grängeya Jahr 304. — Alamanda Ep. des Granga Anan-
tavarman; Ep. Ind. HL, 18.
66. — Gängeya Jahr 351. — Chicacole £p. des Gaiiga Satya-
varman; Ind. Ant. XIV, 11 und Dr. Fleet's BynasHes^ 297.
67. — Jahr 5, Mei^a-dine 10, Soma-vära. — Zweifelhaft ob Son-
nen- oder Mondfinstemiß gemeint ist. Balasore Kp. des Foru^otta-
madeva von Orissa; Ind. Ant. I, 355; vgl. auch XXII, 108.
58. — Säükhe^ä £p. des ^äntiUa; Ep. Ind. II, 23.
59. — Idara Kp. des Ö. Calnkya Vijayäditya IT.; Ind. Ant.
Xm, 65.
60. — Bngada Kp. des Mädhavavarman ; Ep. Ind. IQ, 43.
61. — Komäralingam gefälschte Kp. des Bavidatta; Ind. Ant.
XVm, 366.
62. — Monat Caitra , nttaräyapasainkränti - vyatipäta - nimitte
süryya-parvaQi ardhagräsa-grhita-samae. — Graaja Agrahära ge-
fälschte Kp. des Janamejaya; Proceedings Beng. As. Soc. 1873, 75
and Ind. Ant. I, 377 und III, 268.
2,a. — In Indien sichtbare Mondfinsternisse.
1. — 7. Juli 632; Jahr 18, Srävapa. — Chlpurupalle Kp. des
Ö. Calukya Yi^^nvardhana I. Vi^amasiddhi ; Ind. Ant. XX, 16
und 4.
2.-2. Februar 706; [Cedi] Jahr 456*), Mägha. — Nausäri
Kp. des Gurjara Jayabhata HI; Ind. Ant. Xm, 77 und XVn, 220.
3. — 19. März 843; 6.765, Caitra. — I. auf Java«); Notulen
Batav. Omoatschap, XXVI, 21 ; Ind. Ant. XXTTT, 113.
4. — 17. Januar 930; 6. 851, Mägha.— Kalas I. des Räjtra-
kata Govinda IV. ; Ind. Ant. XU, 211 und XXIII, 114.
5.— 16. November 951; 6. 873, Märgasir^a. — Soratür I.
des Rastraküta Kre^a UI. ; Ind. Ant. XU, 267 und XXHI, 114.
6.-25. September 972; S. 894, Ä6vina. — KardäKp. des
Rä9traküta Kakka II. ; Ind. Ant. XII, 266 und XXIII, 115.
7.-3. Juli 977; 6. 899, Ä?ädha. — Dodda-Homma I. des
W. Ganga Satyaväkya Kongu^ivarman Fermana^i; Ep. Cam. I,
212, No. 183.
8.-6. November 979; V. 1036, Kärttika. — Ujjain Kp.
des Paramära Yäkpatiräja; Ind. Ant. XIV, 160 and XIX, 23.
1) Naoh der Ton mir für die sp&tren Cedi Daten berechneten Epoche der
Aera wftrde man 457 statt 456 erwarten.
2) Die FineterniB war sowohl in Indien wie anf JaTa sichtbar.
70 P. Kielhorn,
9.-26. September 991; Jahr 7, Monat AippaÄ^). —
Tirnvallam L des Cola Räjaräja-Kesarivarman; Ep. Ind. IV, 66.
10. — 19. Januar 995; V. 1051, Migha. -- Baroda Kp. des
Caulukya Mnlaräja; Wiener Ztschr. V, 300.
11. — 6. November 998; V. 1055, Kärttika. — Nanyaurä
Kp. des CandeUa Dhaiigadeva ; Incl, Ant XVI. 203 and XIX, 23.
12. — 6. November 1017; Ö. 939, Kärttika. — Thä^ä Kp.
des Silära Arikesarin; As, Fes, I, 363 und Ind. Ant. XXIII, 115.
13. — 1. März 1021; S. 943*, Phälguna. — Nandigunda I.
des Räjendra-Cola I. ; ^. Carn. 1, 204, No. 134 und Ep. Ind. IV, 68.
14. — 6. August 1077; Cä-Vi-va. 2, Srävapa. — Yewör I.
des W. Cälukya Tribhuvanamalla Vikramäditya VI.; Ind. Ant.
Vm, 20 und XXII, 109.
15. — 30. Januar*) 1078; Cä-Vi-va. 2, MagLa. — Balagäihve
I. des W. Cälukya Tribhuvanamalla Vikramäditya VI. ; PöZi , Skr.
and Old'Can. Inscr. No. 164 und Mysore Inscr. 163, No. 77.
16.-5. Mai 1091; V. 1148, Vaiöäkha. — Sönak Kp. des
Caulukya Kar^adeva ; Ep. Ind. I, 317.
17. — 5. Juni 1099; Cä-Vi-va. 24, Jyaistha. — Kiruvatti I.
des W. Cälukya Tribhuvanamalla Vikramäditya VI. ; Päli, Skr. and
Old'Can. Inscr. No. 113 und Ind. Ant. XXn, 110.
18. — 5. Mai 1110; Jahr Vikrta (= S. 1033*), Vaiääkha.—
Tälaleii Kp. des ^ilähära Gaipdaräditya; Bo. As. Soc. XIII, 3 und
Ind. Ant. XXm, 127.
19.-11. Januar») 1126; V. 1182, Mägha. — Kamauli Kp.
des Govindacandra von Kanauj ; noch nicht veröffentlicht.
20. — 8. November 1128; 6. 1051*, Kärttika. — lAgleÄvar
I. des W. Cälukya Some6vara HI. ; Ind. Ant. XU, 212 und XXin, 127.
21. — 9. et ob er 1139; V. 1196, Äsvina. Kamauli Kp. des
Govindacandra von Kanauj; Ep. Ind. 11, 361.
22.-1. Februar 1143; 6. 1065*, Mägha. — Kolhäpur I.
des Öilähära Vijayäditya ; Ep. Ind. IH, 210 und Ind. Ant. XXIII, 127.
23. — 16. Juli 1144*); V. 1200, Öräva^a. Ujjain Kp. des
Faramära Lak^mivarman ; Ind. Ant. XIX, 352 und 40.
1) Die FiDSteroift fand am Tage der yi8UTa-TQl&-samkr&Dti statt.
2) Dies war ein Dienstag, nicht, wie in der Inschrift angegeben, ein Montag*
8) Dies war ein Montag, nicht, wie in der Inschrift angegeben, ein Sonnabend.
4) Dies ist das Aequivalent des Datums für das yerflossene K&rttik&di V.
Jahr 1200. In Indien eben sichtbare Finsternisse fanden auch an den beiden
Tagen (d. 8. Angnst 1142 und 28. Juli 1148) statt, die dem Datum fQr das lau-
fende und das verflossene CaitrSdi Y. Jahr entsprechen.
die Sonnen- und Mondfinsternisse In den Daten Indischer Inschriften. 71
24.-8. September 1150; 6.1073*, Bhädrapada. - Bämapi
I. des Öilähära Vijayäditya; Ep. Ind. m, 212 und Ind. Ant.
XXm, 128.
25. — 12. December 1163; [V. 1220, Pau]§a. — Udaypur
I. des CaulukyaKumärapäla; Ind. Ant. XVIII, 343 nnd XIX, 357.
26. — 18. Juli 1171; V. 1228, Örävaija. — Ichchhäwar Kp.
des Candella Faramardin; Beng. As. Soc. LXIV, I. 156.
27. — 10. November 1174; Ö. 1096, Märga6lr§a. — Hulgür
I. des Kalacurya Somesvara; Ind. Ant. XVIU, 127 und XXIII, 117.
28. — 21. November 1192; S. 1114, Märgasir^a. — Gadag
I. des Hoysala Vira-Balläla; Ind. Ant. H, 301 und XXDI, 117.
29.-9. August 1207; Ö. 1128 (statt 1129), Öräva^a. —
Datum in der Pätnä I. des Devagiri-Yädava Singha^a; Ep. Ind. I,
343 und Ind. Ant. XXIV, 5.
30.-9. September 1215; V. 1272, Bhädrapada. — Bhopäl
Kp. des Faramära Arjunavarman ; Amer. Or. Soc. VII, 25 und
Ind. Ant. XIX, 31.
31. — 22. Octoberi) 1222; Ö. 1145*, Kärttika. — Munoj|i
I. des Devagiri-Yädava Singha^ia; JBo. As. Soc. XTT, 11 und Ind.
Ant. XXIV, 8.
32.-19. August«) 1225; Ö. 1148*, Bhädrapada. — Datum
in einer Chau^adämpur I. des Devagiri - Yädava Mahädeva ; PöZi,
Sir. and Old-Can. Inscr. No. 110 und Ind. Ant. XXIV, 8.
33. — 12. Januar 1237; 6. 1158, Mägha. — Kolhäpur I. des
Devagiri-Yädava Singhapa; Graham's Kolhapoor, 426, No. 13 und
Ind. Ant. XXm, 118.
34.-3. Februar 1273; S. 1194, Mägha. — Kolhäpur I.
des Devagiri-Yädava Rämacandra; Graham's Kolhapoor, 437, No. 15
und Ind. Ant. XXIH, 119.
35. — 31. Mai 1379; S. 1301, Jyaistha. — Pambal Kp. des
Harihara 11. von Vijayanagara ; Bo. As. Soc. XII, 352 und Ind.
Ant. XXIII, 119.
36. — 15. October 1399; Ö. 1321, Kärttika. — Nallar Kp.
des Harihara 11. von Vijayanagara; Ep. Ind. in, 122.
37.-24. Juni 1526; Ö. 1448, ħä<Jha. — Hemmige l. des
Kr^Qaräya von Vijayanagara; Ep. Carn. I, 151, No. 49.
38.-23. April 1529; S. 1451, Vai6äkha. — Kr^^äpura L
1) Dies war ein Sonnabend ; der Text der Inschrift hat SonuniSra wmaqtor
toia-vyalQMtodalli. 8. oben 8. 64 Anm. 8.
S) Dies war ein Dienstag, nicht, wie in der Insehrift angegeben, ein Montag.
72 F. Kielhorn,
des Kr^^araya von Vijayanagara ; Ep. Ind. 1, 399 and Ind. Änt.
XXTTT, 120.
39.-6. October 1530; Ö. 1452, [A6vina]. — Ko^agalialli
L des Acyntaräya von Vijayanagara; Ep. Garn. I, 133, No. 105.
40. — 6. November 1538; Ö. 1460, Kärttika. — Harihar L
des Acyntaräya von Vijayanagara; Ind, Änt. TV, 332 and XXm, 120.
41. — 20. Janaar^) 1562; Ö. 1483, Mägha. — Harihar I. des
SadäÄivaräya von Vijayanagara; Mysore Inscr. 41, No. 24, PciZi,
SJcr. and Old-Can. Inscr. No. 134, and Ind. Änt. XXIV, 9.
42.-7(17). November 1584; 6. 1506; Kärttika. — De-
vanhajU Kp. des Örirangaräya I. von Vijayanagara ; Pö/i, SJr. and
Old'Can. Inscr. No. 28 and Ind. Änt. XXTTI, 121.
43.-29. November (9. December) 1620; ä. 1542, Mär-
gaäir^a. — Äneväla I. des Eämadeva von Vijayanagara and Cä-
maräj-Odeyar von Maisür; Ep. Carn. I, 33, No. 36.
44. — 11 (22). December 1722; Ö. 1644, MärgaÄirsa. —
To^^anür Kp. Kr^^aräja von Maisür; Ep. Garn. I, 39, No. 64.
45. — 10 (21). November 1733; S. 1655, Kärttika. — Seta-
pati Kp. ; Ärck Surv. of South. India, IV, 91 and Ind. Änt. XXTTT, 134.
46.-22. Jali 1804; V. 1861, Ä?ä4ha. — Nägpar Kp. der
Ratnakamärikä ; Proceedings Beng. Äs. Soc. 1869, 204.
2,b.— Eine in Indien nicht sichtbare Mondfinsterniss.
47. — S. 411*, Vaisäkha. — Dem Datam entspricht d. 12.
April 488, an dem eine in Indien nicht sichtbare Mondfinstemiß
stattfand. British Maseam gefälschte Kp. des W. Calakya Pali-
keÄin I. ; Ind. Änt. VH, 212 and XXIV, 10.
2,c. —Mondfinsternisse, die an den gegebenen Daten
nicht stattfanden.
48. — 6. 684, Vaisäkha, Freitag. — Dem Datam entspricht
entweder Freitag , d. 24. April 761 , oder Dienstag , d, 13. April
762; an keinem dieser beiden Tage war eine Finstemiß. Hosnr
gefälschte Kp. des W. Ganga Prthavi-Konga^i ; Mysore Inscr. 286,
No. 152 and Ind. Änt. XXIV, 11.
49. — ö. 730, Jahr Vyaya, Vaiääkha. — Die möglichen Aeqoi-
valente des Datams sind d. 6. April and 6. Mai 806, d. 25. April
807, and d. 14. April 808; an keinem dieser Tage war eine Fin-
1) Dies WUT ein Dienstag, nicht, wie in der Inschrift angegeben, ein Montag.
die Sonnen* und Mondflniterniese in den Daten Indischer Inschriften. 78
stemiß. WaQi Kp. des Räi^traküta Govinda m.; Ind. Ant. XI,
1B9 und XXIV, 11.
60. — ä. 872*, Paa$a, Montag, somagrahavam^nttarftyaoa-
saihkräntiy-aiiidn. — Bas Datum ist Montag, d. 7. Janaar 960, an
dem weder eine Finstemiß noch eine saihkränti stattfand^). Na-
regal I. des Sinda PermäcU I. ; Bo. As. Soc. XI, 224 and Ind. Ant
XXIV, 12.
51. — ^. 1080, Faa^a, Montag, attaräya^asadikräibti-vyatipäta-
Bomagraha^ad-aitida ^. — Das Datum ist Montag, d. 6. Janaar
1159; aach an diesem Tage fand weder eine Finstemiß noch eine
saihkränti statt"). Balagäihve I. des Ea]acarya Bijjala-Tribhava-
namalla; Pälij Skr. and Old-Can.Inser. No. 183 and Mysore Inser.
162, No. 74.
52.— ä. 1084 (statt 1086), Jyai^tha, Montag, somagrahana-
V}ratipäta*saitikrama9ada ^) pa^yatithiyal. — Dem Datam entspricht
Sonntag, d. 19. Mai 1163, an dem weder eine Finstemiß noch eine
saihkränti stattfand^). Fattadakal L des Sinda Cäva9(}a 11.;
Bo. As. Soc. XI, 259 and Ind. Ant. XXIV, 16.
53. — ä. 1103 , Eärttika , Montag. — Dem Datam entspricht
Sonnabend, d. 24. October 1181, an dem keine Finstemiß stattfand.
Coragode I. des Rak^ämalla; As. Res. IX, 431 and Colebrooke's
Mise. Essays U, 276.
54. — Ö. 1185*, VaiÄäkha, Montag. — Dem Datam entspricht
Freitag, d. 5. Mai 1262, an dem keine Finstemiß stattfand. Chaa(}a-
dämpar I. des Devagiri-Y&dava Mahädeva ; Pö/t, Skr. and Old-Can.
Inscr. No. 111 (aach 110).
55. — S. 1276*, Mägha, Montag. — Dem Datam entspricht
Sonnabend, d. 8. Febraar 1354, an dem keine Finstemiß stattfand.
Harihar Kp. des Bakkaräya I. von Vijayanagara ; Bo. As. Soc.
Xn, 346 and Ind. Ant. XXIV, 17.
56. — S. 1296, Kärttika. — Dem Datam entspricht entweder
d. 1. November 1373 oder d. 21. October 1374; an keinem dieser
beiden Tage war eine Finstemiß. Nadapüra Ep. des Anna-Vema
von EoQ4av!(}a ; Ep. Ind. IQ, 288.
1) Es fand keine Mondfinsternis itatt zwischen dem 17. Januar 949 und dem
3. Jon! 950.
2) Vgl. oben S. 64, Aom. 3.
3) Es fand keine Mondfinsternis statt zwischen dem 9. October 1158 und
dem 98. Febmar 1160.
4) Vgl. oben 8. 64, Anm. 8.
5) Eise in Indien nicht sichtbare Mondfinsternis fand Dienstag, d. 18. Jnni
1168» sUtt
74 F. Eielhorn,
57. — S. 1377, Bhädrapada. — Dem Datum entspricht d. 27.
August 1455, an dem keine Finsterniß stattfand. Kistna District
Kp. des Gäpadeva von Kop^avitju ; Ind. Ant. XX, 391 und XXIV, 17.
58. — Cä-Vi'va. 39, Caitra, Sonntag, graha][ia - vyatipäta - sam-
krama^iad-aihdu ^). — Die Vollmond - tithi fing an Sonntag, d. 22.
März 1114, 1 h. 29 m. nach Sonnenaufgang, und die Me^a-saibkränti
war Dienstag , d. 24. März, 5 h. 43 m. nach Sonnenaufgang; eine
Finsterniß fand nicht statt. Balagämve I. des W. Cälukya
Tribhuvanamalla Vikramäditya VI. ; Pä/i, Skr. and Old-Can, Inscr.
No. 175 und Mysore Inscr, 175, No. 88.
59. — Jahr 13, Öukla (= k 1071 oder Ö. 961), Kärttika, Mon-
tag. — Dem Datum entspricht entweder Dienstag, d. 18. October
1149, oder Sonnabend, d. 25. October 1029; an keinem dieser bei-
den Tage war eine Finsterniß. Balagäihve I. des W. Cälukya
Jagadekamalla; PöK, Skr. and Old-Can. Inscr. No. 180 und Mysore
Inscr. 97, No. 44.
60. — Jahr 16, Sarvadhärin (= S. 1090), VaiÄäkha, Sonntag. —
Dem Datum entspricht Dienstag, d. 23. April 1168, an dem keine
Finsterniß stattfand. Eine in Bajagämve nicht sichtbare Mond-
finsterniß fand einen Monat früher, Montag, d. 25. März 1168, statt.
Balagäihve I. des Eajacurya Bijjala - Tribhuvanamalla ; Pö/t, Skr.
and Old'Can. Inscr. No. 185 und Mysore Inscr, 109, No. 48.
2,d. — Nicht berechenbare Mondfinsternisse.
61. — S. 930 (statt 931). — Kautheifa Kp. des W. Cälukya
Vikramäditya V.; Ind. Ant. XVI, 24.
62. — Gähgeya Jahr 128, Märga6ir§a. — Chicacole Kp. des
Granga Indravarman; Ind. Ant. XIII, 120.
63. — Jahr 13 (oder 12?), Caitra-dine 9. — Ämgächhi Kp. des
Päla Vigrahapäla m.; Ind. Ant. XIV, 166 und XXI, 100; vgl.
auch XXn, 108.
64. — British Museum (?) Kp. des O. Cälukya Vijayäditya 11. ;
South'lnd. Inscr. I, 33, No. 35 und Ind. Ant. XX, 415.
65. — Monat Mägha. — Hosür gefälschte Kp. des W. Cälukya
Satyäsraya [Pulikeäin IL] und seiner Tochter Amberä; Ind. Ant.
Vni, 96.
1) Vgl. oben S. 64, Anm. 3.
die Sonnen* and Mondflnsierniise in den Daten Indischer Inichriften. 76
Nachtrag.
Bei der Entscheidung über die Sichtbarkeit der Sonnenfinster-
nisse an den angegebenen Orten habe ich Dr. Schram's Tafeln zur
Berechnung der näheren Umstände der Sonnenfinsternisse (Wien,
1886) benutzt. Während der Correctur dieses Aufsatzes habe ich
mich dann noch in Betreff derjenigen Sonnenfinsternisse, bei denen
das Resultat meiner Berechnungen mir etwas zweifelhaft erschien,
an Herrn Dr. Schräm selbst gewandt, und er hat die Güte ge-
habt, mir darüber folgende Mittheilungen zu machen, für die ich
ihm zu großem Danke verpflichtet bin.
Die Finstemiß No. 11 , vom 15. Januar 1051 , war in Surat
bei Sonnenuntergang 1,5 Zoll groß.
Die Finsterniß No. 13, vom 21. Juli 1069, war in Väghll bei
Sonnenaufgang 1,4 Zoll groß.
Die Finstemiß No. 16, vom 26. December 1144, war an der
äußersten Südspitze Indiens wohl noch sichtbar, aber so klein, daß
es fast gleichbedeutend mit unsichtbar ist, nämlich etwa 0,1 Zoll.
Die Finstemiß No. 22, vom 18. December 1191, war in Chau-
4adämpur (für dessen Lage ich, auf ganze Grade abgerundet, 15'
nördl. Breite und 76® östl. Länge angegeben hatte) nicht sichtbar,
aber so nahe an der Gränze der Sichtbarkeit, daß schon eine ge-
ringe Aenderung der Position des Ortes sie zu einer sichtbaren
machen konnte.
Die Finsterniß No. 24 — 26, vom 22. April 1213, war an den
drei gegebenen Orten noch vor Sonnenuntergang sichtbar, wenn
auch die größte Phase unsichtbar war. Bei Sonnenuntergang war
sie in Khedräpur (für dessen Lage ich 17® nördl. Breite und 74®
ostl. Länge angegeben hatte) 7,4 Zoll groß, in Halebl^ 4,6 Zoll,
und in Bhopäl 6,3 Zoll.
Hieraus ergiebt sich, daß meine Liste der sichtbaren Finster-
nisse höchstens in Bezug auf die Sonnenfinsterniß No. 22 einer
Aenderung bedarf. Aber diese eine Ausnahme würde, denke ich,
die Regel nur bestätigen. Denn der Umstand, daß Chau^adämpur
der Gränze der Sichtbarkeit so sehr nahe liegt, zeigt doch wohl,
entweder daß die Finstemiß nach indischer Rechnung wirklich
eine für den Ort sichtbare war, oder daß sie einem für einen
etwas südlicher gelegenen Ort (wo die Finstemiß zweifellos sicht-
bar war) berechneten Kalender entnommen ist, daß man es also
jedenfalls mit einer sichtbaren Finstemiß zu thun zu haben glaubte*
Fulcra lectorum. Testudines alveorum.
Von
Augast Mau in Rom,
Correspondenteo der Gesellschaft
Mit 1 Textfigor.
Vorgelegt in der Sitzung am 25. Januar 1896 ?on K. Dilthey.
I.
Nach altrömischer, auch in den Familien der ersten Kaiser
beobachteter Sitte lagen die Kinder nicht auf den lecti tricliniares,
sondern saßen an einem besonderen Tische:
Act. Arv. 27 Mai 218 : üem pueri praetextaii patrimi et matrimi,
semUorum ßiij numero IUI in cathedris consederunt et qndati sunt.
Suet. Ang. 64: neque cetiavit una, nisi ut nepotes in imo lecto
assiderent,
Suet. Cland. 32 : adhibebat omni cenae et liberos suos cum pue9*is
puellisque nobilibus, qui more veteri ad fulcra lectorum sedentes vesce-
rentur,
Tac. Ann. XTTT 16 : mos habebaiur prindpum liberos cum ceteris
idem aetatis nobüibus sedentes vesci, in adspectu propinquorum^ prO'
pria et parciore mensa.
Der Ort ist am bestimmtesten bei Suet. Claud. 32 bezeichnet :
ad fulcra lectorum. Was sind nun diese fulcra? Ich finde nicht,
daß hierüber etwas brauchbares gesagt wäre. Nach Georges soll
es das ganze Bettgestell sein, nach Bein tind 6öll (za Becker's
Gallns n 344 Oöll) die Füße, nach W. A. Becker (a. 0.) gar
eine Art Schemel oder Stnfe zom Besteigen des Bettes. Für letz-
teres spricht nun gar nichts, dagegen Ovid ex P. m 3, 14 : fulcra
tenens laeva tristis acema manu. Aber auch die Erklärung , Bett-
gestell' ist ganz unmöglich : dies ist ja eben der lectus, von dem
das Fulcrum ein Teil ist. Varro de 1. 1. Ym 32: quod si essd
analogia petenda supetlectili^ omnes Icctos häberemus dami ad unam
August Mau» Fnlcra lectoram. Testudines alveornm. 77
formam d aut cum fulcro aut sine eo. Big. XLI 1,26: si quid addi-
tum erü, Mo cedit, ut , . . lecto fulcrum. Flin. n. h. XXXIV 9 :
trieliniorum pedibus fukrisque üfi prima aeris nobilitas. Letztere
Stelle schließt auch die Bedeutung „Füße^ aus: diese heißen eben
pedes. Die wahre Bedeutung ist mehrfach überliefert. Die Glossen
erklären fulcrum mit AvdxXitov (Labb. Gl. ; C. Gloss. 11 74, 8 ; vgL
PolL VI 9. X 34: ivixkivtQOVy ijeixkivxQov) d. h. Lehne. Damit
stimmt Isid. or. XIX 36 : fuicra sunt arfiamenta lectorum, dicta guod
in iis fulcinms i. e. sustinemur, vel quod toros fulciant^ sive caputj
quae recUnatoria vulgus appellat.
Die z. B. bei verbeck Pompeji* S. 427 abgebildeten Tricli-
mumsbetten aus Pompeji geben von diesen ful^^a eine deutliche
Anschauung. Und betrachten wir nun diese auf der Vorderseite
mit menschlichen Figuren, auf der Rückseite mit Entenköpfen ver-
zierten Glieder, so wie auch die ganz ähnlichen, wohl nur durch
falsche Znsammensetzung unter den Sitz geratenen, mit Pferde-
köpfen verzierten Glieder der ebenda S. 426 abgebildeten Sessel,
so verstehen wir auch Hygin fab. 274: antiqui nostri in lectis tri-
diniaribus in fulcris {pulckris ms.) capita aseüorum vite cdligata habu-^
eruntf significantes suavitcUem inventi^ wobei wenig darauf ankommt,
ob Mellorum richtig überliefert oder an ein sonstiges weinbekränz-
tes Haupt zu denken ist. — Noch andere Stellen werden auf diese
Weise verständlicher. Verg. Aen. VI 604: lucent genialWus alHs
Aurea fuicra ioris ; an den hohen Polstern leuchten die goldenen
Lehnen. Prop. lU 13, 21 : fulcro sternatur leäus eburno^ ein Bett
mit elfenbeinerner Lehne.
Aus dem gleichen Grunde wie dies Glied des Lectus konnte
auch das Kopfkissen fulcrum genannt werden ; so das fulcrum plu-
meum, mit dem sich die Matrone bei Ammian XXVIU 1, 47 er-
stickt. Und weiter ist es nur natürlich, daß ein Wort, welches
diesen, Kopf und Oberkörper stützenden und nach dieser Function
benannten Teil und zugleich auch das Kopfkissen bezeichnet, poe-
tisch (und nur poetisch) für d€ks den ganzen Körper tragende Bett
gebraucht wird (Prop. V 7, 3. Mart. VIU 33, 6. Juv. 6, 22; 11, 96),
während ein das Bettgestell von den Polstern unterscheidendes
Wort zu solchem poetischen Grebrauch doch allzu ungeeignet sein
dürfte.
Also am lectus tricliniaria ist fulcrum die an der einen Schmal-
seite angebrachte Lehne. Wo ist nun aber der Ort ad fuicra Uc-^
tarum? Man ist zunächst geneigt anzunehmen, daß jeder Lectus
am Kopfende, also fUr den davor stehenden rechts, sein Fulcrum
hatte, so daß der den summus locus innehabende sich daran lehnen
78 August Mau,
konnte; den übrigen freilich nützte es nichts. Dann aber gab es
keinen Ort ad fulcra ledorumy sondern die drei Fulcra befanden
sich an drei verschiedenen Ecken des Triclinioms, wie es auch auf
der Zeichnung bei Marquardt Privatl.^ S. 304 angegeben ist. In-
deß eine genauere Betrachtung der schon erwähnten drei Lecti
aus Pompeji belehrt uns. eines besseren. Von diesen hat eines
überhaupt kein Fulcrum. Die beiden anderen aber haben jeder
eine einfachere und eine reicher geschmückte, sagen wir eine Vor-
der- und eine Rückseite. An der Vorderseite ist der Bronzebe-
schlag mit Silber eingelegt und das Fulcrum zeigt reichen figür-
lichen Schmuck; auf der Rückseite fehlt das eingelegte Silber und
das Fulcrum ist nur mit einem Entenkopf verziert. Natürlich
wandten die Lecti ihre schönste Seite den Gästen, dem Tische,
nicht der Dienerschaft zu. Hätte nun also das Fulcrum dem sum-
nms als Lehne gedient, so müßte es an beiden Lecti für den vor
der Vorderseite stehenden rechts sein. Statt dessen ist es aber
an dem einen rechts, an dem anderen links. Hieraus, und aus dem
Fehlen des Fulcrum an dem dritten Lectus, doch sicher dem medius,
ergiebt sich mit Notwendigkeit, daß beide der offenen Seite des
Tridiniums zugewandt waren, mithin nur der sutumus in summo
es am Kopfende, dagegen der imus in imo es am Fußende hatte.
Es diente also gamicht als Lehne, ist kein eigentliches Fulcrum,
sondern nur der Abschluß der zusammengestellten Lecti nach der
offenen Seite des Hufeisens. Dieser seiner Bedeutung entsprechend
wird es auch pluteus genannt : Suet. Cal. 26 : quosdam sumtnis ho-
noribus fundos cenanti niodo ad pltäeum modo ad pcdes stare succinc-
tos linteo passus est. Man könnte hier aus dem Gegensatz ad pedes
schließen wollen, daß Caligula, vacuis toris tanium ipse liegend, den
Pluteus am Kopfende gehabt habe. Doch würde dies falsch sein;
denn ad pedes (vgl. auch a. 0. 36 : praeter pedes suos iranseuntes)
ist die dem Tisch abgewandte Seite, wo auch der Sklave ad pedes
seinen Platz hat. Auch an den Pluteus des eigentlichen Bettes
(Gegensatz sponda: Marquardt Privatl.* S. 724, 17) darf hier nicht
gedacht werden : diese Seite heißt ja eben ad pcdes, und der Lectus
tricliniaris hat hier keinen Pluteus, sondern wird von dieser Seite
bestiegen. Wenn also der Kaiser nicht grade summus in summo
lag, so kam der ad pedes zugelassene ihm immer noch näher als
der, welcher am Pluteus warten mußte.
Als Lehne wären die Fulcra in der Tat für den Gebrauch
bei Tisch überflüssig gewesen: man stützte den linken Arm auf
den Polvinus, der über dem Torus an der Tischseite des Leetna
lag. Ein praktischer Zweck war wohl nur dann vorhanden, wenn
Fulcra leotorano. Testndines alreoram. 79
die drei Lecti so aufgestellt waren, wie sicher in den aasweit
meisten Fällen, nämlich in einem Zimmer welches, wie die meisten
pompejanischen Speisezimmer, nicht oder nicht viel breiter war
als eine Länge und eine Breite des Lectus, so daß der medius
mit seiner Schmalseite an den hinteren Teil der Langseite des
summus, der imus an den für den vorn stehenden linken Teil der
Langseite des medius anstieß (s. die Zeichnung bei Marquardt
PrivatL* S. 304). In einem solchen Zimmer (VlI 2, 18, r. vom
Tablinum: Giorn. d. scavi N. S. I p. 15) sind auch die pompeja-
nischen Lecti gefunden worden. Wenn sie so mit den Schmal-
seiten an einander, mit den Langseiten an den Wänden standen,
war ein Herabgleiten der Polster nur an den dem freien Raum
zugewandten Schmalseiten möglich: es auch hier zu hindern dien-
ten die Fulcra oder Plutei. Li einem größeren Raum, wo die
Seite ad pedes frei blieb, waren sie praktisch wertlos. Die Fulcra
der Speisebetten werden also in kleinen, bürgerlichen Verhältnissen
aufgekommen, dann aber, künstlerisch ausgebildet, als Schmuck
des Tricliniums, auch da beibehalten worden sein, wo der eigent-
liche Zweck wegfiel. Daß sie keineswegs immer vorhanden waren,
zeigen die BulL d. Inst. 1885 S. 213 flP., Not. d. Sc. 1884 S. 47 ff.
beschriebenen, bei Kiccolini Suppl. tav. Xu abgebildeten Gemälde :
hier liegen die Tafelnden auf Lecti ohne Fulcra. Und wenn die
Enkel des Augustus in imo lecto sitzen, d. h. doch wohl auf der
der offenen Seite des Hufeisens zugewandten Schmalseite, so ist
auch hier das Fehlen des Fulcrum vorausgesetzt.
Die Form entspricht dem Namen, nicht dem Zweck: es ist
das Kopfende eines Bettes. Der Lectus tricliniaris mit Fulcrum
ist seiner Form nach kein Speisesopha, sondern ein Ruhebett und
mochte ja auch nebenher als solches dienen, wie schon bei Plato
Sympos. 217 d. Ja vielleicht ist der Ursprung der Fulcra am
Tridinium eben der, daß in kleinen Haushaltungen, wenn man
Gäste hatte, mit Fulcra versehene Betten an einander gestellt
wurden. Uebrigens ist es ja nichts neues, daß eine für einen be-
stimmten Zweck gefundene künstlerische Form auch für einen
anderen Zweck verwandt wird«
Also od fulcra ledorumj ad pluteuntj ist der Platz an der offe-
nen Seite des Hufeisens. Li der Tat, wenn das Triclinium, wie
natürlich meistens, in der oben bezeichneten Weise in einem engen
iSimmer aufgeschlagen war, so war dies der einzig mögliche Platz
für den Eindertisch. Es scheint nun, daß in einem Falle, in Pom-
peji, der Sitz der Kinder erhalten ist. Bekannt sind ja die ziem«
lidi zahlreichen gemauerten Lecti tridiniares in den Gärten pom*
80 Aognst Mao,
pejanischer Häaser (s. z. B. Overbeck* S. 30B). Mit vereinzelten
Ansnahmen ist hier der für den an der offenen Seite stehenden
linke Arm länger als der rechte, so daß der Grundriß den in der
oben angegebenen Weise an einander ge-
stellten Lecti genau entspricht. An diesen
längeren Arm ist nun in einem Falle, in
dem Hanse IX 5, 11, eine schmale und nied-
rige, etwa V/% M. lange Bank angemauert,
so daß beistehender Grundriß entsteht. Es
kann wohl kaum bezweifelt werden, daß
hier, od fulcra lectorum (welche Fulcra frei-
o
lieh hier und überhaupt an den gemauerten Triclinien nicht vor-
handen sind), die Kinder ihren Platz hatten.
n.
Yitruv giebt V 10 Anweisung zur Anlage einer Badeanstalt,
und zwar einer Doppelanstalt, für Männer und Frauen, wie ihrer
zwei in Pompeji erhalten sind. Sie soll so angeordnet werden
tUi cäldaria muliebria et virUia coniuncta et in isdem regionibus sint
canloccUa, wie es in der Tat in jenen beiden Anstalten der Fall
ist. Sic enim efßcietur ut in vasaria et hypocausis ccmifnunis sit eorum
utrisque. Dies ist wohl corrupt, aber dem Sinne nach vollkommen
klar: die Wasserbehälter und die Feuerstelle sollen zwischen den
beiden Abteilungen, zunächst zwischen den beiden Caldarien liegen
und beiden gemeinsam dienen. Dem Sinne würde entsprechen:
iä et v(isaria et hypocausis communis sit eorum utrisque. Yitruv
fahrt daim fort : aenea supra hypocausim tria sunt componenda, unum
cdUdariumj alte^'um tepidarium, tertium frigidarium^ et ita conlocanda
uti ex tepidario in caldarium quantum aquae caldae exierit^ influai de
frigidario in tepidarium ad eundem modum, testudinesque alveolorum
ex communi hypocausi calfaciantur. Hier ist alles klar bis auf die
von der gemeinsamen Feuerstelle aus zu erwärmenden testudines
oiveolcrum.
„Gemeinsam^ ist die Feuer stelle, wie eben vorher gesagt
worden ist, dem Männer- und Frauenbade, zunächst den Caldarien.
Also die testudo (oder testudines?) dlveoli (oder alveolorum?) sowohl
des einen als des anderen soll erwärmt werden. Nun ist aber in
nnd an solchen Caldarien •— wir kennen sie ja hinlänglich —
nichts was mit irgend einem Scheine des Rechtes alveolusj alveoli
genannt werden könnte. Was wird denn nun aber hier erwärmt ?
Doch nichts anderes als beiderseits der hohle Fußboden, suspenr
surüf mit den sich an ihn anschließenden Hohlwänden, die große
Falcrä lectornm. Testudines alveorom. gl
Badewanne, die, wie es natürlich und in Pompeji ersichtlich ist,
der Feaerstelle zunächst liegt, endlich das ganze Caldarium und
weiter, mittelbar, auch das Tepidarium. Nun heißt die Wanne
alveus, nicht alveolus ; das Diminutiv wäre ganz sinnlos. Da drängt
sich doch unabweisbar die Vermutung auf, daß es sich eben
um die ahei handelt, oüveolorum aus alveorum verdorben ist, wie
in der Tat mehrere der älteren Herausgeber angenommen haben.
Freilich aber müssen, um diese Vermutung zu rechtfertigen, auch
die tesiudines erklärt werden.
Dass dies, wie z. B. Rode übersetzt, der Hohlraum xmter der
Wanne sein sollte, ist ganz undenkbar. Einen solchen besonderen
Hohlraum giebt es nicht; er ist nicht getrennt von dem ganzen
Hohlraum der suspensurae caldariornm, die gleich nachher doch
offenbar von den testttdines alve(oT)orum unterschieden werden. Und
wie sollte Vitruv statt des einfachen Wortes stispensura diese un-
verständliche Bezeichnung gewählt haben? denn das sind doch
keine testudines. Andere geben womöglich noch unmöglicheres,
auf völligem Mißverständniß der ganzen Anlage beruhendes. Eher
wäre zu erwägen, ob nicht testudo cdvei das Caldarium sein könnte :
der die Wanne enthaltende Raum. An sich könnte es ja vielleicht
so bezeichnet werden; freilich ist nicht recht klar, welche Eigen-
schaften ein Innenraum (s. weiter unten) haben mußte, um den
Namen testudo zu verdienen. Aber wieder müssen wir fragen:
wie sollte Vitruv an die Stelle der einfachen technischen Bezeich-
nung diese seltsame Umschreibung gesetzt haben? Etwa um eine
Verwechselung mit dem aeneum caldarium zu vermeiden ? So ängst-
lich ist er sonst nicht : er spricht eben vorher und gleich nachher
ruhig vom caldanum] und dann bot sich ja zu größerer Deutlich-
keit der einfache Ausdruck ceUae caldariae oder bloß ccllae. Und
wenn Vitruv nun fortfahrt : suspensurae caldariorum iia sunt ftKi-
endae etc., so sind doch offenbar diese caldaria etwas anderes als
die testudines. Also auch diese Erklärung wird wenigstens dann
abzuweisen sein, wenn sich eine andere bietet. Und dies ist in
der Tat der Fall.
Die betreffende Vorrichtung ist am deutlichsten im Frauen-
caldarium der sogen. Stabianer Thermen in Pompeji erhalten^).
Die Wanne steht durch eine in ihrer der Feuerstelle zunächst
liegenden Wand angebrachte halbkreisförmige Oeffnung in Ver-
bindung mit einem halbcylinderförmigen Kupferkessel, welcher
1) OTerbeok Pompeji^ 8. 230. Von Dabo aod Jacob i, der griecb,
Tempel in Pomp^i 8. 88 f. Tf. IX. Man, Rom. Mittb. VI (1891) 8. S67.
Kfl. Gif. d. Win. NtehriektM. PUlolof. bistor. KU«f. 189«. Hfl. I. 6
82 AagnstMau, Fulcra lectorum. Testudines aWeorum.
horizontal, mit der graden Fläche nach unten, über dem Gange
liegt, durch den die Grlnt aus der Feuerstelle in die stispensura
und zwar zimächst unter den Alvens gelangte. In diesen Kessel
tretend wurde das Badewasser stets von neuem erwärmt: durch
etwas tiefere Lage seines Bodens gegenüber dem der Wanne war
für Circulation gesorgt. Die gleiche Vorrichtung ist in dem Bade
der kürzlich ausgegrabenen Villa rustica in Boscoreale bei Pom-
peji erhalten*); sie sollte auch in den „CentraJthermen" in Pom-
peji angebracht werden *) und war ebenda noch in anderen An-
stalten vorhanden'). Auch in den Provinzen fehlt es nicht an
Spuren derselben.
Testudo heißt einerseit der von den Säulen eingeschlossene
Mittelraum der Basilica (Vitr. V 1, 6. 7), der Innenraum eines
Tempels ( Verg. Aen. I B05) und eines (gewölbten ?) Zimmers (Cic
Brut. 87), andererseits die Schale des Eies (Augustin Serm. 106, 7) :
hinlängliche Analogien, um die Anwendung der gleichen Bezeich-
nung auf einen halbcylinderförmigen Kessel zu rechtfertigen. Und
da nun diese Kessel von der Glut der Hypocausis zuerst und zu-
nächst erreicht wurden, so dürfen wir wohl sicher in ihnen, die
testfsdines alvearum (nicht alvcolorum) erkennen.
1) Böm. Mitth. IX (1894) S. 362.
2) Ov erbeck, Pompeji« S. 236.
8) Rom. Mitth. III (1888) S. 203. Y (1890) S. 130.
Za Asvaghosa's Buddhacarita.
Von
Ernst Lenmaiiii.
Vorgelegt ?on F. Kielhorn in der Sitznng am 22. Februar 1896.
Es schien früher, als ob die tibetische üebersetznng
von Aivagho^a's Werk hauptsächlich bloß erforderlich sei zur
Ergänzung der im Original verlorenen Partien. Mehr und
mehr stellt sich aber auch die Verbesserangsbedfirftigkeit
dessen herans, was im Skt erhalten und von Cowell publicirt
ist. Da sei es denn gestattet , nochmals (in Anlehnung an das,
was bereits in ^Some Notes on A^vagho^a's Buddhacarita ' WZ.
VU 193 — ^200 gesagt worden ist) festzustellen, welch hervor-
ragendes Berichtigungsmittel in der tibetischen Uebersetzung ge-
geben ist. Wir wählen aus Wenzel's Nachlaß die (auf unsere
Anregung angefertigte) Uebersetzung der im Skt-Text von Buch IX
vorhandenen Lücke (IX 41 — 62); es entsprechen ihr die Verse
718 — 734 in der chinesischen Bearbeitung, deren Uebersetzung
durch Beal kürzlich von Oberpräsidialrath Th. Schnitze verdeutscht
worden ist (Reclam-Bibliothek No. 3418—3420).
41. Jambn-Fluß Gold wie scheinende(n) Halle in
6ift-mit gemischte Speise gute wie
durch Planet verwirrt Padma-habend Wasser wie
Königreich und der Leiden Behältniß.
42. So Königreich Dharma-ohne Grlück nicht ist
wie unrein geworden Hann-Herr(n) frühere
Leiden gänzlich aufgeb Alter vorzüglich Zeit
Königreich wirklich-wegwerfend Wald-in gingen.
43. Kleinod wie befriedigt best nahe-umarmend
£inöden-in Gras essen besser seiend
Schlange schwarz wie sehen nicht Fehler
Besitzes Pracht-mit zusammen liegen best nicht ist.
6*
g4 Ernst Leumann,
44. Königreich gänzlich entsagt der Könige Dharma
klärlich wünschend Wald-in sehr-eintret gelobt habend
Wald gänzlich aufgebend Haus-in sehr-eingetreten
Versprechen nahe überwinden' s Wunsch nicht ist.
45. Geschlecht-in geboren Sinn-versehen Mann welcher
Dharma klärlich-wünschend Wald-in sehr-eingetreten
rothgelb gänzlich wegwerfend Scham (sehr?) verlassend
Stadt bewältig auch Besuch nicht ist.
46. aus Begierde und vollkommen-Thorheit und auch Furcht
welcher ausgespiene Speise wieder aufnimmt
aus Begierde und der Thorheit und auch Furcht
das Hinausgeworfene (Plur.) weggeworfen wieder aufnimmt.
47. welcher sehr brennend Häuser-aus wie
hervorkommend wieder der eben er sehr-eintritt
Fehler sehen der Haus-in Wohnen aufgegeben habend
aus Thorheit wiederum zu nehmen klärlich-wünscht.
48. wer auch Mann-Schützer Haus-in wohnend Befreiung
erlangt habend so erlangt der nicht seiend
Buhe oberste Befreiung's Dharma wo oder
Strafe oberste König's Dharma wo ist.
49. Ruhe-in Freude wenn Königreich verachtet
Königreich-in Sinn wenn Buhe gänzlich-gebrochen
kalt und warm und Feuer und Wasser's Einheit wie
Ruhe und Schärfe zusammenpassend nicht sind.
60. Feuer und Wasser's verbinden nicht seiend
des lügend und redlichen verbind nicht ist wie
des edel und sündhaften verbind nicht ist
Ruhe und Strafe (?) verbind nicht ist.
61. deß- wegen Erde-haltend Herr(en) diese
Königs Macht (Plur.) verlassend Ruhe erlang
Königreiche
62. Dieser (Plur. Gen.) Königreich
ich Wald sehr
Haus und Verwandte-Samjflä Fangstrick gebunden-von
befreit wieder sehr einzutreten Wunsch nicht ist.
Wer diese Probe liest wird sehen, daß sich verschiedene Zeilen
ohne Weiteres ins Skt umsetzen lassen; z. B. wird IX 46^ ge*
lautet haben:
]fO väntam annaofi punar ädadüa |
za AJfaghota's Baddhacarita. 86
Ein im Verse-Schreiben geübter Pap^it würde an der Hand
einer genauen Anglisirang der tibetischen Uebersetzung im Stande
sein, das Baddhacarita nahezu so sicher zu reconstruiren, wie das
Jänaldhara^a von ceylonesischen Gelehrten aus der Sauna wieder-
hergestellt worden ist.
Sodann sei hier auf ein weiteres Hülfsmittel hingewiesen, das
mindestens den in England und Paris lebenden Indianisten zur
Berichtigung von Cowell's Ausgabe zur Verfügung steht. Es sind
die Handschriften. Bei einer Confrontirung der Verbesserungs-
vorschläge von Lüders mit Wenzel's Nachlaß stellte es sich heraus,
daß anter den ersten elf Conjecturen nicht weniger als drei
(I 16. 68. III 14) durch die Handschriften bestätigt sind. Nach
dieser Probe zu schließen dürften sich gewiß manche Stellen, die
jetzt Anstoß erregen, einfach durch eine für eine zweite Ausgabe
vorzunehmende Collation der Handschriften verbessern lassen.
In Ermangelung der genannten beiden Hülfsmittel ist es
eigentlich mißlich, sich mit einer Verbesserung der Edition ernst-
lich abzugeben. Denn mag der Indianist auch glücklich sein in
seinen Emendationen , er kann doch die Zeitverschwendung kaum
verantworten, wenn er sich sagen muß, daß Alles, was er mit
viel üeberlegung und Scharfsinn corrigirt, auf anderm Wege in
rein mechanischer Weise zu gewinnen ist. Wir sind denn auch
unsrerseits bei der Lektüre verdorbenen Stellen aus dem Wege
gegangen, haben aber immerhin eine Anzahl Berichtigungen
notirt, die sich uns sozusagen von selber aufdrängten. Einige, die
wir dann bei Boehtlingk und Kielhorn ebenfalls vorfanden, ohne
einen Zusatz beifügen zu können , fielen weg : 11 31^. 39^. III 63*^.
XI 73'. 1X37'; dagegen sind noch ein paar Bemerkungen zu
richtig edirten Stellen hinzugekommen, so daß die Zusammen-
stellung schließlich Folgendes ergeben hat. Wie im frühem Ar-
tikel halten wir uns an die ursprüngliche Verszählung
und setzen Cowell's Nummern, wo sie differiren, in Klammem.
I 20 (39)«. In der von 17 (36) bis 22 (41) reichenden Serie von
Relativsätzen haben die zusammengehörigen Strophenpaare 19 f.
und 21 f. nur je ein Belativrmi ; die Verknüpfung von 19 und 20
ist durch ca gesichert. Am Schluß von 20 wird hito 'yaifi zu lesen
sein, wozu üi zu ergänzen ist.
I 24 (43)^. Hit dem bereits von Boehtlingk wiederhergestellten
Passus
bhata-ganaü ca . . . . vanam äpupüre
vergleiche man die analoge Stelle, welche Räjamukuta aus Pafini's
86 Ernst Leumann,
Jämbavati citirt (Borooah's Ed. p. 49, ,8. ZDMG. XXVTH 113-
Bhandarkar Rep. 188% [1887] p. 62) :
sa-pär^adair ambaram äpupüre \
Ans der vorangehenden Zeile wird ein Wort wie devaih dazugehören.
Also streiche man äpupüre in ZDMGr. XXXIX 97, 25.
I 43 (48)»^ Jacobi hat kürzlich (in Gott. Gel. Anz. 1896 p. 78)
das Wort padya auf den bekannten Sloka bezogen, den Yälmiki
ausrief, als er mitansah, wie ein Jäger aus einem Brachvogel-
Pärchen das Männchen niederschoß. Ist diese AufPassung richtig,
so muß Cyavana ein ähnliches Erlebniß gehabt und sich dabei in
einer weniger vollkommenen Weise ausgesprochen haben. In der
That findet sich eine entsprechende Sage in MBh. XIII Adhy. 50:
Cyavana, der im Wasser lebte, wurde mit Fischen zusammen in einem
Netz gefangen und jammerte über die dabei umgekommenen Fische.
23. sa munis tat tadä dr^tvä matsyännin kadanaip krtaip
babhüva krpay* ävisto viävasams ca punali-puna^i || 2663.
Hienach ist unsere Strophe wie folgt zu übersetzen:
Und der Aufschrei Yälmiki's (angesichts des dem Weibchen
weggeschossenen Brachvogelmännchens) ergab (Worte in) Yersform,
die (vor ihm) der große Weise Cyavana (angesichts der getodteten
Fische) nicht gebildet hatte.
I 61 (66)^. virancita kommt von dem Pkt-Verbum viranc^ genauer
virinCy das (wie munc aus muc) ans vi-ric hervorgegangen ist;
pai^mänta-virancitäh-u heißt ^ dem die Thränen von den Enden der
Wimpern sich lösten'. Der vielgestaltige Name Brahman's:
Virinca Virinci (Virincana Virincya) — seltener mit a: Viranca
etc. — ist ein pktisches Synonym zu sraafr ' emanator \
1 76 (81)^. taf[i saumya soceha ^ d e n bedaure ....'. Boeht-
lingk's Conjectur genügt nicht.
II 2^. Dem Dichter ist die vermeintliche Grundbedeutung
von manora^/ia gegenwärtig : 'die sogar für seinen „Herzenswagen ^
zu übermaßigen Lasten wurden'.
II 6^. aparas tu n' äsa ist bereits von Boehtlingk hergestellt
worden; man beachte Ind. Spr.^ 4901, und zur ganzen Strophe
vergleiche man die analoge Steigerung eines Gedankens in X 4.
n 11». näsauvadho .... * Unter Verwandten gab's keinen,
der nicht die Manenspende (svadhä) darbrachte und der nicht frei-
gebig war '. Hier sind außer Cowell auch Boehtlingk und Kern, ja
sogar der vorsichtige Eielhom, in die Irre gegangen.
n 41. Vgl. die ähnliche Zahlenstrophe Dasavaik. lU 11
(ZDMG. VLI B99 und 614).
stt Airaghofa^s Boddhacarita. 87
n 43*. rajäi(isy dhOrfU. Die Verbindung von rajas mit hr
' die Leidenschaft entfernen ' ist wegen des rajo-harana dem Jaina
und durch üebertragong auch dem Buddhisten geläufig. Es muß
hierüber auf die demnächst erscheinende Einleitung zu oilänka's
Vi&.-tikä verwiesen werden.
n 46^. Aiuddhodane Bähu-sapaina-vaktro jajfie suto Sähüla eva
nämnä. Anscheinend denkt sich der Dichter Räkula als Compositum
mit -la 'nehmend' (im Sinn von -Aan), da ohne eine solche Vor-
aussetzung die Vergleichung Rähula*s mit dem Rähu-sapatna sich
wie die Ableitung von Iticus a non lucetido ausnehmen würde.
in 3. Diese Strophe ist in einer etwas verdorbenen Form
ins Kunalävadäna (Divyävad. XXVII) übergegangen, was literar-
geschichtlich nicht unwichtig ist. Man findet sie in der Ausgabe
von Cowell und Neil p. 406, 1-4. Auch klingt die im Avadäna
folgende Zeile (408, 5) an m 5 an, und ebenso findet sich im Ver-
lauf (408, is) noch eine Variante von HE 26* vor.
III 12*\ Die Serie kubja kairätaka vanuma ist Jinisten und
Buddhisten gleich geläufig; vgl. darüber die Verhandl. des Leide-
ner Congr. n 538. Childers gibt unter dem Worte kiräta an, daß
khujjavämanakirät'ädayo sich im Gefolge eines Königs befanden ; eice
Form keräfika findet sich in Jät. 477.
III 62^ rathant als Ntr. ist höchst anfällig , hat aber in
vyahäny (X 27<^) einen Genossen (den allerdings Boehtlingk bean-
standet) ; vgl. auch X 31^ !
HE 65*. varäpsaro - bhrtam ' voll von herrlichen Freudenmäd-
chen '. Cowell's Vermuthung , die Boehtlingk acceptirt , genügt
nicht.
VI 46^. tasyäh kvähani . . . kva 8ä ntama! ' Was bin
ich ihr, was ist sie mir ! ' Vgl. die analoge Stelle in dem bereits
erwähnten DaÄavaikälika (H 4*) : ZDMG. VLI 597 und 613.
VI 46\ Zu vüsa - vrk^ liefert das PW. aus dem MBh. die
Parallele vwüuh .... väsäyevändajä druniafn] vgl. auch die bei
Haribhadra zu Av. - niry. 11 60, 4 gebrauchte Ableitung väscilaka
(masc.) 'Nest*.
VI 59^. käncanahatßsa - cihnani ' mit goldenem Schwan (oder
mit goldenen Schwänen) gezeichnet *. Boehtlingk nähert sich un-
serer Auffassung, die sich durch eine Parallele aus dem Jaina-
Canon stützen läßt: Bhagavati IX 33 (Ed. fol. 821) ' als (Mahävfra's
Neffe und Schwiegersohn) Jamäli im Begriff war in den Orden
einzutreten, wurde er geschoren, wobei seine Mutter die Haare in
einem Tuch , das mit einem Schwan (oder mit Schwänen) gezeich-
net war {haifpschlakMuxna) , sammelte und zur Erinnerung aufhob '•
g8 .. . Erns^ Lettmann«.
Vn 9^. svarena sändränibucUiardpainena.
[Vni 9*. -manyavo.] Druckfehler.
Vin 25*. na celur, äsur likhitä iva sthiiäh, Boehtlingk kommt
dieser Emendation sehr nahe ; äsur erfordern der Parallelismua
und die Handschriften (denn die für ü und u unten angehängten
Bogen sind im Nepal -Alphabet oft nicht zu unterscheiden und
werden dementsprechend in Handschriften leicht verwechselt;
auch sei wegen der überlieferten Lesart llikh^ darauf hingewiesen,
daß hinter sasvasur der Consonant ebenfalls verdoppelt ist.)
Vin 83 (84)*. * Er kann sich keinen Augenblick vom Glück
durchdringen lassen'. Die hier vorliegende Bedeutung von väsay
* durchdringen, erfüllen, beeinflussen ' fehlt in den Wörterbüchern,
findet sich aber häufig in der Jaina-Literatur (und wohl auch bei
andern Buddhisten außer A6vagho§a) ; das Wort ist , weil es laut-
lich mit vat'fay ' (mit Duftwasser) besprengen ' identisch ist , aus
der Dialect-Literatur ins Skt aufgenommen worden.
IX 3^. chitivä kaihäm heißt nicht „plunging at once into the
subject" sondern *die (bisher von Bhärgava mit seinen Schülern
geführte) Unterhaltung unterbrechend'; vgl. im PW.
kcUhäm ächulya (Kathäs. LXI 94) und ferner Jät. 4 Ed. p. 119, 27
kathaiii pacchinditvä * die Unterhaltung unterbrechend \ wogegen
ibid. 82 hatham samufthapetvä ^ die Unterhaltung beginnend \
IX 36 gacchaiy : evarn jane yäyini ho ^nurodhah ! ^ Man
kommt her (ins gegenwärtige Dasein), indem man seine Leute
anderwärts (im vorhergehenden Dasein) verlassen hat, und indem
man auch hier (die Seinigen) im Stich läßt, geht man wieder
weiter, und ist man dorthin (ins jenseitige Dasein) gelangt, so geht
man wieder anderswohin {in ein neues Dasein): da der Mensch in
dieser Weise stets im Begriff ist weiterzugehen, wie kann man
da Rücksicht auf ihn nehmen I ' Im Text ist die Wanderung von
Dasein zu Dasein allemal durch ein Yerbum ausgedrückt, das
'gehen* bedeutet (t yä gam), weßhalb sich die Emendation yäyini
von selbst ergibt.
IX 69 (58)*. tava do^a-buddhis. Zu dieser auch Kern gelunge-
nen Berichtigung vgl. in 29^ ado§adar$l ^ indem er darin nichts
Schlimmes erblicken konnte *.
IX 73 (62)^. cakhyu^h * (des llinisters) der freundlich und
gleichzeitig im Interesse des Königs zu ihm gesprochen hatte *•
Es ist dies der erste Beleg für eine präfi&lose Activ-Form von
khyä (abgesehen vom Causativum).
X 2^. tapodalh ' durch die heißen Wasser '. Gemeint ist die
tieiße Quelle bei Bäjagrha, welche von den Jinisten unter d^m
EU A»vagho8a'8 Buddhacarita. 89
Kamen mabäTavdvatira-ppabhava (spater mahäTavotira'-
ppabha) päsava^a erwähnt wird (z.B. in der Geschichte vom
fünften Schisma Ind. Stud. XVII IIB). Der Jaina- Canon sagt am
Schlaß von Bhag. 11 5 , daß Mahävira (den die Naturkunde sehr
interessirte) über die Herkunft jener Quelle eine andere Meinung
hatte als seine Zeitgenossen, cf. Weber Bhag. II 202. Wahrschein-
lich ist nachher in X 14** mit prasravana die gleiche Quelle gemeint.
X 2B*. Der bereits von Boehtlingk restituirte Imperativ
Ihunl'^a wird auch in X 33* von den Handschriften ohne Ann-
svära geschrieben.
X 28^^ und 29. ... rägäd ilia hi .... -hämau p^ . , , ^ denn
(Leute) welche die drei Lebenszwecke (käma artha dharnkx^ die
pflichtmäßig der Reihe nach erfüllt werden sollten) aus
Leidenschaft vertauschen, erleiden nach dem Tode (bei der Wieder-
geburt) hier einen (entsprechenden) Verlust : welcher Jcäma nämlich
auf Kosten von artha und dhartna, und welcher artha auf Kosten
von dharma und Jcäma sich geltend macht, und welcher dhartna nur
durch (vorzeitigen) Wegfall von Icäma und artha zu Stande kommt,
auf den (kama resp. artha oder dharma) müssen sie (dann im näch-
sten Dasein) ganz verzichten (in dem entsprechenden Lebensstadium)
wenn er ihnen erwünscht wäre'. — Auch Boehtlingk gibt die beiden
Text-Emendationen, deren zweite bereits von Cowell vermuthet
worden ist; allein die Uebersetzungen Beider sind nicht haltbar.
Kern und Speyer haben ebenfalls falsche Wege betreten. Illustra-
tionen zum Inhalt finden sich viele in buddhistischen Schriften. In
der Regel werden in Legenden die einer Leidenschaft Fröhnenden
dadurch bestraft, daß sie im nächsten Dasein einen entsprechenden
Mangel erleiden ; so wird der Geizhals zum Bettler u. s. w.
X 36^. häma yatas tena paiha haranti * weil die Lüste sie am
gleichen Ende packen '. BoehtUngk , mit dem wir uns wieder be-
rühren, übersieht, daß der Satz nur eine Begründung des vorher-
gehenden durgrahdni sein will, wobei sich grah und har als Syno-
nyma entsprechen. Man kann tena patha auch wörtlich übersetzen
* auf demselben Wege *.
[XIV 35*. krcchram,] Druckfehler.
Seitdem der Japaner Tokiwai in Straßburg eintraf um Skt
zu lernen, trat die Frage an uns heran, ob es sich empfehle, Dhar-
marak$a's chinesische Uebersetzung des Buddhaearita , die
uns bisher nur durch Beal's Uebertragung zugänglich war, direkt
zu consultiren. Nach dem was im frühern Artikel (p. 196 f.) ge-
sagt ist, war zwar eine durchgehende Berichtigung von Beal's
90 Ernst Lenmanni lu AiTaghosa'a Bnddhaearita.
Arbeit nicht wünschenswertli , da sie zu wenig yerBprach, selbst
wenn Beal noch so oft sich geirrt haben sollte. Yielmehr konnte
es sich nnr darum handeln, ob Tokiwai an den im Skt verdorbe-
nen Stellen eine Nachprüfung vornehmen sollte. Auch dies hat
sich als unnothwendig herausgestellt, wofür hier der Beleg folgen
soll. Wir wählten zur Probe die beiden Stellen VI 56** — 59 und
Xn 118^ (bei Beal 478—481 und 1034). Wer Tokiwai's wört-
liche Wiedergabe mit der europäisch stilisirten von Beal
vergleicht, wird finden, daß die letztere trotz mancher freier
Wendungen im Ganzen jedenfalls nicht viel übergeht oder ent-
stellt, was für die Restaurirung des Originals von Belang sein
würde. Es sei noch bemerkt, daß die chinesischen Verse dem
Sloka sehr ähnlich gebaut sind. Sie bestehen auch aus vier gleichen
Theilen, die paarweise zusammengehören. Die Silbenzahl eines
Päda ist aber nur fünf, weil eben eine Silbe immer schon ein
Wort ist; zuweilen allerdings hat ein Doppel - Ausdruck die Be-
deutung eines Simplex, weßhalb im Folgenden, wo der Genauigkeit
wegen die Wörter gemäß der chinesischen Reihenfolge numerirt
sind, auf gewisse Aequivalente zwei Zahlen entfallen.
478. The prince^'- drew* (bis) sharp* sword* resembling* a
dragon' shining® with brightness"-. He cut' together* the jewel-
led* crown* covering' the blak* hair* (and) threw* (it) in the
midst*® of the air*.
479. Up* it arose* (and) remained' in the limit* of air*, iloating*
like* the wings^® of a phoenix®'-. Trayastriipiia^'- all' heavenly*
sons* seized* the hair' (and) returned* to the heavenly* palace*®.
480. Always* they desired* to vener ate*'- the feet* — how-
much-more* now' on receiving® the hair^® of the crown (Scheitel)*
all* (the gods) in the heart* augmented* worship*'- tili* to^ (the
time when) the right* Dharma* was completed*®.
481. The prince*'- at (that) time* himself* thought*: (my)
adomments*'- (are) all® entirely® removed'®, (there) only* remains'
a white' silken* garment* not' fit* for the ceremony*® of leaving*
the house* (na pravrajyä'Vidhy^rham).
1034. (Though) a pure* (and) refreshing* breeze"- arose*,
grass* (and) trees' (did) not® sound* (and were) silent", (even)
entirely*'- all' birds* (and) beasts* (were) silent* (and) quiet' (and)
entireljr' (did) not* cry'^
Die letztübersetzte Strophe reflectirt XII 118** , also zwei
Yerszeilen des Originals in umgekehrter Reihenfolge. Es zeigt
sich hiebei, daß der früher (p. 197) gegen Dharmarsä^a geäußerte
Vorwurf unberechtigt war, weil mit *breeze' nicht vavästre^ son-
dern anüa wiedergegeben werden soll. — Auch muß noch die am
gleichen Ort auf (xrund von I 44 (49)^^ ausgesprochene Vermuthnng,
Dharmarak^a scheine Glossen zur Verfügung gehabt zu haben,
fallen gelassen werden. Lüders hat nämlich in einer kühnen aber
zweifellos richtigen Conjectur den vermißten Namen Gädhin (Gäthin)
im Skt-Text restaurirt. Es ist dies einer der wenigen Fälle,
wo die chinesische Uobersctzung zur Berichtigung desselben ausreicht.
Das slavisch erhaltene Baruchbuch.
Von
Nathanael Bonwctsch,
Vorgelegt in der Sitzung am 14. März 1896.
Origenes De princip. 11, 3, 6 bemerkt : „Deniqae etiam Barucb
prophetae libnun in assertionis haias testimoninm vocant, qnod
ibi de septem mimdis vel caelis evidentios indicatnr^. In der be-
kannten, in der großen Mailänder Peschito-Handschrift erhaltenen
jüdischen Apokalypse des Barach (vgl. Fritzsche's Edition der
Libri apocryphi Veteris Testamenti, Lpz. 1871, S. 654—699, und
Schurer's Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter J. Chr. 11
Lpz. 1886, S. 638 ff.) findet sich jedoch keinerlei Bericht über
sieben Welten oder Himmel, und nach Analogie des Schreibens an
die 9 Vi Stämme Cap. 78 ff. ist auch in dem fehlenden Brief an die
2Vt Stamme dergleichen nicht vorauszusetzen, auch in der Vision
Bamchs auf dem Gipfel eines Berges (vgl. Cap. 76) wenigstens
nicht warscheinlich. Ebenso bieten die sog. Paralipomena Jeremiae
(zuletzt herausgegeben als The Best of the words of Baruch von
Rendel Harris, London 1889) nichts dergleichen. Das gnostische
Baruchbuch endlich, dessen sich der Gnostiker Justin bediente
(Hippolytus, Philosophumena V, 24—27), kann hier ebenfalls nicht
wol in Betracht kommen. Soweit daher bisher Baruchbücher
der abendländischen Forschung bekannt geworden sind, hat noch
keines jener Aussage des Origenes entsprochen. Dennoch ist tat*
sachlich eine Baruchapokalypse erhalten, auf welche die Mittei-
lung des Origenes zutrifft, — wenn auch nicht uneingeschränkt.
Stojan Novakovid, derselbe, welcher den südsla vischen Text
des slavischen Henochbuches ediert hat, hat im 18. Band der
gStarine^ (Starine na sviet izdaje Jugoslavenska Akademija znanosti
i umjetnosti. Agram 1886) S. 203 resp. 205—209 eine „Offenbarung
des Barucb^ veröffentlicht, welche von einer Aufnahme des Baruch
92 Nathanael Bonwetsch,
in melirere Himmel und von Offenbarungen, die ihm dort zu Teil
geworden , zu erzälen weiß. Entnommen ist diese Schrift einer
Handschrift des 16. (?) Jarhunderts , No. 501 der Bibliothek der
südslavischen Akademie (Jugoslavenska Akademija znanosti i um-
jetnosti) in Agram ; Novakovic hat über sie ausfürlicher be-
richtet im 9. Band der „Starine" (1877). Das hohe Alter jener
Apokalypse wird auch durch Beziehungen zum slavischen Henoch-
buch nahe gelegt , dem gegenüber sie im Uebrigen durchaus selb-
ständig ist. Es sind andere Gesichte, die Baruch im Himmel
schaut als Henoch, aber mit dem Henochbuch Cap. 11 — 15 berürt
sich, was die Baruchapokalypse Cap. 7, 8, 9 über die Sonne und
ihr Gefärt, über den Sonnenvogel Phönix, über die Krone der
Sonne, welche nachts zu Gott gebracht wird, mitteilt: alles zu-
gleich Dinge, die auf eine frühe Entstehungszeit auch des Ba-
ruchbuches hinweisen. Sie trägt dadurch einen archaistischeren
Charakter als die Apokalypse des Paulus. Da es zudem nicht
warscheinlich ist, daß eine von dieser abhängige Schrift dem
Baruch zuerteilt worden wäre, so wird unsere Baruchapokalypse
Original sein, wo Beziehungen zwischen ihr und der Paulusapoka-
lypse stattfinden. Dieser Berürungen sind nicht wenige. Wie
Apok. Paul. 4 S. 36, 7 ff. so ist auch Apok. Bar. 9 die Sonne be-
kümmert über die Sünden der Menschen. Wie in jener geklagt
wird Cap. 5 S. 36 , 15 f. ovxdrt öriyo^ev tag xloxäg xal iioixBiag
xal aC^iatoxv^iccg t&v avd-gmnmvj und 10 S. 39, 8 ff. ßyycXoL ^X^ov
. . nsv^oiymsg xal TtXaCovxsg . . . wtl . . alnov '!i(i6tg iAijAt^afuv
ajc^ ixEiviov t&v inixlrfi-Byttov t& dv6(iati 6ov xal dovXevövtan^ tg
vkri tilg if^pt'ttff • t^' oiv xq'^ ixsCvoig dtaxovetv ; so wollen auch in
dieser Cap. 12 S. 101, 2 die Engel, denen die Sünder anvertraut
sind, deren Greuel nicht mehr sehen; aber hier wie dort wird
eine abweisende Antwort: vgl. Apok. Bar. 12 „euch ist nicht be-
fohlen , zu weichen von den sündigen Menschen , sondern euch ist
befohlen, ihnen zu dienen, bis daß sie Buße tun und umkehren ; ich
werde sie richten, spricht der Herr" mit Apok. Paul. 10 S. 39, 14 ff.
fA^ navüac^B tovtoig diaxovetv töag ixiötgitlfmöiv ' bI dh iii^yB^
ii^ovöLV ngög fic xiyh ainoig XQiv& vgl. 4. 5 S. 36 , 11 ff. 17 ff.
Die Gebete der Menschen bringen nach beiden Apokalypsen zu
bestimmter Stunde Engel vor Gott, die Einen voll Freude, die
andern betrübt, vgl. Apok. Bar. 12 S. 100, 31 ff. mit Apok. Paul. 7
S. 38, 3 ff. iv ain^ y&g ty &Qa ndvtBg oC &yyBXoi^ iQxovtai ngbg tbv
d'Bbv n(f06xwfflat aitp xal nQo0ayov6iv t& Igya tSnf iv^QdmciVy
ixdötov 8 Tt Ingal^BV inb ngm ctog iöitigag^ Bits iya^bv BttB navtiQÖv.
xal 6 (iBv SyyBXog TCOQBVBtai x^^9^^ ^^^ ^^^ Sv^fffonov^ ivd'a na^
das alavisch erhaltene Banichbach. 93
foixet xaX&s' äXlog dl xoQevexai, 6xx}d'Qa>«di(0P. Nach Apok. Bar.
12 S. 100, 13 stehen auf den Toren des Himmels der Seligen die
Namen derer, denen bestimmt ist dort einzugehen ; so heißt es auch
Apok. Paul. 19 S. 49, 3 ff. Cdov Tcökriv j[jffv6if{v . . xal ovo ^cXdxas
XQvödag iitdvfo aixf^q aXiigstg yganiidtiov, und spricht der Engel fucxd-
Qiog oöxig slödXd'oi eig tag ^vQag xavtag , und auf die Frage xCvog
svsxsv va ygäfifLaxa xB%iQaxxuL iv xatg nka^v xavtaig] lautet die
Antwort tavtd siöiv xä övöiucxa x&v dixaCfov ocal xöv IsixavQyovv^
x&v TjS d£j9. — Mit der bekannten Baruchapokalypse berürt sich
die vorliegende nur im Eingang. Eine Beziehung zur Apokalypse
des Elias zeigt vielleicht 2 S. 96, 9 vgl. mit Orig. zu MattL 27, 9.
Daß in dem unten mitgeteilten Text die Apokalypse des Ba-
ruch vollständig unverändert erhalten sei, dürfte schwerlich von
jemand vertreten werden. Schon der geringe Umfang entspricht
nicht dem der sonstigen Apokalypsen. Die Deutung der fremd-
artig Gestalteten im ersten Himmel kann nicht so kurz und un-
deutlich gelautet haben. Der Analogie des Henochbuches und der
Ascensio des Jesajas entspricht es allein, daü sieben Himmel auch
hier geschildert worden sind, ganz abgesehen von dem oben ans
Origenes De princ. JI, 3, 6 Angefürten; so scheint es sich ja auch
nach dem gegenwärtigen Text zu verhalten; aber deutlich ausge-
sprochen ist es nicht. Auch das Cap. 6 über den von Noah neu
gepflanzten Weinstock Gesagte wird ausfürlicher gewesen sein.
Dann liegt nur noch ein unvollständiger Auszug der ursprünglichen
Baruchapokalypse vor. Üaher bleibt die Möglichkeit bestehen,
daß unserem Baruchbuch auch angehörte, was Cyprian Testinu
III, 29. I S. 143 ed. Hartel nach der Würzburger Handschrift aus
einem Baruchbuch citirt: Item in Baruch: Veniet enim tempus,
et quaeretis me et vos et qui post vos venerint, audire verbum
sapientiae et intellectus, et non invenietis. nationes autem cupient
videre sapientem praedicantem, et non obtinget eis : non quia deerit
aut deficiet sapientia huius saeculi terrae, sed neque deerit sermo
legis saeculo. erit enim sapientia in paucis vigUantibus et taci-
turnis et quietis, sibi confabulantes et in cordibus suis meditantes,
quoniam quidam eos horrebunt et timebunt ut malos : alii autem nee
credunt verbo legis altissimi : alii autem ore stupentes non credent
et credentibus erunt contrarii et inpedientes spiritum veritatis.
alii autem erunt sapientes ad spiritum erroris et pronuntiantes
sicut altissimi et fortis edicta. alii autem personales fideL alii
capaces et fortes in fide altissimi et odibiles alieno. Einer Apo-
kalypse ist dies Fragment sicher entnommen, näher liegt auch die
Annahme , dass es einer der bekannten als einer noch weitem
94 Nathanael Bonwetscli,
Baracbapokalypse entstammt, aber mehr vermag Niemand zu sagen.
— Einem christlichen oder christlich bearbeiteten Barnchbuch
muß das Citat angehört haben, welches die Altercatio Simonis
ludaei et Theophili Christiani gegen Ende eines prophetischen
Bnches Barachs gelesen haben will (vgl. Hamacks Aasgabe in
Gebhardt-Harnack , Texte und Untersuchungen I, Hft. 3, S. 25),
prope finem libri sui de nativitate eins (seil. Christi) et de habitu
vestis et de passione eins et de resurrectione eins prophetavit
dicens : Hie unctus mens , electus mens , vulvae incontaminatae
iaculatus, natus et passus dicitar. Daß ein derartiger Ausspruch
frühestens aus dem vierten Jarh. stammen könne (so Hamack
S. 46), dürfte sich angesichts der apokryphen Evangelien trotz
Tertull. De carne Chr. 23, Orig. hom. 14 in Luc. kaum festhalten
lassen, aber auch so bleibt die Frage one Entscheidung, ob dies
Fragment imserem Baruchbuch, und ob es ihm von Anbeginn an*
gehört hat. Daher fördern diese Fragmente die Erkenntnis der
anfänglichen Gestalt unseres Baruchbuches nicht. — Doch schon
die Uebertragung des Textes der Baruchapokalypse, wie er gegen-
wärtig im Slavischen vorliegt, in eine abendländischer Wissenschaft
geläufige Sprache darf sich als ein nicht überflüssiger Beitrag zur
Erforschung der noch so wenig aufgehellten Geschichte der apo-
kryphen Litteratur beurteilen. — Meine XJebersetzung hat mög-
lichste Wörtlichkeit angestrebt. Mit N bezeichne ich die Ausgabe
Novakovic's. — Tichonravov's beabsichtigte Ausgabe (Theol. Litt.-
Zeit. 1877 Sp. 658) ist tmterblieben. lieber Handschriften s. Har-
nack, Altchr. Litt.-Gesch. S. 916.
Die Offenbarung des Banteh ,
als er weinte über die Gefangenschaft (o plenenii:
„von dem Geschlecht^ ot plemini N) Jerusalems, and
zu ihm ein Engel gesandt ward.
5 1. Als der König Nabuchodonosor Jerusalem (erusalim : „ Je-
rusalems" erusalimsk N) gefangen nahm und Babylon bereicherte
(obogati, wol corumpirt : etwa „hinweg flirte nach" otüve i v),
und siehe ich, Baruch, weinte unaufhörlich und sprach : Herr,
was ist es(?) ungerecht von(?) dem König Nabuchodonosor
10 (nepravedno est nav^chodonosoru) ! Warum hat er nicht ver-
schont (ne poStedi e : wol „hast du nicht verschont" ne poStedl
esi) deiner Stadt Jerusalem? Warum hast du dies, o mein
Herr , getan ?
das slayisch erhaltene Barnchbach. 96
2. und siehe, als ich weinte, and siehe ein Engel des Herrn
trat vor mich und sprach : Höre auf, o Mann, mit deiner Trau-
rigkeit, denn es geziemt sich, Aaü Jerosalem so vorübergehe.
Aber so spricht der Herr, der Allmächtige, nnd hat mich vor
dein Angesicht gesandt, damit ich dir sage alle Geheimnisse 5
Gottes , weil deine Tränen zu den Oren des Herrn , nnseres
Gottes , eingegangen sind. Aber (ver-)sprich mir , daß da kein
einziges Wort weder hinzufügst noch verbirgst, und ich sage
dir die Geheimnisse, welche niemals der Verstand (Geist) eines
Menschen gesehen hat. — Und ich, Baruch, sprach zu dem 10
Engel : So war der Herr, mein Gott, lebt, wenn du mir zeigst,
bedarf ich nicht, ein einziges Wort hinzuzufügen oder zu ver-
bergen (vgl. Hipp., Phüos. V, 27. S. 230, 73—79.)
3. Und der Engel nahm mich mit Kraft und trug mich
(seil, dahin), wo die Feste des Himmels war, und es war der 15
erste Himmel, und an demselben Himmel sehr große Tore.
Und der Engel sprach zu mir : Gehen wir hinein in diese Tore I
Und es war ein Gang von fünfzig Tagen. Und er zeigte mir
das Heil Gottes. Und wir sahen ein sehr großes Feld, und
Menschen waren auf ihm lebend, welche hatten Stierangesichter 20
und Hirschhörner und Ziegenfdße und Schafleiber. Und ich
fragte den Engel und sprach: Sage mir, welches (was) ist die
Dicke der Himmel, durch welche wir hindurchgegangen sind,
oder was dieses Feld ist, sage mir, damit auch ich es sage den
Sönen der Menschen. Und es sprach zu mir der Engel Phanuel 26
(N verbindet „Phan.^ mit dem Folgenden: zu Phanuel vgl.
Hen. 71, 8. 9. 13): Die Tore, welche du sähest, durch welche wir
hindurchgegangen sind, so viel ist vom Aufgang bis zum Nie-
dergang, so viel ist die Dicke des Hinunels, dieses große Feld.
Und ich sprach zu dem Engel: Und (Aber) was sind diese mit 80
fremden Gestalten? Und er sprach zu mir: Diese sind die,
welche den Turm erbaut haben, und Gott hat sie umgestaltet.
4. Und der Engel nahm mich und fürte mich in (auf) den
zweiten Himmel und zeigte mir große geöffiiete Tore. Und er
sprach: Gehen wir hinein! Und wir gingen hinein fliegend, 85
wie ein Gang von sieben Tagen. Und er zeigte mir ein sehr
großes Haus, und es waren darin lebend fremd Gestaltete,
welche hatten Hundegesichter und Hirschfüße und Ziegenhömer.
Ich, Bamch, fragte den Engel und sprach : Wer sind diese ? Und
7 Apok. Job. 32, is. i». — 9 1 Cor. ß, 9. — 82 6en. 11, i ff.
66 Natbanael Bonwetscli,
er sprach zu mir : Diese (S. 206) sind die, welche den Turm er-
baut haben, wollend in den Himmel steigen. Denn diese haben
den Turm erbaut und gezwungen alles Volk männlichen und
weiblichen Geschlechts. Denn daselbst waren zß sehen die
5 Einen Bäume fällend, die anderen Lehm klopfend, die andern
Kalk mischend (mßSuste : „werfend" metuSte N), die anderen
Steine brennend. Und daselbst war eine große Bedrängnis je-
nem Volk (Leuten) vom Aufgang bis zum Niedergang, so daß
ein jeder seinem Leben absagte. Und es war eine große Trüb-
10 sal jenem Volk (Leuten). Und daselbst ein "Weib, welches
ein Kind gebar, und es ging nicht hinweg, nachdem es das
Kind geboren, Kalk mischend („werfend" N); und nachdem sie
ihr Oberkleid genommen und es eingewickelt, warf sie es auf
die Erde und tat wieder dasselbe. Und sie erbauten den Turm
15 achtzigtausend Klafter und in der Breite fünfhundert, und sie
schmiedeten Borer, damit sie den Himmel anhörten (povr'tet),
daß sie sähen, wie er ist, ob steinern oder ehern. Und Gott
sähe ihren Unverstand und ihren Hochmut, und er schlug sie mit
unsichtbarem Finger und zerteilte ihnen die Sprachen in zwei-
20 unddreißig Sprachen. Und sie gingen, ein jeder in seiner Sprache
redend; denn sie waren zuvor mit Einer Sprache redend, der
syrischen, von Adam bis zur Erbauung des Turmes.
6. Und so nahm mich der Engel bis zum Licht, wie einen
Gang von zweiunddreißig Tagen. Und er zeigte mir ein sehr
25 großes Feld, welches der Verstand eines der Menschen nicht
begreift. Und siehe, es war auf jenem Felde ein überaus g^ofter
Berg, und auf ihm lag eine Schlange, wie vom Aufgang bis zum
Niedergang, und sich beugend trank sie von dem Meer an jedem
Tag je eine Elle und Erde aß sie wie Gras. Und ich, Baruch,
30 sprach zu dem Engel : Herr, weshalb trinkt diese Schlange von
dem Meer je eine Elle auf den Tag, und wie leidet das Meer nicht
Mangel ? Und der Engel sprach zu mir : Höre, o Baruch, Gott
schuf dreihundertdreiunddreißig große Flüsse: Der erste ist
der Fluß Aiia (Athia), der zweite die Avaria, der dritte der
36 Agorenik, der vierte die Donau, der fünfte der Euphrat, der
sechste der Azavat , der siebente der Zitnust , der achte der
Ineus, der neunte der Tigris. Der anderen großen Flüsse
ist viel und sie alle gehen in's Meer, und das Meer wird an-
gefüllt. Deswegen machte Gott diese Schlange und befahl ihr,
40 daß sie trinke von dem Meer auf den Tag je eine Elle. Wenn
1 Oen, 11,4. — 7 GeiLll.8. .^ 17Gen. ll,e.- I90«n. 11, 7.-.ai 0«il11,i.
das siaviscb erhaltene Barachbuch. 9?
diese Schlange nicht von dem Meer tränke, so wäre nichts
Trockenes auf der ganzen Erde ; deswegen befahl ihr Gott, daß
sie trinke von dem Meer anf den Tag je eine Elle, damit weder
anwachse das Meer, noch abnehme das Meer (jako da ni pribiva
ma ni ubnde me N). — Und ich, Barach, sprach zu dem Engel : 6
O Herr, wie groß ist das Innere dieser Schlange, daß sie trinkt
anf den Tag je eine Elle und Erde ißt wie Gras? Und der
Engel sprach za mir: So groß der Bauch des Hades ist, so
groA ist ihr Inneres.
6. Und ich, Barach, sprach za dem Engel : Zeige mir den 10
Baum, durch welchen Adam verfürt und Eva ausgetrieben ward
ans dem Paradies. Und der Engel sprach zu mir : Höre, o Baruch,
das Erste ist der Weinstock, das Zweite die sündige Begierde,
welche Satanael ausgoß auf Adam und Eva : deswegen hat Gott
den Weinstock verflucht, da ihn Satanael gepflanzt; und da 15
hat er verflucht den Adam und die Eva. Und ich sprach:
Wenn Gott den Weinstock verflucht hat, wie ist er jetzt zum
Gebrauch? Und der Engel sprach: Als Gott die Sintflut auf
der Erde machte , und das Wasser hinanstieg höher als die
hohen Berge, vierzig Ellen über die Berge, und Noah allein 20
übrig blieb, kam auch das Wasser in das Paradies hinein und
trug den Weinstock heraus. Als (S. 207) das Wasser vertrock-
nete, ging Noah aus dem Schiff und fand den Weinstock liegend
auf der Erde und wußte nicht, wer es war ; denn er hatte von
ihm gehört, wie er an Gestalt war, und dachte bei sich: Es 25
ist in Warheit der Weinstock, welchen Satanael in das Paradies
gepflanzt hat und verfürte den Adam und die Eva, und des-
wegen verfluchte ihn Gott. Und Noah sprach: Wenn ich ihn
pflanze, erzürnt sich über mich Gott. Und die Kniee gebeugt
habend betete er und fastete vierzig Tage, betend und spre- 30
chend: Herr, wenn ich diesen Weinstock pflanze, wirst du
dich über mich erzürnen, o mein Herr? Und Gott sandte
seinen Engel Sarsael und sprach zu ihm : Stehe auf und pflanze
den Baum, welchen du gefunden hast, und ich werde ihm den
Namen ändern und werde ihn zum Guten machen. Hüte dich, 36
Baruch, auch noch jetzt hat er Bosheit in sich wie auch Sa-
tanael Er hat nicht geändert seine Bosheit, wie viele trunken
werden, so viele sündigen : weder erbarmt sich der Bruder des
11 Gen. 2,17. 8, s. 6. S8. — 16 Gen. 8,1«-19. — 19 Ge&.7,i9.io. — M 0«d»
8, IS. M. 18.
f|l. Qm* 4. W. lfaehrl«htcii. PkU«lof.-Uftor. Umm. 1996. Htfl 1. 7
98 Kathanael Boawetsch,
Bruders, noch liebt der Vater den Son ; wegen der Bosheit des
Weines geschehen Ranb und Unzucht, geschieht Diebstahl and
Ungerechtigkeit.
7. Und wieder sprach der Engel : Gehe , o Baruch , und
5 ich sage dir alle Greheimnisse, und du siehst, von wo die Sonne.
Und er zeigte mir mit vier Bossen bespannte (cetverokonnaja
oder cetverokon'skaja : „vier Teile habende" cetvorokon'cnaja N)
Wagen (oru2ija) , die Rosse aber geflügelte Engel ; auf jenem
Wagen aber saß ein Mensch, tragend eine Krone von Feuer,
10 getragen aber ward jener Wagen von vierhundert Engeln ; und
ein Vogel hinüber fliegend von Aufgang bis Niedergang. Und ich
sprach zu dem Engel : mein Herr , zeige mir von allem und
sage mir: Der Engel (i rci mi! aggel: es ist vielmehr zu lesen
„Und der Engel sprach zu mir:" i reie mi aggel) Der Mensch,
15 welcher auf dem Wagen sitzt, tragend eine Krone von Feuer,
dies ist die Sonne , und der Vogel, welcher hinüber fliegt , ist
die Schützerin der ganzen Welt. Und der Engel sprach zu
mir: Dieser Vogel breitet seine Flügel aus und verdeckt die
feurigen Stralen der Sonne. Wenn er nicht verdeckte die feu-
20 rigen Stralen der Sonne, so würde das Geschlecht der Menschen
auf Erden nicht leben, noch alle Creatur vor der Glut der
Sonne. Und er hat^ befohlen diesem Vogel, der ganzen Welt
zu dienen bis an das Ende des Aeons. Aber siehe, was auf dem
rechten Flügel geschrieben ist. Und ich trat herzu und las
26 es. Und es war eine Schrift (oder „waren Buchstaben") wie
ein Strom des Goldes der Tenne (sol gum'neni). Und es war
so geschrieben: Mich hat weder Himmel noch Erde geboren,
sondern mich hat geboren der Son des Vaters. Und ich fragte
den Engel: Was ist dieser Vogel? Und er sprach zu mir:
30 Sein Name ist Phoenix.
8. Und der Engel sprach zu mir : Warte (poz'di : poigi N)
ein wenig, o Baruch, und du wirst die HerrUckeit Gottes
schauen. Und wir waren stehend und den Gesang der Engel
singend. Und wir hörten einen großen Donner vom HinuneL
35 Ich fragte den Engel: Was ist dieser mein Doimer (grom s'i
moi: vermutlich ist „Herr^ zu ergänzen und zu lesen „dieser
Donner, mein Herr*')? Und er sprach zu mir: Dieser Donner,
welchen du hörst, trennt dieses Licht der Sonne von der Fin*
stemis, und Engel tragen die Krone empor zu dem Tron
40 Gottes. Und ich sähe die Sonne wandelnd wie ein Mensch
träge und traurig. Ich sah diesen Vogel träge und traurig
mit ihr wandelnd. Und ich fragte den Engel: Was ist dieser
das slavisch erhaltene Barocbbach. 99
Vogel träge und traurig? Und der Engel sprach: Pieser
Vogel ist träge und traurig von der Glut der Sonne. Und
ich hörte ihn (sciL den Vogel) rafend: Lichtspender, Herr,
sende das Licht der Welt! Und sofort sangen (krähten) die
Hahne. Und wieder fragte ich den Engel (S. 208): Herr, ruht 5
die Sonne lange ? Und der Engel sprach zn mir : Von da an,
daB die Hähne krähen, his das Licht wird.
9. Und der Engel sprach zu mir : Höre, o Barnch, ich sage
dir von dem Uebergang der Sonne. Wenn ihr Tag vorübergeht
kommen vierhundert Engel und nehmen die Erone der Sonne 10
and bringen sie zu dem Tron Gottes. Denn sie wird befleckt
von den Sünden der Menschen; und (aber) wenn die Sonne unter
den Himmel kommt, so erduldet sie nicht zu sehen die Frevel
(Gesetzlosigkeiten oder „die gesetzlosen'') der Menschen auf
Erden, die Totschläge, Frevel, Unzuchttaten, und weint, ihre 15
Erone befleckend. Deshalb wird sie gereinigt vor dem Trone
Gottes.
10. Und wieder sprach ich zum Engel : Herr, sage mir
von dem Uebergang des Mondes, damit ich erkenne, wie er
ist. Und der Engel sprach: Der Mond ist gleich einer Frau, 20
welche auf einem Wagen (kolesnica) sitzt, und es sind Stiere den
Wagen ziehend (vedu&te oder vezuste: „verteidigend** mecjuste
N) vierzig Engel, und alle sind Engel (so). Das Bild (Die Ge-
stalt) des Mondes ist gleich einer Frau, welche auf einem
Wagen sitzt. — Und ich, Baruch, sprach zu dem Engel: Dar- 25
über will ich noch (eSte: „welches" eie N) dich fragen: Wes-
halb hat der Mond nicht das gleiche Licht mit der Sonne ? Und
der Engel sprach zu mir : Höre, o Baruch, und ich sage dir, alles
wirst du wissen (vsja[vsa N] vesi : wol „alle Dinge" vsja vesti),
und du wirst es wissen: Als die Schlange den Adam und die 30
Eva verfnrte und ihre Nacktheit dartat, und sie bitterlich
weinten über ihre Nacktheit, weinte auch über sie alle Creatur,
die Himmel und die Sonne und die Sterne, und die Creatur
worde bewegt bis zum Trone Gottes , die Engel aber und die
Kräfte wurden bewegt (erschüttert) über die Uebertretung Adams, 36
aber der Mond lachte: deshalb erzürnte über ihn Gott und
verdunkelte sein Licht und machte, daß es nach kurzer Zeit
altert und wieder geboren wird; aber von Anbeginn war es
nicht so, sondern er war leuchtender als die (svetleja: 1. „leuch-
tend, wie die' svetl jako) Sonne, und die Dauer des Tages habend. 40
80 Gen. 8, i ff.
.-. *."
100 Kathanael Bonwetsch,
11. Und wieder nahm mich der Engel mit Kraft und
zeigte mir einen sehr großen See und sprach zu mir: Dies ist
der See, wo die Wolken das Wasser aufnehmen und regnen
lassen auf die Erde. Und ich, Baruch, sprach zu dem Engel:
5 Wie sagen die Menschen, daß die Wolken ausgehen von dem
Meer, Wasser des Meers aufnehmen und regnen lassen auf die
Erde. Und der Engel sprach zu mir: es täuscht sich das Ge-
schlecht der Menschen, nichts wissend, denn alles Wasser des
Meers ist salzig, so daß, wenn der Regen aus dem* Meere wäre,
10 keine Frucht auf der Erde wächsern würde.
12. Und der Engel nahm mich mit Kraft und stellte mich
auf den Himmel („die H."? nebese) und zeigte mir sehr große
Tore. Und es waren auf ihnen Namen von Menschen geschrie-
ben. Und der Engel sprach zu mir: Welchen hierher einzu-
15 gehen ist, deren Namen sind hier. Und Baruch sprach zu dem
Engel: Werden diese Tore nicht aufgetan, daß wir in sie ein-
gehen ? Und der Engel sprach zu mir : Sie werden nicht auf-
getan, bis daß Michael kommt, aber gehe du und schaue die
Herrlichkeit Gottes. Und als wir warteten, geschah eine Stimme
20 vom Himmel wie Donner tönend (? .g. « st N). Und ich sprach
zu dem Engel : Was ist diese Stimme ? Und er sprach :
Michael geht aus, damit er die Gebete der Menschen annehme.
Und noch kam eine Stimme , sprechend : Die Tore sollen sich
auftun ! Und sie taten sich auf (S. 209). Und es geschah ein
26 Donner, stärker als der erste, und es kam Michael und be-
gegnete dem Engel , welcher mit wir war , und fiel vor ihm
nieder (poklonisja emu : 1. „ich fiel vor ihm nieder" poklonichsja
emu). Und ich sähe in seiner Hand ein überaus großes Be-
hältnis und tief so viel von dem Himmel bis zur Erde. Und
30 ich sprach zu dem Engel : Mein Herr, was ist es, das Michael in
der Hand hält? Und der Engel sprach zu mir: Dies ist es, wo
hinein gehen die Gebete der Menschen. Und siehe, wärend ich
redete, kamen die Engel von der Erde, tragend Gaben voll
von Bläten. Und ich sprach zu dem Engel: Herr, wer sind
36 diese? Und der Engel sprach zu mir: Diese sind den ge-
rechten Menschen Dienende, daher brachten sie gute Gaben,
und Michael nimmt die Gaben an. Und Michael legte sie in
das Behältnis. Und ich sähe andere Engel, welche trugen
leere Gefäße, nichts enthaltend. Und sie waren traurig über
40 die sündigen Menschen, weil sie nichts an ihnen finden. Und
sie schrieen zu Michael dem Obersten : wehe uns, denn bSser
das slavisch erhaltene Barucbbiich. XOl
Strafe sind wir übergeben, nichts Gerechtes an ihnen findend,
daß wenn es möglich ist, wir fortan nicht zurückkehrten und
ihren Gestank nicht spürten (röchen), da wärend ihre Fraaen in
die Kirchen fliehen, jene sie her aasfüren zur Unzacht and alles
Böse vollbringen, daß wir von da an nicht (1. jadaze ne für ja£e 6
ie) können mit den Ungehorsamen leben. Michael aber sprach :
Höret, Engel Gottes, euch ist nicht befohlen, za weichen von
den sündigen Menschen, sondern euch ist befohlen ihnen zu
dienen, bis daß sie Buße tan und umkehren; ich werde sie
richten, spricht der Herr. — Siehe, wieder geschah eine Stimme 10
von den Himmeln: Dienet den Sündern, bis daß sie Buße tun;
wenn sie aber nicht Buße tun, so bringet auf sie schreckliche
Krankheit und plötzliche Todesfalle und Heuschrecken (prugi)
und Raupen (? oder wieder „Heuschrecken" gusnenice), Reif
und Donner und Hagel und Dämonen und Zerstörung ihren 15
Städten und ihre Kinder erwürget, weil sie Gott nicht ge-
fürchtet haben, noch sich versammeln in der Kirche Gottes um
des Gebetes willen, an Stelle des Gebetes haben sie Flüche
dargebracht.
13. Der Engel sprach zu mir : Schaue , Knecht Gottes, 20
und siehe die Ruhe der Gerechten Herrlichkeit und Glück
und Freude , und wieder siehe die Ruhe der Gottlosen Tränen
und Seufzen und nie ruhende Würmer. Zum Himmel rufend
die Sünder : Gerechter Richter , erbarme dich unser I — Und
ich, Baruch, sprach zu dem Engel : Wer sind diese, mein Herr? 25
Und er sprach zu mir: Dies sind die Sünder. Und ich sprach
zu dem Engel: Befiehl mir, mein Herr, daß auch ich mit
ihnen weine (klage), vielleicht, daß der Herr meine Stimme
erhört und sich ihrer erbarmt. Vom Himmel kam eine Stimme
sprechend: Bringet den Baruch auf die Erde, damit er den 30
Sönen der Menschen sage alle Geheimnisse Gottes, welche er
gesehen und gehört hat. Unserem Gott sei Herrlichkeit in
Ewigkeit« Amen.
38 Jes. 66, m.
S. 6, 15 ist 6t „achtzig-(n)U08eDd' vielleicht zu lesen 9acht-(H)taaseiid<'.
Ueber die Chronologie der Briefe Papst Pauls I.
im codex Carolinas.
Von
P. Kehr.
Vorgelegt in der Sitzung vom 6. Juni 1896.
Die sogenannte „römische Frage" erfreut sich im Augenblick
wieder einmal der besondern Theilnahme der Fachgenossen; wie
die Pilze nach einem warmen Frühlingsregen aus der Erde schießen,
so folgt ein Aufsatz dem andern. Aber der Mehrzahl nach sind
diese Abhandlungen nicht Untersuchungen, sondern lediglich Er-
örterungen, die die bisher gewonnenen Ergebnisse immer wieder
in mehr oder minder unerheblichen Variationen und Permutationen
combiniren oder auch ummodeln , ohne eigentUch unsre Kenntnis
der Dinge selbst irgendwie zu vertiefen. Es scheint die Meinung
zu bestehen, als sei alles was an formaler Untersuchung zu leisten
sei, bereits gethan und als wäre jetzt nur noch die Ernte ein-
zubringen. Da stellen sich nun die Schnitter zu einem billigen
und mühelosen Verdienst in hellen Haufen ein.
Aber in Wahrheit sind noch keineswegs alle grundlegenden
Untersuchungen in Angriff genommen, geschweige denn erledigt.
Die folgende Abhandlung will nun eine dieser dringenden
Vorarbeiten ihrer Erledigung näher bringen, indem sie den Ver-
such macht, die Chronologie eines TheUes der im codex Carolinus
vereinigten Briefe und zwar derjenigen des Papstes Pauls I. ge-
nauer und, wie ich hoffe, richtiger als bisher geschehen ist, zu er-
mitteln. Mit Absicht wähle ich gerade die Briefe dieses Papstes.
Denn die älteren Briefe, die beiden Briefe Gregors UI. an Karl
Martell, der eine Brief des Zacharias und die acht Briefe Stephans
n. an König Pipin, bieten hinsichtlich ihrer Chronologie keine
Schwierigkeiten. Die jungem Briefe, die beiden Briefe des Gegen-
papstes Constantin an Pipin, die fünf Briefe Stephans in. an
Karl, Karlmann und Bertrada und die zahlreichen Briefe Hadrians I.
an Karl den Großen, harren zwar in dem einen und andern Punkte
Kffl. 0«. d. Wi«. NMkHektm. PhU«lof^UitM. DaiM. 1886. Haft 2. 8
104 P. Kehr,
noch inuner genauerer Untersuchung und richtigerer Interpretation,
im Großen und Ganzen aber sind ihre chronologischen E.elationen
weit weniger unsicher als diejenigen der Briefe Pauls. Es kommt
hinzu, daß für die Geschichte des jungen Kirchenstaates unter
dem zehnjährigen Pontificate dieses Papstes (757 — 767) seine Briefe
an König Pipin fast unsre einzige Quelle sind. Denn unendlich
dürftig ist gerade für diese Zeit das historiographische Material.
Auf die ausführliche Biographie Stephans U. folgt die inhaltlose
und kurze Vita Pauls I., aus der sich so gut wie nichts an That-
sächlichem für den Pontificat dieses Papstes ergiebt. Die fränki-
schen Quellen sind über die römischen Dinge in dieser Zeit so
stumm wie die byzantinischen. Und doch ist die Regierung dieses
Papstes, so sehr sie auch durch die zufällige Ungunst der Ueber-
lieferung gegenüber den Pontificaten Stephans U. und Hadrians I.
zurückzutreten scheint, von nicht geringer Bedeutung für die Ge-
schichte des Kirchenstaats wie für die Geschichte der Beziehungen
Roms zu Pipin, Byzanz und Desider gewesen. Denn sie ist doch
mehr als ein Uebergang von Stephan U. , dem Begründer des
Kirchenstaates, zu der entscheidenden Krise unter Hadrian I.,
wenn sein Biograph auch nicht von Thaten zu melden weiß, wie
sie unter jenen Päpsten geschahen. Paul I. selbst hat freilich
nichts von der herrischen Energie eines Stephan und Hadrian;
seine Politik erscheint nicht frei von Schwäche, und schwere Miß-
erfolge hat er, der seinem Gegner Desider an diplomatischem Ge-
schick nicht gewachsen war, erlitten; selbst das Papstbuch kann
nicht umhin, ihn wegen der Mischung von Härte und Schwäche,
die ihm eigen war, zu tadeln^); immer aber ist das Ergebnis
seines Pontificats von allgemeiner Bedeutung gewesen. Denn ihm
fiel die schwere Aufgabe zu, das kühne Unternehmen seines Vor-
gängers zugleich gegen das sich von Neuem erhebende Königthum
der verhaßten Langobarden wie gegen die alten historischen An-
sprüche des Kaiserthums von Byzanz zu behaupten und inmitten
der großen Mächte der damaligen Welt seine von allen Seiten be-
drohte Selbständigkeit zu wahren. Insbesondere die Beziehungen
zu Byzanz haben eine weit über die Bedeutung des Kirchenstaats
hinausgehende Wichtigkeit; und um so schmerzlicher empfinden
wir den Verlust der Briefe, die die byzantinischen Kaiser in den
1) V. Pauli c. II (DucbesDe Liber pontif. I 463): JSt si pro tnodico quem-
quam per iniquos scUdltUa tribulabat, in proximo tarnen, pietaU matue, coneoloHo-
nie Uli inferebai misericordiatn und V. Stephani III c. XVIII (Ducbesne I 475):
prqpier grabamina ae praeiudiäa iüa, qwu Botnano popuio ingessenU damnua
Paulus papa.
aber die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinas. 105
Angelegenheiten des Kirchenstaats an König Pipin gerichtet haben,
als gerade damals die Beziehungen zwischen dem fränkischen Reich
und dem oströmischen Kaiserthum diejenige Gestalt bekamen, die
sie seitdem Jahrhunderte lang behauptet haben: erst jene Briefe
würden uns vollen Aufschluß über ihre Geschichte geben*). So
kehren wir, um die Geschichte des Kirchenstaates unter Paul I.
und sein Verhältnis zu den Pranken, zu den Langobarden und zu
den Griechen zu erforschen, wieder zu den uns erhaltenen Briefen
Pauls zurück ; es ist nicht anders : alles kommt auf ihre materielle
Deutung und auf ihre zeitliche Beziehung an.
Aber diese Briefe sind wie die meisten Briefe des älteren
Mittelalters nicht nur undatiert auf ims gekommen , sondern auch
undatiert gewesen. Die einzige Wiener Handschrift, die uns die
Briefe überliefert hat, bietet sie in einer Reihenfolge dar, der nur
eine ganz allgemeine chronologische Anordnung zu Grunde liegt,
im Einzelnen ist jede Sj)ur der ursprünglichen Folge in der Ueber-
lieferung verwischt*). Es bleibt also nichts anderes übrig, als
den Versuch zu machen, aus den Briefen selbst Merkmale zu ge-
winnen, die ihre chronologische Fixirung ermöglichen, wenn anders
man nicht ganz darauf verzichten will, diese kostbarsten Akten-
stücke der Diplomatie des karolingischen Zeitalters überhaupt zu
verwerthen.
Fragen wir zunächst: über welche Mittel verfügen wir, um
die zeitliche Beziehung dieser undatierten Stücke festzustellen?
Mehr oder minder mittelbare Zeitangaben enthalten manche
von ihnen, indem sie auf bestimmte Ereignisse anspielen; ja der
eine und andere Brief bietet sogar ein festes und directes Datum,
wie der Brief Quia excellentia (Gundlach No. 19) vom April
760. Aber derartige oder ähnliche Angaben sind doch sehr ver-
einzelt, jedenfalls sind sie nicht reichlich genug, um die über-
wiegende Mehrzahl der andern Briefe unterzubringen. Auch das
ist wohl zuweilen übersehen worden, daß die Sammlung des codex
Carolinus keineswegs vollständig ist; es sind durchaus nicht alle
Briefe, die die Päpste an ihre fränkischen Bundesgenossen gerich-
tet haben, auf uns gekommen, und es fehlt uns mehr als ein Glied
1) Vgl. Oelsner, JahrbQcher des fränk. Reiches anter König Pipin S. 846,
dessen Worte: „wie unsere Kenntnis von den damaligen Besiehangen des
Abendlandes xa Ostrom ja Qberhanpt kaum Stückwerk genannt werden kann**
Jeder sich aneignen wird, der die römische Frage studirt.
2) Ueber das Prinzip der Anordnung der Briefe im Wiener codex Carolinus
Tgl. die in der Folge öfters zu citirende Abhandlung youW. Gundlach: „Ueber
den oodex Carolinus** im Neuen Archl? XYII 548 ff.
8*
106 P. Kehr,
der ursprünglichen Kette. Weiter ist der Charakter der Briefe
und die Form der diplomatischen Verhandlungen in jener Zeit zu
erwägen. Den Vertrauenspersonen, deren sich die hohen Corre-
spondenten bei ihrem Verkehre bedienten, sind die wichtigsten
Aufträge manchmal nur mündlich ertheilt worden, und die Briefe,
die sie trugen, enthielten dann nichts weiteres als eine Art von
Creditive oder Versicherungen von Theilnahme und Liebe, aus
denen wir nicht eben viel zu gewinnen vermögen. Es würde also
ein Irrthum sein, wollte Jemand glauben, daß in den Briefen alles
enthalten sei, was zwischen Paul und Pipin verhandelt worden
ist; es sind nur Bruchstücke davon, die zu ergänzen vielleicht
ein Wagnis ist. Leider sind auch die einzelnen äußeren Anhalts-
punkte, die uns von wirklichem Werthe sein würden, wenn wir
uns überall ihrer bedienen könnten, vielfach unsicher. Es ist üb-
lich, aber doch nicht Regel, daß der Papst auch der Familie des
Königs gedenkt, und ebenso werden zuweilen die Gesandten ge-
nannt, denen die Ueberbringung der Schreiben übertragen war.
Wären diese Angaben regelmäßig und vollständig, so würden wir
vielleicht allein schon mit ihrer Hülfe die Briefe zu ordnen ver-
mögen; aber unvollständig und unregelmäßig wie sie sind, machen
sie jeden Versuch der Art unsicher. Unter solchen Umständen
dürfen wir uns nicht wundern, daß bis auf den heutigen Tag
eine Einigung über die ursprüngliche Reihenfolge der Briefe des
codex Carolinus noch nicht erfolgt ist und daß die Herausgeber
sich haben begnügen müssen, für viele Briefe nur ungefähre Zeit-
grenzen anzugeben.
Aber sind damit in der That unsre Hülfsmittel erschöpft?
Ich wage diese Frage zu verneinen. Schon bei früherer Gelegen-
heit habe ich darauf hingewiesen, daß zu den historischen Krite-
rien, mit denen man bisher ausschließlich die Briefe zu datieren
versucht hat, die diplomatischen Kriterien — wenn es erlaubt ist,
diesen Ausdruck zu gebrauchen — hinzukommen müssen. Am
Ende unterscheiden sich Briefe von Urkunden in Bezug auf gewisse
formale Eigenthümlichkeiten , so verschieden diese nun auch im
Einzeln sind, nicht wesentlich: so gewiß also die Diplomatik bei
diesen mittels der zu einem ihrer wichtigsten kritischen Hülfs-
mittel gewordenen Dictatvergleichung ihre intimsten Relationen zu
ermitteln vermag, so gewiß muß dasselbe Verfahren auch bei jenen
angewandt werden. Aber man kann nicht sagen, daß das bisher
in ausreichendem Maaße geschehen sei.
Daß die älteren Herausgeber und Literpretatoren unsrer Briefe,
— statt vieler mag hier nur des um den codex Carolinus besonders
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinas. 107
verdienten Cajetano Cenni gedacht werden — von diesem Hülfs-
mittel der kritischen Methode keinen Gebrauch gemacht haben,
darf ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden. Auch Ph. Jaf f 6,
der sich keine Mühe und keinen Scharfsinn hat verdrießen lassen,
die ursprüngliche Folge der Briefe zu ermitteln und wiederher-
zustellen, hat den methodischen Gepflogenheiten seiner Zeit ent-
sprechend sich ausschließlich an historische Merkmale gehalten und,
wo diese fehlten , darauf verzichtet , den etwaigen Zusammenhang
zu ermitteln. Die ihm gefolgt sind, haben den gleichen Grund-
sätzen gehuldigt; R. WeyP), der zuerst wieder eine gründliche
Umordnung — man könnte vielleicht treffender sagen : Unordnung
— vornahm, machte, wenigstens bei den Briefen Pauls I., wieder
ein ganz äußerliches Merkmal — die Erwähnung oder Nichter-
wähnung der Prinzessin Gisela — zum entscheidenden Argument,
und auch W. Gundlach, der jüngste Herausgeber des codex Ca-
rolinus, hat sich in der Hauptsache ganz an Ja ff 6 angeschlossen.
Merkwürdig genug, da Gundlach sich bereits auf dem rechten
Wege l)efand, der ihn zu einem besseren Verständnis des Inhalts
und des Zusammenhangs der Briefe hätte führen müssen. Denn
er ist der erste gewesen, ^er auf ihr Dictat geachtet und die in
ihnen wiederkehrenden Phrasen angemerkt hat, ohne freilich sein
Thema zu erschöpfen, geschweige denn aus seinen Beobachtungen
die Folgerungen zu ziehen, welche Dictatuntersuchungen der Art
von mechanischen Zusammenstellungen zu wissenschaftlicher Arbeit
erheben *). Ja ich glaube, daß seine Beobachtungen und seine Folge-
1) Die Beziehungen des Papstthums zum fränkischen Staats- und Kirchen-
recht unter den Karolingern (Gierke's Untersuchungen zur deutschen Staats-
und Rechtsgeschichte XL), Breslau 1892. Vgl. meine Besprechung in t. Syhels
üistor. Zeitschrift LXXI (N. F. XXXV) 81 ff. und Qött. gel. Anz. 1893 Nr. 22
8. 893 ff.
2) Ich hahe bereits in den Gott. gel. Anz. 189S. Nov. 1 (Nr. 22) S. 871 ff.
gezeigt, daß Gundlachs Noten weder das Material erschöpfen noch irgendwie
▼erwerthet sind: es ist als ob er geahnt h&tte, da0 die Auflösung der Briefe in
die Elemente ihrer Composition von Wichtigkeit sein könnte, ohne daB er sich
darüber klar geworden wäre, wie diese mechanische Arbeit nun zu verwerthen
sei. — Ich -hoffe , daB nun auch Herr D ü m m 1 e r , dem meine Besprechung der
Qttndlach*8chen Edition Veranlassung gegeben hat (N.Archiv XIX 476 Nr. 4),
sich darüber zu beschweren, daB ich „gegen die zeitliche Anordnung der Briefe,
nächst der Toxtgestaltuiig selbst fast die wichtigste Aufgabe des Herausgebers,
nichts Wesentliches vorzubringen gewuBt" h&tte, obwohl er sich hätte sagen sollen,
daB solche complicirte Fragen nicht in einer Recension erörtert und erledigt
werden können, jetzt zugeben wird, daB gegen die zeitliche Anordnung der Briefe,
wie sie Gundlach von Jaffa übernommen hat, doch allerlei Wesentliches vor-
gebracht werden kann.
108 P. Kehr,
rungen ihn am Ende zu einer ganz irrigen Anschauung von der
Bedeutung des Formelhaften verführt haben.
Zur rechten Würdigung dieser Briefe muß man zunächst im
Auge behalten, daß die Abfassung eines Briefes zu jener Zeit eine
erhebliche Leistung war, die anders zu bewerthen ist, als die
Conception eines modernen Briefes. Es verhält sich mit den
Briefen des älteren Mittelalters ähnlich wie mit den Urkunden
jener Zeit : die Neigung der in der Beherrschung der Sprache un-
beholfenen und in der Gestaltung freier Concepte schwerfälligen
Dictatoren äi formelhaftem Anschluß an bestimmte Vorbilder ist
hier wie dort gleich groß. Auch die erste Kanzlei der damaligen
Welt machte davon keine Ausnahme. Man kennt mehr als ein
Beispiel solch formelhafter Behandlung auch in Rom. Als zu
Ausgang des Jahres 775 Hadrian I. sich von einer langobardischen
Verschwörung bedroht glaubte und seinen fränkischen Bundes-
genossen um Hülfe anging, entlehnte sein Secretär die Sätze, in
denen er den bedrängten Papst Karls Hülfe erflehen ließ, wörtlich
dem Briefe, den einst Stephan 11. im Frühjahr 756 in der äußer-
sten Noth der langobardischen Belagerung an Pipin gerichtet
hatte *). Und eben dieser Papst schriei) im Jahre 755 zwei Briefe
an Pipin und dessen Söhne, von denen der zweite mehr als einen
Satz aus dem vorhergehenden entlehnte*), und bald darauf wieder
zwei fast ganz gleichlautende Briefe, den einen im eigenen Na-
men an Pipin allein, den andern an Pipin, seine Söhne und alle
Franken in seinem und des römischen Volkes Namen'), ohne daß
er befürchtete, durch solche formelhafte Behandlung den Eindruck
seiner Hülfegesuche abzuschwächen. Und so ist es auch sonst.
Die Anreden, die Versicherungen der Ergebenheit und der Ver-
tragstreue, die Ermahnungen und Bitten, die Wünsche und Hul-
digungen, das alles wird fast immer mit denselben Worten und
Wendungen gesagt*). War einmal ein Schlagwort oder eine Phrase
zur Charakterisirung einer Situation gefunden, so behielt man sie,
ohne viel zu variiren , bei. Begreiflich also , daß manche dieser
Briefe im Ausdruck eine Einförmigkeit aufweisen , die auch dem
flüchtigsten Leser in die Augen fällt.
Indessen würde man irren, wenn man mit Gundlach glauben
wollte, daß diese sich immer wiederholenden Wendungen und
1) Bei Gundlach Nr. 67 und Nr. 8, vgl. N. Archiv XVII 638 Anm. 3.
2) Gundlach Nr. 6 und 7.
8) Gnndlach Nr. 8 und 9.
4) Vgl. die Znsammenstellungen Yon Gundlach im N. Archiv XVII 636 ff.
und meine Ergänzungen in Gott. gel. Anz. 1893 8. 884 ff.
ober die Chronologie der Briefe Papst Pauh I. im codex Carolinas. 109
Schlagworte nur Formelkram ohne Inhalt und Absicht seien, der
lediglich zur Füllung gedient habe. Wie man sich vor unvor-
sichtigen Schlüssen aus solchen Formeln hüten muß , so darf man
auf der anderen Seite nicht über sie als Worte ohne Sinn und Ver-
stand fortlesen. Es versteht sich doch, daß sie nur da angewandt
werden konnten, wo sie einigermaßen paßten, daß sie also immer
einer bestimmten Situation entsprechen müssen. Ist dies richtig,
dann dürfen wir diese Beobachtungen verallgemeinern und dürfen
den Beziehungen nachgehen, die sich sogleich auf diesem Wege
zwischen den verschiedenen Briefen mit den mehr oder minder
formelhaft stilisirten Sätzen ergeben, Beziehungen, die wir bei der
Kritik dieser Briefe ganz ebenso verwerthen dürfen, wie die
mittels der Dictatvergleichung festgestellten Relationen der Ur-
kunden: wie aus den Wiederholungen und Entlehnungen, aus der
größeren oder geringeren Gleichartigkeit des Dictats, aus der
Wiederkehr gewisser Wendungen in den Urkunden der Diploma-
tiker ganz bestimmte Schlüsse in Bezug auf Entstehung der Ur-
kunden und ihre chronologische Folge macht, ganz ebenso werden
wir bei diesen Briefen, unter Wahrung freilich ihrer Eigenart,
verfahren dürfen. Das aber ist es was weder Jaff ö noch irgend
einer seiner Vorgänger oder Nachfolger gethan haben.
Es sind zwei Hauptthemata, die in den Briefen Pauls be-
handelt werden. Einmal die Beziehungen zu Byzanz, dann die-
jenigen zu den Langobarden. Indem ich den Versuch mache, beide
in ihrer Entwickelung und Geschichte anschaulich zu machen, be-
handle ich diese beiden Themata ein jedes für sich.
I.
Ich erörtere zunächst den chronologischen Zusammenhang derjeni-
gen Briefe, in denen das Verhältnis zu Byzanz zur Sprache kommt.
Als die Päpste mit den fränkischen Karolingern jene Bezie-
hungen anknüpften, die zur Begründung des Kirchenstaates und
in der Folge zur Erneuerung des abendländischen Kaiserthums
führten, standen sie zu Byzanz bereits in einem bestimmten Gegen-
satz, der, wie man weiß, nicht nur politischer Natur war, sondern
zugleich auf starken Differenzen in Bezug auf die Kirchenlchre
beruhte. Aber nicht dieser Conflict hat die Päpste in die Arme
der Franken getrieben, sondern der Kampf, den sie als die Re-
präsentanten des lateinischen Wesens in Italien auf Tod und Leben
mit den Langobarden führten. Noch war der Papst der Unter-
than des Kaisers; in seinem Auftrag zog Stephan 11. aus, um die
von dem Langobarden Aistulf eroberten Städte für ihren recht-
110 P. Kehr,
mäßigen Herrn, den Kaiser, zurückzufordern. Aber er erwarb
sie schUeßlich nicht für diesen, sondern für den hl. Petrus in Rom«
Es lag ihm bei dieser Usurpation zunächst noch fern, sich voll-
ständig von dem griechischen Reiche zu lösen; er blieb nach wie
vor wenigstens nominell ein Unterthan des Kaisers und sein Staat
ein Theil des Imperiums, der Respublica. Die alten Formen blie-
ben gewahrt; in den Urkunden der Päpste wie in denen ihrer
Unterthanen wurde noch lange nach den Jahren des regierenden
Kaisers datirt, ganz wie in den andern Gebieten und Provinzen
des Imperiums *). Nicht eben zu diesem , sondern zu dem gerade
regierenden Kaiser und dessen religiös-politischem System befand
sich Rom und der junge Kirchenstaat im Gegensatz. Aber das
war und blieb eine Fiction, die über kurz oder lang der Gewalt
der Thatsachen weichen mußte, und über deren Unhaltbarkeit
derselbe Papst, der mit Pipin den Vertrag von Kiersy schloß und
sich darin die kaiserlichen Provinzen Venetien und Istrien zu-
sichern ließ, sich selbst nicht getäuscht haben kann.
Ganz ebenso hat auf der andern Seite der Kaiser zunächst
einen offnen Bruch vermieden, entweder weil er nicht sogleich den
Gang, den die Dinge in Rom nahmen, erkannte, oder weil er auf
anderm Wege weiter zu kommen hoffte. Er versuchte es zunächst
mit Verhandlungen, die er mit Pipin anknüpfte. Wir wissen aus der
Biographie Stephans 11., die freilich das Verhältnis Roms zu By-
zanz mit äußerster Zurückhaltung und absichtlicher Unklarheit
behandelt, daß im Jahre 756, gerade als Pipin zum zweiten Male
gegen Aistulf zu Felde zog, zwei byzantinische Gesandte, der
proto a secretis Georgius und der Silentiar Johannes, auf dem
Wege zu Pipin in Rom erschienen. Noch galt ihnen Rom nicht
als eine feindliche Stadt, aber schon erwachte in ihnen sehr be-
rechtigtes Mistrauen gegen die römische Politik. Stephan benach-
richtigt sie von Pipins Feldzug. Aber sie glauben ihm nicht mehr.
In Marseille angelangt erfahren sie, daß Pipin in die Lombardei
eingebrochen sei; da gerathen sie in Trauer und mishandeln den
ihnen von Stephan mitgegebenen Gefährten, den sie, um ihn an
1) Aucb noch anter Papst Paul I. Vgl. Jaff^-E. Reg. Nr. 2342.2346.2850.
Von Privaturkunden vgl. Regesto Sublacense 157 Nr. 111 von 758? Tivoli; Mu-
ratori Antiquitates III 889 (= Fantuzzi Mon. Rav. II 1 Nr. 1 irrig zu 770) von
767 Mftrz 3 Ravenna; Regesto di Farfa II 49 Nr. 41 (Troya Y 414 Nr. 874) von
767 August 17 Urbino(?); alle mit Datirung nach den Kaisern. Auch die Vita
Pauli sagt noch ganz nach dem alten Stile: Fuit auUm temporibus ConHatUini
et Leonia impercUorum (Duchesne Liber pontif. I 463). Ich gedenke auf diese
staatsrechtlichen Fragen in anderm Zusammenhang lorflckzakommen.
ftb^r die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinus. 111
der Reise zu Pipin zu verhindern, in Marseille festhalten. „Aber,
80 fahrt der Biograph fort, mit S. Peters Hülfe ward ihre ver-
schlagene Schlauheit zu Nichte.**
Aus dieser lakonischen Erzählung des Biographen, der, wie
man sieht, mit wahrhaft naiver Parteilichkeit jede Motivirung
umgeht , erkennt man doch mit Sicherheit dieses , daß die kaiser-
lichen Gesandten sich in Marseille von dem Doppelspiel der päpst-
lichen Politik überzeugten ; damals erst ist der Gregensatz zwischen
der Politik von Rom und Byzanz akut geworden. Die Idee der
byzantinischen Staatskunst war, nach altem bewährten Muster sich
der Hülfe der fränkischen Barbaren gegen die Langobarden zu
bedienen, und hierzu wünschte man die Vermittlung des römischen
Bischofs; nachdem dieser Versuch gescheitert war, versuchte man
es ohne diesen. Aber das Unternehmen des einen der beiden
griechischen Gesandten, des Geheimraths Georg, den fränkischen
König im letzten Augenblick für Byzanz zu gewinnen und ihn
zu bewegen, Ravenna und die andern Städte des Exarchats dem
Kaiser zu übergeben, scheiterte ; Pipin erklärte : nur für S. Peter,
nicht um menschlicher Gunst willen, habe er das Schwert gezogen
und keine Schätze der Welt könnten ihn bewegen, seine Schenkung
an S. Peter zurückzunehmen. Dürfen wir dem Papstbuch glauben,
so kehrte Georg ohne allen Erfolg nach Rom zurück , während
sein Genosse, der Silentiar Johannes, in Frankreich zurückgeblieben
zu sein scheint.
Aber die Verhandlungen zwischen Pipin und Constantin sind
damals keineswegs abgebrochen worden. Wir erfahren von dem
Fortsetzer des sogenannten Fredegar, daß Pipin im Jahre 757 zu
einer neuen Verhandlung die Initiative ergriff und eine Gesandt-
schaft nach Constantinopel schickte ') , welche der Kaiser seiner-
seits mit einer Mission beantwortete, die das größte Aufsehen in
Frankreich erregte: unter den Geschenken des Kaisers war eine
Orgel. Es sei, so berichtet er weiter, zwischen beiden ein Freund-
schaftsbündniß abgeschlossen worden; hernach, er wisse nicht
warum, sei es wieder auseinandergegangen.*
. Jene Gesandtschaft an Pipin spielt nun auch in der Corre-
spondenz der Päpste mit ihrem fränkischen Bundesgenossen eine
Rolle. Bis dahin war in den Papstbriefen von den Griechen die
Rede noch nicht gewesen, alles Interesse galt der iustitia beati
Petri und der römisch-langobardischen Irrung ; jetzt aber begannen
die fränkisch-byzantinischen Verhandlungen dem Papste ein starkes
1) Vgl Oelsner S. 290.
112 P. Kehr,
Unbehagen zu verorsaclien: nur zu nahe lag es, daß die beiden
Großmächte sich auf seine Kosten mit einander verständigten«
Es ist sehr bezeichnend, mit welchem Geschick die Päpste auch
dieser Gefahr gegenüber ein Schlagwort fanden, dessen Wirkung
auf die frommen Gemüther der fränkischen Bundesbrüder sie un-
bedingt sicher waren; wie sie sich den Langobarden gegenüber
auf die iustitia beati Petri beriefen, so appellierten sie jetzt den
Griechen gegenüber an die fides orthodoxa der Franken. Das ist
fortan die feste Formel der päpstlichen Kanzlei für die griechi-
schen Beziehungen: nicht als ein Kampf um die weltliche Herr-
schaft über Rom und Ravenna wird der Conflict mit Byzanz be-
handelt, sondern als ein Kampf um den rechten Glauben, den die
griechischen Häretiker bedrohen. So sagt schon Stephan IL in
seinem letzten Brief an Pipin (Gundlach Nr. 11) vom Frühjahr
757:
Et hoc obnixe postulatnus praecelsam bonüaiem tuatn^ ut inspiratus
a deo et eins principe apostolorum heaio Petra Ha disponere iubeas
de parte Grecorum, ut fides sancta catholica et apostclica per te
integra et inconcussa permaneat in etcrnum et sancta dei ecclesiaf
sicut ab aliiSf et ab eorum pestifera malitia liberetur et secura red-
datur atque omnia propriaetatis suae percipiat.
Es geschah hier zum ersten Male, daß der Wunsch völliger Eman-
cipation von Byzanz in der Correspondenz der Päpste mit den
Frankenkonigen offen ausgesprochen wird *).
Zunächst indessen traten die langobardischen Irrungen wieder
in den Vordergrund ; das Verhältnis des neuen Langobardenkönigs
Desider zum Kirchenstaat und zu Stephans 11. Nachfolger Paul L
beschäftigten diesen in erster Linie ; ausschließlich ist in den ersten
Briefen dieses Papstes von dem Anspruch auf die plenaria iustitia
beati Petri und von den Streit um die iustitiae der Römer die
Rede; in keinem der Briefe, die nachweisbar dem ersten Jahre
Pauls angehören, geschieht der orthodoxa fides Erwähnung. Schon
daraus ergibt sich, daß der Brief Si interius mente (Gundlach
Nr. 13), den Jaff£ und ihm folgend Gundlach in das Jahr 767
gesetzt und in Zusammenhang mit Pauls Thronbesteigung gebracht
haben , wegen der starken Betonung der orthodoxa fides erst einer
1) Oelsner a.a.O. S. 290 deutet die Worte des Papstes richtig auf die
römischen Patrimonien im bysaniinischen Reiche, l&Bt aber daneben auch die
religiöse Frage eine Rolle spielen. Ich möchte dies letztere Moment nicht so
hoch anschlagen» wenn man auch am fränkischen Hofe dogmatische Disputationen
liebte. Der Hinweis auf die fides orthodoxa in den Papstbriefen ist, wie schon
gesagt, Maske,
über die Chronologie der Briefe Papst Paals I. im codex Carolinas. 113
spateren Zeit angehören kann ; wie alle Briefe, in denen dies Motiv
auftritt, ist er erst in die Zeit des ausgesprochenen Gegensatzes
zu Byzanz zu setzen.
Es würde nicht schwer sein, an einer Reihe von Beispielen zu
zeigen, daß die von Jaf f ^ und ßundlach vorgeschlagene Reihen-
folge der Briefe, soweit sie sich auf das Verhältnis zu Byzanz
beziehen, einen rechten Zusammenhang unter einander nicht haben.
Irre ich nicht, so haben die Herausgeber übersehen, daß es, soweit
Byzanz in Betracht kommt, drei Themata sind, die in diesen
Briefen behandelt werden: einmal ist von einem drohenden An-
griff der Byzantiner auf Rom und Ravenna die Rede, dann stoßen
wir auf eine Gruppe von Briefen , in denen Jubel und Dank für
die Errettung aus der griechischen Gefahr das Leitmotiv ist, end-
lich haben wir eine Gruppe von Briefen, in denen Verhandlungen
der Griechen mit den Franken eine besondere Rolle spielen, Ver-
handlungen von denen der Papst ernstlich befürchtet, daß sie ihm
den fränkischen Bundesgenossen abtrünnig machen könnten.
Betrachten wir zunächst die erste Gruppe. Zu ihr gehören
die Briefe Gundlach Nr. 30. 31. 38.
Die beiden Briefe mit den gleichen Anfangsworten Fraecelsae
et a deo servate (Gundlach Nr. 30. 31) haben die jüngsten Her-
ausgeber in die Jahre 761 — 766, den dritten Dum tanto vestrae
(Gundlach Nr. 38) in die Jahre 758 — 767 gesetzt, also auf eine
genauere zeitliche Fixirung verzichtet. Daß sie aber alle drei
derselben Situation angehören, ist leicht zu erkennen. An dem
unmittelbaren Zusammenhang der beiden ersten Briefe konnte
allerdings ein Zweifel nicht sein, denn der zweite ist sogleich nach
Absendung des ersten — post absolidionem nostrarum litterarum —
geschrieben. Eben hatte der Papst die drei fränkischen Gesand-
ten, den Bischof Wilchar , den Abt Felix ^) und den Grafen Rat-
bert*) entlassen, als ihm von Getreuen der Eürche — gemeint
sind wohl Ravennaten — die Nachricht zukam, daß die schänd-
lichen Griechen — inimici sandae dei ccclesiae et arthadoxae fidei
expugnatores — gegen Rom und Ravenna einen Feldzug planten.
Nun gilt es dem ohnmächtigen Kirchenstaat zu helfen; auf das
Dringendste bittet der Papst seinen fränkischen Schirmherrn für
das Wohl seines Ländchens zu sorgen und Desider anzuweisen,
die für den Einfall der Feinde verabredete Hülfe mit den Leuten
von Benevent, Spoleto und Tuscien zu leisten. Außerdem möge
1) Abt, weil er rtligiosua betitelt wird.
2) Graf, weU ihm das Pr&dicat vir inlu^» beigelegt wird.
114 P. Kehr,
Pipin kommenden März einen ständigen Gesandten nach Rom
senden, der im Notfalle bei Desider die Sendung der langobardi-
sehen Hülfstruppen erwirken solle. Es versteht sich, daß der
Papst auch hier wieder betont, daß es wirklich nur der heilige
und orthodoxe Glaube und die fromme Tradition der Väter sei,
um derentwillen die schändlichen Griechen ihm Uebles anthäten:
non ob aliud ipsi ncfandissimi nos persequunfur Oreci^ nisi propter
sanctam et orihodoxam fidetn et venerandorum patrum piam traditio-
nem^ quam cupiunt distruere atque conculcare.
Er schließt mit dem üblichen Hinweis auf die göttliche Vergeltung
und der Hoffnung,
di€m vestro auxilio, confusis expugnatoribus Sandoz orfJiodoxae fideif
pax et laetitia et observatio christianorum fidei in Omnibus prediccUa
fuerit ecclesiis . . .
Eben war dieser Brief abgesandt, als "der Papst durch ein
Schreiben des Erzbischofs Sergius von Ravenna von Neuem beun-
ruhigt wurde, das der kaiserliche Gesandte Leo an diesen gerichtet
hatte *). Eine Abschrift dieses Schreibens legt Paul seinem Briefe
an Pipin bei als Probe der Bosheit der Griechen, (die, wie es
scheint, den Erzbischof zu gewinnen versucht hatten) und als
Mahnung zu baldiger Hülfe. In der Nachschrift verweist er noch
auf ein geheimes Schreiben getreuer Venetianer an denselben
Erzbischof Sergius, von dem er gleichfalls Abschrift beilegt und
das offenbar weitere Nachrichten über die von den Griechen dro-
hende Gefahr enthielt, und wiederholt seine Bitte, sogleich an
Desider Befehl zu senden, daß dieser im Falle der Noth sowohl
Ravenna als den Seestädten der Pentapolis zu Hülfe komme.
Abgesehen von dem was diese beiden Briefe Thatsächliches
berichten, geht aus ihnen hervor, daß zwischen dem Papste und
dem Langobardenkönig bereits ein wenn auch nicht freundliches,
so doch leidlich friedliches Verhältnis bestand, das einen prin-
zipiellen Ausgleich über die schwebenden Streitigkeiten voraussetzt.
Desider von König Pipin als Langobardenkönig anerkannt, nimmt
hier die Stellung eines von Frankreich abhängigen Herrschers ein,
der dem Aufgebot des Oberherrn zu folgen verpflichtet ist. Weiter
ergibt sich, daß selbst der Fall einer von Desider dem Kirchen-
staat zu leistenden Hülfe vorgesehen war, daß also die Vertheidi-
gung Italiens gegen die Griechen auf dem System der Verständigung
1) Die Stelle syllabas . ., quas Leon inperiali eius sanctit/iti Eavennarum
provintia visus est direxisse ist offenbar verderbt. Auf inperiali folgte im cod.
ausradirt 8 $ervu$; ich conjicire, daS inperialis missua das ursprOngliche gewesen
sein mag.
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinas. 115
zwischen Papst und Langobarden beruhte, einem System, das, wie
wir noch sehen werden, der politischen Lage des Jahres 768 gerade
entgegengesetzt war.
Ich zweifle nicht, daß in diese Situation auch noch der Brief
Dum tanto vestrae (Grundlach Nr. 38), den Jaffö und Gund-
lach in die Jahre 758 — 767 gesetzt haben, gehört. Zwar aus den
einleitenden Worten, in denen Pipin mit gewohntem Schwulst als
fortissimus sanctae orthodoxae fidei et venerabilium patrum pie tradi-
tionis defcnsor gefeiert wird, ergibt sich kein näherer Anhalt.
Dann aber wird auf ein Schreiben Pipins Bezug genommen, in dem
der Papst ermahnt wird, mit Desider Frieden zu halten, was er
auch zusagt, vorausgesetzt, daß der Langobarde in der Liebe
und Treue, die er dem König und der Kirche gelobt hatte, ver-
harre. Schon hieraus ergibt sich, daß der Terminus a quo nach
dem Jahre 758 fallen muß, in dem Desider noch in Conflict mit dem
Kirchenstaat sich befand und auch von Pipin noch nicht anerkannt
war. Berichtet dann Paul, daß er mit Desider übereingekommen
sei, in Ravenna zusammenzutreffen
ad pcrficiendas quasdam utilitates sjnriialis matris vestrae sanctae
nostrac ecclesiae et pcrtra^tandum 2}ro Grecorum malitia, qui cotidie
imminent in ipsam Ravennatefn ingrcdi civitatetn,
so paßt dies offenbar auf das Genaueste in den Zusammenhang
der Dinge: die in den beiden Briefen Praecelsae et a deo servate
angekündigte Gefahr eines griechischen Angriffs steht unmittelbar
bevor und hat den Papst selbst genöthigt, direct mit Desider über
ihre Abwehr zu verhandeln.
Nach dem drängenden Inhalt dieser drei Briefe werden wir
die Gefahr, von der Paul meldet, nicht gering achten dürfen;
jedenfalls ging sie glücklich vorüber. Nichts begreiflicher, als daß
nun der aus der griechischen Gefahr glücklich gerettete Papst
mit gewohnter Ueberschwänglichkeit sich bei dem fränkischen
Schutzherrn und den Seinen bedankt. Als solche Dankbriefe cha-
rakterisiren sich die drei Briefe Gundlach Nr. 32. 33 und 39;
aber noch in andern Briefen herrscht dies Motiv vor. Sie bilden
eine zweite Gruppe.
Der erste dieser von Gundlach in die Jahre 761 — 766 ge-
setzten Briefe Dum illa quae (Gundlach Nr. 32) hebt wieder
mit einer Lobpreisung des Königs an, die schließlich in dem Satze
gipfelt
quoniam vestro post deum auxilio et optima cep'taminae sancta spirita-
lis maler testra dei ecclesia constat ab inimicofum itisidiis erepta
et ort/iodaxa christianorum fides ab inptignatoribus defensa. Pro
116 P. Kehr,
quo exuUa in domino et laetare, benignissime rex, quia nomen ex-
cellentiac tuae in lihro vitae cxaratum rtUüat in conspcctu dei.
Ich denke, wenn dies nicht bloß tönende Phrase ist, so ist die Be-
ziehung auf den eben überstandenen Schrecken deutlich. Der Za-
sammenhang wird überdies, wie schon die Heraasgeber seit Cenni
erkannt haben, evident durch die dann folgende Erwähnung eines
vorausgegangenen Briefes, der kein anderer ist als die Ep. Prae-
celsae et a deo servate I (Gundlach Nr. 30), in der Paul um
Sendung eines ständigen Boten zum kommenden März gebeten
hatte; jetzt wiederholt der Papst die Bitte mit fast denselben
Worten :
Itaque nimis deprecamur excdlentiam vestram^ sicut per ante-
riores nostras litteras postulandum direximuSy ut iubecUis vestrum
fidelissimum missum hie ad nos Rontam dirigei'e^ qui ndbiscum pro
insidiis inimicorum demörari debecU.
Nur von Desider ist jetzt nicht mehr die Rede, was sich so-
gleich erklärt, sobald man die Ep. Dum tanto vestrae (Gundlach
Nr. 38) vorausgehen läßt. Uebrigens macht sich das nahe Ver-
hältnis zwischen der Ep. Praecelsae et a deo servate I und der
hier behandelten Dum illa quae noch in einer andern Phrase deut-
lich bemerkbar. Ganz wie in jenem weist auch in diesem der
Papst fast mit gleichen Worten darauf hin, daß es nicht politische
Gründe seien, um derentwillen die Griechen die römische Kirche
bedrohten, sondern lediglich um des Glaubens willen:
Optime enim praecdlentiae vestrae christianitas comperta
existit quanta qwdisque sit in^ia hereticorum Grecorum maHtia, in-
Manier meditantes atquc insidiantes, qualiter deo Ulis contrario
sanäam catholicam et apostolicam ecclesiam humiliare atque concut-
care et fidem sanctam orthodoxam cUque sanctorum patrum tradicio-
nem destruere possint.
Mit Fug und Recht haben die Herausgeber diesem Briefe das
an Karl und Karlmann gerichtete Schreiben Olim omnipotens
(Gundlach Nr. 33) angeschlossen. Träger jenes Briefes war
der primus defensor Petrus ; dieser bekam zugleich den Brief an
die fränkischen Prinzen mit und, wie ich glaube, auch noch einen
an die Franken. In dem an die beiden Prinzen gerichteten Schrei-
ben vergleicht der Papst die fränkischen Könige mit Mose, Josua
und David und hebt ihre Verdienste um die Kirche mit den uns
bereits bekannten Worten hervor:
Et vestro auzüio atque certamine ipsa sancta dei ecclesia spi*
ritalis maier vestra ab inimicorum insidiis liberata exuliat in do-
mino Jesu Christo et in conspeäu diviniiatis vestra effulgent pia opera.
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinas. 117
Ich zweifle nnn nicht, daß aach der an die Franken gerichtete
Brief Considerantibas nobis (Gundlach Nr. 39) in diesen Zu-
sammenhang gehört. Cenni hatte ihn einst mit ganz nichtigen
Gründen zum Jahre 757 eingereiht unter die ersten Briefe Pauls
— die Bedeutung des Motivs fides orthodoxa hat er überhaupt nicht
erkannt — ; J a f f 6 hat nichts rechtes mit ihm anzufangen gewußt
und Gundlach, der bis auf diesen einzigen Brief der von J a f f 6
angenommenen Reihenfolge der Paulbriefe gefolgt ist, hat ihm
zwar eine kritische Bemerkung gewidmet, die aber nichts weniger
als treifend ist. Er erklärt — da dieses die einzige Aenderung
ist, die der jüngste Herausgeber an der Jafföschen Chronologie
der Faulbriefe vorgenommen hat, so mag sie hier ausführlicher,
als sie sonst verdiente, erwähnt werden — „daß dieses Schreiben
ohne rechten Inhalt sei, da es an die Geistlichen und die waffen-
iähigen Männer des Frankenreichs geriditet, diesen wegen der
Befreiung der Kirche Lobsprüche und Segenswünsche darbringt,
den König Pipin aber in überschwänglichen Worten preist. Es
ist durchaus unwahrscheinlich, daß ein so inhaltleeres Schreiben
jemals allein an die Franken mit Umgehung des Königs abgesandt
ist: es kann nur ein Begleitschreiben für eine Pipin gewidmete
Botschaft sein. Diese zu ermitteln dürfte nicht schwer halten,
da der nächstfolgende Brief (Dum tanto vestrae, Gundlach Nr. 38)
im Anfang ganz ähnlich ist, Pipin als Befreier der Eärche feiert.
Ist das richtig, dann ist das sonst nichtssagende 38. (nach Jaf f^,
39. nach Gundlach) Stück, welches man nun vernünftigerweise
dem andern folgen läßt, nicht ohne Bedeutung. Da nämlich Paul
mit seinen Beschwerden über den Langobardenkönig Desiderius
von Pipin zur Kühe verwiesen ist und im 38. Briefe (Dum tanto
vestrae) auch bedingungsweise Besserung angelobt, so ist der 39.
(Considerantibus nobis) als ein weiteres Begütigungsmittel für den
König aufzufassen" *).
Von diesen Argumenten ist nur das eine richtig, daß der „in-
haitslose" Brief nicht vereinzelt für sich stehen kann. Aber kei-
nesiaila gehört er zu dem Briefe Dum tanto vestrae (Gundlach
Nr. 38). Von einer Aehnlichkeit , die Gundlach behauptet, ist
nichts zu entdecken und ihn als ein „weiteres Begütigungsmittel
für den König" aufzufassen, liegt nicht der Schatten eines Anlasses
vor. Wenn vielmehr in ihm König Pipin mit Mose und David
verglichen wird, so erinnert das weit mehr an den Brief Olim
omnipotens (Gundlach Nr. 33). Und wenn es dann weiter heißt :
1) GandUch im N. Archiv XVII 562.
118 P. Kehr,
per quem exaltcUa [sancta] dei ecclaesia triumphat et fides catholica
ab hereticorum telo inlibcUa cansistU, Et vos quidem . . gaudete et
exultcUe, quia namina vestra regumque vestrorum exarata sunt in
celis . .,
so erinnert das anf das Stärkste an die fast gleichlautenden
Phrasen in den Briefen Dum illa quae und Olim omnipotens, und
ich denke, daß man das Schreiben mit mehr Recht diesen beiden
Briefen zugesellen wird. Es entspricht der Situation, nach über-
standener schwerer Gefahr, daß der Papst nicht nur dem König
und den Prinzen, sondern auch dem fränkischen Volke dankt.
Wie schon bemerkt , gehören noch andere Briefe zu dieser
Gruppe.
Zunächst das Schreiben Si interius mente (Gundlach Nr. 13).
Jaffö hat den Brief dahin gedeutet, daß er mit Pauls I.
Thronbesteigung im Zusammenhang stehe, und ihn darum — worin
ihm Gundlach gefolgt ist — zum Jahre 757 eingereiht*). Es
ist ein Schreiben des Senates und Volkes der Stadt Rom, das
sich selbst als eine Antwort auf einen Brief Pipins bezeichnet,
in dem der Frankenkönig die Römer zur Treue gegen die Kirche
und Papst Paul I. ermahnt hatte. Diese betheuern nun ihrerseits
ihre unentwegte Treue zu ihrem Herrn, dem Papste, und bitten
zugleich um Erhaltung des königlichen Schutzes für die Kirche
und den orthodoxen Glauben und um reichere Ausdehnung des
Kirchenstaates. Weist nun schon das reichere Dictat und die
Hervorhebung der ortiiodoxa fides auf eine spätere Zeit, so beweist
vollends der Satz
dum nimirum vestro certamine sancta dei ecclesia cUque christia-
norum orthodoxa fides dinoscitur esse de/'ensa oniniumque nostrum
constant procurata salutis reniedia . . . lactantur enim caeli et
exultat terra . . .,
daß der Brief zu der Gruppe von Dankbriefen gehört, die dem
König nach der glücklichen Errettung aus der griechischen Gefahr
von Rom zugingen. Und damit erhält zugleich Pipins Mahnung
an die Römer zur Treue gegen den Papst eine bestimmtere und
historisch wichtigere Deutung. Wie die Geschichte lehrt, gab es
in jenen Zeiten drei Partheien in Rom , eine byzantinische , eine
fränkische und eine langobardische, und nicht ohne schwere innere
Kämpfe haben sich die Dinge in der ewigen Stadt entwickelt. Die
Mahnung Pipins und die Antwort der Römer werfen ein Licht
1) Ebenso Lamprecht, Römische Frage 8. 4 und Schnarer, Entstehung
des Kirchenstaats 8. 65.
Aber die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinas. 119
auf diese innere Situation and lehren uns, daß eine starke Bewe-
gung gegen die fränkische Schatzherrschaft für den Anschluß an
Byzanz in Rom sich erhoben hatte; die Sprache dieses offiziellen
Schriftstückes freilich läßt alles dieses nnr ahnen.
Es gehört weiter in den Kreis dieser Schreiben der Brief Ex-
plere verbis neqaeo (Gundlach Nr. 43). Jaff6 and ihm folgend
Gandlach haben diesen Brief mit großer Bestimmtheit in das Jahr
767 gesetzt, weil in ihm als fränkische Gesandte Abt Haribert und
Graf Dodo genannt werden. In diesem Abte glaubte Jaffa den
gleichnamigen Abt von Murbach wiederzuerkennen, von dem die An-
nales Nazariani folgendes berichten : 762 Haribertus ahba ordinatus est.
767 Paulus papa obiit. Haribertus abba Roma transmissus^). Aber
ich trage trotz alledem und keineswegs aus Vorliebe für den von
mir vorgeschlagenen chronologischen Ansatz Bedenken gegen Jaffas
Hypothese. Weder ist sicher, daß gerade der Murbacher Abt
Haribert gemeint ist, noch ist gewiß, daß die Notiz der Annalen
zu 767 mit der Sendung in Zusammenhang steht, von der in un-
serm Briefe die Rede ist. Die Fassung der Annalen selbst, die
den Tod Pauls der Sendung des Abtes vorausgehen lassen, steht
damit in Widerspruch. Ich für meine Person glaube, daß diesem
unsichem Indicium das sicherere Argament des Dictats vorgezogen
werden müsse. Begegnen wir nun in diesem Briefe sogleich dem
uns schon bekannten Satze:
dum prafedo vestro certaminis praesidio et lahorioso conamine sanäa
catholica et apostolica universaiis maier vestra spiritalis dei ecdesia
atque arthodoxa christianorum fides ab emularum inpugnationibus
erepte cansistuntf
80 ergibt sich daraus, daß er in die Gruppe jener Schreiben ge-
bort, in denen def Papst dem König für seine Hülfe in der
Griechennoth dankte oder in denen doch noch dies Ereignis nach-
wirkte.
Dasselbe Motiv kehrt endlich wieder in dem Briefe Quia ex-
cellentia vestra (Gundlach Nr. 19), einem der wenigen Briefe,
die sich fest datiren lassen. Die übliche schwülstige Einleitung
schließt der Papst mit denselben Worten, die wir ab besonders
charakteristisch schon mehrfach hervorgehoben haben:
Ezultaque et laäarej fdicissitne rex, quia tuo annuente deo certamine
sancta spiritalis mater vestra universalis dei ecdesia ab emularum
insidiis erepta atque exaltaia triunphat fidesque arthodoxa tuo Bdo
ei fortitudinis brachio inlibaia ab ereticorum iaeulis consislit.
1) Moo. Oerm. 8or. I 81. Ich stimme hier aiunahmBweise den kritischen
Bemerkongen von Weyl S. 219 in.
KfL 0«. <. Wi«. NMkrickUa. Pkilolof.-kiilor. KUmm. 1896. Hfl. 1 9
120 P. Kehr,
Es scheint mir nun unzulässig anzunehmen, daß dieses Thema so
isolirt und so unmotivirt bald im Jahre 760, bald im Jahre 763,
bald im Jahre 767 auftauche; ich denke vielmehr, daß der innere
Zusammenhang dieser Vorstellungen auch die Annahme eines
äußeren Zusammenhanges noth wendig nach sich ziehe, und
folgere daraus, daß alle diese Briefe einer und derselben Zeit,
meinetwegen mehreren Jahren, angehören, in denen die politische
Situation von dem gleichen Moment der Bedrohung und der glück-
lichen Abwehr der Griechen bedingt wurde.
Der Brief Quia excellentia ermöglicht nun, diese ganze
Grruppe von zusammengehörenden Briefen mit ungefährer Sicherheit
zu datiren; er gehört, wie er selbst von sich aussagt, dem April
des Jahres 760 — per totum instantem Aprileni mensem istius tertiae
decimae hidictionis — an. Er gestattet uns die politische Lage in
jenem Augenblick ziemlich sicher zu charakterisiren.
Von Byzanz ist allerdings nicht direct die Rede, lediglich
jener oben citirte Satz handelt von den Griechen. Aber wie
schon hervorgehoben, läßt eben dieser im Zusammenhange mit den
zusammengestellten Citaten keine andere Deutung zu, als daß eine
große von den Griechen her drohende Gefahr, wahrscheinlich der
Angriff auf Rom und Ravenna, glücklich abgewehrt war.
Um so genauer gibt der Brief Quia excellentia das Verhältnis
zu Desiderius an. Er handelt, wie noch auseinanderzusetzen sein
wird, von einem Vertrag, den die fränkischen Botschafter mit dem
Langobardenkönig über die während des Aprils 760 vorzunehmende
Restitution der Justitien abgeschlossen hatten, von einem Ver-
trage also, der bereits einen prinzipiellen Ausgleich der großen
römisch - langobardischen Streitfrage voraussetzt. Es sind noch
Streitpunkte vorhanden, und von ihnen wird noch die Rede sein,
aber die Hauptsache ist, wie auch der Brief selbst besagt, daß
Desider von Pipin anerkannt ist und mit dem Papstthum seinen
Frieden gemacht hat. Es ist dieselbe Situation, die sich auch in
jenen Briefen wiederspiegelt, in denen Desiders Hülfe gegen die
Griechen von römischer Seite beansprucht wird.
Woraus sich ergibt, daß eben diese vor April 760 und noch
genauer in das Ende des Jahres 759 fallen müssen. Denn wie
wir uns erinnern, hatte Paul in dem Briefe Praecelsae et a deo
servate I (Gundlach Nr. 30) die Sendung eines ständigen Ge-
sandten für den kommenden März erbeten; deuten wir den Brief
Dum tanto vcstrae (Gundlach Nr. 88) richtig, so war dem
Papste die Gefahr über den Kopf gekommen und hatte ihn zu
schleuniger Zusammenkunft mit Desider genöthigt: hiemach er«
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinus. 121
gibt sich als genaaerer Ansatz für die drei Briefe Praecelsae et a
deo servate I and U und Dom tanto vestrae ungefähr der Aus-
gang des Jahres 759. Es würden dann nach unsern Erörterungen
folgen die drei Dankbriefe Dum iUa quae (Gundlach Nr. 32) an
Pipin '), Olim omnipotens (Gundlach Nr. 33) an E^rl und Elarl-
mann und Considerantibus nobis (Gundlach Nr. 39), weiter der
Brief Si interius mente (Gundlach Nr. 13) und der Brief Quia
excellentia (Gundlach Nr. 19). Leider reichen die thatsächlichen
Angaben in diesen Briefen nicht aus, ihre genauere Reihenfolge
zu ermitteln, und ebenso ist es unmöglich, die genaue Stelle zu
bestimmen, an die der Brief Explere verbis negueo (Gundlach
Nr. 43) gehört: lediglich ihren inneren Zusammenhang vermögen
wir nachzuweisen.
Eine dritte Gruppe von Briefen bilden die Episteln Cum
maximo honorificentiae (Gundlach Nr. 21), Votiva cordis (Gund-
lach Nr. 37) und Dum divina (Gundlach Nr. 42). Ganz richtig
hatte einst Cenni den innem Zusammenhang dieser Briefe er-
kannt und sie auf einander folgen lassen (39. 40. 41), indem er
den ersten in das Jahr 766, den zweiten in das Jahr 766, den
dritten in das Jahr 767 setzte, während Jaff^ den ersten Brief
zu 761, den zweiten zu 764 — 766, den dritten zu 762 — 767 ein-
reihte. Indem ich mir vorbehalte, die Quelle des Irrthums Jaffas
hernach aufzudecken, führe ich zunächst den positiven Beweis der
Zusammengehörigkeit der drei Briefe.
Es handelt sich in ihnen wieder um die Griechen, aber nicht
um eine feindselige , sondern um eine friedliche Action derselben.
1) Ich will gewissenhaft zwei Bedenken nicht Yerschweigen , welche gegen
den Ansatz dieses Briefes za Anfang 760 geltend gemacht werden können. Ein-
mal heilt es in diesem Briefe i quod vestra salus saneUu dei ecdtsiae ei fidei
€X€iUaUo et vera defeimo, ut aepe scriptirnua, existü; w&hreud diese Phrase nach
nnserer Zusammenstellung hier allerdings zum ersten Male vorkommt Dann die
Erwähnung der königlichen Kinder am Schlüsse des Briefes : Karl, Karlmann und
Oisla, während nach unsrer Ueberlieferung damals auch der kleine Pipin noch
gelebt haben soll. Aber darauf möchte ich nicht eben viel Gewicht legen. Denn
die Angabe der fränkischen Annalen: (759) Natu8 ut autem ei filiuB, eui namen
iumm imposuü, qui vixit du08 annos et in tereio defunetus est. (Mon. Qerm. Scr.
I 28. 29. 142. 148. 833) scheint mir weniger sicher als eisner annimmt, der
danach Pipin 769 geboren werden und 761 sterben läSt. Es fällt doch sehr ins
Gewicht, daS in den Briefen Pauls der Prinz nur einmal, bald naoh seiner Geburt
genannt wird (Ep. Solet epistnlaris Gundlach Nr. 18), als der Papst sich zum
Gevatter anbietet, hernach aber nie wieder. Auch wenn man annähme, daft er
unter den amanHuimi fwti, für die der Papst zuweilen seine Wünsche sendet,
«ngesohlossen sei, so wäre es doch ein merkwürdiger Zufall, daft Paul niemals
•ein Pathklnd bei Namen nennt, wie er es so oft bei OisU thnft.
9*
122 P. Kehr,
Der die Tendenz des Briefes Cnm maximo charakterisirende
Satz ist der folgende:
Fro quo obnixis deprecationibus queso et coram terribili futuro tu-
ditio excellentiam vestram coniurans deprecor, ut iuxta quod ex vestro
mdlifltio ore prolata et beato Fciro promissa sunt, fimta constantia
pernmnere itibeatiSf respuentes inimico}*ufn sanctae dei ecclesiae et
fidei othodoxe inpugnationum vipias suasiones et inanes promissianes.
Ebenso heißt es in dem Briefe Votiva cordis:
Neque enim, bone rex, aliter mentes fiddium credi poterant^ quam
quod in earum . . ex operibus cernentes conpcrimus a vobis perac-
tum , qui pio intuitu, humanas suasiones et inanes promissiones res-
puentes, nihil amori et certamini, quam erga beatum Petrum geritiSy
pracponere maluistis • .
Vergleicht man hierza den Brief Dom divina mit dem stark
fmklingenden Satze
Et sicut isdem Moyses legislator abhominationes gentium et euUuram
demonum exterminavit, ita et tu, christianissime regum, hereticorum
Schisma et auctores impii dogmatis respuisti,
so erkennt man, wie mich dünkt, sogleich, nm was es sich hier
handelte. Schon die langathmige Bethenerung der Zuversicht, daß
Pipin unentwegt an dem* Bündnis mit dem Papste festhalten würde,
läßt ahnen, daß man in Rom eben dieses gefährdet fürchtete, und
vollends deutlich ist dann die Anspielung auf die Griechen, deren
gottlose Ueberredungskünste und nichtige Versprechungen der
Papst ebenso sehr fürchtet als er sich den Anschein gibt, daß sie
auf Pipin keinen Eindruck machen würden. Mit andern Worten,
es waren Verhandlungen zwischen Constantinopel und den Franken
im Gange , die dem Papste ein heftiges Unbehagen verursachten,
so sehr er sich auch von der fränkischen Bundestreue überzeugt
stellte. Bas wird nun vollends klar, wenn man den Brief Votiva
cordis aufmerksam liest, dessen ungewöhnlich feierlicher Eingang
den Leser bereits auf einen besondern Ausbruch päpstlicher Ge-
fühle vorbereitet; in der That folgt dann eine äußerst beglückte
Apostrophe. Pipins Brief mit den guten Nachrichten, vor Clerus
und Volk verlesen, erregt den größten Jubel, weil der König den
menschlichen Ueberredungskünsten und den leeren Versprechungen
der Griechen widerstanden habe. Die Beziehung zwischen den
beiden Briefen ist so deutlich, daß man sich wundern muß, daß
ein scharfsinniger Forscher wie Jaffa sich so sehr hat täuschen
können, besonders da noch ein äußerliches Moment den Zusammen-
hang der beiden Briefe zur Evidenz beweist. In dem Briefe Cum
maximo ist am Schlosse die Rede von den päpstlichen Gesandten
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolious. 123
Georg tmd Petras und yon der causa des Andreas. In dem Briefe
Votiva cordis kommt der Papst auf die Sache zurück und zwar
mit fast denselben Worten. Ich stelle sie, um leichter den Zu-
sammenhang zu zeigen, neben einander.
£p. Com maximo: De Georgio itaque et Fetro quod innotuistis^ om-
nino agnovimus. Sed hoc in vestrae voluntatis arbifrio rdaxamus^
utf qualüer vobis placuerity ita ex eis agatis, sive iUie apud vos eos
deiinendo sive etiam ad nos absolvendo, quoniam amnia, qtioe vobis
placiia sunt, et nobis omnino congrua et prospera esse videtUur . .
perfitientes et causam predicti Andreac, ut eins fuit voluntas et
vestra extitit praeceptio.
Ep. Votiva cordis: Et hoc praecelsa christianitas vestra per easdctn
duas nos adgreduit syüabas: Georgium episcopum et Pctrum pres-
hiterum in vestro permanendum servitiOf nos debere concedi. Et
quidem praecdlentissima vestra benignitas agnoscat , nos tarn dudum
de hoc vestrae obtemperasse vcluntati; per Andream quippe religio-
sissimum missum vestrum^ sicuti po^yoscendum, in exanUis distinatis
apostolicis syUabis eos vobis dinoscimur concedisse, intimantes, ut sive
retinendum sive etiam iAsolvendum vestra fuisset voluntas ^ de eis
peragere deberetis. Unde etiam et nunc vestro voluntatis arbitrio
rdaxamus , ut , qualiter vobis de eis placucrit tarn retinendum quam
4Mbsolvendum, faciaiis, dum semd a nobis vobis concessi sunt . •
Es versteht sich von selbst, daß zwischen diesen beiden Sätzen
nicht drei volle Jahre, wie J a f f ^ annahm, liegen können, sondern
daß die Briefe ziemlich schnell anf einander gefolgt sein müssen,
wenn sie nicht einander gekreuzt haben. Ist dies richtig, und ich
glaube nicht, daß es einem Zweifel begegnen kann, so erläutert
der zweite Brief trefflich den ersten, in dem der Papst seinem
Unbehagen über die Verhandlungen Luft macht. Denn aus dem
zweiten Brief erfahren wir, um was es sich handelte.
Eine fränkisch-römische Gesandtschaft war zugleich mit einer
byzantinischen Mission von Constantinopel nach Frankreich zurück-
gekehrt; auf einem fränkischen Reichstage sollte über deren
Propositionen berathen werden. Daß es nicht bloß dogmatische
Fragen waren, über die Byzanz eine Einigung herbeiführen woUte,
deutet der Papst selbst an; er zeigt sich über das Schicksal des
Kirchenstaates so besorgt, daß man nicht zweifeln kann, daß auch
über diesen verhandelt werden sollte:
giiia, quod semel beaio Petro pro aeternae vitae rdributione chtulistis,
nulla vos dd>eret ratione ab eius iure et potestaie separari: scimus
eitim, quod nulla apud vos suasionis fabulaiione praevalet^ dum divina
verba et apostolica documenta firmiter in vestro corde retinetia adnexa.
124 P. Kehr,
Wahrscheinlicli der letzte Brief in dieser Angelegenheit ist die
Ep. Dum divina (Grundlach Nr. 42), von der bereits die Rede
gewesen ist ; sie ist ein höchst befriedigter Dankesbrief des Papstes
an König Pipin, der wieder einmal als ein anderer Moses ver-
herrlicht wird, weil er das Schisma der Heretiker zurückgewiesen
habe. —
Nachdem ich den Innern Zusammenhang der einzelnen Briefe
dieser drei Gruppen dargelegt habe, nehme ich behufs Ermittelung
ihrer chronologischen Reihenfolge das Thema der byzantinisch-
fränkischen Beziehungen wieder auf und verfolge den Gang der
Verhandlungen an der Hand unsrer Briefe.
Von solchen Verhandlungen war zuletzt die Rede gewesen in
dem letzten Briefe Stephans IL Explere lingua (Gundlach Nr. 11)
vom Frühjahr 757. Byzantinischer Botschafter war damals der
uns schon von früher her bekannte Silentiar Johannes. Aber auch
dessen früherer Genosse Georg, den die Vita Stephani als proto
a secreta bezeichnet ^), scheint an dieser Mission betheiligt gewesen
zu sein. Denn er befand sich im Jahre 758 bereits in Neapel und
wird von Papst Paul I. beschuldigt, mit Desider Verhandlungen
gegen Frankreich und Rom angeknüpft zu haben*). Wir dürfen
aus alledem schließen, daß die Mission der Griechen — die wohl
auch der Fortsetzer des sog. Fredegar meint — scheiterte und
daß bald darauf die offenen Feindseligkeiten gegen Rom und Ra-
venna begannen, von denen wir bereits gehandelt haben.
Ob in diesen Zusammenhang schon der in der Ep. Omnino
compertum (Gundlach Nr. 25) erwähnte Verrath des römischen
Presbyters Marinus gehört, ist nicht sehr wahrscheinlich, läßt sich
aber nicht mit Sicherheit ermitteln. Marinus war, wie wir aus
dem Embolum der Ep. Properans ad nos (Gundlach Nr. 24), die
wohl in die ersten Jahre Pauls I. gehört, erfahren, auf Verwen-
dung Pipins mit dem Titel von S. Chrysogonus ausgestattet wor-
den, hatte aber hernach sich in verrätherische Beziehungen zu dem
1) Lib. pontif. ed. Duchesne I 452.
2) Im Lemma des gleichfalls zu 758 gehörenden verlorenen Briefes Gund-
lach Nr. 15 steht eo quod Desiderius rex eonsilium iniit cum Georgia imperiali
missOf qui hicFraneiae adfuit; aber hier liegt doch wohl ein MlBverst&ndnis des
Rubricators vor. Die Stelle wird erläutert durch die Ep. Qnotiens perspicna von
758 (Gundlach Nr. 17): Gecrgiutn imperialem missum, qui ad vo8 ^anciam
directus fuerat. So wird auch in dem verlorenen Brief gestanden haben. Gels*
ner 8. 821 deutet diese Worte so, da£ Georg auf seiner Reise nach dem Franken-
lande in Neapel angelangt sei; er nimmt also eine neue Gesandschaft an und
scheint (8. 820 und 345) auch nicht geneigt zu sein, diesen Georg mit dem gleich-
namigen Gesandten von 766 so identifisiren.
fibfr die Chronologie der Briefe Papst Paals I. im codex Carolinas. 126
griechischen Geheimrath Georg eingelassen. Es ist wie gesagt
wahrscheinlicher, daß diese Mission des Georg eine jüngere ist als
die von 757—758*).
Von einer andern Hission ist die Rede in £p. A deo institate
(Gnndlach Nr. 20), die Jaff^ irrig in das Jahr 760 gesetzt
hat, während sie in Wahrheit einige Jahre jünger ist, wie sich
aas der Geschichte der romisch - langobardischen Beziehungen er-
gibt, die hernach erörtert werden sollen. Papst Paul berichtet
darin, daß nach ihm zugekommenen Nachrichten sechs Patrizier
mit dreihundert (?) Schüfen und der Flotte von Sizilien von Constan-
tinopel unterwegs nach Rom seien. lieber den Zweck dieser Mission
weiß er nichts anzugeben; daß dieser aber kein feindseliger war,
lehrt die ruhige Haltung des Papstes und die weitere Angabe,
daß diese Byzantiner, wie man melde, nach Rom bestimmt seien,
um von dort weiter nach dem Frankenreiche zu gehen.
Was aus dieser Mission geworden ist, darüber fehlt alle
Kunde. Vielleicht aber war sie die Veranlassung, daß nun ihrer-
seits König Pipin und Papst Paul Gesandte nach Constantinopel
sandten. Zu Ausgang des Jahres 763 und zu Beginn des Jahres
764 berichtet der Papst darüber in den Briefen Praemissis nostris
(Gnndlach Nr. 28) und Eximiae et a deo protecte (Gundlach
Nr. 29): noch habe er keine Kunde von dem Schicksal der Ge-
sandten ■).
Daß diese Gesandtschaft es ist, die begleitet von den griechi-
schen Botschaftern Anthi und Sinesius zu weiteren Verhandlungen
über die dogmatischen und politischen Streitfragen endlich in
Frankreich eintraf und bei dem Papste einige Unruhe hervorrief,
wissen wir bereits. Ihrer gedenkt, freilich mit versteckten Wor-
ten, Paul in seinem Briefe Cum maximo (Gundlach Nr. 21) und
ausführlicher berichtet er über sie in der folgenden Ep. Votiva
cordis (Gundlach Nr. 37). Er hat soeben ein Schreiben Pipins
bekommen, worin ihm dieser mittheilt, daß die Gesandtschaft von
1) Darauf weist die Apostrophe des Pipin als defensor fidei orthodoxae.
2) Ep. 28: eeee usque Iwctenua nihil rei veritatem de nostris missis, qui a
(= ad) regia prcfecH sunt urbe, addiscere valuimus, quid erga eos ageretur.
£p. 29: de missis vero vestris ae nostris, qui ad regiam urbem simul pro-
peraverunty dequibuspetiünosvestrapraeclara excelleitiia sünmet a nobis significari,
si quid ex eis addiscere potuimus , cognoscat vestra a deo protecta eximietas , eo
quod in his diebus nihil ipsis cognoscere potuimus, dum profedo robis incognitum
non est, quod pro tarn saeva huius hiemtüis temporis asjyeritate nullus de Ulis
partHms adveniens ncbis adnuntiavit, qualüer circa eis agatur, — Ueber deo har-
ten Winter von 763 auf 764 Tgl. die Zusammenstellungen bei Oelsner S. 883
Anm. 2.
126 P- Kehr,
Byzanz angekommen sei, aber von ihm für die Verhandlnngen des
Reichstags zurückbehalten werde. Es ist der Brief, in dem Paul
sein festes Vertrauen ausspricht, daß die Antwort Pipins auf die
byzantinischen Vorschläge nicht zum Nachtheil der Kirche und
des Kirchenstaats ausfallen werde.
In dem nächsten Briefe Cum regalis potentiae (Gundlach
Nr. 36). den Jaff6, ich weiß nicht warum, aber sicherlich mit
Unrecht, der Ep. Votiva cordis (Gundlach Nr. 37) vorausgehen
ließ, erläutert der Papst noch ausführlicher seine Stellung zu der
byzantinischen Verhandlung. Er ist hoch erfreut über einen ihm
zugegangenen Brief Pipins , in dem ihm dieser genauere Einzel-
heiten über die byzantinischen Vorschläge, das kaiserliche Schrei-
ben selbst, seine Antwort darauf und seine Antwort an die by-
zantinischen Botschafter zugehen läßt und ihn versichert, daß
nichts ihn von seinem Bündniß mit S. Peter trennen werde. Wo-
rüber dann der Papst mit Recht nicht wenig glücklich ist.
Uebrigens brach Pipin trotz seiner Rom so günstigen Antwort
die Verhandlung mit Byzanz nicht ab. Er sandte den einen der
byzantinischen Botschafter mit seiner Antwort nach Constantinopel,
den andern behielt er zurück. Aber über den weitern Verlauf
der Dinge wissen wir nichts.
n.
Ich würde meine Leser irreführen, wollte ich leugnen, daß
der eine und andere Ansatz dieser die Beziehungen zu Byzanz
berührenden Briefe in mehr oder minder starkem Maaße hypothetisch
ist; mit größerer Sicherheit lassen sich die zeitlichen Relationen
der die langobardischen Irrungen behandelnden Briefe fest-
stellen.
Ich erinnere des Zusammenhangs halber an die Vorgeschichte
dieser Verhandlungen.
Die beiden Friedensschlüsse von Pavia von 754 und 7B6 zwi-
schen Franken, Römern und Langobarden hatten die politischen
Verhältnisse der Halbinsel von Grund aus verändert. Ein partum
generale ordnete die verworrenen Verhältnisse zwischen Franken,
Römern und Langobarden. Das freie Volk der Langobarden mußte
die Oberhoheit des Karolingers anerkennen und wahrscheinlich
den Franken gegenüber besondere Verpflichtungen auf sich neh-
men, wie Bestätigung der Königswahl, Heeresfolge, Tributzahlung
und Gehorsam gegen die Befehle des fränkischen Oberherrn. Den
Römern aber und ihrem geistlichen Herrn, dem Apostelfürsten,
mußte Aistulf alles Land herausgeben, das er während seiner
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinus. 127
Regierung der Republik entrissen^). So entstand der Kircben-
Staat, die Landesherrscbaft des Papstes in den von den Lango-
barden abgetretenen Städten und Stadtgebieten des Exarchats von
Ravenna. Nicht eben groß war dieses Gebiet und keineswegs
umfaßte es aUe römischen Städte jener Gegenden; was die frühe-
ren Langobardenkönige , besonders Lintprand , erobert hatten,
blieb zunächst noch beim Reiche von Pavia. Nur da« Gebiet der
beiden Pentapolis von Rimini bis zum Esinofluß, so also daß das
südlich davon gelegene Gebiet der drei Städte Ancona, Umana, Osimo
den Langobarden blieb, und ein sehr bescheidener Theil des alten
Exarchats, nämlich dessen südöstliche Ecke zwischen dem Montone-
fluß und dem Meere, kamen an Rom; das Hauptstück des alten
Exarchats, die schon von Liutprand eroberten Gebiete von Bologna,
Lnola, Faenza, Ferrara, überhaupt das ganze Land nördlich und
westlich von Ravenna verblieb den Langobarden. Und sehr gering
war, was der zweite Friede von Pavia von 756 dazu brachte ; der
Gewinn des zweiten langobardischen Feldzugs für Rom war nur
das salzreiche Comacchio.
Gegenfiber den päpstlichen Ansprüchen, die, wie wir sie aus
den Briefen Stephans ü. und aus der Lebensbeschreibung dieses
Papstes *) kennen, auf die Recuperation des Exarchats, wie er vor
Alters war, auf die Zurückgewinnung also auch der von Liutprand
gemachten Eroberungen, hinausliefen, war das Gewonnene beschei-
den und, wie man hinzufügen muß, auf die Dauer unhaltbar. So
deutlich es auf der einen Seite ist, daß die fränkische Politik
Aistulf und die Langobarden mit der größten Nachsicht und Scho-
nung behandelte und daß der oft ganz mit Unrecht lediglich als
fügsamer Befensor der Kirche gescholtene Pipin bei diesen Frie-
densschlüssen weit mehr die fränkischen Interessen als die römi-
schen entscheiden ließ — denn wie viel größer war der Gewinn
Frankreichs, das das Reich der Langobarden zu einem von sich
abhängigen Staate machte und der Schiedsrichter Italiens wurde,
als der des römischen Schützlings, der statt der Erfüllung weit-
fliegender Pläne nur die Herstellung des status quo, wahrschein-
lich nur die Erneuerung des Vertrages, den zehn Jahre zuvor
König Rachis mit Papst Zacharias auf zwanzig Jahre abgeschlossen
hatte, erlangte — , so offen liegt zu Tage, daß der junge Kirchen-
1) Das haben schon t. Sybe), Schenkungen der Karolinger, Hist. Zeitschrift
XLIV 58 ond Dnchesne, Lib. pontif. 1 460 Anm. 61 richtig erkannt. Vgl. aoch
QM. gel. Ans. 1895 S.710 und SchnOrer, Entstehung des Kirchenstaates 8.60.
2) .Vgl. Gott. gel. Anz. 1896 S. 707 ff.
128 P. Kehr,
Staat politisch wie militärisch eine selhständigen Lebens voll-
kommen unfähige Schöpfung , eine im Verhältnis zu der halb Ita-
lien umspannenden politischen Idee, die ihm das Leben gab, wahr-
haft schwächliche Frucht war. Wie sollte sich das langgestreckte
Küstengebiet von der Po-Niederung bis hinab nach Sinigaglia and
Jesi, das im Norden, Westen und Süden von langobardischen Ge-
bieten umgeben war, gegen einen Angriff behaupten? Es konnte
nicht anders sein, als daß das Fapstthum fortan mit allen Mitteln
nach einer Consolidirung seines Staates ringen mußte; Jahrhunderte
lang hat es an. dem Fluche dieser politisch und militärisch unfer-
tigen Schöpfung gekrankt.
Es kam noch ein anderes Moment hinzu. Das politische Em-
porkommen des Fapstthums und die Begründung eines päpstlichen
Staates beruhten am Ende auf dem starken nationalen Gegensatz
zwischen Kömem und Langobarden; einmal als Vormacht des
lateinischen Wesens in Italien anerkannt, mußte die neue respublica
Bomanorum eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die noch
unter der Herrschaft der Barbaren seufzenden Lateiner ausüben.
Wenn selbst die Komanen in Istrien und Venetien ihre Augen
auf den Papst als den Hort ihrer nationalen Selbständigkeit rich-
teten 0, wie viel mehr mußten die Bewohner der Städte des alten
Exarchats den Druck der Barbarenherrschaft empfinden, da ihre
Brüder in den Nachbarstädten unter das nationale Regiment zu-
rückgekehrt waren*).
Papst Stephan 11., der erste in der Reihe der Papstkönige,
erscheint als ein Mann von gewaltiger Energie; kaum Herr von
Ravenna, richtete er seine Politik auf den Ausbau seines Staates,
auf den Gewinn besserer Grenzen. An nichts geringeres dachte
er als im Norden die Po-Grenze, in der Emilia die festen Plätze
Faenza, Lnola und Bologna, im Süden die drei Städte der Penta-
1) Vgl. die Correspondenz zwischen Johann von Grado und Papst Stephan
III, Mon. Germ. Epist. III 711-715 Nr. 19-21. Auch auf die £p. Praeceltae
et a deo servate II (Gond)ach Nr. 81) muB hier hingewiesen werden, in der
qtiidam fiddes Venetiei aufgeführt werden, die auf Seiten des Papstes gegen die
Griechen, ihre Landesherren, stehen.
2) Wir habe^ keinen Grund an der Wahrheit dieser Motive zu zweifeln,
weil Stephan II. selbst sie in der £p. Ezplere lingua (Gundlach Nr. 11)
in den Vordergrund rQckt. Er ruft dabei überdies das Zeugnis des Fulrad an:
Qucniam et filiut noHer deo amdbütM Folradus fideJis vester omnia conspUiens
eaüifaäUB e$t, quod nequaquam ipse populus vivere paesit extra eorum fines et
ierritoria atque poesesaianee absque emtatHma iüis, que eemper cum eis sub uniitt
damnU ditione etant amnexae.
über die Chronologie der Briefe Pftpat Paula I. im codex Carolinas. 129
polis zu erwerben, endlicb die langobardiscbe Oberherrschaft über
die sfldlichen Herzogthümer za schwachen and sie schließlich dnrch
die römische Hegemonie za ersetzen: erst dann war ein mittel-
italienischer Staat geschaffen, der vielleicht im Stande gewesen
wäre, sich in dem Wechsel der großen Politik und in der oflPnen
und geheimen Rivalität zwischen Paris, Pavia und Byzanz selb-
ständig za behaupten. An Stelle des Schlagwortes iustüia heati
Petri tritt mit dem Briefe Explere lingua (Grundlach Nr. 11),
in dem Stephan ü. zuerst das neue Programm darlegt, auch ein
neues, die veränderte Situation characterisirendes Motiv: fortan
fordert Rom die plenaria iustitia beaii Peiri^), Der Vertrag von
Kiersy wies den Papst auf eine solche Politik hin. Die eine Con-
sequenz erforderte gebieterisch die andere: Stephan IL, Hadrian I.,
Innocenz m. und Julius II. , sie alle haben die gleichen Ziele
derselben Politik verfolgt.
Das Glück kam dem Papste überraschend entgegen. König
Aistulf starb zu Ende des Jahres 756 *) ; mit ihm ging der unver-
söhnlichste und leidenschaftlichste Feind Roms aus der Welt. Um
seine Krone aber entbrannte in dem unglücklichen, von dem Ehr-
geiz seiner Grroßen zerrissenen Volke der Bürgerkrieg. Der fromme
Rachis, einst von den erzürnten Langobarden vom Throne ge-
stossen , erhob sich aus seinem Kloster , die verlorene Krone
wiederzugewinnen, während in Tuscien ein kräftigerer Prätendent,
Desiderius von Brescia, den der verstorbene Konig dorthin ge-
schickt hatte, auftrat. Dergestalt hatten die Dinge sich verändert,
daß demselben Papste, der ein Jahr zuvor kaum der Wuth des
Aistulf entgangen war, jetzt thatsächlich die Entscheidung zufiel,
wer der Nachfolger seines alten Feindes werden sollte. Welch
eine Aussicht eröffnete sich ihm in diesem Augenblick , da er es
in der Hand hatte, den Langobardenkönig selbst von sich abhängig
zu machen und von ihm die größten Zugeständnisse zu erlangen.
So entschieden sich Stephan und der wie es scheint ganz für die
romischen Ziele gewonnene fränkische Commissar Fulrad von S.
Denys geg^n Rachis für Desiderius , und so eifrig waren sie für
diesen, daß der Papst nicht nur an Rachis und das ganze Volk
der Langobarden Ermahnungsbriefe richtete, sondern daß Fulrad
selbst mit seinen Franken dem Prätendenten zu Hülfe eilte und
Stephan römische Truppen zu seiner Unterstützung aufbot*).
1) Oött. gel. Am. 1895 S. 710.
2) Vgl. Oelsner 8. 487; Mon. Germ. Epist. m p. 472.
8) ¥iu StephAoi II. c. XLIZ (Dachesnel 454 iq.).
130 P. Kehr,
In der Thai gewährte dieser Candidat dem Papste die grSfi-
ten Vortheile. Er gelobte nicht nur Frieden mit der römischen
Kirche und ihrem Volke zu halten ^), sondern er scheint sich sogar
geradezu als Vasall S. Peters nnd Pipins bekannt za haben*).
Vor allem aber versprach er dem Papste die noch „übrigen''
Städte, wie der Biograph Stephans nnd dieser selbst sich aus-
drückt*), abzutreten, nämlich die noch bei den Langobarden ge-
bliebenen Städte des ehemaligen Exarchats. Nach dem Biographen,
der sie übrigens nicht bei Namen nennt, hat Desiderius dem Papste
ihre Abtretung als Preis für die päpstliche Anerkennung unter
einem Eide angeboten, worauf Stephan seinen Bruder Paul, den
nachmaligen Papst, und seinen Rath Christophorus mit Fulrad
nach Tuscien zu ihm sandte und darüber nochmals einen schreck-
lichen Eid und eine Urkunde empfing ^). Der Brief Explere lingoa
(Gundlach Nr. 11) gibt die Städte mit Namen an; es waren
Faenza, Imola, Ferrara, femer Osimo, Ancona, ümana, dann im
Verlaufe der weiteren Verhandlungen auch noch das wichtige
Bologna^). Auch über die Form dieser sogenannten Restitution
erhalten wir Aufschluß aus einem späteren Briefe; Desider sollte,
1) Ep. Explere lingua (Qondlach Nr. 11): ä in paeis quide cum eadem
dei ecelegia et nostro poptdo semper mansurum professus est,
2) lu der Ep. Explere liDgua (Quo dl ach Nr. 11) sagt Stephan ausdrück-
lich : Nunc autem dei Providentia per manus sui principis apostolorum beati Peiri
simul et per tuum fortissimum hrachium^ preeurrenie industria deo amabüis viri
Folradi tui fidelis nostri diledi fUii, ordinatus est rex super gentem Langöbar-
darum Desiderius vir mitissimus. S. Peter und Pipin werden hier als zwei Fac*
toren gleichen Rechtes neben einander gestellt. Die Bedeutung des Ansdruckes
per ffiaitfi« beati Petri et per tuum fortissimum hrachium wird klar durch die
Wiederholung dieser Worte in demselben Briefe in Bezug auf Spoleto. Daß die
Spoletiner wirklich 8. Peter und Pipin einen Treueid geleistet haben, lehrt der
Brief Pauls I. Quotiens perspicua (Gundlach Nr. 17): qui in fide beati Petri et
vestra sacramentum prd>uerunt. Vgl. S. 131 Anm. 2.
5) Vita Stephani IL c. XLIX (Duchesne I 466): eivitates quae remanse-
rant; Ep. Explere lingua (Gundlach Nr. 11): eivitates religuas. Vgl. Gott. gel.
Ans. 1896 8. 710.
4) Vita Stephani IL c. XLIX (Dochesne I 466.)
6) Et in praesentia ipsius Folradi (nach Ep. Quotiens perspicua (Gund-
lach Nr. 17) war auBerdem auch der fr&nkische Missus Rodbert dabei anwesend)
stib iure iurando poUidtus est restituendum beato Petra eivitates reiiquas: Va/cen»
tia, Imuhu et Ferraria cum eorum finibus, simul eOam et saitcra et amtUa tem-
iorta nee nan et Äusimum, Aneana et Humana eivitates cum eorum territorüs;
et pastmodum per Oarrinadum dueem et Qrimoaldum ncbis reddendum spopandU
civitatem Bononiam cum fimbus suis.
über die Chronologie der Briefe Papst Paals I. im codex Carolinas. 131
guiz wie ein Jahr zuvor Aistulf , jene Städte dem fränkischen
König und durch diesen dem h. Petrus restituiren ^).
in demselben Augenblick erö£Pnete sich dem Papste eine weitere
Aussicht, die ihn seinem Ziele, der Begründung eines ganz Mittel-
italien umfassenden Kirchenstaats, noch näher brachte. In den
südlichen Herzogthümem Spoleto und Benevent erhoben sich, be-
freit von der scharfen Herrschaft des Aistulf , die alten Unab-
hängigkeitsgelüste. Rom wird das Seine dazu gethan haben. Un-
ter Vermittelung des Papstes und des fränkischen Missus erhoben
die Spoletiner, denen Aistulf ihre Selbständigkeit und ihren Her-
zog genommen hatte, wieder einen eigenen Herzog, den Alboin;
sie sowohl wie die Beneventaner suchten durch Stephan den Schutz
des Frankenkönigs nach; ja die Spoletiner schwuren dem h. Petrus
imd Pipin Treue').
So schien der päpstliche Staat den Grenzen immer näher zu
kommen, die ihm die Promissio von Kietsy vorgezeichnet hatte.
Kamen diese jüngsten Versprechungen der Langobarden zur Aus-
führung, so gebot der Papst über ein stattliches Gebiet; die Re-
stitutionen Desiders würden die transappenninische Provinz fast
verdoppelt, die Grenzen vom Montoneüuß bis zum Po und Reno
und im Süden vom Esino bis zum Potenza vorgeschoben haben.
Die Herzogthümer abhängig von Rom, der König der Langobarden
des Papstes Geschöpf: in der That nicht oft war das Papstthum
1) £p. Qaotiens perspicua (Qandlach Nr. 17): Quia eas . . exceUenHgsime
thrisUaniUUi iuae et per ie titiam beato Petro aposiolarum principi pollicUus est
redditurum imd iubeas, quatenus praefatas, qu<i8 pollicitua est, civitates tuae meUi-
fluae excellentiae et per te becUo Färo fautari tuo resiitu<U.
2) £p. Ezplere lingua (G an dl ach Nr. 11): Nam et Spolaetini ducatua
generaüUu per manus beati Petri et tuum fortissimum brachium constUuerunt sibi
dueem. Et tarn ipsi Spotitini quamque etiam Beneventani amnes se commendare
per nas a deo servcUe exeeUentiae tuae cupiunt, Kp. Quotiens perspicoa (Gand-
lach Nr. 17): Sicque Spoiaetinus et Beneventantu [ducatusj, qui se sub vestra
a deo servata potestate contulerufU, AWoinum ducem Spoletinum cum eis
satrapüms, qui in fide becUi Pari et vestra sacramentum prebuerunt. Die Br-
heboog des Alboin, nach dem in vier Privatarkonden vom M&rz, Mai, Sep-
tember und October 757 (Reg. di Farfa 11 Nr. 38, 39, 40; Troya Cod. dipl.
Longob. IV Nr. 709, 711, 714, 718) mit anno dueatus eius in dei nomine primo
datirt wird, fUlt in die letzten Tage des Jahres 756 oder in den Anfang 757
(Tgl. auch eisner S. 442 and A. Jenny, Gesch. des langobard. Herzogthams
Spoleto von 570—774 (Baseler Diss. 1890) S. 72). Uebrigens darf man in diesem
Treueid nicht schon ein volles Uaterthanigkeitsverh<nis statoiren. So wenig
Desider nach den Jahren seines fränkischen Oberherm datirt, so wenig datin
Alboin naoh den Jahren des Papstes and Pipins.
132 P. Kehr,
der Auäsiclit so nahe, eine selbständige und beherrschende politi*
sehe Stellang in Italien zu erlangen.
Aber anf die schnelle Erhebung folgte ein eben so schneller
Sturz. Zwar die Städte Faenza nebst dem Castell Bagnacavallo,
Gabello und den Ducat von Ferrara lieferte Desiderius in der
That dem päpstlichen Missus aus; aber dies war Stephans II.
letzter Frfolg ^). Bald darauf — in den letzten Tagen des April
767 — rief ihn, inmitten so weit ausschauender Pläne, der Tod
ab, nachdem er noch einmal die fränkischen Prinzen, die Hoffnung
ßoms, beschworen hatte, ihrem Gelöbnis treu zu bleiben und in
der Liebe zu den Päpsten zu beharren*).
Unmittelbar nach dem Begräbnis Stephans am 26. April ward
sein Bruder, der Diacon Paul, nicht ohne den Widerstand einer
vielleicht byzantinisch gesinnten") Gegenparthei , auf den aposto-
lischen Stuhl erhoben. Sogleich notiüzirte er seine Wahl dem
fränkischen Bundesgenossen mit der ausdrücklichen Erklämng,
daß er und sein Volk an dem Freundschaftsbündniß mit den
Franken und dem Pactum von Pavia festhalten werde ^). In der
1) Vita Stephan! II. c. XLIX (Duchesne I 455): direxü missum suum . .
et abstuUt de ipsis dviiatibus, guas sepedictM Desiderius rex reddere promiserat
heatissimo eodem papat, id est Faventias cum Castro Tiberiaco seu CabeUum et
Universum dueatum Ferrariae in integro. Alles andere blieb, wie die Folgezeit
lehrt, im Besitz der Langobarden bis in die Zeiten Hadrians I. £in Widersprach
zwischen diesen Angaben und der £p. Ezplere lingna (Gundlach Nr. 11) ezi-
Btirt nicht. Dort werden nur die Hauptstädte aufgezählt und die Pertinenxen
nur im Allgemeinen erwähnt; das castrum Tiberiacum aber war offenbar Perti-
nenz von Faenza, wie Qabeilo am Po eine solche von Ferrara.
2) £p. Stephans III. Dum omnium (Gundlach Nr. 45). Das Schreiben
Stephans II. an Karl und Karlmann ist uns, wie so manches andere, nicht er-
halten.
8) So vermuthet Gregorovius Geschichte der Stadt Rom II (4. Aufl.) 297.
4) Ep. Cum gravi gemitu (Gundlach Nr. 12) mit fienntzung des Liber
diurnus verfaSt. Der Kern des kurzen Schreibens sind die Worte: q^omam no$
pro eerto agnoseas, excellentissime et a deo protecte noster post deum auxiliaiar
et defensor rex, guod firmi et rdbusii usgue ad animam et sanguinis noski effu-
fumem in ea fide et düectione et caritatis eaneordia atgue pads foedera, quae
praekUus beatissinuu memoriae dominus et germanus meus sanetissimus ponÜfex
voUiscum confirmavit, permanentes et cum nostro pcpulo permofubimus usgue in
finem, — Der Ausdruck pads foedera hat eine ganz bestimmte Bedeutung und
kehrt sowohl in der päpstlichen Correspondenz wie im Liber poutifioalis sehr oft
wieder ; es ist damit das pactum generale von Pavia gemeint. — Daft der Brief
selbst nicht als eine Bitte um Bestätigung der Wahl durch den Oberherm, son-
dern lediglich als eine Notification derselben an den AUiirten aufzufassen ist, da-
rüber sollte heute nicht mehr gestritten werden; es heilt sehr viel spätere Ver-
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinus. 133
That erneuerte Pipin mit dem neaen Papste die intimen Bezie-
hungen, die ihn mit dessen Vorgänger verbunden hatten; als ihm
im Jahre 757 seine Tochter Gisla geboren wurde, bat er sich
Paul I. zum Gevatter. Seitdem tragen alle Briefe des Papstes
an Pipin die Anrede spiritalis compater.
Der nächste Brief Lator praesentium (Gundlach Nr. 14),
in dem Paul seinem Bundesgenossen und Gevatter seinen Dank
abstattet, und den die Herausgeber richtig zum Jahre 768 — er
muß in den Anfang dieses Jahres fallen — angesetzt haben, ent-
hält bereits Mittheilungen über die Beziehungen zu den Lango-
barden. Paul knüpft darin an das Thema an, das in dem letzten
Briefe seines Vorganges eine so große Rolle gespielt hatte, indem
er Pipin an die plenaria iustitia beati Fetri erinnert und ihm auf
dessen Anfrage über die Lage der Dinge Auskunft gibt. Er hatte
bereits durch seine Gesandten bei Pipin auf Ausfuhrung der Ver-
sprechungen Desiders gedrungen, aber er muß melden: nihil nos
uaque hactentis recepisse de his, quae per nostros legcUos excellentiae
vestrae petendo mandavinius. Sollte namque perfidi et tnaligni üli in
magna arrogantia cordis permanentes nequaquam inclinantur iustitiam
beati Fetri restituere. Leider begnügt er sich mit dieser Andeutung,
aus der wir aber schließen dürfen, daß Desider, statt seinen Ver-
pflichtungen nachzukommen, bereits zu weiteren Feindseligkeiten
übergegangen war *).
ich bin, abweichend von Jaff^ und Gundlach, geneigt, in
diese erste Zeit Pauls auch die £p. Properans ad nos (Gund-
lach Nr. 24 zu 758 — 763) zu setzen. Sie bietet zwar bestimmte
Anhaltspunkte nicht. Werden aber in ihr Karl, Karlmann und
Gisla genannt, nicht aber der 759 geborene Pipin, so ergibt sich
daraus, daß der Brief entweder vor dessen Geburt oder nach
dessen Tod (760/61) fallen muß. Die nach 761 geschriebenen Briefe
aber sind fast sämtlich erfüllt von dem Motiv der fides orthadoxa^
von der in diesem leidlich ausführlichen Schreiben mit keinem
Worte die Rede ist. Auch ist zu constatiren, daß der Presbyter
hiliniwe in die älteren römisch-fränkischen Beziehungen hineintragen, wenn man
Ton einer staatsrechtlichen Unterordnung des Papstes unter den fränkischen König
irgend weicher Art schon fQr diese Zeit redet.
1) £r fährt fort; Tamtn omnia, g^aiiUr acta iutU, referenübus vesHs mis-
iii agno9cer€ poiestis. Seinem eignen Gesandten, den er diesen folgen lätt, be-
auftragt er dem König zu melden qucte inaniea provenerint. — Der in diesem
Briefe genannte fränkische Gesandte Vulfhard soll nach allgemeiner Annahme
der gleichnamige Abt Yon 8. Martin zu Tours gewesen sein. Aber sein Prädicat
iniuster spricht dagegen; danach war er Graf.
134 P. Kehr,
Marinas, dem das £mbolam gilt, in welchem der Papst ihm auf
Yerwendang Pipins die Titelkirche San Crisogono verleiht, damals
noch in voller Gnade stand, während er später, nnd zwar vor
764, als Verräther, der mit dem griechischen Botschafter G-eor-
gins conspirirt hatte, entlarvt wurde. Ist dieser Georg als Bot*
schafter im Jahre 758 nachweisbar, so liegt die Annahme nahe,
daß die Verhandlangen des Marinas mit ihm in eben diese Zeit
fallen, woraas sich ergeben würde, daß die Ep. Properans ad nos
vor 768, die Ep. Omnino compertam (Gandlach Nr. 25) nach
758 gehört. Weiter macht der Ton dieses Briefes wahrscheinlich,
daß dieser in die Zeit vor Desiders völligen Abfall zu setzen ist.
Indessen wie schon gesagt, die Farblosigkeit des Briefes macht
einen bestimmten Ansatz ansicher. Er betont lediglich die Pflicht
Pipins, für die perfecta redemptio des Kirchenstaates and der Kirche
^a sorgen, was sowohl aaf die Restitation der plenaria iusiitia
bezogen werden darf, wie aaf die späteren Irrangen über die tu-
stitiae. Von Desiderins selbst ist in dem Briefe nicht direct die
Rede.
Diesem hatte anterdeß der Pontificatswechsel die erwünschte
Gelegenheit gegeben, sich den Verpflichtangen , die er Papst
Stephan H. gegenüber übernommen, za entziehen. Es erging ihm
wie so vielen Prätendenten: was er vor seiner Erhebang gelobt,
konnte er, ohne die vitalsten Interessen seines Volkes and seines
Reiches za verletzen, nicht halten. Die Aasführong des Vertrages
-von 767 wäre ein Verrath an einer rahmvollen Geschichte von
fünfzig Jahren gewesen.
Stephan U. hat sich in Desiderins gründlich getäascht . Denn
dieser letzte Langobardenkönig trat je länger je mehr in die
Sparen König Liatprands. Ihn charakterisirt wie diesen die Ver*
bindang von kriegerischem Untemehmnngsgeist and diplomatischem
Geschick, das Aistalf in sehr geringem Maaße besaß; sein Nach-
folger aber war ein Meister der Verstellung and listiger An-
schläge. Er erkannte sogleich, woraaf es für ihn, nachdem er
seine Stellang im Reiche einigermaßen befestigt hatte, vor allem
ankam : aaf den Besitz der südlichen Herzogthümer , ohne die er
seine Macht auf Tascien und die Po-Ebene beschränkt sah. Weit
entfernt, seinen Verpflichtangen gegen den Nachfolger Stephans II.
nachzakommen , richtete er seine Waffen sogleich gegen Spoleto
and Benevent.
Aber zwischen seinem Reiche and den Herzogthümem lag
trennend der sich quer über die ganze Halbinsel erstreckende
Kirchenstaat; wollte der König die alten Rechte des Reiches in
aber die Chronologie der Briefe Papst PaqIs I. im codex Carolioas. 136
den Herzogthümern geltend machen, so mußte er nothwendig päpst-
liches Gebiet berühren. Schon ans diesen geographischen Ver-
hältnissen ergab sich eine Fülle dauernder Streitigkeiten, da der
König, um seine Absichten zu verwirklichen, einer regelmäßigen
Verbindung des nördlichen Reiches mit seinen südlichen Vassallen-
staaten bedurfte, also wie man heute sagen würde, einer Etappen-
straße.
Ohne Zweifel ging es bei dem Durchmarsche durch das päpst-
liche Gebiet — wir erfahren aus dem Briefe Quotiens perspicua
(Gundlach Nr. 17), daß Desider durch die Pentapolis mar-
schirte^) — nicht ohne Feindseligkeiten und Gewaltthaten ab.
Aber viel empfindlicher für den Papst waren die schnellen Erfolge
des Langobardenkönigs in Spoleto und Benevent; in Spoleto ge-
rieth der Herzog Alboin, an dessen Erhebung das Papstthum be-
sonders betheiligt gewesen, mit seinen Großen in die Hände Desiders
— seitdem verschwindet er aus der Geschichte und das Herzog-
thum ward, wie es scheint, zunächst wieder eine Provinz des
Königreiches — ; auch in Benevent war des Desiderius Triumph
nicht weniger vollständig. Herzog Liutprand entkam zwar, aber
an seine Stelle setzte der König einen ihm ergebenen Herzog ein :
es war sein Eidam Arichis, der Begründer einer neuen beneven-
tanischen Dynastie. Alle diese Ereignisse fallen in das Frühjahr
758«).
1 ) . . quod praefiUua Langabardorum rex Peniapoleimum per eiviiaiea transiens,
gw»8 becUo Pdro pro magna anime veslrae mercede eontulisHs, ferro et igne omnia
sota et universa, quae ad sumptus hominum pertinent, consun^pHt.
2) Die Geschichte des Hercog^ums Spoleto ist gerade in diesen Jahren,
ans denen wir Privatarknnden nicht besitzen, dnnkel (vgl. Jenny 8. 74). Erst
seit Ende 759 oder seit Januar 760 ist Qisalf als Herzog nachweisbar. Oels-
ner 8. 442 gibt allerdings schon April 759 an, aber sein Ansatz beruht auf der
irrigen Liesung Troya's Cod. dipl. Longobardo V 126 Nr. 763: atmo ducatus
domni Oisoiphi glarioei ducis in dei nomine III statt II, wie im Reg. di Farfa
II 62 Nr. 46 steht. Aus demselben Document, wo es heiftt eo tempore, quando
Pieco ocdsue est, indictione XII (=> 759), während dann weiter folgt : Maii mense,
qtU praeteriit, indictione XIII, tempore domni Gisulphi duds (= 760), darf ge-
schlossen werden, daB 769 Qisulf noch nicht Herzog war. DaB er es im Januar
760 aber bereits war, geht ans Reg. di Farfa II 60 Nr. 48 mit anno dueatns
eine in dei nomine II , . menee ianuarü et indictione XIIII (=s 761) herror. Die
erste Urkunde, die ihn erw&hnt, stammt vom April 760 (Reg. di Farik 11 49
Nr. 42). — Es mag hier daran erinnert werden, dai seit April 761 das Urkun-
denwesen ton Spoleto eine prinzipielle Aendenmg erfährt (vgl. Chroust, die
lasgobardischen Königs- und Herzogsurkunden 8. 186 und Jenny S. 74ir.), indem
8on?er&nit&t dee KOnigs schArfer als bisher zum Ausdruck gebracht und die
Gewalt als Amt charakterisirt wird. — Die Epoche des AricUa beitimmt
KfL O«0. 4. W. Naehrkktoa. PUtotof «-^M«- Umm. 18M. R«fl S. 10
136 P. Kdhr,
Hiernach ergibt sich der Ansatz der drei Briefe Pauls, die
von diesen Erfolgen Desiders handeln. Leider ist uns von dem
ersten (Gundlach Nr. 15) nur das Lemma erhalten. Aber sein
Inhalt läßt sich daraas und aas der Erwähnung dieses Schreibens
in der Ep. Qaotiens perspicaa (Gundlach Nr. 17) mit Sicherheit
ermitteln. Li dieser sagt Paul von jenem: nos pridcm per aposio-
licas litteias eximicLctati tuae innotuisse, quae in his partibus a Desi-
derio Langobardorum rege impie pcracta sunt atque cruddiier perpe-
triUa. Nach dem Lemma klagte der Papst, daß Desider mit dem
kaiserlichen Missus Georg ^) einen gemeinsamen Angriff auf Ra-
venna, die Pentapolis und Rom verabredet habe und daß er täglich
den Eörchenstaat plündere. Der zweite Brief Dum tam copiosam
(Gundlach Nr. 16) ist, wie aus dem folgenden Quotiens perspicua
(Gundlach Nr. 17) hervorgeht, ein Scheinbrief , welchen der Papst
unter dem Zwange des Langobardenkönigs schrieb, der als Sieger
und Herr der Ducate von Spoleto und Benevent selbst nach Rom
gekommen war, um sich mit Paul auseinanderzusetzen. Er bot ihm
Imola an, aber unter der Bedingung, daß Paul bei Pipin die
Rückgabe der langobardischen Geiseln und die Bestätigung des
Pactums von 764 (oder 756), also Anerkennung des Desider, er-
wirke; die Abtretung von Bologna, Osimo und Ancona weigerte
er^. Der Papst war genöthigt, diese Forderungen Desiders zu
empfehlen und König Pipin zu bitten, die Geiseln zurückzugeben
und dem Langobarden den Friedensvertrag zu bestätigen. Aber
er eilte sogleich ein neues Schreiben folgen zu lassen, das die
Klagen des ersten, uns verlorenen Briefes wiederholte und von
OeUner S. 444 nach zweiUrkanden beiXroya Ck>d. dipl. Longob. V 282 Nr. 820
(764 Mai) und V 364 Nr. 867 (766 Juni) auf spätestens Mai 768, woraus folgt,
daft der Feldzug Desiders wohl in das Frühjahr 768 zu setzen ist.
1) cum Oeorgio imperiali misso, qui hie Dranciae adfuü ist offenbar ein
MiB?erständnis; nach dem Briefe Quotiens perspicua (Gundlach Nr. 17) ist za
emendiren : gut ad vos F)raneiam directus fuerat. Denu nach Aussage des letz-
teren Briefes befand sich Georg 768 bereits wieder in Neapel. — Das Lemma ist
vielfach irrig auf andere Briefe bezogen worden.
2) Der Brief Dum tam copiosam (Gundlach Nr. 16) enth< gleich im An-
fang eine Wendung, die darauf hindeutet, daß er noch in den ersten Zeiten des
Pontificats Pauls I. geschrieben ist: quoniam respidens respexit iuper humüüaUm
nastram et ad tam precipuum panHficale culmen, non nostris peraeguentüms meritis,
pravexü und eommisaa me apostularis cura provocat. — Diesem Briefe verdanken
wir das für die Geschichte der langobardisch-römischen Beziehungen wichtige DeUil :
(DesideriuB) pollicUua est nöbis restüuere dvüaUm Imuku , ea videiieet roHone,
Ml naOros ad tuam exceUentiam dirigere debeamus missoe, et suoe hoepUes , guoi
(Indem ad vaa habere videhnr, reäpere d^heaJt, ei pacem cum eo amfirmare HndeoHe,
über die Chronologie der Briefe Pepsi Pauls 1. im codex Caroliniu. 137
den weiteren TJnthaten des Desider berichtete, wie er bei dem
Durchzog durch die Pentapolis alles mit Schwert und Feuer ver-
wüstet, wie er den Herzog Alboin von Spoleto gefangen, den
Herzog Liutprand von Benevent verjagt und wie er endlich in
Neapel mit dem griechischen Botschafter Greorg den Plan einer
gemeinsamen Unternehmung auf Ravenna und Otranto verabredet
habe. Hierauf sei der König nach Rom gekommen, aber des
Papstes Forderung auf Herausgabe der versprochenen Städte
Imola, Bologna, Osimo und Ancona habe er abgewiesen und statt
dessen als Friedensbedingung Rückgabe der nach Frankreich ge-
führten Greisein verlangt. Er beschwört nun Pipin zu helfen und
die perfecta liberatio der Kirche durchzuführen, keinesfalls aber
den Forderungen des Desider nachzugeben, vielmehr diesen zu zwin-
gen, daft er die versprochenen Städte restituire.
Diese Briefe bezeichnen den Höhepunkt der Krisis. Unver-
einbar standen die Gegensätze einander gegenüber. Der Papst
beharrt auf der Ausführung des Vertrages von 757, Desider ver-
weigert sie. Ueberdies wenn Paul recht berichtet, stand man vor
einer ganz neuen politischen Combination. Die alten Erbfeinde,
Byzantiner und Langobarden, schienen im Begriff sich mit ein-
ander gegen Rom und damit gegen die Franken zu verbinden und
die Grundlage zu erschüttern, auf der das politische System Pipins
in Italien beruhte.
Die Ueberlieferung weist gerade an dieser für die Beziehungen
von Rom und Pavia entscheidenden Stelle eine Lücke auf. Denn
auch unsre Briefe geben uns keine unmittelbare Antwort auf die
Frage, wie die einander widerstrebenden Ansprüche des Papstes und
des Langobardenkönigs ausgeglichen wurden. Aber ich denke,
daß sich dennoch mit voller Sicherheit ermitteln läßt, welche Wen-
dung der Conflict genonmien , insbesondere welche Stellung König
Pipin zu den Forderungen Pauls I. eingenommen hat. Im Gegen-
satz zu den landläufigen Darstellungen dieser Zeit glaube ich er-
weisen zu können, daß das schließliche Ergebnis ganz anders aus-
fiel, als Paul erwartet hatte, daß Pipin die Hoffnungen und Wünsche,
die der Papst in dem Briefe Quotiens perspicua aussprach, nicht
erfüllt hat. Der fränkische König hat nicht nur entgegen den
Bitten Pauls den Langobardenkönig anerkannt und ihn im Besitz
der südlichen Dncate nicht angefochten, sondern er hat auch auf
die von Paul geforderte Restitution der Städte Imola, Bologna,
Osimo und Ancona verzichtet.
Der erste Satz ist aus der Folge der Ereignisse selbst ohne
Weiteres zu erweisen. Wenn unser Ansatz richtig ist, so erscheint
10*
138 P. Kehr,
Desider schon im Jahre 769 als Bundesgenosse Pipins und Pauls
im Kampfe mit den Griechen. Muß sich doch sogar der Papst
von Pipin die Mahnung gefallen lassen , mit dem Lcuigobarden-
könig Frieden zu halten (Ep. Dum tanto vestrae, Gundlach
Nr. 38). Ausdrücklich ist da von einem vorausgegangenen Friedens-
vertrag die Rede. Als unbestrittenen Oberherrn der Ducate von
Benevent und Spoleto erkennt Paul selbst indirect seinen alten
Feind an, da er den Frankenkonig bittet, Desider zu veranlassen,
die verabredete Hülfe mit den Leuten von Benevent, Spoleto und
Tuscien zu leisten (Ep. Precelsae et a deo I, Gundlach Nr. 30).
Wie schon erwähnt, ist gerade Spoleto durch Desider auf das
Engste an das Reich geknüpft worden; das Gegentheil von dem,
was die päpstliche Politik erstrebte, ist hier eingetreten: der
Herzog weit entfernt ein Bundesgenosse Roms zu sein, ist fortan
der Beamte und das Werkzeug des Königs. Indem auch äusser-
lich diese staatsrechtliche Veränderung im Verhältnis des spole-
tinischen Herzogthums zum Reiche von Pavia in einer überaus
wichtigen Umwandlung des spoletinischen Urkundenwesens zu Tage
tritt % darf wohl angenommen werden , daß sie unter Connivenz
Pipins, des Mediators Italiens, geschah. Erinnern wir uns, daß zur
gleichen Zeit — jedenfalls im Laufe des Jahres 7B9 *) — der lango-
bardische König daran denken konnte , die Herrschaft seiner Dy-
nastie durch die Erhebung seines Sohnes Adelchis zum König und
Mitregenten zu sichern, so dürfen wir hierin ein neues Zeichen
der zunehmenden Festigung in der Stellung Desiders erblicken,
die schwerlich gegen den Willen Pipins sich hätte durchsetzen
lassen. Genug, wir dürfen mit aller Sicherheit behaupten, daß
nicht lange nach dem Jahre 768, in dem die Ansprüche des Papstes
und des Langobardenkönigs auf das Feindseligste aneinander«
stießen, zwischen Pipin und Desider eine Einigung erfolgt ist,
die den letzteren ganz in das fränkische Interesse zog.
Der zweite Satz, daß dagegen Pipin und Paul auf die von
Paul noch im Jahre 768 ungestüm geforderte Restitution der Städte
Imola, Bologna, Ancona, Osimo (und Umana) verzichtet haben,
diese Städte also nach wie vor im Besitze der Langobarden ge-
blieben seien, bedarf einer umständlicheren Beweisführung. Zunächst
darf darauf hingewiesen werden, daß in keinem der späteren Briefe
Paul diese Forderung erneuert; so oft ihm noch Zorn und Galle
die Feder gegen die Langobarden fuhren, niemals kommt er auf
1) S. oben S. 186 Anm. 2.
2) Oelsner 8. 489 ermittelt geoaoer die Zeit Tom 6. bis 20. Äagost 769,
über die Gironologie der Briefe Papst Paale I. im codex Carolinas. 139
die Restitution jener Städte zurück. Es sind fortan ganz andere
Din^^e, um die er mit den Langobarden hadert.
Erst unter Hadrian I. , da die Beziehungen zu den Lango-
barden wieder äusserst feindselige wurden, tauchen auch jene
Stadt« wieder auf. Es war eine der ersten Feindseligkeiten, mit
denen Desider den Kampf gegen Hadrian eröffnete, daß er dem
Kirchenstaat die Stadt Faenza, den Ducat von Ferrara und Co-
niacchio entriss ^). Faenza und Ferrara kennen wir als Restitutionen
des Jahres 757 , Comacchio war der Preis des Friedens von 7B6
gewesen: es waren also die jüngsten Erwerbungen Roms, die der
Langobarde an sich riss. Es lehrt aber ein Blick auf die Karte,
daß eine Wegnahme von Faenza ohne den Besitz von Bologna und
Imola nicht möglich ist; woraus sich ergibt, daß der Biograph
entweder — was ganz unwahrscheinlich ist — die Eroberung von
Bologna und Imola, die doch wichtiger waren als Faenza, mit
Stillschweigen übergeht, oder daß Bologna und Imola gar nicht
zum Kirchenstaat gehörten. Auch als Desider seine Feindselig-
keiten gegen diesen weiter ausdehnte und in die Pentapolis einfiel
— es werden namentlich genannt die Städte Sinigaglia, Jesi,
Montefeltre, Urbino, Gubbio — geschieht jener Städte keine Erwäh-
nung ^. Erst im Jahre 773, als das Reich des Desiderius zusam-
menbrach, werden wenigstens Osimo und Ancona erwähnt; sie ge-
hörten zu den langobardischen Städten und Gebieten, deren sich
Hadrian in der Krisis sogleich bemächtigte und deren Einwohner
S. Peter und dem Papste Treue schwuren und die römische Haar-
tracht annahmen'). Also sind Osimo und Ancona wie Fermo und
Cittä di Castello bis dahin langobardisch gewesen.
Von Bologna und Imola schweigt das Papstbuch. Aber um
so ausführlicher handelt Hadrian I. selbst von ihnen in drei oft
erörterten Briefen aus den Jahren 774 und 775 , deren Interpre-
1) y. Hadriani I c. VI (Duchesne Lib. pontif. I 488): . . ^od tarn fatus
Denderius abstulisset eiviiatem FavmUnam et dueaium Ferrariae seu Comiaodum de
cxareAoto Bavennate, quae aanctae memoriae Pipinus rex et eiu$ filii CaruJtu ei
Carulomannus tPCcelleitHtsimi reges IVancarum et pcUricii Bomanorum beato Petro
eameedente$ offeruerunt,
2) V. Hadriaoi I c. XVIÜ (Duchesne 1 491): Desiderius . . occupare fecit
fines civitatum, id est Synogaliensis, Esis, Monteferetre, Orhino, Egubio et cetera-
rum civitatum Roinanorum.
8) V. Uadriani I c. XXXIII (Duchesne I 496): Sed et onmes habitaiores
tarn duaUus Finnani, Auximani et Anconitani simulque et de casteÜo Feiicitatis
. . eius se ier beatitudini trttdiderunt praettitoque sacramenio in fide et servitio
beati Petri atque eius vicarii antefati almifici Adriani papae successorumque eius
pmtificum fidMer permansuroe, mare Bomanorum timsoraii sunt*
140 P- Kehr,
tation wir hier wieder aufhehmen mässen, einmal weil ihre bishe«
rige Deutung eine irrige war, vor allem aber weil sie das Dunkel
erhellen, das über der Greschichte dieser Städte während des Pon-
tificates Pauls I. ruht.
Nachdem in den letzten Jahren Desiders ein großer Theil des
Exarchats und fast die ganze Pentapolis in die Hände der Lan-
gobarden gefallen waren, versuchte Hadrian sogleich nach der Ea-
tastrophe des Reiches ihre Recuperation. Aber hierbei stieß er
nun auf einen neuen Widersacher, den Erzbischof Leo von Savenna.
Der hatte, nachdem er vielleicht schon vorher sich mit Karl dem
Großen in Verbindung gesetzt hatte *), die allgemeine Verwirrung
benutzt und sich in den Besitz des Exarchats von Ravenna ge-
setzt. Auf das Aeusserste erzürnt ruft Hadrian in dem Briefe
Pervenit ad nos (Grundlach Nr. 49) die Intervention Karls an:
ein Rebell gegen S. Peter und Papst sei der Erzbischof; Faenza,
Forlimpopoli , Forli, Cesena, Bobbio, Comacchio, den Ducat von
Ferrara, Imola und Bologna habe er in Besitz genommen mit der
Behauptung, diese Städte seien ihm samt der ganzen Pentapolis
von König Karl geschenkt. Hinsichtlich der Pentapolis sei freilich
sein Anschlag an der Treue der Einwohner gescheitert, in jenen
Städten der Emilia aber habe er die päpstlichen Beamten verjagt
und seine eigenen Beamten eingesetzt*). Ganz so schlimm war es
1) Von der Urkunde von 773 April 28 bei Odorici im Archivio Storico lU-
liano (1855) II 28, danach bei Troya Cod. dipl. Longob. V 688 Nr. 977 mit dem
Anfang: Dum in dei nomine ego MarHnus Cremonensi^ sande eatholiee eecUsie
Eavennate divina ffratia diaeon%$8 iussu sancHssimi in Christo paire Leone ar^
ehiepiscopo RavenntxU difficile et longum iter suscepessem et ad fines Drancorum
fuemus regemque eorum Charolum regem gloriosissimum adlocussem et in regresw
meo Cremona pairia mea (idvenessem . . trage ich Bedenken Gebrauch zu machen ;
abgesehen von der Sache selbst (vgl. Troya's Erörterungen) erscheint mir beson-
ders die Datirnng der Urkunde die Mercurii XXVIII mens. April indictume XI
sehr merkwürdig und bedenklich.
2) JSt in sua poUstaie diversas civitates Emüicie detinere videtur, sdlicei
laventitu, ForumpopuH, Forolivi^ Cesinas, Bchio, Comiaclum, ducaium Ferrariae
seu Imulas atque Bononias, asserens, quod a vestra excellentia ipse civitates una
cum universo Peniapöli iUi fuissent concessae, et continuo direxit TheophyUuium
missum suum per universam Peniapolim, hod ipsud denuntians, eupiens eosdem
Pentapolenses a nostro servitio separare . . Nam praenominatas eivitaieSf ut
dictum est, Emiliae ipsae nepharius archiepiseopus in sua potestaie deUnens, 04-
dem (tctores, quoa voiuit, consHtuit et nostros, quos ibidem ordinatimus, proieere
Visus est, sed et cundas actiones infra civitatem BavennanHum ipse ordinaviL
Schon hier nehmen Imola und Bologna eine Stellang für sich ein. In der £p.
Dum tanta (Gundlach Nr.64) und in der £p. Dum in tanta (Gundlach Nr.66)
fügt Hadrian noch Gabello hinsu, in der letzteren auch noch TribuDatom dedmiim.
Aber die Cbronologie der Briefe Papst Pauls I. im codex Carolinas. 141
nnn doch nicht, wie Hadrian selbst am Schlüsse seines Briefes za-
gesteht. Was Leo eigentlich wollte, sagt er hier: der Erzbischof
gebe als Verwand an, daß ihm der Exarchat in derselben Macht
fibertragen werden solle wie ihn sein Vorgänger Sergius besessen
habe ^). Darüber wissen wir freilich nichts Sicheres , aber eine
Vermathong läßt sich wohl aussprechen und, wie ich denke, auch
rechtfertigen. Bei Agnellos hat sich eine Erinnerung sowohl an
den Conilict des Erzbischofs Sergius mit Papst Stephan 11. wie
an des Sergius Versöhnung mit Stephans Nachfolger Paul I. er-
halten *). Und in der That scheint dieser mit dem ravennatischen
Nebenbuhler die freundlichsten politischen Beziehungen unterhalten
zu haben. Er schreibt im Jahre 768 an König Pipin, daß er für
des Sergius Wiederherstellung unablässig thätig sei'); ein Jahr
darauf restituirt er der Kirche von Ravenna das von Stephan 11.
dem Bischof von Forlimpopoli geschenkte Kloster S. Illari^); um-
gekehrt empfangt er in den Wirren mit Byzanz von Sergins
Kunde über den drohenden Einfall der Griechen in den Exar-
chat^). Auf diesem Einverständnis der beiden Kirchenhäupter
mag die Stellung des Sergius im Exarchat beruhen, von der auch
Agnellus weiß: Igüur itidicavit isfe a finibus Persiceti toium Pento-
polim et usque ad Tusciam et usque ad mensatn (?) Walani, veluti
exarchus, sie omnia äisponebaty ut solüi sunt modo Bomani faeere%
Damals, unter Paul I., mag dem Erzbischof eine Art von Terri-
torialherrschaft über den von Rom entfernten und schwer zu ver-
1) Eienim illud, quod aniefatua nefandissimus archiepiseopus asserü prcpO'
nens ooctuionem, in ea potestate sibi exarehatum Bavennantium , quam SergiuB
archiepisc(>pus habuit^ trihui . . Diese Stelle ist der Schlüssel zum Verständnis
des Cooflictes zwischen Leo und Hadrian.
2) Agnellos c 157 (Mon. Germ. Scr. rer. Langob. p. 879). Ich bin selbst-
▼erst&ndlich weit entfernt, von der verworrenen Erzählung des Agnellus weiteren
Gebrauch zu machen.
8) £p. Lator praesentium (Gundlach Nr. 14).
4) Jaff^-£. Reg. Nr. 2342 von 769 Februar 5.
6) Ep. Praecelse et a deo II (Gundlach Nr. 31).
6) Agnellus c. 159 (Scr. rer. Langob. p.880). Persiceto erklärte Wsitz für
S. GioTanni in Persiceto und mensa Walani für Volano. Beiläufig bemerkt, über-
treibt Agnellus; S. Giovanni in Persiceto und das ganze Gebiet bis zum Santerno
ist zu jenen Zielten noch langobardisch. Ihm schweben dabei die späteren Ver-
hältnisse vor Augen, als das Territorium von Ravenna vom Reno bis zu Porto
Volano reichte , wie Otto III. in der Urkunde von 999 (Mon. Germ. Dipl. II 852
Nr. 418) sagt, da er der Kirche von Ravenna bestätigt amnem legüimam poUtta-
iem et dUtridiimem a mari Adnatico usque ad Alpes et a fiumine Bheno ueq^e
ad loliam. Noch Jahrhunderte hindurch sind dies die Grenzen der Grafschaft
Romaniola geblieben (vgl. Böbmer-Ficker Reg. Nr. 1473),
1
142 P- Kehr,
waltenden Exarchat etwa als Statthalter des Papstes (wie der
Exarch der Statthalter des Kaisers war) übertragen worden sein.
An eine usorpatorische Gewalt des Sergius wird man schon daram
nicht denken können, weil in keinem der zahlreichen Briefe Pauls I.
auch nur mit einem Worte von einer solchen die Rede ist. Und
schwerlich würde auch Hadrian von der Machtbefugnis des frühe-
ren Erzbischofs so reden wie er es that, wenn es sich um eine
Usurpation des Sergius gehandelt hätte; er sagt einfach: in ea
potestatej quam Sergius archiepisccpus habuü.
Die hier vorgetragene Vermuthung gewinnt an Wahrschein-
lichkeit, sobald man sich Hadrians Erörterungen genauer ansieht.
Er will von jener Forderung des Leo schlechterdings nichts wissen ;
er fordert vielmehr die volle Gewalt im Exarchat und die direete
Verwaltung für sich, so wie es zu Zeiten Stephans 11. gewesen
sei. Sowohl in dem vorliegenden Briefe wie in der späteren £p.
Dum tanta (Gundlach Nr. 64) beruft er sich immer nur auf
diesen; sein ceterum censeo ist: ti^ a nobis cunctum exarchaium dis*
poncUur, sicut stiepe fcUus domnus Siephanus beaiissinms papa . . dispo-
nere visus est. Davon wie es unter dessen Nachfolgern gewesen sei,
sagt er bezeichnender Weise kein Wort; und dies Schweigen ist,
denke ich, beredt genug.
Es handelt sich also nicht, wie man gemeint hat, um einen
Versuch Leos, einen selbständigen Kirchenstaat von Kavenna un-
abhängig von Kom zu schaffen, sondern um die Behauptung der
einst von seinem Vorgänger Sergius ausgeübten , diesem vielleicht
nur ad personam übertragenen Machtbefugnisse. Darum also dreht
sich der Streit, ob die Verhältnisse unter Stephan 11., wie Hadrian
fordert, oder diejenigen unter Paul I. und Sergius, wie Leo von
Bavenna beansprucht, wieder hergestellt werden sollen. Erinnern
wir uns, daß auch in den jungem Jahrhunderten die Erzbischöfe von
Ravenna in den Grafschaften des alten Exarchats eine große Ter-
ritorialgewalt, selbstverständlich unter päpstlicher Hoheit, ausge-
übt haben*), die, wie wir sehen, schon in die Zeiten des 8. Jahr-
hunderts hinaufreicht.
Ebenso wenig ist Hadrians Anschuldigung zutreffend, daß Leo
behaupte, der Exarchat und die Pentapolis seien ihm, dem Erz-
bischof von Ravenna, von Karl dem Großen geschenkt. Still-
1) Vgl. die Urkonden Ottos III. für Ravenna Tom Jahre 999 und 1001 Nr. 880.
841. 418 and Gregors V. Bulle yon 997 (Jaff^-K Reg. Nr. 8878). Die in der
Alteren Poblisistik (Gull Valla, Zacagni) bebandelte Territorialgewalt der £n-
bischöfe von Bavenna verdiente wohl erneute Untersuchong,
fiber die Chronologie der Briefe Papst Fault L im codex Carolinoi. 143
schweigend hat der Papst selbst diese Sache hernach richtig ge*
stellt. Als er in den Briefen Dum tanta (Gundlach Nr. 54) nnd
Dom in tanta (Gundlach Nr. 56) die Klagen über Leo erneuert,
bezeichnet er ausdrücklich nur Imola und Bologna als diejenigen
Städte, von denen Leo behaupte, daß Karl sie ihm und nicht
S. Peter geschenkt habe ^).
Und vollends klar wird es, daß es mit diesen beiden Städten
eine ganz andere Bewandtnis hatte als mit den andern Städten
des Exarchats, wiederum aus Hadrians Erzählung über ihre Besitz-
ergreifung in der Ep. Dum in tanta (Gundlach Nr. 55). Er
habe, so berichtet er dem König, nach Imola und Bologna den
Saccellarius Gregorius gesandt mit dem Auftrage, die Beamten
dieser Städte nach Rom zu bringen und ihrer Bevölkerung den
Eid der Treue für S. Peter, den Papst und den fränkischen König
abzunehmen. Nach Gabello aber habe er als Grafen den Domini-
cus geschickt mit dem Patent seiner Bestallung. Was die andern
Städte der Emilia, Faenza, Ferrara, Comacchio, Forli, Forlim-
popoli, Cesena, Bobbio und Tribunatum decimum, anlange, so wären
deren Bewohner bereit gewesen, von Rom ihre Bestallungen zu
empfangen, seien daran aber, ebenso wie Dominions, von Leo ver-
hindert worden, während die Bewohner der Pentapolis ungehindert
sich von Rom ihre Bestallungen geholt hätten'). Es ist deutlichi
1) Ep. 54: At vero de civiiatibus Imulense seu Bonaniense ita profanizat
dicena, quod vestra excellentia ipsas civitates minime b. Petro et näbis coneessü, sed
9%bi ipse arehitpiseopuß a vobis fuisse ctmcesaaa ae tradUcks asserit sub $ua pote'
State permanendiis. Ep. 65: Imulaa atque Bononias, dicens, quod easdem civi-
tates nuUo modo beato Petro neque nöbie eoncessistis nin tatUummodo eidem
Leom atfhiepiseopo. In beiden Briefen werden diese St&dte fQr sieb und nicbi
etwa im Zasammenbange mit den andern St&dten der Emilia bebandelt, woraus
sich von selbst ergibt, dsB ibre staatsrecbtlicbe Stellung eine verscbiedene war.
2) Ep. 55: Unde dirigentes ibidem (Imola nnd Bologna) noetrum mü-
mm, id eH Oregorium aaceellarium, gut iudiees earundem civiUUum ad nos deferre
ddftret et $aeramenta in fide beati Petri et nostra atque exeülenHae vestrae a cuneio
earum populo suseiperet; sed nequaquam idem archiepiseopus eundem noetrum
saceeUarium illue ire permisü. Nam et Dominicum, quem ncbis in ecdesia beati
Petri tradidistis atque commendastis ^ comitem constituimus in quandam brevissi-
mam eivitatem Oabdlensem, praeceptum eiusdem dviUUis Uli tribuentes; minime
ißum permisit ipsum actum agere, sed dirigens exercUum vinetum cum Bavennam
deduxU et sub custodia habuit Nam et de aliis dvitatibus EmiUae, id est Fß^
vetUias, ducatus Ferrariae, Comiado, Forolivi, Forumpopuli, Cesinas ei Bobio
seu Tr^mnatum decimo, nullum hominem exinde ad nos pro suscipiendis prae-
ceptis aetianum adcenire permisit; nam iUi omnes paraH erani ad nos coniungere»
De rdigms vero dviiaHbus utrarumque Penkipoleos ab Arimino usque Eguvium
omnes more solüo ad nostri advenerunt presenHam ei preeepta acOcnum de ipsis
144 P. Kehr,
daß es sich hier nm ganz verschiedene Dinge handelt, in Bologna
nnd Imola um Besitzergreifung dieser Städte und ünterwerfong
der bis dahin nicht römischen Bevölkerung unter den Papst, mn
eine bestimmte Form der Annexion, wie wir sie auch sonst ken-
nen, in den andern Städten aber um Ausübung der alten Hoheits-
rechte. Ist das Verfahren, wie man sieht, bei Bologna und
Imola das gleiche wie bei Osimo und Ancona, so ist evi-
dent, daß bis zum Jahre 774 diese Städte langobardisch geblieben
waren. Auch Karls und Leos von Ravenna Verhalten wird nun
erklärlich; die bis dahin langobardischen Städte Imola und Bo-
logna konnte der König allerdings dem Erzbischof von Ravenna
übertragen, ohne an dem Papste untreu zu handeln, der sich in
Bezug auf sie nur auf die Promissionen von Kjersy und Rom be-
rufen konnte^). Damit hat sich Hadrian auch zufrieden geben
müssen; erst später sind auch sie, wohl durch einen besondem
Schenkungsact Karls, an Rom gekommen*).
Diese Sachlage erhellt zugleich die politische Situation in
den Jahren 758 und 759. Da jene Städte nach wie vor langobar-
disch blieben, der Anspruch Pauls I. auf sie verstummt, und erst
Hadrian I. den Versuch sich ihrer zu bemächtigen erneuert, so
zwingt sich uns der Schluß auf, daß Paul ebenso auf sie hat ver-
zichten müssen, wie auf seine Ansprüche auf Spoleto und Benevent.
An der Thatsache, daß Pipin, auf den am Ende alles ankam,
statt den Forderungen des Papstes zu willfahren, Desiders im
Gegensatz zu der päpstlichen Politik erlangte Erwerbungen an-
erkannte und den Langobardenkönig in das fränkische Interesse
civit€Uibu8 a nobis suseeperunt et in nostro servUio atque oboedimUa fiddüer cundi
permanent, Ueber den Begriff der praecepta (ictionum 8. Hegel, Qesch. der
St&dteverfassaDg von Italien I 242 und über den comes und die actores ebenda
und die Göttinger Di88. von L. Armbrust, Die territoriale Politik der P&psta
von 50O bis 800 (1885) S. 105, dessen Darstellung auf S. 76 f. ansre Kenntnis
der Dinge nicht gefördert hat. Auch Schnür er S. 87f. bleibt hier ganz an der
Oberfläche.
1) Was Hadrian in der That am Schlüsse seiner Klage in den Epp. 54 and
55 thttt.
2) Sicher nachweisbar sind Imola und Bologna als St&dte des Kirchmistaats
806 (Divisio imperii) und 817 (Ludoviciannm). Wahrscheinlich erfolgte die Schen-
kung dieser St&dte erst 781, und wahrscheinlich auf sie besieht sich der viel erör-
terte SatE in Hadrians £p. Quanto amoris (G und lach Nr. 94): simüi wtodo
ipsum patriciatum beati Pari fautoris vestri (d. i. die Landesherrschaft des Pap*
-stes über den Exarchat) tarn a sanetae recordadoms domni Pippimi magni regit
genitorie veiiri in eeriptis in iniegro eoncesBum et a vdbia ampiiU9 (durch Imola
und Bologna) eanfirmatum inrefragdbüi iure permaneat
über die Chronologie der Briefe Fapat Pauli I. im codex Carolinas. 146
sog, ist also nicht zu zweifeln. Wir dürfen mithin die Lficke in
nnsrer üeberliefemng mit einiger Zuversicht durch die Annahme
einer Einigong erganzen, durch die das pactum generale inter Ho-
manas, Francos et Langobardos erneuert wurde auf dem Status quo
des Jahres 758.
Von diesem sichern Boden aus dürfen wir wohl eine Vermuth-
ung wagen. "Waren es ohne Zweifel ernste Gründe, die den
Frankenkönig veranlaBten, in Desiders Conflict mit dem Papste
auf die Seite der Langobarden zu treten, so liegt es nahe, diese mit
dem drohenden Angriff der Griechen auf Ravenna in Zusammen-
hang zu bringen, von dem in mehreren Briefen die Rede ist. Ich
habe bereits die Gründe erörtert, die darauf hinweisen, daß diese
Briefe Precelsae et a deo servate I und II und Dum tanto vestrae
(Gundlach Nr. 30. 31. 38) wahrscheinlich in den Anfang des
Jahres 759 gehören^). Sie zeigen uns Desider durchaus im eng-
sten Einverständnis mit Pipin und sogar verpflichtet, dem bedroh-
ten Papste im Nothfalle mit seinen Langobarden aus Benevent,
Spoleto und Tuscien zu Hülfe zu kommen; der letztere berichtet
sogar von einem Uebereinkommen zwischen Desider und Paul, in
dem jener der Kirche dilectio und fides gelobt habe*). Zur Er-
ledigung gewisser utilifates der Kirche war zwischen den bisherigen
Gegnern sogar eine Zusammenkunft in Ravenna in Aussicht ge-
1) 8. oben 8. 118 f. 120. — Da Paul die Sendang eines fränkischen Missus
J^ advenienle Martio wiense verlangt, so rofissen diese Briefe gleich im Anfang
des Jahres geichrieben sein.
2) Die Uanptstellen sind: £p. Precelsae et a deo servate I (Gundlach
Nr. 80): confcstim vestrum dignetnini dirigere Desiderio Langobardorum regi mts-
sum, ut, 8% neeessiiaB fuerit, ngnificatum auxilium nobis pro incursione eorundem
inimeorum inpertire debeat, predpiens BenevetUanit atque Spoletinis aeu TuscanU
nMs e vieino eonsisitnHbus , ut ipH notdro oeeurrant aolatio. Ebenso Ep. Prae-
celse et a deo servate II (Q und lach Nr. 81): ut ntmts velocUer dirigere iubeati»
ve$tram praeeepHonem Desiderio regi Langobardorum, ut, s» necesee exigerit, auxi-
lium prestare debeat tarn Ravetmae quamque Fentapoleia maritimis civitatibue ad
dimicandum contra inimicorum inpugnationem. Endlich in Ep. Dum tanto
(Gundlach Nr. 88): Hoc interea vestram meminere votumua excellentiam, nuper
nobis direxisse, qucUenus in pacis dHeetione cum Desiderio Langobardorum regt
eowoersare studiamus, Quod ^idem si ipse exeeUeniissimus vir in vera düectione
et fide, quam vestrae excellenHae et sanetae dei Romane eedesiae spopondit, per-
manserii, uHque et nos in caritate firma et stabili pace cum eo permansuri eri-
wms . . Hoc itaque innoteseimus chrisiianissitne eximietati vestrae, eo quod eon»
vemi inter nos et eundem Langobardorum regem, ut pariter nos in Savennan»
timm urbe praesentare studeamus ad perficiendas quasdam utäitaies spiriiaHs
wuäris vestrae sametae nostrae eeeksiae . .
146 P. Kehr,
nommen, auf der zagleich Maßregeln zur Abwehr der Griechen
erörtert werden sollten.
Von diesen utilitates sandae dei ecdesiae ist, leider nor zn
knrz, die Rede auch in der Ep. Solet epistularis (Gundlach
Nr. 18). Der Papst klagt im Anfang über die große Entfernnng
und über die Seltenheit der Boten, deutet dann seine Wünsche
an, deren Träger Bischof Georg ist (istius a vöbis redempie provin-
tiae utilüatum necessitates). Die Chronologie dieses Briefes, der wohl
zwischen die Ep. Quotiens perspicua und Omnino compertum (Gund-
lach Nr. 17 und 25) fällt, ist ziemlich sicher, da im Embolom
die Geburt des Prinzen Pipin erwähnt wird, die Oelsner nach
den dürftigen Notizen fränkischer Annalisten in den Anfang des
Jahres 759 gesetzt hat.
Der Umschwung der Dinge in den Jahren 758 und 769 kommt,
wie sich versteht, nun auch in der päpstlichen Correspondenz zum
Ausdruck. Es sind nicht mehr Fragen von so weittragender poli-
tischer Bedeutung wie der Streit um Imola und Bologna, um An-
cona und Osimo oder um die Hegemonie in den süditalienischen
Herzogthümern. Dieser Conflict war, wie wir sahen, zu Gunsten
Desiders entschieden. Aber dennoch konnte es trotz solcher prin-
zipiellen Entscheidung an neuen Irrungen nicht fehlen. Insbeson-
dere sind es Patrimonien, die in den jahrzehntelangen Kämpfen der
Kirche entrissen worden waren und die zu reclamiren der Papst
als sorgsamer Landesvater nicht müde wurde. Weiter sind es
Grenzstreitigkeiten, die bei dem geringen Wohlwollen der beiden
Nachbarvölker für einander nicht ausbleiben konnten, die vielleicht
schon in der historischen Entwickelung des Kirchenstaats mit
Nothwendigkeit bedingt waren. Für alle diese Dinge von größerer
oder geringerer Bedeutung taucht jetzt ein neues Schlagwort auf,
der Begriff der iustitiae. Dieses Thema ist es , daß fortan in der
päpstlichen Correspondenz vorwiegt.
Bereits von ihnen handelt der Brief Quia excellentia (Gund-
lach Nr. 19), von dem schon bemerkt worden ist, daß er genau
datirt ist (April 760) ; er gibt zugleich eine authentische Erklärung
des Begriffs der iustitiae: omnia videlicet patrimania, iura etiam et
loca atque ßnes et territoria diversarum dvitatum nostrarum rei pupUce
Romafwrum. Also nicht um Städte selbst, sondern nur um Perti-
nenzen solcher, nicht um neue Städte, sondern nur um Dependenzen
bereits römischer Städte, nicht um neue Abtretungen handelt es
sich hier und in der Folge, sondern lediglich um Grenzregulirungen
und Feststellungen der Pertinenzen. Indem man das Wesen dieser
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls U im codex Carolinas. 147
iusiitiae zumeist verkannte, hat man sich selbst eines wichtigen Hülfs-
miitels, den Zusammenhang der Briefe zu ermitteln, beraubt.
Unser Brief trägt nicht wenig dazu bei, das Dunkel, das über
der politischen Situation Italiens in diesen Jahren liegt, zu er-
heUen. Im Eingang wird Pipin gepriesen als der Grottesstreiter,
durch dessen Kampf die Kirche von ihren Feinden befreit und
der rechte Glaube vor den Nachstellungen der Ungläubigen ge-
rettet sei. Wir wissen bereits, daß sich dieser Passus sicher auf
die Griechen und wahrscheinlich auf die Abwehr der von ihnen
drohenden Gefahr bezieht. Dann aber fährt Paul fort:
IndiccMius siquidem praeceJsae chrisiianitati vestrae, quod nuper, dum
ad no8 coniunxissetU fidelissimi missi vesiri, scüicet deo amabilis
Remedius germanus vester cUque Aucharius gloriosissimus duXf con-
siiiü inter eos et Desiderium Langobardarum regem ^ ut per totum
instantem Aprilem mensem istius tertiae decimae indktionis amnes
iustüias fautoris vestri beati Petri apostolorum principis . . ncbis
plenissifne resiituisset. TJnde eccae ex parte quidem eisdem iustitiis
nobis isdem Langobardorum rex fecisse dinoscitur; et rdiguas omnes
iiistitias se profUetur atque omnino spondet nobis esse facturus,
Desider hatte gebeten, Paul möge über diese Restitutionen an
Pipin berichten, womit jener seinen Botschafter den Presbyter
Petrus beauftragt, nicht ohne die Bitte hinzuzufügen, daß der
König diesen mit günstigem Bescheide de perfecta plenariaque iti-
stitia diversarum causarum fautoris vestri beati Petri apostolorum
principis entlassen möge. Zugleich behält sich der Papst weiteren
Bericht vor. Ich setze diesen Satz hierher, da er noch näherer
Interpretation bedarf:
Si vero in ea, quam prdatus Desiderius rex vd eius Langobardorum
gens profitentes pollicenturj permanserint sponsiotie tiobisque omnia^
secundum ut constitit et pactuum foedera continentur, restituta ab
eis nobis fuerintj tunc a deo conservandae excdlentiae vestrae meri'
tum intimantes innotescimus rei.
Was für eine sponsio und was für Verträge sind gemeint? Die
Wendung ut constitit bezieht sich offenbar auf den zwischen Re-
medius und Autcarius einerseits und Desiderius andererseits ab-
geschlossenen Vertrag, von dem in unserm Briefe selbst zuvor
ausführlich die Rede war. Pactuum foedera aber ist die technische
Bezeichnung für das pactum generale zwischen Römern, Franken
und Langobarden, das im Jahre 764 zu Pavia geschlossen und 766
erneuert worden war: dies war die staatsrechtliche Grundlage,
auf der auch . die römisch - langobardischen Beziehungen beruhten.
Was endlich die sponsio angehti so deutet ihre feierliche Betonung
148 P. Kehr,
auf ein Versprechen hin, das wohl mehr bedeutet als die spansio^
yon der Faul kurz zuvor redet: ei rdiquas omnes iusHtias se pro-
fUetur atqae omnino spondet nobis esse facturus. Die Erwähnung
auch der gens Langobardorum macht wahrscheinlich, daß sie sich
auf den Friedensvertrag bezieht, dessen der Papst auch in dem
Briefe Dum tanto vestrae (Grundlach Nr. 38) gedenkt, wo es
heißt:
Quod quidem si ipse excellenlissimus vir in vera diledione et fide^
quam vestrae cxcellentiae et sanctae dei Romane ecclesiae spopondit,
permanserit . .
Ist diese Yermuthung richtig, so ergibt sich ein neuer Zusammen-
hang zwischen beiden Briefen ; irre ich nicht, so liegen beide nicht
eben weit von einander, indem beide sich auf den wohl nicht lange
zuvor geschlossenen Vertrag beziehen, der Desider gegen das Ver-
sprechen des Friedens, der Hülfe gegen die Griechen und der
Hestitution der Justitien seine Eroberungen und die streitigen
Städte ließ.
Wirklich haben damals ernstliche Verhandlungen der Art
zwischen den Römern und den Langobarden stattgefunden. Ein
glücklicher Zufall hat uns ein Document erhalten, auf dessen
große Bedeutung hier besonders hinzuweisen nach dem Vorgange
Aelterer nicht mehr nöthig ist. Es ist ein Protokoll über eine
im Jahre 760 von einem langobardischen und einem römischen
Commissar vorgenommene Grenzregulirung der Grafschaft Todi,
das Troya nach dem älteren Drucke von Amaduzzi aus dem Re-
gistrum von Todi wiederabgedruckt hat ^). Es gibt uns eine deut-
liche Vorstellung von der Natur dieser Verhandlungen und von
den Objecten, denen Pauls I. Bericht in dem Briefe Quia excellen-
tia gilt.
Trotzdem es sich seit dem Jahre 769 nicht mehr um die in
dem Vertrag von 757 abgetretenen Städte, sondern um geringere
Dinge handelte, durchbrach der alte Haß zwischen Römern und
1) Amaduzd Anecdota litteraria ex MS. codicibas (Romae 1773) I 445 und
Troya Cod. dipl. Longob. V 73 Nr. 741. Datirt ist das Stück tempore sanctiasitni
papae Pauii . . et WMgni rtgis Desiderii Longchardorum anno IUI regni eius, tn-
dieUone XIII; die Urkuadc gehört also in die Zeit vom März— September 760.
Was die Qrenzregalirung angebt, so gibt sogleich der Anfang der Urkunde da*
rüber Auskunft : quaüUr definierufU inier comitiUum Tuderiinum atgue Spckianum
9%ve Bevanatum neenon et Äsiiinatum et Penuinum. Die angegebene Grenze
l&nft, soweit sie heute nachweisbar ist, auf der Wasserscheide zwischen Tevcre
und Glitono über den Monte Martano, so daft Todi und Perugia dem römischen
Staat, Spoleto, Bevagna und Assiasi dem Langobardenreich zugcbörten.
aber die Chronologie der Briefe Papst PaaU^I. im codex Carolinus. 149
Langobarden immer wieder die Verträge und Conventionen. Aas
der vollständigen Restitution der Justitien wurde am Ende nichts ;
die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn wurden wieder
gespannter und bedrohlicher. Wohl in dieser Situation ist der
Brief Ad referendas (Gundlach Nr. 22) geschrieben. Die frän-
kischen Gesandten Wilchar, Dodo und Wichad bringen dem Papste
die erwünschte Botschaft, daß der König unentwegt an seinem
Stephan U. gegebenen Versprechen festhalten werde. Diese Bot-
schaft ist dem Papste offenbar um so willkommener, je übler ihm
seine augenblickliche Lage erscheint; er klagt mit beweglichen
Worten:
Sed, bone, potentissime regum^ ecce nunc oportuniias^ ecce necessi-
tatis dies cogunt et tempus iugruentis meriti exigit, ut sancta^ dei
eeclesiae et huic a vobis liberate provintiae sollte subvenire atque
succurrcfe quantotius christianitcis vestra satagat.
Offenbar handelt es sich um neue langobardische Irrungen, nicht
etwa um eine drohende Gefahr von byzantinischer Seite her
— denn es fehlt in diesem Briefe ganz und gar das Motiv der
fides orthodoxa — ; in der That gilt auch das Weitere den Lange«
barden. Pipins Gesandte hatten den Auftrag erhalten festzustellen,
tUrum nobis a parte Langobardorum plenariae [acte fuissent iusti-
tiae an nan. Ipsi omnino cause m&'üum eomperti sunt et callidam
vers*itiam atque solüe falsiloquam prapositionein eorumdem vestrorum
nastrarumque efnulorum agnaverunt . .;
das Ergebnis war also, daß die Restitutionen ins Stocken ge-
rathen waren.
Sie wieder in Gang zu bringen, bedurfte es der unmittelbaren
Litervention Pipins selber. Auf die Bitten des Papstes hin — viel-
leicht haben die zurückkehrenden fränkischen Missi Wilchar, Dodo
und Wichad, die als TJeberbringer der Ep. Ad referendas (Gund-
lach Nr. 22) genannt werden, diese Botschaft dem König ausge-
richtet') — sendet dieser die Aebte Widmar und Gerbert und
den Grafen Hugbald, um mit dem Langobardenkönig über die Ju-
stitien der römischen Kirche zu verhandeln und dem Papste hülf-
reich zur Seite zu stehen *). Diese Gesandten schlössen in Gegenwart
1) Wie so oft, wird auch in diesem Briefe nicht das Thema erschöpft; es
heiAt zum Schlüsse bloB: in eorum pasuimus ore, quae vestr<u exceUcntiae sugge-
rete debtani. Aber es kann aach der betr. Brief verloren sein.
2) £p.a4: luxtaid quod petendo direxiwMa — preUUos adnosvesirosvidemini
dkexisee tmssos, qui apud Langobardorum inminerent regem pro divereie sanetae
dei eedesiae eautie ac iuHiÜii et m nosiro aeeisterent eolaeio. In der £p. A deo
instiiute (Qondlach Nr. 90) ist ?on einer Ähnlichen Bitte Pauls die Bede:
160 P. Kehr,
Pauls mit den Vertretern der Langobarden und den Vertretern
der Pentapolenser und anderer römischer Städte einen Vergleich
über die streitigen Justitien; wir erfahren auch, worum es sich
handelte: man hatte sich gegenseitig Vieh geraubt^). Ernsthafter
waren die Di£Ferenzen über die Grenzen der römischen Stadt-
gebiete und über die von den Langobarden zurückbehaltenen Pa-
trimonien; nach des Papstes Bericht war bisher nicht nur nichts
restituirt worden, sondern selbst was die Langobarden bereits
früher, nämlich, wie wir bereits wissen, im Jahr 760, restituirt
hatten, war wieder von ihnen occupirt worden. Jetzt kam man über-
ein, daß Gesandte des Papstes und der römischen Städte zugleich
mit den fränkischen Botschaftern sich zu König Desider begeben
sollten, um in dessen Gegenwart darüber zu verhandeln und die
Restitution iuxta pacii seriein zu erwirken ^). In dem mißtrauischen
Gemüthe des Papstes waren freilich noch allerlei Zweifel mächtig;
er traute der Sache keineswegs; wieder und wieder dringt er in
Pipin: wenn die Langobarden nicht endlich genöthigt würden,
die in Besitz genommenen Grenzen und Patrimonien zurückzugeben,
80 sei zu fürchten, daß sie auch das, was sie bereits zurückgegeben
hätten, wieder in Besitz nehmen würden').
Dies ist der Inhalt der Ep. Dum tam maxima (Gundlach
Nr. 34), die die jüngsten Herausgeber in die Jahre 761 — ^766 ge-
setzt haben. Sicher ist, daß dieser Brief nach der £p. Quia ex-
cellentia (Gundlach Nr. 19) vom Aprü 760 fallen muß. Es ist
Pipin möge drei Gesandte schicken qui in nostro inveniantur esse auxüio; einer
Yon diesen solle nach Pavia gehen, um mit Desider zu verbandeln, die beiden
andern sollen nach Rom kommen. Aber die Situation ist, wenn auch eine ähn-
liche, doch eine andere.
1) Prelati denique missi vestri in nostri presentia cum Langobardorum mis-
sis nee non et Peniapoiensium ac singularum nostrarum dvitaJtum hominibus ad-
sittentes canpröbaüo coram eis facta est de habitis inter utrasque partes aliquilms
iustitüs, videlicet de peculiis inter partes restitutis,
2) Natn de finiÖM civitatum nostrarum et patrimoniis beati Petri ab eisdtm
Langobardis retentis cUque invasis nihil usque hactenus recepimus; etiam ea, quae
primitus reddiderant, denuo invaserunt. ünde amstitit, ut nostri ac singularum
nostrarum civitatum missi ad Desiderium Langobardorum regem cum vestris pro-
gredi debeant missis, ut in eorum atque praedicti regis praesentia pro eisdem fini-
bus ac patrimoniis eomprobatio fiat ndbisque omnia iuxta pacti seriem restituantur.
Et nesdmus, quid ex hoc proveniendum sit.
S) Nam pro certo agnoscat exceüentissima ehristianüas vestra, quia, si nobis
pradati civitatum nostrarum ab eisdem Langobardis invasi fines atque patrimonia
reddäa non fuerint, etiam ea, quae primitus reddiderunt, inoadere insidiabunL
Der leutere Satx schränkt also die vorausgegangene Behauptung des Papstes
(s. vorige Note) wieder ein.
über die Chronologie der Briefe Papst Paals I. im codex Carolinas. 161
in beiden von denselben Dingen die Rede; in diesem von patrimo-
nia , iura diam et loca alque fiiies et territoria diversarum civilatum
nostrcurum rei puplice Rotnanarumf von denen Desider auch sogleich
einen Theil restitoirte, in jenem kürzer von fines civUatum nos»
iroi-um atque pcUrimoniay von denen einige als bereits restitnirt
bezeichnet werden , während über die anderen eine neue Einigung
erstrebt wird. Zu diesem Briefe, der seinerseits wieder durch
zwei Briefe Pipins veranlaßt war, von denen der erste sich zu-
gleich als Antwort Pipins auf den Brief Dum illa quae (Gund-
lacb Nr. 32), den wir in das Jahr 760 gesetzt haben, charak-
terisirt, gehört zugleich die Ep. Quanto decoris (Grundlach
Nr. 36), die an Karl und Earlmann gerichtet den Prinzen für
ihre durch den Primus defensor Petrus überbrachte Antwort auf
sein Dankschreiben Olim omnipotens (Grundlach Nr. 33) dankt.
Auch in diesem unsrer Schätzung nach in das Jahr 761 gehörenden
Schreiben spricht Paul von den Justitien; wie er den Prinzen
für ihr Versprechen dankt, für die Erhöhung der heiligen Kirche
und die Vertheidigung des rechten Glaubens zu kämpfen, so bittet
er sie auch, in diesem guten Werke zu verharren, dum vestro
auxilio beatus Petrus receperit iustüias suaa. Es ist deutlich, daß
dieser Brief einer Situation angehört, in der die Restitution der
Justitien den Papst auf das lebhafteste beschäftigte.
Ueber den Vertrag, von dem Paul in der Ep. Dum tam ma-
xima berichtet, ohne schon zu wissen, was daraus werden würde,
gibt uns ausfuhr lieh Auskunft die Ep. A deo iustitute (Gund-
lach Nr. 20), die Jaffa in völliger Verkennung der Situation
zum Jahre 760 eingereiht hat, während Gundlach allerdings
Zweifel über Jaffas Ansatz aufgestiegen sind, die aber nicht
stark genug waren, um ihn zu einer Revision der Chronologie
dieser Briefe zu veranlassen^).
Nachdem der Papst im Anfang über die ihm gemeldete Ab-
reise einer großen byzantinischen Mission von Constantinopel be-
richtet hat (vgl. oben S. 126), meldet er das Ergebnis der mit
König Desider gepflogenen Verhandlungen. In Gegenwart der
fränkischen Gesandten — nach der Ep. Dum tam maiima (Gund-
lach Nr. 34) waren es Widmar, Gerbert und Hugbald — war
man mit Desider übereingekommen, daß nun endlich die Restitu-
tionen erfolgen sollten, und zwar, da es sich nicht nur um An-
sprüche der Römer, sondern auch um Ansprüche der Langobarden
1) £r tAgl in der Note la diesem Briefe p. 621 Nr. 1: „Longe aliud pac-
lom Tidetar esse ntqae illad quod in ep. 19 (lupra p. 619. 620) conuneBiomlar*.
Ifl. Om. 4. Wi«. NMkHtklMU FUl«l«f .-Uit«. Smm. I8M. lUAt. 11
152 P- Kehr,
handelte y sollten die Langobarden zunächst alle römischen Justi-
tien restitoiren, worauf dann die KÖmer den Langobarden die
diesen zukommenden Justitien leisten sollten ^). Nun aber
klagt der Papst, daß es bei der Ausführung dieser Convention
zu neuen Lrrungen gekommen sei. Desider fand einen andern
Modus vortheilhafter ; er wollte im Einzelnen, Stadt für Stadt,
die streitigen Ansprüche erledigt wissen, so nämlich daß zuerst
er die schuldige Genugthuung für eine Stadt leiste, dann aber der
Papst, und so fort, Stadt für Stadt *). Der Papst fürchtete oflFen-
bar dabei zu kurz zu kommen und brach, wie es scheint, die Ver-
handlungen ab, worauf dann Desider zu neuen Belästigungen des
Kirchenstaates und zu neuen Beleidigungen des Papstes schritt.
Er machte mehrere Beutezüge ins Römische und verübte dort „un-
erhörte TJebelthaten**. Den guten Papst kränkte er direct durch
einen groben Drohbrief, den dieser nicht versäumt, seinem Schreiben
an Pipin beizulegen. Aber wie immer ist der Frankenkönig Pauls
Hoffnung. Er möge doch geeignete Gesandte schicken, von denen
einer nach Pavia gehen sollte, um mit Desider zu verhandeln, die
beiden andern aber nach Rom kommen sollten, um dem Papste
zur Seite zu stehen.
Die Situation also verschärfte sich. Auch der Ton der Briefe
wird lebhafter; es ist wieder, wie einst zu des Aistulf Zeiten die
Rede von der ferocitas^ arrogantia, malitia und superhia des Lango-
bardenkönigs.
In diese Situation paßt, wie ich denke, die Ep. Eximiae et a
deo protecte (Gundlich Nr. 29) von Anfang 764, die wenigstens
mit einigen Worten das Verhältnis zu den Langobarden streift.
Wohl meldet Paul auf Pipins Anfrage, daß es der Kirche, ihm,
dem Papste, und dem römischen Volke wohl ergehe '). Aber die
Spannung mit den Langobarden ist doch deutlich. Es ist die
Rede von Gerüchten, die böswillige und verlogene Menschen in
1) Itaque et hoc fdeoj coMervande eximietoH vesirae innoUseimus: quod,
quemadmodum in praeserUia missuum vestrorum constiHt cum Desiderio Lango-
hardcfum rege, ut nastraa Bomanorum iustüias ex amnibua Langobardcrum dvi-
iaülms plemu$ primUus recipissemue et ita pastmodum ad vicem ex omnibu9
no8tri$ dvUaiibuB in inUgro Langobardis feciesemus iustitiaa,
2) Ipse vero . . ntquaquam notfis primiius, ut amHitit, plenariaa de mnmbus
suis cifntatibua facere voluit, qu<u exquirimus, itistitias et ita demum suas in tn-
iegro ex omnüms nosUris civitatibus recepisse; sed singiUatim tantummodo de una
civitate facere et de aiia redpere maiuii, volens pro hoc dilationem inferre, ne pars
nostra Bomanorum propriam consequatur iustitiam,
3) Dum omma prospera erga 9anctam dei eodaeaiam aique nostram medio-
crOatem vä nobis commiseo populo existunt
über die Chronologie der Briefe Papst Pauls L im codex Carolinas. 163
Italien ausgesprengt hatten, daß Pipin niclit in der Lage wäre, im
Falle eines Angriffs anf den Papst, diesem za Hülfe za kommen ^).
Endlich vergißt dieser nicht, seinen Bandesgenossen daran zn er-
innern, wie seine Feinde unablässig darauf sinnen, ihm obzu-
siegen^). Nachrichten aus dem Ravennatischen , die ihm zuge-
gangen sind, legt er bei"). Zum Schluß bittet er Pipin auszu-
harren in dem guten Werke, damit die heilige Kirche und ihr
Volk erlange die perfecta liberatio. £s ist zunächst nur eine Ver-
muthung, daß diese Meldungen des Papstes in Zusammenhang
stehen mit den darauf erfolgenden Feindseligkeiten Desiders, von
denen unsere Briefe melden ; sicherer ergibt sich der hier nur ver-
muthete chronologische Zusammenhang aus einer andern Combi-
nation, die hernach erörtert werden wird.
Ein Jahr später klagt der Papst noch beweglicher über die
ihm zugefügten Unbilden. In dem nun folgenden Briefe Cum
maximo (Gundlach Nr. 21) bezieht Paul, wie schon Cenni er-
kannt hat , sich auf den vorausgegangenen Brief A deo iustitute
(Gundlach Nr. 20). Er spricht zunächst seine Freude über
Pipins durch Andreas und ßunderich überbrachte Antwort aus, in
der ihn der König wiederholt seiner Bundestreue versicherte und
das einst Stephan IL gegebene Versprechen erneuerte. Aber zu-
gleich schrieb Pipin, daß Desider behaupte, keinerlei Feindselig-
keit gegen den Kirchenstaat verübt zu haben. Um so energischer
betont nun Paul, wie unwahr diese Behauptung sei, und wieder-
holt seine letzten Meldungen von den Yerwüstungszügen der
Langobarden und dem Drohbriefe Desiders, den er ja im ver-
gangenen Jahre Pipin zugesandt habe^). Dann macht er nähere
Angaben über des Desiderius Feindseligkeiten. Dieser sei nach
der päpstlichen Stadt Sinigaglia gekommen und habe alles außer-
halb derselben mit Feuer und Schwert verwüstet. Beute gemacht
und auch einige Leute getötet^). Ebenso wäre das päpstliche
1) Per ve9tro8 (nostras?) vöbia fuisse nunUatum legcUoa, quod a guibusdam
wuUigtM et mendatium profertntibus in isHs parHbtu devulgatum esset, quia, st
aUqua ndtne neeessilM evenirety nuüum ncbis auxilium prebere valuissetis,
2) £o quod emuli sandae dei eeclesicte et nosUi atque vestrae exaUenHae
die noctuque ncn desinafU pertraetandum , qwüiter nos, sibi deo contrario, praC'
volare ac superare posdnt.
3) Quod ilU a 8uo maiiffno propoeüo et soüta nequitia neguaquam desistnmt.
DaS hinter all diesen Andeutungen die Langobarden stecken, ist sehr wahrscheinlich.
4) . . comminaiionis suae ad noe direxit liUerM, guas neceesüaie eoacti
infra nostroB apoctoiieas litteras hoc preterito anno vestrae exceüentiae diremmus
K) Hienuu ergibt sich indirect, dtl Siaigtclia GrenstUdt war — m war
11 •
154 P. Köhr,
Gebiet im Süden, in der römischen Campagna, verletzt worden;
dort hätten die Langobarden das Castell Valentis überfallen und
wie die Heiden gehaast. Bis heute habe er, der Papst, darüber
noch keine Grenugthuung empfangen. Zu Zeugen der Wahrheit
seiner und der Unwahrheit der Behauptungen des Desider ruft er
die fränkischen Gesandten auf; er habe ja seiner Zeit Pipin
gebeten einen Missus zu senden, in dessen Gegenwart die gegen-
seitigen Ansprüche beglichen werden sollten, damit von römischer
oder langobardischer Seite keinerlei Verzögerung eintrete. In
Gegenwart dieser Gesandten habe er mit den Missi des Desider
eine Beweisaufnahme vorgenommen, bei der die fränkischen Vertre-
ter sich von den Feindseligkeiten und der Verlogenheit der Lango-
barden überzeugt hätten^), eine Andeutung, die aller Wahrschein-
lichkeit nach sich auf die Ep. Dum tam maxima (GundlacJi
Nr. 34) bezieht, in der Paul von der auf seine Veranlassung er-
folgten Sendung fränkischer Commissare berichtet, die mit Desider
über die Justitien verhandeln sollten und in der That mit ihm
eine Vereinbarung über die Entschädigung für geraubtes Vieh zu
Stande brachten, auch den Auftrag bekamen, über die Restitution
der fines et patrinwnia mit Desider zu verhandeln. Wie wir aus
der Ep. A deo institute (Gundlach Nr. 20) bereits vnssen,
scheiterte in der That die damals getroffene Abmachung an dem
üblen Willen des Langobarden.
Der Brief Cum maximo enthält außerdem noch weitere An-
gaben, die eine chronologische Bestimmung ermöglichen. Es ist
bereits auf das hier zuerst auftauchende Motiv
respuentes inimicorum sanctae dei ecciesiae et fidei orthodoxe inpug-
nationum inpias suasiones et inanes proniissiones (vgl. S. 122)
hingewiesen worden, in dem wir eine Anspielung auf Verhand-
lungen zwischen Pipin und Byzanz zu erkennen meinten. Indem
dann gegen den Schluß hin die Rede ist von den päpstlichen Bot-
schaftern Georg und Petrus und weiter von der Angelegenheit
des fränkischen Missus Andreas, ergibt sich ein naher Zusammen-
in der That die sQdlichste Stadt der römischen Pentapolis. Ancona, Osimo und
Umana waren, wie wir sahen, langobardisch geblieben.
l) Et idto excellentiae vestrae direximus, tU restrum annuisseüs dirigere mis*
8um, quatemu eiu8 pretfentia inier partes iustitiae provenissent , ut nan ex hoc
aliqua a noatra vel Langoöardorum parte ad eaedem proveniendum iustüiM dt-
UUio proveniret. Unde pro vtstra ampliseinui saHefcuticne adproboHonem fecitnus
in praesentia praedictorum vestrorum fidelium mieeorum cum iam dicti Langobar*
darum regia miaeis; et aatia facti sunt veatri miaai de tantia ini^iUUibua et cogno*
verunt noatram veritatem et eorum mendadum.
über die Cbronologie der Briefe Pap«t Pauli I. im codex Carolinas. 166
hang unseres Schreibens mit der Ep.Votiva cordis (Gnndlach Nr. 37),
die schon Jaff^ richtig in die Zeit vom Ausgang des Jahres 764
bis zum Ende des Jahres 766 gesetzt hat^).
Danach läßt sich auch unser Brief mit einiger Sicherheit da-
tiren. Die besorgliche Andeutung an die Verhandlungen Pipins
mit Byzanz, von denen bereits ausführlich die Rede gewesen ist,
beweist, daß die Briefe Praemissis nostris (Grundlach Nr. 28)
und Eximiae et a deo protecte (Gundlach Nr. 29), in denen
Paul schreibt, daß noch keine Kunde von den nach Byzanz ge-
sandten Botschaftern eingetroffen sei , unserm Briefe vorausge-
gangen sein müssen. Gehören diese nun in den Winter 763 auf
764, 80 wird unser Brief frühestens in das Jahr 764, wahrschein-
licher aber in das Jahr 766 zu setzen sein. Die ein Jahr zuvor
geschriebene Ep. A deo institute (Gundlach Nr. 20) gehört da-
nach nicht, wie Jaff^ wollte, in das Jahr 760, sondern wahr-
scheinlich in das Jahr 764.
Der letzte der Briefe, der von den langobardischen Irrungen
handelt und der uns von der endlichen Beilegung der jahrelangen
Streitigkeiten über die Justitien berichtet, ist die Ep. Votiva
cordis (Gundlach Nr. 37). In diesem feierlichen Schreiben über-
wiegt die griechische Frage; wir wissen bereits, daß es von den
Verhandlungen Pipins mit Byzanz erfüllt ist und des Papstes
Freude über Pipins Zurückweisung der griechischen Vorschläge
(humanas suasiones et inanes promissiones respuentes) Ausdruck
gibt. Dann ist die Rede von der Angelegenheit der päpstlichen
Botschafter Georg und Petrus und der Sache des Andreas, wobei
direct auf den Brief Cum maximo (Gundlach Nr. 21) Bezug
genommen wird, der danach nicht allzu lange vor diesem Brief
gesehrieben sein kann (nos iavi dudum de hoc vesfrae ohtemperasse
voluntati). Zum Schluß berichtet Paul über seine Verhandlungen
mit Desider, die nun endlich zum glücklichen Abschluß gelangt
sind* Der Langobardenkönig war im vergangenen Herbst (765)
selbst nach Rom gekommen, an den Schwellen der Apostel zu
beten und hatte sich hier mit dem Papst über die gegenseitige
1) Von Einigen ist zur cbronoloi^iscben Bestimmung dieses Briefes und des
Friedensschlusses zwischen Paul und Desiderius, von dem er berichtet, auch die
Urkunde Pauls I. für das von Desider und seiner Gattin Ansa gestiftete SaWa-
torskloster in Brescia von 762 Oct. 26 (Jaff^-E. Reg. Nr. 23&0; Troya Cod. dipl.
Langob. V 244 Nr. 808) verwerthet worden, aber schon Troya hat dagegen Be-
denken erhoben ; charakteristisch ist, daB dieser eben das gleiche Argument gegen
diese Folgerung vorbringt, das Andere (wie Odorici Storie Bresciane 11 296) dafdr
ins Feld geführt haben.
156 P- Kehr,
Restitution der Justitien geeinigt und zwar in der Art, wie Desi-
derius es von Anfang an gefordert hatte : päpstliche and lange-
bardische Commissarien sollten die Justitien leisten per div&^scis
civüateSj also Stadt für Stadt ^). Paul kann bereits hinzufügen,
daß die Ausführung dieser Abmachung in den Gebieten von Be-
nevent und Tuscien bereits vollständig, im Gebiete von Spoleto,
wo die Commissare beider Partheien sich gerade befanden, theil-
weise erfolgt sei, auch die noch fehlenden würden auf alle Weise
vollständig erledigt werden^. Es ist für den Zusammenhang der
Ereignisse von Bedeutung festzustellen, daß der Papst zweimal
ausdrücklich sagt : iustitias . . fecimus et ad vicem nostras reeepimus,
woraus hervorgeht, daß Desider nicht nur seinen Willen in Bezug
auf den Modus der Restitution durchgesetzt hat, sondern daß
sogar die Romer dabei den Anfang machen mußten, so daß jeder
römischen Restitution eine langobardische entsprach. Faßt man
dieses Endergebnis ins Auge, so muß man gestehen, daß die römi-
sche Politik den Langobarden gegenüber am Ende eine vollige
Niederlage erlitten hat.*
Fassen wir die Ergebnisse zusammen, so ergibt sich folgende
ungefähre chronologische Folge der Briefe Pauls I:
1. April 757. Ep. Cum gravi gemitu (Gundlach Nr. 12).
2. Anfang 758. Ep. Lator praesentium (Gundlach Nr. 14).
3. 758. Ep. Properans ad nos (Gundlach Nr. -24).
4. / Ep. dep. (Lemma bei Gundlach Nr. 15).
5. 758. I Ep. Dum tam copiosam (Gundlach Nr. 16).
6. ( Ep. Quotiens perspicua (Gundlach Nr. 17).
7. Anfang 759. Ep. Solet epistularis (Gundlach Nr. 18).
8. 759? Ep. Omnino compertum (Gundlach Nr. 25).
9. p, , _j.Q^ ( Ep. Precelsae et a deo I (Gundlach Nr. 30).
10. ^ ^ 1 Ep. Praecelse et a deo 11 (Gundlach Nr. 31).
11. Ende 759—
Anfang 760. Ep. Dum tanto vestrae (Gundlach Nr. 38).
12. 760? Ep. Si interius mente (Gundlach Nr. 13).
1) Cum eodem quippe rege pro iusUtiis inUr partes perfidendie loquenU am-
stUit, Ml nastris eiuaque missis per diver$<u civitates progredientibue ipae perpelraie
fuissent iustiUae.
2) Et ecce deo propUio de partibue Beneventanis atque Tuseanensüms et
feeimus et ad vicem nostreu reeepimus; nam et de dueatu Spoletino, nostris vel
Langobardorum missis illuc adhue existentes, ex parte itistitias feeimus ac reeepi-
mus; sed et rdiquaSy quae remanserunt^ modis om^^ihus plenissime inter partes
facere Student,
ober die Chronologie der Briefe Papst Paals I. im codex Carolious. 167
13.
April 760.
Ep.
14.
Ep.
15.
760?
Ep.
16.
Ep.
17.
760?
Ep.
18.
Ende 760?
Ep.
19.
761?
Ep.
20.
761?
Ep.
21.
762.
Ep.
22.
23.
763.
Ep.
Ep.
24.
763-764.
Ep.
25.
Anfang 764.
Ep.
26.
Mitte 764.
Ep.
27.
Anfang 766.
Ep.
28.
Ende 765.
Ep.
29.
766.
Ep.
30.
766 767.
Ep.
31.
761 767.
Ep.
32.
761 767.
Ep.
Qnia excellentia (Gandlach Nr. 19).
Dum illa qaae (Gundlach Nr. 32).
Olim omnipotens (Gandlach Nr. 33).
Considerantibas nobis (Gundlach Nr. 39).
Explere verbis (Gnndlach Nr. 43).
Ad referendas (Gandlacb Nr. 22).
Dom tarn maxima (Gnndlach Nr. 34).
Qnanto decoris (Gandlach Nr. 36).
Salttbri Providentia (Gnndlach Nr. 23).
Missam relationem (Gundlach Nr. 26).
Qaotiens fidelium (Gundlach Nr. 27).
Praemissis nostris (Gundlach Nr. 28).
Eximiae et a deo (Gundlach Nr. 29).
A deo institute (Gundlach Nr. 20).
Cum maximo (Gundlach Nr. 21).
Votiva cordis (Gundlach Nr. 37).
Cum regalis (Gundlach Nr. 36).
Dum divina (Gundlach Nr. 42).
Quia Spiritus (Gundlach Nr. 40).
Cum caritatis (Gundlach Nr. 41).
Die Amphiktionie von Kalaurea.
Von
ülrieh Ton Wllamowitz-Hoellendorff.
Vorgelegt in der Sitzung am 20. Jani 1896.
Die schwedischen Ansgrabnngen auf Ealaurea haben so viel
oder so wenig ergeben wie der arg durchwühlte Boden des Po-
seidonheüigtnms noch enthält; ich glaube, die Bescheidenheit der
Herren, die über die Funde berichtet haben ^j, hat ihre Bedeutung
unterschätzt, vielleicht weil sie in üebereinstimmung mit der seit
0. Müller geltenden Meinung die Macht jenes Poseidon über-
schätzten. Mir haben sie Veranlassung gegeben, die Sache einer
erneuten Untersuchung zu unterziehen, und das Ergebnis scheint
mir der Mitteilung wert, gerade weil es nichts Bedeutendes ist.
Das Heiligtum liegt in den Bergen, 170 M. hoch, so daß es
Meer und Land weithin überblickt, und die Stadt oder besser das
Dorf Kalaurea hat nahe dabei gelegen: von einer maritimen Be-
deutung des Ortes oder des Gottes kann hiernach nicht die Rede
sein; natürlich hat es einen, durch Reste von Schiffshäusem noch
kenntlichen, Landungsplatz gegeben. Der Tempel wird von Dörp-
feld in das sechste Jahrhundert gesetzt; man darf das .W(4 als
untere Zeitgrenze nehmen. Er ist also in der ersten Periode er-
richtet, in der die Hellenen überhaupt ihren Göttern steinerne
giebelgekrönte Häuser gebaut haben. Damals hatte der Gott also
Verehrer , die es sich etwas kosten ließen. Auch die Umfassungs-
mauer des heiligen Bezirkes ist nicht älter. Daraus folgt zwar
durchaus nicht, daß der Boden erst damals dem Gotte geheiligt
wäre, aber noch viel weniger ist es erlaubt, die Reste der ge-
schmacklos genug so genannten mykenischen Cultur, die durch
die Ausgrabungen zu Tage getreten sind, als Belegstücke für den
Cult des Gottes in 'praehistorischen Zeiten* zu verwenden. Denn
wenn die gewöhnlichen Tonscherben, Goldplättchen und ein ge-
1) 8. Wide ond L. Kjellberg, Athen. Mitteil. 20, 267^826.
Dia ÄmphikdoDle toa KAlturt«. 159
Bohnittener Stein, der für aegyptisch gilt'), gefanden sind, was
beweist das anders, als daß sich schon zu der Zeit, in der sich die
Hellenen der ganzen Ostkäste nnd noch weiter hin dieser zum
Teil importirten Waare bedienten, anch an dieser Stelle eine
menschliche Ansiedelung befanden hat? Mit dem Gölte, geschweige
dem Poseidoncnlte, hat das alles nichts zn tan, and wenn hier
oder an irgend einem Orte im Bereiche der Caltur, die durch
jene Fondstücke repraesentirt wird, so etwas za Tage tritt, so
lehrt das in Wahrheit geschichtlich gar nichts neues oder merk-
würdiges^. Es ist sehr glaublich, daß schon Jahrhunderte oder
auch Jahrtansende früher Menschen auf Kalaurea gelebt haben,
und wären ein Par steinerne Aexte und Pfeilspitzen gefunden, so
wurde das ebensowenig merkwürdig sein. Da nichts der Art im
Tempelbezirk gefunden ist, so mag dieser erst in der heroischen
Zeit besiedelt sein: aber von Menschen. Den Gott beweist der
menschliche Hausrat nicht, und jene Zeit hat für ihre Götter we-
nig Aufwand getrieben.
Neben dem Tempel sind eine Reihe von andern Gebäuden, ins-
besondere Hallen gefunden ; man hat den Platz, an dem sie stehen,
passend iyog« getauft xmd eines der Gebäude ist mit Wahrschein-
lichkeit für das Rathaus von Kalaurea erklärt, dessen eine In-
schrift Erwähnung tut. Die dem Tempel am nächsten liegende
Halle wird noch in das fünfte Jahrhundert gesetzt; die übrigen
Gebäude mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit in die ältere
hellenistische Zeit, eben die, welcher auch die wenigen Inschriften
des Ortes angehören. Romisches ist fast nichts da; die Yerwü-
1) S. 300; kanm sieht es wie ein Nilpferd aus, aber ich will gern glauben,
dafi es e'ns ist Ob acht aegyptisch oder griechische Imitation, ist für die Ge-
schichte einerlei.
2) Nachgerade gehen die Schlüsse aas den *mykenischen Scherben' denn
doch zu weit, and die Bitte erscheint berechtigt, die Ilias sammt der aaf sie ver*
wandten grammatischen Arbeit nicht gar zu rasch in den Kehricht zu werfen.
In Reicheis ausgezeichnetem Buche über die homerischen Waffen wird S. 46 be-
hauptet, daS meine Beanstandung der salaminischen Heimat des Aias dadurch an-
fechtbargeworden sei, dafi auf Salamis *mykenische' Schachtgräber gefunden sind.
Als ob niemand da gewohnt haben könnte, wenn Aias es nicht getan hat. Wenn
die Gräber Salamis als* Herrensitz' der Ueroenzeit beweisen, so beweisen sie etwas
a priori anzunehmendes. Wie aber die Heroen hiefien, ob sie wirklich Herren
oder Vasallen waren, welche Sprache sie redeten, davon können uns die Gräber
leider nichts sagen. Das Epos könnte das tun, aber es tat es nicht, da Aias aas
bestimmten unanfechtbaren Gründen fernzuhalten ist. Die locale Ueberlieferung
gibt andere Namen: wenn*s deren für die Schachtgräber bedarf, so sei das Ge-
schlecht des Kychreas genannt.
160 U. V. Wilamowitz-Moellendorff,
fitiing durch die kilikischen Seeräuber') hat Epoche gemacht , und
dieser Gott ist in der Archaistenzeit nicht wieder Mode geworden.
Unter den Inschriften ist die rechte obere Ecke einer Stele
von den Herausgebern nicht einmal einer Umschrift gewürdigt
worden y obwohl sie geschichtlich das wichtigste ist was sie ge*
fanden haben, mag sich auch kein Satz herstellen lassen und der
Inhalt unbekannt bleiben, denn sie erwähnt Hieromnemonen und
Amphiktionen. Also im dritten Jahrhundert (dem man den Stein
zuweisen wird) hat eine Amphiktionie bei dem Poseidon von Ka-
laurea bestanden. Offenbar sind für sie gleichzeitig die Hallen
an dem Markte erbaut worden : das ist eine künstliche Nachblute,
die zu der Erneuerung der alten Cultverbände am Panionion,
Triopion, in Hios, zu der neuen Macht der delphisch-aetolischen
Amphiktionie u. dgl. trefflich stimmt. Bekanntlich gab es bisher
nur ein Zeugnis für diese Amphiktionie , bei Strabon 8, 374,
^v d^ xal ifKpixtvovia jcsgl tb Uqöv tovto ixtä ndkamv aX iut€t%ov
tUg d'vöLttg, ^öav dh 'Eg^ihv ^ExidavQog Atyivn ^A^Hrp/at Ugaöulg
NavTiXutg ^OQxofievbg 6 MivvBiog' vneg [ihv ovv NavxXidmv l/^gystoi
0vv€riXow, vn^Q Jlgaöidtov dl jiax€8ai(i6vioi. Darin liegt, dafi
die Amphiktionie einmal in primitiver Form bestanden hat , dann
so , daß zwei Mitglieder durch die größeren Staaten ersetzt wur-
den, in die sie aufgegangen waren, endlich daß sie zu Strabons
Zeit nicht mehr bestand. Eine andere Zeitbestimmung ist nicht
gemacht, und es bleibt ganz ungewiß, ob die angegebene Verän-
derung während des ungestörten Bestehens der Amphiktionie ein-
getreten ist, oder ob etwa Unterbrechungen statt gefunden hat-
ten. Selbst das ist nicht ausdrücklich gesagt, ob (uxsxovfSi t^g &v6iag
die Kalaureaten einschließt oder ausschließt; allein im Ernste
kann niemand glauben, daß die Herren des Tempels von dem
Opfer ausgeschlossen wären. Die Summe der Teilnehmer am
Opfer beläuft sich also auf acht, wenn auch die Bewohner Ka-
laureas keine 'Umwohner' sein können. Nun tritt die Inschrift
hinzu, die uns die Existenz der Amphiktionie in der hellenisti-
1) Plutarch. Pomp. 24.
2) Von der üebenchrift -mvos, Rest eines Eigennamens im Genitiv, dann
'iX6xov (Name), -i xäv v&cov — no]sHdäv(k9 — i>n\kn 9\ töv, -i^ ^u^hg «al rotg
— r£]90fivafM$vo>y -a lic x&g pdcov -tiiiv 'j1iMpniit[vo9i. Der Stein oder die Ab-
schrift moft am Ende der letzten Zeile mindestens einen Buchstaben verloren
haben; die Sylbcn sind correct abgesetzt, andererseits sind die Zeilen durch Linien
eingerahmt, and man hat hellenistische Typen für den Abdruck verwandt Ein
Wort über den Schriftcharakter wäre wirklich angebracht gewesen: das Brach-
stück hat mehr Wert als die Anticaglien, die einer Abbüdang gewürdigt sind«
die Ampbiktlonie fon KalaareA. 161
sehen Zeit zeigt nnd damit die Zeiten fixirt , aaf die Strabon
zielt. Damals komiten freilich Nauplia nnd Prasiai nicht Teil
nehmen, oder genauer, Strabon zielt auf das dritte Jahrhundert,
denn seit Prasiai za den Elentherolakonen gehörte, würde es von
Sparta nicht mehr vertreten worden sein. Es ist dann aber aach
sofort der weitere Schluß zu ziehen, dass der Bund vorher un-
terbrochen gewesen ist, denn abgesehen von dem Schweigen der
reichen Ueberlieferung über die Jahrhunderte B und 4 ') ist in dem
einzigen großen Momente, den Kalaurea erlebt hat, als Demosthe-
nes dort starb, die Existenz einer Amphiktionie , zu der Athen
gehorte, schlechthin* undenkbar. Ein.Document wie der zweite
demosthenische Brief, der die Verbindung Trozens mit Athen und
ebenso die Heiligkeit des Asyles ausfuhrlich behandelt, könnte
daran gar nicht vorbeigehn, wenn Athen ein G-arant dieser Asy-
lie wäre*).
Eben dieser Brief fuhrt Kalaurea als einen Ort des trozeni-
sehen Gebietes an; dasselbe tut Aristoteles, der es in der troze-
nischen Politie behandelt hat, und Pausanias; auch den Strabon
wird man so verstehn. Allein in der Zwischenzeit erscheint in
den Inschriften ") eine souveräne x6hg KalavQBcctäv ; aus dem Rat-
1) DaB der Tloandatv KaXavQfdtrig in Athen Tempel und Schatz als einer
der * andern Götter' besitzt, CIA I 27S, beweist nach keiner Seite.
2) Insbesondere § 18 — 20. Ich gebe alle Hoffnung auf Verständigung in
geschichtlichen Dingen auf, wo ich die Echtheit dieses Briefes verteidigt sehe.
Also Demosthenes soll in der Zeit nach dem harpalischen Processe sich in der
Stadt Trozen nicht sicher genug fühlen und sich deshalb in das Poseidonheiligtum
flüchten; da hofft er auf Sicherheit, wenn auch nicht ganz zuversichtlich, da die
Gegner in der Lage sind, sicli alles erlauben zu können. Aber damals verfolgte
ihn höchstens Athen, und er schreibt an Rat und Volk; in Wahrheit verfolgte
ihn niemand, und kein Staat hätte ihn ausliefern können. Wenn hier die Dumm-
heit des Fälschers nicht klar ist, der die Situation des Octobers 822 anticipirt
und seinen Helden prophezeien läBt, so ist alles möglich. Ich würde freilich
diesen Brief auch ohne das verwerfen, wie ich es mit allen andern tue (fast
immer kommt noch ein bestimmtes Moment hinzu), weil ich das selbst den Athenern
nicht zutraue, sich von einem rechtskräftig verurteilten Manne, der sich der Strafe
durch die Flucht entzogen hatte, Sottisen sagen zu lassen. Aber der sprachlichen
Form nach ist der Brief demosthenisch ; der Verfasser kennt die Aussicht von
dem Poseidontempel (22 vgl. Mitteil. S. 267; die SteUe ist benutzt von Plutarch
Dem. 26,4) und wird ebenso wie der des besten, nun durch den Papyrus so merk-
würdig gewordenen dritten Briefes in den engen demosthenischen Kreisen und in
der Zeit bald nach dem Tode des Helden zu suchen sein. Hier durfte ich den
Brief ohne jedes Bedenken als Zeugen verwenden.
8) Drei Inschriften gibt das Göttinger Corpus der Dialektinschriften 8878
Iris 8880, davon ist 79 insoweit datirt, als der Staat Kalaurea den König Eumenes
ehrt : dabei ist zu bemerken, dai dieser Besitzer von Aigina und als solcher Mit-
162 ü. ▼. WilamowitE-Moellendorff,
hause folgt ein Rat; die Volksversammlung wird selbst erwähnt;
eponym ist der Schatzmeister, was allerdings darauf deutet, daß
der Grott and sein Besitz die Hauptsache für diese Gemeinde \^ar ').
Also zu derselben Zeit, wo die Amphiktionie wieder auflebt, ist
die kleine Insel selbständig geworden; aber sie war so wenig le-
bensfähig wie jener Bund. Man wird beides in Verbindung setzen
dürfen und darin eine der vielen ephemeren Erscheinungen sehen,
die uns namentlich durch die Steine für die ältere hellenistische
Zeit bekannt werden. Eine Laune der Tyche oder eines ihrer
Ritter schafft ein solches neues Grebilde oder galvanisirt die Leiche
eines Gebildes, das längst abgestorben war; aber das Kunstpro-
duct sinkt bald in die Tiefe der Vergessenheit, der es nie zu
entsteigen verdiente. Auch mit Kalaureas Herrlichkeit war es
bald vorbei; es ward wieder ein Dorf von Trozen, und die junge
Dame, der man bis zu ihrer Verheiratung das Priestertum über-
trug, wird schwerlich viel mehr zu tun gehabt haben, als zu der
glied der Amphiktionie war. 78 gibt den Siphniem %at& xä ndxQia Atelie; das
kann die Bestätigung ihrer vorher von Trozen garantirten Atelie sein; der rer-
schoUene Stein gilt für recht alt (4 Jahrh,). 80 ist von den schwedischen Ge-
lehrten mit der umfänglichsten neuen Inschrift zusammengestellt und neu behan-
delt worden. Wir haben es mit der einen Familie zu tun, die den Cnlt des Po-
seidon wesentlich betreibt, mit Geld unterstützt und dafür Statuen erhält und die
Ehrenämter bekleidet: es reicht den Verhältnissen der Zeiten, die Folybios be-
schreibt, entsprechend hin, eine solche reiche Familie für die kleine Insel anzu-
nehmen, die auch die Seele der gesammten Amphiktionie gewesen sein wird. Schulze
hat selbst angemerkt, daB Z. 8 fio^hv incaiiivovg und Z. 16 cI fihv schon von
K. Keil verbessert war; beides ist durch die neue Inschrift bestätigt. Uebrigens
wird der Unsinn der Zeilen 12 — 14 dadurch kein Sinn, daB er immer wieder ab-
gedruckt wird, so wenig wie der Accent sich in ißdofUti ein Recht ersitzen kann.
ro^ dh inijiBXfitäs rohg atged^ivrag xd xe lomä iniiuliiö^ai mg Sxi xagiiextcxa^
%al Sxa %a a ^cia j{» xag 6% il%6vceg na^agäg notsiv iv iniipavscxdxai %ul xic9
iv x&i va&t xäv 'JyaainQdxiog xal intipavo^ mg 3xi xapihxaxa. Das ist kein
Satz und eine Interpunktion vor xäg dh Btxovag macht ihn zu keinem ; ob man di
in xe oder H' d%6vog ändern soll, weiB ich nicht, insbesondere weil ich
den Zusatz h x&i imtpavscxdxm nicht verstehe, auch die Apposition xäv 'Ayag.
ist sehr befremdlich. Alle Verbesserungen, die mir einfallen, sind für eine Ab-
schrift eines Steines unwahrscheinlich; dagegen das Unwort /»tqpayol^ir will ich
lieber schlankweg in «ntipavo^ als in iniyavoihf ändern. Die Inschrift 4 Mitt.
S. 294 stand schon schlechter copirt bei Le Bas 1756, aber doch leserlich. Es
gibt noch andere ebenso gute Möglichkeiten der Ergänzung als die von Wide vor-
geschlagene, also läBt man lieber davon ab; wichtig ist nur, daB die Inschrift
dieselbe Familie wie die andern angeht.
1) Münzen scheint es nicht zu geben, eine Kupfermünze von Trozen mit
XaX neben dem Dreizack geht zwar den Gott, aber nicht die Gemeinde von Ka-
lanrea an.
die Amphiktionie Yon Kalaorea. . 163
Mavi/jyvQi$ des Gottes hinüber zu fahren und das Opfer zu leiten;
zu dem Tage wird auch die schöne Aussicht und das Grrab des
Demosthenes mehr Schaulustige herangezogen haben als die Yer-
ehnufg des altmodischen Meergottes auf dem Berge. Fausanias
hat die Insel so wenig besucht wie Strabon, aber zum Teil die-
selbe antiquarische Gelehrsamkeit aus seinen periegetischen Vor-
lagen abgeschrieben und nur den Tod des Demosthenes seiner
Sinnesart nach in anderer Tonart verherrlicht').
Historische Bedeutung kann nur die alte Amphiktionie bean-
spruchen, fiir die wir nun der Strabonstelle entnehmen wollen,
was sie irgend ergibt, aber nicht mehr. Da steht nichts davon
zu lesen, daß die Verbindung mehr bedeutete als ein gemeinsames
Opfer der sieben oder acht Orte, nichts von einem Seebund. Wenn
Strabon zunächst, wie natürlich, die restaurirte Vereinigung im
Auge hat, so motivirt er das Auftreten von Argos und Sparta
durch die Vertretung von früher autonomen Orten: das ergibt
ein positives Zeugnis. Wenn er Athen einführt, ohne zu berichteui
daß es etwa für Anaphlystos oder Thorikos eingetreten wäre, so
will ich dem allenfalls entnehmen, daß es von vornherein dabei
war, also bereits ganz Attika bedeutete, obwol schon das kein
zwingender Schluß ist; aber daß die ursprüngUehe Vereinigung
nicht mehr Teilnehmer umschlossen hätte, die nur in die neue
nicht eingetreten waren, läßt sich ganz unmöglich behaupten.
Z. B. fehlt zwischen Hermion und Nauplia Asine , das nun freilich
längst zerstört, aber, wie die schöne Burg lehrt, im siebenten
Jahrhundert mindestens nicht unbedeutender als Frasiai gewesen
war. Man vermißt vor allem Korinth und Chalkis; aber sie wa-
ren im dritten Jahrhundert das eine meist, das andere immer ma-
kedonisch, und es ist sehr fraglich, ob Chalkis auch nur das for-
melle Recht zum Beitritt besaß. Man soll sich also hüten, das
Verzeichnis Strabons als das vollständige des alten Bundes zu be-
trachten und aus dem was fehlt Schlüsse zu ziehen. Eines ist
1) Paasan. 2,38; vgl Kalkmann, Pausan. 172; Heberdey, die Reisen des
Paus. 46. Daß ausschlieftlich litterarische Quellen zu Grande liegen, hat Lolling
entdeckt. Eine der gewöhnlichen Flüchtigkeiten in deren Benutaung hat Kalk-
mann richtig aufgezeigt, aber der Schlaft desselben, daft Phüostephanos aofter
der gewöhnlichen geographischen Quelle za Grande läge, scheint mir zu scharf zu
sein. £s ist viel einfacher, sowol fflr Pausanias wie für Strabon einen nusonniren-
den Periplas als Quelle anzusetzen, und diese Handbücher pflegen nie sehr alt
zo sein und deinen namhaften Verfasser zu haben, d. h. man benutzt die 'neusten
Auflagen*. Bei Strabon denkt man natürlich leicht an Artemidor, an den ja viele
auch bei Pausanias denken; ich halte die Sache nicht für ausgemacht
164 U. V. Wilamowits-Moellendorff,
sogar mit Sicherheit zu ergänzen: Trozen war einst dabei, denn
Kalanrea war eben selbst für Strabon nichts als ein trozenisches
Dorf. Trozen beanspracht selbst den Namen IIoCBidmvia^ ver-
ehrt Poseidon als ßaötlsvg, läßt ihn auf einer anderen kleinen
Insel mit der eingeborenen Königstochter den Stadthelden The*
seus zeugen, führt den Dreizack im Wappen und bestellt die Prie-
sterin, offenbar als Braut des Grottes, wie es einst Aithra war^).
Der Grott der auf dem Berge von Kalaurea wohnte war *ihr Gott'
für die Leute nicht sowol von der Insel als von der Küste drü-
ben; er wird ihnen nicht bloß die Wogen geglättet und die Foh-
len hurtig gemacht, sondern in allen Lebenslagen geholfen haben,
wie es sich für einen Gott ziemt, den das Epos, das ihn zum
Herrn des Meeres degradirt, immer noch als älteren Bruder des
Zeus gelten läßt. Es ist begreiflich, daß die Schiffer, die im
südöstlichen Teile des saronischen Meeres verkehrten und den
Berg von Kalaurea im Auge hielten, auch der Macht des Gottes
zu huldigen geneigt waren, der von dort oben sein Reich übersah.
Wenn sie sich also zu dem Feste des Gottes einfanden, so be-
durften sie zwar der Erlaubnis von den Herren der Insel, aber
es ist nicht verwunderlich, daß ihre Gaben willkommen waren
und schließlich ein gemeinsames Opfer durch die ^Umwohner' ein«
gerichtet ward, indem die Gemeinden statt der einzelnen Bürger
eintraten und einen 'Merker' (jiviiiiav) zum Heiligtum sandten.
Wenn dann bei der Feier ein Jahrmarkt gehalten ward, so be-
gannen auch wirtschaftliche Interessen mitzusprechen, und der
Gottesfriede, der für das Fest galt, konnte leicht auch weiter
dazu führen, daß die Teilnehmer an dem Opfer sich gegenseitig
ihre Schiffe und Menschen und Frachten zu respectiren begannen,
Seeraub , Strandrecht und övXäv d. h. Pfändung *) in bestimmten
Gewässern ordneten. Das Heiligtum selbst ward aövlov. Damit
gewann der Gott eine politische Bedeutung, wenn es auch ein
ganz verkehrter Ausdruck ist, die Opfergenossenschaft einen See-
bund zu nennen.
Einige Analogien aus denselben Gewässern erläutern die
Sache am besten« Wer je im saronischen Meere gefahren ist
kennt das t}Qog von Aigina schon wegen der characteristischen
Form, die diese Kuppe nach allen Seiten hin kenntlich macht,
1) In Wahrheit ist das BeU&ger Aithras auf der *Kageliiisel' (Zfpai^) der
aetiologische Ausdruck für den ydiiog der Priesterin mit dem Qotte. Schwerlich
hat sie nrspranglich Erlaubnis gehabt, durch eine menschliche Ehe die mit dem
Gotte XU lösen.
2) Vgl. die kleinere lokrische Bronxe.
die Amphiktionie von Kalaurea. 166
und er wird gehört haben, daß der Gipfel ein weithin ange-
sehenes und sehr zuverlässiges Wetterzeichen ist: damit kennt er
den Zens Panhellenios von Aigina; er weiß sowohl, warum dort
oben der Wolkensammler sitzt, als anch warum alle Hellenen ihn
verehren und warum sie bei einer großen Dürre das Gebet des
Königs von Aigina, des frommen Aiakos, erflehlt haben, der na-
türlich ein Sohn dieses Zeus ist, und dessen Frömmigkeit sich
darin bewährt hat, daß der Vater damals hat regnen lassen').
Der Name und die Sage beweisen an sich einen panhellenischen
Cultns des Gottes von Aigina. Wenn wir von der Opfergemein*
Schaft nichts hören, so weiß jeder, daß die Rivalität zuerst von
Korinth und Athen, dann besonders von diesem zu heftigen Käm-
pfen und endlich zur Zerstörung des Staates Aigina geführt hat,
ond als dieser wieder hergestellt ward, war die Continuität unter-
brochen und die allgemeinen Culturverhältnisse von Hellas ebenso
stark verändert wie die Religion: der Berg blieb wol noch ein
Wetterzeichen, aber der Zeus Panhellenios wohnte nicht mehr auf
bestimmten Bergesgipfeln, sondern im Himmel droben oder im
Herzen drinnen, und über Strandrecht und Pfandrecht entschieden
schriftliche Verträge und vöiioi xoivol r^g *EXiddog, ins gentium.
Es ist zu keiner Erneuerung der panhellenischen Opfer auf dem
Oros gekommen, und wäre es, so würde es keine reale Bedeutung
mehr gehabt haben ; aber zu der Zeit, wo der Begriff des Helle-
nentoms sich verbreitete und Aigina eine Macht war, in den Jahr-
hunderten 7 und 6, kann ein solches Opfer nicht gefehlt haben,
viel bedeutender als das an den Poseidon von Kalaurea, weil nicht
mehr if^ipixtiavsg , sondern üavikXrivBg opferten. Wie jetzt Cap
KolonneSi so war Hovvtov &xqov ^A^vimv zu allen Zeiten den
Schiffern viel wichtiger als Kalaurea, und so wohnt auch da Po-
seidon EovviiQinog, Die städtische Centralisation Athens hat
alle localen Feste schon während des 5. Jahrhunderts degradirt
und nnr durch Pindar erfahren wir , daß doch noch Ausländer zu
dem Herakles von Marathon und dem Götterpare von Eleusis zo-
gen. So ist auch der Poseidon von Sunion zurückgetreten, seit
sein Schatz sogar auf der Burg mit denen der 'andern Götter'
verwaltet ward, und eine Regatta fand wol nur noch im Peiraieus
statt. Aber zufallig hören wir, daß im sechsten Jahrhundert
die Athener selbst ein Festschiff und eine Deputation nach Sunion
schickten: darin liegt, daß damals auch andere kamen, diesem
1) Pindar N. 8, 9, wo die i^^^nop &«aifot ^9^iinti$tu6vtmv zu Aiakos ziehen,
bokr. 9, 14, wo das Itqhv noi^bv tAv *EXX^vmp genannt wird. Die mythographi-
scben Belegstellen sind sehr bekannt
166 U. V. Wilamowiis-Moellendorff,
Poseidon zu huldigen und um den Preis zu concurriren^). Am
Isthmos heißt der Grott Poseidon, wie in Kalaurea; er wohnt
nicht auf einem Berge, sondern hat seinen Bezirk auf der flachen
Landenge; auch da ist ein gemeinsames Fest, dem die Eorinther
als Herren des Bodens versitzen, aber die Athener haben den
Ehrenplatz'), und das Fest ist zu wirklich allgemein hellenischer
Bedeutung gelangt. Definitiv organisirt ward es zwar erst, als
die Korinther ihre Tyrannen losgeworden waren und, um mit den
eben reorganisirten Pythien zu rivalisiren, für den panhellenischen
Adel vornehme Turnspiele einfi|hrten; aber die religiöse und civi-
lisatorische Bedeutung der Isthmien ist viel älter. Sie erniißt
man daraus, daß der Sohn des Gottes, der bei Kalaurea gezeagt
war, am Isthmos einen Frevler zu züchtigen fand, der die für
den Verkehr unentbehrliche Landenge sperrte. Der Gottesfrieden
brachte die Menschen einander nahe, die Religion half den Krieg
aller gegen alle zurückdämmen. Wir reden kaum von einer isth«
mischen Amphiktionie , aber es versteht sich von selbst, daß die
attischen Festgesandten, die zu diesem Poseidon giengen, mehr
bedeuteten als der Merker, der nach Kalaurea zog; haben doch 412
die Korinther an den Isthmien trotz allem Hasse gegen Athen den
Gottesfrieden respectirt.
Es ist nicht wunderbar, wenn wir noch einen vierten Platz
mit ähnlichem gemeinsamen Cultus am saronischen Busen finden,
und in welche Zeit wir von vorn herein geneigt sein werden
diese Amphiktionie zu setzen, wird uns im allgemeinen nicht zwei«
felhaft sein. Genaueres kann höchstens die Keihe der Festgenos-
sen lehren, und in der Tat, so wenig wir über die Geschichte der
Ostküste des Peloponneses wissen, die Selbständigkeit eines Ortes
der Kynuria, der wir Prasiai wol zurechnen dürfen, wird nicht
leicht für das sechste Jahrhundert geglaubt werden können. Nau-
plia konnte einerseits nichts bedeuten, so lange Tiryns mächtig
war, fehlt ja auch im ältesten Epos, ist andererseits so nachhal-
tig zerstört, daß es selbst von Kleomenes nicht wie Tiryns wie-
derhergestellt ward: seine Selbständigkeit führt auch bis ins sie-
bente Jahrhundert hinauf. Aiginas Blüte ist nicht älter als die-
ses; Athen als Vertreter von ganz Attika würde uns in der He*
roenzeit undenkbar sein; bleibt das boeotische Orchomenos, über
das man sich viel verwundert hat; da die graLsche Küste im Be-
sitze von Euboia war*), über das schon gehandelt ist, so sind
1) Herodot 6, 87, der Schats des Poseidon CIA I 196 o. 0.
2) Thokyd. 8, 10. Fiat Thes. 26.
8} Herrn. 21, 106. Nach dem Verloite dos fMiUndischM Oropos haben dk
die Amphiktionie tob Kalaarea. 167
Boioter gar nicht zu erwarten. Daß Orchomenos an das Meer
süeß, hat man hieraus immer entnommen and muß man entneh-
men; das ist wichtig, aber an sich sehr glaublich, denn daß
es nicht bloß in der Heroenzeit, aus der es den zur Zeit weder
ethnographisch noch politisch verwendbaren Beinamen Miv^eiog
behalten hat, sondern noch lange die Hauptmacht im Norden der
Landschaft gewesen ist, als schon die eingewanderten Boianoi^)
bei Koroneia ihr Stammfest hatten und die Ebene von Theben
von dieser Stadt (oder ihrer Vorstadt *7}xo(Hjßai) aus beherrschten,
das ist eine Ansicht, für die so viel spricht, daß ich sie hier
wie immer wol als eine recht wahrscheinliche Möglichkeit ein«
setzen kann. Welchen Küstenplatz Orchomenos besaß, ist ver»
hältnismäßig weniger wichtig, scheint mir aber beantwortet wer-
den zu können. Wir wissen durch Aristoteles, daß Anthedon ein
alter Name von Ealaurea ist; da ist es nicht wunderbar, daß
der gleichnamige Hafenort nördlich vom Euripos herangezogen
ward, einerlei ob wirkliche oder nur Namensverwandtschaft vor-
handen war. Das boeotische Anthedon war so wenig wie das
trozenische selbständig *), es mußte also notwendig die herrschende
Gemeinde eintreten. Mich spricht die Vermutung an, daß sich
so das Auftreten von Orchomenos in der alten Opfergemeinschaft
rechtfertigt. Im dritten Jahrhundert war das anomal, aber man
spielte damals gern mit alten Formen; an Anthedon dachte nie-
mand| das stand nur in den gelehrten Büchern.
Eretrier einen Demos gleichen Namens gehabt, der oft auf ihren Steinen erscheint;
er mag ein locales Substrat erhalten haben, aber man kann nicht wol zwei
ursprünglich gleichnamige Dörfer annehmen, da'A^oMr^ Ton Hanse ansFlniname
ist, wie der Eigenname 'SlQnn6dw^g beweist. Wer dies und das Vorkommen des
Namens in Boeotien und Epiros berücksichtigt, wird den Einsprach E. Meyers
gegen meine Beorteflnng der Qraes nnd der Graed als unberechtigt erkennen.
1) D. L die Leute Ton Boion am Kithairon, wie Kretschmer sprachlich und
geschichtlich gleich sutreiFend deutet. Eben daher, wo die Derer ihre Heimat an*
nahmen, stammen die Boeoter, d. h. die den Dorem verwandten Einwanderer, die
in Yermischong mit der älteren BeTölkerong die boeotische Sprache and Nation
entwickelt haben. Diese Einwanderang su leagnen, gehört su den sachüosen
Sprüngen der modernsten Unkritik, gegen die ich nicht streite.
2) Selbständig erscheint es erst nach Kassandros; schwerlich kann man es
in die Städte «t^i ti^w Ui^mpf einordnen, die 424 mit Eope ein selbständiges Glied
des Bandes bildeten, Thak7d.4, 91, Hermes 8, 440; sa welcher Stadt es als Dorf-
gemeinde gehörte, weü ich nicht su ermitteln. DaS es einst im Gefolge Ton
Chalkis an der Aaswanderang nach dem Westen beteiligt war, seigt sein Gott
Glaukos, der bei der Skylla Ton Rhegion wieder auftaucht, TgL Hemt 21, 110.
Aach der Name und seine Wiederkehr bei Trosen spricht flEkr eine den 'loniem'
ferwandte BoTölkerang. Die Inschriften sind boeotlsch.
Esi. 0«. 4. W. HMkikältm. PUtoltf «-IMw. Klaat. tSSS. H«A 8. 12
168 tJ. y. Wilamowitz-Moellendorff,
Aber hat man die Ampliiktionie nicht auch aus den Biichem
genommen? Ich glaube nicht. Zwar Spuren hatte diese hinter-
lassen, denn ohne den Gottesfrieden des Poseidon würde Kalaorea
nicht den Namen Elgi/fifti geführt haben. Aber der Romanschrei-
ber, bei dem dieser auftritt, leitet ihn von einer Poseidontochter
der Urzeit ab, die nur eine Nymphe ist: die Geschichte beginnt
mit Anthas von Trozen ') , der die Insel Anthedon nennt. Diesen
Namen gibt Aristoteles (natürlich auch aus älterer Aufzeichnung)
auch, und deutet so einen alten Spruch im Gegensatze zu seiner
Beziehung auf die boeotische Stadt: von einer Verbindung der
beiden sagt er nichts'). Ephoros führt einen alten Orakelspmch
an, den ich nicht ganz verstehe, und den er darauf deutet, daß
Poseidon die Insel von Apollon gegen Delphi eingetauscht hätte.
Die Deutung ist unhaltbar; Apollon hat in Trozen, wie die Mün-
zen lehren, den Poseidon von der ersten Stelle zu drängen ver-
sucht, was der dorischen Zuwanderung und der Religion des sech-
sten Jahrhunderts entspricht^); aber das verhilft nicht zu einer
Deutung des Spruches, und die naheliegende Yergleichung der py-
thischen mit der kalaureatischen Amphiktionie wird von Ephoros
1) Plutarch qn. Gr. 19, Stephanus und Harpokration KtxXavqBiM\ der letzte
nennt den Gewährsmann Antikleidcs. Um dcssentwülen möchte ich auf die Ge-
nealogie der £irene nicht viel geben. Es cxistirt auch ein Eponymus Kakavi^og^
Sohn Poseidons (Steph. JTaZcevp.) ; derselbe ist offenbar zu verstehen unter TuCvai^og^
&nb TMvaQOv voü Fi^faiöro^ n^v &d6X(pov, dibg d^ naid6g, hg nXitov avv KaXccv^m
(dafi Kaidßgto geschrieben ist, ändert nichts) t& &deX(p& %al x6nov vfjg IltXonowiicav
nataXaßAv tiva JIoütid&PBg teifbv tdffvöato o naXttttu Taivagov. Auch rB^imbg
Xfofii] Rffßoiag iv i Ugbv Ilo^fstdätvog &nb rBQaiato^ ro^ vtoii roD Ji6g gehurt
dazu. Die unbenannte Mutter hat den jüngeren Sohn von Poseidon geboren, wie
es scheint. Der Autor hat die Priorität von Geraistos im Auge, ich habe ihn
Tergeblich zu ermitteln versucht. Es gibt einen Monat riQaiatiog in Trozen.
2) Plutarch qu. Gr. 19. Athen. I 31c. 'Av^d6v ist die Form in dem Orakel,
'Av^dov£cc bei Aristoteles. Es ist nicht unmöglich, daB auch dieser den Namen
JS^i{vi] hatte. Anthas Ton Trozen ist bekanntlich auch nach Halikamass gebracht
8) Ephoros bei Strabon, der Spruch auch bei Pausanias, vgl. S. 163 Anm. 1.
Er lautet U6v toi JflX6v tt KaXttvQBidv tt vipkug^ai IIvM %* ^ya^iriv nai Ta/vapov
^i(Ui69av. Am ehesten möchte ich darin eine Gleichsetzung des Besitzes beider
Götter finden. Um Trozen hat nach Pausanias Poseidon mit Athena gestritten;
darin möchte ich die Misdeutung eines Gelehrten sehen, der Trozen und Athen
möglichst gleich setzen wollte, etwa des Istros. Dieser Gelehrte hat sich auf alte
Münzen von Trozen berufen, die dem Dreizacke, der wirklich das Wappen von
Trozen war, den Kopf Athenas gesellten; aber anch damit wird er sich geirrt
haben, wenigstens scheint mir Percy Gaidener (Xomism. comment on Pans* 47)
gegen die Ansicht von Imhoof und Head im Unrecht zn sein, die den Kopf Apollon
nennen. Nach dem dritten Jahrhundert hat der (mittelbar benntste) Qewfthrtmaiia
des Pausanias schwerlich gelebt
die Amphiktionie der Kalaorea. 169
nicht gezogen ^). So ist ungleich wahrscheinlicher, daß die Littera-
tnr um 330 die Amphiktionie vergessen hatte, weil sie nicht mehr
existirte, aber die Emenerer derselben ein inschriftliches Yer-
zeicfanis der Teilnehmer im Tempel fanden^, das den par gebil-
deteren, aber schwerlich mit allzn tiefer geschichtlicher Gelehr-
samkeit belasteten Kalanreaten näher lag sIb Ephoros oder Ari-
stoteles.
Eine solche Inschrift etwa des siebenten Jahrhunderts ist
immerhin kein ganz gewöhnliches Stück, und so danken wir ihr
die Kenntnis einer Amphiktionie, die zwar kein sehr bedeutsamer
Zug in dem Bilde der hellenischen Staatengeschichte der alten
Zeit ist, insbesondere jeder politischen Bedeutung entbehrt, aber
gerade für den einen unverächtlichen Wert besitzt, der einiger-
maßen zu ermessen gelernt hat, was wir wissen mochten, was wir
wissen können, und was ein Gemachte antiken oder modernen
Scheinwissens ist, lediglich wert, daß es zu Grunde geht. In die
letzte Classe gehört der Seebund von Kalaurea, der noch in den
neuesten Handbüchern der griechischen Geschichte unter den po-
litischen Bildungen der allerältesten Zeit figurirt *). Wie sich die
Erinnerung an diesen Bund der 'Minyer' aus dem zweiten Jahr-
tausend V. Chr. erhalten haben sollte, wie sich ein solcher Vor-
läufer der Amphiktionien des Mittelalters in der vorhomerischen
Zeit ausnimmt, das hat man sich offenbar nicht gefragt, sondern
1) leb habe nocb kürzlicb (Arist u. Atben. IT 22) ansgesprocben , daB ich
Aber die Amphiktionie gar kein Urteil hätte : das ist durch die Ansgrabnngen an-
ders geworden; daS ich die Notiz Strabons auf Ephoros zarückführte: das ist
falsch, denn zu seiner Zeit gab es die restaurirte Amphiktionie noch nicht und
sein Citat gehurt in die geographische Vorlage Strabons, wie die Parallele des
Pausanias zeigt; daB am letzten Ende eine kalanreatische Inschrift zu Grande läge:
das glaube ich noch.
2) Ich könnte mir z. B. ebe Statue der * Eirene' denken, wie in Olympia
die *Ekecheiria' den Iphitos krönend im Tempel stand, deren Weihinschrift die
Teilnehmer des Friedens aufgezählt hätte, oder besser eine weibliche Statue, eine
•6iffif die man zu Antikleides Zeit Eirene nannte.
3) Busolt P 186. Selbst die Anordnung des Stoffes, so daB die Argonauten-
sage unmittelbar anschlieBt, ist die von 0. Müller gegebene. Nieses längst berich-
tigten und durchsichtigen Interpretationsfehler, durch den er Eratosthenes zu
Strabons Gewährsmann machen wollte, hätte Busolt sich nicht zu eigen machen
sollen. £. Meyer (Gesch. d. Alt. n 199) hat zwar bemerkt, daB das selbstän-
dige Erscheinen von Aigina fOr uralte Zeit undenkbar ist, und daB wir lediglich
Ton einer religiösen Genossenschaft etwas erfahren, aber er redet dann doch von
dem troischen Kriege und läBt eine alte Gauverbindung zu Grunde liegen, d. h.
die Folgerung 0. Müllers bleibt in einem ganz anderen Zusammenhange bestehn,
obwol ihre Grundlage aufgegeben ist
12*
170 tJ. V. Wilaxnowitz-Moellendorff, die Amphiktioaic von Kalaarea.
ist rnhig im Banne von Otfried Müller geblieben^ der die zum
Teil sehr wenig dankbaren Nachfahren viel mehr beherrscht« als
sie sich nnd ihm zugestehen. Liest man bei ihm die Stelle nach|
wo er diese Opfergemeinschaft in einem Atem mit der Argofahrt
nennt ^) , nnd holt man sich den Strabon heran , der das einzige
Fundament aller Schlüsse bilden mußte, so verzeiht man dem ge-
nialen Pfadfinder seine tollkühne Hypothese gern'), aber nur die
Macht seiner Antorität kann erklären, daß sie Glauben fand. Jetzt
haben die Ausgrabungen gelehrt, daß der Tempelbezirk seine Ein*
friedigung und der Gott sein Haus sicher nicht lange vor dem
sechsten Jahrhundert erhalten hat, und statt mit den 'mykeni-
sehen' Scherben die mythische Seeherrschaft der Minyer zu be-
stätigen, werden wir sagen, daß den Bauten des sedisten Jahr«
hunderts die erste, denen des dritten die restaurirte Opfergemein-
schaft ganz genau entspricht. Es ist alles ganz verständlich,
aber nichts ist besonders merkwürdig.
1) OrchomenoB 247, Aeginetika 30; vgl. die Uebenicht bei £. Cnrtias, Herrn.
X 385, der von einer darchaus begründeten Kritik ausgeht, um dann allerdings
auf Abwege zu geraten, vor denen zu warnen nicht mehr nötig ist
2) Erzeugt ist sie wol zuerst darch die Anwendung des diakritischen Zu-
satzes X)QZoi^Bv6g 6 Miv^Hog^ in dem man nicht yeranlafit ist mehr als einen der
Homerismen Strabons zu sehen, und wenn die originale Urkunde so redete, so
war das so lange zutreffend, als Orchomenos nicht 6 Boi^tios (Thuk. 4,76) ge-
worden war.
Denkwürdigkeiten des Freiherrn vom Stein
aus dem Jahre 1812.
Von
Max Lehmann.
Vorgelegt in der Sitzung Tom 4. Joli 1896.
Vor einigen Jahren habe ich gezeigt^), daß die Darstellang,
welche Pertz in seiner Biographie Steins von dem Wiener Con-
g^esse giebty wesentlich, großentheils wörtlich, übereinstimmt mit
einem von Stein geführten Tagebuche. Heute kann ich die Ab-
hängigkeit desselben Autors von einer ähnlichen Vorlage für das
Jahr 1812 nachweisen.
Die Quelle, die er ausschreibt ') und die im Folgenden mitge-
theilt wird, befindet sich in dem Steinschen Familien- Archiv, das
mir von Frau Gräfin Eüelmansegge mit seltener Liberalität zu-
gänglich gemacht ist. Es sind 10 von Stein beschriebene und mit
den Ziffern I — Vll und IX— XI versehene Blätter; dasjenige,
welches die Nummer YIU trug, fehlt und war augenscheinlich
bereits, als Pertz seine Biographie verfaßte, nicht mehr vorhanden.
Die einzelnen Aufzeichnungen sind datiert und zwar nach dem
gregorianischen Kalender. Die erste ist vom 14. Juni 1812, also
bald nach Steins Ankunft in Wilna — 12. Juni") — niederge-
schrieben; die letzte nimmt Bezug auf Ereignisse des Novembers
und Decembers 1812. Man wäre also berechtigt, auch hier von
einem Tagebuche zu reden, wenn nicht die Einzeichnung der Tages-
ereignisse unterbrochen wäre durch ausführliche Charakteristiken
(unter denen die von Kaiser Alexander und seinen beiden Rath-
gebem Romanzoff und Speranskij hervorragen) und durch Rück-
1) Hitt. Ztschr. 60, 885 ff.
2) Zaw«il«B, aber selten (i. B. 8, 80 und 62) mit, in der Regel ohne AnlÜh-
mngneiclien (8, 66 ff.).
8) Stein an Gneiienaii, Wilna 28. Jnni 1812.
172 Max Lehmann,
blicke auf früher Geschehenes. Gegen den Schloß werden die
Mittheilungen knapper, obwohl doch die politische Wirksamkeit
des Autors je länger je mehr wuchs. Ueberhaupt fällt es auf,
daß von dieser, anders als im Tagebuche von 1814, so wenig die
Rede ist. Wahrscheinlich haben wir es mit einer ersten Skizze
zu thun, die dazu bestimmt war, später durch Benutzung der
eigenen Briefe und Denkschriften zu einer historischen Darstellung
erweitert zu werden.
Die successive Niederschrift bringt es mit sich, daß so^w^ohl
Wiederholungen wie Abwandlungen im Urtheil vorkommen. Doch
stand Stein den handelnden Personen so nahe, daß wir von vorn
herein annehmen dürfen, er sei besser unterrichtet gewesen als
irgend ein anderer dieses Kreises, ausgenommen den Zaren selber.
Diese Annahme wird bestätigt durch einen Vergleich seiner An-
gaben mit den seitdem erschlossenen Quellen. Da wo er, wie z. B.
bei der Würdigung der Politik Alexanders imd Napoleons schwankt,
schwankt das Urtheil noch heute. Die Werthschätzung dessen,
was nicht auf eigener Beobachtung beruht, hat er dadurch er-
leichtert, daß er die Personen, denen er es verdankte, durch Bach-
staben andeutete').
T\ Den 14. Juni 1812.
Bald nach der Vermählung Napoleons mit der Erzherzogin ^
legte Napoleon seinen Mioistern die Frage vor, ob es rathsam sei,
die Verbindung mit Kußland beizubehalten oder sie aufzulösen and
diese Macht zu schwächen. Er blieb bei der letzten Meinung
stehen. Er wollte Rußland allen Einfluß in Europa entziehen und
es in eine solche Lage setzen, daß es zum Werkzeug seiner un-
geheuren Plane' diene, die der Kronprinz von Schw[eden] d[em]
!K[aiser] mittheilte '), nämlich : Rußland zu einem gemeinschaftlichen
1) B. = Bentinck, englisdier AdmiraL
d. K. 8. = der Kaiser Belbst.
G. K. = Graf Kotschubey, rassischer Minister.
G. L— in = Graf [viehnehr FOrst] Lapucbin, rassischer Minister.
G. N — de = Graf Nesselrode, rassischer Staats-Secret&r.
E. =: Kaiser Alexander (vgl. onten S. 184).
Ketsch. = Kotschabey.
0. = Prins Georg von Oldenbarg.
2) 1. April 1810.
8) Unterredang des Kronprinzen mit dem rassischen Gesandten Sachtelen
am 9. April 1812; s. dessen Bericht ▼. 10. April im Sbornik 21, 444.
Denkwürdigkeiten des Freiherrn vom Stein aus dem Jahre 1812. 173
Krieg mit ihm gegen die Türken zu zwingen, diese aas Europa
zu verjagen, dann ein Jahr seinen Sitz nach Konstantinopel zu
verlegen, Klein -Asien und Persien zu erobern, in Ispahan alles
zmii Zag nach Ostindien vorzubereiten, dieses denen Engländern
za entreißen und so sie gänzlich zu schwächen, (d. K. s.)
D[er] K[aiser] Al[exander] hatte nach der Schlacht von Fried-
land seine Armeen auf 46 Tausend vermindert gesehen, keine Vor-
räthe an Waffen, an Geschütz, an Pulver*), Er war von dieser
Zeit an bedacht gewesen, seine Streitkräfte zu verstärken, das
bisherige Rekrutirungs-System zu verbessern. Bisher war es ge-
wöhnlich, jährlich eine Rekruten- Aushebung im Frühjahre auszu-
schreiben; das Geschäft ging langsam wegen der großen Entfer-
nungen , die Versammlung der Mannschaft , ihre Ausarbeitung
erfolgte spät, und der Abgang der im Felde stehenden, geschwächten
Armee konnte nur sehr langsam ersetzt werden. Man bildete also
Reserven, um den Abgang der Armeen sogleich zu ersetzen, und
Rekruten-Bepots, wo die Leute ausgearbeitet und an das Soldaten-
leben gewöhnt wurden, zu dessen XJebergang vom Bauernstand
viele junge Leute draufgingen. Große Waffenvorräthe, Geschütz,
Pulver wurden angeschafft, und der Kriegs-Minister Graf Arak-
schejew*) sah seinen Fleiß durch einen großen Erfolg belohnt,
(d. K s.)»)
Rußland schwächte sich durch zwei Kriege, den mit Schweden
und den mit der Türkei ; beide mußten mit baarem Geld zu einer
Zeit geführt werden, wo die Schließung der Häfen, die Stockung
des Handels den Wechselcurs niederdrückten. Die Eroberung von
Finnland verschaffte ihm eine starke Gränze ; der Krieg mit der
Türkei kostete gegen 100 Millionen Rubel Silber, 50000 Mann und
gab gar kein Resultat. Alle verständige Männer drangen auf
seine Beilegung; nur Graf Romanzow hatte den Wahn, die Fort-
daner dieses Krieges werde den mit Napoleon verhindern, weil er
Rußland beschäftigt and sich unschädlich hielte. Es war eine
seiner Lieblingsmaximen, die er oft äußerte, de faire loucher Vem-
pereur Napoleon oder dessen Aufinerksamkeit von einem Haupt-
gegenstand auf Nebendinge zu lenken, ihn zu zerstreuen.
1) Vgl. Steins Selbstbiographie S. 176: „Der Kaiser . . . entwickelte mir in
einer langen Unterredung die Gründe, die ihn xnm Tilsiter Frieden gezwungen^.
2) Araktschejeff. Tgl. Sernhardi, Geschichte Enftlandt 2, 2, 663 and PerU,
Gneisenau 2, 812.
8) Nachträglich fOgte Stein hinzu : „Die beiden Gewehrfabriken in Tula und
Seesterbeeck bei Petersburg können 60 000 Gewehre j&hrlich liefern'^.
X74 ^^x Lehmann,
Grraf Bomanzow liatte die Formen eines Ho£inanns ; seine Un-
terredung war voll runder, halbdunkler Phrasen, in einer ein*
schmeichelnden Accentuation mit einem süßlichen Lächeln vorge-
tragen; er suchte zu gefallen. Wegen dieses süßlichen, gezierten
Tones nannten ihn die junge Franzosen aus Caulincourts ^) Ge-
folge : la vieille Marquise du Marais ^). Es fehlte ihm aber an den
wesentlichsten Eigenschaften eines Geschäftsmanns, an einem ge-
sunden, hellen Verstand, an einem kräftigen, edlen Charakter. £r
war nicht geachtet, selbst nicht von dem kleinsten seiner Unter-
gebenen. Katharina U. hatte ihm aus Mangel an Vertrauen in
seine Fähigkeit nur ohnbedeutende Posten anvertraut, eines Ge-
sandten bei den rheinschen Kurfürsten, eines Präsidenten bei der
Reichsbank, dessen Geschäft nur in der Beobachtung gewisser
Formen bestand. Kaiser Alexander wählte ihn nach dem Tilsiter
Frieden als ein geduldiges Werkzeug zur Ausführung des nenen
Systems von Hingebung an Frankreich, das alle rechtliche Männer
anekelte und sie verscheuchte. [Der Kaiser] behandelte selbst
viele bedeutende Geschäfte ohne ihn und beruhigte Graf Löwen-
hielm, den schwedischen Gesandten"), der Mißtrauen über den
Kanzler äußerte : Soyejs iranquüle, ü ne vaus nuira paintj je le garde
parcequHl nCest commode. Komanzow war ein großer Verehrer Na-
poleons. Dieser hatte ihn durch die ausgezeichnete Art, wie er
ihn in Paris (1808) behandelte, gewonnen. Er hörte nicht auf,
mir von seinen Unterredungen mit Napoleon zu erzählen; nur
durfte man nicht ein Wort davon glauben, wegen seines eigen-
thümlichen Hangs zu erdichten, ohne eigentlich vorsätzlich zu
lügen. Napoleon wußte ihn zu würdigen, er sagte: qu'il reuissis-
8aü ä Vempereur^) de gagner tous ceuz qu^ü lui avait envayif qu'ü
itait tnoins heureux pour le choix de ses ministres^ que son ctianceüer
eiait un soL Sein schwacher Kopf träumte, und diese Träume
hielt er für wahr. Es ist ausgemacht, daß er eine große Menge
Dinge erzählte, die zwischen ihm und der Kaiserin Katharina vor-
gegangen sind , vertraute Unterredungen , Mittheilungen u. s. w.»
die nach dem Zeugniß der vertrautesten Umgebungen der Kaiserin
nie statt hatten, weU die Kaiserin ihn weder achtete noch sah.
Man weiß also auch nicht, was an denen Unterredungen mit dem
1) Französischer Gesandter in Petersburg.
2) Pariser StadtTiertel, nach welchem die Dirnen genannt worden.
8) In Petersburg seit dem 18. Februar 1812. Vanddlt NapoUon et AJezan"
äre L 8, 848.
4) Von BnSIand.
DeDkw&rdigkeiten des Freiherrn vom Stein aus dem Jahre 1812. 176
Kaiser Napoleon ist, in wie fem sie wahr oder falsch sind.
Alle Ansichten R[omanzows] haben eine tränmerische, neblige Kich-
tnng and Haltung : halbe Wahrheiten mit getrübter Sehkraft er-
blickt. Er will immer mehr zu errathen, zu ahnden geben, als
er äoßerti und er läßt seine Zuhörer unbefriedigt, schwankend und
unbehaglich. Er ist England abgeneigt; schon als Commerz -Minister
nahm er ein dem englischen Handel feindliches System an, drückte
die englischen Eaufleute, und er ist daher denen Engländern im
Herzen verhaßt. (G-.K. G.L — in. G-.N — de und mehrere.)
Sein Hafi wurde zuerst erregt, wie man erzählt, durch hand-
greifliche Mißhandlungen, die Lord Withwort ') ihm aus Ungeduld
über seine lästige Besuche angedeihen ließ, bei einer Frau, mit
der Withwort in Verbindung stand. Doch dies ist eine Anekdote.
Sein bekannter Hang zur Päderastie macht ihn noch verächtlicher.
Die Besitznahme von Oldenburg') war eine der ersten [H
Veranlassungen, daß Kälte zwischen Frankreich und Rußland ent-
stand. Rußland legte eine lebhafte Protestation dagegen ein'),
ohne daß der Herzog selbst dazu mitgewürkt hatte. Er erklärte
vielmehr, daß die gewaltthätige Hinwegnahme von Oldenburg ein
zu ohnbedeutender Gegenstand sei, um Rußland in einen Krieg
mit Frankreich zu verwickeln. Er lehnte alle Aeußerung seiner
Meinung über die Frage ab , ob ein Krieg zu beginnen rathsam
sei oder nicht, weil ihm der Zustand der Kräfte Rußlands unbe-
kannt sei, und sein Betragen war überhaupt das eines verständi-
gen, rechtschafPenen Mannes. (6. K.) Napoleon war dem Krieg
abgeneigt, er erbot sich zu Unterhandlungen. Romanzow rieth,
sie abzulehnen. Der Kaiser befolgte diesen Rath und fuhr fort,
seine Streitkräfte zu entwickeln. Verständige Männer glauben,
ein geschickterer Unterhändler als der unföhige kindisch eitle
Fürst Kurackin^) würde ein vortheilhaftes Resultat herbeigeführt
haben, die Räumung Preußens, eine für Rußland angemessene
Wiedereröffnung der Häfen.
Diese ^) Meinxmg steht aber im Widerspruch mit dem durch
1) Wldtwortli, englischer Oesandtar in Petersburg.
2) 18. December 1810.
8) SühoOl, Hittoire abrigit des traiUs de paix (BruxeUes 1838) 8, 228.
4) Rnwischer Qesindtor in Paris.
6) Der folgende 8ate nachtrigUch hlnsogeftgt
176 Max Lehmann,
den K[ron] P[riiizen] von Schweden*) bekannt gewordenen Plan
Napoleons *).
Napoleon bot endlich England an*): die Anerkennung des
Hanses Braganza, die ßämnnng Spaniens und die Ueberlassong
seiner Beherrschung an die regierende Dynastie und die Cortez,
nnd äußerte gegen den Fürst Schwarzenberg *) : er werde auf
Josephs Beibehaltung nicht bestehen. Es ist noch ohnbekannt,
welche Antwort*) England gegeben hatte. (1. Juli.)
Sobald man den Ej*ieg mit Rußland ahndete, drangen alle
verständige Männer auf den Frieden mit dem Türken, den man
längst unter denen später erhaltenen Bedingungen hätte abschließen
können. Rumanzow aus Unentschlossenheit oder Verkehrtheit ver-
zögerte den Abschluß. Zuletzt übertrug ihn der Kaiser unmittel-
bar, ohne des Kanzlers Zuthun, mit unbedingter Vollmacht dem
Admiral Ttschitschakow, einem Mann, nach aller Zeugniß von einer
sehr großen Energie und vielem Verstand. Er war anfangs ein
großer Verehrer Napoleons % kehrte aber von Paris ^, wo er kalt
aufgenommen wurde, ganz umgewandelt zurück. Sobald Rnmanzow
den Auftrag des Admirals erfuhr, so eilte er^, dem General Ku-
tusof den schleunigen Abschluß des Friedens aufzugeben, und nun
erhielten die Unterhandlungen einen rascheren Gang; sie kamen
aber erst im Mai^ zum Schluß. Die Vergrößerung bis an den
Pruth war ein erbärmliches, mit Geld und Blutverschwendung er-
kauftes Resultat, das die Türken kränken, die Oestreicher beun-
ruhigen muß.
General Pfuhl'®), zu dem der Kaiser ein großes Vertrauen
hatte, brachte mehrere Plane zum Feldzug in Vorschlag: Pohlen")
1) Vgl. ob^n S. 172.
2) In der Vorlage sieht noch: Vide Nr. VL Dies bezieht sich wohl nicht
auf das Vorhergehende, sondern anf das Folgende.
8) Schreiben des Herzogs von Bassano an Lord Castlereagh v. 17. Äprü
1812, bei Fain, Manuacrit dt 1812 p. 123.
4) Oestreichischer Gesandter in Paris.
5) Sie erging am 28. April. 8. Fain p. 127.
6) S. Taiistcheff, Alexandre I. et Napolian L p. 831.
7) Im Jahre 1811. S. Ccfteapondance di^^HomaJtiqiu de Jos^ de Maisire
1, 20 ff.
8) Bestritten von Bogdanowäech, OeeMMe d, Fddgugee t. Jahre 1812
(BtuKUeh 9. Baufngarien) 2, 9 ff.
9) Am 28. Mai.
10) PholL Vgl. ClauaetoiU, HinUrlaeaene Werhe {BerUn 183S) 7, 6 ff.
11) üeber der Zeile, von 8teinfl Haod: n^^U".
Denkwürdigkeiten des Freiherrn vom Stein ans dem Jahre 1812. 177
freizugeben, mit vereinten Kräfben vorzugehen, Preußen zum Bei«
tritt zu zwingen and den Krieg an der Elbe zu beginnen. Als
der E^aiser diese rasche Maaßregeln ablehnte ^), die Unterhandlungen
sich bis ans Ende des Jahres 1811 verzögerten, so war sein Vor-
schlag, bis Orteisburg mit einem Heer vorzugehen, mit dem andern
in das Herzogthum Warschau einzurücken und dieses zu unter-
werfen und die Truppen zu zerstreuen. Endlich, nach dem Beitritt
Oestreichs zu der französischen Allianz, so rieth er, das ehema-
lige Neu-Ostpreußen zu verheeren und durchaus unzugänglich zu
machen, die Hauptarmee in der Gegend von Wilna, Slonim u. s. w.
aufzustellen. Der Kaiser verwarf aber beharrlich alle Angriffs-
plane ; er bestand darauf , jede Veranlassung zum Krieg zu ver-
meiden, und hiernach mußte also Pfuhl den Plan des zu erwar-
tenden Feldzugs berechnen. Er sagte vorher, Napoleon werde
suchen bei Kauen überzugehen, um sich auf den rechten russischen
Flügel zu werfen, die Armee von ihren Verbindungen mit dem
Mittelpunkte des Reichs Moskau und Petersburg abzudrängen, sie
unter unvortheilhaften Umständen zu einer Schlacht zu nöthigen,
die sie von ihren Hülfsquellen hinwegwerfen werde, wenn sie ver-
loren gehe. Er rieth also zu einem Rückzug in ein verschanztes
Lager, Concentration mit den Reserven, und der Kaiser ergriff
diesen Plan; in der Ausführung selbst blieb aber vieles unvoll-
kommen, schwankend, unsicher, langsam. Daher mußte man Maga-
zine verbrennen'), weil man nicht zeitig genug bedacht war, sie
zu räumen; man ließ eine große Zahl von kleinem Adel zurück,
der die französische Partei ergriff, und den man hätte waffnen
und nach der persischen und kaukasischen Grrenze senden können.
Bennigsen, mißvergnügt, daß er nicht commandire, eifersüchtig
auf Pfahl, eitel, ränkevoll, schrie, verbreitete Mißvergnügen, machte
Einwürfe, aber gab keinen bestimmten Plan, verwickelte sich in
Widersprüche. Ihm schrien viele nach, aus Widerspruchsgeist,
Verkehrtheit, Absichtlichkeit. Armfeld *) machte auch Plane, er
wollte sich bei Slonim verschanzen. Nichts hätte Napoleon ge-
hindert, die Armee außer Verbindung mit ihrer Haupt-Operations-
linie zu setzen.
1) Tgl. meineil SdMffiharH 2, 407 and den Brief Alexanden an Pholl vom
12. Deoember 1818, bei Pertz, Stein 8, 711.
3) 8. Bogdanowüseh 1, 50. 188.
8) Graf QnsUY Moriz Armfeit 7g]. E. M, ÄmcU, Meine Wandenmgen
8.86; Peru, Gneisenau 2, 920; Bemhardi, GeechiehU Euftlande 2,3,692; Tiegnir,
JhrmfeU (Sioehholm 1887) 8, 869 ff.
178 Max Lebmanii,
TD] K[aiser] A[lexander]0
Das Aenßere ist angenehm, die Züge regelmäßig, fein und die
Stellang anständig; die Bengong des Kopfes, indem er liegen
Harthörigkeit das linke Ohr, als das bessere, vorschiebt, ist nicht
unangenehm. Der Hauptzug in seinem Charakter ist Gntmüthig-
keit, Freundlichkeit und ein Wunsch die Menschen zu beglücken
und zu veredeln. Sein Erzieher La Harpe hat ihm frühzeitig
Achtung für den Menschen und seine Rechte beigebracht, die er
bei dem Antritt seiner Regierung in das Leben zu bringen eifrig
bemüht war. Ihm fehlt aber die Geisteskraft, um mit Beharrlich-
keit die Wahrheit zu erforschen, die Festigkeit, um trotz aller
Hindemisse das Beschlossene durchzuführen, den WiUen der An-
derswollenden zu beugen. Seine Grutmüthigkeit artet in Weichheit
aus, und er muß sich oft der WafPen der List und Schlauheit
bedienen, um seine Absichten durchzuführen. Diese*) letztere
Eigenschaften sind entwickelt worden durch die Lehren seines
Erziehers, des Feldmarschalls Soltikow, eines alten Höflings, der
seinen Zöglingen frühzeitig Geschmeidigkeit gegen die Großmutter,
ihre Favoriten, die Launen des Vaters empfahl. Hiezu kam der
Despotism, den der letztere gegen seine Familie ausübte. Bei
dem Antritt seiner Regierung umgab er sich mit denen Freunden
seiner Jugend, dem G[raf] Kot[8chubey], Fürst Czartorinsky dem
Sohn und H. v. Nowisilsoff'), Männern von Geist, Bildung und
einem edlen Charakter. Der durch ihren Einfluß begonnene fran-
zösische Kriegt) nahm ein unglückliches Ende; sie verließen den
Kaiser, und er war von nun an genöthigt, sich mit Männern zu
umgeben, zu denen er kein vollkommenes Vertrauen hatte. Nach
dem unglücklichen Krieg anno 1806/7, in welchen er durch die
Unbesonnenheit des preußischen Cabinets verwickelt ward, ver-
traute er die auswärtige Angelegenheiten einem in Ein- und Aus-
land wenig geachteten Mann an'), weil er von dessen Bereitwil-
ligkeit sich dem französischen System hinzugeben gewiß war.
Eine Folge seines wenigen Vertrauens auf seine Geschäftsleute
sowohl in Hinsicht auf Fähigkeit als auf die Reinheit ihres Cha-
rakters ist es, daß er nie einem von ihnen die Leitung seines Gk-
1) In der Vorlage folgt eine Disposition: „AoBeres — Char. — Geist— Be-
handl. Art der Menschen, der Sachen. Wohlwollen, edle, menschenfreondliche
Gesinnungen, Verstand, Arbeitsamkeit, Weichheit, Vereinzelang der Kraft*.
2) Von hier bis „ansQhte* sp&terer Zosats.
8) Nowosilxoff.
4) Von 1806.
5) Bomansoft
Denkwürdigkeiten des Freikerm vom Stein ans dem Jakre 1812. 179
schäftszweiges anvertraat. Er greift vielmelir häufig in das Ein-
zelne ein, bearbeitet vieles allein, denen Ministem ohnbewoßt. Er
läßt sieb überhaupt leicht hinreißen zum Einzelnen; er verliert
daher den Faden des Ganzen und giebt wegen einzelner, sich dar-
stellender Hindemisse leicht Plane, so er gefaßt hat, auf. In
dem Anfang seiner E.egierung bildete er ein aus sieben Ministem
bestehendes Cabinet; hier wurde das Allgemeine der Angelegen-
heiten verhandelt. Einzelne Mitglieder des Ministeriums entzogen
sich aber bald der gemeinschaftlichen Bearbeitung, unwillig über
das Eingreifen ihrer CoUegen. Ihm selbst ward die Arbeit mit
Einzelnen angenehm; die Kriege und Feldzüge begünstigten es.
Dann bildete er einen Staatsrath, wozu Speranzky ') ihm den Plan
entwarf, der aus Ministern und Staatsräthen bestand, eine Nach-
ahmung des französischen, den ihm der Kaiser Napoleon empfohlen.
Hier sollten die Gegenstände der Gesetzgebung bearbeitet werden«
Auch diese Einrichtung scheint zu sinken mit Speranzkys Fall.
Speransky war ein Pfarrer-Sohn, Sänger, dann wegen seiner
Fähigkeiten vom Minister des Innern Graf Kotschubey in seiner
Kanzlei angestellt. Er besaß viele Fähigkeit, Kenntnisse, Leich-
tigkeit und Kunst im Ausdruck, wenig Kraft und Muth. Er
suchte sich einen überwiegenden Einfluß zu verschaffen, bedeu- [IV
tender wichtiger Papiere sich zu bemeistem und die Schwächen
seines Herrn zu benutzen. Er hatte selbst zu verschiedenen Maaß-
regeln verleitet, z. B. einer Darstellung des Zustandes des Staats-
schuldenwesen , die bei den oberen Classen vieles Mißvergnügen
verursachte und von ihnen für gefahrlich für die innere Buhe
angegeben wurde. Der Kaiser liebte Speranzky; seine Absicht-
lichkeit kränkte ihn tief, er machte ihm die bitterste Vorwürfe
darüber und verwies ihn') nach Nischney-Nowogrod, ließ ihm aber
sein ganzes Gehalt. Die Gerüchte, daß Speranzhy in verrätherischen
Verbindungen mit Napoleon stand, sind fSalsch'). Vide Nr. F.
Berichtigungen wegen Speranzky. (Prinz von Oldenburg und
Armfeld.)
Das Zusammentreffen aller dieser Umstände, der Druck im
väterlichen Haus, die list und AbsichtUchkeit seiner Umgebungen,
die Täuschungen, die er in der Freundschaft gefunden, militärische
Unfälle haben ihn mißtrauisch gemacht. Ein großer Theil der
ülnsionen, womit er als Jüngling in die Welt trat, sind ver-
1) YgL Ttmrgumeff, La finMie et U$ Bu»8€8 (BruxeUe$ 1847) 8, 391 ff.
2) Am 29. ll&n 1812.
8) Vgl. TegfUr 8, 869 ff.; Vamddl 8, 864 ff.
180 ^ftx Lehm&nn,
schwanden. Er verschließt sich immer mehr in sieh selbst, er
sucht immer mehr alles selbst zu thun, überladet sich, verliert
sich in das Einzelne.
Er scheint ein großes Vertrauen auf den Prinz Georg von
Oldenburg, seinen Schwager, zu setzen. Dieser junge Mann besitzt
einen reinen, rechtlichen Charakter, Gutmüthigkeit, mannigfaltige
Kenntnisse, das Resultat einer guten Erziehung, Arbeitsamkeit,
Eifer und Liebe zum Gemeinnützigen, aber einen hohen, selbst
lächerlichen und höchst lästigen Grad von Selbstzufriedenheit; er
glaubt sich Dichter, Feldherr, Staatsmann, er macht Anspruch
auf vollkommene Freiheit von Vorurtheilen , wie er oft bestimmt
sich äußert. Seine Gemahlin*) scheint ihn sehr zu lieben; er
zeigte mir 70 Briefe, die sie ihm in zwei Monaten geschrieben,
worunter welche von neun Blättern waren. Man beschreibt sie
als eine Frau von vielem Geist und Liebenswürdigkeit, die nach
Einfluß strebt und vielen über ihre beide Brüder*) besitzt.
6. Juli.
Unter denen nächsten militärischen Umgebungen des Kaisers
herrscht keine Einigkeit. General Pfuhl hat zwar den meisten
Einfluß ; der Kaiser vertraut auf ihn als auf einen Mann von
gründlichen militärischen Ansichten, von einem durchaus recht-
schafi^enen Charakter, und befolgt die erste Elemente seines Planes
zum Feldzug. In der Ausführung entstehen aber viele Reibungen.
Pfuhl ist reizbar, hypochondrisch ; sein Vortrag ist abstract, syste-
matisch, für Menschen, die nicht ans Denken gewöhnt sind, unver-
ständlich; er wird leicht störrig und statisch, ist nicht durch-
greifend genug; er hat daher wenig Popularität. Sein Plan soll
ausgeführt werden durch den Oberfeldherrn Barclay ToUy, einen
erfahrenen Soldaten und braven Mann, aber wenig Energie und all-
gemeine Uebersicht; durch einen General-Quartier-Meister Muchin*),
der keine fremde Sprache kann, woraus sich der Umfang seiner
Kenntnisse beurtheilen läßt. Sie werden durch Insinuationen,
Geschrei bekämpft von Benigsen und Armfeld ^). Der große Haufe
der Offiziers woUen schlagen und batailüren, ohne zu wissen wo
und warum. Aus diesem Zerren entstanden mancherlei Nach-
theile. Die erste Dislocation der Armee war zu ausgedehnt, tu
1) Katharina, Tochter Paul L, in zweiter Ehe mit König Wilhelm L von
Würtemberg vermählt.
2) Oemeint sind wohl die beiden Ältesten, Alexander and Konstantin.
8) Tgl. ClausemU 7, 89.
4) Vgl. oben 8. 177.
DenkwQrdigkeiten des Freiherm vom Stein aus dem Jabre 1812. 181
feUerhaft , weil man sie nicht in Colonnen sandte, in ordre de
haiaiüe legte; die rückwärtse Bewegung war zu langsam. Man
hatte das Magazin in Wilna zu sehr angefüllt, vielleicht dnrch
Absichtlichkeit der Yerpflegnngs-Beamten, nnd war daher genöthigt,
zu viele Natoralien zu verbrennen^). Ein Hauptfehler trat ein,
daB General Pacration') von seiner Operationslinie abgeworfen
ist. Er sollte, um in Verbindung mit der Hauptarmee zu operi-
ren, an sie herangezogen werden. Pfuhl rieth, sie über Pinsk,
Minsk marschiren zu lassen, um die Bewegung dem Feind ohnbe-
merkt und vom Feind ohngestört zu machen und immer in Ver-
bindung mit dem Innern zu bleiben. Man that das Gegentheil,
man ließ ihn über Brescz Litewsky, Pruszoua') marschiren. Er
zögerte bei Slonim, weil er den Plan vorlegte, in das Herzogthum
Warschau zu fallen. Unterdessen hatte der Feind schon Minsk
(d. 4. Juli) bedroht und die Verbindung mit der Hauptarmee un-
möglich gemacht.
XJeberhaupt hatte die Armee die Stärke nicht, die man angab,
die Division nur 7 bis 8 Tausend, die Keserve - Bataillone statt
497 nur 300; wenigstens die 11 Bataillone, so in Drisza einrückten
(5. Juli), hatten nur 3320 Mann, weil ihnen 1700 febridtirende
Kranke fehlten, so sie zurückgelassen hatten.
Der Kaiser schickte^) den General - Adjutanten und Polizei«
Minister Balaczew mit einem Schreiben an Napoleon^), worin er
ihn über die Ursachen des Anfalls seiner Staaten befragte. Dieser
äußerte^): es sei jetzt zu spät; er müsse den schädlichen Einfluß
Kufilands auf Europa vernichten; dieses sei Schuld, daß er seinen
Frieden mit England nicht habe zu Stande bringen können.
Die ganze Geschäftsführung Alexanders] beweist seinen [V
lebhaften Wunsch, Menschen zu beglücken. Er begann mit Unter-
richts-Anstalten, Verbesserung des Zustandes des Landmannes ; er
wollte Ordnung, Stätigkeit, Weisheit in die Geschäftsbehandlung
bringen, sich gegen Ueberraschung schützen und errichtete erst
ein Ministerium aus sieben Ministem, dann später auf Speranzkys
1) Vgl oben S. 177.
2) Bagration.
8) Gemeint ist wobl Pn^ny.
4) Am Abende des 26. JonL BogdanomUf^ 1, 116.
6) Bei BogdafWwiUch 1, 409 f. imd TaHsUkeff p. 687.
6) Vgl. BogdanmoUmh 1, 124 und TMtUh^lf p. 698 ff.
182 ^&x Lehmann,
Vorschlag einen Staatsrath, der die Gesetze vorbereiten nnd vor-
schlagen sollte ').
Geschrieben den 8. Jali.
In der Leitung der Armee zeigte sich ein nachtheiliges
Schwanken.
Erst den 16. Juni ') erhielt der General-Intendant den Befehl,
die Magazine in Wilna zu räumen. Dieses konnte nicht vollendet
werden , weil die Armee kein Fuhrwesen hatte ; daher gegen
120000 Tschertwerte Mehl und 100000 T. Hafer zerstört werden
mußten und verloren gingen').
General Facration ^) bekam den Befehl, gegen Willeyka, Minsk
u. s. w. zu marschiren. Er zögerte , schlug vor , eine Offensive
gegen das Herzogthum Warschau zu ergreifen. Die Zeit verstrich,
und Napoleon ließ Davoust gegen Minsk rücken, und die Verbin-
düng zwischen beiden Armeen^) ward unterbrochen. Facration
setzte in Verbindung mit Flatow seinen Marsch gegen Minsk fort,
und man erwartet hier ein lebhaftes Gefecht.
12. Juli«).
Bei dem Zurückzug verlor die Armee den Feind aus denen
Augen, er ließ nur Oudinot^ gegen ihr über stehen und zwar in
einer Entfernung. Die Armee rückte ruhig in das Lager (8. Juli),
ruhte aus , bereitete ihre Verpflegung vor. General Korff wurde
zur Recognoscirung vorgeschickt, da alle Nachrichten fehlten und
der Vorsteher der geheimen militärischen Correspondenz Sanglin"),
ein ehemaliger französischer Sprachmeister, geschickt genug war,
um nicht im Stande zu sein, mitten in Rußland ein Spionenwesen
zu bilden^.
Die Gährungen in dem Hauptquartier wurden immer lebhafter.
Der Marquis Falucd'^) legte mit Ungestüm und Ungezogenheit
1) Vgl. ob^n S. 179.
2) Ygl. Bogdanawüsth 1, 117.
8) Vgl oben S. 177 u. 181.
4) Vgl. oben 8. 181.
5) Von Barclay de Tolly nnd Bagratton.
6) In diesem oder den folgenden Daten steckt ein Irrthom, der sich nicht
ermittehi l&ftt
7) AnBer Ondinot noch andere Corps.
8) Jakob Iwanowitsch de Sanglen. S. dessen Memoirm, ubertetH v. L. v.
MamiU (StuUgaH 189ii 8. 129.
9) Ygl. Ludwig v. WoUogm^ Memoiren 8. 106.
10) Panlncci. Vgl. CSorrespoiikafiee de Maietre 1, 129 ff.
Denkwürdigkeiten des FreiheiTn vom Stein aas dem Jahre 1812. 183
seine Stelle als General^Major ^) der Armee nieder *), weil er nach
seiner Aeaßemng glaubte, alles sei verloren: vaää un empire perdu^.
Die Discassionen fiber die jetzt vorzunehmende Operation wurden
immer lebhafter. £inige sehlugen vor, gegen Minsk zu gehen,
andere gegen Boryssow und eine Stellung zwischen dem Dniepr
nnd der Dfina zu nehmen und das Innere des Landes, gegen wel-
ches der Feind vordrang, zu decken.
Speranzhys Sturz ^) scheint das Werk einer Hofintrigue ge*
wesen zu sein. Er lebte eingezogen, einfach, bloß den Geschäften,
den Wissenschaften, seiner Familie, dem Andenken seiner Frau,
einer Engländerin^), die er innigst liebte, seiner Tochter, einem
Kind von 13 Jahren. Ihm fehlte die Kenntniß der Hofleute, und
er ward ein Opfer ihrer Ränke, und Männer, deren Glück er ge-
schaffen hatte, wurden die Ursache seines Falls. Er hatte den
Kaiser veranlaßt, Armfeld nach Petersburg zu berufen und ihm
die allgemeine Leitung der finnischen Angelegenheiten anzuver-
trauen. Er setzte in das finländische Departement einen Lief-
länder Rosenkamp *), einen Mann, der bereits seine Undankbarkeit
gegen Novisilsoff bewiesen. Armfeld strebte nach einem großen,
fiberwiegenden Einfluß und glaubte Speranzky stürzen zu müssen,
den er im Besitze des vollen Vertrauens des Kaisers sähe; er
brauchte Rosenkamp, um gegen Speranzky zu arbeiten, griff zuerst
dessen Finanzeinrichtungen an, die alle vom Staatsrath waren ge-
nehmigt worden, machte seine Absichten verdächtig. Speranzky
ward mit — ^ ein Gegenstand der Aufmerksamkeit der Geheimen
Polizei Sanglin^), eines der Werkzeuge des Polizei-Ministers [VI
B[alaczew], beobachtete ihn, und er ward zuletzt das Opfer aller
dieser Insinuationen, Cabalen, Verdrehungen. Der Kaiser hielt
ihm alle Ursachen seiner Unzufriedenheit vor, ließ ihn durch einen
Polizei-Officianten nach Nischney Nowogrod bringen und wies ihm
die Stadt zum Gefängniß an. Seiner 13jährigen Tochter ließ er
1) Chef des General-Stobs.
2) Sein Nachfolger wurde am 18. Juli emaiut. Bogdan&wUsA 1, 426.
8) Vgl WöUogm, Mmoirm 8. 102.
4) Vgl. oben S. 179.
b) Steten«. Vgl. SchmUkr, BastqpcMne et Kirnkmaof {Paria ISeS) p. 88.
6) Rosenkampff. Vgl. Bemhardi, GesMMe Bufilands 2, 2, 616.
7) Hier etand ein sp&ter wieder ansgeatrichener Bochatabe. Gemeint ist
jedenfallii Magnitsk^, der Freund Ton Speraniky.
8) 8. deiien Memoiren 8. 87 ff.
gf L 0«. 4. W. VMkikkt«. PUtoUff^-kktor. Daat. 18M. Htfl 9. 13
Ig4 Max Lehmanii,
seine Gnade anbieten; sie bat foßfallig nm die Erlaubniß ihrem
Vater folgen zn dürfen, welche ihr ertheilt ward.
(Kot — Secr. vide parro Nr. VIII}))
Den 11. Juli.
Die vorläufige Nachricht von der Unterzeichnung des Friedens
mit den Türken durch den Groß-Sultan war den 8. fif. c. nach dem
Hauptquartier gekommen ; noch waren aber die formlichen Instrn-
mente nicht angelangt. Der Admiral Ttschitschakoff gab dem
Kaiser den tollen Kath: den Frieden nicht zu ratificiren, wenn
die Türken nicht eine Allianz mit ihm eingingen; ohne sie werde
er gehindert, die beabsichtigte Diversion am Adriatischen Meer
auszuführen ; dauere im schlimmsten Fall der Krieg fort, so werde
er ihn mit einem kleinen Theil der Moldauischen Armee fortsetzen,
den übrigen zu jener Diversion anwenden können. Der K[aifier]
mißbilligte diese Ansicht zwar nicht gänzlich, er setzte einen
Werth auf die Alliance und auf die Diversion ') , ohngeachtet die
erste ohnmächtig, die letztere aber nur von entfernten Folgen
sein könnte. Er ratificirte ; die Heranziehung der kriegserfahrenen
Moldauischen Armee zur Tormassowschen ") blieb aber zum größten
Nachtheil der Hauptoperationen ausgesetzt. (K. u. Ketsch.)
Man entschloß sich endlich, die englische Angelegenheiten zu
endigen, und man darf den Friedensabschluß erwarten. Er wird
nur in allgemeinen Ausdrücken sein^); alle besondere Verabre-
dungen sind auf Verlangen des englischen Gouvernements bis
dahin ausgesetzt. (K.)
Admiral Bentinck erschien (d. 13.) im Hauptquartier als Freund
des Prinz Georg von Oldenburg und unter dem Vorwand von
Privat-Forderungen.
11. Juli.
Es existirte eine geheime Unterhandlung^) zwischen dem Wie-
ner Hof und Rußland wegen der denen Verbindungen des ersten
mit Frankreich zu gebenden Ausdehnung, auf den Fall daß das
Glück der russischen Waffen das Hülfscorps unter Fürst Schwär-
zenberg zwinge, sich nach Galizien zurückzuziehen. Oestreich
1) Gemeint ist BUtt VII.
2) Vgl. IfoHaM, B0Guea de» fraiUi eonehs par la Sustit 11, 159; Bcg-
danoioUath 2, 90 C
8) lo WolhyiiMO.
4) 8. den Wortlaut des VertngM (geschlossen In Oerebro «i 18. Jnli) M
Marim» 11, 162. 6) S. Martens 8, 87 f.
Denkwürdigkeiten des Freiherrn vom Stein ans dem Jahre 1812. 165
erklarte, es werde alsdann dem Einfall sich mit den Corps des
Prinzen £eaß and General Stipschütz ^) widersetzen, nnd begehrte
eine bestimmte Versicherang, daß Baßland sich eines solchen Ein-
falls enthalten werde, and bestimmte za seiner Abgabe einen
aechswöchentlichen Termin. Ich antwortete dem E[aiser], der
mißtraaisch and anzofrieden über die Absichten Oestreichs schien :
dieser Fall schiene keinen besonders praktischen Werth za haben,
weil die große Schläge bei den Haaptarmeen geschehen würden;
die franzosische Armee würde sich alsdann nach Westen oder der
Oder zor ückziehen , and ihr müßte die oestreichische Armee aaf
gleicher Linie folgen.
Winzingerode ') flößte dem E[aiser] Mißtranen gegen Mett[er«
nick] and Schw[arzenberg] ein.
War Napoleons Absicht feindlich gegen Rußland, so war das
defensive System gar nicht za rechtfertigen. Preußen hatte 120
Tausend Mann, 285 [Tausend] 6ew[ehre], 6 versorgte Läger, 7
Festungen ; die Masse der Nation war im höchsten Ghrad erbittert.
Rußland konnte sich dieser £räfte ohne Widerstand bemächtigen ;
sie würden sich ihm hingegeben haben, wären seine Heere im
Herbst 1811 oder Winter 1812 eingerückt, und hätten den König
bestimmt I sich zu erklären. Rußland schwankte. Auf der einen
Seite unterbrach es alle Unterhandlungen, zog seine verstärkte
Armeen auf die Gränzen vor ; auf der andern Seite ho£Fte Alexan-
der] und Rumanzow immer insgeheim auf Frieden. Selbst Nar-
bonne *) wurde mit Vertrauen von dem erstem behandelt ; er eröff-
nete ihm seine Absicht, Kotschubey die Stelle von Romanze w,
den der Schlag gerührt hatte, anzuvertrauen. Romanzow äußerte,
gue la dentüion du rat de Borne rappeUeraü Napoleon de Dresde ä
PariSj und hoffte, que Mr. le Ministre de Police (abgesandt an Na-
poleon) ^) rapporteraü des paröles de paix ^).
Sp[eranzki8] Verstand^ war nicht kräftig, rein, hell. [VJl
Er hatte einen Hang zum Mysticism und zur Schwärmerei; er
glaubte an eine Weltverbesserung durch geheime Gresellschaften,
und dieser Wahn gab ihn denen Einwürkungen eines Ränkemachers
1) SUpsits.
2) Botsiflcher General, frOber in ösireichischen Diensten.
8) Unterhandelte mit dem Zaren in WUna am 18. Mai 1812. Vimdal 8, 429 ff.
4) Balascheff. 8. oben S. 181.
6) Von fremder Hand folgt: .Siehe YIII'.
6) Vgl oben 8. 179 o. 188.
18*
186 Max Lehmann,
Namens Rosenkamp and eines litterarischen Abenteurers Namens
Feßler preis. Feßler, bekannt in Deutschland durch Entmönchung
sowie seine geschmacklose historische Romane, durch seine Theil-
nähme an der Leitung der Erziehungs- Anstalten in Neu-Ostpreoßen,
gewann das Vertrauen Speranzkis; er ward wegen seiner Unbe-
kanntschaft mit der deutschen Sprache ihm nöthig, indem er ihn
durch lateinische Darstellungen mit dem Gang der deutschen Phi-
losophie bekannt machte. Er entwarf ihm einen Plan der Ver-
einigung aller geheimen Gesellschaften^), ihrer Benutzung zur
Veredlung der Menschen. Diesen Plan genehmigte der Kaiser.
Rosenkamp, ein Ränkemacher, schloß sich an Feßler an und nä-
herte sich durch ihn an Sp[eranzki]. Sein Haus ward der Ort,
wo die geheime Logen gehalten wurden '), und diese Fratzen fanden
bei einem Staatsmann, der in der Würklichkeit russischer erster
Minister war, Eingang. Wahrscheinlich erlaubte sich Speranzky
hier gegen einen Verräther, der als Miteingeweihter sein Ver-
trauen erworben. Ergießungen seiner geheimsten Gedanken und
Aeußerungen von Unzufriedenheit über den Regenten, von Zwei-
feln je durch ihn etwas auszurichten. (Er war hierin unvorsichtig
und äußerte selbst gegen Armfeld, qü'on mettait son temps et ses
moyens en pure perte^ en fonds perdus sur la tcte de Ventpereur.)
Diese Vorbereitungen zur Gründung einer geheimen Gesellschaft
erregten im Publice Aufsehen, Mißvergnügen; man äußerte laut
Verdacht über die Absichten. Der Kaiser befahl Sp[eranzkyJ,
die Sache einzustellen, und übertrug die Untersuchung des Ge-
schehenen dem Graf Alexis Rosomofsky als Minister des ö£Pent-
lichen Unterrichts und der Aufklärung und dem Polizei-Minister
Bolutscheff»).
Rosenkampf unter Armfelds Schutz trat mit einer Denkschrift
gegen Sp[eranzky] auf*), worin er seine Geschäftsführung angriiF.
Vermuthlich verrieth er an Kaiser mehrere von Speranzky im
innigsten Vertrauen geschehene Aeußerungen, die diesen auf-
brachten und ihn zu sehr harten Maaßregeln bewogen, zu der
nächtlichen Verhaftung eines mit dem Alexanders-Orden verzierten,
den größten Einfluß besitzenden Mannes, seinem Hiwegbringen in
einer Kibitke in Begleitung eines Polizei-Officianten u. s. w. (0.)
1) Vgl. Ft99UT8 BAckblieke auf seine euheigjähnge POgeradMft (BresUu
18S4) 8. 274.
2) In der Vorlage folgt: „ni der man mehrere Menschen anyertrante*.
8) Vgl. oben a 188.
4) Vgl seine sp&tere Denkschrift bei Taurgueneff 8, 844 ff.
Denkwflrdigkelten dei Frelhemi rom Statn ans dem Jahre 1812. 187
*) war schlecht, egoistisch, besorgt für Selbsterhal- [IX
taug; es zeigte sich Unwillen über den Regenten, Tadelsncht und eine
geheime Neignng znm Frieden. Die Aufnahme des Kaisers ^ war
kalt, welches ihn änßerst kränkte. Man unterhielt sich mit allerlei
nachtheiligen Gerächten über die Armee, man schimpfte auf Pfuhl,
man empfing Palucci ») mit großer und höchst unverdienter Ach-
tung. Die Anerbietungen, die dem Staat geschahen, waren gering
vergleichsweis gegen andere Gouvernements.
Das hiesige Publicum bildet sich aus Hofleuten, Staatsbeamten,
Kanfleuten, Gewerbetreibenden, einem Gemische von Fremden und
Einheimischen. Eitelkeit, Ehrgeiz, Gewinnsucht sind die Haupt-
elemente seines Charakters, nicht frommer, treuer Bürgersinn.
Es war ein Glück , daß Graf Witgenstein das Oudinotsche Corps
aufrieb*), und die Vereinigung der Hauptarmee*) dem Vordringen
Napoleons Einhalt that, um dem Geschrei nach Frieden zuvorzu-
kommen, das sich schon in Drissa äußerte, dann wiederholt in
Moscow wurde. Ein böser Geist, der in der Form des Großfür-
sten*) Konstantin den Kaiser umlagert, hatte ^) zum Frieden ge-
rathen. Der Kaiser hatte den Antrag mit Unwillen verworfen ;
er würde aber bei großen Unglücksfallen seine Stimme lauter
erhoben haben; sie wäre durch das ganze Heer der Egoisten und
Feigen verstärkt worden und wäre durchgedrungen. Das Publi-
cum war (anno 1811) anfänglich kriegslustig, weil es glaubte, man
werde den Krieg fern von der Gränze führen können. Als man
diesen Vortheil zu benutzen unterließ, so sah man den Krieg als
unvermeidlich an und ergab sich in sein Schicksal Ich zweifele
aber, daß man dessen Schläge, und wären es auch die härteste
gewesen, mit Unerschrockenheit würde ertragen haben. Gewiß
war Romanzow ganz unfähig, in großen Elrisen zu rathen und
zu stählen.
Die Anwesenheit des Kaisers bei der Armee, ohne das Com-
1) Gemeint ist, wie das Folgeode zeigt, die Stimmang der Petersburger Ge-
sellschaft Vgl. oben S. 171.
3) Alezander kam nach Petersburg am 8. August (Bogdanowitsch 1, 170);
Stein am 9. August (Schreiben an seine Gemahlin).
5) Vgl. oben S. 182 f.
4) Die russischen Siegesberichte über die Gefechte des 80. Juli, 31. Juli und
1. August, ans denen Stein schöpfte, waren übertrieben.
6) Am 3. August
6) Vorlage: „Groftherzogs*'.
7) In der Vorlage steht „hatte" ror „ein böser Geist*.
188 ^Ax Lehmann,
mando der Armee selbst zu übemehmen, war äußerst nachtheilig«
Sie lähmte den Oberfeldherrn, und es entstand ein Zerren, ein
Schwanken in denen Berathschlagongen und Entschlüssen, welches
das größte Mißvergnügen erregte ^). Graf Aretzejew •) stellte dem
Kaiser zuerst das Verderbliche dieser Verhältnisse [vor], der ihn
Anfangs mit Ungeduld anhörte, zuletzt aber dessen Vorstellungen,
mit denen sich so viele andere *) vereinigten, nachgab ; er beschloß
also, nach Moskau abzugehen und die innere Bewaffnungen zu be-
schleunigen. Auch Admiral Bentink, ein zufällig anwesender engli-
scher Reisender*), der dem Kaiser sehr gefallen hatte, suchte ihn
durch die Versicherung zu befestigen, der Kronprinz billige seinen
Entschluß. (K — u. B.) Nun ward der Plan, von Drissa auf die
Communication des Feindes zu marschiren, aufgegeben. Der Kaiser
entzog Pfuhl sein ganzes Zutrauen ; ohne ihm etwas zu sagen, ließ
er die Armee über die Dana nach Polotzk marschiren^). Unter-
wegs schlug General Jermolow ^ dem Oberfeldherm vor, bei Diana
wieder überzugehen und sich mit Pacration zu vereinigen auf einer
kurzen Linie '). Barclay billigte den Plan, ging aber Mrieder davon
ab, aus Unentschlossenheit.
X] Barclay ToUys Unthätigkeit verursachte in der Armee eine
solche Gährung, daß die Corps - Commandanten seine Absetzung
eigenmächtig beschlossen haben sollen. Der Kaiser selbst ward
über sein Betragen mißvergnügt. Er ernannte ein Comit^, so aus
dem Grafen Kotschubey, Araczejew und dem Fürsten Ijapuchin
bestand '), um sein Betragen zu prüfen, und sie trugen auf seine
Entfernung und Kutusows Anstellung an. Sie erfolgte*) und er-
hielt allgemeinen Beifall, weil er ein Mann von Verstand war,
militärische Erfahrung besitzt ; er ist aber 70 Jahr alt. Man
legt ihm den berechnenden absichtlichen Charakter eines Hofinanns
bei (K.)
1) Vgl. oben S. 182 f.
2) Araktschejeff.
3) Vgl. Wblzogen, Memoiren S. 103.
4) S. oben 8. 184.
6) Die Armee ging am 14. Joli auf das rechte Düna-Ufer und errdchte am
18. Polotxk.
6) Der neue Stabs-Chef. 8. oben 8. 188.
7) Vgl. BogdafWwUedk 1, 158.
8) Bogdanowitsch (2, 6) nennt noch einige andere Mitglieder. Das Gomit^
trat am 17. Aagost znsammen.
9) Am 20. Anglist
Denkwürdigkeiteii de« Freiherni Tom Steitt a«i8 dem Jahre 1812. 189
22. September.
^)Man verabredete') den Angriff gegen Dänemark. Baßland
sollte [ihn] mit dem Hülfscorps von 30000') Mann unterstützen,
brauchte aber die Hälfte davon unter G-eneral Steinheil bei Riga,
lun gegen Kurland zu operiren. Diese Division sollte aber wieder
zurück zu den Schweden kehren, nach gemachtem Gebrauch: eine
unmSgliche Sache, da bis dahin die Häfen geschlossen sein würden.
Graf Romanzow lähmte überhaupt die Erfüllung der Verabre-
dungen mit Schweden und verursachte vieles Mißvergnügen.
Der Inhalt des Vertrages zu Abo war die Eroberung Nor-
wegens für Schweden, erzwungener Beitritt Dänemarks zur Ver-
bindung gegen Napoleon; es sollte zur Entschädigung ein Stück
von Deutschland erhalten.
Bennigsen hatte auf Kutusow den entschiedensten Einfluß.
Armfeld*) ist gewandt und rührig; er hat nichts ergrün- [XI
det, hält nichts fest; seine Ansichten sind gescheut, aber nicht
tief; die Geschäfte führt er nicht durch Ueberzeugung , Kraft,
sondern durch Einflüsse aller Art.
Den 23. September.
Man hielt ^) einen Kriegsrath vor Moskau. Bennigsen und
Doctorow riethen zur Schlacht, Barclay zur Räumung imd Rück-
zug; Kutosow trat diesem bei, motivirte in seinem Bericht^) diesen
Entschluß schlecht. Das Comit^ der Minister trug bei dem Kaiser
an auf Untersuchung des Betragens von Kutosow^).
Aus Moskau sollen über 250000 Menschen ausgewandert sein.
Nach B[arclay] Tollys Aeußerung an 0. ^) war die Stärke des
russischen Heeres im Anfang des Feldzuges 97 ') unter ihm selbst,
60 Tausend unter Pagration, außer der Reserve und den Reserve*
1) Vorhergeht der sp&ter wieder ausgestrichene Satz: „Der Zweck der Za-
sammenkonft in Abo war, mit dem Kronprinzen von Schweden den Punkt der
Aosschiffong des schwedischen Hülfscorps zu rerabreden".
2) In Abo, am 80. August. S. Oncken l Biatarischm ToidmlnKh 6. Folge,
12. Jahrgang (Leiptig 1893) S. 18 ff.
8) Vielmehr 86000.
4) Vgl. Steins ürtheil in seinem Briefe an Qraf Münster t. 7./19. NoTember
1812, bei PerU, Stein 8, 206.
6) Am 18. September. Bcgdanowiisd^ 2, 233 ; Sernhardif ToU (2.Aufl.) 2, 148 ff.
6) JBogdanowUsch 2, 268 ff.
7) Vgl. Bogdanowitieh 2, 279 f.
8) Gemeint ist wohl Prinz Georg Ton Oldenburg.
9) Zu erginzen: ,,Tan8end".
190 Max Lobmann, Denkwürdigkeiten des Freiherrn rom Stein a.d. J. 1812.
Bataillonen; die des französisclien Heeres, so über den Niemen
gegangen war, 860000.
Er rieth an E[atusow] nach der Schlacht von B[orodino], den
folgenden Tag wieder anzugreifen; E[atasow] nahm den Befehl
znrück und trat den Rückzug an *). B[arclay] T[olly] schlug vor,
die Milizen nach Moskau zu schicken, aber mit dem Heer sich
gegen Ealuga zu ziehen. Es geschah nicht; man wollte sich vor
Moscow schlagen in einer nachtheiligen Stellung, mußte sie ver*
lassen und ging durch Moskau, das Rostopschin ansteckte.
') Beispiele von den ungeheuren Mißbräuchen in Rußland: daß
in 6 Jahren vor 1812 2 Millionen Rekruten ausgehoben worden
sind; daß in der Mold[auischen] Campagne ein Contract über das
Hospitalwesen gemacht worden ist von 2 Millionen Silber -Rubel
Der Kr[ieg8]-M[inister] wies dem commandirendenGreneralCaminskoj *)
nach, daß dieselben Objecte für zwei Mill. Papier-Rubel würden
zu haben sein, also für ein Viertel jener Summe. Der Unterneh-
mer des Lazareths kaufte sich nach dem Krieg ein Gut von 3000
Bauern in der Ukraine, so 1200000 Rubel werth ist.
^)Man hob in Esthland 5000 Rekruten aus, von denen nur
300 ankamen; die übrige wurden verwahrlost und starben.
Man transportirte im November und December 1812 von Po-
loczk 566 deutsche Gefangene nach Pleskow; davon kamen nur
166 an; die übrigen starben an Krankheit, Verwahrlosung, Miß-
handlung, durch die Raubsucht der mit der Verpflegung Beauftragten.
1) Vgl. Bogdanomtsch 2, 206 ff.
2) In der Vorlage geht vorher: Camprat,, wohl der abgekürzte Name des
Qew&hrsmannes.
8) Kamenskij, commandirte im Feldzuge von 1810.
4) In der Vorlage geht vorher: Krus.^ womit wahrscheinlich der aas £h8t-
land stammende Kmsenstern (der Weltumsegier) gemeint ist Vgl. E, M, Arndts
Erinnerungen aus dem äußeren Leben {Leipzig 1842) S. 165.
Die staatsrechtlichen Excnrse in Tacitus' Annalen.
Von
F. Leo.
Vorgelegt in der Sitzung vom 18. Joli 1896.
TacitoB eröffnet die Annalen mit folgenden wohlbekannten
Sätzen : Vrbem Bamam a principio reges hahuere ; *) Itbertatem ä con-
stäatum L. Brutus instituit. dictaturae ad tempus sumAantur; neque
decemvirdlis potestas ultra biennium neque tribufwrum miltium consu-
lare ins diu väluit. non Cinnae, non Bullae longa dominatio et Pom-
pei Orassique potentia cito in Caesarem , Lepidi atque Antonii artna
in Augustum cessere ; qui cuncta discordiis civilibus fessa nomine prin-
cipis sub imperium accepit. Dann fährt er fort, die Zeit bis zum
Principat sei von hervorragenden Schriftstellern erzählt worden,
auch die des Augustus von geistreichen Männern; die Darstellung
der folgenden Generationen des Principats, die durch Gunst und
Haft gelitten habe, bis zum £nde der julisch-claudischen Dynastie
(wo die Historien einsetzen) wolle er nunmehr unternehmen.
Tacitus macht es mit seinen Einleitungssätzen dem Leser nicht
leicht. Sie haben zunächst den Anschein, einen Abriß der Ge-
schichte Roms zu geben, sprechen aber nur von Institutionen, de-
ren Abfolge und Durchbrechung. Sie geben in der That eine
Uebersicht über die Staatsformen, die in Rom gegolten haben, und
1) Es ist nicht überflüssig, daran zu erinnern, daB diese Worte für Tacitus
und seine Zeit kein Hexameter sind und, wenn sie ein solcher sein sollten, drei
metrische Fehler haben würden. Damals konnten liberti und servi einen Vers
machen wie (caruL lat. epigr. 831) conliberH ei conaervi merito posuerufU-, Tacitus
war Tor den Zweifeln und Yertheidigungen seiner modernen Ausleger bei seinem
Publicum sicher. Auch die von Ritter und Nipperdey sonst angeführten Verse
bei Tacitus sind s&mmtlich keine oder keine für seine Zeit. Als bedenklich, so
daS der Rhythmus von Quintilian hätte beanstandet werden können, wüfite ich
nur'aiizulQhren ann. 1 74 ineviUUnh crimen und XITI, 17 insodMh regnum, doch
wenigstens dies nicht am Ende des Kolons.
192 F. Loo.
ordnen diese üebersicht so, daß die ytolitsi^Av ivaxihtlmöig^) her-
vortritt, die von der Monarchie der Könige zu der der principes
sich vollzogen hat; damit ist ein chronologischer Faden gezogen,
an diesem aber werden die Einzelheiten nach staatsrechtlichem
Gesichtspunkt aufgereiht. Der persönliche König wurde ersetzt
durch das Consulat, dessen Gewalt der königlichen nachgebildet
ist, aber durch CoUegialität und jährliche Befristung die bürger-
liche Freiheit bedeutet; das Consulat ist zeitweise durch Institu-
tionen f actisch oder rechtlich aufgehoben worden (dies der Inhalt
des zweiten Satzes, diäaturae — valuit), zeitweise durch Personen
unter dem Namen des Consulats oder der Dictatur, zweimal durch
Dreiherrschaften , deren eine auf persönlichen Einfluß , die andere
auf mobile Armeen gegründet war , die aber beide in Alleinherr-
schaften ausliefen, die zweite in die dauernde des Frincipats.
Man kann diese Sätze zu einer Darstellung der Verfassungs-
geschichte oder zu einer systematischen Erörterung vervollstän-
digen; ihr Characteristisches aber ist die Vereinigung beider Ele-
mente; und diese mag man geneigt sein dem Historiker zuzu-
schreiben, der staatsrechtliches Material zu verarbeiten hat. In-
dessen so nahe es liegt, im Eingange eines solchen Werkes eigne
Gedanken eines an Gedanken wahrlich nicht armen Schriftstellers
zu erwarten, so stark ist das Bedenken, das sich gleich hier gegen
die Originalität des Tacitus erhebt, soweit sie die inventio angeht.
Wir besitzen eine Erörterung, die in auffallender Weise den
beiden ersten Sätzen des Tacitus parallel läuft, zwar viel breiter
ausgeführt ist als diese, aber ihre characteristischen Merkmale
trägt. Es ist der Abschnitt der Bede des Claudius de iure bono-
rum, den er mit folgenden Worten einleitet (Bruns fontes i. R.
177): üla potius cogitetis^ quam tnulta in hoc civitate novata sint et
quidem statim ab origine urbis nostrae in quod formas stattisque res
p, nostra deduäa sit. Er will nachweisen, wie von Gründung! der
Stadt an die Staatsform vielfache Wandlung erfahren hat, so ein-
heitlich auch die republikanische Verfassung dem landläufigen Ur-
theil erscheinen mag. So beginnt er: qiumdam reges hane tenuere
urhem und ergeht sich in gelehrter Ausführung wie es ihnen nicht
gelungen sei damesticis saccessoribus eam tradere. Dann fahrt er
fort : pertaesum est menies regni et ad constdes , annuos fnagistralus,
administraüo rei p. translata est. Dies der, ohnehin gegebene, In-
halt des ersten Taciteischen Satzes; es folgt der Inhalt des zwei-
1) Der terminos findet sich bei Tacitiu ann. m 66 mit forte relms eunctii
inest quidam veiut crbis. Vgl IV 88.
Die Btaatorechtlichen Excurse in Tacitiu' Annalen. 193
ten : qidä nunc ccmmemorem dictaturae hoc ipso ccnsülari imperium
valentius repertum apud tnaiores nosh'os, quo in asperioribus bdlis anä
in civüi motu difficUiore uiereniur? aut in auxilium plAis creatos
irihunos plebei? quid a constdibus ad decemviros translatum im^
perium sciutoque postea decemvirali regno ad consules rusus reditum?
quid in pluris distributum consülare imperium tribunosque mili-
tum consulari imperio appdJaios qui seni et saepe octoni crearen-
tur ? Er erwähnt dann die communicati cum plebe honores , die za
seinem Thema stoffliche Beziehung haben, und die belJa^ um in
der praeteritio die Unterwerfung Britanniens anbringen zu können ;
endlich die Ausbreitung des Bürgerrechts und der Senatsergän-
zung, ein Abschnitt der größtentheils verloren ist.
Daß Claudius dieselben Aemter anfuhrt wie Tacitus^), kommt
daher daß er sie unter demselben Gresiehtspunkt anfuhrt, als die
das Consulat rechtlich oder factisch suspendirenden Aemter. Claur
dius verbindet wie Tacitus die historische mit der systematischen
Anlage ; Inhalt, Form und Absicht stimmen durchaus überein , nur
daß Claudius die nöthigen Erläuterungen hinzufugt und von der
Entwicklung der Alleinherrschaft schweigt; natürlich, da er die
Fiction innehält, daß die republikanische Verfassung bestehe: ech
dem magistraiuum vocabula.
Die Erörterung des Claudius steht weder in innerem Zusam-
menhang mit seinem Gegenstande : er kann sie nur ganz äußerlich,
durch den oben ausgeschriebenen Einleitungssatz, mit dem Gegen-
stande verknüpfen ; noch ist sie in sich einheitlich. Die Nennung
der Könige veranlaßt ihn, über den fremden Ursprung einer Reihe
von ihnen zu berichten ; das hat aber mit den formae staiusque rei
pMicae nichts zu thun, es ist eine Einlage, die nur eingelegt und
nicht einmal äußerlich mit der rechtsgeschichtlichen Uebersicht ver-
bunden ist. Doch steht die Einlage zum Gegenstande der Rede
selbst in besserer Beziehung als die Uebersicht, in die sie einge«
legt ist: die Zulassung der peregrini zum Königthum gibt einen
Hmtergrund f&r die beabsichtigte Zulassung der Provincialen zu
den honores, wie auch darum nachher das von der plebs erstrittene
Aemterrecht erwähnt wird*). Die Einlage hat überdies für Clau-
1) Die einzige Abweichung ist, daB er das Yolkstribunat anführt; es fäUt
als Institation ans der Reihe, Glaudius scheint es eingefügt za haben, weU es das
Goosiüat lahmzulegen yermochte. Tacitus hätte, wie Bardt in der gleich anzu-
führenden Abhandlung bemerkt (S. 456), unter den vorübergehenden Versuchen
eine Alleinherrschaft zu constituiren, vielleicht des C. Gracchus gedenken können.
2) Das Muster, das dem Claudius bei Abfassung setner Rede Torgeschwebt
hat, ist, wie ich glaube, nachzuweisen : es ist die contio, die Liyius IV, 3—5 den
194 F.Leo,
dias den persönlichen Zweck, seine etruskische Gelehrsamkeit aus-
zubreiten; dies ist sein eignes G-ut, für dessen Mittheilung wir
Ursache haben ihm dankbar zu sein, ein Auszug aus seinen Tvp-
Qfivixd oder das Resultat von Vorstudien. So lösen sich die Be-
standtheile und es ergibt sich unmittelbar der Schluß, daß die
Umgebung, in die Claudius sein Eignes eingelegt hat, von ihm
andersher entnommen ist, daß er die Erörterung über die Staats-
formen fertig vorgefunden hat.
Die Einleitungssätze des Tacitus könnte man auf den ersten
Blick geneigt sein eben auf die Rede des Claudius zurückzuführen,
von der wir ja den authentischen Beweis besitzen daß er sie kannte;
diese Annahme könnte der Umstand zu bestärken scheinen, daß
er in seiner eignen Umschreibung der Rede grade das Material
des ersten, hier in Betracht gezogenen Theiles unberührt läßt.
Aber es spricht dagegen einmal daß er bei Claudius nur die Hälfte
des StofPes finden konnte, zum andern daß die Zusammenstellung,
wie wir gesehen haben, nicht dem Haupte des Claudius entsprungen
ist : dieses beweist, daß es einen dritten Fundort gab ; jenes macht
es wahrscheinlich, daß Tacitus an die auch von Claudius benutzte
Quelle gegangen ist.
Wenn wir nun fragen, was das für eine Quelle war, so müssen
wir sagen , daß jedes Buch , in dem über ins publicum gehandelt
wurde, eine historische Einleitung, von der jene Uebersicht ein
Theil sein konnte, haben konnte und wahrscheinlich hatte; ich
werde darauf unten zurückkommen. Zunächst ist es schon viel,
Canoleios halten läBt, am den Ansprach der Plebejer aafs Consolat zu erweisen.
Hier werden c. 3, 10 die peregrini angeführt , die Könige geworden, mit dem Ab>
schluB : paeniteat nunc vos plebei cansulis, cum maiores nostri adven<is reges non
fasiidierint ; hier c. 4, 1 die Entwicklung der Verfassung durch die Könige , die
Einsetzung (in chronologischer Folge) der Consuln, Dictatoren, Yolkstribunen,
AedUen, Qo&storen, Decemvim, mit dem Eingang, der ganz dem Claudianischen
entspricht : nullane res nwa instüui debei et quod nandutn est factum (muUa emm
nondum sunt fcxia in novo x)opulo) ea ne st utilia quidem sint fieri oportet ? nur
da0 hier völlige Uebereinstimmung mit dem Gegenstande der Rede vorhanden ist
Üeberhanpt herrscht in der Livianischen Rede ein reiner Gedankengang und be-
stimmt die Disposition; in dessen Verdrehung hat Claudius seine Originalität ge-
sucht. Für das Material konnte ihm Livius nicht als Quelle dienen , er hat es
einem staatsrechtlichen Werke und seinen eignen Stadien entnommen. Es ist be-
kannt, dal Livius als berathende Autorität zu den Mstorischen Arbeiten des Clan-
diuB in Beziehang gesetzt wird (Suet Claud. 41). — Ich glaube diese Anmert:ang
stehen lassen zu dürfen, obwohl, wie ich nachträglich sehe, bereits Zingerle (Z.
für öst Gymn. XXXVH 265) die Beziehung entdeckt hat, die zwischen beiden
Reden besteht
Die staatsrechtlichen Excurse in Tacitos* Annalen. 195
daß wir uns mit Hülfe des Claudius eine Vorstellung davon machen
kennen , von welcher Art die Erörterung gewesen sein mag , aus
der Tacitus mit äußerster Kunst der Stilisirung die Quintessenz
gezogen hat.
C. Bardt (im Hermes XXIX 451) hat den früheren ungenü-
genden Auffassungen gegenüber den Inhalt der taciteischen Sätze
richtig dargelegt. Er geht nur darin zu weit, daß er das chro-
nologische Gefüge löst und die Bestandtheile in eine Abhandlung
auseinanderlegt. Daß hiermit die Absicht des Schriftstellers nicht
getroffen ist wird, wie ich meine, deutlich und zugleich das Ver-
ständniß der Einleitungssätze vollständig werden, wenn wir diese
mit einer Anzahl ähnlicher Erörterungen, die über das Werk zer-
streut sind, in Beziehung setzen. Man würde das vermuthlich
längst gethan haben , wenn man im Eingange des Werkes etwas
wie eine Digression erwartete.
Tacitus hat in die Annalen eine Reihe von Excursen meist
staatsrechtlichen Inhalts eingeflochten, die alle von erheblicher
Wichtigkeit für die Rechtsgeschichte sind, theils durch die That-
sachen, die sie mittheilen, theils durch die Beleuchtung, die sie
bekannten Thatsachen geben. Sie enthalten jeder eine historische
Uebersicht, die, wo es der Stoff gestattet, mit den Königen be-
ginnt, an einen Punkt der Erzählung anknüpft und auf ihn wieder
hingeführt wird. Sie ordnen sich so durch Anlage und Absicht
miteinander und mit den Eingangssätzen zusammen : wenn man sie
einzeln auf ihren litterarischen Charakter und Ursprung befragt,
so ist bei allen Problem und Lösung von gleicher Art.
Die Excurse handeln zum Theil von Aemtern, zum Theil von
Gesetzen, eines von der Ausübung eines Herrscherrechtes. Wir
beginnen, im Anschluß an die Einleitungssätze, mit der ersten
dieser Reihen. Von der G-eschichte einer der alten Magistraturen
berichtet Tacitus ann. XI, 22. Den Quästoren wird im J. 47 die
Leistung von Gladiatorenspielen auferlegt; früher sei das Amt
von dieser und anderen Fesseln freigewesen, sed quctestores regt*
hus etiam tum imperantibus insiUuH suntf quod lex curiata oslendü
a L. Bruto repdita, d. h. die Existenz der Quästoren zur Zeit der
Königsherrschaft wird nicht der Tradition entnommen, sondern die
Annahme ihrer Existenz auf die wissenschaftliche Voraussetzung
gegründet, daß das Curiatgesetz des Consuls Brutus die Wieder-
holung eines königlichen gewesen sei^). Zugleich besagen die
Worte {regibua etiam tum imperantibus instituti)^ daß nach Tacitus'
1) Mommaen St B. II 621
196 F. Leo,
Ansicht die Zeit der Einsetzung, die Person des Königs von dem
sie herrührt, unsicher ist, daß er eher an die spätere als an die
frühere Zeit des Königthums denkt. Hierin weicht er ab von la-
nius Gracchanus, der im 7. Buche de potestcUibus berichtet hat etiam
ipsum BofmUum et Nutnam Pompilium binos quaestares habuisse, guas
ipsi nan sua voce sed popuü suffragio crearent. Ulpiani der dies
mittheilt (Dig. I 13), widerspricht: sicuti dubium est an Romulo et
Numa regnantibus quaestor fuerit^ ita TtUlo Hostüio rege quaestores
fnisse certum est; et sane crebrior apud veter es opinio est TuUum H(h
stüium primum in r. p. induxisse quaestores. Ulpian also weiß daß
unter Tullus die Quästur bestand und vermuthet mit älteren (be-
lehrten daß dieser sie eingesetzt habe. Es ist deutlich wie die
Anschauung des Tacitus nicht nur zeitlich sondern auch sachlich
zwischen der des Gracchanus und der von Ulpian befolgten steht,
wie die von diesem vertretene Hypothese unmittelbar aus der wis-
senschaftlichen Darlegung des Thatbestandes, die Tacitus reflectirt,
herausgesponnen ist. Die richtigere Folgerung liegt vor in der
Nachricht Flutarchs (quaest. Rom. 275 B, Poplic. 12), daß Popli-
cola der Urheber der Quästur sei ; denn hier wird einem der ersten
Consuln zugeschrieben was Tacitus auf Grund ihres Gesetzes in
die Eönigszeit verlegt, d. h. Consulat und Quästur werden als
gleichzeitig entstanden gedacht ^). Daß die juristischen Gelehrten,
wenn sie die Entstehung der Quästur bestimmen wollten, auf Hy-
pothese angewiesen waren, lehrt uns die annalistische üeberlie-
ferung, in der sich keine Angabe über die Entstehung der Quästur
findet. Um so sicherer ist es daß Tacitus einem der staatsrecht-
lichen Litteratur angehörenden Gewährsmanne folgt. Auch die
folgenden Worte : mansitque consulibus potestas ddigendi , donee eum
quoque honorem populus mandavü zeigen ihn im Gegensatz zu
Gracchanus, der die Quästoren unter den Königen vom Volke ge-
wählt werden läßt, in offenbar tendenziöser Erfindung^. Er ver*
legt die erste Yolkswahl ins J. 307 (Plutarch ins Jahr der Ein-
setzung): creatique primum Valerius Potüus et Äemilius MamereuSy
LXIII. anno post Tarquinios exadoSy ut rem militarem camitarentur ;
dein gliscentibus negotiis duo additi qui Romae curarent. Hier ist der
sachliche Fehler, daß die städtischen den Feldherrnquästoren seit-
1) Vgl. Mommsen St. B. n 525 und überhaupt 523 ff. FrOher blieb man bei
der scheinbar überlieferten Vorstellung, daB die Quästur schon unter den Königen
bestanden habe: besonders Rnbino Unters, über röm. Verf. u. Gesch. 821 £
2) Bubino 820.
Die staatarechtlichen Ezcoise in Tacitos* Annaleii. 197
licli nachgesetzt werden, angenfallig ') und weder wegzudeuten noch
heranszncorrigiren ; das Mißverständniß konnte dem Urheber der
gelehrten nnd wissenschaftlichen Darstellung nicht begegnen, wohl
aber dem noch so gedankenreichen Benutzer einer fremden Dar-
stellung. Die Angaben über die Zahl schließt Tacitus mit den 20
Quästoren Sullas ab, die unter Augustus wieder galten ; er erwähnt
nicht die Verdoppelung der Zahl durch Cäsar, eine Uebergehung
ähnlich der, die wir im Excurs über die Stadtpräfectur bemerken
werden *).
Ueber die Geschichte dieses Amtes berichtet Tacitus VI, 11.
L. Piso stirbt im J. 32, im 20. Jahre seiner Amtsführung, also
ernannt von Augustus im J. 13'); das gibt die Gelegenheit, die
Geschichte der Stadtpräfectur von Romulus bis Augustus zu ver-
folgen : die Könige, die Consuln, der erste princeps sind die Etap-
pen. Die Stadtpräfectur des Principats ist auf die des Königthums
und des Consulats zurückgeführt, staatsrechtlich vollkommen rich-
tig, aber doch nicht so schlechthin verständlich, da das Recht des
Consuls, einen praefectus urbi zu ernennen, geruht hatte seitdem
die Stadtprätur als ständiges Amt eingesetzt war. Diese An-
knüpfung ergab sich nicht aus der Continuität der Ereignisse, sie
ist nicht Sache des iv nagi^ym den Gegenstand streifenden Histo-
rikers; sie entstammt mit der Darstellung, die sie bestimmt, der
Fachlitteratur und Tacitus hat sie nur stilisirt. Den Dictator
nennt Tacitus nicht, obwohl von dessen Recht Stadtpräfecten ein-
zusetzen noch Cäsar als Dictator Gebrauch gemacht hat; das hat
einen einleuchtenden Grund : Augustus leitete (im J. 728) sein Er-
nennungsrecht aus seinem consularischen Rechte her. Dieser da-
durch officiell gewordenen Auffassung folgte der Verfasser des
Werkes, dem Tacitus seinen Stoff entnommen hat^).
Eine Uebersicht über die Entwicklung der praefectura aerarii
gibt Tadtus XTTI, 29. Diese kann natürlich erst mit Augustus
beginnen, sie reiht sich aber, da sie die Geschichte des Amtes
1) Vgl. Mommsen St. R. II 562 A. 2. Der Aendenzng, die dort versncht ist,
und wie mir scheint jeder anderen widersteht die Fassung des Satzes.
2) Tadtos sagt gwutiura — graiuiio eoncedebatur his zum J. 47, w&hrend
SuetoB Claad. 24 bei derselben Gelegenheit bemerkt, da0 die Qnftstoren Tordem
die Verpflichtong gehabt h&tten, die StraBen pflastern zu lassen.
8) Mommsen bemerkt mit Recht (St. R. 11 1060), da0 nicht ans der Anecdote
bei Pliniiis und Sueton die Unrichtigkeit der Zahl XX bei Tadtos folgt, sondern
ans dieser Zahl die chronologische Verschiebung der Anecdote.
4) Anders Sueton Aug. 87: quaque plurea pariem administrandae rei p, ca-
ptrmU, nooa cffiäa exeogiUwü: curam operum jpudlieontii etc., praeftctmramurbia.
198 F. Leo,
durch alle Hauptmomente bis zu seiner durch Nero erfolgten end-
giltigen Regelung hindorchverfolgt , von selbst den beiden bespro-
chenen an. Nur liegt es hier in der Natur der Sache, und wir
ersehen es ans Dio ^), daß Tacitns alle einzelnen Angaben den An-
nalen der Eaisergeschichte entnehmen konnte ; der Schloß auf einen
Gewährsmann aus der Fachlitteratnr läßt sich also hier nur aas
der Analogie der ähnlichen Excnrse ziehen. Minder wahrscheinlich
ist es, daß ann. XTT, 60 in diese Reihe gehört« Tacitns schiebt
die Ertheilung der Jurisdiction an die kaiserlichen Procuratoren
in einen ganz snbjectiven Gesichtswinkel, indem er das Steigen
des Ritterstandes an Einfluß und Bedeutung unter dem Principat
auf eine Linie mit den Kämpfen zwischen Senat nnd Ritterschaft
nm die Geschwomengericbte stellt und die persönliche Stellung von
Männern wie Oppius und Baibus, Matius nnd Vedins an die Bewe-
gung reiht, die mit den Sempronischen Gesetzen beginnt. Hier ist
kein rechtswissenschaftlicher Gesichtspunkt und das Material zu
seinem persönlichen Ergüsse stand Tacitns ohne Zweifel in seiner
eignen Geschichtskenntniß zu Gebote.
Der erste Excurs der zweiten Reihe steht ann. m 26 — 28,
wo Tacitns bei Gelegenheit der Modificirung von Bestimmungen
der lex Papia Poppaea über die Anfange des Rechts und der Ge-
setzgebung redet: ea res admonet^ ut de principiis iuris et quibus
modis ad hanc muUitudinem inßnitam ac varieiatem legutn perventum
sU cUtius disseram. Der älteste Stand der menschlichen Gemein-
schaft sei gesetzlos gewesen, da er der Strafe und Belohnung nicht
bedurft habe ; aus ihm sei die Despotie erwachsen, an deren Stelle
bei einigen Völkern die Gesetzgebung getreten, so bei den Griechen
und Römern. Das Königthum des Romulus sei eine Despotie ge*
wesen; die Gesetzgebung habe Numa begonnen und die folgenden
Könige fortgesetzt. Danach spricht er von den Ordnungen der
älteren Republik und den XII Tafeln, von der Revolution und der
Restauration Sullas, vom Kampf gegen diese, der Gesetzgebung
des Pompeius, endlich der Constitution des Augustus. Der erste
Theil der Darlegung ist eine Mischung aus Legende und Theorie,
die Bestandtheile sonst vielfach nachzuweisen, doch nicht in dieser
Verbindung. Der die römischen leges behandelnde Abschnitt be-
ginnt mit einer sehr auffallenden Behauptung. Tacitns betrachtet
den Romulus als einen ohne Gesetze herrschenden Despoten {ncbis
Romulus ut libitum imperitaverat) und schreibt dem Servius Tnllius
zu {sanctar legum quis eiican reges obtemperarent) was die gesammte
1) Die Stellen bei Mommsen St B. H 667 ff.
Die staatsrechtlichen Ezcorse in Tadtas* Annalen. 199
altere Ansohauimg dem Homolas, die Ertheilung des ius publicum ^) :
Livias 1 8, Dionys U 6 — 29 (schließend toiovros 6 xööfLog ^ xfjg
MovaöMsvaa^Siöfig imb *Poii^JLov noXitaiag), Es ist in hohem Grade
unwahrscheinlich daß diese, in Einzelheiten ausgeführte, abwei-
chende Meinung dem Tacitus gehöre, sehr wahrscheinlich, daß er
die Ansicht eines Forschers auf diesem Gebiete wiedergibt. Im
fibrigen beginnt der Abschnitt mit Bomolus und reicht bis Au-
g^ostoa ; er ist in anderm Stil, vor allem ausfuhrlicher gehalten als
die Binleitungssätze * der Annalen , aber , von allgemeinem Inhalt
wie jene, in der Anlage ihnen vollkommen entsprechend. Wir ha<
ben dort die historische Einleitung eines E^pitels über die Magi-
strate, hier eines Kapitels über die Gesetzgebung; und ich will
schon jetzt daran erinnern , daß der zusammenhängende Abschnitt
ans dem iyxaifidiop des Fomponius, den wir besitzen, hinterein-
ander de origine iuris und de origine magistratuum handelt.
üeber die lex maiestatis und die Verschiedenheit ihrer An-
wendung in repubUkanischer Zeit und unter Augustus und Tiberius
berichtet Tacitus I 72, ohne daß die Angaben, so viel ich sehe,
in eine bestimmte Richtung wiesen. Die lex Julia erwähnt er
nicht, die Mittheilungen über den Inhalt sind allgemeiner Art und
auf den Unterschied der Straffalligkeit von facUi oder dicUi zuge-
spitzt: diese Formnlirung ist gewiß sein eigen. Nur einen Aus-
schnitt aus der Geschichte der Wuchergesetzgebung finden wir
ann. VI 16, wo Tacitus an die Festsetzung des unciarium faenus
durch die XII Tafeln, des semh/Meiarium etwa ein Jahrhundert
später und das darauf folgende Verbot des Leihens auf Zinsen
erinnert. Aber es ist deutlich, daß wir den Ausschnitt aus einer
umfassenderen Darstellung vor uns haben, deren Anlage mit den
ftbrigen hier besprochenen übereinstimmt.
Einiger Worte der Erläuterung bedarf der Excurs XTT, 23,
den Tacitus an die im J. 49 erfolgte Erstreckung des pomerium
durch Claudius anknüpft. Er berichtet: Et pcmerium urhia auxU
Caesar j more prisco , quo üs gut protviere imperium etiam terminas
urbis propagare datur. nee tarnen duces Bomani quamquam Wagnis
naiumiims svibactia usurpaverunt nisi L* SuUa et Divus Augustus. regum
in eo ambitio et glaria varie vuigata. sed iniHum candendi et guod
1) Monunaen 8t R. n 10 m 161. — Pomponiiis Dig. I 3,2 et guidem imüo
dßriiatU nottroe populus sme lege certa, «me iure eerto pnmum agere mdiimt
ammaque manu a regüma gubemabaniur» postea aueta ad oKguem modum etvi-
tote ipsum Eomulum traditur populum im XXX partes divieisst etc. Hier sind
beide Ueberlieferongen YemüBcht Die InterpreUtion Sanios (Yarroniaiia in den
Sdirifteii der rOm. Juristen 18. 48 if.) reicht nicht aus.
X|L Q«. 4. W. IlMkilaktaiu PUtotof-Uiltr. Umm. 18M. HillS. H
200 F. Leo»
pomerium Romulus posuerit noscere haud absurdwm rear. igüur a foro
Boario tibi aereum tauri simulacruin c^icimus stdcus designandi ap-
pidi eoeptuSj ut magnatn Herculis a$*am ampUcleretur^ inde eertis spa^
tiis interiecH lapides per ima moniis PalaHni , ad aram Consi , tnox
curi<i$ veter es j tum ad sacdlum Larum f de; fcrumque Bomanufn^)
et Capitolium non a Bomulo sed a Tito Tatio ctdditum urbi credidere.
tnoz pro fortuna pomerium auäum. et quos tum Claudius terminos po-
suerü facile cognitu et publicis actis perscriptum. Der Inhalt dieser
Sätze ist, wenn man die Verschlingung löst,* folgender: 'Das po*
merinm hat Romains um den Fnß des palatinischen Berges ge-
zogen ; Titns Tatins hat den capitoHnischen nnd die zwischen bei*
den liegende Ebene hineingezogen; die folgenden Könige haben
es, wie ans den Annalen bekannt, nach ihren Eroberungen erwei-
tert« Die Feldherren der Bepublik haben sich eines solchen Rechtes
nicht bedient, wohl aber Sulla als Dictator, dann Augustns und
nach ihm Claudius, dessen Inschriften jedermann lesen kann.' Es
ist eine Uebersicht, in der die Hauptpunkte der Geschichte des
pomerium berührt sind, eine Uebersicht, von der Tacitus zum
Schlüsse selbst sagt daß sie nicht auf der Straße zu finden ist').
Folglich hat er die Uebersicht aus Büchern , und es liegt auf der
Hand, wie er eine einfache Zusammenstellung von Notizen künst-
lich stilisirt hat.
Können wir uns der Quelle des Tacitus nahem ? Unsre Ueber-
lieferung über die Geschichte des römischen pomerium ') besteht
einerseits aus den Terminalcippen des Claudius, Vespasian und
Titus, Hadrian (CIL. VI p. 255, Hülsen Hermes XXII 616 sq.),
andrerseits aus wenigen litterarischen Angaben , an deren Spitze
1) Die Corraptel liegt allein in dem verfitümmelten de. Das Forum kami
mcbt als eine den vorher genannten gleichartige Station gelten sollen ; andrätseits
ist nach der Larenkapelle (in summa sacra via Mon. Anc. 4, 7 Solin. p. 6, 17)
noch eine Station ndthig, die die Bichtongslinie nach dem Ausgangspunkt am
forum Boariom ergibt Ich vermathe de<nigue Vestae aedem>,
2) Die publica acta sind nicht die diuma, wie Nipperdey richtig bemerkt,
sondern 'incisa notis marmora pal)lici8\ Tacitus will auch nicht sagen, dafi die
Steine des Bomulns noch an Ort und Stelle zu sehen seien , sondern interiecti
steht auf gleicher Staue mit coeplus. Man darf hiergegen nicht einwenden , daV
er dann statt des Setzens der Steine das weitere Ziehen der Furche hatte er-
wähnen mfiMsen; die Furcbe bedeutet die Mauerlinie (gleichviel wie sie sich zum
pomerium veriialte), das pomerium wird durch die Terminalcippen bezeichnet und
diese muite Tacitus nennen.
8) Auf die den Begriff betreffenden schwierigen Fragen (Mommsen Rom. Forsch,
n iföff. , B. Nissen Pomp. Stnd. 466 ff., A. Kissen Beitr. a. röm. Staatsrecht 11
—27) habe ich hier so wenig wie sof die topographischen einzugehen.
Die staatsrechtlichen Sxcnrse in Tacitns' Annalen. 201
das erste der drei von G-ellias aas dem Werke des Augurs Mes-
salla de auspioiis entnommenen Kapitel steht (XUI 14). Aus der
Vergleichnng dieses Kapitels mit Tacitus bat Jordan geschlossen,
daß Messallas Auguralbücher 'mittelbar' die Quelle des Tacitus ge-
wesen seien ^). Nun liegt die Sache etwa so, daß Tacitus sein
Material wobl in jedem Buche sacral- oder magistratsrechtlichen
Inhalts gefunden haben kann, nur nicht bei Messalla; denn dieser
führt eine Erstreckung des pomerium durch den Dictator Caesar
an'), während Tacitus eine durch Augustus erfolgte nicht etwa
hinzufügt (Jordan 323 A. 23), sondern an die Stelle der andern
setzt, so daß diese ausgeschlossen wird. Beide Erstreckungen
werden von Dio erwähnt, die des Cäsar XTiTTI 60, 1 (XLIV 49, 2)
Eum J. 710*), die des Augustus LY 6, 6 zum J. 746, beide kamen
also in der fixirten Geschichtschreibung dieser Zeiten vor, und
Tacitus würde ohne Zweifel beide an ihren Stellen erwähnen, wenn
er die Geschichte des Cäsar und Augustus geschrieben hätte.
Beide Angaben sind bestritten worden^), die eine weil Tacitus
von ihr schweigt, die andere weil Augustus selbst in seinem Ae-
chenschaftsbericht sie nicht erwähnt und das Bestallungsgesetz
Vespasians die Beiugnifi auf Claudius zuräckführt; beide, weil
Seneca (s. u.) keine von beiden erwähnt. Was nun die Erstreckung
durch den Dictator betrifft, so kann dem Zeugniß Messallas gegen-
über kein Zweifel bestehen ^) , und Mommsen würde keinen erhoben
haben, wenn er nicht die Rückführung des Zeugnisses auf Messalla
bestritte. Daraus daß Tacitus, nach seinem Gewährsmann, die
Thatsache stillschweigend in Abrede stellt*), folgt, daß jene Er-
streckung zu einer Zeit nicht als rechtsgiltig angesehen worden
ist. Die Zeit des Augustus war das, selbstverständlich, nicht;
unter ihm schrieb Messalla. Von Claudius ist mit Bestimmtheit
anzunehmen, daß als er daranging das pomerium zu erstrecken, er
die Frage nach allen juristischen und antiquarischen Gesichts-
1) Rom. Top. I 163. 819.
2) Mommsen St R. 11 788 A. 6 bestreitet daS dieser Satz bei Gellins aus
Messalla stamme, gewiB mit unrecht. Die von Detlefsen (Hermes XXI, 602) be-
hauptete begriffliche Verschiedenheit der Aasdrücke fines imperii und popuU Bo-
mani kann nicht gelten, Tgl. Monunsen St. R. m 826 A. 1.
8) In Briefen des Jahres 709 erwähnt Cicero mehrmals die Absicht des Die-
tators.
4) Mommsen St R. II 738. 1072.
5) Detlefsen Hermes XXI 618.
6) In der tita Anrelians 21, 11 (jpommoj addidU Äugmliuej addidü J\raiamu$,
Nero ist nicht einmal Claudias erw&hnt
202 F. Leo,
punkten dnrchgeprtift hat. Daß er es gewesen ist, der den Akt
Cäsars verworfen aber den des Angnstns anerkannt hat, dfinkt
mich in hohem Grade wahrscheinlich. Ans dem Yespasianischen
'Kaisergesetze folgt, daß Claudius die Befngniß des Princeps gesetz-
lieh hat constituiren lassen und daß Augastus das nicht gethan
hat; ob er in seinem Rechenschaftsbericht die Erstrecknng aus
rechtlichen Bedenken verschwiegen hat (Detlefsen p. 616) ist nicht
auszumachen ^).
Es folgt hieraus, daß bei Gellius die ältere, bei Tacitns die
jüngere Anschauung vorliegt, beide aus technischen Schriften ge-
flössen, die taciteische der Formulirung des Claudius entsprechend.
Wie die Einleitungssätze der Annalen mit der Bede des Claudius
zusammentreffen, so mag man vermuthen, daß zu dem Excurse
über das pomerium wir das Material im censorischen Edict des
Claudius vom J. 49 finden würden, wenn es erhalten wäre; man
konnte auch vermuthen, daß von Claudius zur Vorbereitung seines
Actes eine eigne Schrift über das pomerium ausgegangen wäre,
wie er über seine Buchstaben geschrieben hat. Aber zur Erklärung
des Sachverhalts reicht die Wahrscheinlichkeit aus, daß in einem
hervorragenden Werke über ius publicum, das Tacitus benutzen
konnte, die claudianische Anschauung über das pomerium vor-
waltete.
Nicht übergehen möchte ich in diesem Zusammenhang die cul-
turhistorische Betrachtung, die Tacitus IQ 55 an den Brief des
Tiberius über die Einschränkung des Luxus knüpft ; aber diese ist
sicherlich sein eigen. Unter den Juliem und Claudiem sei der
Luxus auf der Höhe gewesen, durch drei Ursachen sei, ohne gesetz-
liche Hülfe, seitdem eine Verminderung eingetreten : durch die G-e-
fahr, die den Vornehmen übertriebener Glanz des Lebens gebracht
habe, durch das Aufkommen des neuen aus einfachen Provinzial*
Verhältnissen hervorgegangenen Adels, durch das Beispiel vom
Throne, das zuerst Vespasian gegeben habe. In diesen tiefgrei-
fenden Gedanken ist nichts was Tacitus hätte in Büchern suchen
müssen.
1) Seneca de brev. nUe 13, 8 sq. excerpirt miter einer gangbaren Fiction {hi$
diebus audivi quendam referetUem) ein küTElich erschienenes MisceUanbach anti-
quarischen Inhalts, dessen Verfasser nur von Solla weift daft er das pomerinm er-
streckt hat, weder von Caesar noch von Aagostns (§ 8). Das ist geschrieben kan
▼or der Erstrecknng dorch Claudias und sehr beseichnend dafflr, wie wenig man
sich am die nach Solla geschehenen Aasflbungen dieses Herrenrecbts gekümmert
hat, bis Clandias die Frage aofrOhrte.
Die stAaUrechtUchen Excane in Tacitos' Annalen. 203
Dagegen stellen aicli nach Form nnd Absicht in die Reihe der
besprochenen Exonrse zwei historische üebersichten von nicht staats-
rechtlichem Inhalt: die eine über Art and Form der römischen
^peetaeula (ann. XIV 20. 21) in der loseren Form des Stadtge-
sprächs ^), für nnd wider die neuen NsgAvsta ; die andere eine Ge-
schichte der Schrift, bei Grelegenheit der Clandianischen Bachstaben
gegeben (XI 14). Diese Sätze über Erfindung und Ausbildung des
griechischen und italischen Alphabets haben ein besonderes Inter-
esse, da sie sich in eine Beihe gelehrter IJeberlieferungen gleicher
Art einfügen, deren Grundstock auf den aristotelisch-theophrasti-
sehen xinXog zurfickgeht *). Tacitus folgt durchaus den Angaben
Theophrasts *) , indem er die Schrift von den Aegyptem zu den
PhSnikem, von diesen durch Eadmos zu den Griechen gelangen
l&Bt, während Aristoteles den Phönikem die Erfindung läßt^). Da-
nach stellt Tacitus nach der Meinung 'Einiger' den PhSnikern und
Kadmos gegenfiber als Erfinder der ersten 16 Buchstaben Eekrops
oder Lines oder Palamedes. Auch hier liegt Theophrast zu Grunde,
der dem Palamedes die HinzufÜgung des 17. bis 20. Buchstabens
satheilt, während Aristoteles den Epicharm als Ergänzer des Al-
phabets (2 Buchstaben zu den vorhandenen 18) an Stelle des Pala-
medes setzt % Lines erscheint auch sonst \ Kekrops nur bei Ta-
citus ; es ist keine theure Wissenschaft, wie man aus den Schollen
zu Dionysius Thrax ersehen kann. Dann folgt Simonides an sei-
nem Orte. Die IJeberfiihrung der Schrift nach Italien wird dem
Demaratos f&r die Etrusker, dem Euandros für die Aboriginer zu-
geschrieben, jenes bestätigt durch Cicero de rep. II 34, dieses
durch Livius I 7, 8 und Dionys. I 33 ^). Das Ganze ist, wie man
sieht, StilisiruDg landläufiger Gelehrsamkeit, die so oder ähnlich
in vielen Handbüchern zu finden war. Man wird eher annehmen
wollen daß Tacitus einen solchen StofiP an seinem Wege bereitet
fand als daß er wie Plinins irgend ein gelehrtes Repertorium zum
Zwecke nachgeschlagen habe. Es liegt nahe, und hier mit besse-
1) Zur Fonn Tgl. ann. II 73 Xm 6 nnd besonders I 9. 10.
2) Es gendgt auf Wendling de peplo Aristotelico p. 7 sq. 29 sq. 61 sq. eq
Terweisen.
5) Rose Aristot. frg. p. 896.
4) Rose p. 318.
6) Plinins N. H. VII 192, vgl. Gramer anecd. Oxon. IV 319. Hygin f. 277 Ter-
einigt Palamedes nnd Epicharm, Tgl. Wendling p. 29.
6) Soidas s. t. an Stelle des Kadmos, paroem. gr. I p. 97 als sein Gegner»
Gramer anecd. Oxon. lY 818 statt seiner Mnsaios.
7) Vgl. Plinins VII 210.
901 F. Leo,
rem Recht , daran za denken daß Claudius selbst sein Qewährg-
mann sein konnte, der über seine Buchstabenreform privcUtis (Mdhuc
ffciumen edidit (Suet. Claud. 41)').
Wenn wir nunmehr die Reihe staatsrechtlicher Excurse musterny
so finden wir fast in jedem die Zeichen fachmäßig gelehrter Be-
handlung, fast in jedem, wo nicht der Stoff es ausschließt, die
historische Uebersicht von den Königen bis zum Principat geführt.
Ehe wir den für Tacitus sich ergebenden Schluß im allgemeinen
formuliren, wird sich noch eine Frage erheben. Kann Taoitus die
Excurse bereits in den Darstellungen der Kaisergeschichte, denen
er folgt, vorgefunden haben ? Für unglaublich von vornherein dcurf
man das nicht halten. In den Historien findet sich II 37 eine in
die Vergangenheit greifende Betrachtung, die sich einführt als dem
Geiste des Schriftstellers entspringend, deren wesentliches Material
aber, das Tacitus freilich mit originalen G-edanken ausgestaltet
und nach seinem Geiste stilisirt hat, dennoch als der fixirten Dar-
stellung angehörig durch Plutarch (Otho 9) erwiesen wird ; und selbst
Xiphilinus hat einen Nachklang davon bewahrt (Dio LXIV 13, 2).
Von den besprochenen Excursen der Annalen aber findet sich bei
Dio von keinem eine Spur; und wir können mit Sicherheit darauf
bauen, daß Tacitus diese in der That in die Darstellung, die er
vorfand, selbst eingefügt hat.
Der Schluß, der zu ziehen bleibt, ist der, daß Tacitus die
sämmtlichen staatsrechtlichen Excurse, die sich zu einer in Anlage
und Inhalt übereinstimmenden Gruppe zusammenschließen , aus
einem und demselben Werke über ins publicum oder ius civile im
weiteren Sinne entnommen hat. Wir haben nur noch zu fragen,
von welcher Art dieses Werk gewesen sein mag , in welcher Ge-
gend der Litteratur wir es zu suchen haben.
Die Excurse sind sämmtlich historische IJebersichten ; der Ge-
danke, der hieraus entstehen könnte, daß Tacitus eine Darstellung
der Rechtsgeschichte oder der Geschichte des öffentlichen Rechts
benutzt habe, erledigt sich von selbst. Es gibt keine für sich be-
stehende Rechtsgeschichte im Alterthum, so wenig wie die ausge-
bildete Geschichte irgend einer Kunst oder Wissenschaft. Bücher,
die den Anschein haben, die Geschichte der Philosophie, der Me-
dicin, der Poesie oder irgend eines Gebietes der schönen Litteratur
1) Nur erw&hnen wül ich den Excon über den Phoenix VI 28, der sich ohne
weiteres als gelehrte Einlage gibt, und die historischen Bemerkungen aber den
Caelios lY 65 , in denen wieder die Anschauung des Claudius bevorsugt ist, hier
gegenüber der varronischen sowie der annalistischen.
Die Bta&tarechtlichen Excnrse in Tadtas* Annalen. 205
zosammenfassend darzuBtellen , bestehen in systematisclien Znsam-
menatellungen der Lehrmeinongen oder in chronologisch oder nach
Schulen geordneten Sammlangen von ߣoi. Tractate, die eine hi-
storische Forschung und Erörterung anstreben, stehen vor den
Commentaren der Dichter, vor den Abschnitten der Bücher de
viris inlustribus. Solche historische Uebersichten vor systemati-
schen oder systematisch angelegten Werken oder ihren Kapiteln
entsprechen der antiken Sitte; wie vor Suetons biographischen
Bfichem finden wir sie vor Quintilians Rhetorik (HI 1), vor Vi-
truvs Architectur (II 1) ^). Es wäre an sich eine sehr wahrschein-
liche Folgerung, daß auch juristische Werke, die sei es das System
sei es ein Gebiet umspannten, dem Granzen oder den Theilen histo-
rische Ueberblicke vorausgeschickt hätten. Aber es bedarf der
Hypothese nicht, wir haben es mit einer bekannten Thatsache zu
thun; die historischen Einleitungen, beginnend mit den ältesten
Zeiten, finden sich vor zahlreichen Schriften, die zu sehr verschie-
denen G-attungen der juristischen Litteratur gehören. Gaius leitet
den Commentar zu den XII Tafeln mit folgenden Worten ein'):
facturus hgum V€tust€urufn interpreiationem necessario jp. r. ius^) ab
urbis initiis repetendum existimavi, non quia velim verhosos commen^
tarios faeere^ sed — incanveniens erü omissis initiis atque origine non
repetita — protinus materiam interpretaiianis tractare. namque — istae
praefaiiones — lihewtius nos ad lectionem praposiiae materiae produ*
cunt etc. Die Worte beweisen die Sitte und zwar die Sitte aus-
fuhrlicherer Einleitung als Gtiius zu geben beabsichtigt. Femer
sind von einer Anzahl der zahlreichen in den Digesten excerpirten
Schriften de officio eines Beamten Stellen vorhanden, die de origine
(^ficii handeln : von Paulus' Buch de officio praefedi vigüum (Dig. I
16, 1. 3), von Ulpian de officio guaestoris (I 13), von Charisius de
officio praefedi praetorio (I 11). Deutlich tritt in dieser Ueberein-
stimmung die Tradition hervor ; zumal das Fragment Ulpians (vgl.
oben S. 196) ist von dem Zuschnitt nach dem man sich die Vorlagen
des Tacitus denken mag. Für systematisch angelegte Bücher be-
weist das wichtigste Stack dieser Art, der Abschnitt den die justi*
manischen Compilatoren dem iyxsiQidiov des Sex. Pomponius ent-
nommen und unter die Kapitelüberschrift de origine iuris et omnium
t) VitniT findet es ndthig die Grfkiide anxQfUiiett wamm er diese fiinldltaiig
nicht Tor das 1. Bach gestellt habe (§ 20).
2) Dig. I 2, 1.
8) Ueberliefert ist priius, die Aofiösong von Mommsen. Sanio (Varron. in
den Schriften der röm. Juristen 226) wendet nicht mit Unrecht ein, dal priius an
sich gut ist (ülpian Dig. I 1,1); aber rispekiKiNfli verlangt ein Object
206 F. Leo,
magistratuutn et st4Cces$ione prudentium gesetzt haben (Dig. 1 2). Hier
wird von der Entstehung der Rechtsquellen, von der Entwicklang
der Magistratur gehandelt und ein Abriß der juristischen Littera*
turgeschichte gegeben; wenn wir die beiden ersten Abschnitte in
breiterer Ausführung und mit gelehrtem Material reichlicher ver-
sehen denken, so befinden wir uns in der Sphäre, aus der Taoitus
seinen Stoff genommen hat. Das iy%BiQ{SLov war die kürzere Fas-
sung eines größeren, doch sehr kurzgefaßten Handbuches, das neben
den ausführlichen Werken des Fomponius über ins civile herging ') ;
wenigstens in der Einleitung^) berücksichtigt Fomponius das ins
publicum und privatum gleichmäßig, wie denn bei historischer fie«
trachtung die beiden Gebiete, trotz des Zurücktretens des ius
publicum in der wissenschaftlichen Behandlung, nicht getrennt
werden konnten.
Daß juristische Handbücher, so gut wie Dionysius Thrax, He-
phaestion, die rhetorischen iyxe^fidMj auch ohne historische Ein-
leitung bestehen konnten, zeigen die Institutionen des Gaius, die
mit den Definitionen beginnen, auch die des IJlpian (Lenel Paling.
II 926). Dagegen gefallt sich das einzige staatsrechtliche Werk
des Alterthums das wir besitzen, Lydus de magistratibus , in hi-
storischen Ausführungen, die aber leider nicht einmal beweisen
können, daß andere Werke ähnlichen Stoffes in früherer Zeit eine
ähnliche Anlage gehabt haben; denn da der Mann gar keine ge-
lehrte Litteratur benutzt*), so haben wir auch keine Gewähr da-
für, daß er mit seinem Buche in der Continuität der litterarischen
Form steht.
Die Trümmer der technischen Behandlung des Staatsrechts
sind bei dem ausschliesslichen Interesse, das in den Zeiten der
Compilation dem Frivatrecht zu theil wurde, außerordentlich ge-
ring ; es hat ja auch nicht an Juristen gefehlt, die geleugnet haben,
daß das Staatsrecht überhaupt einer dauernden wissenschaftlichen
Behandlung unterlag ^). Aus älterer Zeit wissen wir von Büchern
de magistratibus (Tuditanus) , de potestatum iure (Gracohanus : Cic.
de leg. m 48) , de ccnsulum potestate (L. Cincius) , aus der klassi-
schen Zeit ist nicht viel mehr als eine Beihe von Specialwerken
1) Vgl. Jon, Born. Bechtswissensch. sor Zeit der Republik 9. Lenel Paling.
II 44 denkt an Handbücher Tenchiedenen Inhalts.
2) DaS das Stack de origine iuris in diese gehört, lehrt die Analogie.
8) Besonders gegen Niebahr nachgewiesen von Dirksen Vermischte Schriften
60ff.
4) Vgl. Dirksen Vermischte Schriften 173 ff.
Die staatsrechtlichen Excurse in Tadtns' Annalen. 207
der letzten Axt anzuführen (s. o.). Daß diese Bücher sich nicht
auf die Jorisdiction des Beamten beschränken, lehren die in reich-
licheren Excerpten vorliegenden, wie Ulpian de officio proconsulis ^) ;
die Magistratur bedeutet nicht mehr das Staatsrecht, wie in der
republikanischen Zeit *), aber sie ist doch nicht von ihm zu trennen.
Wenn wir aber das von Tacitus benutzte Werk nicht bezeich-
nen können, so fehlt es doch nicht an Indicien, die in eine be-
stimmte Richtung weisen. Wir haben gesehen, daß die Excurse
im allgemeinen die Zeit von den Königen bis zu der durch Augu-
stos gegebenen Constituimng umfassen ; daß der Gewährsmann für
die Geschichte der Stadtpräfectur die Anschauung wiedergibt, von
der Augnstus bei der Neugrundung des Amtes geleitet worden
ist; etwas ähnliches war bei der Quästur zu bemerken; die Mit-
theilungen über das pomerium beruhen auf der durch Claudius of-
ficiell gewordenen Anschauung. Zunächst erledigen sich die Muth-
maßungeUi die gelegentlich über Schriftsteller der republikanischen
Zeit als Gewährsmänner des Tacitus geäußert worden sind: Nie-
buhr hat offenbar an Gracchanus gedacht '), Dirksen den Nachweis
far Varro zu fuhren versucht^). Es ist klar, daß der Verfasser
des von Tacitus benutzten Werkes unter dem Principat geschrieben
bat; zugleich aber auch, daß das System des Staatsrechts, dem
er folgt, auf die Constitution des Augustus gegründet ist. Mit
dieser bescheidenen Erkenntniß müssen wir uns , soviel ich sehe,
begnügen; aber ein Schritt zum Ziele ist mit ihr gegeben. Denn
der Mann, in dessen Geist und Richtung der Gewährsmann des
1) 10 Bücher; vgl. Rndorff Abh. der BerL Akad. 1865, 284. Lenel Paling.
U 966.
2) Cic. de leg. HI 12 nam sie hahetote nutgistraübus iiaque qui praentU eoH'
fmeri rem publieam et ex eorum eompoeUüme quod euiuaque rei publieae genue
mt inkUegi.
3) B. Q*. n 207 f. verglichen mit 1S6 A. 251.
4) In einer dem Gegenstände in keiner Bichtnng genügenden Abhandlung 'die
rdmisch- rechtlichen Mittheflnngen in des Tacitus Geschichtsbüchern' (Abh. der
Berl. Akad. 1860, 1—11). Niemand der mit Tacitus and Yarro vertraut ist wird,
auch soweit Stoff und Z^i es erlauben, an Yarro als Gewährsmann des Tacitus
denken. Es lohnt nicht einmal, aus AeuBerungen Yarros das Abweichende cu-
sammenzusteUen , da Dirksen nicht den Schein eines Argumentes vorbringt; oder
eben nur den Schein, nämlich Sanios Meinung, daft Pomponius auf Yarro beruhe,
und die eigne, daft in dem Abschnitt über die Quästoren (in dem übrigens Tacitus
von Yarro und andrerseits Pomponius von Yarro und Tacitus abweicht) Tacitus
und Yarro aus gleicher Quelle schöpften; wobei er das Wort repetUa übersehen
zu haben scheint, das eben das besondere der taciteischen Ansicht enthält. Ich
wiederhole nur, daft Yarro schon darum ausgeschlossen ist, weil die Excurse im
Staatsrechte des Prindpats wurzeln«
XfL 0«. <L W. VMkffekiM. rUl«tof .-Urt«r. Umm. 188$. H«ffl 2. 15
206 F* Leo, die staatarechtlichen Excune In Tadtas' Annalen.
Tacitus gearbeitet hat, ist damit definirt: es ist der Jurist des
augusteischen Principats, Ateins Capito« Nicht auf ihn» aber auf
seine Nachfolge geht das von Tacitus benutzte Werk zuräck.
Selbst wenn es möglich wäre, den Verfasser des Buches sn
benennen, würde damit doch schwerlich mehr als der Name eines
Mannes gewonnen sein, der ein typisch gewordenes Material Über-
nommen und neu geformt hätte. Das Wesentliche ist erreicht^
wenn die Sphäre, in die das Buch gehört, richtig bezeichnet ist.
In der Hauptsache steht es hier nicht anders als in der gesammten
Quellenuntersuchung der taciteischen Oeschichtswerke. Auch die
neuesten Arbeiten über die Quellen des Tacitus, darunter so ein*
gehende und ergebnißreiche wie die von Fabia ^) und Gtercke *),
haben mich nicht überzeugt daß es gelingen könne, bestimmte
Werke als Hauptquellen des Tacitus für bestimmte Absohnitte,
wie die Geschichte des Tiberius oder des Nero, nachzuweisen. Es
war eine fixirte Annalistik der Kaiserzeit, mit den wiederkehrenden,
aus ira und Studium erwachsenen Varianten, die Tacitus tibemahm
xuad in die Form seines Geistes goß. Was man aus den Unter^
suchungen über die historischen Quellen des Tacitus gewinnt, ist
die richtigere Beurtheilung des Mannes selbst und des Litterator-
gebietes dem er angehört. Aehnlich steht es mit den Excursen.
Wenn wir sie richtig beurtheilen, so vervollständigt sich das Bild
des Künstlers, der ihre Form gestaltet hat, und fällt ein Licht
auf die litterarische Production, die ihm den Stoff zu diesen ver**
streuten Bildern liefern mußte.
1) Les sources de Tacite dans les histoires et les amisles, 1893.
2) Senecs-Stadien, 1896.
Des Mädchens Klage
eine alexandrinische Arie.
Von
Ulrich Ton Wilamowltz-Moellendorir.
Vorgelegt in der Sitzung vom 1. Angnst 1896.
Die jüngste Pablication aegyptischer Papyri der Ptolemaeer-
zeit hat ein Stück gebracht, das wegen seiner Seltenheit gleich
im Titel hervorgehoben worden ist, als Älcxandrian erotic frag-
ment^). Der Heraasgeber denkt an Herkunft aas einem Ro*
1) Grenfell Oxford 1896, von Diels in der Deutschen Litteraturzeitung, von
ßlaB in Fleckeisens Jahrbuchern sofort besprochen. Die Behandlung von H. Weil
in der Revne des ^tndes Grecques geht mir durch die Güte des Verfassers zu,
während dies gedruckt wird. Ueber £. Rohde vgl. den Nachtrag. Ich hoffe
durch meine positive Behandlung einer Polemik gegen die ausgezeichneten Ge-
lehrten überhoben zu sein. — Die Actenstücke, die Grenfell sonst veröffentlicht,
sind zumeist nicht besonders interessant, aber (von zuweilen recht störenden Ac-
centfehlern abgesehen) dürfte nicht selten die Krgänznng, zuweilen auch die Le-
sung noch nicht am Ziele sein, worüber sich kein Einsichtiger wundern wird.
Z. B. in dem interessanten Privatbrief No. 68 erkennt man leicht Z. 9 xal 'A{jio5;
inXXdl 001 dReiXtl, '^()^ T^P ^^ vielen Briefen alle grüften l&6t, nnr sie nicht', mit
abondirendem 7a'p; das ist im 4. Jahrb. n« Chr. nicht auffallend, ouv abundirt
schon im 2. t. Chr. Z. 20 ist fdxwf%6po\K (nicht <p9^p.) wol auch geschrieben,
sicher gemeint. Aber was von Z. 28 folgt, kann so nicht auf dem Papiere
stehn. 43,4 muB lypa^ac oder i^^^xt allenfialls da stehn, nicht frpa^a, denn
der Sinn ist 'Ihr schriebt mir Ihr hättet die Stute gekauft, und der Jude Dananl
sollte sie bringen; er bringt aber keine und avisirt auch ihr Kommen nicht'. 41
bezweifle ich nicht die Lesung, aber beabsichtigt war iiapd Ilrrcupeo« * öci)9^vn {hU-
VtvTo) |AOU urdp^ 001 cic oxi^povov yakxo'j rdk. U. c{m»ytt. 88 ^vttXoykv irp^c {u 9u-
9n)od|uvo; fnpf <Tt>v<Dv (der Schreiber hat beim Zetlenübergang zwei Buchstaben
▼ergessen; vditv paBt nich^ und war längst abgestorben) t* t&i 'porc^pafA^i^oii
Up«M & ivxixXv)(iivoc icpoGin)oi^|Oac piot ivtuindv Ttvu>v iTUimv fy cl^cv ^^$a>i rXY)7aU
^i^oocv • . . . . yoc pipoc toO ouipiaToc, S Ik (ou die Abschrift) itcpußX^fAi^v ^i^vtov
xatlpi)^. Z. 19 W, id<p7pd7«o diXi){^, tvxw tou ic«a{ou: die Uaplographie ist
K|L 0«. d. W. HMkitoktn. PUloloff..kkl«r. Umm. 188«. Htd t, 16
t
> T
210 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,
mane; zwei so competente Beurteiler wie H. Biels und Fr. Blaß
reden von rhythmischer Prosa; wie gewöhnlich fallt das Schlag-
wort asianisch, das auf griechischem Gebiete ganz so beliebt und
ganz so leer ist wie der stilus Afe^' auf dem lateinischen. Der
Verfasser bekommt Schelte dafür, daß er zu vulgäre Worte ange-
wandt hat, ganz als ob er für einen Professor der zweiten Sophi-
stik gearbeitet hätte. Ich werde zeigen, daß wir ein gutes und
sehr merkwürdiges Gedicht vor uns haben.
Der Schreiber des Papyrus war Dilettant ; er schrieb sich auf
die Rückseite einer B;echnung einen litterarischen Text ab. Schä-
den des Papieres zwangen ihn namentlich gegen Ende größere
Räume unbeschrieben zu lassen, was den täuschenden Eindruck
absichtlich verkürzter Zeilen macht.
Der Schreiber hat sowol in den Buchstaben wie in der Inter-
punction mehrere Fehler begangen; er hat aber die litterarischen
Interpunctionen , Doppelpunkt in der Zeile und Strich zwischen
zwei Zeilen, häufig gesetzt. Daß in lyrischen Versen nur die Pe-
rioden, nicht die Glieder abgesetzt werden, ist bekannt, und da
diese hier, wie meist, zugleich Sinnesabschnitte abgrenzen, ist die
Poesie als solche gar nicht kenntlich gemacht. Dionysios von Ha-
likarnass verrät uns bekanntlich, daß seine Zeit ohne die Kolo-
metrie der Grammatiker lyrische Verse nicht sicher erkannte; so
ist begreiflich, daß man hier irren konnte. Sobald aber der Gram-
matiker seines Amtes gewaltet hat, wird niemand die Verse ver-
kaum incorrect, 52 ist keine Rechnung, sondern eine Sammlung von Reeepten,
die Drachmen geben das Gewicht an ; erst ein ^xöcptaTov d. i. dvr^SoTov, dann ein
fidXaYp.a, von dem nur 8 Dr. Kolophonium angegeben ist, dann Y((vrrac) pvß', was in
der Umgebung nicht paBt. Auf der Rückseite ein \kdkay[ioL, dasselbe d^d^^os wie
vorher. 24, 7 ß<i9sr|C abgekürzt für ßao(>w{a9r^;, interessant, weil ans 2. Jahrh. v. Chr.,
sonst Tgl. Keil Herrn. 29, 820. 18 stehn manche Fremdwörter wie (A(i»(7Tta, die
ich nicht verstehe, aber Z. 6 muB es ^rJoratTov, nicht Iti sraTov, sein, das attische
Wort für {)i:oxpT)'nip{$tov auf der Stele von Sigeion. Interessant ist der Inhalt
zweier geflochtener Kasten (d^ßcu; also 9lßu ist bessere Form als ft^ßi]), X^yot v).^-
po( dvarvwartxtf ^Xa irj&vot, d.h. Rechnungen, Urkunden (Besitatitel über xX^poc
an Land) Liesebücher und Godicilli von Buchsbaum, Notizbücher. Das hübscheste
ist die Art, wie ein Eidschwur über das Besitzrecht an einem Stücke Land ge«
leistet wird. 11^ 16 schreibt der, dem der Eid zugeschoben ist, Xap^rra [yfjv dir6
Töiv 6p{u)v ö{A<S9at iiz\ Tou Kpovc(ou. 11^14 schreibt der Beamte Techytes, der die
Sache geleitet hat, an seinen Collegen Daimachos (nicht Dagmachos), der das
Ergebnis irgendwo sonst publiciren soll (Tva ouv iyßi\i, ^icht ^8i)c 20): (poEdfuvov
(nicht Spu£.) t^c ff^ dit6 ti&v 6p(iiiv 6(AÖ8at iid tou Kpovc^ou u, s. w. Dann folgt die
Prodamation 25 tov [npofD.jrfitrza, t&t IlavSt i£ ci^oxouvtuiv (durch Compromü) ^p-
xov l?nT[cTtXso]|Aivov Ü1C* a6[Tou. Ich habe immer nur meine Erg&niungen beielcbnet
des Mädchens Klage. 211
kennen, die sogar sehr regelmäßig sind; ich konnte mich beinahe
daranf beschränken auf meine Erlänterong der tragischen Doch-
mien zu verweisen^). Leider vermag die Schrift die Hauptsache
nicht so wie die lebendige Stimme, nämlich zu zeigen, daß die
Verse mit wirklich rhythmischem Klange ins Ohr fallen. Ich führe
also in meiner Abschrift die Kolometrie durch und bezeichne am
Rande die Verse in der Weise , die ich in meinen Ausgaben atti-
scher Dramen befolge. Ich führe außerdem die uns geläufige Pros-
odie ein, denn ich will das Versmaß klar stellen. Sonst würde
ich als Herausgeber dem Papyrus folgen, da der moderne Leser
sich an die läßliche antike Weise in der Bezeichnung von Elision,
Krasis, Apokope u. dgl. gewöhnen soll.
'E£ a|i.90Tipa>y y^^ov' aipeotc' i-
2 S (anap)
CcoYCofts^' tfi^ fpikla^ K&Tcpic ior'
2 5 (anap)
avÄSoxoc* iSbyri |t' Sx^t,
2iamb
8tay iva|jLyT)od«d y
5
5 &c |ts xatsf {X8i 'ictßo6Xa>^ |i.iXXo>v
2S
IJLS xataXi(Lffdy8iy,
3
axataotaodfjc s&psTi^c-
8 (anap) + i (cret)
X<ii> t^y ftXtay ixTtxoK
6 (anap) + i (cret)
IXaßd |i' ''Epcd^.
3
10 o&x &icavaCya|tai a&t&y Sx^oo' iy vf^i Siayotai.
6 dakt
""Aotpa fCXa xal ooysp&oa iröryta N&£ |toi,
3i
icapdics|i<|>oy iftt |u yoy xpöc 8y
2i
1^ Konpi^ SxSotoy
8
$7» (16 x^ iroXoc ""Epcoc ffapaXaßa>y.
3i
16 ooyo^TjYÖy £x^ ^^ ^^^^^ ^P
8 (anap) + i (cret)
to&y vfii 4^t>x^t {Loo xaid|i6yoy.
2 8 (anap)
cou>Td |i' adtxst, tat>T& |ji' iSoy&i*
2i
6 f peyandrqc
8
6 icpö Toö \fjir[a f poytt»y xal [6] ri]y Koicpty o&
S -{-8 (an)
20 9d|uyoc clyat voö
8
ipdy itot) alttay
8
oi% i]V8f X8 yüy
8
tfjv xoxoooay aStxfay.
2i
MiXXco (La(ysodat,|
8
25 Ci)Xoc T^ (>•' ^X^t
8
xal xataxdio(Lai
8
xataX8X8t|i|iiyT].
8
I) H«nU. U* 166. 218. ffippoL 8. 219. 236. 288. Choeph. 236.
16 ♦
212 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,
abxb Sk to5tö (toi 8
tooc orecpdvooc ßdXs, 8
30 oic (iS(jLova){iiv7] 8
yUßiüzia^Qo^i. 8
xopte (jLiij {l' df ijic 8
&icoxexX8i(iivir]v. 8
SiioLi (i^ . s&Soxü) 8
35 Cn^Xcoi SooXeoeiv. 8
lici|iavddc ^pav S
jid^av $x®^ wövov 8
Cif]XoTOiC6iv ifotp Sei 8
ot^Yeiv xaptepeiv. 8
40 av 8' Ivl fcpooxotdsi 8
(tövov, Sf pcdv loei. 8
6 Y&p (Lovi&c Sp<i>c S
(taCveo^ai fcotei. 8
Tivittox' 8tt i
46 fli>|iöv ivtXYjtov Sx**> 2i(chor)
8tav Spic XdßYjt |ie. {taiyo|iai , 8 + i
Stav dva{tVY)od(i) , 8
el (iovoxoiti^oo) , 8
00 84 xP^^^^Ceö*' ««otp^xetc. 8 (anap) + i (cret)
50 vöv av 6pYio^cö|JLsv, eädt> 8et 8 + i
xal 8taX&eo^ai. 8
o&x^ 8td Toöto f (Xooc ^o^BDf i + 8 (anap)
0? xpivoöoty t(c aSixst ; 2 i
Dieser Text ist bis auf weniges gesichert; 5 und 42, wo das
Versmaß gelitten hat, werden sogleich besprochen werden. 19 ist
der Artikel fälschlich wiederholt (denn in der Verleugnung der
Kypris liegt das (i^a <ppov6iv), für das Versmaß ohne Belang. 21
hat Grenfell {loi aktav gelesen, aber als unsicher bezeichnet, {ioo,
was der Sinn fordert, ist eben so gut möglich. itfitaitCav liest
Blaß wider Vers und Sinn. 22 habe ich dem Sinne folgend v&v
gesetzt. Dem Facsimile würde ich zunächst |ti^v entnehmen wie
Blaß; Xtav GrenfeU: sicher ist nur das schließende Ny. 36 im-
|i.avoac 6pay der Papyrus , von Diels verbessert. 40 ist idv ge-
schrieben; die Aussprache lehrt der Vers; Sv kehrt 50 wieder.
46 ist |ta(vo(t^ mit falscher Elision geschrieben. 47. 48 stand vor
der Correctur dvap7]o^ä>{Lai, von Blaß richtig beurteilt. Sehr gern
würde ich otav &va(Lvii]oddb hier tilgen; es steht V. 4. Die An«
fangsbuchstaben der folgenden Columne wiederhole ich nicht. Pa-
des Mädchens Klage. 213
ragraphos steht richtig vor 11, 24, 44, 50, unrichtig vor 18 (denn
so ist der Strich berechnet, der über der Zeile steht, die mit jt^Ya
9pov&v, 19^ beginnt); vor 17 sollte sie stehn, denn taötoc weist auf
das folgende. Ganz nnklar ist der Strich vor 7, denn hinter eo-
pen^C steht in der Zeile Doppelpunkt, so daß dies Wort richtig
zum vorigen gezogen war. Offenbar ist der Strich am Rande durch
häufigeres Abschreiben des Textes bei wechselnder Columnenbreite
verschoben; das mußte leicht vorkommen, beweist aber ein litte-
rarisches Vorleben des Textes.
Daß wir ein G-edicht vor uns haben müssen, sollte die dritte
Strophe genügend lehren, 24 — 43, zwanzig dochmische Monometer,
also ein Stuck ganz in dem besonderen tragischen Stile, wo die
einzelnen Metra durch Wortschluß, hier sogar durchgehends durch
metrische Fermate, abgesetzt werden. Die Dochmien haben die
Form ü^^ — G — , 80 daß die letzte und drittletzte Sylbe durch-
gehends lang sind, sie sind also strenger gebaut als im Drama.
Auch alle andern Dochmien des Stuckes scheinen so gebaut ge-
wesen zu sein. Der einmal vorkommende zweisylbige Anlaut 19
kann nicht befremden, vgl. Herakl. II* 191 *). Dagegen dürfte V.
42 6 7ap {jiovto^ Spooc unerträglich sein. Gesetzt auch, man nähme
eine Unterdrückung des Iota an, nach Art der Fälle, die Hephae-
stion 2 behandelt *), so bliebe doch eine Auflösung der drittletzten,
die hier unbelegt ist. In solchem Falle sieht man sich den Sinn
scharf an, und die Steigerung des Gedankens ist der Partikel 7Ap
ungünstig. ^Rasend zu lieben ist eine schwere Qual; bleibt man
einem treu, so kommt man von Sinnen, denn der {tovtö? Spcoc macht
verrückt'. Was ist der [lovtbc fpwc? Nicht dasselbe wie evl «rpoo-
xa^odai, sondern die * vereinsamte Liebe'. Gebräuchlich ist das
Wort nur von einem wilden einsam jagenden Tiere ; aber ein sicher
aus irgend einem Alexandrinischen Dichter stammendes Bruchstück,
das Herodian erhalten hat, führt den (toovtb^ oicvoc ein (Gramer An.
Ox. n 55, 22), für die vorliegende Stelle eine schlagende Parallele *).
1) Der Sinn würde aach hier die Tilgung des Artikels ertragen, den ich in
dem folgenden Dochmius beseitigt habe, aber die zweimalige Tilgung würde ein
Gewaltact sein.
2) Gegen die bei den Modernen sehr beliebte, den alten Grammatikern unbe-
kannte Annahme, daB Iota consonantisch werden könne, verhalte ich mich prin-
dpiell ablehnend. Consonantisches Jod existirt nur im Kyprischen; als es sich
sp&ter parasitisch entwickelt, wird es nicht mit Iota bezeichnet und bleibt ple-
bejisch. Das lateinische consonantische I wird im griechischen immer vocalisirt
8) Auch die pompeianische Verfluchung dessen, der die Liebe misgönnt,
kommt einem in den Sinn , die eigentlich lautet iilum in desertis numtOnu urat
214 Ulrich von Wilamowits^Moellendorff,
Also steigt es an von der überspannt starken Liebe znm Fest-
halten an einer Liebe^ von dieser za der verlassenen Liebe. Dann
kann dieses letzte G-lied nicht mit 7dp angeschlossen sein : wir ver<
langen 6 (loviöc 8* Ipcoc txatveoftat «oist. — Ein metrischer Fehler
steckt wol auch in V. B; denn die überlieferte Messung — uu«-»u —
möchte ich ungern als anaklastischen Dochmius mit Auflösung gel-
ten lassen. Für das leichteste Heilmittel halte ich die ümsteUung
ü>c ji' lirißoöXdx; xatecp tXet {liXXcov. Freilich nur wenn ein litterarisch
vervielfältigter Text zu Grunde liegt, ist das Mittel leicht, von
dem wir in den lyrischen Texten der Tragoedie so oft Grebrauch
machen müssen ; aber daß dem so ist, zeigen eben die Verderbnisse.
Li o>c [i' licißooXcoc habe ich eben ein anapaestisches Metron als
Ersatz eines Dochmius hergestellt; das ist häufig der Fall, wie
meine Randnotizen lehren, ist aber auch in der Tragoedie gewöhn-
lich. Von wirklichen Anapaesten unterscheiden sich diese schein-
baren durch die Vernachlässigung der Diaerese hinter jedem Me-
tron. Ihre Verbindung mit lamben, obwol sie aus der Tragoedie
geläufig sein konnte, trägt wol am meisten Schuld, daß die Verse
verkannt wurden. Die lamben sind verhältnismäßig rein gebaut;
es überwiegen Auflösungen und zweisylbiger Anlaut des Metrons
(11. 12. 17. 52), oder auch die Unterdrückung des Anlauts (14).
Dagegen ist die zweite Senkung nie unterdrückt, und katalektisch
ist nur der Trimeter 11. In dem einen Dimeter 45 ist die chori-
ambische Anaklasis eingetreten: das ist in den tragischen Mono-
dien sehr selten (z.B. Hipp. 1386), so gewöhnlich es in rein iam-
bischen Liedern ist. In der Verbindung mit Anapaesten ist der
Anlaut fast immer unterdrückt, doch wenn zwei Metra folgen nur
der erste (3. 7. 8. 15. 23. 49, wo iffotp^stc paeonisch ist) : nur 50
und 52, wo der lambus vorherrscht, steht ein vollständiges Metron.
Höchst auffallend ist, daß 53 der Vers — u — uwuu — , der ersicht-
lich derselbe ist wie 3 und 23, durch Fermate abgesondert sein
muß, eben so sicher, wie er 3 durch Elision gebunden ist. Ich
will nichts ändern, obwol ich der Annahme von lamben mit unter-
drückter erster Senkung einer Reihe feindselig bin: die Gly-
koneen und Dochmien der spätesten Tragoedie behandeln Bindung
und Lösung der Perioden sehr willkürlich, so daß ich über die
spätere Entwicklung nichts a priori zu verordnen wage, zumal da
wir hier 12 hinter dem Relativ, 20 gar hinter dem Artikel Fermate
haben, ganz wie in der späteren Komoedie; die Fermate hinter
amor, and parodirt wird iUum in desertis mmtibus ursua edai. Im ersten Falle
ist es der (jlovi6c {p<uc, im zweiten ist der B&r ein (&ovc6v 5^oc.
de« Mädchens Klage. 216
Zxi 44 ist auch tragisch, schon A. Prom. 104. Natürlich kann man
die Kretiker oder Paeone 7. 8. 15 leicht als nnvollständige Doch-
mien auffassen, an die wir ans der Tragoedie gewöhnt sind. Aber
da sich die iambischen Zusätze nicht leugnen lassen, hat die ein-
fachere Annahme den Vorzug. Endlich der eine daktylische Hexa-
meter 10, der in markantester Weise die erste Strophe abschließt,
auch sprachlich an das Epos mahnend, ganz in tragischer Weise.
Er würde allein hinreichen, die metrische Gestalt und das Ethos
dieser Verse zu beweisen. Parallelen sind z. B. Eur. Hek. 74. 90.
167. 209. Bakch. 142, Ar. Frö. 1362 , für längere Reihen E. Or.
1005. Phoen. 190. Soph. Tr. 1018. 1031. Phü. 1196 und viele an-
dere. In den Daktylen wird ganz legitim ein Diphthong vor vo-
calischem Anlaute verkürzt : sonst kommt das natürlich nicht vor.
Die Krasis ist häufiger als im Drama, und |iot) alttav würde kein
Tragiker verschliffen haben. Wie geläufig es den loniem war,
zeigt Herodas.
Es wird nicht unnütz sein, wenn ich eine Reihe tragischer
Verse hersetze und metrisch erläutere , damit allen Lesern klar
werde, wie viel durchsichtiger diese Monodie ist als Stücke, die
niemand für Prosa nimmt, und wie alle ihre Grlieder sich aus der
Tragoedie belegen lassen. Dabei halte ich mich an die euripidci-
schen Lieder ohne Responsion, die Aristophanes Frö. 1301 mit io-
nischer und volksmäßiger Lyrik zusammenstellt. Herakl. 1018
6 fövoc "^v 8y 'ApYoXlc Sx^^ irlipa 2S
töte |iiv ir6pi<ia|iötato( xal Siriatoc 'EXXdSt i (an) + i
td&v Aavaoo ica(8o>y. 8
Med. 1265
SstXaCa tt ooi f pev&v ßap&c 8 + 1
XöXoc 9cpocffttvst xal 8oo|tsy^c 8 + i
fÖVOC &|L6tß8tai. 8
Hei. 644
t6 xax6y 8' ^Yoidäv ai ts xi|ti aovd- 2 8 (an)
Tfa^s, icdoi, i (cret)
Xpövtov, cüX S|JLii>c ivai(jLav tö^ac* 2 8
Man kann natürlich mit gleichem Rechte durch Zufügnng des Ny
das iambische Metron vollständig machen ; iröoi hat Dindorf aus dem
Accusativ hergestellt.
HeL 667
i8dxiritov Ix» os icpi? otäpvotc 8 (an) + 8
Der zweite Dochmius hat die letzte Senkung unterdrückt : das ist
legitim ) aber immerhin eine Freiheit, die unser Dichter gemie-
den hat.
216 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,
Hei. 662
1 S. mxpav Ic apx^v ßaivsic i + S
i L icixpav S" ipeovdic f&ttv i + S*
Unsere Schrift kann das lange offene e nicht mehr bezeichnen; st
ist nicht eingeführt , weil das den Alexandrinern schon i war.
Aber lang ist dieses s oft. Vgl. Hippel. S. 214.
Hei. 680
Koirpiv «c oLfi'koixo — wäc; aS8a. 8 (an) + 8
— ridpiv wi |i' Iffdveooev — a> TXd(jLov. 6 (an) + 8
Bildung der Dochmien wie 657 ^).
1) Gelegentlich schreibe ich auch ein Par Verse her, sie zu retten and eine
Kleinigkeit zu verbessern. 684
Tep, ot 'ycu. — t( ^f^;; 8
— o'jx Igti [Aöl'nrjp, dY/(5vtov 54 ßp^x^^ iambeleg
5t^ ifAdv xaTcS^aaTo h\iOfa\toz a{ay6vav. 2S(an) spond
— &lkoi' BuYaTpoc o' TjpiAidvTjC ^orlv p(oc; Si
— dtYajAOc dfxExvoc ctTexvoc, w ir6ai, xaT«- 2 8
OT^vci Y^fitov djaiiov ala^^^^^' i + S
Außer dem von Hermann ergänzten ad habe ich G87 li i|jidv für $t' £(jLt gesetzt
(die Verderbnis ist über Stefxat gegangen) und in der letzten Zeile YdfjiQtv für yd-
{jiov. In dieser ist aCr/uva die Lesart erster Hand, aber nicht erst der Florentiner
Interpolator , sondern die alte Correctorenhand hat den Accusativ hergestellt
Dagegen ist dTExvoc doppelt überliefert, und wenn unsere Vulgata es nur einmal
hat, so war eben die üeberlieferung durch jenen Interpolator verdrängt. Man soll
immer zunächst sehen , welche Wendungen des Gedankens die üeberlieferung an
die Hand gibt; etwas sehr tiefes ist nicht zu erwarten, aber es geht doch nicht
an, frivol drauf los zu trivial isiren. Leda hat sich das Leben genommen, als eine
Sua^apioc: so erschien sie sich, trotz den Ydfxoc A(<i;, um der Tochter willen, die
mit Paris davongegangen war. Hermione bekommt keinen Mann, weil sich für
die Tochter einer lüderlichen Mutter kein Freier findet, sie ist dYafAoc d?cxvo; und
klagt: worüber? über Mamas Fehltritt? wirklich? Sie, die dYa|Aoc, beklagt He-
lenas Y^H^oc dY^fioc? Das soll man dem Euripides zutrauen? Gar xaTai-r^vti, wo-
rin doch nur Trauer, keine Misbilligong liegt. Ich denke, die ehelose Jungfrau
beklagt ihre eigene Ehelosigkeit, ihre y^V*"^ dYafjio; aioyjva, daß sie einen Schand-
fleck trägt, der sie um die Ehe bringt. DaB dies so sehr pleonastisch aasge-
drückt ist, misfallt uns, ist aber einmal die Weise dieser Monodien, und man ver-
steht nun, warum zuerst zweimal dxcxvo; stand, nämlich weil «Yocfitoc in dem fol-
genden aufgenommen und noch viel breiter umschrieben ward. Das absolat un-
verständliche Y«H^Gv wird endlich schon mit Hülfe des Versmaßes durch die bloße
Aenderung der Quantität geheilt, dYafxo; y^K^^ ^>^ &^O.fi^ ^CXotv u. dgl. vgl. zu
Her. 114. Nun zurück zu den Worten über Leda: die Pointe, daß sie iGaY^H^
durch die air/jva der Tochter ist, wird man nun nicht verkennen, die Wieder-
holung von a{T/'jva nicht beanstanden, das natürlich beide Male in demselben Sinne
stehn muß. Auf die Verbesserung hC £{jidv führt Vers und Sinn. Man aehe nun
des Mftdcheiu Klage. 217
Ion 1445
ia> la> Xa^Tcpäq ald£poc i^Tem/alf 22
t(v' a&Sav &&oo> ßo&ofo; scödsv [tot 4bakch
oovixopo' a86xT]toc aSovd , 8 (an) + i
Besonders das letzte vergleiche man mit Y. 3 und 63.
Ion 1463
SicaiSec oox^t' io(jLiy o&8' STsxvot* 3i.
8ü)|t' lattoötai, ifÄ 8' l^^^ topAvvooc' 3i.
avi(]ßai 8' 'Epex*soc, 2 bakch
te ^rffv/izoLQ 86[i.oc ooxto v6xta Sipxsrai. 2 8 (an) + i
aX(oo 8' avaßXdicei Xa|i9cdcoiv. 28
Hier sind einige alte sichere Verbesserungen aufgenommen; aeXioo
in der letzten Zeile ist möglich , nicht nötig j da die anaklastische
Form des Dochmius untadelhaft ist.
Ion 1474
o&x' ^^^ Xa|tffd8o>y ohSk xopso[iito>y 28
die Interpolfttionen bei Herwerdeo; es kümmert mich nicht, wer sie zuerst be-
gangen hat, der Herausgeber ist für seinen Text selbst verantwortlich.
O'Jx f«Tiv fiaTTjp* ^Y^f^viov ßp<5xov
hl* i[ii xareoi^aaTO ^uijafxov aioyyvau
Vier Aenderungen : die ersten zwei , um Dochmien zu machen , weil der doch so
gewöhnliche lambelegus verkannt ward, Tgl. Her. IV 192. 243. S'jTYafAov ist für
Helene viel zu matt : darum daB eine Tochter in der Ehe unglücklich ist, wird die
Mutter sich nicht gleich aufhängen. Und was ist das Versmaß? Weiter,
t(5 jjLOi ftuyaTp«ic h-zvt * Kp[jLC<ivT}c ßfoc
Also Enripides l&ßt den Menelaos, als er Ledas Tod erfahren hat, ein Wort der
Teilnahme äußern und dann fragen 'lebt denn aber unsere Tochter?' Her-
werden läßt ihn die Nachricht vom Tode seiner Schwiegermutter mit der Frage
beantworten *wie geht es denn meiner Tochter?' Für einen solchen Stil mag die
Antwort passen *Ohne Ehe und Kinder, mein Gemal, weint sie über meine Un-
glücksehe'. Und eine solche Abgeschmacktheit zu erlangen mag man zwei Wörter
streichen und eins zusetzen :
{yttpio; aTcxvo; tu n6^ xaTaTr^vet
So ist diso Kritik durchgehends ; gleich darauf 695 läßt Euripides seine He-
lene ihre Entfernung von Hellas (iraTp{c) Sparta (tzO^^) und ihrem Hause (a^&ev,
fiiXaOpa, Uy ta) beklagen. Herwerden setzt für Sparta das y^vo;, worunter er pro-
le$ versteht, was in der Verbindung mit narp^c kein Grieche verstehn konnte.
698 sagt Euripides e{ tt^c T'^x^j^ c6Sa{(iovoc vjyovzi , wo t{)8a(fifi>v für i'ja%6z kräftig
gesagt ist, weil Tyche ein Daemon ist, der gut und böse sein kann : bei Herwerden
steht statt 'lux^ Cotj. Uebrigens bezweifle ich sogar, daß die Mitteilungen aus
den Handschriften genügen. Ich habe mir notirt, daß 681 Mnwjt^t in C vor der
Basur stand, 689 der letzte Buchstabe in tt^su Zusatz von C ist.
218 Ulrich von Wilamowits-Moellendorff,
&|iivaioc ii^öc 8 (an)
tixvov Stixte o6v xipa. 2i
Der iambische Dimeter mit nnterdräcktem Anlaut wie 1448.
Ion 1507
ItediGTaxai Si 9CV6&[iaTa' 2i
(tEV^Ko* ta icdpoi^ev SXtc xaxi* vöv 2S(an)
Si Y^vo^'^^ '^^ oopoc ix xocx&v & ncd. 8 (an) + i + spond
Hier habe ich Si Y^voito aas S" ^Y^vsto gemacht: die Notwendig-
keit muß jedem einleuchten, der den Gedanken verfolgt; es ist
das letzte Wort des Duettes. Die schwierigeren vorhergehenden
Zeilen sind Her. U' 243 metrisch erklärt : die alexandrinische Mo-
nodie ist eben von allen Zusätzen der enhoplischen und daktylo-
epitritischen Art frei.
Phoenissen 127
i i
&Q Y aopoc &^ foßepöc sloiSeiv, i + S
^l^avti fijYsvitat icpooö|toi- i + 8 (an)
oc iotspcoicic iv Ypaf aioiv, oo^l irpöo- 3 i
f opoc ä^Bplm Yiwai. 8 (an) + spond.
Orestes 1473
laxöti 8ö|i.a>v dopstpa xal ata^ii.o6c 2 8
{Lox^oiotv ixßaXdvTec, Svd' i|iCpo|t6V, 3i
75 ßo7)8po(JLOö|L6V iXXoc SXXo^sv ot^ac, 3i
8 |iiy iritpooc 8 8" iifx&Xac 2i
6 8& S(^C itpöxfioicov iv x^potv Sx^^* 3i
Ivavta 8' "^X^ev noXi8ac 2i
SXaotoc oloc otoc 2i.
80 "ExTwp 6 4>p6Yto« ^ rpixdpo^oc Allxc. 3L
8v 8l8ov elSov iv ic6Xaioi npta|i(oiv 3i
fa(rf&vo>v 8' &x(JLac ooyi)^a|tsv. töts, 3i
89) TÖts 8taicp6ic8ic 8
iY^vovTO <I>p6Y6^, Zaov ^Apsoc oXxdtv 2 an
86 ^aoovec 'EXXd8oc iYfivö|i6^' alxi^otc» 2 an
8 |iiv olxö(i6Voc fOYdc, 8 8i vixo^ &y, 2 an
8 8i Tpaö|iO( fipioy, 8 8i Xiaoö(i.svoc 2 an
^avitoo irpoßoXdv.* an
offb oxörov 8' i^so^oiiev* 2i
vsxpol 8' SinicTov, ot 8' S|i,6XXov, ot 8* Ixetvt'. 3i
90 ItioXe 8' de tdXatv' 'Epitiöva 8ö|ioo< 2 8
iicl f(Sytf>i x^l^^^s^si (iatpöci 5 28
yty (texsy tXA|M»y. 8
de« Mftdebens Klage. 219
S^opooi 8' ofd viv Spaiitfvte 8i.
ßdlxxai ox6{ivov iv x^P^^^ ipsEocv 3i
(ovi^piüaoav * icdXiv 8& tolv Aibc xöpav 3i
iiri o^aYQtv Iteivov, & 8' Ix daXdlticov 3i
95 i^dveto 8tairpi 8(otidto>v ScpavTOc, 3i.
& Zso xat Fd xal 4>äK xal No£ 2 an
ffzoi f ap|jLAxotoiv ^ 2 i
ta 8' Sotep' o&xdt' oi8a, 8pa9r^ry]v ^ap ifi- 3i
öxXsictov ix 8ö(itt>v icö8a. 2i
1500 icoXoicova 8^ iroXoirova icddea MsvdXa- 2 an
0? ava(3)(ö(i.evoc ivövYjtov iirö an + i
Tpolac SXaßs töv 'EXivac 7d[tov. i + 8
Die Ueberlieferung ist ganz untadelhaft*), da auf vereinzelte Irr-
tümer einzelner Handschriften, namentlich des Florentinns, nichts
ankommt. Nur 1479 habe ich den Pylades aus einem aXiaotoc zu
einem äXaotoc gemacht, trotzdem die Scholien zu den Handschriften
stimmen, weil iXiaotog von einer Person gesagt unerhört ist, und
auch nicht wol denkbar, da es doch schon für Euripides eine ho-
merische Glosse war. Dagegen äXaatoc otov ''Extcöp, das trifft ge-
nau: so heißt er X 261. Die Strophe ist insofern übersichtlicher
als unsere Monodie, als sie in längere Perioden zerfallt, durch die
ein Metrum regiert ; auch sind die Verse selbst viel weiterhin durch
Synaphie gebunden. Aber die Anapaeste sind durch die ausge-
dehnte Zulassung von Auflösungen nicht leicht kenntlich (daher zum
Teil bisher verkannt) ; ich habe sie Anapaeste genannt, obwol acht
Kürzen natürlich auch Dochmien geradezu sein können. Dann
ist in den lamben nicht nur mehrfach die zweite Senkung unter-
drückt (92 S^pooi- Bdx^at oxoji- 97 iJTot <pap-) , sondern auch die
Anaklasis zugelassen (79. 94) : dies war es, weshalb ich dies Stück
hier eitleren wollte. In den letzten Reihen ist auch die enge Ver-
bindung von Dochmien, Anapaesten, lamben ganz dieselbe.
Somit wird hinreichend dargetan sein, daß wir Verse und
welche Verse wir vor uns haben. Die poetische Form repraesen-
tirt eine Fortbildung der tragischen Arie. Wir wissen von nichts
1) Es erscheint nicht nötig mit den Aendernngen zu streiten, die nur die
Verkennting des VersmaEes erzengt bat. Aber nicht unwichtig ist, daft die Vers-
abteilang 88 lehrt, man habe x6xt, ^ ti^tc gesprochen, nicht T<$Tt Si^, t^ts, wie
wir SQ interpongiren pflegen. Da das Epos und alles was von ihm abhftngt (auch
Aisch. Sieb. 216) l^ tote für sich, sogar am Versanfange, sagt, hat das nichts an-
st6iiges; aber man mu£ es merken, da t^ li^ sehr geläufig ist, und lii den Athe-
nern sonst nur als Enklitikon gegolten hat.
220 Ulrich von Wilamowits-Moellendorff,
vergleichbarem ans hellenistischer Zeit, und würden, wenn wir nur
das Versmaß hätten, das Gedicht selbst in die letzte Zeit des £a-
ripides nnd Sophokles rücken.'^' '
Damit harmonirt die Sprache keineswe^es; sie kaim nicht wol
älter als etwa^ ^ratosthenes sein, gibt einfach die Sprache des
Lebens nnd strebt weder den tragischen noch irgend einen kiinsi-
lich gesteigerten nnd geadelten Ton an. Einzig der daktylische
Hexameter hat anch eine specifisch epische Yocabel aicavaiyo|iai '),
nnd anch Sxeiv h rqi SiavoCai ist vielleicht nicht vnlgär, da Sidvoia
für den denkenden Seelenteil, so viel ich weiß, schon dem eigent-
lich attischen ziemlich fremd ist. Anch oovepttoa irötvta No^ (loe
ist minder durch den Gedanken als durch die Stellung des Prono-
mens über das sonst eingehaltene Niveau gehoben. Im ganzen ist
die Sprache ausgesprochen hellenistisch. Gleich aTpeotc im Sinne
von Freundschaft, (*wir hatten uns beide für einander erklärt') ist
polybianisch ; dieser verbindet es mit aojiÄsptyopd * Verkehr*, 32, 9.
CeofiCeo^ai für CeÖYVoa^ai wird am passendsten mit 1 Maccab. 1, 16
belegt, weil dort die attische Vocabel später dem Text aufge-
drungen ist. axataotaoia verbindet Folybios mit tapaxi^; Paulas
1 Kor. 14, 33 oh ^ap ixaraoiaotac 6 deö? oXX' elpf^vTjc. Hellenistisch
ist &V&80XOC für ^YYOTfjnJ?, t(c für icötepo?, eiM für e&d^oc» oihxb toöto
Jioc ipsum für nichts als dies, nur, 8&8oxeiy für 'sich mit etwas zu-
frieden geben, sein 60 Soxei zu etwas sagen*, xataXt|ticdv6tv, das nur
scheinbar poetische Particip yAjievoc (Ps. Plat. Alkib. 2, 142*), xap-
Tspslv in einem Sinne der einem 'zuwarten' sehr nahe kommt. Das
Perfect SxTixa wird aus Diodor belegt, einem recht vulgären Au-
tor; das Verbum selbst kennt jeder aus den LXX. Ueberrascht
war ich, als ich ^ psvaffitif]c , das mich poetisch anmutete, aus dem
Titusbrief 1, 10 belegt fand , f pevairatav aus dem echten Paulus.
Wenn unsere Lexica icpooxa^o^at oder icpo<3xaftCCsadai im Sinne von
incumbere ad äliquam rem erst aus später Prosa belegen, so weiß
jeder einsichtige, daß unsere Statistik für keinen Teil der Graecität
so unzuverlässig ist wie für die hellenistische. Activisches 68ovdtv
wird als hellenistisch gelten können, da es altionisch ist; ausge-
storben ist es wol nie. Daß oovoSyj^öc neu scheint, ist gewiß Zu-
fall : Composita mit fast abundirendem oov sind ja ganz gewöhnlicL
1) Allerdings wird es in einigen BQchern der LXX aufgewiesen, aber sp&teren
(Psalmen Ecclesiast), nnd da ist der Verdacht nicht abzuweisen, dal es ein Ho-
merismus ist, wie ihn die späteren Uebersetzer, namentlich Aquila, oft zeigen.
Ob die Vocalisation dir«va{va|iac mehr als Fehler des Schreibers ist, weift ich nicht
zu sagen«
des M&dchens Klage. 221
XP<ot(Csodai im Sinne des Theokritischen y(fi^ iiA yijpiAzi icsicalvsTO,
das dem ersten Herausgeber so shoking war, daß er es misdea-
tete, wird schwerlich dem Fuhliciun, für das diese Arie be-
stimmt war, so fremd gewesen sein wie uns, die wir es doch anch
verstehn sollten: gerade für solche Begriffe besteht immer eine
zwar rasch wechselnde aber ihrer Zeit al^emeingiltige Modesprache.
1^ K6irpic Ixdotov Sfsi icpöc tiva klingt nahe an Poseidippos Anth. Pal.
12, 120, der zu Eros sagt fy (is Xdß7]ic (iedoovt', Siraf' SxSotov; aber
das Adjectiv wird in gleichem Sinne von Polybios verwandt. Za
den vulgaren Worten paßt die Messnng: Muta com liqnida ver-
längert nie eine Sylbe; V. 19 habe ich danach behandelt. Und
so ist auch der Satzbaa ganz einfach. Keine Perioden, keine ge-
sachten Kedefigoren, dorchaus natürliche Wortstellong. Die kur-
zen Sätzchen, das häofige Asyndeton sind dem Ethos einzig ange-
messen, aber der Mangel an rhetorischer Stilisierung trägt wesent-
lich za dem Realismus bei, der allerdings jedem Gesinnimgsge-
nossen eines Dionysios entsetzlich vorkommen muß. Dagegen
wer den Flach der Imitation in seiner ganzen Schwere empfindet,
die die hellenische Poesie in Grund und Boden verwüstet hat,
muß sich dieses Stückes herzlich freuen, und ihn werden die atti-
scher Norm widerstreitenden Perfecta oder ein prosaisch substan-
tivirter Infinitiv u. dgl. nicht im mindesten stören. ' Lebendige
Gefühle der Gegenwart in lebendiger Rede vorgetragen, das be-
saßen wir aus hellenistischer Zeit gar nicht: der Realismus der
bildenden Kunst, den unhistorische Archaeologie erst den Römern
vindiciren will, erhält nun hier sein Analogen. Denn ganz anders
ist mcht nur der epische Mimos des Theokrit, sondern auch der
iambische des Herodas, der sehr viel gelehrte Yocabeln, Reminis-
cenzen aus Hipponax u. dgl., längst veraltete Wortmessungen, poe-
tische Verschränkungen und überhaupt einen Dialekt verwendet,
der nach Ausweis der Steine gerade so wenig existirte wie einer
der von Theokrit angewandten. Jene beiden Dichter und ihre
Genossen gehören eben der erzählenden Dichtung an: die Philia-
zusen des Herodas aufgeführt zu denken ist eine Absurdität, nicht
geringer als wenn jemand die Adoniazusen auf die Thymele bringen
wollte. Der komische oder pathetische Erzähler mag noch so oft
eine Person redend einführen (wie schon Archilochos den Charon),
er identificirt sich niemals mit derselben, verliert so wenig seine
eigne Person, wie der Recitator von Platens Balladen Karl V. oder
Otto in. wird, oder die volksmäßigen Balladen Schottlands sich
darum auf mehrere Sänger verteilten, weil sie oft dialogisch sind.
So hat denn der lambus und das Epos seinen Stil, den kein Dichter,
222 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,
so frei er sich auch bewege, ganz verleugnen kann. Hier dagegen
ist einmal unmittelbar die Sprache des Lebens, so natürlich daß
sie alö Prosa angesprochen werden konnte : und doch sind es Verse,
lyrische Verse, aus dem Drama stammend und zwar aus der Tra-
goedie. Die Versform ist ^iim zwei Jahrhunderte etwa älter als
die Sprachform: diesen Widerspruch gilt es zu lösen oder zu er-
klären.,
Einen Anhalt haben wir vielleicht in dem vereinzelten loniijmus
axataataoitiv , der entweder der Rede des Dichters noch natürlich
war: dann stammte dieser aus altionischer Gegend, am ehesten
aus einer der alten zwölf Städte; ich halte für denkbar, daß die
Leute dort noch solche Formen sprachen, zumal die illiteraten,
und der Dichter konnte seine Person so charakterisieren wollen«
Oder aber er bedient sich einer Gattung, die von Hause aus io-
nisch war, dann also die metrische Kunst der attischen Tragoedie
geborgt oder doch mit ihr gemein hatte. Ehe wir dieser Frage
näher treten, müssen wir den Lihalt des Gedichtes betrachten.
Ein verlassenes Mädchen spricht; weiter ist keine Voraus-
setzung gemacht, Eigeimamen und Ortsbezeichnung sind gemieden;
als Zeit wird die Gegenwart durch die Sprache gegeben. Diese
einfache ujcödsotc erforderte dennoch eine gewisse Exposition; die
gibt die erste Strophe, metrisch und inhaltlich durch den dakty-
lischen Hexameter abgeschlossen. „Wir wurden einig und gesellten
uns einander. Garant der Neigung ist die Liebe ^. Wie oft, so
ist auch hier der Schlüssel des Verständnisses die scharfe Auf-
fassung der Unterschiede von Wörtern, die in unserer Sprache*
synonym sind; fiXia und xbicpic können beide sehr oft mit Laßhe
übersetzt werden, aber fiXia ist Liebe als das Gefühl der Zunei-
gung, x&icpic ist Liebesgenuß. Die x&icpic pflegt ihr Siegel auf eine
ooCoifia zu drücken, die aus fiX(a geschlossen wird; der Römer
nennt erst die Früchte der Liebe pignora. Das Mädchen spricht
allgemein, aus Schamhaftigkeit, aber sie meint dasselbe, wie wenn
Simaitha sagt iicpdx^>I '^^ }fJir{iQvi xal Ic nö^ov ijXd'0{t6v S|i^a>. „Ich
ergrimme, wenn ich daran denke, wie er mich mit seinen Küssen
betrog, den Gedanken an den Bruch im Herzen, den herbeizuführen
er so geschickt einen Anlaß zu finden wußte". Das wirft sie
dazwischen, weil sie der beschämende Gedanke peinigt, daß sie
sich durch heuchlerische Liebkosungen zu dem verhängnisvollen
Schritte verleiten ließ. Nach dieser für die Exposition ihrer
Stimmung wesentlichen Zwischenbemerkung geht es weiter „Und
da bemächtigte sich meiner die gewaltige Liebe: ja ich gesteh's,
ich werde ihn (o^töv, hier den GeUebteUi wie im Sdavenmonde oft
Des M&dchens Klage. 223
den Herrn: auch dieser Geliebte heißt xoptoc) aos meinem Sinn
nicht los^. So endet die Exposition: als Eypris ihre Liebe be-
siegelt hat, hat der Knabe die Treae zugleich in den Umarmimgen
aosgeschtittct, aber das Weib ist nun erst dem Eros ganz nntertan.
Aach Simaitha kam ic icödov. ^Wir tragen die Kinder unter dem
Herzen und so tragen die Treue wir auch^. Das ward auch
diesem armen Mädchen zum Verhängnis.
Die Handlung beginnt „Sterne und erhabene Nacht, geleitet
mich zu ihm, dem Aphrodite mich (wie eine alx|t^ci>toc) ausgeliefert
hat, and der starke Eros, der mich beherrscht. Geleiter ist mir
das Feuer, das in meinem Busen brennt^. Also Nacht ist es und
die Verlassene macht sich auf den Weg zu dem Geliebten. Sie
sollte eine Fackel mitnehmen, wie nächtliche Wanderer tun, aber
Scham und Angst verwehren ihr das, und so weist ihr nur die
Eifersucht den Weg. Natürlich füllt die Dichtung die Zeit ihrer
Wanderung durch die Gedanken, die sie unterwegs hat. »Der
Betrüger, wie hat er früher geleugnet, daß es ihm bei seiner
Liebe um x&icpic zu tun war (er verstand nur Begierde und heu-
chelte Neigung), und nun (wo er die x6:rpic genossen hat) bricht
er bei der kleinsten Kränkung^.
Darauf setzt mit den dochmischen Monometem eine neue
Strophe ein; wir merken bald, daß wir vor dem Hause sind, wo
der ungetreue Knabe zecht, dann also sicher nicht allein. „Ich
werde rasend vor Eifersucht und verzehre mich in meiner Ver-
lassenheit. Wirf mir wenigstens die Kränze her , daß ich sie an
meinen einsamen Busen drucke. Mein Geliebter, verstoße mich
nicht, laß mich ein ; ich füge mich darein, die Sclavin meiner Lei-
denschaft zu sein. (Keine Antwort.) Rasende Liebe ist eine
schwere Last ; da heißt es der Eifersucht nachgeben, sich bescheiden,
ausharren^) (wie jetzt vor der verschlossenen Türe). Wenn man
aber einem treu bleibt, so kostet es den Verstand und gar ver-
lassene Liebe macht wahnsinnig^.
Der Wechsel des Versmaßes gliedert die Strophe ab ; die Rück-
kehr zu den Gedanken des Einganges (|tiXXa> |La(v6odat — {taCvtodai
Kout) malt, daß sie nichts weiter erreicht hat als zuvor. Wie
sich schickt, kommt eine neue Anrede „ Wisse, ich bin unwider-
1) Zr|XoTuicflv orlytcv xaprcpcTv ist für mich nnfibertetslich. Du enta geht
alias Auf WM die C^^Xiut So'jXc^ouoa tat, das iweite heiftt so tun als w&re es nicht:
4 ijiiTr^ idvTtt 9T^f i , sagt Paolos in dem Hymnos anf diese Liebe, xa^cpclv ist
autharrmf beinahe warten. Jeder Zog des allgemein gefeiten Gedankens trifft
harscharf aof die Sitoation so : darin liegt die Trefflichkeit der Poesie.
224 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,
stehlich, wenn ich böse werde, und es macht mich rasend, wenn
ich daran denke, wie ich einsam liegen soll and da in eine andere
Umarmang rennst^. Sehr tapfer; aber da die Drohong nicht
verfängt, lenkt sie sogleich .ein. „Wenn wir ans jetzt verzankt
haben, so müssen wir ans gleich vertragen. Woza hätte man
Freande, als daß sie entschieden, wer Unrecht hat?*' — Sie hat
in der £xposition angegeben, daß er der Erfinder einer ihm will-
kommenen Störung des Friedens war, aber wie gern würde die
ärmste sich ins Unrecht setzen lassen, wenn er nar vdeder gat würde.
Da bricht es leider ab ; ich wenigstens kann aas den Anfangs-
bachstaben der nächsten Columne nichts gewinnen, vöv 8v p.')] im
— später vöv [tlv oifte — wieder Anrede x6pts (die damals noch nicht
abgegriffen ist, wie zur Römerzoit, sondern Unterwürfigkeit, viel-
leicht social tiefere Stellung bezeichnet). Natürlich mußte die
Leidenschaft sich steigern und irgend einen, schwerlich freudigen,
Abschluß finden. Wenn der ganze Papyrus beschrieben war, ist
ein Drittel erhalten; ich glaube, das wird so ziemlich stimmen.
Ueber den Fortgang des Gedichtes erlaube ich mir gar keine
Vermutung. Das Motiv, die oirödsot^, und der wesentliche Zug,
die Wanderung durch die Nacht zu des Liebsten Hause, ja auch
die Anrufung der Nacht erinnern sofort an einen bedeutenden
Dichter der ältesten hellenistischen Generation, Asklepiades von
Samos, den Lehrer, d. h. das Vorbild des Theokrit ') , von dessen
Lyrik wir zwar nur so viel wissen, daß er den Asklepiadeen den
Namen gegeben und den Theokrit zu der Nachahmung dieser
aeolischen Form angeregt hat, was auf archaistische Neigungen
schließen läßt (hat er doch auch die Lyde bewundert), aber seine
Epigramme, kleine Elegien, die mit den im^fpa^al nichts gemein
haben, glänzen wie durch sauberste Form so durch ungeschminkte
Lebenswahrheit. Li ihnen erscheint er uns nächtlich der Geliebten
1) Mit Tbeokrits Simaitha habe ich öfter exemplificatorisch operirt Durch
sie kann man meinen, auf den Mimos geführt za werden, weil die Pharmakeatriai
auf Sophron zurückgehn; allein von diesem stammt die Zauberei, w&hrend die
sentimentale Liebesgescbichte sich zu Asklepiades stellt, die für den derben sici-
lischen Mimos viel zu fein ist. Allerdings hat Sophron [iX^kot dvSpclot und Yuvai*
xiTot gedichtet, und nach Analogien, die unten zur Sprache kommen, darf ange-
nommen werden, daB der Recitator (natürlich einer für das ganze Gedicht) auch
Weiberkleider trug und sich.demgem&B mimisch bewegte. Die Gattung war um
der Prosa willen in Hellas nicht ohne weiteres genieBbar, daher ihre Umsetzung
in lambus und Epos. Fortgelebt hat sie bei den ^doXdpi, die wol Improvisatoren
waren.
Des Mftdchens Klage. 226
harrend (Anth. Pal. 5, 7. 160) , durch Nacht und Sturm zu ihr
wandernd (64. 189) ^) , einen tränenfeuchten Kranz über die Tür
des spröden Knaben hängend (146). Einmal wünscht er auch dem
Mädchen, deren Pforte seinen Bitten taub bleibt, gleiche Erfahrung
an seiner Türe (164): das würde so ziemlich die Situation unserer
Arie geben. Ja er hat ein Gedicht im Namen eines Mädchens
gemacht ') (12, 163), die sich freilich über die Abwendung des 6e-
1) A. P. 5, 167 treibt den angezechten Dichter die Verliebtheit durch eine
Oe Witternacht. Es ist ihm uobehaglich genug, aber Eros zwingt, und er beschwört
den Donnerer mit Rücksicht auf seine eigenen Liebesstreiche ein Einsehen zu
haben. Was der Dichter eigentlich sucht, kommt nur in einer Anrede heraus
*da bist doch auch so umhergestrichen und hast an jeder ThOr Skandal gemacht'.
Also er hat gar kein bestimmtes Ziel, sondern irrt in allgemeinem Liebesdrang
umher und sucht bei irgend einer mitleidigen Schönen Unterkunft: das ist auch
eine Art {xovtoc Ipwc. Die unbestimmte Anrede ist nur denkbar, wenn der Dichter
etwa beim Gelage, wo er das Gedicht yortr>, jeden Zechgenossen so anreden
kann; im Buche gilt die Anrede dem Leser. Von den abscheulichen Entstellun-
gen, die gerade die Gedichte des Asklepiades in der neusten Ausgabe der Antho-
logie erfahren haben, sehe ich durchgehende ab ; ich citire auch nicht die sweck-
los ge&nderten Ziffern.
2) Das Dichten im Namen eines Weibes ist dem griechischen Mittelalter
nicht minder gel&ufig als dem deutschen. Jeder weift, daft miserarumH^ singul&r
bei Horaz, üebersetzung ist, also Alkaios ein verliebtes Mftdchen eingeführt hat,
das der misgOnstige Oheim an die Kunkel bannte. Bei Anakreon trat eine
Wäscherin auf, die mit glänzend blankem ISeuge vom Flusse kam (28) ; sie steht auf
der Mitte zwischen der heroischen iiX6vtp(a Homers und den euripideischen Chö-
ren, die vom Waschplatz auf die Bühne eilen (üipp. Hei.). Auch in den Trink-
sprflchen der Theognideen kommt ein Weib Tor (267. 529). Ohne Zweifel hat es
auch wie im deutschen Minnesänge Wechselrede gegeben, zwischen M&dchen und
Liebhaber bei Sappho, vgl. auch Aristophanes Ekkl. 950 ffg., auch donee gratus
eram muB aus der alten Lyrik stammen. Die Vortragsart dieser Gedichte ist
der der deutschen ganz entsprechend zu denken, also die Dichter singen alles
selbst, ganz wie sie die lamben recitiren. Wer die Lieder sp&ter vorträgt, ver-
b< sich zu dem Dichter wie der Rhapsode zu Homer. Die interessante Streit-
frage, ob die anmutigen Verschen, mit denen der Fr&hling des Minnegesanges
anhebt, weibliche Verfasser haben, drängt sich auch hier auf^ aber die hellenische
Analogie ist dieser Annahme nicht günstig, gerade weil es hier auch Dichterinnen
von Beruf gibt. Megalostrata von Sparta, Telesilla von Argos dichten ColUieder
für weibliche Chöre, PraziUa Dithyramben, Korinna enählende Dichtungen,
leutere wenigstens für weibliches Publicum. Aber es würde gana undenkbar sein,
daft diese Frauen, so sehr ihr Dichten den concreten Anfigaben und den Momente
gilt, die Hingabe ihres eigenen Herzens und Leibes an den geliebten Mann (wenn
sie geliebt haben sollten) zum Gegenstande ihrer Kunst gemacht hätten. Und
vollends Sappho, die die eigne Empfindung ausspricht, hat weder im eignen Namen
noch in dem der Bräute, für die sie dichtet, Liebe au einem Manne ausgesprochen;
sie würde damit sogleich ihre gesellachaftliche Stellung verloren haben. Wol gab
XfL 0«. 4. W. NMluickUa. PUlolog.-UflUr. Mkmm. US«. BiA 8. 17
226 Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff,
liebten sehr leicht damit tröstet, daß amatiUum irae ainofis redin-
tegratio. Dies Vornehmen einer weiblichen Maske findet sich bei
Xallimachos nicht, der doch die Partei einer Verlassenen genommen
(25) und das schönste TcapaxXaoatdopov (63) gedichtet hat. Dioskorides
wendet noch einmal das Motiv des getrennten Pares so , daß das
Mädchen ein Verlöbnis löst um eine Ehe einzugehen ') , dann ver-
schwindet es, so viel ich mich erinnere, ganz. Ebensowenig werden
Mädchen redend eingeführt, oder wenn das noch Philodem einmal
tut (5, 120), so geschieht es im Anschlüsse an Theognis, und das
Weib ist von dem Schlage der römischen Libertinen, der Gatte
wird also nicht besser als der Delias sein. In der Gesellschaft
der Meleager und PhUodem, Proporz und Ovid liebt das Weib,
das sich lieben läßt, überhaupt nicht mehr, geschweige daß es
sich um Untreue grämte. Denn die ganze Liebe dieser Gesell-
schaft ist Libertinage ; so hat , wenn nicht die Welt , so doch die
Poesie den alten tötco« verloren oder cultiviert ihn vielmehr nur in
es weibliche Reigen, die von weiblichem Liebesleidc traurige Geschichten erzähl-
ten, wie Kalyka und Rhadine, allein das waren eben Geschichten alter Zeit,
und wenn man Verfasser der Gedichte nannte, so waren es Af&nner. Vierxeilige
reizende Liedchen, den attischen Skolien und Volksliedern ziemlich aller Völker
vergleichbar, gibt es auch hier, die nicht selten im Namen einer Frau sprechen,
S^ouxc (iiv d aiXavva, üi t{ r^oycic. Aber sie scheiden für diese Frage ganz aus.
Da sie gar nicht individuell sind, müssen sie wirklich verfasserlos heißen; frei*
lieh sind die Lieder in Minnesangs Frühling nicht viel individueller, wenigstens
wenn man den Mafistab anlegt, den man von Hellas her gewöhnt ist.
1) A. P. 6, 52. Das Gedicht ist nicht unmittelbar verständlich ; ich glaube
aber, man darf die Abschreiber nicht beschuldigen. Nur opxov xotv^v 'Epoi-r' iv*
c^xotjuv ist zwiefach falsch, erstens weil "Kpuixt nicht elidirbar ist (das wufite
Hermann; jetzt sind die Herrn Metriker klüger), zweitens weil Elision in der
Caesur für diese Technik fehlerhaft ist (was jetzt gewufit werden sollte); ver-
bessert hat Hecker so wie auch bei mir seit 20 Jahren am Rande steht, (ich
sehe das ans Dübner: die neueste Ausgabe bringt nur ein Par stupide Aende-
mngsvorschlage zu dem Gedichte): opxov xo(vov 'Kpcuto; 2^xa(Aev' "Opxo; 6 risrijv
!ApotvoTjc d^fitvoc ISwair^Tpiüi ^tX^r^v. dX>/ 9) jxiv d/w5i^;, xtva V 5pxia, tuh o' ifv-
X^X^ Wp^^i 4 ^^ ^&^ oO cpovcpT] o6v«pLic. Opfjvouc Ol * Tpi^vacc rapd xXi)l9tv dxouoatc
Ap9tvdY}c, i7«9Td>i fapL^^fuvoc i:po$dTT}u Der Dichter spricht; er ist Schwurzeuge
bei dem Verlöbnis von Arsinoe und Sosipatros gewesen, das sie gebrochen hat,
ohne dafi ihr der Horkos (personifizirt, wie bei Hesiod) oder die Götter eine
Strafe auferlegt haben. Nun bittet der Dichter den Gott der Hochzeit, dafi er
statt seines Liedes Klagelieder an Arsinoes Kammer hören möge, weil oder nach-
dem er sein Misfallen über die Verräterische ge&ufiert hat. Das kann er nur,
wenn Arsinoe dadarch den Eid gebrochen hat, dafi sie den Hymenaios rief, also
eine Ehe eingehen wollte, nicht etwa schon einging: wenn Hymenaios nun von
dem icavr&c rpo^iStijc nichts wissen will, so kommt er nicht, und dann kommt es
nicht zor Hochieit, und dann wird Aninoe wehklagen statt in jabeln«
Des M&dchens Klage. 227
Heroinen, Ariadne, DidO| Phyllis, die immer mehr oder minder
posirende Theaterprinzessinnen bleiben. Es gab wol wirklich
solche Mädchen nicht mehr wie Simaitha und die Heldin unserer
Arie , die weder dem monde noch dem demi-monde angehörig , frei
und unbescholten, aber arm (Simaitha geht in geborgtem Patze
auf die Kirmes) und alleinstehend, also auch auf eignen Erwerb
angewiesen lieben und leiden. Auch sie sind ein Beweis dafür,
wie viel näher die hellenistische Gesellschaft und Cultur der unsern
steht als Athen und Rom, wo mit dem Originale auch sein Abbild,
unsere Monodie, unmöglich hätten entstehn können^).
Also inhaltlich entspricht unser Gedicht den Epigrammen
des Samiers Asklepiades, auf lonien weist uns seine Sprache, zeit-
lich steht es ihm nicht fem. Unser Auge muß sich nach der
ionischen Lyrik des dritten Jahrhunderts umschauen und, da von
der allzuwenig zu sagen ist, zunächst etwas weiter zurückblicken.
Für lonien gilt der scharfe Unterschied des hellenischen und
heUenistischen nicht ; während die große Poesie Athens die Lyrik
des andern Hellas nnd alle andern litterarischen Ansätze erstickt,
geht die ältere und kräftigere Entwicklang loniens weiter. So ist
es Angesichts der Reihe Panyassis Choirilos Ion Antimachos Phi-
letas Hermesianax Phoinix Phanokles unmöglich die Continuität des
Epos, der Elegie, des lambus zu leugnen; die künstlichen Scheide-
wände unserer Litteraturgeschichte sind für das Verständnis gerade
der hellenistischen Poesie besonders schädlich. Als durch Alexander
die Suprematie des specifisch attischen beseitigt, für lonien die
Freiheit gewonnen ist , dringen auch die ionischen Gtkttungen vor,
vielfach in bewußtem Anschluß an alte Muster, aber in diesem
Stile meistens von Ausländern, Theokritos Kallimachos Herodas
cultivirt. Die las ist eben die Mutter des Hellenismas in jeder
Beziehung. Auch die Lyrik war keinesweges erstorben. Zum
1) Eine Athenerin will ich doch neben ihnen nennen, die freilich nur unter
ihrem Hetaerennameo Lamia bekannt ist und nach ihm beurteilt wird. Sie war
Athenerin, Kleanors Tochter (Polemon bei Athen. 577^), Flötenspielerin, und ich
beiweifle nicht, daß sie ganz Betaere geworden ist Aber man lese den Brief
bei Alkiphron 2, 1, einem so albernen Rhetor, wie nur je einer war, der also sei-
nerseits nur verderben konnte, und frage sich, ob es nicht nach Cl&rchen nnd
Egmont klingt. Ein Pedant könnte darauf verfallen, von Nachahmung zu reden.
Dies Mädchen lieht den schönen und heldenhaften Königssohn und hat sich ihm
hingegeben, wie sich ihre Vaterstadt mit wahrlich größerer Entwürdigung ihm hin-
gab. Ob er die Bajadere zu sich emporgehoben hat, ob er sie ans ihrer kleinen
Welt herrausrift und verderben ließ, als er weiterst&rmte, wir können*8 nicht
sagen: aher es dünkt mich ein Zug im Bilde Jener gewaltigen Zeit, auf dem
der Blick gern verweilt.
17*
228 Ulrich yon Wilamowits-Moellendorff,
Classiker ist freilich von allen loniern nur Anakreon geworden,
der erst dnrch den Sturz der Heimat in den Stand der Fahrenden
gedrängte Ritter, der sich sozial immer noch neben den Tyrannen
behaupten konnte und den die Athener, die ihn gesehen hatten,
in Ehren hielten: Eresilas bildete ihn in kriegerischer Nacktheit
die Laute schlagend. Dagegen Polymnestos von Kolophon, gewiß
kein ganz geringer Mann, da ihn Findaros erwähnt hat, geriet in
das Renommee eines Sängers für lüderliche Weiber, iioi^oXlSsc ; mcui
sollte sich doch hüten, den attischen Komikern solche Urteile
nachzureden. Nach ihnen sind alle lonier Weichlinge, und ihre
Poesie und Musik ist lüderlich und unanständig. Theodoros und
Lamynthios ^) und Eleomachos sind alle in einer Verdammnis. Ich
bezweifle gar nicht, daß die Uebermacht der vornehmen attischen
Poesie die ionische in niedrigere Sphaere getrieben hat, und von
attischer 6&oxif]|ioo6vT] ist sie sicherlich weit entfernt gewesen. Darin
zeigt ja auch Herodotos einen charakteristischen Unterschied von
Thukydides und Xenophon, die beide den Traum des Astyages
und den Schatz des Rhampsinit nicht hätten erzählen können. Aber
ob wir nicht neben den Athenern auch realistisch derbe Poesie
gern haben würden , so gut wie uns Herodot entzückt , darf man
doch wol fragen. Daß eine Poesie, die ein gefallenes Mädchen
einführte, wie Simaitha eins ist, von den tugendlichen Komikern
auch zu den ffopv(oi8(ai gerechnet worden wäre, soll man nicht ver-
gessen. In frühhellenistischer Zeit verbreiten sich die Icovixa SiO|taita ;
sie werden herzhaft obscön gewesen sein, so viel darf man dem
Namen x(vaiSoi entnehmen, aber schwerlich erschöpft das ihre Be-
deutung, sonst hätte ein Dichter wie der Tragiker Alexandres
schwerlich die Gattung gepflegt. Vor allem aber, sie fanden Ver-
breitung und gefielen. Für die recitative Poesie gewann sogar
Sotades in dem ionischen Verse, der seinen Namen trägt, eine
Form, die von moderner Unkritik häufig für lyrisch gehalten wird,
obwohl sie sogar zu Grabschriften verwandt worden ist. Auch
seine Poesie ist mit der allerdings unflätigen Schmutzerei so wenig
erschöpft wie etwa der Mimiamb, dem sie nahe steht, nur daß sie
ganz modern ist; auch ein lästernder Freimut ist neben der höfi-
schen Schmeichelei nicht zu verachten. Von der Lyrik haben wir
1) Athen XIII 607 a aus Klearch, Verfasser von EpioTtxd bei
Athen. Xin 605 c (dazo Phot. s. t.) Die Herkunft dee Mannes wird bei der Sel-
tenheit des Namens wenigstens fflr die Gegend genügend dnrch den Grabstein
AaiAuvIKou MiXv}dou beaeichnet, CIA II 8219; die Fran dieses Lamynthios beul
Ada, mit karischem Namen.
Des M&dcbeof Klage. 229
meist nur den Reflex , das doch nur als Beiwerk angesehene Epi-
gramm ^) ; in dem samischen Kreise steht da anch ein Weib, Hedyle,
aber die ist Hetaere. Anyte ist (uXoiroiöc (als solche ganz an-
kenntlich) *). Glaoke von Chios, die Theokrit verherrlicht, ist in
erster Linie Sängerin '). Was damals eigentlich von den xcd«pa>t8o(
a&Xoai8o( (|)dXtat nnd wie die Namen alle heißen mögen bei den
^(teXtxol i^covsc alles aufgeführt ward, davon haben wir keine
Vorstellung ; es ist nützlich sich darüber keine Illusionen zu machen.
Es tat sehr Not, daß eine sorgfaltige Sammlung aller litterarischen
and epigraphischen Zeugnisse über Dichtung und Musik der helle-
nistischen Zeit gemacht, aber auch das bildliche Material heran-
gezogen werde: seit Jahns Erläuterung der Bilder aus Villa
Pamfili ist unendlich vieles hinzugekommen. Aber alle Berichte
können nimmermehr den Verlust der Dichtungen selbst ersetzen.
Ich bin mir wol bewußt, auch von den Zeugnissen nur so viel
gegenwärtig zu haben, daß ich über das Ganze eine allgemeine
1) Leonidas von Tarent, der einzige, der nichts als Epigramme macht, ist
immer ein bettelhafter Poet geblieben, bei dem es weiter eben nicht reichte.
2) Nossis von Lokri ist deshalb so interessant, weil sie ganz epichorisch ist,
was man am besten daran sieht, daß sie gar nicht gemerkt hat, wie schlecht ihre
Verse gebaut waren, da sie bei der Technik des vierten Jahrhunderts blieb.
Da sie sich mit Sappho vergleicht, war auch sie von Beruf (acXottok^c. Es tut
mir leid, dal Reitzenstein sie eine Hetaere genannt hat, denn er hat sich damit
ebenso vergriffen wie wenn er ihre anathematischen Gedichte für Fictionen erkl&rt:
das sind ja alles Stücke, deren praktische Bestimmung f&r die Frauen von Lokri
offen ausgesprochen ist ; dalt sich anch einmal ein Mann and einmal eine Hetaere
ein Weihgedicht bestellen, kann nur das Bild der Localdichterin vervollständigen :
zu einer Hetaere wird die Verfasserin dadurch so wenig wie zum Mann. Sie
lebt doch vom Versemachen, soll sie eine Bestellung zurückweisen? Hetaere war
doch ein Beruf wie andere, und auch andere Berufe waren gesellschaftlich nicht
reputirlich. Dafi Nossis aber die Liebe und ihre Süssigkeit kennt und sich dazu
bekennt (6, 170, von Reitzenstein verbessert), zeigt am besten, daB sie keine meretrix
war. Sie lebte in der freien Stellung, die in jener wie in der heutigen Welt eine
laXoirocö« und xtfhpforpta (oder welches Instrument sie spielte) einnimmt. Es war
nicht mehr die Zeit, wo die Kunst ein heiliger Beruf war, aber zwischen einer
Dichterin, mochte sie auch keine Matrone sein, und der auXrjtpfc, die man sich
zum Symposion bestellte, war denn doch ein Unterschied.
8) Es geht das Geschäft des vortragenden Künstlers mit dem des erfindenden
Musikers immer sehr viel mehr zusammen als heut, nnd damit hängt wieder die Poesie
sosammen. Das mag nur in den gelehrten und daher vornehmsten Kreisen anders
gewesen sein : Kallimachos wird seine Lieder schwerlich componirt haben, sicher-
lich seine Qalliamben nicht selbst gesungen. DaE Simias nnd Theokrit Ijrrische
Gedichte ganz ohne Berechnung auf den Vortrag, also ohne Musik machen, ist
nur ffir den Scherz der Technopaegnien zuzugeben : wenigstens von ersterem ken-
nen wir ja aoeh Cultlieder.
230 Ulrich von Wilamowit2*MoeIlendorff,
Vorstellimg habe, und deshalb rede ich nicht gern zuversichtlich,
aber die grammatische Ueberliefernng über eine dieser lyrischen
Gattungen trifft anf das vorliegende Stück so harscharf zu , daß
ich doch sage : dies ist eine Hilarodie. Was wir über diese
Gattung wissen verdanken wir dem Aristokles von Rhodos bei
Athenaeus XIV 620, der namentlich von Aristoxenos wichtige An-
gaben erhalten hat. Der Hilarode trägt männliche weiße Kleidung,
goldenen Kranz und Schuhe oder hohe Stiefel ; ein Musiker, männlich
oder weiblich, begleitet ihn auf einem Saiteninstrumente. Er tanzt
(d. h. spielt) ohne unanständige Bewegungen, und seine Poesie ist
icapa rfjv tpaYcoiSiav. Das entspricht genau unseren Versen. Ein
Magnete Simos hat in der Zeit nach Aristoxenos sich besonders
in der Hilarodie ausgezeichnet. Eine ähnliche Gattung ist die
Magodie oder Lysiodie, aber da tritt der Künstler in Weiberklei-
dung auf, begeht in Tanz und Spiel alle möglichen Unanständig-
keiten, spielt fovatxac (toi^ooc xal |iaatpono6g, nozk Se Sv8pa {lsM-
ovta xal iicl xöÄ(iov TrapaYiyöiievov icpöc Tyjv lp(0|i,§vY]v. Seine Poesie ist
nach Aristoxenos icapa rjjv xo>[ia>iStav. Es läßt sich nicht leugnen,
daß der Gegenstand unseres Gedichtes mehr für Magodie spricht;
aber es liegt am Namen schließlich nicht so viel. Dagegen ist
soviel wol zu schließen, daß wir uns das Gedicht von einem Manne,
vielleicht sogar ohne weibliches Costum, zur Saitenmusik vorge-
tragen denken müssen, also würde es von der Naturwahrheit, die
die Worte geben, für unser Gefühl immer noch weit zurückbleiben ;
es wird mir schwer, die Action und den Gesang nicht einer weib-
lichen Künstlerin anvertraut zu denken, wo es doch xi^apo>t8o( auch
vornehmen Stiles von weiblichem Geschlechte gab. Wie dem auch
sei : itapa t-Jjv tpaYo>i8[av ist diese Poesie, und ihre Würdigung darf
nun versucht werden.
Die ionische Poesie hatte kein Drama erzeugt; aber sie hatte
von Archilochos, ja eigentlich von Homer her eine große Kraft
auf die Charakteristik verwandt und war längst gewohnt, aus
fremder Seele zu reden. Sie hatte Personen und Situationen des
Lebens im Reflexe der recitativen wie der lyrischen Poesie, wo
der vortragende Dichter seine Person immer bewahrte, sie hatte
sie auch geradezu mimisch, aber meist in carikirender Weise, durch
Tanz und Gesang dargestellt. Als nun die attische Tragoedie
die Heldensage dramatLsirt hatte, die attische Komoedie daneben
das unnachahmliche attische Leben, als Poesie und Musik ein
unendlich reicheres Organ für die Wiedergabe von Gefühl und
Stimmung geschaffen hatten, da hat irgend wer noch im vierten
Jahrhundert diese Formen und zwar die tragischen aufgegriffen
Des M&dchons Klage. 231
und in ihnen, aber ohne die Sprache des Lebens anfzngeben, Sitna«
tionen des ßioc dargestellt. Mag es zaerst eine sehr lastige Sache
gewesen sein , zuweilen wol auch parodLsch : unser Gedicht beweist,
daß man des verlassenen Mädchens Klage ernst nehmen konnte,
aach ohne Hypsipyle oder Medeia einzuführen, daß man auch in
der Rede des Lebens ohne die veraltete tragische oder gar die
moderne rhetorische Stilirung tiefe Leidenschaft ertönen ließ. Ich
habe das nicht geahnt, ich bin überrascht worden, aber ich hoffe,
ich bleibe nicht allein in der Schätzung dieser realistischen, immer
noch hellenisch realistischen Dichtung. Mich diinkt der Fund nicht
minder wertvoll als die Becher von Boßcorcale.
Wer der Dichter war, das hiite ich mich zu fragen; ob ihm
persönlich oder seiner Gattung der lonismus angehört, läßt sich
nicht sagen : beides hat sich als möglich herausgestellt. Schade,
daß diese ganze Gattung abgestorben ist; aber das ist fast allem
specifisch hellenistischen so gegangen. Man spürt ja im römischen
Pantomimus, der das Drama zerstört und dann abgelöst hat, den
Nachfolger auch der Hilarodie und Lysiodie, in dem beliebten Vor-
trage einzelner tragischer Cantica , den Nero übte , den ^vir aber
auch aus viel früherer Zeit belegen können'), eine analoge Er-
scheinung, die der classicistischen Zeitrichtung besser behagte;
die Musik wird man schon modernisirt haben. Aber die eigent-
liche Hilarodie ist mit der hellenistischen Zeit zu Ende. Sie
dürfte aber in dieser eine starke Bedeutung gehabt haben: wie
sollte z. B. den Römern der Zeit des Flamininus nicht ein solches
realistisches Stück mehr gefallen haben als die Aufführungen der
Classiker? Hat doch Ennius sogar den Sotades übersetzt. Thy-
melische Agone sind damals noch viel zahlreicher gewesen als
scenische ; man sehe z. B. die jüngst veröffentlichten Verzeichnisse
der Museia von Thespiai. Und es will mich bedünken, als ob die
metrische Form unserer Hilarodie ein schweres Problem der Lösung
näher bringe.
Wo die Cantica der römischen Bühne her sind, hat auch
Leo nicht erklärt. Gesetzt er hat Recht mit der Benutzung der
alten Komoedie durch Plautus, so kann diese zwar die Anapaeste
I) Dioskoridee (A. F. 11, 195) erwähnte eine T&nzerin, die die Hyrnetho nnd
die Temeniden tanzte, d. h. ein auf Grund der euripideischen Tragoedie bearbeitetes
Ballet, derselbe (wenn das metrisch nicht unanstössige Oedicht 6, 188 von ihm
ist) eine S&ngerin der Ilinpersis. Satyros von Samos darf, nachdem er ohne
Concarrenten mit der Flöte gesiegt hat, ein Oesangstück mit Chor 'Dionysos*
zugeben (iinMr^t) und ein %i%di^9\ia h. ßaxywv E^pcrftou, Bull. Corr. Hell. 18, 84.
Daselbst mehr der Art, auch eine xopo|«^'^pt^t ^^ ungemein geehrt wird.
232 nirich Ton Wilamowits-Moellendorff, Des Mädchens Klage.
und die ans den alten itvC^t] entwickelten iambischen nnd trochaei-
scben Octonare erklären, aber die Cantica nimmer. Es ist nnbe-
streitbar, daß sie am nächsten mit den tragischen Gesangstücken
verwandt sind, ans denen ich oben meine Belege nehmen mußte.
Ich habe daher früher gesagt , daß die Brücke von der attischen
Tragoedie zu der romischen Komoedie über den neuen Dithyram-
bus führe. Das war insofern zu eng geurteilt, als diese besondere
Gattung genannt ward: dramatische Lyrik der hellenistischen
Zeit hätte es heißen sollen. Man kann freilich sagen, daß die
Tragoedie und Komoedie in Rom zuerst von denselben Dichtem
geübt ward, also ein Mann wie Naevius (dem zudem das oskische
JDrama zugänglich war) sich für alle seine Dichtung einen und
denselben Stil componiren konnte. Allein Plautus ist ein viel zu
selbständiger Stilist, als daß man ihm, der ausschließlich Ko-
miker war, zutrauen dürfte, seine virtuos gehandhabte Form von
Naevius übernommen zu haben. Nun sehe man diese Hilarodie,
denke sich die Lysiodie, die dem Komiker noch besser passen
mußte, hinzu, rechne mit der Menge th3nnelischer Aufführungen,
mit der für diese Künstler viel leichter gegebenen Möglichkeit der
Kunstreisen in Städte und Länder ohne Theater und Orchester:
ist es so wunderbar, wenn die römische Komoedie, die rein reci-
tative und metrisch ganz unscheinbare Stücke übersetzt, nach den
Künsten der Thymeliker greift und aus Magodie und Hilarodie
ihre Cantica schafft? Sind nicht auch inhaltlich die Arien der
Verliebten, die Betrachtungen und dialektischen Zergliederungen
der Empfindungen, wie sie Plautus liebt, dem Tone unserer Hi-
larodie verwandt? Zum Teil liegt das in der gleichen Entste-
hungszeit, denn die ii^oKoda, die uns hier erfreut, ist dieselbe in
den Charakteren, die die Peripatetiker zeichnen, auch in ihrer
Historiographie, und die innerhalb der wenigen Typen, die das
enge attische Leben noch bot, Menander mit unvergleichlicher
Feinheit ausarbeitet. Aber in den Trimetern hält sich eben alles
äußerlich in der zbayiyifXKibYq und Ruhe des attischen Stilllebens:
hier wie bei Plautus ist der Gang lebhafter und die Leidenschaft
freier; es ist eben nicht Rede, sondern Gesang. Mögen denn
die Plautiner weiter sehen: es muß ihnen doch eine aufregende
Neuigkeit sein , daß sie ein Stück griechischer dramatischer L3rrik
ziemlich aus der Zeit des Plautus lesen können.
Nachtrag. Noch in letzter Stande kommt mir £. Rohdes Besprechung in
der Berl. phil. Wocbenechrift Tom 16. Äng. so. Hier ist in meiner Freude das
Gedieht als solches nnd sein Wert anerkannt; sachlich habe ich nichts zu ändern.
Ueber die Nekropole von AsBarlik in Karien.
Ton
W. Helblg»
correspoDdirendem Mitglied der Gesellschaft.
(Vorgelegt Ton ü. v. Wilamowits in der Sitzung Tom 24. October 1896.)
Die Nekropole, welche der englische Archäolog Paton bei As-
sarlik in Karien, zwischen Halikarnaß and Myndos, entdeckte^),
ist bereits von Dümmler ') einer eingehenden Betrachtung unter-
zogen worden. Wenn ich noch einmal darauf zurückkomme, so
geschieht dies im Besonderen deßhalb, weil ich das Verhältniß der
verschiedenen darin vorkommenden Grabformen anders auffasse als
dieser Gelehrte und dem letzteren ein Berührungspunkt zwischen
einer dieser Grabformen und den im homerischen Epos geschil-
derten Bestattungsgebräuchen entgangen ist, ein Berührungspunkt,
welcher für die Bestimmung der Zeit, der die Nekropole angehört,
wie des Stammes, von dem sie herrührt, nicht unbedeutsam zu
sein scheint.
Zunächst gilt es die wichtigsten Thatsachen, welche in dieser
Nekropole beobachtet worden sind, in das Gedächtniß zurückzu-
rufen. Da die in den verschiedenen Gräbern gefundenen Hand-
werksprodukte einen im Wesentlichen übereinstimmenden Stilcha-
rakter aufweisen, dürfen wir mit Dümmler annehmen, daß sich die
EntWickelung der Nekropole innerhalb eines verhältnißmäßig be-
schränkten Zeitraumes vollzog. Und zwar deuten diese Produkte
auf den Uebergang von der mykenischen zu der folgenden Periode,
für welche die Ausbildung der geometrischen Stile bezeichnend
ist. Unter den Thongefäßen begegnen wir mehreren specifisch
mykenischen Formen. Dümmler hebt als solche mit Recht eine
1) Joamal of hellenlc ttadiet Ym (1667) p. 66--77.
3) Athenische Mittheilnngen Xin (1886) p. 278-280, p. 301.
234 W. Heibig,
Btigelkanne ^ und einen Napf hervor , dessen halbkugelförmiger,
mit einem Ausguß versehener Behälter von einem niedrigen, cylin-
derförmigen Fuße getragen wird^). Ein Fragment eines Pithos*)
erinnert an ein bei Knossos gefundenes Gefäß derselben Gattung,
das nach der Darlegung von Fabrieius aus der dortigen mykeni-
schen Schicht stammt*). Doch zeigen alle ornamentierten Gegen-
stände, die sich in der karischen Nekropole gefunden, welches Ty-
pus sie auch sein mögen, nicht die Fülle von Motiven, welche für
die Blüthezeit der mykenischen Kunstindustrie bezeichnend ist,
sondern eine beschränkte Auswahl von geometrischen Ornamenten
strengsten Typus und zwar größten Theils von solchen, welche in
mehr oder minder rudimentärer Form bereits dem in den ältesten
troischen Niederlassungen geübten Handwerke geläufig gewesen
und von der mykenischen Kunst nur weiter entwickelt worden
waren *). Der sich hierbei ergebende Stil, welcher sowohl die Spi-
1) Journal of hell, studies VIII p. 74 Fig. 18.
2) Journal VIII p. 69 Fig. 4. Vgl. Dumont et Chaplain Les c^ramiques de
la Gr^ce propre I pl. III 2; Furtwaengler und Loeschcke Mykenische Vasen T. I 7,
T. XVIII 128.
8) Journal VIII p. 71 Fig. 10.
4) Athenische Mittheilungen XI (1886) T. IV p. 139, p. 144 ; Perrot et Chi-
piez Histoire de l'art VI p. 461 n. 173.
5) Ich begnüge mich, einige besonders bezeichnende Beispiele anzuführen:
1) Die häufig auf den Patonschen Tbonsarkophagen eiogepresste Sternrosette
(Journal VIII p. 77 Fig. 24) kommt in rudimentärer Form bereits auf alttroischen
sogenannten Spinnwirtelu vor (Schliemann Uios n. 1823). Vollständig ausgebildet
erscheint sie auf einem angeblich aus der zweiten troischen Stadt stammenden
Goldbleche (Schliemann Ilios p. 630 n. 968) wie auf Goldblechen, die in einem
der mykenischen Schachtgräber gefunden wurden (Schliemann Mykenae p. 304
D. 414). — 2) Der Radiusstern scheint eine von der mykenischen Kunst vorge-
nommene Umbildung der Sternrosette (ein Uebergangstypus : Schliemann Mykenae
p. 304 n. 415). Er findet sich, ähnlich angeordnet wie auf den Patonschen Sar-
kophagen (Journal VIII p. 76 Fig. 22), häufig auf mykenischen Anticaglien (Schlie-
mann Mykenae p. 195 n. 241, p. 228 n. 301, 302. 'EtpruiBiflg &QxaioloyiyLii 1888
T. 8 n. 7 p. 164). — 3) Ein anderes auf den Patonschen Sarkophagen vorkom-
mendes Ornament besteht aus einem von einem Zackengürtel umgebenen Runde
(Journal VIII p. 75 Fig. 20, p. 76 Fig. 23). Auch dieses Ornament erscheint auf
troischen Spinnwirtelu vorgebildet (Schliemann Ilios n. 1825) und von der myke-
nischen Kunst weiter entwickelt (Furtwaengler und Loeschcke Mykenische Vasen
p. 17 Fig. 5). — 4) Die Decoration mehrerer aus der Patonschen Nekropole stam-
menden, bemalten Vasen besteht aus Gürteln und Gruppen concentrischer Halb-
kreise, die auf die Gürtel aufgesetzt sind (Journal VIII p. 69 Fig. 6, p. 74 Fig. 18).
Wir dürfen den Keim, aus dem sich dieses Ornament entwickelte, wiederum in
der Decoration troischer Spinnwirtel erkennen (Schliemann Ilios n. 1821, 1848, 1861,
1868-66, 1893, 1896, 1902, 1903, 1906, 1909, 1987, 1989). Auf einem in einem
über die Nekropole von Assarlik in Karlen. 236
rale wie jegliches vegetabile Element ansscUiefit, ist einfacher und
primitiver als der Dipylonatil , der geometrische Stil Bßotiens,
derjenige, in welchem wir eine Vorstufe des sogenannten proto-
korinthischen zu erkennen haben *) , wie der Stil , welcher durch
die ältesten in der Altis gefundenen Kunstprodnkte vergegenwärtigt
wird. Er reicht somit in eine ältere, der mykenischen Periode nä-
her liegende Zeit hinauf als die, in welchen die anderen uns be-
kannten geometrischen Stile ihre vollständige Ausbildung erhielten.
Ein weiteres chronologisches Kriterium wird durch fünf bron-
zene Heftnadeln (fibulae) dargeboten, die sich in der karischen Ne-
kropole gefunden*). Dieses Utensil ist erst in einer fortgeschrit-
tenen Phase der mykenischen Entwickelung und auch während
dieser nur in sehr wenigen Exemplaren nachweisbar. Wir kennen
gegenwärtig nur drei einfache Bogenfibeln, welche in der Nekro-
pole der Unterstadt von Mykene *), ein viertes Exemplar der glei-
chen Gattung*) und zwei eines etwas jüngeren Typus — mit ab-
geplattetem Bogen — , die unter den Trümmern der nordöstlich
vom Löwenthor gelegenen spät-mykenischen Häuser entdeckt wur-
den*). Die Zahl der uns bekannten Gräber und anderen Fund-
complexe, welche der mykenischen Periode angehören, ist derje-
nigen der, von Paton aufgedeckten Gräber weit überlegen. Wenn
sich daher in den letzteren fünf Heftnadeln gefunden haben, so
deutet dies auf eine Zeit, in welcher derartige Utensilien eine un-
gleich weitere Verbreitung gefunden hatten, als es während jener
späten Phase der mykenischen Entwickelung der Fall war. Hier-
mit stimmt es, daß diese Heftnadeln, deren Bügel in der Mitte
anschwillt, am offenen Ende breit gehämmert und auf jeder Seite,
wo er sich zu senken anfängt, durch ein scheibenartiges Motiv
verstärkt ist, einen complizierteren Typus zeigen als die mykeni-
schen. Anderer Seits steht aber dieser T3rpus der Urform, der
der mykenischen Schachtgr&ber gefundeoen Topfe (Scliliemann Mykeoae p. 378
n. 527) und anderen mykenischen Gef&ssen, die Dümmler p. 279 angeflfthrt, sind
die Qürtel und die Halbkreise bereits in derselben Weise angeordnet wie auf den
Patonschen Vasen.
1) Vgl. Orsi in den Notizie degli scavi 1896 p. 113-lU.
2) Journal YIU p. 74 Fig. 17.
3) 'E^^i^ig iozMoloyinti 1887 p. 163 not. 1; 1888 T. 9 n. 1, 2, p. 136,
p« 189, p. 167.
4) 'Etfmiu^ 1891 p. 26.
6) 'Eqnfp, 1891 T. 3 n. 5, p. 26 (» Perrot et Chipies Histoire de Part VI
p. 691 n. 267).
236 W. Heibig,
einfachen Bogenfibel, näher als die im Ereifie der Dipylonknltur
üblichen, ist also älter als diese ^).
Die Thatsache, daß die Patonsche Nekropole keine bronzene
WaflPen und Werkzeuge , wohl aber eiserne Lanzenspitzen nnd
Messer enthielt "), steht in bestem Einklänge zu den bisher gewon-
nenen Resoltaten ; denn es läßt sich beweisen , daß das Eisen im
griechischen Enitarkreise erst während der Zeit, in der sich die
geometrischen Stile zu entwickeln anfingen, eine weitere Verbrei-
tung erfuhr. Wie die Fibula tritt auch das Eisen in Griechen-
land') zum ersten Male während einer späteren Phase der myke-
nischen Periode, aber auch während dieser Phase nur selten and
in ganz einseitiger Verwendung anf. Es ist bis jetzt nnr durch
drei Ringe vertreten, von denen der eine aus dem amykläischen
Euppelgrabe *) , die anderen beiden aus Gräbern der Unterstadt
von Mykene stammen ^) und in denen wir offenbar phönikische Im»
portartikel zu erkennen haben ^). Das vorliegende Material reicht
nicht aus, um zu entscheiden, ob die Phönikier, nachdem sie ge-
lernt hatten, das Eisen zu kleineren Gegenständen, wie zu Ringen,
zu verarbeiten, baldigst zu einer durchgreifenderen Ausnutzung
dieses Metalles übergingen. Wollen wir die Möglichkeit zugeben,
daß sie diesen für die technische Entwicklung hochwichtigen
Schritt noch während der mykenischen Periode thaten, so blieb
jedenfalls Griechenland zunächst davon unberührt. Vielmehr fuhren
1) Vgl. Stadniczka in den Athen. Mittheilungen XII (1887) p. 18- 19.
2) Journal YIII p. 68, p. 70 n. 11, p. 77.
3) In die Troas scheinen einzelne grössere Gegenstände aus Eisen bereits
während der mykenischen Periode und Tielleicht noch früher eingeführt worden
zu sein (Schliemann Bericht über die Ausgrabungen in Troia i. J. 1890 p. 20;
Doerpfeld Troia 1898 p. 98). Ich habe hierüber in den M^moires de l'Acad^mie
des Inscriptions et Belles-Lettres XXXV, 1896, p. 889-*340 note 2 das Nöthige
bemerkt. Sind die Fundangaben genau, dann handelt es sich um ganz exceptio-
nelle Thatsaehen, welche an der Kultur der alttroischen Bevölkerung spurlos vor-
übergingen.
4) '£9i)fft. &^x. 1889 p. 147.
6) '£9. ^ex- 1B88 p. 186, p. 188, p. 147.
6) Eine ähnliche Erscheinung wie die drei in der Peloponnes nachgewiesenen
Exemplare ist ein eiserner Ring, welcher aus der bei Syrakns gelegenen Sicaler*
nekropole von Castelluccio zu Tage kam. Er fand sich in einem Grabe, welches
vorwiegend steinerne und nnr ganz wenige bronzene Manufacten enthielt (Ball,
di paleinologia italiana XVIII, 1892, T. V 28, p. 88). Da dieses Grab sicher in
die dem Beginne des hellenischen Verkehrs vorhergehende Zeit hinaufreicht, kann
jener Ring nur von den Phönikiem importiert sein, die vor der Ankonft der
Hellenen allein den sieilischen Markt beherrschten. Vgl. Mtooires de PAcadteie
des Inscriptions et Belles-Lettres XXXV (1896) p. 360—863.
über die Nekropole von Assarlik iu Karlen. 237
die Achäer bis zum Ende jener Periode fort, sich ausschließlich
bronzener Waffen und Werkzeuge zu bedienen. Es ergiebt sich
dies mit besonderer Deutlichkeit aus zwei unter Steinschichten
geborgenen Niederlagen von bronzenen Gegenständen — Schwer-
tern, Pfeilspitzen, Messern, Beilköpfen und anderen Werkzeugen — ,
die in Mykene nordöstlich vom Löwenthor, die eine neben, die an-
dere unterhalb der Trümmer der daselbst gelegenen Häuser, ent-
deckt wurden *). Die Bauart der Häuser wie die Typen der Bron-
zen deuten auf das Ende der mykenischen Periode. Besonders
bezeichnend ist es, daß sich in den beiden Niederlagen drei Typen
von Schwertern gefunden haben, welche in den Schacht-, Kuppel-
und Felsengräbern fehlen, sich hingegen auch nach dem Abschlüsse
der mykenäischen Periode noch geraume Zeit erhielten^. Der
1) 'Etp. &QX' 1891 p. 2S— 26.
2) Typus A : 'Eg>. 1891 p. 26. Die Terbältnismäasig breite Klinge wird erst
unweit der Spitze scbm&ler; die Qriffsunge ist flach und am oberen Ende mit
zwei vorspringendeu Ecken versehen; in ihr wie in der Schwellung, welche den
Uebergang zur Klinge vermittelt, sind Nietlöcher angebracht, die zur Befestigung
eines Beschlages aus Elfenbein, Knochen oder Holz dienten. Ein Bronseschwert
desselben Typus wurde unter den Trümmern eines den beiden Depots benach»
harten Hauses gefunden (Schliemann Mykenae p. 167 Fig. 221; Heibig Das ho-
merische Epos 2. Aufl. p. 886 Fig. 180, wo Anm. 4 weitere Litteratnr ange-
fOhrt ist). Dass dieser Typus die mykenische Periode überdauerte, beweist ein
sa Olympia in der Altis gefundenes Exemplar (Olympia IV, die Bronzen, T. XXVI
529 p. 72. Vgl. unten Seite 238 — 289). AuBerdem wird er zu der auf die myke-
nische folgenden Entwickelung dadurch in Beziehung geseut, daA der Typus der
eisernen Schwerter, welche sich in den Dipylon- wie in kyprischen Qr&bern fin-
den , deutlich als ans ihm abgeleitet erkennbar ist (s. weiter unten Seite 241 An-
merkung 2).
Typus B vertreten durch drei Exemplare: '£9. 1891 p.26. Er unterscheidet
sich von A im Besonderen durch die vervoUkommnetere Bildung der Griffzunge,
die von stark erhabenen R&ndem umgeben ist und oben in ein einem Kreisseg-
mente entsprechendes Motiv endet. Schliemann (Mykenae p. 191 Fig. 238) ent-
deckte einen ihnlichen bronzenen Dolch innerhalb des über den Schachtgr&bem
liegenden Schuttes. Auch dieser Typus kommt in Schichten vor, die jünger sind,
als die mykenischen. Er ist z. B. in der Nekropole von Torre Mordillo (bei Sy-
baris) durch ein bronzenes (Notizie degli scavi 1888 T. XIX 11, 11* p. 576, tomba
XCVII n. 1), in den cometaner Tombe a pozzo (vgl. Mtaoires de l'Ac des In-
■criptions XXXV p. 866—872) durch ein bronzenes (Mon. dell' Intt. XI T. LX
19, 19»; Ann. 1888 p. 291; Martha L'art ^trosque p. 61 Fig. 41) and durch drei
eiserne Schwerter (1. Notizie degli scavi 1882 T. XII 4 p. 180*181; Martha
L'art ^trasque p. 61 n. 43. — 2. Bull, dell' Inst. 1882 p. 215$ Notizie 1888
p. 186. ^ 8. Notizie 1882 p. 189) vertreten.
Typus C: '£9. 1891 T. II 5 p. 25; Perrot et Chipiez Histoire de Tart VI
p. 976 IL 651. Er unterscheidet sich von B im VlTesentlichen nur dadurch , dai
oater der Oriflsiuige eine Ueiiit, »of jeder Seite abw&rti gekrümmte PArientange
238 W. Heibig,
Gedanke liegt nahe , daß die Bergong jener Gegenstände mit den
Wirren zusammenhing, welche der Einbrach der Dorier in der Ar-
golis hervorrief. Hätten die damaligen Mykenäer über eiserne
Waffen xmd Werkzenge verfügt, so würden sie für die Sicherung
auch von diesen Sorge getragen und die beiden Niederlagen dem-
nach auch eiserne Exemplare enthalten haben. Da dies nicht der
Fall war, dürfen wir annehmen, daß der ausschließliche Gebrauch
bronzener Waffen und Werkzeuge bis zum Ende der mykenischen
Periode fortdauerte.
Der älteste eiserne Gegenstand von ansehnlicheren Dimen-
sionen, welcher bisher aus griechischem Boden zu Tage gekommen
ist, wurde in einem eleusinischen Grabe gefunden, welches dem
Uebergange von der mykenischen zu der Dipylonperiode angehört
und somit unter den gegenwärtig bekannten Fundcomplexen zeit-
lich der Patonschen Nekropole am Nächsten steht')- Die Con-
struction dieses Grabes, das aus einer mit Steinplatten ausgefüt-
terten und zugedeckten Grube bestand, erinnert noch an diejenige
der auf der Akropolis von Mykene gelegenen Schachtgräber '). Es
enthielt sowohl mykenische wie mit geometrischen Ornamenten ver-
zierte Thongefaße, welche wir einer den Dipylonstil vorbereitenden
Phase der Keramik zuschreiben dürfen, außerdem ein großes Frag-
ment eines unkenntlich gewordenen Gegenstandes aus Eisen.
Es versteht sich von selbst, daß das Eisen nicht urplötzlich
sondern alhnählich an die Stelle der Bronze trat. Leider sind
keine Funde bekannt, welche diesen Vorgang in seinen Einzel-
heiten zu verfolgen gestatteten. Doch beweisen die in der Altis
von Olympia unternommenen Ausgrabungen, daß er Statt fand und
daß wir ihn in der auf die mykenische folgenden Periode anzu-
nehmen haben. Diese Ausgrabungen haben kein einziges myke-
nisches Konstprodukt zu Tage gefördert'). Vielmehr zeigen be-
reits die ältesten Fundstücke den seit der dorischen Wanderung
auf konunenden geometrischen Stil. Es wäre verfehlt hieraus den
Schluß zu ziehen, daß der Einfluß der mykenischen Kultur nicht
beigefügt ist. Ein eisernes Exemplar, welches sich in Amyklaion ('£9. d^. 1891
p. 26, 1892 p. 14) gefunden hat, beweist« dafi anch dieser Typus noch nach dem
Ende der mykenischen Periode im Gebrauch blieb.
1) '£9. difX' 1889 p. 191.
2) Vgl Perrot et Chipiez Histoire de Tart VI p. 332—883. Eine Aasf&tte-
rung mit Bruchsteinen und Lehnuiegeln ist auch in eleusinischen Qrübern be-
obachtet worden, welche der Periode des geometrischen Stils angehören. 'JE9.
&9X. 1889 p. 173, p. 188.
8) Fortwaengler Die Bronsefonde aus Olympia p. 7.
über die Nekropole von Assarlik in Karien. 239
bis nach Elis gereicht habe. Da sich vielmehr mykenische Topf-
waare in Pylos gefunden hat') and mykenische Gräber wie dazn
gehörige Indastrieprodokte aaf Kephallenia nachgewiesen sind'),
so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß jene Kultor auch anf
das benachbarte Elis einwirkte. Sind doch die engen Beziehungen,
welche zwischen dieser Landschaft und den ionischen Inseln ob-
walteten, bereits in dem homerischen Epos bezeugt. Der Ithake-
sier Noemon besitzt in Elis eine Stuterei ^). Ebenso unterhält
Odyssens den größten Theil seines Viehbestandes auf dem benach-
barten Festlande*). Nachdem die Ermordung der Freier ruchbar
geworden ist, fordert der Vater des Antinoos, Eupeithes, die Itha-
kesier auf, 0(lys^2eus sofort in Haft zu nehmen, da sich dieser sonst
leicht nach Pylos oder Elis flüchten könnte*). Wenn daher bei
den zu Olympia unternommenen Ausgrabungen keine mykenische
Fundschicht zu Tage gekommen ist, so hat man dies nicht daraus
zu erklären, daß die mykenische Kultur spurlos an Elis vorüber-
ging , sondern daraus , daß die Altis erst nach dem Untergange
dieser Kultur zu einem Mittelpunkte der Grottesverehrung gemacht
wurde.
Die Summe der Funde läßt darauf schließen, daß während der
ältesten Zeit den in der Altis verehrten Gottheiten noch einzelne
bronzene Wa£Pen dargebracht wurden, jedoch die Zahl der eisernen
bereits damals beträchtlich überwog. Die Ausgrabungen haben
nur ein einziges bronzenes Schwert geliefert, welches aus der sehr
alten um den Zeusaltar aufgethürmten Schicht stammt*), hingegen
1) Athen. Mittheilangen XIV (1889) p. 132.
2) Von Dubn in den Neuen Heidelberger Jahrbüchern I p. 146 ff. ; Wolters
in den Athenischen Mittheiluogen XIX (1894) p. 486-490; Reisch Ithaka p. 11
(in den Serta Harteliana). £8 scheint beachtenswerth , daB wie beinahe für alle
Gegenden, in denen sich mykenische Alterthümer finden, so aach für Pylos (Od.
XIII 274) ond für eine der ionischen Inseln, n&mlich für Ithaka (Od. XIII 276 ff.,
XV 482), phOnikischer Verkehr ausdrücklich beaeagt ist. Die Vermnthangen,
welche Oberhummer Phönizier in Akamanien (München 1882) über diesen Ver^
kehr entwickelt, dürften eine eingehendere Berücksicbtigong Terdienen als sie
ihnen bisher sa Theil geworden ist.
3) Od. IV 635.
4) Od. XIV 100—104.
5) Od. XXIV 481.
6) Olympia IV, die Bronzen, T. XXVI n. 629 p. 72. Die daneben gefundenen
drei Miniatnrschwerter aus Bronze (n. 530—532) dürfen aufier Betracht bleiben,
da das Material , in welchem solche aus Billigkeitsrücksichten redncierte Weih,
gaben ausgeführt sind, nichts für die entsprechenden, zum Gebrauche dienenden
Oegenst&nde beweist Vgl. i. B. £. Pottier et 8. Beinach La ntoopole de My-
rina p. 248-246.
240 W. Heibig,
eine große Menge von eisernen Exemplaren und von Fragmenten
von solchen^). Ebenso ist die Zahl der bronzenen Lanzenspitzen,
welcbe den ans der mykeniscben Periode überkommenen blattf5r-
migen Typus aufweisen»), im Vergleich mit den analogen Exem-
plaren aus Eisen verschwindend klein. Da sich eiserne Lanzen-
spitzen dieser Art in den tiefsten Schichten gefanden haben, wie
sie unter dem Heraion, bei dem Zeusaltar, dem Pelopion, dem
Zeustempel und im Prytaneion abgelagert waren'), so dürfen wir
annehmen, daß ihre Herstellung bis in die Zeit hinaufreicht, in
welcher die Altis eine Kultusstätte zu werden anfing. Allerdings
sind in den Ausgrabungsberichten nur bronzene Pfeilspitzen ver-
zeichnet^). Doch beweist dies keineswegs, daß in der Altis aus-
schließlich mit bronzenen Spitzen versehene Pfeile geweiht vnirden.
Vielmehr hat man der Erfahrung Rechnung zu tragen, daß klei-
nere Gregenstände aus Eisen, wie Pfeilspitzen, durch die unmittel-
bare Berührung mit der feuchten Erde in der Regel vollständig
zersetzt werden und sich in Folge dessen der Beobachtung ent-
ziehen. Besondere Aufinerksamkeit verdient es endlich, daß bereits
in den untersten Schichten Fragmente von eisernen Dreifüßen ge-
funden wurden, während Reste von bronzenen erst aus den oberen
Schichten zu Tage kamen ^). Die Bronze eignete sich vortrefflich
zur Herstellung von Dreifüßen und wir wissen, daß diese während
des ganzen Alterthums gewöhnlich aus Bronze gearbeitet worden.
Wenn sich nichts desto weniger gerade in den untersten Schichten
der Altis ausschließlich Reste eiserner Dreifüße gefunden haben,
so beweist dies, daß während der Zeit, welcher die in jenen
1) Olympia IV T. XXVI n. 683, p. 72, p. 178-179.
2) Olympia IV p. 173 d. 1032—1040, 1042-1049.
8) Olympia IV p. 8, p. 178. — Die in der Altis gefundenen rierkaatigen
Lanzenspitzen ans Bronze, deren Schaft in einen vierblätterigen Kelch ausl&uft,
haben nach Furtwaenglers (Olympia IV, die Bronzen p. 176—176 n. 1060—1060)
einleuchtender Darlegung mit unserer Untersuchung nichts zu thun. Dieser Typus
steht in keinem Zusammenhang mit den alteren Typen, sondern scheint eine ver-
h<niim&ftig sp&te, rein griechische Erfindung» bei welcher, vermuthlich aus kanst*
lerischen Gründen, die Bronze vor dem Eisen bevorzugt wurde. Die Zahl der
eisernen Exemplare ist im Vergleich mit derjenigen der bronzenen verschwindend
gering. Die Hauptmasse dieser vierkantigen Lanzenspitzen scheint dem 6. Jahr-
hundert anzugehören; nur ganz wenige mögen in das 6. Jahrhundert hinaufrei-
chen. Aus den auf mehreren bronzenen Exemplaren beigefügten Inschriften er-
giebt sich der Gebrauch solcher Lanzenspitzen mit Sicherheit für Lakedaimon
und Sikyon, mit Wahrscheinlichkeit für Koriifth und Thorioi.
4) Olympia IV p. 177 ff.
5) Olympia IV p. 8, p. 76.
ab«r die Nekropole Ton Asuurlik in Karien. 241
Schicliten abgelagerten Gegenstände angeboren, eine große Menge
von £isen zur Yerfügong stand und for dieses Metall eine ent-
scbiedene Vorliebe berrscbte.
Während die ältesten Fnnde in der Altis aof ein Stadinm
hinweisen, in welches noch einzelne Aoslänfer der Bronzezeit herab-
reichten, in dem jedoch das Eisen bereits überwog, bekunden die
attischen Gräber, welche der Zeit der fortgeschrittenen Dipylon-
knltur angehören, die Alleinherrschaft dieses Metalles. Es ist
darin weder eine Waffe noch ein Werkzeug ans Bronze gefanden
worden. Hingegen haben diese Gräber eiserne Gegenstände der
verschiedensten Art geliefert, Lanzenspitzen, die in den einzelnen
Gräbern gewöhnlich paarweise vorkommen *) , Schwerter *) , einen
Dolch'), Messer*), Heftnadeln*), Fingerringe*), Beüköpfe^), Be-
schläge ^), Stifte, Nägel ^. Da mehrere unter diesen Gegenständen,
wie im Besonderen Heftnadeln und Stifte, noch in der späteren
Zeit vorwiegend oder häufig aus Bronze gearbeitet wurden, so
berechtigen die in den Dipylongräbem vorkommenden eisernen
Exemplare zu dem gleichen Schlüsse, den wir aus den in den un-
tersten Schichten der Altis gefundenen Fragmenten von eisernen
Dreifüßen gezogen haben.
Die Bevölkerung, welche die Asche ihrer Todten in der kari-
sehen Nekropole beisetzte, stattete die Gräber nur mit sehr spär-
lichen Beigaben aus. In Folge dessen sind wir außer Stande das
Yerhaltniß, welches bei ihr zwischen Bronze und Eisen obwaltete,
genau festzustellen und wir müssen, da sich in der ganzen Nekro-
pole kein einziges Werkzeug gefunden hat , immerhin die Möglich-
keit zulassen, daß die Werkzeuge noch aus Bronze gearbeitet
1) Monnments grecs pobli^s par l'association pour PencooragemeDt des ftndes
grecqaes eo France Nom. 11—18 (1882—1884) p. 42. Athen. Mittheilnngen Xm
p. 297, XVIII p. 107—108. 'Etpnpk. &qx. 1889 p. 181-182.
2) Uttdset Die <etten Schwertfonnen (Zeitschrift fftr Ethnologie 1890) p. 1
—2. Athen. Mitth. XIII p. 296-297, XYH p. 219, XVin p. 107, p. 108, p. 188.
8) Athen. Mitth. XYin p. 107—108. Nicht nur die Klinge und Oriffsunge
bestehen ans Eisen, sondern anch die Stifte, dorch welche die Holsbekleidang aof
der Griffzonge befestigt war.
4) Monnments publik ponr Penconragement des ^odes gr. Nnm. 11—18
p. 42. 'Stp. Aqx. 1889 p. 181—182. Athen. Mittheilnngen XIU p. 297.
6) Athen. Mitth. XX p. 874.
6) Athen. Mitth. XX p. 874.
7) Athen. Mitth. Xm p. 297-298.
8) Athen. Mitth. XHI p. 298, XVm p. 124. 'E9. d^. 1889 p. 181—182.
9) Ath. Mitth. xm p. 298, XTUI p. 124, p. 129. 'JBy. ^. 1889 p. 181—182.
TgL die Torhargehende Anm. 8.
IffL Ofi. 4. W. HatluftektM. FMtoJJg. Mrttr . Ilaa«. I8SS. Bifl t. 18
242 W. Heibig,
worden. Wie dem aber auch sei, jeden Falls beweisen die eisernen
Lanzenspitzen and Messer, daß die Patonsche Nekropole nach
dem Ende der mykenischen Periode angelegt ist. Anderer Seits
aber lassen die zahlreichen Beröhrnngspnnkte , welche die in den
Gräbern gefundenen Manufacten, und, wie wir im Weiteren sehen
werden, auch die Grabformen noch mit mykenischen Typen dar-
bieten, darauf schließen, daß sie der mykenischen Entwickelung
naher steht und somit älter ist, als die Hauptmasse der in den
tiefsten Fundschichten der Altis abgelagerten Objecte und die
Gräber, in deren Inhalt der ausgebildete Dipylonstil herrscht.
Einen auffälligen Gegensatz zu dem im Ganzen einheitlichen
Charakter, den die in den verschiedenen Gräbern gefundenen Ma-
nufacten aufweisen, bildet die Mannigfaltigkeit der Grabformen,
welche in der Patonschen Nekropole neben einander hergehen.
Wir begegnen erstens in den Boden eingearbeiteten Vertiefungen,
welche den ältesten Gräbern der Italiker und Etrusker, den söge*
nannten Tombe a pozzo, entsprechen. Sie sind mit Stein- oder
Thonplatten ausgelegt und mit runden Steinplatten zugedeckt, de-
ren Durchmesser 3—4 englische Fuß = 0,915 — 1,22 Meter beträgt.
Man findet darin Leichenasche sei es einfach auf den Boden ge*
streut, sei es in thönernen Gefäßen geborgen. Ich werde der
Kürze halber für diese Gräber die von Paton angewendete Be-
zeichnung ,,Ostotheken^ festhalten. Eine zweite Gattung wird
durch in den Boden eingearbeitete und bisweilen ebenfalls mit
Thonplatten ausgelegte Gruben gebildet, welche groß genug sind,
um einen unversehrten Leichnam aufzunehmen, und sich den in
Italien auf die Tombe a pozzo folgenden Tombe a fossa vergleichen
lassen. Zu den Ostotheken und Gruben kommen drittens Grab-
kammem rechteckigen Grundrisses, die durch einen Dromos zu-
gänglich sind und deren Wände nach oben convergiren, derartig
daß die Decke aus wenigen großen Steinen ausgeführt werden
konnte, eine Form, welche an diejenige der Kuppel- und von ge-
wissen Felsengräbern der mykenischen Periode erinnert, üeber
jeder Kammer war ein Erdhügel aufgeschichtet und um diesen ein
Steinring gelegt. Eine der Kammern enthielt drei in den Boden
eingearbeitete Gruben der im Obigen bezeichneten Art'); in an-
deren Kammern waren thoneme Sarkophage aufgestellt ').
Mehrere unter diesen Typen weisen wiederum auf die myke«
nische Periode zurück. Wenn die Form der Kammern an myke-
1) Jounud Vm p. 72 Fig. 14.
2) JouroAl vm p. 70.
ftber die Nekropole Ton Assarlik in Earien. , 243
nische Grabanlagen erinnert, so mochte ich dies in Anbetracht der
zahlreichen Beriihmngspnnkte , die sich zwischen den in der Pa-
tonschen Nekropole beobachteten und mykenischen Typen heraus-
gestellt haben und noch herausstellen werden, mit Dümmler nicht
für zufällig halten. Die Gruben lassen sich recht wohl als ver-
kümmerte Ausläufer der auf der Akropolis von Mykene entdeckten
Schachtgräber betrachten. Jeden Falls finden die drei in den Bo-
den einer der Patonschen Kammern eingearbeiteten Gruben Ana-
logie in denjenigen, welche nicht selten innerhalb der mykenischen
Kuppel- und Felsengräber angebracht sind'). Wie die Patonschen
Graben bisweilen mit Thonplatten, sind die mykenischen bisweilen
mit steinernen Quadern ausgefuttert *).
Jedoch hatte die Bevölkerung, welche die Nekropole von As-
sarlik anlegte, in einer Hinsicht mit der aus der mykenischen Pe-
riode fiberlieferten Bestattungsweise gebrochen. Sie setzte ihre
Todten nicht mehr bei, wie es während jener Periode üblich ge-
wesen war, sondern bediente sich ausschließlich der Verbrennung.
Nicht nur die Ostotheken sondern auch die anderen Gelasse, die
Gruben, die Sarkophage, die Kammern, enthielten, obwohl sie nach
ihren Formen wie nach ihren Dimensionen für die Aufnahme un-
verbrannter Körper berechnet waren, durchweg Leichenasche. Ein
großes, thönernes Aschengefäß war in einer der Gruben geborgen^,
andere auf den Böden der Kammern aufgestellt^); in den Sarko-
1) Graben in Eappelgr&bern« Zwei Qraben in dem anweit des He-
raions gelegenen Kuppelgrabe: Athen. Mittheilangen III (1878) T. XI p. 278;
Perrot VI p. 896 n. 120. Vgl. 'JB^ijfi. itQ%. 1889 p. 145. Zwei Qraben in dem
nördlich tom Löwenthore gelegenen Knppelgrabe: Perrot VI p. 607. Eine 0,80
Meter lange in dem Knppelgrabe Ton Menidi (ein Kindergrab ?) : Das Knppelgrab
▼oü Menidi p. 37 Fig. VI S p. 89^40. Eine mit Leichnam in dem Koppelgrabe
Ton Yaphio : '£9. &qz. 1889 p. 142, p. 144 ff. ; eine in dem Stomion dieses Grabes
angebrachte Qmbe diente nicht xor Beisetsnng eines Leichnams sondern , wie es
scheint, für tvayicftoi: p. 140—141. — Graben in Felsengräbern von
Haoplia: 'A^Jtvaiop VII (1878) Taf. A p. 187. 'A», VIII (1879) Tafel so p.515ft;
Perrot VI p.40O, 401 n. 184, 185. 'M. VIII p. 517; p.519; p. 520.— Graben
in Felsengr&bern der Unterstadt Ton Mykene: 'JZ9. &^, 1888 p. 149
—150, Grab 88 (xwei Graben); p. 150, Grab 41; p. 152 Fig. 8, 9, Grab 47 (drei
Graben); p. 157—168 Fig. 11, Grab 52.
2) Es gilt dies f&r die Grobe, die innerhalb des amyklftischen ('£9. ^. 1889
p. 145), wie ffir die beiden Graben, welche innerhalb des nördlich fom mykeni-
soben Löwenthore gelegenen Kappelgrabes (Perrot VI p. 607), eingesprengt sind,
ebenso für eine Grobe, die innerhalb eines sor Unterstadt ton Mykene
Felsengrabes beobachtet worde fS^. ^. 1888 p. 158).
8) Joomal VIII p. 78.
4) Journal Vm p. 68, p. 70.
18»
244 W. Heibig,
phagen muß die Leichenasche, da Paton nichts über daxin gefdn-
dene Gefäße berichtet, einfach auf den Boden gestreut worden seio.
Wie hat man diese auffällige Erscheinung zu erklären?
Düznmler nimmt an, daß die Ostotheken den älteren, die anderen
Gräber den jüiigeren Gebrauch vertreten, daß dso der Stamm,
welcher die karische Nekropole hinterließ, ursprünglich seine Todten
verbrannte und auch dann noch hartnäckig an der Verbrennung
festhielt, als er unter irgendwelchen Einflüssen Grabformen ange-
nommen hatte, die für feuerlose Bestattung erfunden waren. Aber
ein solcher Vorgang ist doch nur denkbar unter der Voraussetzung,
daß der Stamm selbst von der Verbrennung zur Beisetzung über-
ging. Waren in Folge dessen die für den letzteren Gebrauch er-
forderlichen, geräumigeren Grabanlagen die vorherrschenden gewor-
den, dann konnte es wohl geschehen, daß einzelne Familien zwar
die neuen Grabformen annahmen, aber noch an der von Alters her
überlieferten Verbrennung festhielten. Die Nekropolen von Vuld
und Tarquinii zeigen uns derartige Anomalien während der Pe-
riode, in der die Beisetzung über die Verbrennung zu überwiegen
anfing. Die ältesten Gräber dieser beiden Nekropolen sind die
bereits erwähnten Tombe a pozzo, welche auf die Verbrennung
der Todten berechnet waren und, dem entsprechend, durchweg
Aschenumen enthalten. Hierauf folgen die Tombe a fossa, welche
für unverbrannte Leichen Kaum gewähren und in denen beinah
stets vom Feuer unberührte Skelette gefunden werden. Nichts
desto weniger kennen wir einige Tombe a fossa, welche Ausnahmen
von dieser Regel bilden und keine Skelette sondern Aschengefaße
enthielten^). Ja wir können vereinzelte Ausläufer dieses Wider-
spruches zwischen der Grabform und der Bestattungsweise sogar
bis zu den Grabkammern herab verfolgen, die mit Bänken ausge-
stattet sind und somit ein weiteres, recht eigentlich auf die Bei-
setzung berechnetes Motiv darbieten. Um hier nur einige ganz
sicher beglaubigte Beispiele anzuführen, verweise ich zunächst auf
zwei vulcenter Grabkammem, die hoch in das 7. Jahrhundert v. Chr.
1) Vulcenter Tombe & fossa , welche lediglich AschengefUe , keine Skelette«
enthielten: Bull, deiriost. 1884 p. 162; Gsell Fouilles dans la n^cropole deVulct
p. 848; derselbe in den Mälangee d'arch^Iogie publi^s par l'£coIe fran^aise de
Borne XII (1882) p. 426—431. Die Bewohner des alten Tarquinii hielten an dem
Gebrauche der Beisetzung, nachdem er einmal bei ihnen Eingang gefunden hatte,
in consequenterer Weise fest, al« ihre rolcenter Nachbarn. Doch kennen wir
eine cometaner Tomba a fossa, in welcher neben einem Skelett ein AschengeAl
gefunden wurde (Bull, deir Inet. 1884 p. 162 noU 1).
ober die Nekropole Ton Assarlik in Karies. 846
hinaofztireichen scbeinen. Die eine dieser Eammem war mit zwei,
die andere nur mit einer Bank ausgestattet. In der ersteren fand
6 seil') auf der ans der rechten Seiten wand hervorspringenden
Bank die Reste eines an verbrannten Leichnams, auf der an der
Hinterwand angebrachten Bank hingegen ein thönernes Aschenge-
faß mit verbrannten menschlichen Knochen. Die andere Kammer
zeigte keine Spnr von einer beigesetzten Leiche, enthielt aber zwei
ÄBchengefäße, die neben einander auf der Bank aufgestellt waren').
Li einer cornetaner Grabkammer der ältesten Gattung, einer sog.
Tomba a corridojo, lag auf der Bank ein Skelett, während auf
dem Boden vor der Hinterwand des Grabes eine Aschenurne stand').
In einer anderen etwas jüngeren, etwa der Mitte des 6. Jahrhun-
derts angehörigen Grabkammer derselben Nekropole war die linke
Bank leer, wogegen auf der rechten zwei mit Leichenbrand ange-
füllte, griechische Amphoren gefunden wurden^).
Während sich alle diese Fälle auf das Natürlichste daraus
erklären, daß einzelne Individuen an dem von Alters her überlie-
ferten Gebrauche der Verbrennung festhielten, aber die neu auf-
gekommenen, auf die Beisetzung berechneten Grabformen annah-
men, wird eine derartige Erklärung für die Patonsche Nekropole
dadurch ausgeschlossen, daß sich in dieser keine Spur von dem
Gebrauche der Beisetzung findet, welcher die geräumigeren Grab-
formen hätte einbürgern können. Unter solchen Umständen scheint
es mir geboten, den Vorgang nicht in der von Dümmler vorge-
schlagenen sondern in umgekehrter Weise aufzufassen und anzu-
nehmen, daß die für die Beisetzung geeigneten Grabformen auf
der älteren Ueberlieferung beruhen, die Ostotheken hingegen jün-
geren Ursprungs sind. Hiemach hätte der zwischen Halikamaß
und Myndos ansässige Stamm, von Alters her an die Beisetzung
und an ihr entsprechende Grabformen gewohnt, die letzteren viel-
fach noch festgehalten, nachdem er zur Verbrennung übergegangen
und eine dem jüngeren Gebrauche gemäße Grabform, die Ostothek,
aufgekonmien war. Der Vorgang, in dieser Weise aufgefaßt, findet
mancherlei Analogien. Doch beschränke ich mich darauf nur drei
Beispiele anzufahren, deren Thatbestand besonders gat beglau-
bigt ist.
* Wahrend des älteren Abschnittes der Dipylonperiode wurden die
1) Fonillei de Vulei p. 11; MAanget Xu p. 427.
2) Gf eil Fonilles de Ynlci p. 21 n. 1, 2; M^aDgee p. 427.
8) Notiiie degü setTi 1888 p. 181—182.
1896 p. 184.
846 W. Heibig,
Todien beigesetzt; die Yerbrenniing kam erst wälirend einer spä-
teren Phase dieser Periode in Aufiialmie, ohne jedoch die Bei-
setzung vollständig zu verdrängen ^). Wir kennen ein athenisches *)
nnd ein eleosinisches 6rab^, welche jener späteren Phase ange-
hören and| obwohl in ihnen nur Leichenbrand geborgen war, nichts
desto weniger eine der Beisetzung entsprechende Form zeigen.
Sie bestehen aus einem Schachte, der nicht viel kleiner ist als
diejenigen , welche unverbrannte Leichen enthalten. Doch fand sich
in jedem von beiden kein Skelett sondern ein mit calcinierten
Knochen gefülltes Bronzegefaß.
Ebenso erscheint in der Nekropole del Fusco, d. i. in dem äl-
testen Theile der Nekropole von Syrakus , die Beisetzxmg als der
ältere und vorherrschende Gebrauch. Das Yerhältniß der beige-
setzte und der verbrannte Leichen enthaltenden Ghräber steht hier
wie 332 zu 30*). Orsi entdeckte in dieser Nekropole eine Grube,
welche 2,06 Meter lang war und demnach für einen unversehrten
Leichnam Baum bot, aber nur verbrannte Knochen enthielt^).
In diesen drei Fallen ist es klar, daß die Hinterbliebenen,
obwohl sie die Leiche verbrennen ließen, nichts desto weniger an
älteren, für die Beisetzung erfundenen Grabformen festhielten. Li
derselben Weise sind offenbar die Leichenasche enthaltenden Gru-
ben, Sarkophage und Gxabkammem der Nekropole von Assarlik
aufzufassen. Sie weisen auf eine Periode zurück, während deren
ausschließlich die Beisetzung herrschte, eine Periode, die nach Al-
lem, was sich über den Charakter jener Nekropole ergeben bat,
keine andere gewesen sein kann als die mykenische.
Besondere Aufinerksamkeit verdient es, daß wir einer ähn-
lichen Bestattungsweise auch in dem homerischen Epos begegnen.
Bekanntlich ist in den ältesten wie in den jüngsten Gesängen des
Epos nur von Leichenverbrennung die Rede. Die Beste der ver-
brannten Knochen werden in einem metallenen Gefäße gesammelt,
1) Athen. Mittheilnngen XYin (1898) p. 148—151.
2) Athen. Mitth. XYIII p. 92—93, p. 104. Vielleicht gehört hierher Mich
das Ann. delP Inet. 1872 p. 186 erw&hnte, 2 Meter lange Grab, welches in der
gleichen Tiefe lag wie ein benachbartes Grab ans der Dipylonperiode and nur
ein Gemisch von Kohlen und Asche enthielt. Doch giebt die Tiefe für die Zeit-
bestimmnng der dieser Nekropole angehörigen Grftber kein sicheres Kriterinm
ab. Vgl. Ath. Mitth. XYIII p. 148.
8) '£9. &9%. 1889 p. 186. Es ist anf dem p. 176 gegebenen Plane mit O
beieichnet
4) Kotisie degU Bca?i 1895 p. 110.
5) Kotiiie 1898 p. 461 8ep. ZLIY.
ftber die Nekropole Ton Ästarlik in Earien. 847
dieses in der Erde geborgen und darüber der Grabhügel aufge-
schüttet'). Von dem für Patroklos aufgeschütteten Grrabhügel
heißt es in der Ufas *) , daß ihn die Achäer mit einem Ringe von
Steinen umgaben, der offenbar das Auseinanderfallen der aufge-
thümiten Erde verhüten sollte. Studniczka") hat bereits hervor-
gehoben, daß diese Grabform den von Steinringen umgebenen Grab-
hügeln der Patonschen Nekropole entspricht. Von größerer Trag-
weite jedoch ist ein anderer Berührungspunkt, welcher sich zwi-
schen dieser Nekropole und den im Epos geschilderten Bestattungs-
gebränchen herausstellt.
Ueber die Beschaffenheit des zur Aufnahme des Aschengefaßes
dienenden Gelasses giebt nur eine Stelle des Epos Aufschluß, näm-
lich die Verse, welche sich auf die Bestattung des Hektor be-
ziehen^). Diese Verse lauten folgender Maßen:
Tud tays (66tia) xQvösifjy ig Xdqvcam ^Mputv iXivragt
xoQqyvQioig itixXotöi xakii^avxBg iMclaxotöiv
alifa V &Q* ig xoUriv 7iditet(yif ^iöavj ainä(f fhcsf^Bv
%vKVot6iv JLdsööi xatsörÖQSöav (isydXoiöiv'
fiiupa dl 6^1^ ixBov.
Fragen wir, was xmter xdnetog zu verstehen ist, so kann dieses
Substantiv keine den Patonschen Ostotheken und den Tombe
a pozzo entsprechende, für die Aufnahme von Leichenasche be-
rechnete Grabform bezeichnen. Vielmehr würde sich der Dichter,
hätte er eine derartige Eintiefang von mäßigem Umfange gemeint,
des Substantives ßö^Qog^) bedient haben« EJhiBtog wird an an-
deren Stellen des Epos für den das Lager der Achäer^ und für
den einen Weinberg umgebenden Graben gebraucht^. Dieses
1) Vgl. Heibig Das homerische Epos aas den Denkm&lern erlftatert, 2. Aufl.
p. 51.
2) XXm 255-257.
8) Athenische Mittheilnngen XU (1887) p. 19.
4) n. XXIV 796—799.
5) U. XVn 58 beseichnet fi6^9og die Grabe, in welche ein Oelbaam eingeseUt
war, also eine Qrobe, die hinsichtlich ihres ümfanges mehr oder minder den
Tombe a pozso und den Ostotheken entsprach. Das Gleiche gilt für den ß69^op
. . . Zecov tt Kvyo^Mv h^a %a\ Irda, den Odysseas in der Unterwelt grab (Od.
XI 59) ond dessen Schenkel als eine Elle lang angegeben werden. Auch die p^
4^», in denen Nansikaa und ihre GeAhrtinnen die W&sche stampften (Od. VI 92),
dOrfen wir ans als Ton massigen Dimensionen vorstellen, da der Dichter den
Plaral gebraucht, also annahm, daA das Stampfen der Wäsche in mehreren Gra-
ben Torgenommen worde«
6) IL XV 856.
7) IL XVin564.
848 W. Heibig,
Substantiv ist also synonym mit tdipQog xmd es hat ancli in der
späteren griechisclien Sprache ausschließlich diese ßedeatung^).
Hiernach haben wir unter xdscstog in den angeführten Versen der
nias eine Grube von ansehnlicher Länge zu verstehen, eine Grube,
welche, wie die zu der Patonsehen Nekropole gehörigen, für die
Aufnahme eines unverbrannten Leichnams Raum darbot. Der
gleiche Sachverhalt ergiebt sich aus der Angabe des Dichters, daß
die Troer das Aschengefäß, nachdem sie es in der Eintiefdng ge-
borgen, mit dicht gefügten, großen Steinen zudeckten. Zum Ver-
schlusse einer Oeffnung von mäßigem umfange, wie sie den Osto-
theken von Assarlik und den Tombe a pozzo zu eigen ist, genügte
eine Deckplatte, wogegen über Grruben von größerer Ausdehnung,
wie diejenigen der karischen Nekropole und die etruskischen Tombe
a fossa, mehrere Platten neben einander gelegt werden mußten^.
Wenn also der Dichter die Asche des Hektor in einer derartigen
Grube geborgen werden läßt, so ergiebt sich für seinen Kultur-
kreis ein ähnlicher Widerspruch in der Bestattungsweise, wie er
1) Kdnsxog bezeichnet in des Sophokles Aias 1165, 1408 eine den Patonsehen
Graben und den etruskischen Tombe a fossa entsprechende, anf Beisetzang be-
rechnete Grobe. In den ErOrterongen, welche zwischen dem Chore, Agamemnon,
Menelaos, Odysseos nnd Teokros über die BesUttung des Aias Statt finden, ist
nirgends von Yerbrennimg die Bede. Vielmehr werden allenthalben Wendungen
gebrancht (1040, 1182, 1140, 1166 — 67), welche sich ongezwangen auf Beisetzung
beziehen lassen. Durchschlagend ist jedoch die Rede, durch welche Teukros über
die Bestattung seines Bruders Anweisung giebt (1402—1408). H&tte er die Ab-
sicht , den Todten Terbrennen zu lassen , so würde er vor allen Dingen für die
Herrichtung des Schetterhanfens Sorge tragen. Doch yerlautet hierüber kein
Wort. Vielmehr befiehlt Teukros nur, daS möglichst rasch die Grube (ndnetag)
gegraben, behufs der Waschung der Leiche Wasser in einem DreifuBe gewärmt
und die Rüstung des Aias herbeigebracht werde, letzteres offenbar, um sie dem
Todten anzulegen und diesen in seinem kriegerischen Schmuck beizusetzen. Ebenso
bezieht sich in der Antigene das Verbot, welches Kreon gegen die Bestattung des
Polyneikes erl&sst, anf Beisetzung nicht auf Verbrennung (21 ff., 194 ff.) und macht
Antigene den Versuch, ihren Bruder zu begraben (245 ff.). Offenbar wurde So-
phokles hierbei durch die in der nachhomerischen Zeit Torherrschende Annahme
bestimmt, daS die mythischen Heroen nicht, wie es im Epos geschildert wird,
verbrannt sondern beigesetzt wurden (Heibig Das homerische Epos 2. Aufl. p. 58),
eine Vorstellung, die, wie es scheint, auf einer bis zur mykenischen Periode hin-
aufreichenden Ueberlieferung beruht. Auch den Körper des Aias erkannte man
in einem vom Feuer unberührten Leichnam (Philostrat. Heroicus p. 187 Kayser).
In dem Incert idyll. VIH (Mosch. IV) ist luLnetog (108) synonym mit tdfp^og (97).
Vgl. Galen. XII p. 459 B: ntatkovg y^hv 06% dUyoi xAp naleuAw e^va^t tig
««9^009.
2) Die Tombe a fossa der cometaner Nekropole sind in der Regel mit drei,
ausnahmsweise mit vier oder fünf Platten logedeckt.
fiber die Nekropole tob Assarlik in Earieo. 249
uns in der karischen Nekropole entgegentritt. Hier wie dort war
man zur Verbrennung übergegangen, hielt jedoch dabei noch an
Grabfonnen fest, welche aof die Beisetzung berechnet waren, also
auf den Gebrauch, der während der vorhergehenden mykenischen
Periode geherrscht hatte.
Was ferner die IdQva^ betrifft, so würde der griechische
Spracligebrauch allerdings gestatten, in ihr einen Sarkophag
zn erkennen^). Doch widerspricht einer derartigen Auffassung
die Angabe, daß die kiQvaT^ aus Gold gearbeitet war. Wol-
len wir auch die Möglichkeit zugeben, daß der Dichter hiermit
nicht einen aus reinem Golde sondern einen mit Goldblech belegten
Behälter aus Bronze oder Holz bezeichnen konnte, immerhin würde
der Aufwand an Edelmetall befremden, den die Bedeckung eines
umfangreichen Gegenstandes, wie eines Sarkophages, erforderte.
Wir werden demnach unter jener Xd(fva^ vielmehr ein Aschengefäß
von mäßiger Große zu verstehen und die epische Beschreibung auf
ein Grab zu beziehen haben, welches den Aschenumen enthaltenden
Graben der karischen Nekropole entsprach. Wenn die AifpvoS als
golden bezeichnet wird, die in den Fatonschen Gruben gefundenen
Aschengefäße hingegen aus Thon bestehen, so versteht es sich,
daß dieser Unterschied nicht durch einen prindpiellen Gegensatz
des Sepulcralritus sondern lediglich durch die verschiedenen Mittel
bestimmt ist, welche für die Todtenfeier zur Verfugung standen.
Der Dichter durfte die Gebeine des troischen Königssohnes in einem
kostbaren, goldenen Gefäße bergen lassen, wogegen die ärmliche,
zwischen Halikarnassos und Myndos ansässige Bevölkerung für die
Asche ihrer Todten nur irdene Behälter beschaffen konnte.
Unter den erhaltenen antiken Aschengefaßen dürfte ein bron-
zenes, mit Silberblech belegtes Exemplar, welches bei Yetulonia
in einem ungefähr dem Ende des 7. Jahrhunderts angehörigen
Grabe gefunden wurde*), am Geeignetsten sein, die Vorstellung
zu vergegenwärtigen, welche der Dichter mit der Aipt^oS des Hektor
1) Die sUberne 2apva|, in welche Hephaistos II. XVIII 418 sein Handwerks-
zeug hineinlegt, werden wir uns als eine umfangreiche Truhe an denken haben,
ihnlieh demjenigen , in denen die Kunsttischler der Renaissance ihre Werlnenge
anfbewahrtao. Jeden Falls müssen die Ton Thnkydides II 84 erw&hnten td^vamg
ans Cypreesenholf » ton denen jede die Oebeine der einen ond derselben Pbyle
angehörigen, geüallenen Wehrmänner enthielt, ansehnliche Dimendoiien gehabt
ond mehr oder minder Sarkophagen entsprochen haben.
2) Notiale degli scari 1887 T. XYIIl p. 508 ff. ; Falchi ?etolonia e la sna
necropoli antichissima T. XII p. 149 ff. Vgl. Gsell Fooilles dans la nteopole de
Vold p. 4M.
260 W. Heibig.
verband. Dieses Gefäß hat die Form eines oblongen, mit einem
dfiuiliförmigen Deckel versehenen Kastens, dessen Länge 0,68, des-
sen Breite 0,26 nnd dessen Höhe, bis znr Giebelspitze gemessen,
0,41 Meter beträgt. Die ans dem Silberbleeh heransgetriebenen
Thierfignren nnd Ornamente erinnern hinsichtlich der Typen wie
hinsichtlich des StUes an die Reliefs der bekannten phönikischen
Silberschalen. Die in dem Kasten enthaltenen Knochenreste waren
in ein Stück feiner Leinwand eingewickelt. Es ergiebt sich hier-
mit ein weiterer, der epischen Schilderung entsprechender Zog, da
der Dichter angiebt, daß die Gebeine des Hektor in nijcXoi (laJLaxoi
eingehüllt wurden^).
Stndniczka*) und Fnrtwaengler ') haben unabhängig von ein-
ander die Yermuthong geäußert, daß die Patonsche Nekropole von
den ersten griechischen Colonisten herrühre, die sich in Karien
niederließen. Diese Yermuthung gewinnt an Wahrscheinlichkeit
durch die nahe Verwandtschaft , die ich zwischen einer in jener
Nekropole beobachteten und einer im homerischen Epos geschil-
derten Bestattungsweise dargelegt habe. Sie findet eine weitere
Bestätigung darin, daß sich nicht nur der Stilcharakter sämmt-
licher in den karischen Gräbern gefundenen Handwerksprodukte
in die Entwickelung einfugen läßt, welche während der üeber-
gangszeit von der mykenischen zu der folgenden Periode auf der
Ostseite Griechenlands Statt hatte, sondern daß auch einige aus
jenen Gräbern stammende bemalte Vasen eine auffällige Aehnlich-
keit mit Exemplaren peloponnesischer Provenienz bekunden«
Die griechischen Niederlassungen waren von Haus aus durch-
weg Ackerbaucolonien. Es leuchtet ein, daß in derartigen Nieder-
lassungen während der ersten Periode ihres Bestehens keine gän-
stigen Bedingungen für eine intensive industrielle Entwickelung
vorlagen und daß in Folge dessen die neuen Ansiedler genöthigt
waren, den größten Theil ihres Bedarfes zumal an feineren In-
dustrieprodukten aus dem Mutterlande zu decken. Für Syrakus,
Megara Hyblaea und die campanische Kyme läßt sich dies auf das
Bestimmteste beweisen« Wir kennen gegenwärtig im Gebiete jeder
1) Der Gebrauch, die Knochenreste in Leinwand einzuwickeln, ist auch in
archaischen Or&bem ?on Kyme in Campanien (von Duhn Delineasione di nna
etoria della Campania preromana in der Rivista di storia antica e sciense affini
diretta da Tropea I, Messina 1896, p. 66 nota 11), in attischen Gräbern (Athen.
Mitth. XVni, 1898, p. 160, p, 161, p. 186) und in einer bronzenen Aschename
der capuaner Nekropole (yon Duhn a.a.O. p. 58 nota 28) beobachtet worden.
2) Athen. Mittheilungen Xu (1887) p. 19.
3) Jahrbuch des ardu Instituts lY, arch&oL Anzeiger 1889 p. 50,
fiber die Nekropole Ton Assarlik in Karien. 261
dieser drei Städte eine Reihe von Gräbern, welche bis in die im-
mittelbar auf die Coloniegründong folgende Zeit hinaufreichen^).
Die in ihnen vorkommenden bemalten Vasen, sogenannte protoko-
rintbische und außerdem mit geometrischen Ornamenten verzierte
Exemplare, in denen wir eine Vorstufe der protokorinthischen Gat-
tung zu erkennen haben'), sind durchweg aus dem Mutterlande
bezogen. Ebenso urtheilt Pottier*) über die ältesten auf Rhodos
gefundenen Gefäße geometrischen Stils, deren Decoration mit Pir-
nißfcurbe ausgeführt ist. Seine Auffassung erscheint um so berech-
tigter , als eine intensive Einfahr griechischer Thonwaaren nach
Rhodos auch noch während der auf den geometrischen Stil folgenden
Phase der Keramik bezeugt ist; denn es haben sich auf dieser
Insel sowohl sogenannte protokorinthische wie korinthische Gefäße
gefunden^). Man darf geradezu behaupten, daß es der Bedarf der
neu gegründeten Colonien war, welcher die Griechen zu einer be-
deutenderen Entwickelung ihrer Industrieen wie ihres Handels
veranlaßte.
Da Halikamassos und Myndos nach glaubwürdiger üeberlie-
ferung troizenische Gründungen waren ^), so spricht alle Wahr-
scheinlichkeit dafür, daß die Colonisten, welche die zwischen diesen
beiden Städten gelegene Nekropole hinterließen, aus derselben Ge-
gend einwanderten. Unter solchen umständen dürfen wir es viel-
leicht nicht als zufallig betrachten, daß die aus Gürteln und con-
1) Ueber den im QrundstQcke del Fasco gelegenen ftltesten Theil der Nekro-
pole Ton Syr&kns : Orsi , besonders in den Notizie degli scayi 1895 p. 129 ff.
(wo vielfach anf die früheren Berichte zurückrerwiesen wird). Üeber die Nekro-
pole Ton Megara Hyblaea: Orsi in den Monamenti pabbl. per cura della r. Ae-
cademia dei Lincei I p. 766 ff. (über die Ältesten Vasen dieser Nekropole nament-
lich p. 810-"8U). Ueber die ältesten Or&ber von Kyme: fon Dahn Delineazione
di nna storia etc. (s. unsere Seite 250 Anm. 1) p. 33, p. 53 nota 4.
2) Notizie 1895 p. 118--114.
8) Catalogue des vases antiqoes dn Mns^ dn Lonrre I p. 137.
4) Protokorinthische Qef&sse anf Rhodos : Salzmann La n^ropole de Camiroa
pL 48; Journal of hellenic stadies XI p. 180 note 8; Pottier a.a. 0. p. 154-*157,
p. 169 n. 402— 407. Korinthische: Salzmann pl.31, 36, 40; Pottier p. 169 n. 414
—477; weiteres bei Wilisch Die altkorinthische Thonindnstrie p. 128. — Fnrt-
waengler, Jahrbnch des arch. Inst. I (1886) p. 146—148, hat in gewissen aof
Rhodos gefondenen Vasen mit grofter Wahrscheinlichkeit locale Nachahmungen
der beiden Qattongen erkannt. Anf die schwierige Frage, ob die weiBgmndigen
orientalisierenden Vasen in rhodischen oder in aosl&ndischen Töpfereien gearbeitet
sind (Tgl. Pottier p. 138 ff.) , kann ich an dieser Stelle nicht eingehen. Sicher
scheint mir, dal die Ausbildung dieser Gattung nicht Alter sondern eher etwas
jQnger ist als diejenige der sog. protokorinthischen.
5) Ueber HalikamaJ; Herodot. VU 99; Strabo UV C. 656 ; VitruT. n 8, 12 ;
PaoMo. n 80, 8. Ueber MTsdos: Panaan. n 80,a
252 W. Hei big, IVber die Nekropole 7011 Assarlik in Karien.
centrischen Halbkreisen bestehende Decoration zweier aas der ka-
rischen Nekropole stammenden Grefäße, einer Amphora und einer
Bügelkanne ^)y eine auffallende üebereinstimmung verräth mit der-
jenigen einer Bügelkanne, von der ein Fragment aus dem Boden
der Troizene benachbarten Insel Kalanrea zu Tage gefördert wurde*).
Ein von Paton abgebildeter Krng'), der mit schraffierten Drei-
ecken verziert ist, findet seine schlagendsten Analogien in zwei
Gefäßen, einem Exage und einer Flasche, die zu Mykene in einem
dem Ende der mykenischen Periode angehörigen Kindergrabe ent-
halten waren*). Wie man aber auch über die Tragweite solcher
vereinzelten Thatsachen urtheilen mag , jeden FaUs spricht schon
a priori alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Griechen, welche
sich in Karien niederließen, während der unmittelbar auf die An-
siedelung folgenden Zeit die feinere Thonwaare, deren sie bedurf-
ten, aus der Pelopoimes bezogen.
Dämmler ^) hebt mit Kecht die nahe Verwandtschaft hervor,
welche zwischen den in der Patonschen Nekropole und gewissen
auf Khodos gefundenen Manufacten geometrischen Stiles obwaltet.
Diese Verwandtschaft erklärt sich auf das Natürlichste daraus,
daß Rhodos und die südliche Küste Kariens von einem und dem-
selben Strome griechischer Colonisation erreicht wurden. Alle diese
Ansiedler kamen aus der östlichen Hälfte des Peloponnes ; es waren
unter ihnen nicht nur das dorische sondern, wie es die in Hali-
kamaß herrschende ionische Sprache beweist, auch das in der Pe-
loponnes alteinheimische Bevölkerungselement vertreten. Wenn
sie nach ihrer Ansiedelung in der neuen Heimath geraume Zeit
hindurch einen erheblichen Theil ihres Bedarfes an Industriepro-
dnkten aus dem Mutterlande deckten, so erscheint es ganz natür-
lich, daß sich der Inhalt der karischen Nekropole vielfach mit den
ältesten griechischen Manufacten berührt, die auf Rhodos gefunden
wurden. Die auf der Insel wie die auf dem benachbarten Fest*
lande ansässigen Griechen waren eben von einem und demselben
Industriebereiche abhängig.
1) Joarnal of hellenic studies YIII p. 69 Fig. 6, p. 74 Fig. 18.
2) Atheo. MittbeiluDgen XIU (1895) p. 298 Fig. 18.
3) Journal VIII p. 69 Fig. 6.
4) '£9. &fX' 1891 P- 27—28.
5) Athen. Mitth. XIII (1888) p. 278—279. Aach die aus Garteln und con-
oentrischen Halbkreisen bestehende Decoration, der wir aof Patonschen Vasen
begegnen (s. unsere vorhergehende Anm. 1), ist gegenwärtig anf einem Exemplare
rhodischer Provenienz nachweisbar, n&mlich aof einer bei Lindos gelondenen Bügel-
kanne (Bevoe arch^ologiqoe XXVII, 1895, p. 198 Fig. 6).
Rom Villa Lante 16. Sept 1896. W. Heibig,
jr
Zum Briefwechsel des Ausonius and Paulinus.
Von
Friedrich Leo.
Vorgelegt in der Sitzung vom 2i. October 1896.
Die Correspondenz des Ausonius mit Paulinus von Nola aus
den Jahren, die der Weltflucht des Paulinus unmittelbar voran-
gingen, erregt ein so starkes menschliches, litterarisches, histori-
sches Interesse, daß man wünschen muß, die Gredichte über die in
der Ueberlieferung liegenden Schwierigkeiten hinausgehoben zu
sehen. Die Ueberlieferung ist doppelt: einmal die im Yossianus
(F) erhaltene postume Sammlung von theils aus der früheren
Sammlung der opuscula wiederholten, theils vom Verfasser zu
neuer Edition überarbeiteten, theils im Nachlaß fertig oder un-
fertig vorgefundenen Gedichten des Ausonius, unter denen auch
die Gedichte an Paulinus aus den letzten Jahren des Dichters zum
ersten male erschienen sind, zusammen mit den Antwortschreiben
des Paulinus ; zum andern die der Haupthandschrift der Briefe des
Paulinus, dem Puteanens (0 bei flartel) angehängte und sonst in
einer Brüsseler Handschrift erhaltene Auswahl paulinischer Gre-
dichte , der die Briefe des Ausonius beigefügt sind. Mit V geht,
wie überhaupt in den gemeinsamen Stücken, die Sammlung des
Parisinus 8600, mit zum Theil der Parisinus 7668 (Colbertinus)
zusammen. In der Behandlung des Textes haben die Herausgeber
des Ausonius dem Yossianus, v. Hartel in seiner ausgezeichneten
Ausgabe des Paulinus, in der nun freilich nur die Briefe des Pau-
linus stehen, dem Putaneus den Vorzug gegeben.
Die stärkste Abweichung der beiden überlieferten Texte zeigt
sich in den Briefen des Ausonius und hier am auffallendsten in
ep. XXIY (XXV Schenkl , XXVD Peiper) DiscuHtnus, Pauline, iu-
gum. Hier fehlen in . die Verse 6 — 19 und 38 — 122 , die Verse
20. 24. 123. 130 erscheinen in anderer Passung. Peiper hat in
264 Friedrich Leo,
seiner Abhandlung aber die handschriftliche üeberliefenmg des
Aasonius^) das Gedicht in dieser Gestalt abdrucken lassen und
gefunden daß 'wenn irgendwo hier die Annahme einer zweifachen
Bearbeitung durch denselben Verfasser gegründet erscheint'. Zu-
gestimmt hat ihm Brandes ') , doch nicht ohne Vorbehalt , wider*
sprechen Schenkl praef. XLIII, der die Abweichungen aus Vers-
verlust und Interpolation erklärt; genauer hat Hartel II praef.
XVI diese Ansicht dahin bestimmt, daß eine durchgeführte Ueber-
arbeitung bei Anlage der Sammlung stattgefunden habe. Damit
ist im wesentlichen das richtige gesagt ; aber es bleibt eine Fol-
gerung zu ziehen, die uns erst kennen lehren soll in welcher Ge-
stalt das Gedicht aus der Hand des Ausonius hervorgegangen ist.
Das Gedicht beginnt in den Ausoniushandschriften (F) fol-
gendermaßen :
Discutimus, Pauline, iugum, quod nota fovebat
temperies, leve quod positu et venerabile iunctis
tractabat paribus Concordia mitis habenis ,
quod per tam longam seriem volventibus annis 4
nuUa querella loco pepulit, non ira nee error
nee quae compositis malesuade credula oausis
concinnat veri similes suspicio culpas;
tam placidum, tam mite iugum, quod utrique parentes
ad Senium nostri traxere ab origine vitae 10
impositumque piis heredibus usque manere
optarunt, dum longa dies dissolveret aevum.
et mansit, dum laeta fides nee cura laborat
officii servare vices, sed sponte feruntur
incustoditum sibi continuantia cursum. 16
hoc tam mite iugum docili cervice subirent
Martis equi stabuloque feri Diomedis abacti
et qui mutatis ignoti Solls habenis
fulmineum Phaethonta Pado mersere ingales.
discutitur, Pauline, tamen; nee culpa duorum 20
ista, sed unius tantum tua. namque ego semper
contenta cervice feram: consorte laborum
destituor nee tam promptum gestata duobus
unum deficiente pari perferre sodalem. 24
In den Paulinushandschriften (0) lesen wir an Stelle dieser
23 Verse folgenden Anfang:
1) FleckeiBens Jahrbflcher SuppL B. 11, 828,
2) Fleckeisens JahrbOcher 128, 70.
zum Briefwechsel des Ausoniiis und Paalinus. 266
Discntiinas, Paoline, ingum, quod certa fovebat
temperies, leve quod positu et tolerabile innctis
tractabat paribas Concordia mitis habenis,
qood per tarn longam seriem redeuntibus annis
fabula non umquam, numquam querimonia movit; 6
discatimas; sed tu tantam reus, ast ego semper
contenta cervice feram: consorte laborum 22
destitnor, nee tarn promptum gestata dnobus
deficiente alio solum perferre iugalem.
lieber die Varianten der ersten vier Verse würde sich viel-
leicht streiten lassen; in vielen von Ausonius selbst bearbeiteten
G-edichten finden sieh ähnliche. Die Fassung von v. 24 in ver-
schlechtert den Ausdruck, da dlio in der Bedeutung von dltero ge-
setzt ist ; dieser Gebrauch ist Ausonius fremd , er findet sich in
epigr. 134, 2 alio nee magis alter eget , einem Epigramm aus der
Reihe die Peiper (a. 0. 226 fiPl), mit Recht wie ich meine, dem Au-
sonius abgesprochen hat^). Warum der Ueberarbeiter iugaiem für
soddlem gesetzt hat, werden wir gleich sehen. Wenn man fragt,
was ihn überhaupt zu der durchgreifenden Aenderung des Verses
veranlaßt hat, so ist vielleicht zu antworten, daß er die Cäsur
verbessern wollte; denn die in V überlieferte Versbildung findet
sich zwar auch sonst bei Ausonius, aber in diesen Briefen nur
noch 26, 72 (von andrer Art sind 26, 33 und 36 sowie 24, 106)
und bei Faulinus 10, 166 (\ron andrer Art v. 164), während beide
den dritten Trochäus der Regel nach mit beiden Nebencäsuren
verbinden. Auch der eine Vers, der statt der beiden 20. 21 in
erscheint, rührt nicht von Ausonius her, dem, wie im allgemeinen
der guten Tradition poetischen Ausdrucks, ein solcher Gebrauch
von ast ego fremd ist. Ausonius hat ast ego (epit. 23 epigr. 34, 6 ;
38, 3 Mos. 60. 448) ast ubi (ed. 2, 16. 26) ast hie (Mos. 246) , aber
stets neu anhebend (nur Mos. 246 ast Mc in einer Aufzählung, de-
ren Glieder aber aus mehreren Versen bestehen) und daher stets
am Anfang des Verses '). Der Ueberarbeiter hat aus den 24
Versen einen durch die Anaphora zusammengehaltenen Satz ge-
macht, in dem nun discutimus für discutitur gesetzt werden mußte
1) DaS die Epigramme von HomaniBten stammen ist freilich ans dem Ton
Seeck Q.Q.A. 1887, 520 angeführten Grande unwahrscheinlich; aber gegen Au-
sonius spricht die Behandlang von Metram and Sprache.
2) Vgl. Seneca trag. I 216. Für asi ego dJi andrer Stelle als der ersten des
Verses weiB ich nar Stat. Theb. in 212 anzuführen; vereinzelt aach ast vbi, Ate,
tpse and, nach Yergüs Vorgänge, aliu8\ häufiger ast iUe, gleichfalls nach dem
Yoxgaoge Yergüs.
266 Friedrich Leo,
und tarnen nicht verwendbar war; dadurcli wurde die Zusanomen*
drängang in einen Vers möglieh und so entstand die unschöne
Folge sed — ast. Die Absicht war, wie wir sehen, Yerkorzang.
Nun geben die Ausgaben von jeher die Verse 24 £P. in dieser Ge-
stalt :
quod per tarn longam seriem volventibus annis
fabula non umquam, numquam querimonia movit,
nulla querella loco pepulit, non ira nee error
nee quae u. s. w.
Wie unterscheidet sich hier querimonia von querella f es sind,
auch für Ausonius, völlig gleichbedeutende Wörter; von absicht-
licher Häufung von Synonyma aber kann keine Rede sein, da die
verschiedenen Verba verschiedene und zwar gesteigerte Bedeutung
indiciren. Was bedeutet fabulaf Das Wort ist dunkel ohne einen
Beisatz und es verletzt den Zusammenhang; denn £Iage, Zorn,
Irrthum, Verdacht sind subjective Gefahrdungen der Freundschaft,
das von außen herantretende Gerücht gehört nicht in diese Reihe ;
soweit es aber zur Sache gehört, ist es v. 7. 8 in den Zusammen-
hang gezogen:
nee quae compositis malesuade^) credula causis
concinnat veri similes suspicio culpas.
Dagegen ist fabula völlig am Platze an der Stelle, von der es
stammt, in der Antwort des Faulinus 11, 44:
hoc nostra cervice iugum non scaeva resolvit
fabula, non terris absentia longa diremit.
Denn hier spricht Faulinus im Zusammenhang seiner Klage, daß
ein böses Gerücht ihm den Freund verstört haben müsse: v. 20
quis tua, quaeso, tuis obduxit pectora livor?
quo rumore pium facilis tibi fama per aures
inrupit pepulitque animum contraque vetustam
experta pietate fidem nova vulnera movit,
laederet ut natis placidum malesuada parentem?
Wir erfahren also zweierlei : daß der üeberarbeiter seinen v. 6 an
Stelle der ganzen Versreihe des Ausonius gesetzt hat ; daß er mit
Benutzung der Antwort des Faulinus, also mit Eenntniß und üeber-
legung gearbeitet hat. Es ist eine bewußte Redaction zum Zwecke
kürzerer Fassung, nicht bloße Interpolation und Streichung, mit
der wir es zu thun haben.
Diese Erkenntniß wird uns helfen, den nächsten Abschnitt des
1) miüeiuade gehört sa eompoeitii.
zum Briefwechsel des Ansoniiis und Paiiliniis. 2B7
richtig zu benrtheilen. In den Ausgaben (anf Schenkl
komme ich zurück) lesen wir nach v. 24 Folgendes :
non animos viresque labant, sed iniqoa ferendo] 26
condicio est oneri, cum pondos utromque relicto
ingmit acceduntque alienae pondera librae.
sie pars aegra hominis trahit ad contagia sanum
corpus et exigui quamvis discrimine membri
tota per innumeros artos compago vacillat. 30
obraar osqae tamen, veteris ne desit amici
me dnrante fides memorique ut fixa sab aeyo
restitnant profugam, solaoia cassa, sodalem.
impie, Firithoo disiongere Thesea posses
Euryalumque sno socinm secemere Niso; 36
te soadente fdgam Pylades liqoisset Oresten
nee costodisset SicuLos vadimonia Dämon.
qnantnm oblectamen popoli, qoae vota bonomm
sperato fraudata bonol gratantia concti
verba loquebantor; iam nomina nostra parabant 40
inserere antiquis aevi melioris amicis.
cedebat Pylades, Phrygii quoque gloria Nisi
iam minor et promissa obiens vadimonia Dämon.
nos documenta magis felicia, qualia magnns
Scipio longaeyiqae dedit sapientia Laeli. 46
Zunächst ist es deutlich, daß die Verse 34—37 vor den Versen
42. 43 unmöglich sind. Man sollte meinen, daß das keines Be-
weises bedurfte. Ausonius fuhrt v. 40 sq. die berühmten Freimdes-
paare als etwas Neues und jetzt zu wirken Bestimmtes ein ; es ist
undenkbar daß er unmittelbar vorher, und in breiterer Ausführung,
für einen anderen Gedanken dieselben Namen verwendet hätte.
Sodann ist dieser Gedanke unrichtig; er wäre am Platze, wenn
Ausonius dem Paulinus vorwürfe, daß er ihm seinen Freund ent-
fremdet hätte; er ist am Platze ep. 26, 62, wo Ausonius die Ver«
wünschung dessen, der den Paulinus verführt habe, mit den Worten
einleitet : quis tarnen isla tibi tarn longa sUentia suasit impius ? Hier
ist auch impius an seinem Platze ; denn dort, v. 34, ist es durch-
aus unerträglich und gegen Stil und Ton der ganzen EpisteL
Schenkl hat alle diese Bedenken richtig empfunden und sie zu
heben geglaubt, indem er die 4 Verse von ihrer Stelle entfernte
und mit Aenderung von tmpie in tmpia hinter v. 66 einrückte.
Nun kann man zugeben, ohne eine solche Varürung für wahr-
scheblich zu halten, daß die Verse leichter zu ertragen sind, wenn
Zf L G«. d. W. VMkri«klM. PUbtof-^Mw. KImms I8W. H«A t. 19
25i^ Friedrich Leo,
sie auf v. 40 — 43 folgen als wenn sie ihnen vorangehn. Aber die
Verse passen nirgend in den Zusammenhang, auch nicht nach v. 66.
Nemesis wird v. 61 — 66 als die den üebermuth rächende Oottin
eingeführt, nicht als Verführerin zur Untreue.
Das Bäthsel löst sich einfacher: die Verse 31 — 37 fehlen in
den Ausoniushandschriften , sie stehen nur in den Paulinashand-
schriften.
Hierdurch wird unser Blick zuvörderst auf die Verse 31 — 33
gelenkt. Ich habe sie abdrucken lassen wie sie bei Schenkl und
Peiper zu lesen sind, ohne doch behaupten zu dürfen daß ich sie
verstünde, öbnuir usque tarnen ist ein unrichtiger Ausdruck: 'ich
werde mich dennoch beständig unter dem Joche begraben lassen';
wenn die Last so schwer ist, daß er ihr erliegt (etwas anderes
aber kann obruar nicht bedeuten), so kann er ihr doch nicht be-
ständig erliegen. Passend war v. 26 pondus uirumque relicio iti-
gruit. Dann : 'damit doch, indem ich ausharre, eines alten Freundes
Treue vorhanden sei'; veteris amici in absoluter Bedeutung, wo
man die relative erwartet, ist ungeschickt und störend. Endlich
fnemorique ut fixa sub aevo resHttmnt profugum^ solacia cassa, sodalem.
Hier ist solacia cassa nach der durch diese Interpunction gegebenen
AujflPassung gegen den Inhalt und Gedankengang des G-edichts.
Ausonius verzweifelt nirgend an der Rückkehr des Freundes, die
Stimmung schwankt zwischen Furcht und Vorwurf, Wunsch und
Zuversicht. Das müßte man ertragen; aber resHtuani ist unver-
ständlich, um einen Sinn zu gewinnen hätte man mit Schenkl re-
stittuU zu schreiben. Es wird also doch solacia Subject sein sollen
und der Satz so beabsichtigt sein : memorique ut fixa süb aevo re-
stäuant profugum solacia cassa sodalem 'daß der leere Trost (die
Treue bewahrt zu haben, d.h. daß die Bewahrung der Treue), im
Gedächtniß der Zeit befestigt, den flüchtigen Gefährten zurück-
führe'. Das ist gewiß eine ungeschickte Wendung; aber ich weiß
auch in tnemori fixa sub aevo den Gebrauch von sub nicht zu ver-
stehen oder zu rechtfertigen; auch ist dieser Ausdruck selbst der
Situation zuwider: ein Achtzigjähriger erwartet nicht vom Laufe
der langen Zeit eine allmähliche Wirkung auf das Herz des Ab-
trünnigen, er dringt auf rasche Wandlung des Entschlusses — wie
Ausonius es das ganze Gedicht hindurch thut.
Es ist klar, daß die Verse 31 — 37 nicht von Ausonius her-
rühren. Dieser hatte an die Klage, daß er nun das Joch allein
tragen und unter der Untreue des Paulinus leiden müsse, wie den
übrigen Körper die Krankheit eines einzelnen Gliedes treffe, die
Erinnerung geschlossen (v. 38)| wie die Freude an ihrem eintrfioh-
zam Briefwechsel des Aosonius und Fanliniis. 859
tigen Zasammengehn in Aller Munde gewesen sei. Die Yerse 31
— 37 geboren dem Redactor, der das Gedicht, um es der Samm-
lung von Gedichten des Paulinus einzureihen, überarbeitet hat.
Die Absicht dieses Redactors, wie wir wissen, war das Gedicht
zu kürzen. Sollte er die Verse eingedichtet haben? den Versen
42. 43 eine erweiterte Fassung vorangesetzt haben ? und das ohne
die Unvereinbarkeit der beiden Fassungen mit einander zu fühlen ?
Die Sache liegt so, daß dieselben Handschriften, die die Verse
31 — 37 haben, das ganze Mittelstück des Gedichts, v. 38 — 122,
fortlassen. Davon daß diese Auslassung durch einen Zufall her-
beigeführt sei, kann nun keine Bede mehr sein. Der Bearbeiter
hat die Mitte des Gedichtes gestrichen und an die Stelle des fort-
gelassenen Stückes die von ihm selbst verfaßten 7 Verse gerückt.
Er hat, um diese zu erfinden, auf den Gedanken zurückgegriffen,
den der Dichter mit dem Gleichniß v. 28 — 30 verlassen wollte^)
and hat einen neuen Gedanken daran geknüpft, zu dem er den
Anlaß in einem der anderen Briefe (26, 62) finden konnte. Zur
Ausfuhrung verwendete er die beiden Verse 42. 43 des von ihm
gestrichenen Abschnitts; er machte vier Verse aus dem Material
der zweie, indem er dem Nisus und Pylades ihre Partner, dem
Dämon (geführt durch Phrygii Nisi) sein Ethnikon beifügte und
Theseus Pirithous hinzuthat. Aber dies führt weiter; denn hier
hat der Redactor aus Martial geschöpft (s. Schenkl) VJLl, 24, 3 :
te fingente nefas Pyladen odisset Orestes,
Thesea Pirithoi destituisset amor,
tu Siculos fratres et malus nomen Atridas
et Ledae poteras dissociare genus.
Wir haben es mit einem Manne zu thun, der nicht nur die Tech-
nik des Verses beherrscht, sondern eines der von Ausonius am
häufigsten nachgeahmten poetischen Vorbilder selbständig ausbeutet.
Das deutet auf eine Zeit, die nicht viel jünger ist als die des
Ausonius und Paulinus. Der Puteaneus ist aus dem 10., der Col«
bertinus, dessen Text eine längere Existenz jener Sammlung vor-
aussetzt, aus dem 9. Jahrhundert; es ist sehr wahrscheinlich, daß
die Sammlung auf der beide beruhen aus der Mitte des 6. Jahr-
hunderts stammt.
Im Puteaneus hat das Gedieht 82 Verse, etwa den Umfang
von ep. 23. An die 7 Verse des Bearbeiters schließt sich unmit-
1) Der Bearbeiter hat t. 24 iugakm für »oddlem gesetzt» weil er seinen Vers
83 in iodakm aosgehen Uei. Auch ▼• 26 hat er wmnui statt ponduB gesetxt
weü im nftchiten Yerse pondera folgt.
19^
260 Friedrich Leo,
telbar der Schloß der Epistel, mit selbständiger Fassung des ein-
leitenden Verses:
en erit ut nostras hie nuntius excitet aures ^) :
<ecce tuus Panlinus adest. iam ningoida linqoit
oppida Hiberorum, Tarbellioa iam tenet arva, 126
Hebromagi iam tecta sabit, iam praedia fratris
vieina ingreditur, iam labitur amne secundo
iamque in conspectu est; iam prora obvertitor amni,
ingressusque soi celebrata per ostia portus
praevertit cunctoSy ut te amplectatur, amicos*)
et sua praeteriens iam iam tua limina pulsat'.
credimus? an qui amant ipsi sibi somnia fingont?
Man muß zugeben, daß kein Zusammenhang dieses Schlusses mit
den in vorhergehenden Versen 31 — 37 besteht, während doch
diese Verse nicht ohne die Absicht verfaßt sein können, den leeren
Baum zu füllen, den das gestrichene Mittelstuck gelassen hatte;
es ist nicht wahrscheinlich, daß der Redactor es unterlassen hätte,
einen Zusammenhang zwischen Eingang und Epilog des Briefes,
die im wesentlichen den Körper des so zugeschnittenen Gredichtes
bilden, herzustellen. Nun bewegt sich der mit v. 38 beginnende
Theil des Gredichts in einer von dem persönlichen Kerne des The-
mas entfernteren Peripherie. 'Man verglich uns mit den mytho-
logischen Freundespaaren ( — 50). Haben wir Nemesis herausge-
fordert, eine so enge Vereinigung zu lösen (~66)? Nicht die
Göttin aus dem Osten schädigt mich, sondern Spanien; weiltest
du doch wenigstens diesseits der Pyrenäen. Mich erfreut jetzt
Burdigala und mein ländlicher Aufenthalt nicht mehr ( — 1Q2)\
Danach setzt wieder mit Wucht die persönliche Ansprache ein,
dringlicher als zuvor, in zuversichtlicherem Ton, zur Beschwörung
sich steigernd; ein Abschnitt, von dem es Wunder nimmt, daß der
Bedactor, der die Verse 38 — 102 wohl als entbehrlich ansehen
mochte, ihn nicht zum nothwendigen Bestände auch einer ver-
kürzten Fassung gerechnet haben sollte :
agnoscisne tuam, Ponti dnlcissime, oulpam?
nam mihi certa fides nee commutabilis umquam
1) eequando isU meaa impüUt numUuä aures? V: die FMSung ton lehnt
sich an Yergil ecl. 8, 9 an (en erü ut lieeai — ), einen der Anfangayerse desselben
Gedichtes, dessen SchluBvers Ansonios als SchluBTers seines Briefes Terwendet
hat; auch das ein Beweis für die Scholbildong des Bedactors.
2) Mum oecursanHs pcpuli praevertUur agfnm V. WoUte der Bearbeiter
den an v. 128 anklingenden Ausgang Temeiden?
som Briefwechflel des Aasonios und Panlinus. 261'
Panlini illins veteris reverentia dorat 106
qnaeque meoque tnoque fait concordia patri.
si tendi facilis cuiqaam foit arcns Vlixi
ant praeter dominum vibrabilis orons Achilli,
nos qaoqne tam longo Shamnnsia foedere solvet.
sed cur tam maesto sero tristia carmina versa 110
et non in meliora animus se vota propinqoat?
Bit procol iste metns. certa est fidada nobis,
si genitor natusqne dei pia verba voventnm
accipiat, nostro reddi te posse precatn 114
accorre, o nostrum decus, o mea maxima cnra, 119
votis ominibosqae bonis precibosqne vocatus,
adpropera, dam ta iavenis, dam nostra senectas
servat inexhaastam tibi gratificata vigorem. 122
Dem Tone dieser Stelle sind die Verse 31 — 37 in der That ange-
paßt; als üeberleitung von den Einleitungsversen zu dieser den
Schlaft vorbereitenden pathetischen Anrede than sie ihren Dienst
and sind sie geeignet, dem anbefangenen Leser den Eindrack za
geben, daß er es mit einem vollständigen Gedichte za than habe.
Daß hiermit die Absicht des Redactors getroffen and das Fehlen
der Verse 103 — 122 im Fateaneas and Brazellensis aas einer aaße-
ren Ursache herzaleiten sei, wäre eine sehr mißliche Annahme,
wenn wir es nnr mit diesen Handschriften za than bStten. Aber
hier kommt ans der Colbertinns za Hülfe, der das G-edicht mit
V. 103 beginnt; sein Text zeigt eine Aenderang, die aaf absicht-
liches Fortlassen des aach in fehlenden voraafgehenden Theiles
deatet : v. 109 ist Rhamnusia^ das sieb aaf die Verse 51 ff. zarück-
bezieht, in mens altera geändert. Freilich sondert aach der Vos-
sianas den mit v. 103 beginnenden Abschnitt darch eigene üeber-
schrift ab and freilich theilt der Colbertinns nicht die abweichenden
Fassangen von v. 123 and 130 mit dem Fateaneas. So bleibt
diese Lösang ohne sicheren Beweis and maß sich darch die Wahr-
scheinlichkeit geltend machen, die ihr innewohnt.
Ich habe dieses Gedicht so aasftihrlich besprochen, weil es
verdient so gelesen za werden wie der Dichter es gemacht hat.
Es hat mehr wahres Gefahl als vielleicht die fibrigen Verse des
Aasonins zasammengenommen ; die leidenschaftliche Zaneigang za
Faalinns and das gekränkte Herz des Mannes, den Bewanderong
and Hnldigang der Nahen and Femen verwöhnt haben, der in
dieser VerwShnang alt geworden ist, finden hier einen starken
Aasdrack and erwecken ein starkes Mitgef&hl. Denn der Jfingere
wendet sich nicht nar von dem Lehrer and Freande ab, er gibt
852 Friedrich Leo,
anoh preis was bisher beiden als etwas Großes erschienen war,
die gemeinsamen 'Stadien', d.h. das Tändeln mit den verkommen-
den Resten einer vormals großen Coltor; er wendet sich neuen
Idealen zn, deren Zeichen zwar auch Aasonins trägt, aber ohne
von ihrer Bedentang and Zakunft etwas za ahnen. Wenn die
armen Götzen sinken, an die er glanbt, die Redefigur und das
Yersgeklingel , so bleibt dem alten Rhetor und Poeten offenbar
nichts was ihn innerlich aufrechthält; und in dieser Empfindung
findet er die leidenschaftlichen Töne seines Briefes.
Die übrigen Briefe des Ausonius aus dieser Reihe sind nur
an einzelnen Stellen überarbeitet; und es steht nicht überall fest,
ob in V oder das ursprüngliche erhalten ist, so 23, 34 ; erhalten
ist es in z. B. 25, 70 ; wie es natürlich ist , daß in so früher
Zeit auseinander gegangene üeberlieferungen sich ergänzen, obwohl
die eine rein geblieben, die andere getrübt ist. Aber der Yer-
dacht willkürlicher Aenderung ruht überall auf dem Futeaneus wo
er vom Yossianus abweicht. Die Frage erhebt sich nun, ob für
die Gedichte des Paulinus dasselbe Yerhältniß der Glaubwürdigkeit
besteht. Hartel, der dem Futeaneus auch für die Gedichte des
Faulinus, die er enthält, den Yorrang vor den übrigen Hand-
schriften zutheilt, stellt mit Recht in Abrede, daß man ohne wei*
teres einen solchen Schluß ziehen dürfe (IE praef. XYI). Der Re-
dactor, der seine Sammlung paulinischer Gedichte durch die Briefe
des Ausonius ergänzte, konnte gar wohl diese nach Zweck und
Laune zustutzen und die des Faulinus unangetastet lassen. Mit
nicht minderem Rechte beruft sich Hartel auf die Gestalt, in der
das 17. Gedicht des Faulinus im Yossianus erscheint: es ist stark
und willkürlich verkürzt und nicht minder willkürlich verändert
in dieser Ausoniussammlung als der Brief des Ausonius in der
Faulinussammlung des Futeaneus. Die Briefe des Faulinus an
Ausonius sind in Futeaneus und Yossianus von im Grunde identi*
scher üeberlieferung , sie treffen in Corruptelen zusammen^); wo
sie auseinandergehen, ohne daß die Abweichungen auf dieselbe
Lesung zurückzuftihren sind, ist die Wahrscheinlichkeit dafßr daß
auf einer von beiden Seiten willkürliche Aenderung stattgefunden
hat. Hartel hat 11 praef. XYIIIsq. und Fatrist. Stud. YI 3 sq.
1) Vgl. 10, 31. 46. 65. 76. 100. 123. 213. 239. 828, besonders bezeichnend
▼. 178. Dagegen scheint mir y. 54 noa induendus induü richtig: *er kleidet sich
in luisre Gestalt, am Ton uns aufgenommen zu werden'. Desgleichen y. 9 duhia
fmiftimocü« qitaedam mtbamara quereüist tmxia emsurae miiOMrat pieku^ nämlich
'subamara pietas dulda querellia, anzia censurae miscuerat'. YgL ▼. Hartel Pa-
tritt Stud. YI 8.5.
zun Briefwechsel des Ansonios und Panliniis. gg3
seine Ansicht von der Vor^äglichkeit des Pateaneos im einzelnen
begründet. Ich gestehe, daß meine Zweifel nicht überall beseitigt
sind. 10,41 scheint mir in der Fassung des Yossianus nü adfe-
rentes, ut sälutem conferant^ quod veritatem detegaJt die Stellung des
Relativsatzes durch die Paronomasie adferentes — conferant wohl
motivirt, während im Puteaneus die Worte nihil ferenies^ ut scUtUem
conferant out veritatem non tegant mit gesuchter Spitzigkeit doch
nur einen stumpfen Ausdruck geben. — 10, 101 ignosce amens , ei
geram quod expedü V, amans 0: das sieht sehr danach aus, daß
das corrupte amens (nicht vom Redactor sondern von einem Ab-
schreiber) durch das nächstliegende amans ersetzt worden ist, statt
durch Clemens (Zechmeister). — 10, 128 si displicet a/stus quem gero
agente deo, prius est : fiat reus auctor^ cui placä aut farmare meos aut
vertere sensus V: in der Fassung von prius est, si fas, reus audcr
verliert prius est, wenn ich nicht irre , die deutliche grammatische
Beziehung, die es in F besitzt. — 10, 166 nach F:
non etenim mihi mens vaga neque participantum
vita fugax hominum, Lyciae qua scribis in antris
Pegaseum vixisse equitem, licet avia multi
numine agente colant 159
non inopes animi neque de feritate legentes 162
desertis habitare locis.
Der erste Vers in : non etenim mihi mens demens n. p. Daß mens
demens im Stile des Dichters ist, weist Hartel nach; aber vaga
erhält doch eine starke Stütze durch die Stelle des Ausonins, auf
die Paulinus sich bezieht , 26, 70 :
ceu dicitur olim
mentis inops coetus hominum et vestigia vitans
avia perlustrasse vagus loca Bellerophontes ,
um so mehr als mentis inops auch in seiner grammatischen Yer**
bindung gleich darauf in non inopes animi wiederkehrt (vgl. v. 196).
Von den beiden Möglichkeiten, nämlich daß demens ausgefiedlen und
durch vaga schlecht ersetzt worden oder daß der metrische Mangel
durch Einsetzung von demens statt vaga corrigirt worden sei , ge-
winnt nun die zweite an Wahrscheinlichkeit. Im Colbertinus ist
vaga est geschrieben , Rosweyd hat einen Vers hergestellt : non
etenim mihi mens vaga^ sed neque patüdpantum vüa fugax hominum ;
die Diärese ist wie in v. 192, auch Ausonius nicht fremd ^), aber
sed ist unpassend. Ich vermuthe non etenim mihi mens vaga <inest>.
1) ep. 24, 119 prec. cons. 26 parent 14, 1 eptt 86» S arb. nob. 50 epigr. 76, 8.
264 Friedrich Leo, som Briefwechsel des Ansonios und Paoliniv.
— 10, 201 scheint mir auf die allgemeine Frage quae regio agresH
rüu caret ? 'welches Land ist ohne bäurische Uncultor ?' ganz rich-
tig die gleichfalls allgemeine , aber nur in vergleichendem Sinne
gestellte Frage zu passen: aut quid honestis (in istis 0) improbitas
(üiena nocet ? 'auch Schlechtigkeit gibt es überall, aber sie ergreift
die G-uten nicht*, so wenig die bäurische Art sich allen im Lande
Lebenden mittheilen muß. in istis würde agrestis rüus und impro-
bitas identificiren , wohl nicht nach der Absicht des Dichters. —
10, 247 quique superba cUtae contemnis moenia Bomae constd F, poiens
statt citae 0: das Beiwort zu constd ist nicht besonders passend,
da das Gedicht 13 — 14 Jahre nach dem Consulat des Ausonius
geschrieben ist; constd statt constUaris aber nennt sich Ausonius
gewohnheitsmäßig. Li anderen Fällen gibt das Richtige oder
die Spur des Richtigen, wie 10, 212. 232. 236, sehr wahrscheinlich
ist die auf gegründete Emendation Harteis von 10, 328 (vgl.
11, 69) ; aber Literpolation zeigt sich in F an keiner dieser Stellen.
Selbst 10,28 ist fönte zwar mit sichtlicher Absicht zu nemoribus
out iugis hinzugeschrieben worden; aber zur Interpolation wurde
es doch erst durch den Versuch, das neue Wort dem Verse ein-
zufügen, und ein solcher Versuch ist erst nachträglich im Parisinus
8600 gemacht worden.
Dies sind unmaßgebliche Zweifel; ihre Berechtigung sicherer
zu erweisen müßte ich die Untersuchung über den ganzen Text
des Faulinus erstrecken. Das würde nicht nur über den Rahmen
dieser Bemerkungen hinausführen, es wäre auch mehr als ich heute
zu leisten vermöchte.
Prakrit maXla und Verwandtea
Von
Theodor Zachariae.
Vorgelegt von F. Kielborn io der Sitznng fom 24. October 1896.
Das ziemlich häufige Prakritwort maüa ist bisher auf ver-
schiedene Weise erklärt worden. Die Prakritgrammatiker lehren,
daß maUaj das im Allgemeinen dem Sanskritworte tnalina entspricht,
für dieses substituiert werden könne. Yararuci widmet unserem
Worte ein besonderes Sütra: mciine linar Hau vä IV, 31. Hema-
candra TL, 138 fuhrt matla und zugleich fünf andre Wörter auf,
die im Prakrit beliebig für Sanskrit tnalina u. s. w. gebraucht wer-
den. Daß mäila aus niälina entstanden sei, wollen die Prakrit-
grammatiker nicht sagen. Einen Versuch, fnatla zu erklären, un-
ternahm meines Wissens zuerst Lassen in seinen Institutiones
lingnae Pracriticae an der Stelle, wo er von den Transpositiones
nasalium spricht (S. 212), also von Fällen wie Prakr. änäla^ kat^erü
für Skr. üUsna^ Jcarenu. Hier sagt er: monla (fnanüa) e nudina.
Mithin scheint er den Ausfall von n zwischen a und t anzunehmen«
Anders Weber in seiner Abhandlung über das Saptaäatakam
desHäla (1870). Er nimmt Vokaleinschub an; maHa soll für
mala stehn (S. 31). Auch im Wortindex S. 246 setzt er rnaOa ^^
mala ; ebenso in der Ausgabe des Häla von 1881 S. 670. Gegen
diese Erklärung läßt sich unter Anderem einwenden: mala wird
als Substantivum, matla dagegen, wie malina in der Regel, als Ad-
jectivum gebraucht. Nach den Lexikographen aUerdings wäre mala
auch Adjectivnm. So nach Maökha 801 (in der demnäohst erschei-
nenden Ausgabe): malo *8trT päpavifhiffe krpane maline trifu.
Wieder eine andre Etymologie hat Bühler im Glossar zur
Püyalacchi (Bezzenbergers Beiträge IV, 162) vorgeschlagen. Nach
ihm wäre mäUa durch Metathesis aus maliya {malia) «s malita ent-
standen. Dieselbe Etymologie trägt Siegfried Goldschmidt
266 Theodor Zachariae,
— allerdings zweifelnd — im Index zum Setubandha S. 176 vor.
Ich will hierza bemerken, daß maliya Gaü(}avaba 111 von Haripäla
mit malina erklärt wird (vgl. maliä malinitäh ZDMG 28, 377, 1),
und daß malia zuweilen als Variante von vnaila oder nunlia er*
scheint ; so z. B. Häla 14. 70 (siehe ZDMG. 28, 365 ; Sarasvati-
ka^^thäbhara^a ed. Borooah 347, 15). 117 (ZDMG. 28, 378). 163.
417. Auch möge noch erwähnt werden, daß Jacobi maliya in der
Phrase Tcaratalamaliyavva {kamalamälä) Nirayävalisutta 7 mit ma-
lina wiedergegeben hat ZDMG. 34, 183. Ihm folgt P. Steinthal
in seinem Specimen der Näyädhammakahä , Leipzig 1881 , S. 75.
Richtig hat Leumannn im Glossar zum Aupapätikasütra S. 98.
144 maliya mit Skr. mardiia (eigentlich mrdita) identificiert und
die eben citierte Phrase mit *in der Hand zerrieben' übersetzt.
In dom Abriß der Prakritgrammatik, der seinen Ausgewählten
Erzählungen in Mähärä^tri vorausgeschickt ist, hat Jacobi auf
eine Erklärung von maila verzichtet. Er führt das Wort nur,
nach der Weise der indischen Grammatiker, neben äncUa und an-
deren als merkwürdig besonders auf (§. 21 S. XXIX).
Ich möchte die bisherigen Erklärungen von matla durch eine
neue ersetzen. Zunächst aber handle ich von dem Vorkommen
und den Bedeutungen des Wortes.
Prakrit maila kommt häufig vor in den Kunstgedichten (Setu-
bandha, Gaü^avaha) und im Sapta:$atakam des Häla. Selten ist
das Wort in den Dramen (Pischel zu Hem. 11, 138 führt nur
eine Stelle aus dem Nägänanda an) und auch, soweit ich zu ur-
teilen vermag, in den Jainatexten. Im Setubandha herrscht maüa
ausschließlich , malina findet sich nirgends '). Im Gaüi^avaha und
im Häla überwiegt der Gebrauch von maUa durchaus. Aber auch
da, wo malina steht, wird vielleicht maila eingesetzt werden müs-
sen: ohne Zweifel ist matla das alte, echte Prakritwort, das all-
mählich durch sein fast immer als Glosse verwendetes Sanskrit-
aequivalent malina aus den Prakrittexten verdrängt wurde ^.
Ableitungen und Zusammensetzungen von mäüa, die in den
genannten und andren noch zu nennenden Texten vorkommen, sind
mailet, mäil^ijiti, mdilamta; mailijjdx] matlia; matladä, maVana; mal--
Ukaa ; sumaila Sarasvatlka9thäbhara^a 336, 18 ; pamaila Näyädham*
makahä I, 67; amaUa, omaUia.
1) Nicht in Betracht kommt malitieifUi t.1. für maUeffuti Setabiadh» 9,82;
TgL Qoldschmidt, Einleitung zum Setubandha» S. X.
2) Vgl Fisch eis Bemerkungen über den überlieferten Text des Setubandha
OOtt. Gel. Anzeigen 1880, 326.
Prakrit maUa and Yerwaadtes. 267
Die Bedeutungen von maila und seinen Ableitungen decken
sich im Allgemeinen mit den Bedeutungen von Skr. mcUina, mali"
nüa u. s. w. MaÜa und mailia bedeuten 'schmutzig , dunkel, trübe,
schwarz; beschmutzt, beschmiert, befleckt, getrübt' und stehn in
der Zusammensetzung gern hinter Wörtern wie dhüliy raa^ ^^V^j
dhüma^ Tcalarpka^ pamka, fnala^ kajjala, niasi^ boha, tnaa.
In übertragner Bedeutung findet sich mailia Häla 417 na tuJia
matliafn gottani] ebenso mailiyatß kulatfi Jacobi, Ausgewählte Er-
zählungen 86, 16, mäilijjäi niakulakkamo Jena Yetälapancaviip^atikä
(Uhle) 216, 14. Vgl. auch Häla 135. Nägänanda (Calcutta 1873)
34, 6. Mälatimädhava (Bombay 1876) 293, 1. Prabandhacintäma^i
20, 4. Besonders ist noch auf die doppelsinnige Stelle Setubandha
3,31 aufmerksam zu machen, wo Goldschmidt tnailadä ein Mal
mit 'Trübung', das andre Mal mit ^Bekümmernis' übersetzt; vgl.
auch 3, 47 Rähavahiae mailamtaammi. Auf diese Stellen komme ich
zurück.
Nach Hemacandra, De^inämamälä VI, 142, ist mdüa auch Sub-
stantiv mit der Bedeutung tumula oder kalakala^ Lärm, Greschrei.
In der Litteratur kann diese Bedeutung bis jetzt nicht nachge-
wiesen werden.
Bei dem nachfolgenden Versuche, das Wort matla zu erklären,
sehe ich von einem, allerdings möglichen, näheren Zusammenhange
zwischen mäÜa und Skr. malina gänzlich ab; schon deshalb, weil
fnaüa durchaus den Eindruck einer primären Bildung macht, wäh«
rend nuüina eine sekundäre, überhaupt jüngere, Bildung sein dürfte
{malina Weiterbildung von ♦maZtn: Whitney, Sanskrit Grammar ^
§. 1209 c. Brugmann, Grundriß 11 S. 146). Ebenso lasse ich
ntaZffiKi^a, sowie das seltne nüäna ^) 'schmutzig' hier bei Seite. Um
eine Etymologie des Prakritwortes maäa zu gewinnen, gehe ich
vom Prakrit aus. Unter den Formen, die Goldschmidt im In-
dex zum Setubandha unter der Wurzel mard = Prakr. woZ ver-
zeichnet, fallt meua besonders auf, das neben dem gewöhnlichen
maiia ein Mal vorkommt (12, 29). Es fragt sich allerdings , ob
dieses mata richtig überliefert und von Goldschmidt mit Recht
in den Text gesetzt worden ist (vgl. die Bemerkungen von Pischel
1) Zu mdla 'Schmutz' nach Bdhtlingk im Petersburger Wörterbuch und
Johannes Schmidt, Kritik der Sonantentheoiie 81. Sanskrit wXana, Synonym
?on malina nach Hal&yudha lY, 42 , vielleicht es Prakrit miiü^ in mtlätiomfui
Ga&da?aha 584 Tgl. nMilaru^^ ebendaselbst 594. Nach den Lexikographen ist
aml9ߥi SS Qimala oder
268 Theodor Zachariae,
ÖGA. 1880, 323 f. 327). Zwei Hanaschriften bieten fwalfa, das vor-
züglich passen würde : mit orunnamatla Seta 12, 29 v. 1. vgl. bOhanMUay
hähamäUia 1, 43. 9, 71. 11, 124. Häla 34. Ist aber mam richtig
überliefert, so ist es nicht aus Prakr. media entstanden (Grold-
Schmidt zu Setn 7,37), da Z im Prakrit nie ausfällt (Pischel
GGA. 1880, 335 ; Kuhns Zeitschrift 34, 574) , sondern meines Er-
achtens direkt aus der Sanskritform, mit der der Scholiast Räma*
däsa maM wiedergibt : aus mrditä. Wenn meine AufPassung richtig
ist, so ergibt sich eine einleuchtende Etymologie för mäüa ganz
von selbst. Dieses ist aus urindischem *mrdild entstanden und
gehört zur Sanskritwurzel mard (älter smard] siehe im Verlauf).
Mit maila aus *mrdilä steht auf einer Stufe stzdhila, Nebenform*)
von sidhüa nach Hem. I, 89; beide Formen gehn auf ein urindi-
sches *Srthild (ärthird) zurück, s. Groldschmidt im Index zum
Setubandha S. 190, Wackernagel, Altindische Grammatik I,
S. XVnif. 19. 71, Bartholomae Indog. Forschungen VII, 96.
In lautlicher Hinsicht dürften sich der vorgeschlagenen Ety-
mologie von maila kaum Schwierigkeiten entgegenstellen. Es fragt
sidi nur, ob es in den verwandten Sprachen Wörter gibt, die von
derselben Wurzel wie *mrdila abgeleitet sind und gleiche oder
ähnliche Bedeutungen aufweisen. Ich möchte *mrd%ld mit der
Wurzel smerd verbinden, zu der nach Fick, Vergleichendes Wör-
terbuch * 416. 618. * 576 und Anderen gehören : lat. merda IJnrath,
Koth (wovon merdaceus, merdaleus)^ lit. smirdeti stinken, altbulg.
smrüdü, schmutzig, gemein. Da von Einigen *) auch öiicQÖvög, öjisq-
SccXdog, lat. mordete beißen, kränken, wehe thun, deutsch Schmer a
hierher gezogen werden, so sei es noch gestattet, darauf hinzu-
weisen, daß maila neben der Bedeutung 'trübe, getrübt* auch die *)
von 'betrübt' gehabt zu haben scheint; vgl. die oben angeführten
Stellen Setubandha 3, 31 und 47.
Ich glaube noch zeigen zu müssen, daß matla^ das ich als das
alte, echte Prakritwort bezeichnet habe, fortlebt in den neuindi-
schen Sprachen. Hier erscheint es gewöhnlich in den Formen, die
sich aus mäüa regelrecht entwickelt haben, nämlich als maila oder
1) In den Texten ist aadhila kaum nachzuweisen; doch Tgl. pasa^Ovüa Gaü-
davaha 834 und 1084 v.l., und vor AUem die Marftthlform bei Pischel in der
Anmerlmng zu Hem. I, 89.
2) Doch siehe Fick * 998. « 151.
8) Eine Bedeutung, in der Skr. malina, soviel ich weiS, niemals gebraucht
wird. Andrerseits scheint maXla die Bedeutung 'gemein, niederträchtig^ die dem
Worte malina eignet, nicht zu haben. Sonst aber stimmen beide Wörter, wie
bereits bemerkt wurde, in ihren Bedeutungen überein.
Prakrit maUa und Verwandtes. 269
als mda (vgl. z.B. *kcMf, *kaill, M% Piscliel KZ. 34, 672. me-
hara neben mdihara Hern. Desin. VI, 121). Als Beispiele fahre ich
an : Hind. mail Schmutz , mailä schmutzig. Aus dem Hindastäm
entlehnt Sindhi maüu Schmutz, maüo schmutzig; das eigentliche
Sindhiwort ist mero schmutzig, das für mdo steht, vgL Trumpp
ZDMG. XV, 706. 732. East Hindi (Bihäri) matamdü schmutzig,
Hör nie, Comparative Grammar of the Gau^ian Languages, S. 399.
Zigeunerisch mel Schmutz ^), melelo schmutzig , schwarz ; mdeli 'die
schwarze' wird gebraucht für Kaffee, Tinte, Cigarre. Anderes
und Genaueres bei Pott, Die Zigeuner U, 454. Lieb ich. Die
Zigenner 145 f. Miklosich, Ueber die Mundarten und die Wan-
derangen der Zigeuner Europas YIU, 13. IX, 166. Fischel,
Beiträge zur Kenntnis der deutschen Zigeuner 30.
In der Form mela ist mmla auch ins Sanskrit eingedrungen.
Das Femininum mela 'die schwarze' soll ein Name der Indigo-
pflanze , des Indigos sein , also ein Synonymen von kcAa^ nUi oder
nilmf (vgl. ^Iviixbv (liXav im Periplus maris £rythraei; Lassen,
Indische Alterthumskunde in, 32, M^ Crindle im Indian Anti-
quary Vlll, 112). Nach den Kommentatoren zum Amarako&i, Va-
nau^adhivarga 96, wird der Ausdruck mela in dem Nighaptu [des
Dhanvantari] überliefert, aus dem sie folgende Stelle anfuhren:
ttUthä irtphaiika mela säravähl (? käravohi Yaijayantl 54 , 220) ca
raüjan^. Siehe z. B. die Yyäkhyäsudhä , Bombayer Ausgabe von
1889, S. 266. Hier wird auch angegeben, daß Ki^irasvämin — des-
sen wertvoller Kommentar mir leider nicht zugänglich ist — für
dolä , die gewöhnliche Lesart im Amarakosa a. a. 0. , melä liest.
Vermutlich hat K^irasvämin auf die Autorität des NighaQt^ hin
den Amarakosa korrigiert. Daß melä die richtige, dolä dagegen,
das sonst nur 'Schaukel, Sänfte' bedeutet, die falsche Lesart ist,
muß als wahrscheinlich gelten. Man wird den vorliegenden Fall
denen anzureihen haben, die ich in meinen Beiträgen zur indischen
Lexikographie S. 23 namhaft gemacht habe.
Außerdem bedeutet melä nach den Lexikographen: Schwärze,
Tinte; mela masau Visvaprakäiako^a , Medini, melä (tv) Mjane He-
macandra AnekSrthasamgraha 11, 495. Ohne Noth stellt Wilson,
dem Böhtlingk folgt, nach diesen Angaben der Lexikographen
f&r melä zwei Bedeutungen auf, 1) ink, 2) antünony or any colly-
rium. Denn Hemacandra selbst erklärt afijana mit masi Anek.
m^ 346, und sein Kommentator Mahendrasori glossiert zu Anek.
1) Wegen der Kfine des e gehört zig. md n, 8. w. yielleicht eher ca skr.
mala. (Mündliche Mitteilung des Herrn Prot Piichel).
270 Theodor Zachariae,
II, 49B Mjcma zweimal mit ma^X. Vgl. anch pattrMjana Tinte
(Trikä^^asei^a). Das Wort melä ist bis jetzt in der Litterator
niclit nachgewiesen; doch findet es sich als erstes Glied in einigen
Zusammensetzungen, die Tinte' oder ^Tintenfaß, Tintenflasche' be-
deuten. Nach den mir bekannten einheimischen Wörterbüchern,
die sämtlich, bis auf die erst neuerdings veröffentlichte Vaijayantf,
Von Böhtlingk citiert werden, kommen die folgenden Wörter
in Betracht. Nach der Vaijayanti 138, 49 bedeutet melämbu 'Tinte' ;
daneben steht das auch von Hemacandra überlieferte fnalinämbu.
Es braucht kaum bemerkt zu werden, daß melambu auch als melä
+ ambuj 'schwarzes Wasser', aufgefaßt werden kann ; vgl. zigeu-
nerisch mellAi pänin (so nach Lieb ich S. 145. 246), schwarzes
Wasser d. h. Tinte. Der in der Vaijayanti auf nwlämbu und fnali-
nämbu folgende Ausdruck tnelamani wird von Oppert im Voca-
bulary S. 710 als Synonymen von melämbu 'ink' angesehen. Man
sollte aber die Bedeutung 'Tintenfaß* erwarten; vgl. ma^imani.
Vielleicht ist die Stelle nicht in Ordnung. Auffällig ist auch, daß
nach einem mir nicht zugänglichen, von Böhtlingk citierten
Lexikon melämbu 'Tintenfaß' bedeuten soll. Am wichtigsten sind
für uns drei in den Kofe überlieferte Wörter für 'Tintenfaß' :
melänandttj meländhu, melanduka. Die Form des ersten Wortes
schwankt. In der Vaijayanti 138, 49 lesen wir melämanda^ in der
Härävali (Bombayer Ausgabe von 1889) 48 melänandä (diese Stelle
fehlt in einer Handschrift), 213 melänandä. Die beiden zuletzt
genannten Formen finden sich auch in mehreren homonymischen
Wörterbüchern bei der Erklärung des Wortes bärdcHa 'Tintenfaß'.
Der zweite Bestandteil des Wortes ist gänzlich unklar. Wilson
sucht darin änanda 'delighting', Böhtlingk und Hahendra (zn
Anek. 11 , 496) zerlegen melämandä^ ^nandä in mdä + mandä, nandä
und erkennen in dem zweiten Teile des Kompositums ein in den
Eo^a mit der Bedeutung 'Topf, Gefäß' überliefertes Wort mandd
oder nandä.
In der Litteratur ist melänandä nachzuweisen in dem Deno-
minativum mdänandäyaie 'wird zum Tintenfaß'. Dieses findet sich
bei Subandhu, Väsavadattä 239, 1 und in einem dieser Stelle sehr
ähnlichen Verse , den Mahendra zu Anek. U , 496 citiert ; siehe
meine Bemerkungen in der G-urupüj&kaumud! S. 39.
Meländhu wird im Trikä^^^a^e^a 11, 8, 27 überliefert; auch
m, 3, 402 in der Bombayer Ausgabe von 1889 Vers 967 und in
einer Wiener Handschrift bei der Erklärung des oben erwähnten
Wortes bärdala. Meländhu ist aus melä und dem seltnen andlm
'Brunnen' zusammengesetzt. Mit der Bildung vgl. vamfoküpikä und
Prakrit maUa and Verwandtes. 271
mofikapi. Eine Nebenform von mdändhu (mdändhüka) ^ und zwar
nach den Andeutnngen von Böhtlingk möglicher Weise eine
falsche Nebenform, ist mdanduka. Dieses Wort wird in der Ma-
hävyntpatti 273, 18 aufgeführt und , was mehr heißen will , von
Bohtlingk aas dem buddhistischen Werke Kära^davyüha 28,24
nachgewiesen (daneben auch die anfiPallige Form nterandu 92,7);
daß es auch noch in andren buddhistischen Schriften vorkommt,
ist mir nicht zweifelhaft.
Da mdanduka in einem Lexikon und in einem Texte überliefert
ist, so werden wir mit dieser Form zu rechnen haben. Wir müssen
versuchen, mdanduka zu erklären. Nun ist das Wort — worauf
meines Wissens bisher noch Niemand aufinerksam gemacht hat —
dem gleichbedeutenden griechischen (Ryyog) inlavdöxovy fiBlavdöxov
überaus ähnlicL Wie, wenn mdanduka direkt aus dem Griechi*
sehen entlehnt wäre, und in meländhu(-ka) nur ein Versuch vorläge
das Wort zu sanskritisieren ?
Schon vor einem halben Jahrhundert haben verschiedene Ge-
lehrte mda 'Tinte* für ein Lehnwort aus dem Griechischen (fidlap)
erklärt. So Benfey (nach Bohtlingk), Hincks (nach Bühler),
Pott Zigeuner 11, 4B4 (der aber zweifelt); vgl. auch Weber in
den Berliner Monatsberichten 1871, 619 und in den Berliner
Sitzungsberichten 1890, 914. 917, Müller, History of Ancient
Sanskrit Literature 614. Dagegen hat Bühler ganz neuerdings
in seiner Indischen Palaeographie S. 91 die Ansicht der genannten
Gelehrten verworfen und mdä aus maila (seil, mafi) hergeleitet.
Diese Herleitung des Wortes — das ja auch 'Lidigo' bedeuten
soll — steht für mich seit Jahren fest, und ich freue mich sehr,
mit Bühler darin zusammenzutreffen. Dennoch ist über die Ent-
lehnungsfrage das letzte Wort noch nicht gesprochen. Man be-
denke : mda , melämbu u. s. w. lassen sich vorläufig im lebendigen
Gebrauche nicht nachweisen, und von den nachweisbaren Wörtern
mddnandäyate und melanduka ist das erste ohne genügende Etymo-
logie, das zweite gleicht dem griechischen fi^Xavioxo fast wie ein
Ei dem andern. Wer übrigens me/ä für entlehnt hält, ist darum
nicht genötigt den Gedanken an eine Verknüpfung des Wortes mit
Prakrit matla^ mailä^ mdä aufzugeben. Die Entlehnung des frem-
den Wortes könnte sich unter Anlehnung an das echtindische
mda vollzogen haben. Die Aufnahme von fkikav, iislavd&xov ins
indische Sprachgut wurde durch den Umstand begünstigt, daß ein
Wort mda 'schwarz' zur Zeit der Entlehnung vorhanden war.
lieber Hippolyt's Oden und seine Schrift y^Zur
großen Ode.^
Von
Hans Aehells,
In der Sitzung Tom 24. October vorgelegt von Professor N. Bonwetsch.
Ueber diese beiden Schriften Hippolyt's hat soeben Herr Pi-
erre BatifPol in Paris einen kleinen Aufsatz veröffentlicht*).
Wenn ich ebenfalls zu dem Gegenstande das Wort ergreife, so
geschieht es deshalb, weil ich zu bemerken glanbe, daß der ver-
ehrte Herr Verfasser über das Schriftenverzeichnis auf der Statue
des Hippolytus, das in seiner Studie eine große Rolle spielt, un-
genügend oder gar falsch berichtet ist.
1. Von dem Logos Hippolyt's Etg ti^ ^di^ ti^v luydXtiP weiß
man nur durch Theodoret, der in seinem Eranistes drei kleine
'Fragmente daraus mitteilt'). Der Titel der Schrift hat schon
Vielen zu raten gegeben; und über Raten ist man nicht hinaus-
gekommen. Auch Batiffol glaubt von den bisherigen Lösungen
absehen zu müssen, indem er fragt, ob unter der „großen Ode*
nicht Hanna's Lobgesang 1 Sam. 2 zu verstehen wäre. Zur Be-
gründung verweist er darauf, daß Theodoret am angeführten Orte
unmittelbar vor den Fragmenten aus dem Logos „Zur großen Ode*
ein Stück aus der Schrift Hippolyt's Elg tbv ^Ekotaväv xal slg «i^
"Awav mitteilt; somit führe der Zusammenhang, in dem die Frag-
mente erhalten sind, auf eine Beziehung zwischen der „großen Ode*
und Elkana und Hanna.
1) Pierre Batiffol, Notes d'ancienne litt^ratnre chr^tienne. LeB pr^teadoM
nOdae in scriptoras" de saint Hippolyte. (Reme biblique internationale. V* An-
n^. Paris 1896. 8. 268—271).
2) Theodoret, Eranistes. Dialogos II. ed. J. L. Scholae. Tom. lY. Halaa
1772 S. 181 f. (Migne PQ LXXXIII 178). — In Paol de Lagarde's Hippoljt-Aiit-
gäbe (Lipsiae-Londinü 1858) S. 195 f. N. 129.
üeber Hippolyt's Oden und seine Schrift „Zur groBen Ode.* 278
Gegen die These wie gegen ilire Begründung würde sich we-
nig einwenden lassen, wenn sieb nicht beweisen ließe, daß in den
ersten christliohen Jahrhunderten die Benennung »große Ode^ all-
gemein verstanden wurde, und daß Niemand etwas Anderes darunter
verstand als den Gesang Mosers Deuteronomium 32. Ich verweise
auf folgende Stellen:
Siel y&Q &6nsQ ifyaf^&Vy oCro «al xnxAv notgä %^ d£fi 9iffiav^
Ifoi^ &g h iMyäXji fptfilv ^dj „o^ Idav^ (Deut. 32, 34).{ Philo Le-
gis allegoriae HI (Mangey I 106).
ßißaösv^ (Deut. 32, 13). Philo Quod deterius potiori insidiari so-
leat (Mangey I 213).
^iäxBf iv ^dfl f*«^ovi kiyetm ix nfoöJmav Toi) daoO ,f9«r«^
(Deut. 82, 39). PhUo De posteritate Caini (Mangey I 26^.
Kai diä T04>T0 nivtoi %al iv fidj Tjj fic^ot^i MyMtm ^izs^Atf^
öw* (Deut. 32, 7). Philo De pbmtatioue Noe (Mangey I 338).
JCkI iv ^kdfi lUvtoi fM^on %iw JLik^ &vavt«, 6ie&$8 viansgCtph
tb t^g i^fQovog xtd vtpciag tvofiÄ iil$9Uag tinvu KitXiL ^dhmuog^ yig
fftfitv (Deut. 32,4). Philo De bis verbis „Res^uit Noe' (Mangey
I 894).
AiyBi yitQ Mmi^f^g iv ^ t^ iieCtwL ^986g^ (Deut. 32, 4),
Philo De mutatione nominum (Mangey I 606).
Th dl ivotag wd JLiinfig nal Juc(foiviag^ i^fj ($kv tgiwp Xivi, tiinp
änwtcvtm^ diä xitv itiQWv l$%^ivtmv iv ^diQ vfj (tsi^ovi ^i» yi^^
(Deat 82, 32). Philo De somnüs U (Mangey I 684).
„Oite vbthg^ ntl (Deut. 32,6) tu iv tp divtsgovoiUq^ tW^V
fMfl 6 Mm0^g fpufiiv. Dionysius Romanus bei Athanasius De de«
Gtetis Nicenae synodi c. 26 (Migne VQt XXY 464).
E!Uv d^ &v «itotg xal If^Mt^o« xoni^aig^ Sg 4 li^^ydlif Ma^img
^di^ Hol Toi> 44€cßld 6 pii} il;€cXfi4gj xfp naXovi^ivp xoq* 'Wilifiu i^ffA^
p4tQ^ 0vvtstmyfkivot. Eusebius Pamphili Praeparatio evangelica
XI 5 (Migne TGt XXI 852).
Jdoi> yäQ eifQi^iuv tb ftitbv xi^g ftaydl^g ^di^g xijg xa^fä Mmiy-
6Bt ysyfccniUvfig, Skov Xdysi j^itgoödoKia^m^ (Deut. 32, 2). Epipha*
nius Panarion 69, 62 ed. G. Dindorf Vol. m. Lipsiae 1861 S. 214.
In der Schrift „Zur großen Ode", von der Theodoret drei
Fragmente mitteilt, lieferte Hippolyt demnach einen Commentar
2U Deuteronomium 32.
9. Daß Hippolytus Oden geschrieben habe, berichtet das
Schriftenverzeichnis auf seiner Statue im Lateranmuseum Z. 21 1,
einer Stellei die eine wahre crux interpretum Ist.
274 Hans Achelis,
coAAl - GTACACTACrPA
k<t>AC
steht da^). Herrn Batiffol gegenüber betone ich, daß hinter
GOAAI, wenigstens nach meinen Abklatschen, ein Doppelpunkt zu
sehen ist; nicht drei Funkte über einander, wie sein Bericht-
erstatter angiebt; femer, daß die Annahme, der Doppelpunkt sei
der Rest eines früheren I , durch den Zustand des Steines ausge-
schlossen ist. Das r hat wohl nur durch eine zufällige kleine
Verletzung zu der Angabe veranlaßt, es habe die Form eines F;
die untere Querhasta — wenn man von einer solchen hier reden
kann — stammt nicht von dem Lapiciden. Am Ende von Zeile
21 steht ein A; auf meinen Abklatschen ist die erste schräge
Hasta, der oben überstehende Teü der zweiten schrägen Hasta,
sowie die Querhasta deutlich zu sehen; auf dem Steine habe ich
das A erst bemerkt, nachdem ich es auf meinen Abklatschen ge-
fanden hatte; von dem Rubricator der Inschrift ist es übersehen.
Endlich ist auf Z. 22 vor <t>AC eine Rasur erkennbar; der Lapi-
dde hat aus Versehen das letzte A von Z. 21 hier wiederholt, es
aber später getilgt.
Früher hatte man allgemein statt des Doppelpunktes in Z. 21
ein I gelesen, also t/idal [s]lg xiaaq tag yQag>dg verstanden, und sich
— vergeblich — bemüht, den „Oden auf alle heiligen Schriften*
einen Sinn abzugewinnen. Die ünverständlichkeit der alten Le-
sung erkennt auch Batiffol an; deshalb will er jetzt qAAI ver-
bessern in GTOYAAI , aber bei dem alten I statt des Doppelpunktes
stehen bleiben. Er hält nämlich das Q für eine spätere Corrector
auf der Inschrift, und führt als G-ründe dafür an, daß (jdAAl am
Anfange einer Zeile stände, die Platz genug für sein GTOYAAI
böte, und daß das CO eine andere Form habe, als sie sonst von
dem Lapiciden angewandt sei. Leider hat sich BatüFol an dieser
Stelle trotz seiner eigenen Informationen durch einen Druckfehler
in Hamacks Litteraturgeschichte irreführen lassen. Dort ist aller-
dings anstatt des G) ein oo zu sehen ; auf der Inschrift hat das G>
dieselbe Form wie Zeile 6. 8. 9. 12. 14. 18. 20. Und BatifPbls
Conjectur fallt schon deswegen hin, weil Z. 20 keine Spur von
einer so umfangreichen Rasur zeigt, wie sie ein ursprüngliches
[CTTOTIAAI voraussetzt. Ihcovdai Big nitsag tag y^atpig würde al-
1) Vgl. Adolf Hamack , Geschiebte der altchristlichen Litteratnr bis Ense»
bios. Bd. 1. Leipzig 1898 8. 607. — Der Text des SchriftenTeneicbnisses dort
und die Begleitworte sind Ton mir geschrieben, wie aach Batiffol ans Hamarki
Vorrede S. vn h&tte estaehineii können. Wo er Hamack nennt, bin fast immer
ich gemeint»
üeber Hippolyt's Oden and seine Schrift „Znr groBen Ode.'' 275
lerdings einen Sinn haben , aber es steht nicht da nnd es stand
nicht da; (OAAI stand von jeher anf dem Marmor.
Die richtige Lesnng der beiden Zeilen ist noch nicht gefanden«
Der Weg dazu aber scheint dnrch eine Beobachtung gewiesen zn
sein , die mir zuerst de Rossi mitteilte , daß nämlich Z. 21 f. ur-
sprünglich den Schluß der ganzen Inschrift bildete, und daß die
▼ier Zeilen, welche jetzt folgen, später hinzugefügt wurden. Die
Buchstaben sind dort gröber und größer als in der übrigen In-
schrift; sie nehmen in der Höhe und in der Breite mehr Raum
ein, und während sonst die Linien der Inschrift leidlich gerade
stehen, was besonders bei den großen Ostertafeln auf beiden Flan-
ken der Kathedra bemerkenswert ist, stehen die letzten vier Zeilen
recht unregelmäßig. Ob sie notwendig von andrer Hand sind,
möchte ich dahingestellt sein lassen; aber daß sie später hinzuge-
fügt wurden , scheint mir deutlich. Andrerseits sieht man auch,
daß das 4>AC Z. 22 den Schluß der Inschrift ausmachen sollte; es
steht unter der Mitte des Ganzen, während z. B. Zeile 6 ['ltDjANHN
und Zeile 11 [xaQddo]C\C, die ebenfalls eine Zeile für sich einneh-
men, nicht in der Mitte, sondern am Anfang der Zeilen stehen«
Dasselbe ist der Fall bei Zeile 8 [Ä«o] KAAYVEöC , Zeüe 17 [Sa]
BHPEINAN , Zeile 19 TOY ÜACXA. Wenn das 4>AC Zeile 22 in der
Mitte der Zeile steht, so sollte es die Inschrift beschließen. Es
ist mir noch immer wahrscheinlich, daß in dieser Beobachtung der
Schlüssel zum Verständnis von Zeile 21 f. gefunden werden kann.
Den Doppelpunkt hinter qZiAI wird man entweder für ein
Zahlzeichen oder für ein Trennungszeichen halten können. Für
ersteres hatte ich mich in Harnacks Litteraturgeschichte entschie-
den, und cdAA|:C als mdal ducxöö^at gelesen; die folgenden Worte
hatte ich als das Schlußwort der Inschrift xdöag tag yQaq>äg [sc.
iviyQai^a] aufgefaßt. Der kleine, aber bemerkenswerte Zwischen-
raum, der sich zwischen ^8(ä und dem Doppelpunkt befindet, spricht
indeß gegen diese Lösung; das C soll, wie es scheint, nicht zu
jMo/ gehören. Dann könnte nach ^da/, was unter allen umständen
stehen bleibt, etwa duxxoöiag jtAöag rag yQaq>äg [sc. ixsig] zu lesen
sein ^). Daß Hippolytus zweihundert Schriften verfaßt haben soll,
wäre kein Resultat, das Befremden erregen kann. Die Zahl seiner
Werke ist bis jetzt wohl stets zu gering veranschlagt worden.
Zumal die exegetischen Schriften müssen sehr zahlreich gewesen
sein, da er vielfach seine Kommentare nicht zu ganzen biblischen
1) Durch freundllcbe Yermittlang Harnacks lieB mir Hincbfeld diese Deutung
nittefleiL
276 Hans Achelis, üeber Hippolyt's Oden und seine Schrift »Zur groBen Ode."
Büchern, sondern zu einzelnen kleineren Abschnitten schrieb, wie
die Titel Elg xijfv S^ai/^fUQoVj Elg rä iisxä zip/ fi|ai}ft«pov, Elg iyya*
^tQ{fuvdw/f Eig tbv ^ElTcaväv xal elg rijv "Awav a. dergL beweisen«
Aber auch wenn die Angabe an sich nicht überraschen kann, sie
ist doch auffallend am Schluß eines Verzeichnisses, das nur etwa
neun oder zehn Schriften zu nennen weiß. Ich möchte weder für
diese, noch für meine eigene, früher geäußerte, Deutung eintreten«
Beide liegen nicht auf der Hand, haben nichts üeberzeugendes«
Möglicherweise ist das Verständnis der beiden Zeilen dadurch so
erschwert, daß wir den Anfang der Inschrift entbehren. Vielleicht
schloß sich der Accusativ nA6ag tag yQaq>dgj der auffallender Weise
dem Nominativ dSai folgt, in irgend einer Weise an den Anfang
der Inschrift, die IJeberschrift des Granzen, an. Aber wie dem
auch sei; an den „Oden^ Hippolyts ist nicht zu zweifeln und zu
korrigieren»
Berichtigung.
6. 31 1 Vers 9 und 18 lies t statt t.
Papsturkunden in Venedig.
Ein Beiflebericht
Von
P. Kehr.
Vorgelegt in der Sitzung vom 24. Oktober 1896.
Nachdem nnaere Gresellschaft den Beschluß gefaßt hatte, die
Papsturkunden bis Innocenz in. zu sammeln und herauszugeben,
galt es den Plan für die in den nächsten Jahren zu unternehmenden
Reisen zu entwerfen. Daß wir zunächst die Länder aufsuchen
werden, in denen aller Voraussicht nach die reichste Ausbeute an
noch unbekannten Materialien erhofft werden darf, Italien und
England, wird, wie wir hoffen, der Kundige billigen. Und so ge-
denken wir alle Kräfte und Mittel zunächst auf die systematische
Durchforschung der Archive und Bibliotheken der Apenninhalb-
insel zu verwenden, wo manche persönliche Beziehung und auch
die Nachforschungen früherer Forscher uns zu Grute konmien.
Dafür daß wir gerade in Venedig unsere archivalischen Ar-
beiten begannen, bedarf es aber doch noch einer besonderen Er-
klärung. Wohl weiß Jeder, daß das Staatsarchiv in Venedig eines
der größten Magazine der Historie ist. Indeß nach dem was man
bisher davon kannte, schien eine erhebliche Ausbeute an päpst-
lichen Urkunden nicht zu erwarten. Oft besucht, ist das Staats-
archiv mehr als einmal zum Gegenstand der Berichterstattung
durch deutsche Gelehrte gemacht worden. Einen orientirenden
Ueberblick mit mancherlei näheren Angaben gab zuerst L. Beth-
mann (Archiv XTT 629 ff.) Einige Notizen hat dann W. Schum
N. Archiv 1 131) gebracht, der im Jahre 1874 hier war; ein paar
weitere Angaben fügte H. Bresslau (N. Archiv UI 88 f.) hinzu,
der 1876 das Archiv besuchte. Reichhaltiger ist der Bericht von
E. Winkelmann (N. Archiv V 12 ff.) , der 1878 in Venedig arbei-
täte; er hat auch die Papsturkunden, soweit er auf sie stieß,
beachtet. Speziell um diese aufzusuchen war F. Ealtenbnumer
Kfl. e«. d. W. ITMhrielitM. PUtol«f..kM«r. lOaam. IBM. Htfl 4. 21
278 P. Kehr,
1878 nach Venedig gekommen (Wiener Sitzungsber. Pliil.-hist. CL
XCIV 643 ff.).
Seine Ausbeute war, wie schon gesagt, nicht erheblich. Nur
10 Originale hat er verzeichnet.
Gerade dieses dürftige Resultat hat mich veranlaßt, der Ueber-
lieferung der Venezianischen Urkunden nachzugehen. Indem ich mit
Kaltenbrunner's Angaben die Arbeiten der älteren Forscher, vor allem
das Flaminio Cornaro verglich, stellte sich sogleich heraus, dass
entweder ein erheblicher Theil der einst von Cornelius benutzten,
dann in das Staatsarchiv gekommenen Urkunden verloren gegangen
sein müsse, oder aber daß die neueren Besucher des Veneziani-
schen Staatsarchivs sich mit einer sehr oberflächlichen Durchsicht
seiner Bestände begnügt haben. In der That ergab sich sehr bald,
daß bedeutende Abtheilungen des Archivs bisher niemals beachtet
worden sind. Indem ich vor allen andern diese Abtheilungen
durchsah, fand ich nicht nur ein unerwartet reiches Material, es
drängte sich mir auch zugleich die Ueberzeugung auf, daß eine
systematische Durchforschung des Archivs mit reicheren Mitteln,
als sie mir zu Gebote standen, durchaus nothwendig ist. Denn
die besondere Aufgabe, die mir gestellt war, die Papsturkunden
des Archivs bis 1198 zu verzeichnen, nöthigte von Anfang an zu
einer gewissen Einschränkung der Nachforschungen auf bestimmte
Materien. So habe ich die Kaiserurkunden nur gelegentlich notiren
können, andere Materien aber ganz ausser Acht lassen müssen.
Und so würde auch dieser Bericht an sich keine besondere Be-
achtung verdienen, um so mehr als der Werth der meisten Reise-
berichte, besonders der Itinera Italica, notorisch gering ist. Wenn
ich mich trotzdem entschlossen habe, ihn vorzulegen, so geschieht
es einmal, um die Fachgenossen darauf aufmerksam zu machen,
daß die großen Schätze des Venezianischen Archivs noch lange
nicht hinreichend ausgebeutet sind : — ich würde den Zweck dieses
Berichtes erst dann erfüllt sehen, wenn er zu einer nochmaligen
und umfassenderen Durchsicht der Venezianischen Bestände den
Anstoß gäbe — , dann um den liebenswürdigen und unermüdlichen
Beamten des Archivs eine Art von Führer in die Hand zu geben,
der ihnen bei ihren weiteren Nachforschungen von Nutzen sein
könnte. Indem ich dieser Herren gedenke, kann ich unmöglich mit
Stillschweigen übergehen, daß sie mich in ungewöhnlichem Maaße
unterstützt und gefordert haben. Herrn Predelli vor allen bin ich
außerordentlich verpflichtet, und ich muß, wenn man die gemach-
ten Funde als nicht ganz unerheblich beurtheilen sollte, den Dank
an Herrn Predelli zu richten bitten, der nicht müde wordoi meh«
Papstarkanden in Venedig. 279
rere Wochen lang den besten Theil seiner Zeit für die gemein-
samen Nachforschungen zu opfern.
Indem ich im Folgenden die Papsturknnden bis 1198 verzeichne,
folge ich dabei der Ordnung des Archivs. Denn wie man weiß,
ist das Staatsarchiv ein Komplex von zahlreichen Archiven , die
aus einander zu halten wir allen Grund haben ^).
Die Libri pactorum I — VII, den Liber albttSj den Liho* blancuSj
den Liber Ferrariae und den codex Trcvisaneus hat bereits Kalten-
brunner durchgesehen und ihren Inhalt verzeichnet. Ebenso die
Consultori in iure, codd. 366 und J". Fonianinis Sammlungen, codd.
misc. 646—653. Indem ich hierauf verweise, trage ich hier nur
die in den Libri commenwrialium enthaltenen Fapsturkunden nach,
die Kaltenbrunners Aufmerksamkeit entgangen sind.
Liber commemorialium vol. XV*).
f. 127 Alexander HI. J-L. 12855»).
f. 127 Alexander HI. 1177. YHI. 2 *).
Liber commemorialium vol. XVI.
f. 200 und f. 259 Alexander III. J-L. 12831 *).
f. 117 Alexander III. J-L. 12880«).
f. 120' Alexander UI. J-L. 12890 ').
f. 197' Alexander IIL 1177. VUL 2*).
Provveditori sopra feudi').
Busta 281 (Abbazia di Sesto):
Lucius III. 1182. XIL 13. Copie saec. XVIII. ex. s. An-
hang Nr. 10.
1) Indem Kaltcnbrunncr darauf keine Rürksicht nahm, hat er die Nachfor-
schung nach den von ihm Tcrzeichneten Urkunden nicht unerheblich erschwert.
2) Die Libri commemorialium hat Herr Predelli genau durchgesehen. Nach
seiner Versicherung finden sich nur in vol. XV und XVI ältere Papsturkunden.
3) Jaffä-L. zu Mai 31. Aber die Copie im Liber commemorialium wie die Copie
im Libro d'oro (s. unten S. 283) haben IL kal iuL Die Urkunde gehört also za
J-L. 12876 (Juni SO).
4) Diese bisher unbekannte Urkunde hat jetzt Herr Predelli im Nuovo Ar-
chivio Veneto XII publizirt.
5) Orig. Bolle ed atti (s. unten S. 281).
6) Für S. Maria in Organo in Verona. Auch Überliefert in Fontaninis Cod.
misc. 647 p. 15 (Venedig); Copie saec. XIV und im Liber privilegiorum S. Mariae
in Organo f. 2 (beide in Verona Arch. comunale).
7) Für 8. Sahatore in Rialto. Auch im Chron. des Franciscns de Oratia (s.
unten 8. 288).
8) Hier liegen aach Copien (alle saec. XVIII) von Ludwig II. Mühlbacher
21»
280 P. Kehr,
Provveditori sopraintendenti alla Camera dei
C n f i n i ^.)
Bnsta 126 (Moggio).
f. 21 Lucius m. J-L. 15082 *) Copie saec. XVII aus einem
Notariatsinstrument von 1243. XII. 13.
Autographa vetustissima monasterii S. Mariae di
Sexto.
(Sammlung des Josephus Bini von 1764).
Nr. 36 Gregor Vm. J-L. 16049 Original*).
Atti diplomatici restituiti dalTgoverno Austriaco^.
Originale:
Nr. 143 Johann XIX. J-L. 4063 •»).
Copien :
Nr. 140 Gregor UI. J-E. 2234 Copie saec. XII.
Nr. 142 Leo YHI. J-L. 3701 Copie saec. XV %
Reg. Kar. 1197 and von Berengar I. Dümmler Qeata Berengarii Nr. 1. Ebenso
von zwei Urkunden Ottos IV. und Friedrichs II. Die Baste 420. 421 (Moggio)
enthalten keine <eren Papsturkanden. Wohl aber liegt hier das Orig. von Kon-
rad m. St. 3664 oder St 8656.
1) Hier sind viele Abschriften von Eaiserarkanden. So in Basta 64 (Pole-
sine) St. 2288. 4222. 4936. Ein Diplom Heinrichs V. von 1114. IX. 18 f&r S.
Maria in Pomposa habe ich notirt; es scheint noch nicht bekannt an sein. Aus
Basta 186 (Aquileia) notirte ich DO. I. 841; St. 2162 and Urkanden Ottos IV.
nnd Friedrichs II. Kein Ergebniß hatte die Darchsicht der Baste 127. 128.
192. 218.
2) Auch bei FonUnini cod. misc. 647 p. 149 (Venedig). Bei Jaff^L. dop-
pelt verzeichnet anter Nr. 16082 (1184) and Nr. 15469 (1186).
8) Danach gedrackt von v. Pflugk-Harttang AcU III 849 Nr. 897.
4) Die Atti diplomatici, Miscellauea 1* e 2» serie and die Atti diplomatici
misti, beide Abtheilnngen bekanntlich reich an Kaiserarkonden , enthalten keine
Papstnrkunden bis 1189.
6) Kaltenbranner a. a. 0. S. 648. 660 meint wohl diese Urkonde, deren Da-
tnm er irrig za 1025 September angab und die er überdies als Copie saec XI.
bezeichnete. Eine solche hat sich darchaas nicht finden wollen. Bei dem Ori-
ginal (Face, bei v. Pflugk-Harttang Specimina Tab. XII) liegt noch eine Copie
von 1581. Aach im Cod. Trevisan. f. 147 steht die ürkonde. Das richtige Ver*
h<nis za J-L. 4068, während J-L. 4070 ganz za streichen ist, hat schon Breilaa
in Mitth. des Osterr. Institato IX 27 Anm. 2 festgestellt
6) Aach im Cod. Cl. IV c 108 der Mardana and bei Fontanini Cod. miic.
647 p. 4.
Papitnrktindeii in Venedig. 881
Bolle ed atti della caria Bomana^}.
Origiiiale:
Anastasins IV. J-L. 9909 (S. Salvatore) ').
Alexander m. J-L. 11221 (S. Daniele).
Alexander in. J-L. 12831 (Vangadizza) *).
Alexander m. J-L. 12926 (S. Daniele).
Alexander IIL J-L. 13687 (Aquileia).
Lucius m. J-L. 14557 (S. Salvatore)*).
Gregor VIII. J-L. 16060 (S. Salvatore) *).
Clemens III. J-L. 16277 (S. Canziano).
Cölestin HI J-L. 17419 (S. Marco in Tyrus).
Copien :
Hadrian I. J-E. spur. 2430 (Ferrara) Cop. von 1309.
Anastasius IV. J-L. 9852 (S. Maria in Pomposa) Cop. von 1447»
Alexander IIL J-L. 12933 (S. Secondo) Cop. von 1220.
Clemens IQ. J-L. 16520 (S. Marco in Tyrus). Zwei Copien
saec XUI.
Procuratia di S. Marco de Supra^).
Busta 136 (Abbazia de' SS. Filippo e Giacomo e S. Feiice d'Amiano).
Originale :
Cölestin III. 1195. L 26 s. Anhang Nr. 14.
Cölestin UI. 1196. L 26 s. Anhang Nr. 15.
Mensa patriarcale.
Diese Abtheilung enthält das alte und reiche Archiv der Pa*
triarchen, das von S. Pietro di Castello, dem alten Bischofssitze,
wo es noch Comaro und Brunacd benutzten, zunächst nach S.
1) Diese drei Büste umfassende AbtheilaDg ist, wie es scheint, erst jQngst
eingerichtet worden, indem man Papstnrknnden , auf die man gelegentlich bei
den Ordnnngsarbeiten stieB, ihren alten Beständen entnahm und hier Tereinigte.
Da jetit die Absicht besteht, sie wieder an ihren alten Ort sn bringen, so rer-
leichne ich die einseinen Stücke hier wie unter dem spesiellen Arcbi?. Die oben
verseichneten sind s&mtlich in Busta 1.
2) Auch im Transsumt saec. Xn und in der Chronik des Franciscus deQra-
tia (s. unten S. 287).
8) Auch im Liber commemorialinm toI. XVI f. 200 und 259 (s. oben S. 279),
femer Copie saec. XVIII im Cod. Cl. XIV c. 170 der Marciana; bei Fontanini
cod. misc. 652 p. 114 (Venedig) und Copie des Perini (Verona Arch. comunale).
4) Auch im Chronicon des Franciscus de Gratia (s. unten S. 288).
5) In dieses Archir gehören wahrscheinlich auch J-L. 16520 und J-L. 17419
fOr 8. Marco in Tyrus (Bolle ed atti).
282 P* Kehr,
Marco, der neuen Residenz der Patriarclien, dann in jüngerer Zeit
in das Staätsarcliiy kam.
Hier haben es meines Wissens nur A. Gloria und Bellemo
(Chioggia) , freilich nicht erschöpfend , ausgebeutet. Nach den
Angaben des Herrn Archivar Pietro Bosmin, der es im Jahre
1891 neu verzeichnet hat, umfaßt es nicht weniger als 6000 Per-
gamenturkunden. In der That ruht hier noch ein reicher Schatz
urkundlicher Tradition. Bei der Neuordnung ist die frühere Ord-
nung, die der Patriarch Lorenzo Priuli (1591 — 1600), nach dem
der Index der ersten Abtheilung als Catastico Priuli bezeichnet
wird, begann und der Patriarch Giovanni Bragadin (1758 — 1775),
danach das Catastico Bragadin, vollendete, beibehalten worden.
Es sind im Ganzen 213 Büste, in denen die Urkunden meist nach
örtlichen Gesichtspunkten (distretti e luoghi) vertheilt sind. Sie
aufzufinden wäre leicht, wenn der von Herrn Bosmin angelegte
Index nähere Auskunft über die einzelnen Urkunden gäbe, aber
er verzeichnet bloß das Datum ohne jede weitere Angabe.
Dieses Archiv setzt sich aus drei selbständigen Archivkörpem
zusammen, aus dem eigentlichen Patriarchatsarchiv (Busta 1 — 88),
aus dem Archiv der dem Patriarchat gehörenden Abtei S. Cipriano
di Murano (Busta 89 — 196) und aus dem Archiv des CoUegio del
Campion di Padova (Busta 197 — 213). Das letztere Archiv ent-
hält nur jüngere Bestände, um so reicher an älteren Materien sind
die beiden andern.
A. Mensa patriarcale.
Originale:
Leo IX. 1050. V. 8 Fragment (Busta 17) s. Anhang Nr. 1.
Innocenz 11. J-L. 7783 (Busta 17).
Lucius n. J-L. 8560 (Busta 5) *).
Hadrian IV. J-L. 9997 (Busta 5) ").
Hadrian IV. J-L. 9998 (Busta 5)»).
Hadrian IV. J-L. 10181 (Busta 5).
Hadrian IV. J-L. 10295 (Busta 5)*).
Hadrian IV. J-L. 10296 (Busta 5) %
Alexander m. J-L. 10665 (Busta 5).
1) Auch Copie vou 1223 in BasU 26 S. Giorgio maggiore (s. anten 8. 288).
2) Auch im Liber paotorum I f. 5G und im Cod. Tre?i8an. f. 207.
S) Auch im Cod. Trensan. f. 211.
4) Auch im Lib. pactorum I f. 69, II f. 100' und im Cod. TreTisan. f. 218.
5) Auch im Lib. pactorum I f. 67 und im Cod. Trerisan. f. 215.
Papsturknoden in Venedig. 283
Alexander m. J-L. 14247 (Bnsta 17)»).
Lucios in. J-L. 14624 (Bosta 6) ^.
Urban m. J-L. 1B619 (Busta 5).
Cölestin IH. J-L. 16927 (Buata 5) »).
Copien :
Linocenz IE. J-L. 7783 Copie saec. Xu (Busta 5)^).
Lucius n. J-L. 8535 Copie von 1223 (Busta 5).
Anastasius IV. J-L. 9909» Transsumt P. Eugens IV. von 1433.
X. 1 (Busta 6) *).
Hadrian IV. J-L. 9998 desgl. (Busta 6)^).
Hadrian IV. J-L. 10297 desgl. (Busta 6).
Alexander III. 1161. VII. 15 desgl. (Busta 6) s. Anhang Nr. 5.
Cölestin HL J-L. 17424 Copie von 1198 (Busta 17).
Copialbücher :
1. Libro d'oro (Busta 1), angelegt vom Patriarcben Thomas
(Dona) von Venedig (1492 — 1502), wie die Vorrede aus-
sagt. Es ist ein Pergamentcodex in folio, auf dessen Ein-
banddeckel mit Goldschrift eingepreßt ist: Catasticum pri-
vilegiorum et notarilium patriarchatus Venetiarum.
f. 3' Leo IX. J-L. 4291.
f. 4' Innocenz 11. J-L. 7783*).
f. 1 Lucius n. J-L. 8536.
f. 5' Lucius n. J-L. 8560*).
f. 16' Anastasius IV. J-L. 9909».
f. 6 Hadrian IV. J-L. 9997*).
f. T Hadrian IV. J-L. 9998*).
f. 2 Hadrian IV. J-L. 10181 *).
f. 7' Hadrian IV. J-L. 10295 *).
f. 7 Hadrian IV. J-L. 10296 *).
f. 16' Hadrian IV. J-L. 10297.
f. 8' Alexander UI. J-L. 10665 *).
f. 17' Alexander HI. 1161. VII. 15 s. Anhang Nr. 5.
f. 15' Alexander IIL J-L. 12855 •).
1) Aach in De Rubels Schedae Cod. Gl. XIV c. 149 f. 19 der Marciana.
2) Aach im Lib. pactorum I f. 60', II f. 102 and im Cod. Treyisan. f. 289.
Nach T. Pflagk-Harttang Iter p. 294 Nr. 750 aach im Cod. XL. I p. 15 der Bar*
beriniana. Das Orig. hat XVIIL hol, matt.
8) Aach im Cod. XL. I p. 20 der Barberiniana (t. Pflagk-Harttang Iter
p. 827 Nr. 945).
4) Orig. s. oben.
5) Danach gedmckt bei Cornelias III 129. Die Urkande Clemens III. 1179.
y. 20 (Cornelias IIL 138) habe ich dagegen nicht gefunden.
6) Aach im Lib. commemorialiam fol, XY f. 127 (s. oben S. 279).
284 P- Kehr,
f. 9' Lucius m. J-L. 14624»).
f. 10 Urban m. J-L. 15619').
f. 32' TJrban III. s. d. s. Anhang Nr. 11.
f. 15' Clemens HL J-L. 16341.
f: 18 Cölestin HL J-L. 16817.
f. 2 Cölestin m. J-L. 16927^).
2. Docnmenti estratti da pergamene e bombasine dell' archi-
vio patriarcale di Yenezia. Parte I (Bnsta 16). Cod. cbart.
in folio saec. XYIII, wahrscheinlich von Giovanni Bragadia
angelegt.
p. 6 Leo IX. J-L. 4291.
p. 25 Innocem; H. J-L. 7783 1).
p. 28 Lucios n. J-L. 8536.
p. 31 Lucius n. J-L. 8560»).
p. 348 Anastasius IV. J-L. 9909».
p. 36 Hadrian IV. J-L. 9997 •).
p. 38 und p. 361 Hadrian IV. J-L. 9998 *).
p. 41 Hadrian IV. J-L. 10131 »).
p. 49 Hadrian IV. J-L. 10296»).
p. 46 Hadrian IV. J-L. 10296 »).
p. 360 Hadrian IV. J-L. 10297.
p. 54 Alexander IH. J-L. 10665»).
p. 351 Alexander IH. 1161. VII. 15. s. Anhang Nr. 6.
p. 66 Alexander HI. J-L. 14247»).
p. 67 Lucius m. J-L. 14624 ').
p. 95 Urban IE. J-L. 15489.
p. 96 Urban HL J-L. 15619 ')•
p. 100 Clemens m. J-L. 16341.
p. 101 Cölestin DI. J-L. 16817.
p. 102 Cölestin HL J-L. 16927 »).
p. 106 Cölestin III. J-L. 17424.
B. S. Cipriano di Murano*).
Das Archiv dieser dem Patriarchat gehörenden Abtei bat im
Jahre 1771 Bragadin geordnet. Von ihm rührt das Catastico dell'
1) Orig. 8. oben 8. 282. 288.
2) Ich habe eine aUUlicbe Reihe der Boite dieaea Archivs dnrcbgeaehen,
n&mlich die Nr. 21. 47. 91-103. 110-112. 121. 126. 167, ohne Ergebnift für
uns, immer »her consUtirt, itA eie eine reiche Zahl Ton Uteren PriTStnrkonden
enthalten. Von EOnigsnrkonden habe ich nur notirt Konrad III. St. S421 Copie
saec. Xn (Bnsu U8) and Friedrich L St 4008 Copie saec XVIII (Bosu 187).
Papstnrkiuideii in Venedig. 286
abbazia di S. Cipriano di Mnrano (Biusta 89) her. Hier befinden
sieb anch viele ürkonden des Elosters S. fienedetto di Polirone,
meist in fiblem Zustand, der sich von einer TJeberschwemmiing her-
scbreiben mag.
Originale:
Alexander HI. J-L. 11530 (Bnsta 151).
Alexander HI. — IX. 26 (Busta 151) *) s. Anhang Nr. 6.
Alexander HI. — VI. 7 (Busta 151) s. Anhang Nr. 7.
Alexander IH. J-L. 13132 (Bnsta 151, dep. im Mnseo paleografico) *).
Alexander HI. — X. 13 (Bnsta 151) ») b. Anhang Nr. 8.
Alexander m. J-L. 13584 (Bnsta 151)*).
Alexander HI. - V. 26 (Bnsta 151) s. Anhang Nr. 9.
Copien :
Engen UI. J-L. 9570 Copie saec. XVI (Bnsta 137).
Alexander HI. J-L. 11530. Not. Copie von 1247 (Bnsta 151) ;
Not. Copie von 1407 nnd Copie saec. XV (Bnsta 148) *).
Alexander HI. J-L. 13412. Copie saec. XVI (Bnsta 137)«).
Lucius in. J-L. 15189. Zwei Not. Copien von 1186 (Busta
151) ^.
Lucius in. J-L. 15452. Not. Copie saec. XU ex. (Busta 151) •).
Clemens m. J-L. 16532. Not. Copie von 1303 (Busta 148
Pasc. 2) ^.
Cölestin m. J-L. 17292. Not. Copie von 1271 (Busta 90) und
Not. Copie von 1348 (Busta 128) •).
Manimorte.
S. Zaccaria.
Von diesem alten und reichen Archiv bewahrt das Staats-
archiv, wie man schon längst festgestellt hat (vgl. W. Schum in
N. Archiv 1 132, H. Breßlau ebenda m 89, E. Winkelmann ebenda
1) Auch bei Brunacci Dipl. Patav. I f. 265 im Cod. Gl. X c. 199 der Mar-
ciana. Cit. too Qloria Cod. dipl. PadoT. III 209 Nr. 1003 za 1170. IX. 24.
2) Die Urkunde war bisher nur bekannt aus Alexanders III. Register (danach
Löwenfeld Epist. p. 167) ohne Datum. Sie ist datirt Lateran. VL laL tWü.
3) Aach bei Brunacci Dipl. Patav. I f. 145 im Cod. Gl. X c. 199 derMarciaoa.
4) Anch bei Brunacci 1. c. I f. 75, danach Gloria Cod. dipl. PadoT. XU 237
Nr. 1051.
6) Orig. 8. oben.
6) Auch im Cod. Cl. XIV c. 28 f. 277 der Marciana.
7) Die datumlote Urkunde, bisher nur ans den Decret. Gregors IX. bekannt,
gehört sachlich zu J-L. 15462 Ton 1185 Juli 26.
8) Danach auch bei Brunacci 1. c. 11 f. 168.
9) Orig. in Mailand Archirio di suto.
286 P« Kehr,
Y 14) nur noch dürftige Reste. Die Originale der älteren Papst-
Urkunden sind sämtlich verloren, auch die älteren Copialbücher
scheint das gleiche Schicksal betroffen zu haben.
Der Indice generale dell' archivio — 1800 des Abbate Nachi
(Sig. Nr. 3, vgl. Breßlau a. a. 0. S. 89) verzeichnet folgende Papst-
urkunden :
Eugen m. J-L. 9494 (l'esemplare antico).
Hadrian IV. J-L. 10258.
Alexander HI. J-L. 11639 ').
Alexander HI. J-L. 14377.
Lucius in.* J-L. 14896.
Lucius m. J-L. 15244.
Urban III. J-L. 15938 (pergamena antica).
Copien. Nach den Angaben von Winkelmann und Predelli befinden
sich die meisten dieser Urkunden abschriftlich in Busta
56: Miscellanea und zwar
Eugen III. J-L. 9494 Copie saec. XTT Fragment und Copie
saec. XVn»).
Hadrian IV. J-L. 10258 Copie saec. XVn ").
Alexander HI. J-L. 14377 Copie saec. XVII»).
Lucius m. J-L. 14896 Copie saec. XVII*).
Urban IH. J-L. 15938 Copie saec. XVH*).
Cölestin lU. J-L. 17580 Copie saec, XVH*).
Copialbücher :
Vm Catastico dei beni in Konco tom. I. Cod. chart. in fol.
saec. XVI.
f. 57' Urban HI. J-L. 15985.
f. 59 Cölestin IH. J-L. 17580.
IX Catastico dei beni in Konco tom. IE. Cod. chart. in 4^
saec. XVI.
f. 12 Alexander m. J-L. 14377.
f. 13 Lucius m. J-L. 14896.
f. 8' Urban HL J-L. 16985.
f. 18' Urban IH. J-L. 15988.
f. 4 Cölestin m. J-L. 17580.
1) Bninacci Dipl. PaUv. tom. I f. 89 im Cod. Gl. X c. 199 der Marciana
bietet eine Copie de pergameno codice fioe eecoli XIL Auch im Catastico Ton
S. Zaccaria im Museo civico za Padaa.
2) Aach im Catastico tod 8. Zaccaria im Museo civico sa Padua.
3) Aach im Catastico di Rodco and im Catastico von S. Zaccaria in Padoa.
Eine Copie von 1589 aach in Verona Arch. comanale,
4) Aach im Catastico di Ronoo.
Papstorlninden in Venedig. 287
S. Salvatore.
Nicht viel besser als mit der Ueberliefertmg von S. Zaccaria
steht es mit den Arehivalien von S. Salvatore, von denen noch
Cornaro mehrere benutzt hat, die hente fehlen. Aach die apo-
grapha, auf die er sich beruft, haben sich nicht finden lassen woUeu.
Doch möchte ich die Hoffnung nicht aufgeben, daß sie wieder zu
Tage kommen.
Originale :
Anastasius IV. J-L. 9909 (s. oben Bolle ed atti).
Alexander III. J-L. 11585 (Busta 5 Pasc. 1).
Alexander III. J-L. 11592 fBusta 5 Fase. 1)»).
Lucius ni. J-L. 14557 (s. oben Bolle ed atti).
Gregor VIII. J-L. 16060 (s. oben Bolle ed atti).
Clemens HI. J-L. 16185 (Busta 5 Pasc. 2).
Copien :
Transsumt des Pfalznotars Albert saec. XTT (Busta 5 Fase. 2)
enthält
Innocenz IL J-L. 8142.
Eugen m. J-L. 9290.
Eugen in. J-L. 9377.
Anastasius IV. J-L. 9909«).
Hadrian IV. J-L. 10488.
Alexander HL J-L. 10664.
Alexander HL J-L. 11583.
Alexander III. J-L. 11685 «). •
Alexander III. J-L. 13393.
Alexander HI. J-L. 14277.
Copialbücher :
Nr. 3. I. Costituzioni , decreti pontifici e cronaca. Cod. chart«
in 8® saec. XIV. ex.: Cronica gestorum et priorum mona-
sterii et ecclesie domini Saluatoris de Venetiis compüata
per humilem fratrem Franciscum de Gratia dei et aposto-
lice sedis gratia priorem prefacti monasterii et ecclesie
domini Saluatoris in MCCCLXXVJI, mense nonembr. ") In
dieser Chronik sind inserirt
1) Bei Jaffä-L. steht die Urkande iwei Mal reneichnet , einmal anter Nr.
11592 tu 1169 Febr. 4 and dann unter Nr. 11693 sa 1168—70 Febr. 4.
2) Orig. 8. oben.
S) Die Chronik steht aoch im Cod. Vatican. 6086 (vgl. Betbmann im Arohir
XII 265) > woraus ▼. Pflugk-Harttung im Iter Italicom Regesten und in den Acta
die Texte der noch unbekannten Stücke gegeben hat, — Keinerlei handschriftliche
2Sd P. Kehr,
f. 12 Innocenz IE. J-L. 81^.
f. 13' Eugen HI. J-L. 9290.
f. 15 Eugen HI. J-L. 9377.
f. 15' Anastasius IV. J-L. 9909 >).
f. 16' Hadrian IV. J-L. 10488.
f. 17' Alexander HI. J-L. 11340.
f. 17 Alexander HI. J-L. 11583.
f. 18' Alexander m. J-L. 11585 *).
f. 20 Alexander m. J-L. 11592 ^).
f. 20' Alexander HI. J-L. 12890 «).
f. 21' Lucius m. J-L. 14557 1).
f. 23' Lucius m. J-L. 14569.
f. 24 Urban HI. J-L. 15530.
f. 26 Gregor VHI. J-L. 16056.
f. 28 Gregor VHI. J-L. 16060*).
f. 26 aemens m. J-L. 16184.
f. 27' Clemens m. J-L. 16185 *).
S. Giorgio maggiore.
Originale:
Calixt n. J-L. 7070 (Busta 24).
Innocenz 11. J-L. 7598 (Busta 24).
Alexander m. J-L. 13517 (Busta 25).
Copien :
Calixt n. J-L. 7070 Cop. saec. XTTT. (Busta 26).
Honorius IE. J-L. 7211 Cop. saec. XTTT. (Busta 26) und Not
Cop. saec. XIV. (Busta 24).
Innocenz 11. J-L. 7598 Cop. saec. XII (Busta 24) und Not
Cop. von 1223 (Busta 26).
Lucius n. J-L. 8560 Transsumt von 1223 (Busta 26) *).
Alexander m. J-L. 13517 Not. Cop. von 1250 und von 1350
(Busta 26)*).
üeberlieferang hat sich nachweisen lassen für J-L. 18466. 15266. 15447. 16047.
16054. 16186. 17186. 17422. — Von Kaiserurkunden enthält BosU 6 das Orig.
Ton Friedrich II. BF. 2861.
1) Orig. s. oben S. 287.
2) Aach im Lib. commemorialiom XVI f. 121 (s. oben 8. 279).
8) Orig. s. Mensa patriarcale (Bnsta 5). Wie diese Copie in dasArchi? ron
8. Giorgio gekommen ist, ist r&thselhaft, aber sie war dort schon im vorigen
Jahrhundert. Eine Hand saec. XVIII hat in tergo bemerkt: nOUl ad not perünet.
4) In BasU 28 befindet sich ein Transsamt von 1217 fon Friedrich I. St. 4211
dasselbe aach im Catastico Nr. 1 f. 48 und im Sommario f. 76; im Catastico
Nr. 1 f. 47' nnd im Sommario f. 74 (iweimal) das Placitnm Heinrichs V. 8t. 8128
und f. 48^ and f. 76 Friedrich U. BF. 1949.
Papstarkondeii in Venedig. 289
Copialbficher :
1. Catastico Nr. 1 : Copie . . docnmenti della Congregazione
Cassinese. Cod. membr. in foL saec. XYL
f. 33' CaUxt n. J-L. 7070.
f. 34' Lmocenz IL J-L. 7598.
2. Sommario di scrittnre relative alla Congregazione Cassi-
nese C. Cod. membr. in fol. saec. XYI.
f. 12 CaUxt n. J-L. 7070.
f. 13 Honorius ü. J-L. 7211.
f. 14 Lmocenz IL J-L. 7B98.
f. IB Alexander HI. J-L. 13517.
3. Copie di boUe papali relative alla Congregazione Cassinese.
Cod. membr. in 8^ saec. XYL
Urban n. J-L. spnr. 5467.
S. Daniele.
Originale:
Alexander HI. J-L. 11221 (BoUe ed Atti).
Alexander lU. J-L. 12926 (Bolle ed Atti).
Copien :
Anastasius lY. J-L. 9857. Ln Catastico yerzeicbnet, war aber
nicht anfznfinden.
S. Lorenzo.
Original:
TJrban HI. J-L. 15678. Ln Catastico verzeichnet, war aber
zur Zeit nicht anfzofinden. Das Archiv ist noch ungeordnet.
Copialbnch :
Catastico des Hieronymns de Maphei notaro von 1526. Cod.
membr. in 8^.
f. 30' Urban HI. J-L. 15678.
S. Nicolö in Lido.
Urban I£L J-L. 16926 Not. Cop. von 1445 nnd Transsnmt P.
Nicolaus Y. von 1447. YL 12 (Busta 4) *).
S. Maria della Caritä.
Originale:
Urban m. J-L. 15886 ßusta 1) «).
aemens m. 1190. Y. 12. (Busta 1) s. Anhang Nr. 13.
1) Hier auch Copie tob Konrad DL St. 8682.
9) JaiE^L. so Joni— JoH 1186—87; das Orig. haJL UJL id, tuM, alio JnU
12 imd gehört so J-L. 15898.
290 P. Kehr,
Copien :
Alexander HI. J-L. 12849 Copie von 1626 ex Libro pactoram L
(Busta 1)>).
S. Canziano.
Clemens in. J-L. 16277 Original (Bolle ed atti).
S. Secondo.
Alexander III. J-L. 12933 Copie von 1220 ßoUe ed atti).
S. Teresa.
Die Originale scheinen schon früh verschollen zu sein. Auch
ein Copialbnch besaß das Kloster, das noch Francesco Olioieri im
Jahre 1689 benutzt hat. Aus dem von ihm zusammengestellten
Catastico delle scritture del monastero di Santa Teresa di Vene-
zia*) wiederhole ich die folgenden Regesten*).
Innocenz U. 1132. YII« 1. ;,privileggio d^Innocentio secondo , col
quäle viene confermato Tordine di S. Agostino introdotto dal
vescovo di Verona nel predetto monastero di san Giorgio con
la confermatione de tutti li beni a quelli sogetti e specificata-
mente il castello di Sabion, castello della Palude, corti e ville
con capelle, selve, pascoli, prati etc. Dato nella cittä di Pia-
cenza %
Alexander lU. 1164. IX. 8. „privileggio di papa Alessandro 3^, col
quäle confermando la predetta regola e meta di certo molino
donato al predetto monasterio dal vescovo di Verona, conferma
ancora tutti gli altri beni stati al medesimo donati con il mo-
lino di Pacciola.
Alexander III. 1176. VI. ^privileggio de papa Gregorio 9® (!) , con-
cesso al detto monasterio di Sabion, con il quäle vengono con-
firmati tutti gli antecedenti concessi al medesimo, assieme con
la decima de beni dati.
Alexander HI. 1180. IL 16. „sentenza del vescovo di Verona eletto
amicabilmente tra il prior di s. Giorgio in Braida et il vescovo
di Vicenza per causa delle difPerenze sopra la pretesa del Jus
1) Auch im Cod. Trerisan. f. 229.
2) Daraus itammen auch die Regesten im Arch. comunale io Verona, die
V. Pflugk-Harttong im her lulicum Terwerthet hat, aber hiermit nicht recht
stimmen.
3) Kaiserorkunden werden hier citirt Heinrich IlL St. 2430 und zwei unbe-
kannte Diplome Friedrichs I. von 1165. V und 1177. VIL 29.
4) Wohl identisch mit J-L. 7680 sa 1132 Juni 30 (Copie von 1449 im Arch.
comunale in Verona).
Papstarkunden in Venedig. 291
elligendi delle dne capelle di Sabion da detto vescovo preteso,
vien terminato, che vesti il detto Jus elligendi al detto priore
et riservata la confermatione al detto vescovo di Yicenza.
Dovendo concorrere a certa portione di spesa per detto vescovo
per certe vocationi a Eoma etc. sottoscritta dal detto vescovo
di Verona Probino 1179. XTT. 4 Et confermata li 16. febraro
susseguente con bolla di papa Alessandro.
Lucius in. 1184. Xn. 19. „privileggio di papa Lucio 3^, concesso
al detto monasterio de castello di Sabion, con la villa et sue
pertinenze, con due capelle, possessioni e decime. Tutta la
decima de novali delli predetti et 60 della chiesa di S. Gio-
vanni battista di Sabion, elettione et istitutione di clerici, castelli,
paludi etc. con obligo di contribuire lib. 2 di cera al vescovo
di Verona, prohibendo a quäl si sia persona si ecclesiastica
come secolare imponer nuove et indebite gravezze^).
Urban lU. 1185. (1184) XII. „privileggio concesso da Urbano 3®
pontefice all ospitale di San Giovanni battista di Sabion
sive di San Giorgio in Braida sopra certi beni datili da di-
verse persone.
Gregor VIII. 1187. XI. 8. J-L. 16042 „confennato da papa Gre-
gorio VIII.
Urban HI. 1186. IX. J-L. 15669 „privüeggio di papa Urbano 3",
concesso al monasterio di S. Giorgio in Braida sopra il ca-
stello di Sabion, con la sua villa, due capelle, possessioni e
decime, etiam de novali, tutta la X"»* delle terre vecchie et
altre stateli donate da vescovi di Verona, salva la pensione
di lib. 2 cera al vescovo di Verona, con la prohibitione a ca-
dauna persona cosi ecclesiastica come secolare d'imponer nuovi
aggravii, con facoltä di elegger sacerdoti nelle sue chiese e
presentarli al detto vescovo.
Clemens m. s. d. „confermato da papa demente . . senza speci-
ficatione se non in generale. Senza tempo.
S. Lionardo in Monte.
Copien (Pergamene sec. XTI);
Ein Eotulus saec. XIV— XV enthalt
Innocenz 11. J-L. 7922.
Cölestin IH. J-L. 17378«).
1) Wohl identiMh mit J-L. U976.
2) Auch bei Fontanini cod. miic 630 p. 53«
292 P* &ehr,
S. Michele in Candiana. /
Origmal :
Clemens lH. 1188, VIL 6 (tom. J) ^) s. Anhang Nr. 12 «).
Copie :
Clemens HL 1188. VII. 6 (Fase. B. 20 Prozesse f. 27).
S. Maria d'Ispida.
Bas Archiv ist nach Mittheilong des Herrn Fredelli noch nicht
geordnet.
Eugen in. J-L. 9397 Copie saec. XV. (Vol. d'istromenti Nr. 1).
S. Zeno maggiore.
Urban IIL J-L. 16010 Copie saec. XTT. (Fergamene sec. IX
-xn)»).
SS. Nazaro e Celso.
Original:
Lucius m. J-L. 15431 Fragment (Calto ZZZZ)*).
Copien (aUe in Calto ZZZZ) :
Anastasius IV. J-L. 9823 Copie saec. XVIH *).
Hadrian IV. J-L. 10410 Copie saec. XVI*).
Alexander HI. J-L. 128B2 Not. Cop. saec. XIV*).
Lucius in. J-L. 15115 Not. Cop. saec. XII (Calto D)*).
Lucius III. J-L. 15433 Zwei Not. Cop. saec. XIV *).
Urban HI. J-L. 15688 Zwei Not. Cop. saec. XHI und XIV
(Calto LL).
Außer diesen verzeichnet der Indice di tutte le carte dell' ar-
chivio de' santi Nazaro e Celso di Verona, formato l'anno 1728 dal
L. Ferini die nicht im Archiv vorhandenen Urkunden^
Lucius m. 1184-1186.
Clemens III. J-L. 16347 (copia autentica) ^).
Außerdem sind ohne Ergebniß durchgesehen die Archive von
S. Gregorio (SS. Ularo e Benedetto ; das Orig. von Alexander m.
1) Im tom. II. befiadet sich das Original des Placitams Ueiarichs V. 8t S1S8
mit dem eigenh&ndigen Kreuze des Kaisers.
2) Danach auch bei Brunacci Dipl. PaUv. III i. 36 im Cod. Cl. X. c 201 der
Marciana.
8) Aach Copie in Verona Arch. comonale.
4) Auch Copie von Perini in Verona Arch. comonale.
5) Orig. in Verona Arch. comunale.
6) Das von Cipolla (Monomenti stör, di storia Veneta, Ser. 4: Miseellanea
U 15) dtirte Catastico S. Nasaro habe ich nicht gesehen.
Papsturkanden in Venedig. 293
J-L. 12948 ^) , dessen Verlast schon Kaltenbrmmer constatirte,
fehlt jetzt), S. Sebastiano, S. Sepolcro, S. Giorgio in Alga, S. An-
drea del Lido , SS. Gesu e Maria, S. Andrea , S. Maria ai Frari,
S. Eufemia in Mazzorbo, S. Maria degli Angeli in Murano (woraus
Cornaro viele Urkunden publicirt hat), S. Michele in Murano, S.
Maria in Murano , S. Mattia in Murano , S. Antonio in Torcello,
SS. Feiice e Fortunato di Cologna, Gran Priorato, der Yerones-
ischen Klöster S. Giorgio in Braida, S. Benedetto, des Padova-
nischen Klosters S. Daniele in Monte, S. Bartolomeo in Yicenza,
S. Benedetto in Crema, S. Maria Vediana in Belluno. — Urban lU.
J-L. 15489 für S. Süvestro und Clemens IQ. J-L. 16279 für S.
Cassiano sollen noch in den Pfarrarchiven dieser Kirchen sich be-
finden.
1.
Ijeo IX, verleiht (dem PcUriarchen Dotninicus von Orado) das
Pallium. 1050 Mai 5.
Orig, Venedig Staatsarchiv (Mensa patriarcaU. Busta 17).
Die bisher unbelcannt gebliebene Urkunde gewährt^ wie ich
denJce^ eine erwünschte Ergänzung zur Diplomatik Leos IX. Ich
gd>e deßhalb, dem Beispiel von Ewald (N. Archiv IV 184^198),
Schum (N, Archiv VI 613—625) und Diekamp (Mitth. des österr.
Instituts V 141 — 143) folgend^ hier eine ausführlichere Beschrei-
bung des Stückes.
Erhalten ist nur der untere^ allerdings größere Theil des Per-
gaments. Es mögen die ersten fünf Zeilen felden. Der erhaltene
Best mißt in der Länge ca. 55 cm, das ganze Stück wird also 70
— 75 cm lang gewesen sein ; die Breite des unregelmäßig geschnit-
tenen Pergaments variirt zwischeti 33 und 39 cm. Es sind im
Ganzen also Proportionen, wie sie Ewald auch an andern Origi-
nalen Leos IX. constatirt hat. Ein Liniensdiema ist nicht er^
kennbar; in der That sind die Liniendistanzen sehr ungleich
(1,5 cm — 2 cm).
Was die Schriß anlangt, so lassen sich heute Dank der für
eingehendere Studien freilich ganz unzureichenden Facsimilepubli"
cation von J. v. Pflugh-Harttung die wichtigsten der in der Kanzlei
Leos IX. thätigen Schreiber mit einiger Sicherheit scheiden. Zu-
3) Ist wohl identisch mit J-L. 12977.
IfL 0«. 4. W, HMkriehtM. Pkitol«f .-kMw. Umm. 18M. Btfl 4* 22
294 P. Kehr,
erst scheint der Kander Petrtis selbst diese Function iibem(mmen
eu haben. Bann , seit September 1049[^ taucht ein Schreiber auf^
von dem wir aus den Jahren 1049 und 1050 mehrere Originale
besiteen : Ewald hat seine Art beschrieben ^). Es sind die Ur*
künden J-L. 4172 für Stablo «;, J-L. 4195 für Ändlau ^), J-L.
4230 für Florenz^). Von ihm rührt auch unsre Urkunde her,
Bota, Bene Valete und Comma entsprechen den in der Kanelei
Leos IX. Üblichen Formen, Die Rota (gane gleich J-L. 4172)
hat einen Durchmesser von 8ß cm , der Innenkreis 6^4 cm. Die
Umschrift Miä I)NI plenae tra ist auch in unsrer Urkunde
autograph. Dem Kanzleibrauch entsprechen ferner die in die Qua-
dranten eingezeichneten Majuskeln L E P; 65 fehlen auch nicht
die beiden Punkte am Kopfe des P. Das Monogramm (Hohe
7j5 cm) und das Comma zeigen die gleichen Formen wie J-L, 4230.
Die Datirung endlich weist die dem Diplotnatiker wohlbe-
kannten Züge der Handschrift des Kanzlers Petrus auf die wir
jetzt aus so vielen Abbildungen kennen.
Wie fast alle Originale des Venezianischen Staatsarchivs hat
auch unsre Urkunde ihr Siegel eingebüßt. Immerhin läßt sich
feststellen, daß eine Plica nicht vorhanden gewesen ist und daß
die Bulle in der in der Kanzlei Leos IX. üblichen Weise durch
vier Löcher befestigt war; erhalten sind die geflochtenen Schnüre^
deren Farbe jetzt zu einetn schmutzigen hellbraun verblaßt ist, iir-
sprünglich aber wohl roth war.
Der Inhalt der Urkunde charakterisirt sich als eine Pallium-
Verleihung. Daß sie für den Patriarchen Dominiats erlassen war,
darf aus der Provenienz des Stückes und detn Passus in conse-
cratione episcoporum tuorum geschlossen werden. Sie stimmt im
Ganzen wörtlich überein mit der Formel XLV des Diurnus (Si-
ckd p. 32)f nach der ich auch das Fehlende ergänzt habe.
[........- . .
. . . . Si pastores ooiam solem gelnqae pro gregis soi costo-
dia die ac nocte ferre contenti sunt, at ne qua ex eis aut errando
1) £wald irrt freilich, wenn er daza die Schreiber Yom J. S251. 8264. 8256
== J-L. 4274. 4298. 4288) stellt.
2) Facs. bei Ewald im N. Archiv IV und bei t. Pflagk - Harttung Specimioa
Tab. 17.
8) Herrn ArchiYdirector Wiegaod in StraBburg verdanke ich ein Faceimile
der Urkunde. Vgl. dazu auch Diekamps Bemerkungen.
4) Facs. bei ?. Pflogk-Harttong Specimiiu Tab. 19.
Papstarkanden in Venedig. 295
pereat aut ferinis laniata morsibos rapiatur, ocnlis semper uigi-
lantibas circamspectant , quanto sudore quantaque cara debemos
esse peraigiles, nos qai pastores ammarom dicimar, adtendamns
et sasceptam officium exhibere erga castodiam dominicarmn ouiom
non cessemas , ne in die diuini examinis pro desidia nostra ante
sammom pastorem neglegcntiae reatns excrnciet, nnde modo honori
reaerentia sublimiores inter ceteros] | indicamor. Palleum autem
fraternitati tuQ ex more''^ ad [mjissarum 8ol[empnia celebranda
transmisimus , quod tibi non aliter, ecclesie tue priuilegiis] | in
sao statu manentibus, uti concedimus quam decessores prodecesso-
resque tuos usos esse incognitum non habes , uidelicet [in] natiui-
[tate domini nostri], in purifica|tione et assumptione *> sanctQ*)
MAKIE et in c^na domini et sabato sancto, resurrectione domini, in
festiuitate sancti IttAECI, in ascensione**^ domini et pentecostes, in
natale | sancti lohannis baptist^ et sancti Petri et sancti Laurentii
et in natiuitate sancte MARIE et in festiuitate sanctorum'^ omnium
et in natalitiis apostolorum et in principalibus | ecclesi§ tu^ festis
nee non in consecratione-^^ episcoporum tuorum et in anniuersaria
Ordinationen) tua. Cuius quoniam indumenti honor modesta actuum
aiuacitate seruandus | est, hortamur ut morum tuorum ei oma-
menta conueniant*\ quatenus auctore deo recte utrobique*^ possis
esse conspicuus. Itaque uita tua filiis tuis | sit regula; in ipsa,
si qua tortitudo Ulis iniecta est , dirigant ; in ea quod imitentur
aspitiant ; in ipsa se semper considerando proficiant, ut tuum | post
deum*) uideatur'* esse bene quod uixerint. Cor ergo neque pro-
spera quQ temporaliter blandiuntur extollant neque aduersa de-
iciant, | sed quicquid illud fuerit, uirtute patientiQ deuincatur. Nul-
lum apud te locum odia, nulluni'") fauor indiscretus *•> inueniant ;
districtum mali | cognoscant*^^; insontemP) apud te culpabilem sug-
gestio mala non faciat, nocentem gratia non excuset; romissum te
delinquentibus non ostendas nec^) quod | ultus non fueris perpe-
trari permittas. Sit in te et boni pastoris dulcedo, sit et iudicis
seuera districtio , unum scilicet quod innocenter uiuentes foneat,
a) folgt Bctsur eines Wortes. h) ursprünglich asumptione. c) 1C9 Or»
d) corr, aus ascenii. e) corr. aus sanctf. f) d€U erste c corr. atu p oder
r. g) ursprünglich wcHü or(Hii(o); one ist über ordiaati nachgetragen,
h) coueniant Or. i) recte utrohique durch Stockflecke schwer leserlich,
k) über domioum, trte der Schreiber zuerst schrieb, hat er deum nachgetragen, doch
ohne dominum ausdrücklich für ungültig zu erklären. l) uideatur uideatur Or.
m) corr. aus nulla. n) indiscretus scheint auf Easur zu stehen. Im Diur^
nus lautet die Formel nuUus fauor indiscretos inaeniat. 0) vorher gdU eine
kleine Basur voraus. p) folgt Rasur eines Wortes. q) ne Dium.
22*
296 P. Kehr,
aliud quod | inqui^tos feriendos a pranitate compescat. Sed qao-
niam non*') namqaam prepositnm '^ zelas dmn districtos maloruin
uult uindex existere , transsit in crudelitatem *^ correptio , | iram
iudicio refrena et censura disciplin^ sie utere, ut et cnlpas ferias
et a dilectione personarum quas corrigis non recedas. Miserieor-
dem te , prent nirtns | patitur , panperibns exliibe , oppressijs def-
fensio tna snbneniat, opprimentibns modesta erectio contradicat;
nnllins faeiem contra iustitiam ~) accipias ; nullum | qn^rentem insta
despicias ; custodia in te ^quitatis excellat, ut nee diuitem potentia
sua aliquid apud uos extra uiam suadeat rationis | audire*'' nee
pauperem de se sua faciat humilitas desperare, quatenus deo mi-
serante talis possis existere, qualem*') sacra lectio precepit dicens :
I Oportet episcopum inreprehensibüem esse. Sed bis omnibus uti
salubr[iter] poteris, si magistram caritatem habueris, q[uam qui]
secutus'^ fuerit, a recto | aliquando tramite non recedit. Ecce,
frater carissime, inter [multa alia ista] sunt sacerdotii, ista sunt
[pallei, que si] studiose^^ seruaueris, | quod foris accepisse osten-
deris, intus habes. Sancta trinit[as fraternitatem] uestr[am gjrati^
su§ protectione cir[cumdet] atque'^ ita in timoris | sui uia nos di-
rigat, ut post uit$ huius amaritudine[8 ad eternam] simul') per-
uenire dulcedinem mereamur. |
R BV V,
f BAT. m. non. mal. per manus Petri diaconi et bibliothecarii ac
cancellarii sanct^ apostolic^ sedis | anno domni LEONIS papae
U., ind(ictione) IIL
B. dep.
r) oon fehlt im Dium. s) prepositoram Dt'tim. i) cradelitate Dium.
u) iustiam Or. v) wcM corr. aus aadiat. w) talis — qualem durch Stock-
flecke undeutlich. x) ebenso salubriter — secutus. y) ebenso multa ^si
Btadiose. g) ^enso sancta — atque. a) ebenso amaritudines ~ simnl.
3.
Innoeent IL ubergQyt dem AU Heinrieh des Klosters S. Benedäio
di Polirone das Kloster S. Piäro «n ViUa novo (D. Verona).
Pisa Märg 10.
Chart. moH. 8. Benedidi in Polirone f. 22 Nr. 36 Verona Ckm-
munaJbibl. (MS. 736).
Papstorkanden in Venedig. 297
Jm Rand steht von einer Hand des 18. Jahrh. die Signatur
Arm. I Cap, P. Nr. 46^ d. h. die Signatur des Originals, das
verschollen eu sein scheint ^).
Die Urkunde gehört entweder in das Jahr 1135 oder 1136^
wahrscheinlicher eu 1136. Am 28. Februar dieses Jahres ertheilt
Innocene IL dem Abt Heinrich gleichfalls eine Urkunde (J-L.
7758).
Innocentins episcopos seraus semornm dei Dilecto filio Henrico
abbati monasterii sancti Benedicti supra Padom eiasqae saccesso-
ribus regulariter substituendis in perpetuum. Beati Benedicti
monasterimn pro uera religione, in qua iam dudom deo gratias
noscitur flomisse, et honesta fratrum inibi domino famolantinm
connersatione') a predecessoribas nostris Romanis pontificibas est
ualde dilectom et paterne afFectionis intoitu, in quibus oportniti ho-
noratum. Nos igitur eorum nestigiis inherentes, dilecte in domino
fili Henrice abbas, ipsam sancti Benedicti cenobiom, cai deo aac-
tore presides, afeetione patema diligimas et ut gratmn deo sosci-
piat incrementum, libcnti animo operam damas. Hoc nimirom cari-
tatis intuitu monasterinm sancti Petri de Uilla nona*), quod ad
ias sancte Romane ecclesie noscitur pertinere, ad reformandam
inibi religionem tue tuorumque successorom sollicitudini et per
nos sancti Benedicti cenobio sub annua Lateranensi palatio pensione
solnenda duximus committendum. Uestri*> igitur interest, ut idem
locus tarn in temporalibus quam in spiritualibus uestro studio
aogeatur et in monastice discipline ordine auxiliante domino robo-
retur. Nos enim idem monasterinm, salua diocesani episcopi debita
reuerentia, ab omni exactione liberum esse concedimus. Si quis
autem huic nostre constitutioni contraire temptauerit, beatorum
apostolorum Petri et Pauli indignationem se nouerit incursurum.
Dat Pisis VI. idus martii.
a) cooseraatione Choßri. h) uestra Chart.
1) Den Hinweis auf dieses Chartnlar yerdanke ich Herrn Gaietano Da Rä
in Verona, der es in der Communalbibliothek auffand. Es ist ein Codex membr.
in foK saec. XV mit zahlreichen Urkunden der Pftpste und Kaiser, der Markgr&fin
Mathilde u. A. Bis auf die beiden hier abgedruckten Papsturkunden sind sie
bekannt.
2} Ueber das Kloster S. Petri de Villa noTa §• J-L. 11531.
298 P. Kehr,
3.
Lticius IL bestätigt dem Kloster S. Salvatore di Sesto (D. Lucca)
nach dem Beispiele seiner Vorgänger Alexanders IL und Innocene IL
die Besitjsungen und Privilegien.
Lateran 1144 April 15,
Chart, mon. S. Benedicti in Polirone f. 24' Nr. 40 Verona Com^
munalbibl. (MS. 736).
Am Band steht von einer Hand des 18. Jahrh. Arm. IL
Cap. QQ. Nr. 8, d.h. die Signatur des Originals. Aber in Mai*
landy wohin die Urkunden des Klosters Sesto zugleich mit denen
des Klosters S. Benedetto di Polirone^ dem es durch Innocene II.
(J-L. 7655) unterworfen worden war, gekommen sind, scheint sich
die Urkunde nicht eu befinden.
Von den im Text angezogenen Urkunden Alexanders IL und
Innocene IL ist die eweite, so viel ich sehe, nicht erhalten, die
erste dagegen in einer Fälschung auf uns gekommen (J-L. 4644*^
gedr. bei v. Pflugk - Uarttung Ada II 104 Nr. 139). Für die
Kritik dieser Fälschung ist die Urkunde Lucius IL von Wich-
tigkeit.
Lacins episcopns seraas seruorum dei Dilectis filiis Manfrede Sox-
tensi abbati eiusque fratribus tarn presentibus quam futuris regu-
lärem uitam professis in perpetuum. Cum uniuersis sancte
eclesie filliis debitores ex comisso nobis offitio existamus, ilHs
tarnen locis, que specialius ad ius Romane uidentur ecdesie perti-
nere, propensiori nos conuenit affectionis studio imminere. Proinde
predecessorum nostrorum bone memorie Alexandri et Innocentii
Romanorum pontificum uestigiis inherentes, saluatoris nostri do-
mini Yesu Christi Sextense monasterium, quod utique beati Petri
iuris existit , sedis apostoliee priuilegio communimus , statuentes
ut quascunque posscssiones quecunque bona idem monasterium in-
presentiarum iuste et canonice possidet aut in futurum conoossionc
pontificum, largitione regum uel prineipum, oblationc fidelium seu
aliis iustis modis deo propitio poterit adipisci, firma uobis uestris-
que succcssoribus et illibata permaneant. In quibus hec propriis
duximus exprimenda uocabulis: in ciuitate Luca uidelicet ecclesias
sancti Benedicti et sancti Anastasii , ecclesiam sancti Ambroxii in
Ascleto, ecclesiam sancti Pauli in Caselle, ecclesiam sancte Marie
in Capitello, ecclesiam sancti Angeli in Quamo, ecclesiam sancti
Petri et ecclesiam sancti Columbani in Compito, ecclesiam sancti
Laurentii in Massa, sancti Augastini prope flaoiom Vinellam, eccie-
Papstttrkanden in Venedig. 299
siam sancti Andree in Staphili, sancti Fridiani in Tonnle, sanoti
Prosperi in Monte, sancti losti in Blentina, sancti Fridiani in
Tredenti, sancti Martini in Centoria, sancti Georgii in Boiti, sancti
Angeli in Cimezano, sancti Donati in Pomplano, ins, quod habetis
in ecclesia Montis calai, ecclcsiam sancti Stephani in Cerreto,
sancti Benedicti in Septimo, sancti Martini in Palaia, sancte Marie
in Hapaio, sancti Uictoris in Trezalia, sancte Margarite in Malan-
drona, sancti Octaniani in Sermona, sancte Marie in Agnano, salaa
dioecesani episcopi canonica iasticia. Sane ecclesiam sancti Phi-
lippi prope Lacam, sancti Martini in Palaia, sancti Comicii in
Oliaeto, sancti Andree in Castello ueteri, sancti Angeli in Broilo,
sancti Benedicti in Insola, sancti lobannis in Orentano ab omni
exactione liberam esse censemos, sicat actenus idem monasterium
eas qoiete possedisse dinoscitor. Apostolica qaoqne aactoritate
eidem cenobio concedimos, ut in tna, dilecte in domino fili Man-
frede abbas, snccessormnqae tnorom permaneat'^ potestate prefa-
tum monasterinm et omnes sai iuris ecclesias constractas sen con-
struendas consecrari faciendi et clericos pariter ordinäre a quo-
conque aolueritis episcopo, uidelicet religioso et sedis apostolice
fideli ministro , et quicnnqne a uobis rogatus fnerit , tarn debite
caritatis gratiam impartiri non neglegat. Concedimas etiam uobis
omnem laci uestri, quem iuxta monasterium uestrum babetis, deci-
mationem seu primitias donnicatarum culturarom, agrorum siue
ninearum et familiarum uestrarum nee non et agrestium loconun,
aquarum siue süuarum, que ad uestram utilitatem aliquando ex-
colere et laborare decreueritis. Recipiendi quoque et fideliter se-
peliendi corpora mortuorum eidem uenerabili loco se deuoaentinm
facnltatem liberam habeatis , quemadmodum a prefatis predecesso-
ribus nostris uobis concessa est et uestrum monasterium eam ac-
tenus quiete noscitur habuisse, nisi forte excomunicationis uinculo
sint innodati. Prohibcmus autcm, ut nuUus archiepiscopus uel
episcopus fratres uestros siue ipsum abbatem interdicere uel ex-
comunicare presumat uel ad sinodos ire compellat, sed liceat uobis
in comuni parochie interdicta clausis ianuis et exclusis excomuni-
catis summissa uoce diuina officia celebrarc. Decemimus ergo, ut
nulli omnino hominum liceat prefatum monasterium temere pertur-
bare aut eins possessiones aufere uel ablatas retinere, minuere
seu quibnslibet molestiis fatigare, sed omnia integra conseruentur
corum pro quorum gubematione et substentatione concessa sunt
usibus omnimodis profutura, salua nimirum in omnibus apostolice
a) permaneant Ch,
300 P. Kehr,
sedis anctoritate. Si qua igitnr in fdtnmm ecdesiastica secolarifine
persona hanc nostre constitntionis paginam sciens contra eam te-
mere uenire temptaaerit, secondo tercioue commonita si non saus-
factione congma emendauerit j potestatis honorisqae sni dignitate
careat reamqae se dioino iadicio existere de perpetrata iniqoitate
cognoscat et a sacratissimo corpore ac sangoine dei et domini re-
demptoris nostri Tesa Christi aliena fiat atqne in extremo examine
districte ultioni snbiaceat. Conctis autem eidem loco iaxta ser-
nantibas sit pax domini nostri Jhesa Cristi, quatenus et hie frnc-
tnm bone actionis percipiant^^ et apud districtnm indicem premia
eterne pacis inueniant*\ Amen.
Ego Lucios catholice ecclesie episcopus ss.
R. f Ego Conradus Sabinensis episcopus ss. BV.
t Ego Albericus Ostiensis episcopus ss^.
t Ego Petrus Albanensis episcopus ss.
f Ego Ymarus Tusculanus episcopus ss.
t Ego Gregorius presbiter cardinalis tituli Calixti ss.
f Ego Guido presbiter cardinalis tituli sancti Grisogoni ss.
f Ego Goizo presbiter cardinalis tituli sancte Cecilie ss.
f Ego Thomas presbiter cardinalis tituli Yestine ss.
f Ego übaldus presbiter cardinalis tituli sancte Prasedis ss.
Ego Gislibertus presbiter cardinalis tituli sancti Marci ss.
f Ego Gregorius diaconus cardinalis sanctorum Sergil
et Bachi ss.
f Ego Gruido diaconus cardinalis sanctorum Gosme et
Damiani ss.
f Ego Johannes diaconus cardinalis sancti Adriani ss.
t Ego Rudulfus diaconus cardinalis sancte Lucie in
Septasolis ss.
f Ego Guido in Romana ecclesia altaris minister in-
dignus 88.
f Ego Gregorius') sancte Romane ecclesie indignus
diaconus ss.
Dat. Lat. per manum Baronis capellani et scriptoris, XVII^ kal.
maii-'', indictione VII , incamationis dominice anno M , C . XLIII,
pontificatus uero domni Lucii IL pape anno P.
b) percipiat Ch. e) inoeniat Ch. d) die im Chart, in Vennrrung
geraihene Folge der Cardinalsubseriptionen ist hier tcitderhergesteät. e) QR Ch,
f) marcii C%., es wäre also auch die Annahme tvUässig^ daß der Datator irrig
den laufenden Monat nannte anstatt des folgenden, also statt XVII. kal. aprilis,
WM den 16, Mars ergäbe.
Papstorkonden in Venedig. 301
4.
Änastasius IV. nimmt nach dem Beispiel seines Vorgängers Eu'
gens HL das Kloster S. Maria de Kalena (D. Siponio) unter dein
Abt Johannicius in seinen Schute j bestätigt ihm die Besitzungen^
freie Abtswahl und Weihe durch den Papst ^ freie Wahl eines Bischofs
fiir die bischöflichen Leistungen und legt ihm dafür die jährliche Zah-
lung einer Goldunee auf Lateran 1153 November 10.
Cod. Chart, in 8^ saec. XVI f. 50* Venedig Bibl. Marciana CL
IV c. 12.
Der aus 8. Salvatore bei Brescia stammende Codex enthält
Urkunden für Klöster der Lateranischen Congregation. Von äl-
teren Urkunden verzeichne ich daraus J-L. 8510 und Urk. Ottos IV.
für 8. Maria in Portu (Ravenna) 1210 April SO (nicht bei
Böhmer-Ficker). Bei unserer Urkunde findet sich der Zusatz „Ori-
ginale est Kalene,*'
Religiosam nitam eligentibas.
Datum Lateran, per manum Eolandi sancte Romane ecclesie pres-
biteri cardinalis et cancellarii, IIII®. idus nouembr., indictione se-
ft
cnnda, incamationis dominice anno M . C . LIII , pontificatns vero
donmi Anastasii pape Uli. anno primo.
5.
Alexander IIL befiehlt den Achten, Prioren und Prälaten des Pa-
triarchats von Grado, dem Patriarchen das gewohnte Jus lectorum su
leisten. Anagni 1161 Juli 15^).
Transsumt des Papstes Eugens IV. von 1433 Oktober 1 Ve-
nedig 8taatsarchiv (Mensa patriarcale. Busta 6). Danach auch
im Libro d'oro f 17' und in Documenti p. 351.
Alexander episcopns seruus seruorum dei Dilectis filiia . . abba-
tibas, prioribus et aliis religiosarum domorom prelatis in patri-
archata Gradensi constitutis salntem et apostolicam benedictionem.
Sicnt aenerabilis pater noster . . Gradensis patriarcha sna no-
bis insinuatione monstrauit, [quod]«>, cum aliqnis in Gbadensem
a) qaod fehU.
1) Wenn die Datirung richtig überliefert ist, so widerspricht sie den gleich«
seittgen Urknnden Alexanders J-L. 10672. 10673 dat. ans PrAne^te.
802 P- Kehr,
patriarcham assnmitar, aos ei de consaetndine apad aos approbata
tenemini lectos singalos exhibere. Quocirca oniversitatem aestram
ad instar felicis recordationis Innocentii pape predecessoris nostri
rogandam duximas et monendam, per apostolica nobis scripta man-
dantes, quatinus eidem patriarche lectos ipsos, prout consnenistis
hactenuSy sine difficultate qnalibet exhibere curetis, alioqoin sen-
tentiam, quam idem propter hoc rationabiliter tulerit in rebelies,
ratam habebimus et faciemns anctore domino nsqne ad satisfac-
tionem condignam inoiolabiliter observari. Dat. Anagnie^' idas
iolii pontificatns nostri anno secundo.
b) Aciia|;ine,
6.
Alexander IlL beauftragt die Bischöfe von Ferrara und Padova^
die Markgrafen von Este anzuhalten , von ihren Ansprüchen auf ein
von ihrem Vater dem Kloster S, Cipriano (in Murano) geschenktes
Land abzustehen. Benevent September 26.
Orig, Venedig Staatsarchiv (Mensa patriarcale. Busta 151). Da-
nach auch bei Brunacci Dipl. Patav. tom. I f. 265 im Cod. CL X
c, 199 der Marciana.
Die an Hanfschnur durch zwei Löcher im Bug befestigte
Bulle ist verloren.
Die Urkunde gehört in die Jahre 1167 bis 1169.
Alexander episcopas seruus*^ seruorum dei Uenerabilibus fratribus
Ferrariensi et Paduano | episcopis salutem et apostolicam benedic-
tionem. Dilecti filii nostri prior et fratres sancti Cipriani de
Venetia trans|missa nobis conqaestione monstrarnnt , quod mar-
chiones de Esta qnandam terram, | quam pater saus predicto mo-
nasterio pro remissione peccatorom saorum contolit, sna sibi po-
testate aenjdicare nituntor et ipsam a iure monasterii remoaere.
Uerom quia ex inioncta nobis | sollicitadine nniuersas ecclesias et
precipae illas, qne ad ins Komane ecclesi^ specialins pertinere
noscuntur, | manutenere cogimur et tueri, fratemitati uestre per
apostolica scripta mandamus, qaatinas predic^tos marchiones com
omni diligentia conmonere cnretis, ut ab infestatione pretaxati
a) seruor Or.
Papsturkonden in Venedig. 303
monasterii | cessent et terram illam monasterio auferre et sibi
nendicare neqnaquam presnmant nel in | presentia aestra memorato
priori et fratribus exinde iustitiam sufficientem exhibeant. Qüod
si commo|mtiones uestras surda aure transierint , eos excommn-
nicationis uincnlo innodetis et tamdia uestra | sententia super ipsos
inaiolata permaneat, donec quod male gestum est, ad statum rec-
titudinis | renocetnr et iam dicti xnarchiones ab inqnietatione mo-
nasterii prelibati desistant. Dat. I Benevent. VI. kal. octabr.
B. dep.
7.
Alexander III. bestätigt die von dem Bischof Dominicus von Caorle
gefällte Enti^chetdutig über den ewischen dem Prior Wilhelm und den
Brüdern von S. Cipriano (in Murano) und dem Abt und den Brü-
dern von Pofnposa über die terra Costa schwebenden Streit.
Anagni Juni 7 (?).
Orig. Venedig Staatsarchiv (Mensa patriarcale, Busta 151).
Das "Pergament ist durch Stockflecke so arg beschädigt, daß
die Buchstaben y besonders in der Mitte, zum Theil völlig ver-
schwuvden sind. Ein leidlicher Text läßt sich unter solchen Um-
ständen nicht mehr herstellen. Auch das Datum ist nicht sicher,
es ist sowohl VII. id. iunii wie VIT. kal. iunii möglich. Die Blei-
bulle an goldgelben Seidenfäden durch swei Löcher im Bug ist
verloren.
Die Urkunde gehört entweder in das Jahr 1160 oder in die
Jahre 1173. 1174. 1176. Vgl Nr. 9.
ALEXANDER episcopus seruus seraorom dei Dilectis [filiijs Wil-
lelmo priori et fratribus ecclesie sancti Cypriani | salutem et apo-
stolicam benedictionem. Ex Htteris uenerabilis f[ratrisj nostri
D. Caprulani episcopi manifeste didicimus , quod , cum | c[a]u8am,
que inter [uos] et dilectos filios nostros [. .«> abbatem] et fratres
Pomposian. supe[r] terra, que uocatur Co|sta, diutius ftiera[t] agi-
tata
Dat. Anagnie VII. id. *> iunii.
B. dep.
a) oder siaH dessen Initiale des Äbtsnamens. b) oder El.
304 P. Kehr,
8.
Alexander III. beauftragt den Patriarchen Heinrich von Grado
einen zwischen dem Bischof von Adria und deni Abt von S. Bene-
detto di PoUrone schwebenden Streit zu entscheiden,
Anagni Oäoher 13.
Oriff, Venedig Staatsarchiv (Mensa pairiarcale. Susta 151),
Das Pergament ist sehr zerstört. Die Ergänzungen sind aus
Brunacci Dipl. Patav. tont. I f. US im Cod. Cl. X c. 199 der
Marciana^ der die UrJcunde ex autographo tabularii Castellani
Venetiis abschrieb. Er honnte auch noch die jetzt ganz verblaßte
Adresse auf dem Rücken des als Littera clausa gefalteten Perga^
ments lesen : Gradensi patriarche pro causa, que uertitur inier
Adriensem episcopum et abbatera sancti Benedict!.
Die Urkunde gehört entweder zu 1160 oder zu 1173 oder 1176.
[Alexjander episcopus seruus semorom [dei] Uenerabili fratri Hen-
rico Gradensi patri![arche salutem et] apostolica[m] benedictionenu
C[aasam, q]ue*> in[t]er uenerabilem fratrem nostnun | [. . Adrien-
sem episcopam] et dilectom filium [nostrum.]. abbatem sancti Be-
nedict! de Larone | [saper edifi]cio, quod sub nomine [ecdesie in]
parrochia sancti lohannis de Costa post apjpellationem ad nos fac-
tam erexit, [no]8citar agitari, discretioni tue au|dientiam commit-
timus et fine debito t[ermi]nandam, fraternitati tue per apostolica
8crip|[ta ma]ndantes, quatinus partibus ante [tu]am presentiam
conuocatis et allegatio|[nibus hin]c in[de] plenius intellectis, [demum
ta]m [super] predicto edificio quam super | [aliis capitulis laudes
et] eam, [appellatione postposita, conc]o[r]dia uel iud[icio] me^diante,
decidas. Dat. [Anagnie III.]*^ idus octubris.
B. dep.
a) Brunaed^s Lesung Causam que uertitur paßt nichi in den Baum und id
ßfAch offenbar unrichtig. h) Brumneci las nur A III.
9.
Alexander III, befiehlt dem Abt von Pomposa^ den zwi$chen ihm
und dem Kloster S. Oipriano (in Murano) geschlossenen Vergleich zu
beobachten. Tusculum Mai 26.
Orig. Venedig Staatsarehiv (Mensa pairiarcale. Busta 151).
Papsturkunden in Venedig. 305
Das Pergament ist durch Stockflecke übel eugerichtet. In
Folge dessen ist auch die Adresse auf dem Bücken der Urkunde^
die eine littera clausa war^ nicht mehr eu entziffern. Die Ur-
kunde gehört wohl in die Jahre 1180. 1181. Vgl. Nr. 7.
Alexander episcopus seruns sernorum dei Dilecto filio . . Pomposan.
abbati salutem et apostolicam benedictionem. Re{latuin est auri-
bus nostris, te compositionem rescindere et ab ea penitus resilire,
qua inter te et | ecclesiam sancti Cypriani snpcr querelis, que
inter nos uertebantur , de commani consensu et benepla;cito facta
est et ab utraque parte snscepta et apostolice sedis monimiiie ro-
borata. Unde quoniam ea, que | compositione ael iudicio sunt ter-
minata, qualibet non debent facilitate mutari, discretioni | tue per
apostolica scripta precipiendo mandamus, quatinus, si de consensu
et beneplacito utriusque | partis eadem compositio facta fuit et ab
utraque parte recepta et per decennium, sicut dicitur, | obseruata^
eam, nisi manifestam iniquitatem contineat, firmiter et inconcusse
objserues, sciturus nos uenerabili fratri nostro . . [Cajprulen. epi-
scopo firmiter in mandatis | dedisse , ut tibi super hoc silentium
perpetnum imponens, eandem compositionem | auctoritate nostra pre-
cipiat inuiolabiliter obseruari. Dat. Tusculan« YII. kal. iun«
B. dep.
10.
Lucius III. bestätigt dem Kloster Sesto (D. Concordia) die Regel
des Benedict j die Besitsungeti , freie Aufnahme von Laien, Freiheit
vom Interdict, dcts Begrabnißrecht und die freie Abtswahl.
Veüetri 1182 Dezember 13.
Copie von 1776 Venedig Staatsarchiv (Provveditori sopra feudi.
Busta 281) ex autentico existente in arghivio rev. abbatiae Sezti in
pergamena.
Dies Privüeg ist unterfertigt von den CardinaJbiscIiofen Theo-
dinus (Jehodorus) von Porto, Henricus von Albano, den Car-
dinalpriestem Pärus tit. s. Susannae^ Vivianus tit. s. Stephani
in Cdio monte, Laborans s. Mariae Irans Tiberim tit. Ccdixti und
den Cardinaldiaconen Jacinthus (Jacobus) s. Mariae in Cosmedin,
Rainerius s. Georgii ad vdum aureum und Oratianus ss. CoS"
mae et Damiani,
Datum Velletri per manum Alberici (!) idus decembr., indictione L,
306 P. Kehr,
anno dominice incarnationis MCLXXXTT, pontificatus vero doxmii
Lucii pape m. anno IE.
11.
Urban III. bestätigt dem Bischof Marcus von Casteüo das Recht,
die Zehnten in seinem ßisthum eu erheben und $fu vertheilen.
Libro Woro f. 32' Venedig Staatsarchiv (Mensa patriarcale). Der
vielfach verderbte Text bricht mit salua indolgentia ab.
Hie inferins seqnitnr constitutio Urbani pape UI eirea solueionem
deeimarnm.
XJEBANTJS episcopus seruus seruorum dei Uenerabili fratri Marco
Castellan. episeopo salutem et apostolicam benedictionem.
Cnm de sascepti officio seroitutis suam conseruare teneamar
fratribns et episcopis nostris , tanto somus specialius debitores
qnanto locom in ecclesia obtinent digniorem, et presmnendom est
per eos, qui in partem solicitudinis sunt nocati totiusque agenda
faerint adimpleri. Inde est quod de honestate tua et prudentia
considerantes, ut per religiosas personas et prouidas decimas epi-
scopatus toi coUigere et diuidere, sicat iostnm est, nee non ut
securius facere ualeas, nullius appellatione obstante, sicut felicis
memorie Lucius papa predecessor noster indulsit, cuius uestigiis
inheremus, auctoritate tibi apostolica indulgemus, artius inhibentes,
ne quis decimas predicti episcopatus coUigat aut diuidat, cuiuscun-
que sit dignitatis uel ordinis, nisi ad hec per tuam fuerit pruden-
tiam institutus. Interdicimus etiam, ne cui liceat contra prohibi-
tionem tuam aliquam de decimis portionem accipere aut te incon-
sulto aliquam de bis ordinationem facere uel etiam conuentum
dericorum contra tuum beneplacitum congregare, salua indul-
gentia
13.
Clemem HL nimmt den Abt JoJmnnes von S. Michele in Can-
diana und das Kloster in seinen Schute nach dem Beispiel seines
Vorgängers Gregor, bestätigt die Besiteungen und das Begräbniß recht
Lateran 1188 Juli 6.
Orig. Venedig Staatsarchiv (Candiana tom. I).
Pie postulatio.
B. dep.
Papstnrkanden in Venedig. 307
13.
Clemens HL nimmt die Kirche S. Maria della Caritä in seinen
SchtUjg und bestätigt ihr iJire Privilegien.
Lateran 1190 Mai 12.
Orig. Venedig Staatsarchiv (8, Maria della Caritä. Busta 1).
Wörtliche Wiederholmig von J-L. 15886.
Dat. Lateran. IUI. idus maii pontificatus nostri anno tertio.
B. dep.
14.
Cölestin III, bestätigt dem Abt von 8. Fdice de Ämiano die ihm
von dem Bischof Leonhard von Torcello geschenkten Besitzungen in
Altino. Lateran 1195 Januar 26.
Orig. Venedig Stafxtsarchiv (Procuratia di S. Marco de supra.
Busta 136). Die Bulle hängt an gelb-rosa Seidenfäden durch ewei
Locher im Bug.
CELESTINUS episcopas seruos seraorom dei Dilecto filio L. ab-
bat! sancti Felicia de Amian. salutem et apostolicam | benedictionem.
lostis petentium desideriis dignom est nos facilem prebere con-
sensum et uota, que a | rationis tramite non diseordant, eifecta
prosequente complere. Eapropter, dilecte in domino fili, tuis
iostis I postulationibus grato concorrentes assensn, concessionem,
quam uenerabilis frater noster L. Torceljlanns episcopns de con-
sensu et aoluntate clericorum soi episcopatus in nemoribos et in
paladibos Altini tibi et | snccessoribus tuis pronide fecit, sicnt ra-
tionabiliter facta est et in instnunento exinde confecjto plenios
continetor , deuotioni tue auctoritate apostolica confirmamus et
presentis scripti pa|trocinio commonimns. Nolli ergo omnino ho-
minum liceat hanc paginam nostre confirmationis injfringere nel ei
aosn temerario contraire. Si quis antem hoc attemptare presomp-
serit, indigna^tionem omnipotentis dei et beatorum Petri et Pauli
apostolorum eins se nouerit incursurum. Dat. | Lateran. YII.
kal. febr. pontificatus nostri anno quarto«,
B.
308 P* Kehr, Papsturkunden in Venedig.
15.
Cölestin HL bestätigt die zwischen dem Abt von S. Feiice de
Amiano und dem Bischof von Torcello geschlossene Vereinbarufig über
die diesem eu leistende Obediena.
Lateran 1195 Januar 26.
Orig. Venedig Staatsarchiv (Procuratia di 8. Marco de supra,
Busta 136), Die Bulle hängt an gdb-rosa Seidenfäden durch ewei
Locher im Bug.
CELESTINUS episcopas seruus seiuorum dei Dilecto filio L. ab-
bat! sancti Felicis de Amian. salutem | et apostolicam benedic-
tionem. lustis petentium desideriis dignum est nos facilem pre-
bere con|sensain et aota, que a rationis tramite non discordant,
effecta prosequente complere. | Eapropter, dilecte in domino fili,
tnis iustis postulationibos grato concorrentes assensa, | composi-
tionem inter te et uenerabilem fratrem nostnun . . Torcellan. epi-
scopmn super obedienjtia ei exhibenda pronide factam, sicat ratio-
nabiliter facta est et ab utraqne parte | recepta et hactenos
obseruata et in instromento exinde confecto plenias con{tinetiir,
anctoritate apostolica confirmamos et presentis scripti patrocinio
commonimas. | Nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam
nostre confirmationis infringere | ael ei ausu temerario contraire.
Si qnis antem hoc attemptare presninpserit , injdignationem omni-
potentis dei et beatomm Petri et Pauli apostolorum eins se no-
uerit in|cursuruni. Dat. Lateran. VII. kal. febr. pontificatus
nostri anno quarto.
B.
Anecdota aus einer athenischen Handschrift
Von
C. Fredrlch mit Zusätzen von G. Wentzel.
Vorgelegt
in der Sitznng vom 21. November von ü. ▼. Wilamowitz-Moellendorff.
Aas einer der späten and deshalb wenig beachteten Hand-
schriften antiker Antoren, die in der Universitätsbibliothek in
Athen aufbewahrt werden und erst vor kurzem von Sakkelion
(KaidXoYoc tcdv x^^P^TP^T^^ '^^ idvtxi]c ßißXiodiix'y]c ri^c ^EXXdSoc.
'A^vat 1892} nicht mustergiltig beschrieben worden sind, soll im
Folgenden einiges mitgeteilt werden. Dankbar bin ich der Biblio-
theksverwaltung für die Liebenswürdigkeit, mit der sie mir die Be-
nutzung der Handschriftensammlong gestattet hat.
Der Codex 1083 ist ein chartaceus des 16. Jahrhunderts und um-
faßt 203 Blätter. Seine Höhe beträgt 21 cm, seine Breite 16 cm. Der
Inhalt ist auf Seite 194 des Katalogs ungenau angegeben. TJeber-
haupt nicht erwähnt wird dort das Bruchstück eines Glossars,
welches die Blätter 1 — 4 einnimmt. Sein Anfang ist verloren.
Auch bricht es mitten im Satze und mitten auf der Seite ab. Die
nächsten vier Blätter sind leer geblieben, sodaß es den Anschein
gewinnt, als ob die Absicht bestand, eine Fortsetzung hinzuzufügen.
Die große TJebereinstimmung des Glossares mit den aus dem Ä
erhaltenen Glossen (a^x^voo^— iSidxpitoc) des Galeanus des Photios
legt trotz der Verwirrung, die in der Reihenfolge der Glossen
von if^Cvooc — ir(&)f herrscht, die Vermutung nahe, daß wir den
Best einer Photios-Handschrift vor uns haben.
[Die Vermutung des Herausgebers, daß das in der athenischen
Handschrift erhaltene Fragment aus dem Lexikon des Photios (P)
Xfl. <i«i. d. W. HMkrioktaa. FkU^lof .-kiilor. Kla«t. 18M. Hill 4. 23
310 C. Fredrich und G. Wentzel,
genommen sei, bestätigt sich von allen Seiten. Das auf dem zwei-
ten Blatte des Galeanos erhaltene Stück (von i-^yilvoia — iStdcxpiToc«
5, 23 — 10, 19 bei Porson) kehrt so gut wie vollständig in dem Athe-
niensis wieder, nur zwei ganz unwesentliche Glossen fehlen (i8ai^
[lovs? und i8a|Ji(ÄvTiva , beide aus der Sova^coY^] Xdfiscöv XPI^^I"**^)» *^"
drerseits hat der Atheniensis innerhalb jenes Stückes des Alpha-
betes keine einzige Glosse vollständiger oder kürzer als der
Galeanus , auch keine , die im Galeanus fehlte. Entscheidend ist
femer das Verhältnis zu Suidas. Bekanntlich hat F seinem Lexikon
eine erweiternde Bearbeitung der Bach mann sehen Sova^coY-Jj X6-
£6ü)v xpTf]ot|JL(Dv zu Grunde gelegt, in der in den ursprünglichen Be-
stand der SüvaifCDYT^ — einer besonderen Fassung eines Cyrillglos-
sares — Glossen aus verschiedenen Quellen, vornehmlich aus den
Atticisten Aelius Dionysius und Fausanias, aus den Flatonglossaren
des Timaios und des Boethos, aus der Epitome des Harpokration,
aus dem vierten und dem fünften Bekkerschen Lexikon eingestreut
waren. Die also erweiterte SovaYCDYiii hat auch Suidas benutzt.
F aber hat in diese seine Hauptquelle aus anderen ihm zur Ver-
fügung stehenden Hilfsmitteln zahlreiche Glossen hineingearbeitet,
so aus dem Atticistencodex seiner Bibliothek Glossen aus Ael.
Dionysius und Fausanias und Boethos, ferner Glossen aus einem
seiner Rednerlexika , das eine Hauptquelle des fünften Bekkerschen
Lexikons war. Diese eigenen Zutaten des F kennt Suidas natür-
lich nicht. In dem Stück des Galeanus, das in Betracht kommt,
hat F folgende Glossen in seine Hauptquelle eingearbeitet : ^ycoysoCi
&Ya>via, dL'{iAV, a^wv oo Siyetai oxi^(|^eig, Sy^vo?» 4y<^^o^ m» i8aY|töc,
£Sao[iocy £8§i€, aSeäc 8^oct iSexare&tooc, iSeXf (Cstv, aST]|Jiovetv, iSijv, a-
Syj^dYov ap|j.a, iSTQydtY^^ tpiripetc I, a8Tf)ydY0t, 48{avtov, a8idf dopov, neun-
zehn von 68 Glossen, also genug, um den Ausweg abzuschneiden,
als beruhe das Flus des F gegenüber dem Suidas auf vollständigerer
Ausnutzung der gemeinschaftlichen Quelle. Nun enthält der Athe-
niensis sowohl die Glossen des Galeanus, die aus dieser gemein-
schaftlichen Quelle des F und des Suidas stammen, als auch die
Zutaten des F aus seinen anderen Quellen, hängt also von etwas
ab , was F selbst getan hat , d. h. er stanmit nicht aus einer pa-
rallelen TJeberlieferung, sondern aus F selbst.
Dem gegenüber kann es nicht in Betracht kommen, daß die
Ordnung der Glossen im Atheniensis von der des Galeanus ab-
weicht. Die Glossen von SyX^Cs bis aY^v^» ^^^ ^^ ^^ ^TX ^^^
aYo> anfangenden Artikel, hat der Atheniensis in zwei auf einander
folgenden Reihen:
Anecdota ans einer «thenlaclieB Hindichrift
311
I.
«YXaCe
ifXJv.oKo^
ifcoYst
n.
äYXWtdt
3iYX^t6pP^v
&7fl&ya
&Y»y o& Six^toi oxi^eic
iYioyoditi]c
i^uya.
Aber diese Abweichnng von der Reihenfolge des Galeanos erweist
sich als eine StÖrong anch innerhalb der vom Atheniensis sonst
festgehaltenen Ordnung. Denn — genau wie F — hält auch der
Atheniensis in den übrigen Glossen streng an dem Princip fest,
die Artikel mindestens nach den drei oder vier ersten Buchstaben
zu ordnen, bisweilen sogar ganz streng alphabetisch, und diese
Ordnung wird nur gelegentlich verlassen an Stellen, wo P in
die erweiterte ^oya^cop) Glossen aus andern Quellen einschiebt«
Also ist unter allen Umständen die veränderte Reihenfolge
eine Unregelmäßigkeit in der Ueberlieferung des Atheniensis
selbst, eine rein textliche Korruptel. Das wird bestätigt durch
die Wahrnehmung, daß die beiden Reihen nicht verschiedenen
Quellen des P entsprechen, sondern beide dieselben Quellen des P
regellos durcheinander mischen. Endlich ist zu bemerken, daß in
beiden Reihen drei Glossen doppelt stehen a7x^|ioXoy, ifx'yooc und
äxxJ^^p^ ' der beste Beweis dafür, daß beide Reihen aus derselben
Vorlage stammen. Daß imUebrigen das athenische Fragment der
28*
312 C. Fredrich und G. Wentzel,
Composition und der Arbeitsweise des F genau entspricht, braucht
nur gesagt zu werden.
Der Text des Atheniensis ist begreiflicher Weise erheblich
schlechter als der alte Graleanus. Nor an einer einzigen Stelle
verbessert er diesen in einer unwesentlichen Korruptel: s, v. iSsi-
(tavta hat der Atheniensis in Uebereinstinunung mit der Quelle des
F des Lemma in der richtigen Form aSs[|i.ayTa, der Galeanus die
Verschreibung a8st|JLata. Der entgegengesetzte Fall, daß der Athe-
niensis in einer Korruptel mit der Faralleliiberlieferung gegen den
Galeanus zusammenginge, kommt nicht vor. Wol aber haben beide
Handschriften Korruptelen an zwei Stellen gemeinsam, die beide
bezeichnend sind. S. v. SSiqv lautet die richtige Lesart : iv Xap(Li8ig'
inü 8h u. s. w., und so haben Fseudodidymos bei Miller 400, der
Coislinianus 345 (Bekk. An. 341, le) und Suidas, nur daß bei Didy-
mos Xap|jLtSi und im Coislinianus -/ap^iSi geschrieben ist. Der Ga-
leanus hat /apit S* knü S^, „ut litterae obsolevisse videantor in
exemplo, unde hoc transscriptum est", wie Forson bemerkt. Der
Atheniensis hat x^Pt^ • ^^^'^ ^^- ^^^^ ^^^ S^^^^ deutlich, daß es sich
um eine erst innerhalb der Ueberlieferung desFhotios entstandene
(nicht etwa von F aus seiner Vorlage übernommene) Korruptel
handelt. Kurz vorher, s. v. a8a£f^oai, einer atticistischen Glosse
(vermutlich aus Ael. Dionysius), die auch bei Suidas und im sechs-
ten Bekkerschen Lexikon und — verstümmelt — bei Hesych er-
halten ist, haben Suidas und der Coislin. 346 das Richtige &XPP^
(so Suidas, a^^P^ ^^^ Coislin.) erhalten : der Galeanus hat a^x^P^y
und daraus ist im Atheniensis adaxo>pa geworden. Auch hier liegt
die Korruptel nicht jenseits des F, sondern ist schon für diesen
zu emendieren.
Die Abweichungen des Atheniensis sind sonst ausnahmslos
Verderbnisse der richtigen Lesart des Galeanus.
Diese Feststellungen weisen den Weg, der bei der Heraasgabe
des athenischen Fragmentes einzuschlagen ist. Ist einmal erkcuuit,
daß ein Stück F vorliegt, so gilt es nicht mehr, die athenische
Handschrift mit allen ihren Verderbnissen abzudrucken, sondern,
wenn möglich, den von F selbst geschriebenen Text herzustellen.
Für das im Galeanus erhaltene Stück bietet dieser die zuver-
lässigste Richtschnur. Neben ihm ist aber die sonstige Ueber-
lieferung der von F benutzten Quellen heranzuziehen, d^ h. nicht
jede beliebige, inhaltlich mit F zu vergleichende Stelle, sondern
die Stellen, an denen die unmittelbare Vorlage des F von anderen
Autoren unmittelbar, unabhängig von F, ausgeschrieben ist. Diese
Farallelüberlieferung vertritt für die Fartien, in denen der Ga-
Anecdota aiiB einer athenisdieii Handsehrift. 813
leanns fehlt, fast eine Handschrift des P. Stimmt der Atheniensis
mit ihr in Eorruptelen fiberein, so ist kein Zweifel , daß anch
P diese Kormptelen aus seiner Vorlage übernommen hat: sie
müssen ihm also belassen werden ^ nnr empfiehlt es sich aus prak-
tischen Gründen, Orthographica zu normalisieren. Wenn dagegen
eine Korruptel des Atheniensis einer richtigen Lesart der Paral-
lelüberliefemng entgegensteht, so ist nach allem, was die Verglei-
chung des Galeanns gelehrt hat, anzunehmen, daß anch in diesem
Falle P selbst die richtige Lesart der andern Zeugen befolgt hat:
diese also ist in den Text zu setzen. Jedoch ist jede Variante,
die die Möglichkeit einer selbständigen Textesform bietet , unan-
getastet zu lassen. Daneben bietet sich dort, wo jede Parallel-
glosse fehlt, der Konjektur ein bescheidener Spielraum.
Demgemäß ist der nun folgende Abdruck so eingerichtet, daß
im Texte hinter einer jeden Glosse, bei der dies in Frage kommt
— es sind ihrer nicht viel — , die Zeugen außerhalb des Athe-
niensis namhaft gemacht worden, die aus P selbst geflossen sind,
also der Galeanus (G) und gelegentlich das (alte) Etym. Magnum,
für das mir R. Reitzenstein einige Notizen freundlichst zur Ver-
fügung gestellt hat. Unter dem Texte steht zunächst der kri-
tische Apparat, d. h. im Wesentlichen nur die Abweichungen des
Guleanus und die von Fredrich vermerkten Lesungen der athe-
nischen Handschrift von dem aufgenommenen Texte. Wo diese
Abweichungen mit keinem Vermerke versehen sind, beruht die
im Texte stehende Verbesserung auf der Parallelüberlieferung, für
die ich meine Kollationen ausgiebig ausgenutzt habe. Unter dem
kritischen Apparate ist in besonderer Rubrik die Parallelüberlie-
fernng in der oben gegebenen Beschränkung namhaft gemacht, um
eine Controle der Textesherstellung zu ermöglichen. Darin ist
£ BS £oyaYo>T'l ^^(ecov xP'^P^V^'^ (Bachmannsches Lexikon).
A = Coisl. 347.
B » Coisl. 346.
C = Berol. gr. (4®) 13, eine Abschrift von A, mir durch
Boysens Güte zugänglich, wichtig dort, wo A
nicht erhalten ist.
S SS Snidas.
B «= Coisl. 846 auch in den andern Lexicis, die in dieser
Handschrift stehn und daraus in Bekkers Anecdota
Bd. I abgedruckt sind.
Cohn = „Zu den Paroemiographen. Mitteilungen aus Hand-
schriften. Von Dr. Leopold Cohn. Breslau 1887.**
(Breslaner phil. AbL n 2).
314 C. Fredrich und G. Wentiel,
Crosius-Colm s= „Zur handschriftlichen Ueberlieferting, Kri-
tik nnd Quellenkunde der Paroemiographen von 0.
Crasios and L. Cohn. Göttingen 1891.^ (Separatab-
druck aus dem 6ten Supplementbande des Philologos).
Hesych ist angeführt bei den atticistischen Glossen, weil nadi
meiner üeberzeugung die Atticisten in den Hesych hineingearbeitet
sind, er ist nicht angeführt bei den Glossen aus der £, weil er
nicht diese, sondern deren Hauptquelle, das Cyrillglossar, benutzt.
G. WentzeL]
&ßpa(iiaioc' ififavTialoC) Upoirpsin^c* ^ &7r(SYOVoc toö ^Aßpadcft.
aßpofilaiTOc' Tpof Y]t7]g xal Tpofepößioc. xal di ß p ö c * i tpo^epöc
dißpbc X6t|io>v' xaivötepoc xal eä^oXi^c« 6
'Aßpox6|iac' Svo{ia x6ptov. oatpdirqg 8' 'Jjv 'AptaSipSoo tod
Ilepocöv ßaotXio>c.
aßpöc' XaiLicpöc» tpofepdc» &nak6^.
äßpoo&VT]' <pai8pötif]c-
ißpötiQTi' tpo^epönju, dÄaXönjtt. 10
SßpoTov äij^oxov, ivateOijtov.
aßp6v6Tai* xoa|i6ltai, dp6irt6tai, xaox&tai.
Sßpcotoc' i vf^ottc.
""AßoSoc* iffl ooxofdvTOD tdiTTstai 1^ X6€i^, 8ia tb Soxeiv ooxo-
fdvtac slvott tooc 'Aßo8>]vo6c. 16
'Aßt>8oxd(Lat* ol iirl T^ ooxofavxetv xo|ittytsc. tldetai i^ Xi^tc
xal Im TOö 8ixa(oo xal o686vbc ^(oo. xo>|i(p8o&yTai 8i ol
'AßoSijvol xal sie &xoXao[av.
''Aßo8oc* fXoapCa i^ iroXXi).
&ß6pßii)Xov* ivalox^vtcv, iirax^iCf icoXb, |t&a]v. ot 81 8aoo xal 20
aopf6Td&8sc*
12. aO^tlTai. — 14. Irrrcat. — 16. dpuSox^fAcvac al irA,
1. 2 (B 822, 1«. CS). — 2. £ (B 822, 17. CS). — 8. dppoft(«TOc £ (B 822, u.
CS). — dpp<$c £ (B 822, 10. CS). Vgl 6. — 6. £ (B 822, ». CS). — 6. Harp.
(B 822, n S). — 8. £ (B 822, so CS); TgL 8. — 9. £ (B 822, ii CS). — 10. At-
tic? B 822, M. Hes. [Et.M. 4,6i ans Hesych]. — 11. £ (B 822,86 CS). — 12. £
(B 822, a? CS). — 18. Attic ? B 828, s. — 14 und 16. Paus. fgm. 2 (Schwabe),
erhalten bei Eustath. n. 867, i, B 822, si, Hes. dßu(ox6(i«cc. YgL B 215, 5. Aehii-
Ilch die Paroemiographen: Laor. LY? =s Par. 26ft0 Nro. 4 (Cohn-CntsiiiB 257),
Apost. 12, S. — 19. B 822, »9. S. - 20. £ (B 822,t8CS). [EtM. 4,M aas Hes.].
Anecdota aus einer athenischen HandBchrift. 816
aßoptdxK]' &irötpi{t|jLa ßocpßaptxbv Ix Spiiiia>y oxst>aCö(ievov , ix
xap8d|iiov xai oxopö8o>y xal otvdicsiec xal otaf(8coy, (^ irpöc
xoiXioXoolav i^P^^^o* ^^' M. 6| 1.
Sßooooc* 1^ iripac (i*}] Sx^ooa 8ia (ii^edoc. Soti Si xai &v ""Ap-
Y6t X((Lvir] oottt xaXot)|t^vif]. 5
d^Yadd. iirl t&v icpbc &iröXaootv xal e^co^^AV oitCcov xal tcot&v.
iXP'^OQSVo 8i SevoffidV t*}) Xi^ei.
&Tadi2c T6x>lC ve&c* o&x äSijXov t6 OTfjjtatvöitevov.
di^a^il Tbx^l' TOÖTO icpoYpafö(L6voy olovral tivsc . . . Jviot 8i
icpoon^^aoi tö xal deöc» wc ÜXitcov iv TptT<|> Nö|JLo>y (VI 10
757 e) • yöy 8t] deöy xal TG^i^y irfa^y iy e^/alc SirtxaXo6|JLeda.
xal TitioxXfJc
deöc |iiy 8if]Xa8'i]
ilfaWj Töx*»! t' Jysottv.
&YAdioTar8* T9C6p6i8if]c eiicey. 15
iYad-J] Töx*»]' 1^ Ndjisatc xal i^ 9i(Lic«
dcYtt^i)^^* '^^ o^cooSaia.
di^adöy tiyoc' &ytl xoö tivoc Sysxa. MiyaySpoc*
Ttyoc tö i^a^öy toöt' loTiy;
&Yadöc 8af|i«y 'Aptoto^dvr)« • 20
&7a^öc te 8a(|jio>y xal i^adif] oairy]pta.
&Y^^o^ 8ai|ioyog' ootü> xaXeitai icapa toic sraXatoic tö {teta
t^y Spoiy Tc&y tpa7csCä>y icpoof epö|i6yoy icoTnJpioy.
ifadoD 8a(|toyoc ^ö|ta* tö (istd tö 86i;cyoy Sxpatoy 9Ryö{Lsyoy
icap' 'Adr^yatoic* xal r?)y SstK^pay i^{iipay ootoic ixdXooy. 25
aifa^oep^ol' alpstol xat ay8paYa^Cay. o( 8i £icapti&Tai toöc
1. oxfuoiCoK^^ou» — 9« Lücke von drei Zeilen. — 10. tue irrfvraiv ivTpftaiv ^ja"*^
Terb. von Wilamowitz. — 15. Eupt::(8T)c: verb. von Wilamowitz.
1. Paus. fgm. 3, erhalten bei Eust. Od. 1854, 20. B 328, 86 (bis iyp&Yzo : das
Folgende ist AeD fgm. 3, erhalten bei Eost. Od. 1B54, 18, benutzt von S. —
4. Hes. (wo in dieselbe Glosse die Worte uftara dfirttpa dxaTdXijirra aus Cyrill inter-
poliert sind). -> 6. 2 (B 324, s CS). ~ 6. Ilarp. (S). Interpoliert in die Paroe-
miographen: Cantabr. = Vallic. Nro. 23 (Crusios-Cohn 238) und Laor. LV 7 as
Paris. 2650, Nro. 23 (ebda 257). — 9. Neue Glosse. Attic. — 15. Neue Glosse.
Attic. — 16. Attic. Hes. (daraus im fünften Bekkerschen Lexikon interpoliert:
209,11). — 17. B 324,7. S. — 18. Neue Glosse. Attic. — 20. Neue Glosse. Attic.
~ 22. AeD fgm. 5, erhalten bei Eust. Od. 1471, ss und, verkürzt, B 327,6. ^
24. Attic. Paus. ? Erhalten bei Hes. B 334,4, eingedrungen in die Paroemio-
graphen : Laur. LV 7 = Par. 2650 Nro. 6 (Crusius-Cohn 257). Ap. I 10. S aus
paroemiogr. Quelle. — 26. Bis dv5paYa9{av aus Timaios. Der Rest attic. Glosse
(Paus.?), erbalten bei Hesych (aus diesem interpoliert im fünften Bekkerschen
Lexikon 209,4), B 833,80. 8 aus gl. Herod. I 67. Im Tim. ist die Glosse Inter-
polation: P kennt also bereits die interpolierte Gestalt des Timaios,
316 0. Fredrich und G. Wenizel,
1% T€»v (irirdcov ISiövtac icivte Ixdotoo StodCi &c 'Hpöfiotoc iv
irpcbtcp (I 67). ol Sk oiryjp^tai tc&v ip/övrcov. *Arcixol ik
Tooc iifft^öv lpifaoaiiivot>c tt. ioxi Sk xal ip^i^ ttc Iv Aaxs6a(-
jiovt ol iifa^oepYoC. fip/ooct Sk f täv iSA^cDy f xal täv 4v rjj
icöXei xal T&v l£a> tf)c xöXscoc irapavo{i7]oivt(ttv , &c 77]ot AI- 6
Soiioc iv rj) xpoicix'j) X^Set.
a^a^öc focTetv OTjiLaCvei töv loOiovta noXXd.
&1fadol S' ipiSdxposc SvSpec' iicl t&v oföSpa irp6c SXeov
^eirövtCDV.
i7a^(by ^Yad'tSec' tiTtetai i^ icapoi(iCa irapa toic xo>|i.ixotc 10
iiA icoXXcdv &Y^^^v*
'AYadtovsioc aBXTjaic* i^ jtaXaxi^. 'Aifdtdwv ^Ap 6 Tpaifixftc
iicl |iaXax(o^ SießdXXeto.
SYatov iffif^ovov. ol Ik dao|taoTÖv, ol Sl f^ovspöv. 16
afdXXer icoisi, oxeodCei, xo(3(i6i, ti|i^, irpooeoxetau
aYdXXeo^at' x^^P^^^» {ie^aXo^ povelv , xaXXcoiclCeodoii. IlXdttcov
Si Iv Nöftoic (Xn 966 b) xdc Tpot^dc &y^I^'^a xoXei. 6oo-
xoS[37]c <IV 96) 84 ^tioiv Sxaotoc 8^ icatpWa ix^^ iv rote
IEXXtjoiv &y^^^'^^^> ^'^ ^^ a&x^^* xo^l SXXoi icoXXoi. faol 20
' 8ä xal &YdiXX6t tooc dso&Ct xal &7aXoö|jLai, xal iYaXXe xal
&YdXXoo, xal &YdiXX6tai xal iYdXXig. xal icoXX^ napa toCc ica-
Xaioic 1^ XP^^^^*
2. TtT«EpT^> : Terb. von Fredrich. — täv fehlt. — 4. täv ^yoiv cod. ; täv ig»
B; Tttiv iE dypttiv Fredrich. „doch wol Dittographie; die LA von B ist die nr-
sprunglichere.'' Wentzel. — 8. dpi^xpurtc — 10. irtpl. — 13. |AaXa«(av. — 19. fjv
fxaOTOc izon^lla I^ttiv icpuiTi^v ^ tote '£XXi]Otv dytitAAttai Thuc.
7. Attic. B 834, s. — 8. Sprichwort ans Pansanias. Von den Paroemiographen
ist Zen. Par. 1 14 genan gleich P, die andern weichen nur in den Lesarten ab : L
III 7 = Graux 3 ; D Vat. Bar. Nro. 16 (Crusius-Cohn 230). D Vind. I 9. BodL
13. Laur. LV 7 = Par. 2650 Nr. 8 (Cohn-Crusius 257), Mac. I 12. Die Herkunft
der S-Glosse, die sich mit P und 2ienob. Par. deckt, ist daher Eweifelbaft —
10. Sprichwort aus Paus. , erhalten auch bei S, eingedrungen in die paroemiogra-
phische Ueberlieferung Laur. LV 7 = Par. 2650, Nro. 7. (Crusius-Cohn 257). Die
andern Paroemiographen weichen ab (L* 113. IV 11. ya7. Diog. Vind. I 8. Greg.
Cypr. L I 36. MI 98. Mac. 15 Ap. I 14. Vergl. Zen. Par. I 9—11 und die
Cohn-Crusius 238, 28 angeführte Ueberlieferung). Phryn. 9, i Bk hat dieselbe Dok-
trin ausfuhrlicher, ist aber nicht die Quelle tou PS. Desgl. Poll. Vn 31. —
12. Sprichwort aus Paus., erhalten bei Hes. Die Glosse des S aus der par5m.
Quelle (L III 3. Zen. Par. I 2. Bodl. 7. D I 7. DV I 6. Cantabr. =^ Yallic Nro.
17 = Vat. 306 Nro. 16 = Greg. Cypr. F 1 9. Greg. Cypr. Leid. I 83 [Cohn-Cru-
sius 238]). — 14. B 327, n. — 15. B 334, 7. Hes. S. [Et. M< 8, so aus Hesych].
— 16. B 324, 8. S. — 17. Neue Glosse. Attic, wol AeD.
Anecdota atu einer atheniflchen Haadschrift. 817
iifiXXio^' Xo(8opoc.
a*( aX^6^' XoiSopla.
afaXitatof opoo|i6voc' iif^|iara ^ tGirooc t6»v V0Y]divTttV fi-
p«ov iv iaoTcp. ootco ^CXcov (ü 86, 12 Mangey) I^P*^^^^^* ^
SYaX|&a' icav, i^' «p Tic it^Xk^xai. i*(i\^azaSk xal tac TP^T^C
xal toöc avSptdvtac X^ygooiv. ol 8^ iicXcoc SYaX|jia iräv avd«
d7]|jLa xal xadt^po>(ia xfiv (l*}] Söavov {j tt SXXo toioötov st?].
£7Y^poc* 6 voidpöc. Xd^etai 8ft irotpoL tote ßapßipotc xal 6 8ii)-
(iöotoc YP^f-P'Q^^^^po^ » ^^^v %tt^ &YT^ps^^^^^ ^^ ^W 87]tiooiav 10
Xp6(av &in]p6teiv.
S7Yapoc' ipYiryjc, &in]pit7]C9 ax^oföpoc, Z^sv i'jnrapelav ivd^x^jv
axo&otov X§70|t6y xal r))y ix ß(ac 7tvo(Liv>]v onjpeoiav.
SY^apoi' ol ix SiaSox^ic YpaitttaTOföpoi. ol Si a&tol xal iotdv-
8ai. xä Sk ivöfiaTa üspatxd. Ala^^Xoc 'AYa{iipovt (269) ' 16
f poxTÖc Sk f poxtöv Seöpo &ic' &if7dpoo ffopöc
lfC6|i9rev, ^I8if) |iiy icpög 'Ep|iaiov Xiica^
Aii]{LVOO, |ii7av 8i icavbv ix vijooo tpltov
'A^^ov atiroc Zirjvbc ifeSi^ato.
tldctai t6 Svo(ia xal iirl tSv f optif]Yo»v xal 8Xa>c t&v &yaio6i^ 20
Ttt>v xal avSpaffoScoSödv. xal t6 ^if^apo^opstv iirl toö fop-
tla f ^psiv iXXcoc tc xal ix 8ta8ox'^c* MivavSpoc IIioXoo-
liivotc'
i^^apo^opsi xal icdvta vov ffotd^v iroveCy
1. dyd)loio^. — 8. x^v tl fxT): B hat nur f^ (oovov, zwischen «a(^. and I) aber
eine Rasur von 6 — 7 Buchstaben. — 13. Ixo-jöcov. — 16. ^uxtic« — 17. IntfAtf^iv
ittij. — ip\kaL — 19. Ittoc — 22. xal fehlt. — 24. Taöt« vOv rowT irofci : yerb. TOn
Wilamowitz.
1. B 334,17. — 2. B 324,9. — 3. B 334,16. Hes. — 4. 2? B 324, lO. S. —
6. £ (B 334, 18. Vgl. 324, 4. CS). In S gekürzt, weil S eine andere, reichhaltigere
Glosse aufgenommen hat. — 9. Attic. B 325,4. >- 12. £ (B 326,8. CS). ->
14. AeD fgm. 6, erhalten bei Eust Od. 1854, 27, S ^n^poc, Hes. ^apoc, wo der
Glosse des AeD die Cyrülgiosse Torangestellt ist (bis d^^fopoc reichend), B 335,
10*17. Die Affiliation der übrigen lexikalischen Glossen zu df^^po« ist folgende:
Cyrill ist benutzt von Hes. dfryspoc (bis iyh>^poi) und von der 2 (s. zu 21).
TÄne zweite Atticistenglosse ist oben 11, Ton Cobet, Mnem. X 64, wol mit Recht
dem Paus, zugewiesen. Die Glosse des fünften Bekkerschen Lexikons -* aus dem
onomastischen Teile — (212, is) benutzt Ton Et. M. 7, is; ihre onomastische Quelle
ausgeschrieben von Claud. Casilo (397 Mill.) und vom lex. Cant. s. öpoodTpr^c. Die
llesychglossen arfapoc, d^apcjetv, aT^aptfa, di^pptoc, sfffapoc ausgeschrieben im Et,
M. 7, S0-S5 , Hes. %apoc interpoliert im fünften Bekk. Lex. 209, s«.
318 C. Fredrich und G. Wentiel,
i^bv SiappY]YV&|i6Voy, i^a^o^v (ioptcov
oiTtCö(L8voy t')]y v6xTa xal ir))v i^itipav
xal &v npoYa{i.oovti *
ßdpßapoc 5
Sf^apoc 8vta>c, xal ooSevbc irpoopcbpisyoc.
xal Jy OaiSi 6 ixpan^c*
^TT^poc SXedpoc. i^S^a>c £y (t^i 8ox&
Spicoc irsicoyda>c taoTa yöy tabryjy S/ety.
xal ^'('{apBbBa^ai xaXoooiy &oirep i^ftelc v&y tö eU 70p- 10
tTjYfay xal TOta6T7jv ttva iffifjpeotay ^Ysodai. MäyaySpoc xal
Tooto iy T(^ £ixoo>yE(|) (fgm. 440) icaptonjoty *
6 ickitüv xaTiJx^'^' ^P^ved' outoc icoXi|i.toc.
iay S/iQ Tt {taXaxöy, i'f^fapsbBxai. Et. M. 6,44.
ilfY^^^^7^poc' rpeoßeoTi^c- 15
&YaX(Latoiroila xal i^aXiiaTOopfla Ip6ic xal &YaX|iato-
7coi6^. &7aX|iaTorotby H faot TcaXeioOai xöy elxöyac ftsö^y
(tdXXoy ipf aCöpyoy, &y8piayto9coiöy 8i til^y &ydp(oico)y. ÜXivcov
S& 6 fiXöoofoc iy t(p IIpcDtaYÖpo^ (311c) &YaX(tatoicoiooc xa-
Xst ^6t8(ay t6 xal üoXbxXsiToy. o& 8& icdyrac 8ir]|iiODpf ouc 6- 20
|ioCa>c xaXd^y o^x Sy of aXeiiQc*
'AYa(L6|iy6y6ta yp^ata* totopoöot tiy 'AYa[iipoya «epl rijv
A&XiSa xal icoXXaxoo r^c 'EXXdSoc fp^ata ipbiau
iYayaxTÄv ridstat icapd IIX<ito>yt (Charm. 175*?) xal Siel täv
Xoirot>|iiyo>y. 25
&YAvaxt& 000' xaiyöy tö o)fi)|ia. tö (tly ^ap dao|idiC<A 000 xal
SyaH'^I 000 xaÄa>|ttXYitai , tö 84 iYayaxt« 000 xaiyöy xal oicd-
ytoy. y(p'ri(3zio)f 84 tcp ox^|*'ati 8ia t-Jjy xaiyÖTTjta, ^tjoI *p6vixoc.
&YO(vaxTtxöy xal if ayaxtifjTioy' tö jt4y 4y IloXtte^ (604e),
tö 84 iy iinotoXaic 6 IlXdtcoy S^i]. 30
iYaydxtTjoic* iitl t6x>lC 8ot)Xo8t8if]c 8eot4pcf (41)* 06t« tcf «0-
Xi{i(p iiceXdöytt &7aydxt7]aty fy(tu
2. GittCofUviDv : Terb. von Fredrich. — 7. h%a t^lp^ dhipott^jc: Terb. von Will-
mowitz. — 9. Iy« : verb. Ton Wilamowitz. — 18. «pTvat V o5toc. — 14. idtv f^^
ohne Ik auch 8. — 81/32. iroX^fitf ancb B ; iioAifi{<f Thac — tlxtv.
15. 2 (B 826,9. CS). [Et. M. 7,87 ans He8.?J — 16. Attic. AeD? B 886,1.
» 22. Sprichwort aoB Paus. : dessen Glosse erhalten bei Eost ü. 461, is. Hesych.
Die Paroemiographen Ähnlich : Zen. Par. I 6. Ap. I 27. Bodl. 6. Greg. Gypr. Leu
I 80. CanUbr. YaUic. Nro. 11 = Greg. Cypr. F I 6 = Yat 806 Nro. 10 (Crasias-
Cohn 288). Laor. LY 7 » Par. 2660, Nro. 20 (Cmsios-Gohn 267). — 24. Attic
Platon-Glosse : B 884, tt. ^ 26. Phrynichos. B 884, S4. ^ 29. Attic. Platonglosss:
B 884,t8. — 81. Attic; AeD? B 884,80.
Anecdota ans einer athenisehen Handschrift 819
S^av i^^^^^O^^ T^Se* orov ivavtioöoOai xal iicotfiCveoOat. 'A*
piotofdv7]c iv *Axapv8öotv (309)*
olS* i^di xal tooc Adxo>vac, olc ^T^v Iy^^P'^^a»
o&x inivTflov Svtac i^(tly altlooc t^v irpaY|idtoy.
&7dcvv(fov* X(av x^oy^Cöiisvov. 6
a^avcf poo6y7]' Trpooi^vsia, itpc^önjc.
i.'^av&TciSo^' icpc^ia ßX6iro6a7]c.
&Yavov* tö xateaY^C- i^ icpätif] öSeCa. xal to5to tpa^ixibtspov t6
2vo|ia.
ÄTav^v xaXtfv, 1^86. 'ApiOToyAvYjc AoototpdtiQ (885)' 10
i[ijol ^dtp aStY] xal veootipa Soxel
icoXXcp YSfevf^oQai xal i^avcbtepov ßXteetv.
Sy^v^v* £o^oxXf]c licl Taivdpcp Sifavov ifft] f&Xov ßapotövcec» t6
xaisaifög {] t6 &7r6Xdx7]Tov.
i^avö^povsc i^SoXÖ7(|> oo^^ ßpoTd)v icspioaoxaXXclc (Cratin. f. 238). 16
Slfav tt(v6iv* ivTiTsCvstv xal ivTiicpdTtetv xal (i*)] sTxstv xata |iii]-
Siva tpÖTTov, a&^a8cCö|iL6VOv. ooYYpa^ tx*!] i^ ^ a>vi^.
&YaXaxT{a* A&TOxpdtif]c (Kock 11 p. 806)* &|iVol Sk ßXif]xiCoo-
Sy^^I^a 'ExdTir]c* 'TJjy x&va oDto>c 8rpir]x6v 'ApiotOfdvT]c (fgm. 20
B94>, 8id tö ixfdpso^at t^ 'ExArg x6va^, i) 5u xal a&rJjv xo-
voxif aXov irXdttoootv. slol 8^ ol xal Y^viodai a&r))v x&va ix
Yovatxöc 'wtt' JpY'Jjv 'ApT^ji.t8oc, stta iXsTf]^6t(jav icAXiv oit' a&-
rJJc aitoxataat^vat, Jiretta iitl tote «pa/^stotv alox^^sJoav ix
tijc Ctt>vif]c iicdY^aoOai, r?)v 8i ''Aptejttv icsptsXojiivifjv töv 4ao- 26
tf^c xöo|jioy reptdsivat a6r{) xal ^Exdtnjy irpooaYOpsoaau
i^a^at TO&TOo* SYa|i.at xspa|ista>y. ESiroXic (fgm* 364) xal
'ApiOToydyrjc <Ach. 489. Av. 1473).
&Ytt(* ijiöys^. oStco xixP^tai £ofoxXi]c- ol 8k tpaYixol xal tdc
8. d^av nach o?c fehlt; so auch B. — 7. npocfa; so auch B. — 12. iroXXdiv.
— > p>iiitt. — 13. dyayhy beidemale. — 15. mpioooxoXcTc. — 18. dyaXaTtxia. ^
19. M d7<iXaE{ac B. Vgl. PoU. HI 50. — 28. ^ i<Svaic
1. Aide. B 884,82. S. — 5. £ (B 824, is, CS?). — 6. 2 (B 824, is. CS). ^
7. 1 (B 824, u CS). — 8. Attic. lex. rhet. fgm. 840, zweite H&lfte. EnsUth.
D. 200,8. Cramer Anecd. Par. III 878, ss. B 386, lo. — 10. Attic. lex. rhet fgm.
340, erste H&lfte. Enst II. 200, i. B 885, is. — 18. Attic. Glosse, erhalten bei
Hes. (wo statt dnb dIfXXou zu setzen ist di:cX<xi)tov). S (kontaminiert). — 15. Ist der
BchloftteU von 10. B 385, is. - 16. Attic. AeD ? B 336, i. — 18. Attic. B 336, ss.
^ 20. Attic. Glosse, erhalten bei B 386, si nnd Hes. dfyaX{Mi nnd *E«^c. Die
Paroemiographen weichen ab: Mac. I 18. B 162. Eine zweite atticistische Glosse
bei B 827,18 nnd Eosth. Od. 1467,86. -> 27. Attic. AeD? B 385, 88. — 29. Attic.
B 386,10. Hesych.
320 G. Fredrich und G. Wentiel,
tpilbasic oStcDc ixdXoov xal tot tpa6|iata. xal y^ ^ tpa5|jLa
olov xitaYC«« Y^vstai t^^ oapxöc*
iY^C'^^^^' ^^^i '^^ £7a|ioc icapa SofoxXsl. (fgm. 884).
a Y a 9C A V * inoSt/j^Q^ai.
ii^anäy' xb ipxeiaOal tivi xal |iir]Siv rXiov iiciCtirsiv. 5
i^aicfiza ijdtj' ta xaXa xal ä^a^d, '
aYotiCTjtdv t6 -fiYaTnjiJLdvov. ^ xb |jiovoy6V§c*
aYa«>ltöc «al« ipeic. xal äy^^^^C «arijp xal &Yain]t6c Ssoicö-
TTjc, xal iY«^^^v 86 T^xvov ivtl toö (tövov. xal iicl xöpt]^
iYÄ'^JtT^- 10
iL'(a1CT^a^b^ X^oooiv 'AttixoL xal &Y&ir]f]otv rijy ftXofpdvijotv.
£ovapLot(ttaaic (fgm. 453) MävavSpoc'
xal tbv iirl xaxcp
Yiv6|ievov iXXii^Xcov iL'(airrio^b)f oloc "^v.
i*(6Laatxo' dao|i^06t8v. 16
iL*(aaQ& Ttvi* ivtl toö ^ao|idoco tivd. Sevo^ttv (Cyrop. II
4, 8) ' Stav ttvl &Y^^^^ ^^^ otpaTtotcöv.
iifäoati' Sy^v T&irtei. iitö to5 (Sr^ay ir^dooBi^ &^ Xiav XidCfii)
(jk*(%i) OTpsüfii' SsXeiCst. 20
iYxpitoc iXa&vo>* eIitc Sevof c^v (Hell. V 3, 1 ?) xata ooYXo;ri})v ivd
TOO &ya xpiToc* oö 8i £|i6ivov icoii^etc |i')) XP^I^^^^^ ^ Xi^tt.
^Y)^^^^' &xöynoy. xal toa ^y^^^^c ^ xa|in). X^etai Sk xal i^
fit^tä x^lp &Y^^^« ^^^ ^^t ^^ Söpata ifTdykifizA xb xal |t6oiY*
xoXa ixdXoov. X^Y^tat Si xal i'pLbXyi eifioc irory]ptot>, (p &XP^^^^ ^^
irpbc t^y tfi&y xottdßtty iraiStdy. &y^^^''1 ^^^ ^ ^ '^^^^ X^^P»
&XX& xal 1^ irp6c xöttaßoy ftirtrqSsla xoXiS 8ia t6 iiraYXoXooy
r))y Ss^t&y x^^P^ ^ ^ ffpoiosi. 'I^y y^P ^^C iraXaiotc ict-
f poyttoiiiyoy xaX&c xal 6&ax>ntöycoc xörtaßoy irpofso6at. d»yo-
3. dY^fATToc aach B and Hesych (?). ^11 and 14. dyannoiiov. — 16. dyad». —
18. Ergftnzong aas B. Die Lücke wird mindestens ein Blatt der Vorlage betragen.
— 20. Erg&nzang aas BS Hesycb. — 21. if/i^xo^. ^ 22. dvaxp^o. — 28. dbi^
TT)v. — 28. irpoatploKC — 29. mf oprtOfA^ov.
8. Atüc. B 886, 7. Hes. - 4. 5. B 824, ss. 8. — 6. 2 (B 324, ii. CS). —
7. 2 (B 824, St. CS). Die Glosse des fünften Bekkerschen Lexikons (209, ts, ans-
geschrieben im Et M. 8, ss) ist aas Hesych interpoliert — 8. Attic. AeD ? B 886, u.
— 11. Attic AeD? B 824,S7. — 16. 2 (B 324,85. CS). ^ 16. 2 (B 824, ss. CS).
— 18. B 886, s. — 20. B 329, i. S. Hesych. — 21. Attic AeD f B 887, i?. —
28. Attic. B 887, so. Doppelglosse: denn von Xi^ttac (26) an dieselben ErUAningeB
(Ubiä xt^p and itoTi}p{ou yivoc — «uXiQ zam xweiten Male. Hes. kennt nnr eine
Glosse, Eastath. H 844, ss s Hesych.
Anecdota aus einer atheniBclien Handschrift 821
|iio67] oov anb toö Tf}c x^^P^^ ar/yjnfjaLtia^fjobj 6y icoto6(Uvoi irpo-
d6|tioc ippCiCToov SIC tö xottAßiov. lou 8i a^xb^t] xal eiSöc ti
a|i.|taToc, OK ''AXB^tc 'AxaiSi <fg. 31 > •
oö xoiXflAc Sof lY^ac Xodsioav. 6
iyifiipaDno xal SXXoi rg Xd^et.
'AyxoXtj xal 'ApdfTj' 8i)|ioc AqTitSoc.
aYX&Xia* oi xp(xoi to^v aXoosooy.
aY%oXo|i.i)tai* oxoXtößooXou
aYx6Xov* xa|iic6Xov, iicixa|ticig. 10
a^xoXöxeiXoc' oxoXtöxetXoc.
fi^xopai' ix ii^tofopdc at io^diXeiat. xal ZofoxXi)^ (fg. 619)*
&XX' elol (iTjtpl icatSsc S^xopai ß(oo.
& Y ^ A ( * S|i|ta. E&pticiSYjc (fgm. 1105).
a^Xata* Xaiiicpönrjc. 16
a 7 X a t a i c ' Xa|t)rpöri(]oiy.
aYXaöxoitoc' 9C^yt> t(|iioc.
aY^aÖTt|ioy' Xa|tirpöy, t6Te|ti];iiyoy.
'"A^XaDpoc 1^ ^YdtTjp K^xpoicoc. tofi 5i xal iicii>yo|ioy 'AdT]vdc.
^A^Xaopoc' |i*ia zm Kdxpoiroc doYat^pcoy, f^y 8ia ttiil)^ ix^^^ ^
xal ^ptouoty al Yuyaixsc. sie T^p r})y toö icatpö^ a&ri]c Ki-
xpoicoc tiii-iiy airoy6i|ial ctya y^P^ ^v dsöy c(j 'AYXa6p<f>.
oDTfio Buoy 6 Ilpoxoyyijoioc.
aYXcox6oT6poy* ayrl toö &i]8iot6pov Seyo^d^y ^Up^yi (121).
aYXeux^C' ^ö ai^Sic- S6yofd>y elpYjxsy iy x(f Olxoyo(LiX(^ (Vlli 25
3). Soxel Si (sytxöy slyai xb Syo(La, SlixsXixöy* 9CoX& y<>^ ^^^
irdXiy icapa T<p Tlydcoyi.
£7X1^8^* xb a abxb xal y6Xyi^«c« i£ 6y 1^ toö oxopöSoo xa-
f aXif) ooYXsitat. Et. M. 11, 40.
7. dpd^i] : dpa^pT) B. — 10. dyx'Ar^'^ * xafftirjXT^v. — 14. dfjXtai, and 80 bis dYXuutxfa
immer djXu — 22. Tipovra Otov: verb. Ton Wilamowitz. — 23. Durch dieses erste
sichere Fragment des Bion wird auch das andere (FHG II 1%, Plut. Thes. 26)
gesichert. — 24. diXKux^otipai. — drfiioTt^u — 27. icapd öpCvdiovi. — 28. d^Xti^OI^
— ijijXidcc* Die Worte xo U autö xal ^tX^lBtc werden wol an den Schlaft der
Glosse gehören, wie in B.
7. B 838, 18. — 8. 2 (AB 329, s. S). — 9. I (AB 329, 8 S). 8 kontaminiert
die Glosse mit der des Stademondschen Anon. Laurent, der Götterbeinamen. —
10. 1 (AB 329,4 S). — 11. £ (AB 329,6 8). Bei 8 eingeschoben in das Schol.
Ar. £q. 197. — 12. Attic. B 338, 16. Hes. ^ 14. Attic. B 388, u. — 15. £ (AB
829, 17 8). — 16. 1 (AS). — 17. 1 (AB 329, is S). — 18. 2 (AB 329, is 8). —
19. Harp. (B 329,84 S). — 20. Attic. Komikerglosse (Ar. TheBm. 533): B 826,17.
Hes. -. 24. £ (AB 329,81 8). - 25. AtÜc. 8. YgL B 329,80. 827,4. Hes. —
2b. Attic. (Za Ar. Ach. 768). B 827, 16.
322 C. Fredrich und G. Wentsel,
S 7 |t a 9 1 ' xXdo(iaot, tpofcaig.
d Y V 8 ( a * xa^apdtrjc.
iYve&stai fJiv «öXtv avtl xoö (Antiphon tetr. I y H) i*
xatYjYoplac irapaoii^|Loo. &vrl toö dt^viCetai. 5
*AYvta?' Svo|i.a x&piov.
JiYvioai' xb Sta^detpai xat' ivTl^paoiv. xal tb &icodt><3ai* ootoic
£ofoxXf)c (%ni. 113).
&Yv(t7]C' (x^TKjc xal xad-dlpoioc. xal y^^P ^ (t6ooi>c diYVto^elc xal
6 xadi^pac outü>c X^y^^^^^* ^^
$YvaiCTOc* xal 8ta toö y ^o^^ 8ia toö x SXsyov toKvo|i^. otq-
|jLa(v6t 8& TÖ |L'i] Iy^^P'P'^^^^* X^Y^tat S& xal ippevix&c xal
^Xoxödc xal ohSBxipiü^. ippevtxc&g {t&v iY^antoc X^^^^' ^Xo-
xcdc S& iYvaiCTOc X^^^^^' obSBxiptü^ 8h ^y^^^^v l|tdttov. IlXd-
To>v |i^VTOt 6 x(0|i.ixöc T'^v ä^yaTcco^/ xal x^^^^^^ xaXei. ob 16
|iivtoi Y^ 7:äaa xXaiva xal &*(yaTzo^j iotl Si x^^^^ l|tAtiov
icaxb, etts ^Y^aictov etTs iYva|jL|t£vov.
&YVOC' fOTÖVy 8v xal X&yov xaXoöoiv.
iL'{v6ii%o^' iYVOoöaa xb Slxatov.
^YVoSixstc' ol deoL 20
^Yvoia* iXiY<opCa.
i*(^olri' X&irif]. xal xb i^f^OBl^' Xonsio^at.
ÄYVoicoXeioOat* xb o^aYloic xadaCpeodau
'AYVofeoiog- 'Ayvoöc 8i)|iö? iaxi foXijc tijc ' Axa|iavtl8o^ , t^c S
f oX^tYjc 'Ayvo6oioc. 25
dYVo>|i.övtt>^' ivoijtcoc ^ axapiotiAc. XlYOVtai 8ft icapd nXdteovt
(civ. 450 d) i'fyijojioy^^ ol a|iad6ic.
&Yva>|iöya>c' ATfjjjiooftivT]? iv tote 4>iXt«irtxoi« (2,26) 4vtl toö 4-
XoYlatoDc xal 4ßooXa>c.
ttYV&tac* jt-J) imYivo>oxo|i^vooc. jiY^öta 84 jtot irpoexöitiCev äv- 30
^po^icovy 8g xal iaot(p 4Y^ä>g It6yx^vsv &vJ
4. dTvtütxai und dvrl xou (statt Avn^ wv) auch B. — B. irap«o(|xou. — divtCmtc
auch B. — 9. dYvwdtlc] dYvtorÄc. — 11. tou f ] to\>to. — 12. iyvwfiivTjv. — 16. jiiv-
toc Tt: verb. von Wilamowitz. — 18. dyvdc, so auch B. — 20. d7vo^(xttc. — 26. U
icapd] xal iisX, ~ 30. icpoc«^|AiCcv auch S. — 31. 8. — d^voc.
1. B 829, », 8. Hes. ^ 2. 2 (AB 829, 98 8). — 8. 2 (AB 829, t? 8). —
4. B 838,17. Vgl. Harp. — 6. Harp. (B 829, ae. S). — 7. Attic. B 389,8. Hesych.
— 9. Attic. B 888,19. Hesych. — 11. Attic. AeD ? B 338, 97. Hes. dTvairtov. -
18. Timaios (B 824, is. S). — 19. B 338, 9i. Hes. ^ 20. B 888, 99. Hes. d^vo^x*^
— 21. B 888,94. — 22. BA 838,98. — 28. B 888, 96. — 24. Harp. (B 829, u. 8),
26. 1 (AB 829,80 8). - 28. Harp. (8). — 80. l (AB 829,98 8).
Anecdota aas einer athenischen Handschrift 328
Sfvov* oiyiJL X&fov xoXooou xal ippsvixioc Xuov(8ac "üpiAQi
<fgm.2>-
xal iL^jv |ia t6v Ai' o&d&v Sti y^ P^t 5o%<i^
S^voo Siaf ipsiv iv x^P^^P^ ^sfoxötoc.
nXdxo>v (Phaedr. 230 B) * ^ xs f ap itXdtavoc aory] (idXa a(L- 6
fikajfii^ xal 6(|»'y]X')) xal TOt> Apo^ te tö o^toc xal xb oooxiov
icdTxaXov.
a^opdc' töicoo Svo(ta. xal xa aYopaCöfisva. OeooaXol 8ft xal x6v
Xi|iiya ifopav xaXoöoi, Kpf)x6c x^v ixxXvjalav. icap' *0|iii)p(p
ndtc &^poiO|iöc- £6Xo>v Se ^y^P^^ xaXei x6 irsCcp Xö^cp 3^yo- 10
psostv. xal 6 xöiroc icap' '0|i.iljp(|» fj i^ ixxXnjola ^ xi oovap^ö-
Tspov.
a^opa ^6(&v' 'A^vif]ot xöiroc ixaXsixo.
i'foi' icoXXä 0T)(Lalv6t. 'loaioc 8k (fgm. 67 S.) ivxl xoö ^ipsiv xal
ivdtifstv xal iXxeiv SXaßsv * 8ßXat|»e fdp |L6, fif]olt SsvoxXiJc &- 15
^p8Xö|isvoc £&|t.d^v sie IXeodspiay &7oyxoc i|ioö elc SooXslay.
'Avxtf fiov S& x6 £y^^ ^^^^ '^o^ 1^701x0 icape(Xif]f e. f t)oI 8k iv xip
itspl &Xii]delac* xooc vö|jLOt>c (tsYdXooc &fot.
aYOltivttv x&v i^|isxipo>v* ivxl xoö ipiraCoitivcov xal X^oxsoo-
(Uvcoy. 20
a^opdoio Xi^ooot, x& Si i'^opG^ ßdpßapoy. icapaSstYitixiey 8i (uaxa
irdyxa. slXi^do) S' 8(lu>c ' Aptoxof dyoo< l£ AloXoolxieyo^ (ffiP^* 2) *
&XX' fiyoooy* o& iiiXXeiy ixP*^^* ^^ &Y^P^^^
dtjcafdicav^' Zoa xsXs&sic» & 7&yat.
xal d^opdoiiaxa aoxd xd ij^opaa^a, 25
difopdc* Tic6psi57]c (fgm. 150 fil.) dyxl xoö doyöSooc. Xi^etYdpiy
x(p xaxd lloXosoxxoo* ooxot icoXXdxtc dYopdc «otooyxai. 8')i]XoC
Sä xal SXXa xooyo|i^.
d^opdCsty x6 (oyeioOal xi xal xb iy dYop4 Siaxpißsiy.
d70payo(Liac' Xo^ioxslac. slpi^xai iirl xdy imoxoffooyxeiv xd x1}c 30
söXsioc &yia.
6. too iyvou tt auch S, tou tc dt-fvou Piaton. — 10. d^opo^v : verb. Ton Fredrich.
— ti^ 7aC<i>: verb. von Wilamowitz. — 15. tfdjvy. — 17. ^ytlto. — 19. f^fapöiy
cod. und B, ^^|Arcip«»v AS. — 24. ^9« xtXtutic aach BS. — 27. oikoc
1. AeD fgm. 12, erhalten bei Eost Od. 1638, 11 und S. — a Hesych (ans
diesem interpoliert in das fünfte Bekkersche Lexikon 210, s). -* 18. Attic. Hesych.
— U. Harp. (B 329,8a S). — 19. 2 (AB 330, 6 S). — 21. Attic AeD? B 881, S4. 8.
— 26. Harp. (B 880, 10 S). — 29. 1 (AB 330, 7 S). In S kontaminiert mit schoL
Ar. Plat 984. Vgl den Antiatticisten 78, s, EtM. 12, m. — 80. 2 (AB 880,17 6).
324 C. Fredrich and G. Wentssel,
afopavöiJLOi' ol tol xata tT)V a^opav SKxxoövtec &na Spypm^.
SIxa Sk "ijoav, (&v ic^vxs (i&v ta xara t6 fiato, icivte Si ta xatdt
rJ)v x<"*P*v Sidtarcov.
ilfopdoai' tö d)y')jaaodai.
iY^paCav* r}]V SixaioXo^lav. 5
^YOpoitoi' ol Iv &7opq^ &vaatp6f6|i6V0i.
aifopaioc voöc' i ^^vo sOTeXYjc xal oop96td>8Y]c xal o&x ixöppi]-
toc obSk icsf povrio(i^voc. ol Y^P ^T^P^^^^ Sv^pcoirot i|i.adslc xal
aicalSeotoi eloiv. ootcoc £&pi?ci8if]c (fgm. 1114),
&YOpaioc Zs6c' ßa>|i.öc 'Ä&if]VY]aiv, 8c ixoXeito a^opaloo Aiöc* 10
iYop«^o< ^Epjtfjc Jv 'A^TJvatc tSpoto xata tijv &Yopdv.
&Yopa Kepx(biC(i>v' 'A6ifjvY]ai TcXifjatov Tfjc "i^Xialac, &v "q |i.&XiatQi
zä xXo9ct|JLaia iciicpdaxovtai xal ^voövtai. Toto&tooc Yap xal
Tooc Kipxcoicac icapeiXiJf a(A.6V, xX^iTTac xal xaxo6pYot>c*
a^opa ifopsla* o&xcoc eXi^sto i^ a6vo8oc i^ icpöc tote xoivoic 15
Spoic Td>v aotoYsiTÖvcov ifivopi^vT]. ivxaöda ^ap ooyiövtsc ol
S|iLopoi irspl t(bv xoiyü>v 6{iL0D IßooXeoovto.
&Yopdc &pay' o& tcdy 9C(i>Xoo{i.dyo>y, oXXa twy SXXioy 9cpd£6o>y tüv
xat' cqopoLV Scfiftsy t] xal xply a^opay iceicXiQd&yaL ^6p6xpän]c
xal 4y A&TO|töXoic (fgm. 29) • 20
iciysiy ael xal (te^Geiy icply ^y^P^^ icsicXii]diyai.
4. dyopdaar TKepföij; t6 uiv. Harp. (S). — 5. dyopafav t^v S(xt)v, -rijv ft. AB,
dy. 8{xT)v • T^jv 8ix. S. — 14. xaxoupyoi : verb. von Fredrich ; irovoüpYOt (sciL ictpi^-
Sovrai) EuBt. — 17. irapd.
1. Ans dem fünften Bekkerschen Lexikon 199,84 (aasgeschrieben im Et M.
18,8). Die Parallelglosse des Harp., in der Epitome nor bis dp^ovicc reichend
and &via SiotxoOvrcc stellend, ist aasgeschrieben B 330, is and von S, der schoL Ar.
Ach. 724 damit verbindet. — 4. Harp. (S). — 5. 2 (AB 330,9 S). — 6. 2 (AB
880,16 S). — 7. Attic. B 889, lo. S (der schol. Ar. Eq. 297 anfügt). — 10. Attic.
B 888,88. Hes. — 11. Attic. B 339, i (Hes. abweichend). Glosse za Ar. £q. 297.
— 12. Attic. Qlosse, erhalten bei Eustathios Od. 1430, S6 (f^v hk, ^aol, xal d^opi
KepxcLicfttv A^vi)9i rXTja^ov il)Xia(ac, h%a xd xXo7n{j.ata JicoiXouvro, tocoOtoc ydp xal
ol K^px(i):nc Treptf'Sovtai, xX^Trcac Sr^Xa^)] xal fcavoOp^ot. X^YCiat 8i xaxd ACXiov A(Ov6stov
'*AXixapvaoia d7c(pe(v xal t6 irepüivai xal TrcptvoatcTv inX slx^ ^ kzip^^ rvA, ^r^sl» toio^t^),
kürzer Od. 1669,69, and bei Hesych. Daraas, daB die Glosse des AeD dppTr^c
(anten 327, i) mit ausdrücklicher Namensnennung angeschlossen ist , folgt noch
nicht, daS aach die vorhergehende Glosse djopd Kepx<u7c<uv dem AeD gehört Die
Paroemiographen, aas echtem Zenobios, weichen völlig ab: L III 2. Oraox 7.
L« Va 2 (Cohn 31). Zen. Par. I 5. D. D. V. I 8. Greg. Cyp. M. 18. Cant Vall. 9
» Greg. Cypr. P. I 3 ^ Vat. K. I 8 = Vat 806 Nro. 8 (Grasias-Cohn 238). B 8.
Mac. I 4. Ap. I 18. Laar. LV 7 » Par. 2650 Nro. 12 (Cmsias-Cohn 267). 8 ans
der paroem. Qaelle. — - 16. Aas dem fünften Bekkerschen Lexikon: 204,6 (aosge-
schrieben im Et M. 18, lo). — 18. Attic. B 880,». S.
Anecdota aua einer athenischtti Handachrift. 826
&YOpaotijv' t6v xi 6^ d>vo6|uyoy, 8v Ttt|Laioi 6<|Meyi&Topa
xolXoooiv.
&Yopi{v' ixxX7)o[av. 5
^IfopTiTaC* ol o6|i.ßooXoi 9p6vi|jLOu
06t, xal iY7]Xa<c6iy xb cooc iyafsic &Xft6y8iy. 6 8^ 9caya-
Y ^ C t6y d^yöy xal xad>apby oif]|va(y6i. xal 3cap(oyd|jLaotai 6 |iiy
ftyflCjffic &ic6 tOD SnforyQ^ 6 5i saya'fijc i^ö too i^voö xal xada- 10
pOD. oiQiialyet 8i xal S^ytoita xal ^oiay.
S70C' |iiao(La. ^ &ifXo>y. X^Ystai fii i^^ ^^^ '^^ tl|iioy xal ££ioy
O6ß&o|iato^, ii OD xal Upsiai icaya^etc xal £XXa tiyd.
&YÖC' i^Y^|uoy.
""Ayo^* 6 Zsoc icapa TpotCiQvtoic. 15
if.*(6yi,(pio^ alü>y* ooto>^ iXe^oy tby xP<ivov, iy «p tic &<opäto y^'
'P]pa7ca>c 9 ^apa ci |i9) iystyai toic Y^poooi tooc YO|i.f (ooc* Aio-
xXflC <fgm. 14) •
ILijSslc 4(0^' &|i.&y, SySpeCy iici^|Li]odTo>
Yipcoy YsyioOaiy Tcpoyoijadtio 8i 20
8ico>c y^oc &y i^a^öy ti tf ^^Xi ica^ä>y
sie &pay xataX6aiQ (L7]8' i^öitf idy icote
alc&ya tp[(|)^'
SYOociy eopT^y ol xXiittai' x^P^^^^ ^ ^^^S^C ^ Ixay&c
ff6icato|jiyir] xatd r^y xo>|i<p8iX')}y X^P^^* ^P^^vst 8i to6c iiit&Q 25
xXteToycac. o^tcoc Kpatiyoc.
""A Y p a * Ai}|i7]tpoc Upöy {^oi Ti)^ irdXsoc ^pbc t^ ElXioo<^.
SYpaoXor ol iy i^pcp Siayoxtsps&oytsc ^ a&XtCöiLcyoi«
ilfpaiCTÖtatoc a^oc ßdtoc* iitl toö oxXijpoö xal a&dd8ooc töy
tpöicoy. 80
1. ö^poiviirop. — 6. dYopY}Ta(ou — 9. icap(S>vo(ido(k[c — 15. KuCiQvoTc B. — 17.
7i}fttkii. — 19. ic({>#*. — 22. etc Apov «0x0X601) — tp(^ auch B. — 29. Der Fehler
^poirc^Toc war, wie sich aus der Reihenfolge der (MosBen ergiebt, schon Tor-
haiiden, ab dieses Lexikon zusammengestellt wurde. Aach Apost. I 21 hat ihn.
1. B 889, lt. — 8. Attic. B 889,8. Hes. — 6. 2 (AB 880,16. S). - 6. £ (AB
830, M. S). — 7. Attic. B 380, ae. Hes. «70« I. Tgl. B 824, m. -- 12. £ (AB 830, si. S).
Interpoliert in das fünfte Bekkersche Lexikon 212, si. — 14. 2 (AB 330,25. S).
^ 15. B 838,16. — 16. Attic. B 839, u. — 24. Attic. B 881, 11. S. Arsen. I 18a
(ans P?). — 27. Pansan. fgm. 18, erhalten bei Eost IL 861,87, vollst&ndig B
826, 84. S hat dieselbe Abkürsung wie P. Attidstische Parallelglosse B 334, 11. Wohin
Hes. [Et M. 13, is] gehört, ist nicht zu entscheiden. — 28. S (AB 331,8 S). — 29. Attic.
Sprichwort ans Pansanias. Dieselbe Glosse bei den Paroemiographen: L lU 10
^ Qraux 5. Zen. Par. I 16. Lanr. LY 7 » Paris. 2650 Nro. 9 (Crosius-Cohn
KtLO«. d. W. KMkticktM. PkUolo(.-Ual«r. KImm. 1886. Hcfl i. 24
326 0. Fredrich und G. Wenizel,
Si*(pafpa &8ixi}|iata* olov &irip &v y6|iOc o& xeitai.
i'fpatpiof}' elSoc SCxif]C xata td^v &fsiXdvta>v |iiv T(^ ST]|ioo(ip
xal l7Y67pa|i.(L^vtt)y, &ote ipsiXeiv, ÄicoXet^ivtfov 8i Tcplv iico-
Soövai. Ivtote 5^ tdttetai xal xata xm irc(patp6wAy to&c |l^
696CXovtac. 6 8& tooto icpdfac xal ^oüc a&t6c |tiv hsrfp&xp^xo 6
if elXeiv, 6 8& {f}) Ssövtcoc lyypaf eic "^9(6x0 rSjc &8(xoo ixTP^?^^*
a^pacpCoo 8[xif]' tcdv ix xaraSCxr^c a>fXT]xdtci>v t^ 8ir]|ioaC(p fpÖL"
f 0001 td övöftata &v aavtaiv 61 xatd xaipbv icepl to&tcöv 8101-
xoövtec 9cpooTid>^VT6c dvd TTÖoov lotl TÖ 8f X7]|ta. Stav 8i dico-
8i8(p gxaotoc» iSaXeCfstai xi^c oavCSoc tö IfrC^paiiiia. &dv o&v 10
ttc dva^pa^'Q |iiv &fp\ypL&vaij 8ö£iq 8^ (i-)) diro868o>x^vat, xal zb
8vo|i.a a&toö l£Y)X6i|i|L^oy iq Ix vfiQ oaviSoc» or>YX6x<bp>)Tai t^
ßooXo|i.§V(|> T6dv dot(ov slodcYsiv xat' a&toö 8(x'y]v d^pa^ [00.
dYpdfoo (letdXXoo 8ix7]* ol td dp^opia {tdtaXXa ip7aCö(uyoi
81C00 ßobXotvto xaivoö SpYoo ipCaoOai, ^avepöv iitotoövto toic 16
hc* ixsCyoic tetaYiiivoi^ oicb too 8ii]|loo xal dicsYpdqpovro toö
tsXetv Svexa tcp 8ii]|Lip 6lxoot7]v T6tdpry]v toö xaivoö |t6tdXXoo.
ei TIC oov I8ÖX8I Xd^pa lpYdCso6at (litaXXov, tbv it*}) d:co-
Ypa4)d|i6VOV Hipf tcp ßooXo|JL^()) Ypd^eaOat xal iXi^X^^^-
dYpeotix')) OToXn}' i^8eta 1^ Xdftc xal dotela. 20
dYp8D|JiaTa' td ItA tfjc d7poix(ac xti^|iata. ZdXoiy siirsv. orjitalytt
8& xal oxöXa.
d7piddo(L0c* StP^oc rg ^'ox'S*
i^pior tooc 9cai86paotdc ootioc ixdXooy, ^tot SttSYptoy t6 icddoc»
i) 8ti 6 ndv lyoxöc lott tote toiootoic« xaXoöoi 8i a&tooc xal 26
K8yta6pot>(, 8i]Xoyöti xal td dyij|i.8pa t&y C(oo>v S^pia xaXsttou.
xal SyP^o^ ^ ^^ "^^^C 860X0X0C xal ip^tko^.
3. 8(xi)c «al xaidL — 8. touto. — 16. iito^ouv. — 18. (ii)) fehlt — dittxpo^fdliuvov.
257). Mac. I 28. Ap. I 21. BodL 17. D I 13. Cantabr. = VaUic. Nro. 24
s Vat. 806 Nro. 28 (Cnuius-Cohn 238). 8 aus der paroemiographischen Quelle.
1. 1 (AB 831,6 S). ^ 2. Ans dem fOnften Bekkerschen Lex. 199, ts (ansge-
schrieben Et. M. 13,i6), sonBt erhalten in den Atxüv i^yLoxa des Vat gr. 1468
nnd eingedrungen in die paroemiographische Ueberlieferung: Par. BuppL Gr. 676
(Cohn 76; aus P selbst?). Dieselbe Erklärung aus der onomastischen Prim&r-
quelle bei Harpokr. (S B 331,21) und entotellt bei PoU. VIII 64 und im lex.
Cantabr. 663, s (ähnl. Hesych). — 7. Aus dem vierten Bekkerschen Lexikon, staik
verkürzt B 184, ss, vollständig (s= P) beiS, zu Grunde gelegt in den Atxüv öv^fMna
des Laur. V 7. — 14. Aus dem vierten Bekkerschen Lexikon, verkürzt B 184, t7,
vollständig S. — 20. Attic. AeD? B 339, ss. ^ 21. Attic. B 840, is. Hesych. —
28. 2 (B 331,9 CS). — 24. Attic. B 339, ss. Hesych. Aus vollständigerem Hesych
interpoliert in das fünfte Bekkersche Lexikon 200, si (daraus Et M. 18,47).
Anecdota ans einer athenischen Handschrift. 327
&YpCooc' AlaxCv7]c iv t^ ULaxä TifjApyipo (52) tooc o^ödpa iitton]-
{livooc ffspl ta 9cai8tx& oSt<oc &y6|i.ao6. xal M^vavSpoc (fgm.
965) Si iifpiov slics xoßsot^v töv X(av irspl zb xoßs&eiv lairoo-
8ax(Sta.
&YP^oc SXaioc* i)v ol «oXXol är[pvikawv xaXoöotv. Soti 8k icapa 5
HwS&pif (fgm* 21. Bö) iv ß|ivoic*
^Ypo^^^^v %A^ ifpoCxaiv' tfi&y oiofptfvcov. icapa 8ft t6 i*(polii(Mi^
ftfoys xb ^fufJOL ifpocxelv.
^A.Ypoixof ifSvoc 'Afti^vTjotv 8 ivttStiotsXXov icpöc too« E&icarpl-
8ac. '^v 8k xb T&v fsoipY&v. xal tpCtov tö co^v Ai](tioopYä^v. 10
SyPoixoc' oxX7]pöc &oxtatpöf>]TOc olov ip^drijc u — u
Sf po^^oc öiccbpa* iirsvavtCioc ^ ^swaU^. i^ivsto 8& «>c iv 8ia-
90p4» tjjc (liv icp6c tö öicopCoat, tf^c 8^ itp6c aicödeoiv xal
olvoicotfav xal xA totaöta. X6761 8& 6 nXdtcov oa^c &v Nöftoic
(844 d)' d)vo6|i.6voc r))v Ysvva(av ^ibpav 6ico>piC£tco, i&v ßo&- 15
Xtixau xal icdXtv * ti^c (l^ YsvvaCac dtict^o^co, idcv ßo&X7]Tai, Ti)c
8^ &Ypo(xoo XsYoiiivTjc xal töv toioötov 6 vd|i.oc etp^^tio.
S^potxoc* ifpo>v, 860X0X0C. i) 6 iv ^yP^ xatotx&v.
&Ypoßöac ivi^p* 6 a«]fpoCx(oc f&6«f)f6|t6VOc xal o&x iotslttc o&8i
i|LiuXfidc. oStcoc Kpatlvoc (%iii' 374). 20
i^p6^B^oi' ooyadpotCö|i.6Voi, oova^potCovtsc.
'AYpoiXijdev 'A^pclXn] 8f)(LÖc ioti ri)c "Epsx^^^C ToXijc- 6 8k
87]it6ry]c iciXat iX^sto 'A^pocXiöc*
^YPooicoYi)* t6 mötatov, ol 8k iicl tcäv icpooxad7]|iiytty ttyl
Xiicap^, ol 8k SirspßoXix&c Xi^ODOty iicl t&y iy i^pip xadi]|ii- 25
vfoy, ^ &id Toö a^8pa i^poCxco.
&Ypoxta xal £Xsxta iciicoyda* tö |iiy S^poxTi iotty &ott
(L7]8i Yp6£ai 8ia t^y 6ir8pßoX'))y t6y xaxd^y. Yp&^at 8i iott t6
ßpa^otatoy f ^iY^acdai, 8 xal Syap^pöy iott, |it>Y(i<p i) atsya^iiip
icapaicXiijoioy. x^xp^l^ai 8k abx^ xaiydtttta $spexp&n)c (fgnu 157)' 30
2.8. icapd.— 6. icMotpov. — 9. divn^OTtXov: verb. von Fredrich. — 11. doxio-
tp^To« Terb. ▼. Wüamowits, Rest eines troch&ischen Systems. — 18. iicto^am,
am Rande p(. Aach in B ist inrnplaai ans öirop^aai verbessert, von man. 1. —
34. icijT^. — in^tov. — 26. d8{«ou. — 27. Icrctv] xal
1. Harp. (B 882, m. S, hier kontaminiert mit schoL Ar. Nah. 848). — 5. B
389,18. ~ 7. B 840,18. — 9. Hesych (dort kontaminiert). — 12. Piatonglosse.
Boethos? B 840,8. — 18. 1 (B 881,4.8. C). 8 aus Timaios. ~ 19. Attic. B 889,80.
— 21. 2? (B 881,8. 8). — 22. Harp. (B 882, so. 8). — 24. Sprichwort aas Paas.,
erhalten bei East. D. 810,8. Hesych and im Par. sappl. gr. 676 (Cohn 68 f.).
In die paroemiographische Tradition sonst in verkärster Form gedrangen: Bodl,
15. V. I 4. Vat 1468 « Bar. 219, Nro. 16 (Crnsias-Cohn 280). Mac. I 8. Apost.
I 24b (Arsen.). 8 aus paroemgr. Qaelle. — 27. Attic. B 889, 88.
24*
328 C. Fredrieb and 0. Wentzel,
fifpoxTa xal iXexta, &XXa ßo6Xo|i.ai (löviq
i^pcoGtai' ol xovif]if dtat , inb toö &7pcooo(o j^i^iLatoc. '^OitTipoc
(e 63) * Ix^öc iitpfüoatff^, 5
i^oiai' S(Lfo8a, ^ö|iai. t) iTTiiinixei^ 68oC. stapa «ifotp xb |i'j] Xx^tv
iro>c ifoia xal {t^Xif] xai xd|i.4)stc. tot S& ip^oSa Ix^^^^ ^^~
ripcodev SiE^öSooc xal taöta Siaf ^poooiv.
&70tdv* tbv Gt6va>icdv. Ssvof&v (Cyrop. 11 4,8). xal SX(oc
noXXa ta YX(i>aG7]|JLatixa 9cap' abrC^, 10
&7ot6&c* 6 icpö T&y a&XeuDv dopcäv xo>voEi8'i]c x(o>y, Upbc 'AnoX-
Xcovoc xal a&töc *sö^- 4>ep8xpdT7]^ KpaicaioXotc (fgm. 87)*
0) S^oicora a^oieö, taota oo|i|ii(ivif]oö {tot.
xal tb xviodv &y^^^^ '^^^^ ifoi^ac SiqXoi aoviQpiQiiivcttCf o& tac
&Yo^C xal tac 6So6c. 16
i^otdixiSec' Tcap' £&pi9ciSiQ (Ion 198) ol 3cpb t&y dop&v ßo>|jLo(.
i Y o i a c ' Iviot (i^v 6£&vooot ^ii]Xox(0c XP<^(i*svo^ o^^v tag 68o&c» ß^X-
tiov S& itepiGicäv a>c ^ö xoö ^Yotdoic- aifoisbc Si iott xla>y eU
6ib XiiJYcoy, 8y (oTaoi irpb zm dopwv. i8iooc 8i a&To6c faoty
siyai 'AicöXXcoyoc, ol 86 Aioy6ooo, ol Sk i|ijfoiy. Satty ooy t& 20
6XöxXir]poy ^yoisoc, xal xatot r)]y akiattx-ijy iY^iiac, &y ot>yaXoif 'j]
8i i^oiac. Sott 8& ISioy Ao>pi^(i>y. etey S''£y ol icapa toic 'At-
Ttxoic X67Ö(i8yoi afoistc ol icpb x&y olxicay ßo>|Lo( xal £of oxXi)c
(fgm. 340) (Lstd^coy ta 'A^ya[a>y 1*7] elc Tpolay yrjol •
XdiLicet Sk &7016OC ß»|töc &t|i(Cü>y in>pl 26
o|iopyif]c OTaXaif|i.o6c, ßapßdpooc 8&oo|i.Eac.
AYÖptTjc 6«aln]<;, ytXoxep8T^c. [Et. M. 14,31?] xal
ä^bfctid' elSoc ßöXoo. pSt. M. 14,32?]
4. d^pfbam. — 7. xcd fehlt. — 9. t^ ot. Am Bande ^Tuiiv ortvcux^v. ~
11. a^Xfoiv. — 18. Tauta ooi p.^fAvi)9o' f&oc verb. von Wilamowitz; Tgl. Demosth.
46,2. — 14. xvtaouv. — ouvijprjfA^vac: verb. von Wentzel. ~ 21. Zwischen dy\Hiai
und 2v schrieben die Handschriften der Epitome des Harp. (DE) ein: worip xal
OTi)p{ac xal (ATjXfac. Die Worte fehlen auch in B und bei S. — 22. mpl. —
27. ß<i>Xou.
4. 2 (B 332,8. CS). Interpoliert im fünften Bekk. Lex. 213,7 [darmns Et. IL
14, 12]. — 6. 2 (B 882, 18. CS). In B mit einer Glosse ans Orion, in S mit der
Harp.- Glosse verbanden. — 7. Attic. AeD? S. Hes. (hier kontaminiert). — 11.
Attic. S. Vgl. Hes. — 16. Attic. East. U. 166, S4. B 340,80. — 17. Harp. (B
881,80. S). — 27. 1 (A. B 381,14. S). Aas I interpoliert in das f&nfte Bek-
kersche Lexikon 213,9. In B kontaminiert, mit AeD fgm. 9 (siehe onten), bei
^ mit (vorher) schol. Soph. OT 386 and (dahinter) einer Glosse, die aach Hes.
hat, mit Anth. PaLVI 218, 1. Soph. OT388. — 28. S and Hesych (kontaminiert).
Anecdota aas einer athenischen HandBchrift. 329
OLfbpzji^' 6 äiXaCo>v xal aicatecov. ti Sk i^eipstv xal icspiaYsCpstv
xb icspiT^ai )cal icsptvootslv iicl vExiq ^ it^pcp ttvl toio6t(p oe|iv6v8tv.
6 86 &76pry]c xal xoßeoxtxoö ßöXoo iotlv Svo|ia. [Et. M. 14,32]
a Y o P ^c t X d ' x^^A^^ (|^66o|i.ata. [Et. M. 14, 35 ?]
ÄY^PH'^^* i'MtXyi^ioL^ ooyaYo>rii. 5
&Y^P^^'^' oopf6t<i»8if).
'AY^pptoc" 8T]|iaY«Y*C 'Afrijvafcov o6x i^ponn^c-
SyX^C^* ivtl roö iyax<^p6^ o&ctoc £ofoxXi)c (fgni. 883).
&YX^^^^* ^^^ '^^ ivdxaoxe. oSteK ^spexpdnjc (%m- 196).
^YX^C*^^^^' ^T^^ iXWv. 10
Syx^I*'^^' ^^^ ^^^ icXt]ola. E&piirESYic (ßgm. 869)-
&XX' SyX^IIoc y^P ^^^ ^otpelflc y^vi).
&YX^^^^^^' ot>YY^sta. xal &YX^^^^^^* ot &ic' i^sXf Av xal &ye<|)tAv
xal ^eCiov xaTdt iratipa xal |i7]t6pa (yT^^^^ ^^ T8Xtt>r])oavtoc. 16
ol Sh ti(ü xobxonv ooYY^vstc (ttfyov, ol Sh xat' iictYa|i(ay |uxMyT6c
Tolc ofxoic olxaroi X^oytat. G*.
iYX^^^^P^'* irPC Y^^'^W. G.
&Y<>t^T^^* ^¥ ^t^dytt, ^ Sy*^^^ ^ ficffoc. 8 xal |^orI)p xoXeftat. G*.
OLftü^fBb^' 6 l(Läc tfiy xoyii]Y6tiX6dy xoy«äv. ootcec ZofoxXiJc (fgo^* 20
886). G.
&Y<i^T(oy' tö &Y^|i6yoy ßipoc iicl t^c i|id£i]C- oStcoc Bevoföy
(Cyrop. VI 1, m). G.
iLffA*(l\f,(A)f' ^ptlioy i|i.icopixd^y. G.
&Y^v(a * 6aY(oyta(iöc* )^l ^Y^^- X^Y^tat 8i otkcdcxal i^ iY^^^^^%4* ^' ^^
aYtt^vtdft* xiy8oy8&tt>. G.
1. dicatT^cDv. — 3. ßtt>Xou. — 10. dT^tF^Xdiv. — <Xdittv. — 19. 8 auch B. InCS
fehlen die Worte Ton 8 ab.
1. AeDfgm. 9, erhalten bei East. Od. 1480,84. S. B 831,14. — 4. 2 (B 332,u.
8, in der interpolierten S-Beihe des fünften Bekkerschen Lexikons 213, lo). —
5. 2 (B 881, 10. S) Eyrill. — 6. £ (B 882, u. 8. Interpoliert im fünften Bekker-
schen Lexikon 218, u). — 7. Harp. (B 881, ss. 8, hier kontaminiert mit schol Ar.
Fiat. 476. Eccl. 102). — 8. Attic. B 840, ta. Hes. — 9. Attic. B 840, n. Hes.
8 und 9 bei Hesych in eine Glosse rasammengezogen. — 10. Vgl. die Glosse
<{TX{pioXov unten 880,8. — 11. Attic. B 840, t4. — 18. 1 (B 888,1. CS). — 14. 1
(B 888, s. CS; interpoliert im fünften Bekkerschen Lexikon 218,15). — 18. £ (B
882, S5. 8. schol. Plat. rep. 89 lA). Die Glosse unten (8.880,s) wiederholt.— 19. 1
CB 888,17. CS). — 20. Attic. B 840, SS. -- 22. 1 (B 888, is. C8). - 24. S (B
888, SS. CS). ^ 26. £ (AB 888, ss 8, hier mit einer ErUftning sa einer Polybins-
stelle kontaminiert). — 27. £ (B 882, st; 8; in der im fäaflen Bekkerschen Lexi-
kon interpolierten £eihe ton X-(Mossen 213, is). Bei 8 koatamittiert mit einer
Glosse so TheophyL 8im. n 8. ...
330 Cl. Fredrich und G. Wentzel,
iYX^^®^^* oovstöc, i£&C töv voöv. G.
i^X^^*^*' ^T^o^ot. G. 5
i^X'^'^^P®^' fr|fY*^€ Yivooc. Gr.
&YX^^'^P^T^^' oootpafdvte^. ^ taxt!^ Imotpe^ölLsvoi. G-.
ä^X^'^^PC'^^' ^ T^^'c^v, 6 8(iopoc- Gr.
^TX^^' frmr^c. G.
^YX^f-^^^^' "^^ ^^^» "^^ ^TIP^ "^^^ 6|iaXoö. G. 10
äYcoYi)* ivaoTpofi). tpöicoc. ^ i^ xo|jli8i^. xal t& iYÖ|tevov ß&poc. Gr.
&Y(0Yi|ioc' Sywv. iYÖ|JL8V0?. G.
iYö>7Öv iicaxTixöv. G.
aYcoifooc' icpoito|iico&c* G.
ifcövlqc Sevofdftv (Cjnrop. 11 3,15) ivtl toö if^vt. G. 16
iY&va* xal tijv «pöc xo6< &y^v^C äoxiQOtv. G.
aY«2>v Svo(ia x6piov SyjXoI, »c Aoöptc (fgm. 75 M.) lotopei. otj-
(laCvei 5i xal t^v i^fiovlav xal t6 Sdpoio|JLa xal tbv vadv» Svda
id'polCoytai, xal zby tdicov, Sv^a i^polCstat tö 9cXi}d>oc. G.
i^Äva- xal "'Otiijpoc töv tdicov a&xöv <^ 273. * 260), 4v ^ iT«- 20
vlCetaL 9ooxt>2£8>]c 6 (50) * irpo«X^d>v eic t6v &Yd»va ivd^Tjos
töv T^vtoxov. G.
^Y&v oh S^x®*^^^ ox^<|)8ic' tittetat i^ ffapoi|i.(a xal fticl t&v
|iY]Siv iy>]oa|L6ya>v elc oxf^^^tv. G.
&Ytt>vtdlv* 'Iooxp&tt)c (15, 183.302) ivtl toö i^covlCeo^au xal &- 25
Yoovi&vtec* ivtl toö &Yo>vtCö|i*6VOi i a&töc« G.
Sycovoc* xata ox'^lt^^^^P'^^ ^^ ^^^ ^ &7<i>v. iicb 8i y^^^^^C i^X^
14. irpo(Airo6c. — 16. dycavtf. ^ 20. Tpdicov. — 23. ibvi)9a{jiviov. — 26. 26. d-
jovcöivTic] djttvcä^v. — 27. dySvoc.
1. 2 (B 832, SS S). — 2. S (B 332, ss. 8. Im fünften Bekkenchen Lexikon
interpoliert 213, u). — 3. 2 (B 332, ss GS ; in 8 kontaminiert mit Diog. La. VII 93
nnd einem Gitat aas Damaskios). — 4. Wiederholnng Ton 329, is. — 6. 2 (B 333, s
CS). — 6. Wiederholnng Ton 329, is. — 7. £ (B 333, lo. GS). — 8. £ (B 333, u
CS). — 9. £ (B 333,11 CS). — 10. £ (B 383, is CS). -> 11. £ (B 383, so CS). --
12. £ (B 383, 16. CS). Bei S kontaminiert mit der £-Glos8e dYaifiiAcov nnd einer
Glosse d7(«>Yt(iov* ftpö^nvov anbekannter Herkonft nnd im Casos an diese ange-
gUchen). — 13. £ (B 383, ss CS). — 14. £ (B 333, 84 CS). — 16. £ (B 333, is
CS). — 16. Attic. ? 8. — 17. Attic. ? Vgl. die Glosse des ftknften Bekkerschen
Lexikons 198, s. — 20. Attic AeD ? S. — 23. Sprichwort. Paos. ? Die andern
(8. Ap. I 26) dieselbe Glosse, aber aas paroemiographischer Qaelle. ^ 26. Harp.
(B 383, SS. S7. 8). * 27. Y^ HesycL
Anecdota ans einer athenischen Handschrift, 331
{iat(odi]. ootiec 'AXxaCoc 6 Xopixöc (f. 120) «oXXdxic ixP^^^^* ^*
&Y^^o^i^'>]^' i ^ '^o^^ oxii]yixo?c» &d'Xodit7]c 8ft 6 iv tolc
TOftvixorc. Gr.
&Y«bva' tJjv oovaifcoxijv. oSrcoc 'Aptoto^vijc {fgni. 927). G.
& 8 a Y |i ö c ' iiairfl^y Sirsp iotl xv7]0|itfc* oStcoc £of oxXi]c (TracL 6
767). G.
&8a€li<sai' tb xv^oai, o&x iv T$ 68a€i}oat. xaliSaxelv töxvi^deiv.
iSaxst Y&p aätoö töv £xV ixXi^ei t' isL
'Api<ito<p(&v>]c iv mxdoiv <fgm. 410). Gr. Et. M. 16, 4.
Sdao|ioc' o&Siv 8ao|i.6v ixtlvooca oiSk |i8p(Coooa Sao|i.iv xf^ 10
olxi^osoc* oStttc Alox&Xoc. G-.
SSdtS' iiitpov Tstpaxo(vixoy. o&reic 'Aptoro^vijc (fgm. 709). Q-.
Et. M. 16, 53.
&8eic Sioc tdoostai hA x&y ta |Ji^ ^ßspa foßooiiivcev. i) i-
o^poXic» o6 ^oßspöv. Gr. 15
&867]toc' 'Avtiföv ivtl toö ivtvSei^. &•
&86l|tayTa* ifoßa. G.
&8exdoteic' i(up(oTcec 8ixa(ttc, iSttpoSoxi^oc* öpdöc. G.
&86xaTs6tooc* &v o&x ävat^dsttai i^ SexArq tolc ^eoCc* G.
&88X9(Cttv' T& &SsXf<Sv Ttva icoxvc^c xal ^pawstmxä^c xaXetv. 20
oh II.ÖV1] 1^ xo(L(|^(a, iXXdt xal ol ^ijtopec tf Xi^st zabvq XP^^
tat. oSta>c 'looxpdrqc. (19, 80). G.
&8'y]|Loyelv' xopCioc ftiv iott tö iicopslv xal i|jii]xavelv iv ttvt
8i)(up i) X^P4* ^0(LT]poc. G.
& 8 "4 y * t&y iy t$ 0<&|i.aTi 7 6Y6y7]|iiyiey iotl toöto , f (yerat 8i xspl 26
ßooßfiöyac [ije loxEa Si] xal (ia^x^occ, xal ixt 6ic6 t&c oia-
7. Das zwischen T<{i und öiag^sai nötige <o> fehlt anch in GBS. — 8. 'x^pa
8, dxoi^pa B, d^x^f^ 0, d^ax^^P^ <^<>^* — ^0. 2xTc(vouaa G cod. — 14. fi)) G; OUL
cod. — 17. dSc^fMtta G. — 26. mp\ G, icapd cod. — 26. fy iox<a U fehlt in G ;
Glosaem an pouß«&vac*
2. Attic. B 888, M. S. Vgl. Hesych. — 4. Attic. — 6. Attie. B 842, st. Et
IL 16, 5 dftajfA^c xvY}Ofi^ vielleicht ans P; die Glosse fehlt awar in den Hdschr.
des Genninom (Flor., Sym. [Voss. Laur.]), ist aber anmittelbar mit der folgenden
▼erblinden, die eben dort erhalten ist — 7. Att. AeD? B 840, ss. S. Hes. ->
10. Attic. B 842, t4. Hes. — 12. Attic. B 842,86. Hes. — 14. Sprichwort Pans.?
Glosse auch bei S erhalten, der ans seiner paroemiographischen Quelle das Sprw.
seihet (dScic MwMii (<oc) einfügt. Die Paroemiographen weichen ab: schol. Plat
symp. 198 A. L m 18 = Granx 12. D I 16. DV I 18. Gantabr. Yallic. Nro. 10
» Yat. K I 9 = Vat 306 Nro. 9 = Greg. Cypr. F I 6 = BodL 20 = Greg.
Gypr. Leid. I 29 = Lanr. LV 7. Par. 2660 Nro. 26. 26 (Cmsins-Cohn 288. 267.
Nro. 26 interpoliert ans P oder 8?) Mac. I 27. Ap. I 80.— 16. Harp. (B 841,8).
Hesych. — 17. 2 (B 841, 1 GS). — 18. 2 (B 841, 4. CS). — 19. Attic. B 842, r.
Hes. (8 ans SchoL Ar. Eq. 801). — 20. Attic. Parallelglosse zu Harp. Hes. (?).
— 28. B 841, 6 (kontaminiert mit der £-Glosse dii^pwvAv). Hes. (kontaminiert).
382 C. Fredrich imd G. WentEol,
*Hpö)«tav6c. <I 15, 1. 16, 4. 639, 20. 19. B08, 13 Lentz).
S87)V* tö SXic. nXdt(i>y icoXXaxoö xi/pY^tai. ^ elc xöpov, Ixavd^,
ipxo6ytfoc. Iv Xap(t(8ig (153 d)* infsl S^ töv toiobtcov S8t]v
&8T]iLovddV' &7a>vU&y. G.
&8']^piT0c' S|taxoc* Gr.
aSTjfdYoc* a^pöcoc lo6(a>v, icoXo^dcYoc» ^aatpi^iapfo^. G.
a87)vi(oc' iicXfläc xal &TaXaiiC(opo>c» xoit& atipirjoiv t&v 8if]vi(AV xat
{tepi{jLyfidv. Gr. 10
iSTjf dfov ap|ta * tö tSXetov. Gr.
&Sif]fdYOi tpii^peic' al |irf dXai oStoK iX^YOvto {^ {^000011 T& )cXi]-
p(b|jLaTa ivteXi]. xal iSfitpA^fa SppLata' ta jj^iXa xal t^-
Xeta. xal iott it6icoi'y]|iivov iirö to5 S8v]v ioOisiv ^toi da^iiX&c- Gr.
kSritpÖLfOi tpii^psic* X^otvr' £v al IvtsXö|uo6oc xal iroXXa d* 15
vaXioxoooat, ix (tetafopAc tAv tsXsCiov xal dyttviotcl^y üimcioy.
'AXxaioc 81 iy t) iKM^SozpoL'^ifSlq (fgm. 21) to&c xötac
Xo^vooc dSijfdtYOoc «tiety. G«
&8i^aitoy' &9c4p^toy, &ffpa(860toy. G.
iSirjfdYOi* ^Yioytotal Tmcoi o&cok ixaXoöyto, &c 'Apioto^yi]c 20
<fgm. 736) xal ^^epexpdn]« <fgm. 197). iipt] Ü xal iSij^a-
Yoöoa £of oxXf}c (ßgj^' 886) xal &8T)^Y6ly ^Ep|ititiroc (fgm. 84).
dXXa xal ayff&fo'^ tlnt Aooiac (fgm. 39 Scheibe) r^v ttiisiov
|uodöy Xapißdcyoooay tptifp'y]. 'AXxato^ 8i 6 X(i>(ux6c (fgm. 21)
xal to&c icötac Xe^ofidycoc X6xvooc i8>]f d^ooc IfH] x^P^^^^' ^
4. x«pr^ ^* ^^l „ut literae obsoleviBse Tideantur in exemplo, onde hoc tr&ns-
scriptom est" (Person). ^ap(A.^7icl cod. — 11. dlT^^d'(o^ G, dSij^jcuv cod. —
12. Tüv G, om. cod. — 25. ndrac G, irtfSac cod.
8. Platonglosse. Boethos? Psendodid. bei Miller 400. schol. Plat. Cham.
163 D. B 841, 15. S. — 6. 2 (B 841, 6. GS, hier kontaminiert). -- 7. 2 (B 841, 0.
CS). ~ 8. 2 (B 841,9. CS, hier kontaminiert mit Harp. dlr^^oi xpci^pcic). —
9. B 841,». S. — 11. Attic. B 848, i6. Abweichend die Paroemiographen, in die
aach die folgende Glosse eingedrungen: B 85. Cantabr. Yallic Nro. 48 s= Yat. 806
Nro. 41 -> Yat K 181 (Cmsins-Cohn 288). D I 55. L* lYa 12 (Cohn 82). Appst
I 87. ^ 12. Ans dem fünften Bekkerschen Lexikon : B 208, 19 = 848, S7. Nicht
identisch mit lex. rhet Eiist. fgm. 848. In Wahrheit 2 Glossen : 4Si]7^yoc xpt^ptic
und a^^yot dpiioro. Die zweite hat auch Bes. — 15. Harp. (8 ; kontaminiert
mit der 2-Glosse i^ffdifo^ s. o. Z. 8). — 19. 2 (B 841, 7 CS). - 20. Attidstiscbe
Parallelglosse zu Harp. Hesych kontaminiert sie mit der Diogenianglosse , die,
kenntlich an den Ethnika, bis imXXd iatievt« reicht Yen da setzt bei ihm die
att. Glosse ein, die manches, z. B. die ArgiTor, wiederholt lex. rhet Eost
fgm. 843 berührt sich mit der Glosse nur in der Lysiasstelle , diese aber auch
sonst gewöhnlich: TgL Barp. PolL I 121.
Anecdota aas einer athenischen Handschrift. 333
xal ol foiivaottxol irap' 'Ap^eioic ootooc. XiYOoot 8d tivsg xal
töv Ispöv Xö^ov aSiQfdiYO^* ^*
&8(avtov* Sif]pöv, fißpoxov. i) fot&v «ap' 88aai foö{Levov» t6 xa-
Xo&iievov «oXöxptxov. G. 6
aStdfdopov S(ta>|LOV. X^fetat 8i iSiifdopov xal xb \Lifp:ui itst'
&v8p6c iraiSiaxdptov *{f^ov6^, &c MivavSpoc (fgm. 984). xal
|i'))v iSidfftopov t6 |i.ir]88{JLi4 &ffox6l(isyov ^dopej^, &c ÜXitcoy
iv Tcp «spl tpox'^c (Phaed. 106 d)* dicöts fi*)) tb iStdc^^opov
xal iMvatov oixetai. X^stat 8i &8iAf dopov xal xb (l-)) «apa- 10
X6XtvY)piyov tfj^ 6p*i)? Y^^P'-'^C» &c 6 aitö? iv Nöjiwvc'C^^^)'
aSia^Mpooc taic 8si)o60t dixdCsiv. «podYstai 6i i^ Xö4tc xal
imppif]|i.attxö^c, ok AIox^vtjc (1 137) fii]oiv, dSta^döpcoc. G.
aJtaltTjtoc' iXXdrptoc, ii^^Tjc. ö.
dSidxpttoc' dStaxcbptOTOc. XafJißdysTai 8& iicl tcdv (i'}) y^^^^^^^v l^S
td iiwxa {| dppövcoc fXoapo&VTfov. Gr.
d8taXfbß>]tov* dßXaßdc.
&8tdpdp»tov' So7]tiov, dtpdv<otov.
d8{aoXoc töiro^* 3^6V |i')] Soitv iiron^sX^slv. oot»c E&ptic(8'i]c
<fgm. 860>. 20
d8iafOpia* d(ji.dXeta x^P^^ irapaoipi^secoc.
d8idoTatov* t6 |iii]7co> 8i69t7]x6c |i'']8& 8tax»xpt|iivov, 'AvTt^v
<fgm. 144 Bl.) slicsv.
dSidßatoc* & pi'^ ^4^Ta>c >) i P^iqS' SXmc 8taß1)vat 8ovd|i8yoc.
dSid^Xortov* ff^ oox Soxtv 8taYX&<|)ai xal SisXd'slv. Xaßljv ydp 26
9T)otv £^XTov dStd^Xosctov.
d8idXXaxtov &x^P^v ^^(^^^^^^ 0^) ^^) ^^ ^ d8idicaooTOV
SsvofAv (Ag. I 4).
d8idXotoy* xb ii-f) 8iafd6tp6|i6yoyy d>c ÜXdtcoy iv t«^ icepl ^^^x^c
<Phaed. 80 b>. 30
i8tdotacov* a>c S6voffioy(?). xal t6 o\xo86\f»'fi\fjaL d8idotatoy. hfrq
8i nXdtttv iv Ti|ia{ip (25 D) xb dStepfibv^Tov.
9. S)] 0, om. cod. — 10/11. icapaxcxivr^fUvov O, mpl xcxcvi)fUvov cod. — 11. v^
(M»v G, vtf(ii|> cod. — 17. e6Xaßic. — 24. ^f9coc. — 81. ditttaicaviov vermatet Fredrich«
4. Att B 848,1. Hes. — 6. Attic. B 343,8. — 14. 2 (6 341,18 CS). ^ 15. 1
(B 341, u CS. Im fünften Bekkerschen Lexikon interpoliert 218, n). — 17. S
(B 841,14 CS). - 18. 1 (B 341,17 CS). — 19. Attic. B 343,81. —21. 1 (B 841, is
CS, hier Terbnnden mit Diog. Laert. VII 104—107). — 22. Harp. (B 841, tr S).
— 24. Attic? B 843,84. — 25. Attic? B. 844,17. — 27. Attic B 844,4. — 29.
Attic ? Platonglossar (Boethos)? B 844,18. — 81. Attic Neue Glosse. .
334 G. Fredrich und G. Wentzel,
iSCSaxTOc* Aif]|ioo6§V7]c hf tcp xat& MsiSCoo (21,17)* i8(8otXToc
iSixCoo* olov iSixifitatoc. Sott 8i Svo(i.a S(xir]?. iiroxlvvtycat 8i
Toöto oiTrXoöv, l&v icpb t^c ivvdt>]^ icpotavsla^ iicoSodf . el 8ft 6
|ii}, StirXoöv xaTaßdXXetai.
S81XOC 81x7)* 1^ Ix ooxofavtlac Ysvoitdvifj, &c Kpattvo^' ßote 8(-
xac 'c' iSCxooc vixav licl xdp86otv aloxpoig.
& 8 IX £00- 6I80C 8Cx7]^ 'A^v7)oiy oSto> xaXoo|idvY)c* dL8[xiov 8i tt-
vdc f aoi r))v licl tcp &8ixiij|i.aTi tidsfiivTjy C^Kttoiv. xal Y&p KXsl- 10
8if)|i.oc iv tf 7p(br)Q t&v 'At^IScdv ooto) yP^T^^' vöooo y^P
tote Al^tvi^Tat« 76vo|iiv7]c xal (iavt6uo(iivotc icpoyjvix^ "tö
&8£xir]|ia xal xats^vcbo^ iicl To&T(p tö &8(xcov.
& 8 IX (00 Xi^eTat 1^ 81x1] xata td»y djv iröXtv i8txo6vtf0y. t6 Skxt"
|it)|i.a a&ri]c ip^öpiöy latty &9cottyy6|ieyoy 8tiüXoöy. 15
&8ixo(lAX^^^ Tiricooc Seyo^&y (Cyr. U 2,26) to6c 8oair6t^ttc
X^6c. xal SExatoy Spfia xb e&irstd^c-
i8töpdo>Toy* Aif)|ioo06yif]c (IV 36)' iöpiota, i8iöpda>Ta icdyta.
&8ioffoy* Syapxoy xal i^ftXaxtoy.
'A8io&yioc taöpoc* 6 'AicöXXcoy &ic6 tc&y Kpif]T£^y oStioc X^y*- ^
tat. f aol Y&p ti)]y icöXiy (istoixlCoyta Ta6p(p TCttc elxaodivTa
icpoiQ^eiodat.
'A8|i.i]too Xö^oy* Äpx'i] oxoXtoö, 8 ol |i.iy 'AXxateo» ol 8i £aic-
90ÖC (Praxilla fgm. 3) ^aoiy.
&8oXeox(tt' ixaipla, fXoapta, ooy&xsia. 26
&8oX80X6iy* 07]|iaiy6i (t^y tb fiXooo^efy icspl te ^Soeioc xal to6
icaytöc 8iaX60XAtyoyta. ol (liytoi ip^atoc xca{uxoI Xsoxatvety
SXsYoy tb 8iaX§Yeodai, xal Xiox^^ ^^ töiroi, eU 06c ooytöytsc
Xö^otc 8tT]|töp60oy.
8. dS(xouc] dUxa^i verb. Ton Wentzel. — 11. vtxf : verb. von Wilamowitz. —
12. aiTw^Tttu ytvojjivotc : verb. von Wilamowitz. — 15. dicXouv B. — 21. ^ijal —
21. ictk.
1. Attic. 6 844,21. — 8. S (B 841,M GS). — 4. Harp. (B 841, m 8). —
7. Attir. Neue Glosse. — 9. Attic. ? Hesych. — 14. Ans dem fOnften Bekkerscben
Lexikon: B 199, Si (aasgeschrieben £t.M. 17,46). — 16. Attic. B 844,6. — 18.
Attic. Neue Glosse. — 19. Attic. B 844,8. 8. Hesych (ans diesem EtM. 17,44).
— 20. B 844,10. — 28. Paus. fgm. 14, erhalten bei Enst II. 826, ss = Hesych.
Die Paroemiographen weichen ab: Zen. I 18. Bodl. 19. Hes. 8. 'Aftfii^Tou fUXoc
Apost m 82. — 26. 2 (B 841, i9. CS , hier kontaminiert mit Bchol. Ar. Nnb.
1480 and Theodoret za Psalm 64, a). — 26. Attic. B 844, is. (YgL Phxynicbos
21, so B).
Anecdota aus einer athenlBchen Handsclirift. 336
iSöXcftc* toÖTO aY]{ialv6i xh &ick&^ xal iXTj^c- tb f&p &Xir]^
dicXoöv Tt xal Sv$o SöXoo iatl, t6 Si ^6ö8oc 9capaiceicXii]Y|xivov
xal SöXoo (teoTÖv.
i8ox[|taoTOc* 8oxi{iao^i}vat Xl^e^at tb elc SvSpac iTYpofijvai,
&8ox(|iaotoc 8^ 6 (iiijita) h(*(r(pa^j^0Qn oStioc AooLag (fgm. 6
73 Sauppe).
58ooXoc ßioc ipslC) xootdotiv 6 (i'i) 8oöXov $x^^* ^P^^^ '^ ^
&8tdiX6XToc ßto^ xal ar(ikaazoQ ßCoc xal S^aiioc ßlo^. ^pftvi^oc
Movorpöirq) (fgm. 18)'
8vo(ia 8d [io&ott Movdtpoicoc .... 10
^Gi Sk T{|i.(ovoc ßlov,
S^aiiov, SCoYOv, 6S6do|toy, &3cpöao8oy,
&Y^tt9^ov, &8idX8XToy, l8tOYyfb(U)va.
&8o&Xsotoc oIx£t7]c' 6 Syl 888ooX6oxa>c xal (i*}] icaXE|t«paTOc.
T9rsp6[8if]c iy tcp xatd IlatpoxXiooc ' i8o&X6t>Toy ^ ßdpßapoy 16
irptdo^o). X^si 8& xal xöy yo|if (oy 6 M^ay8poc.
S800X0C ipstc, a>c EhpinlS-ii^ (Androm. 693), &XXä xal &806X8O-
TOC9 &c TTTspelSiQc.
i8öv7jToy &adcXst)toy.
£80 €a* Ta xapdSo^a, ä oh% Sy ttc 8o(do6isy. 20
i8ö€aotoy' t6 iy^Xitiatoy. So^oxXiJc (fgm. 206).
S8o(oy- tö Sti|ioy, ü>c 'looxpdtiQc iy E&aföp<( (202 C) xal At](lo-
o^iyiQC 4y ^^tXwwctxotc (8, 66).
&8o€oöytat npöc tcäy icöXscöy* iyri too Ix i8oCl^ slol Tcapd
talc icöXsoty. oStcoc Ssyof üy iox>]lidTiosy iy t(p Olxoyo|ttx^ 26
(TV 2). yTjol Ydp • xal ^ap oX ^s ßdyaoooi xaXo6|L6yoi JÄippn]-
Tol ti sloi xal slxdtioc dSo^ooyTai icp6c td^y icöXecoy.
*A8pdoteia* 1^ NiftsoiCy i)y o&x £y Tic diro8pda6i6y. ol 8i ^aoiy
itipay elyai ri)^ Ne|iio6a>c» xal ol |i&y dir' 'ASpdotoo ^aol
tabrqy d>yo|iaodi]yai 30
12. Kvrfo^ auch B für df^ouXov. — 18. {Stai7vcS>fjLova. — 15. t6pcidiv)c: verb. Ton
Wilamowits. — 29. kxalpwi.
1. B 842, 1. 8. — 4. Harp. (B 841, ss. S). — 7. Attic. B 344, 89. Vgl Phryn.
25,14 B. — 14. Attic. Hesych. — 17. Attic. Neue Glosse, paraUel zu 885,7. —
19. 2 (B 341,86 S). — 20. Attic. B 844,87. Hesych. — 21. Attic. B 844,88. He-
sych. — 22. Attic. B 344,85. — 24. Attic. B 845,5. — 28. Bis dicoSptotiv ans 1
(CS). Von da an Paus. fgm. 15., erhalten Enst IL 855,88, Hesych. — Bei 8
kontaminiert mit einer Stelle ans Aelian und der paroemiographischen Glosse. Die
zweite S-Glosse = B 842,6 ans Harp.
336 C. Fredrich und G. Wentzel,
Der zweite, bei weitem umfangreichere Teil der Handschrift
verrät einen anderen Ursprung. Vielleicht ist er etwas später
geschrieben. Die Buchstaben sind größer (41 : 26 Zeilen) und flüch-
tiger^). Die Blätter 9 — 131 enthalten die G-rammatik des Moscho-
pulos, 132 — 162 die Sprichwörtersammlung des Zenobius (iictxotJL-J)
toäv TappaCoo xal Ai86|i.oo icapoi[i.twv) , deren CoUation sich in den
Händen von Herrn Prof. Crusius befindet, 162—- 176 die Stücke,
welche auch im Athous auf jene Sammlung folgen und mit ihr von
MiUer , Mölanges de litterature grecque S. 397 ff. ediert worden
sind: Ix td>v KXaoSEoo KaaiXuvoc rapa zol<; attixotc ^i^topot C'y]'(^oo|<i-
vcov (162 — 163), At86|i.oo icspl tc&v a7Copoo[i.^a>y irapa IlXdtooyi Xi^siov
(163 — 166), ZifjyoSfibpoo twv irepl oovTj^sia^ imto[ii] (166 — 169), Sootj-
tEvoo Tp07x6Xoo Tcspl ßXaGfY](JLid>v xal 9cöd>8V Ixäott) (169 — 171), Api-
OToydtvooc wepl TÄv Dnonteoo(i§vo>v (jl-J) slpfjadat (^p^o^at cod.) tele it«-
Xaioic (172 — 175) und ohne Titel unmittelbar anschließend das Frag-
ment, welches Miller (S. 435 f.) Sueton zugeschrieben hat (175 —
176). Rhetorische Schriften ohne Titel, teils vollständig, teils in
Auszügen füllen die nächsten Seiten. Voran steht Choiroboskos
icspl tpÖTTcov 9coiii]Ttx<Ay (176—179). An dieses Werk, dessen Schluß
etwas anders als bei Spengel (Rhet. graec. HI S. 265, 16) lautet:
.... xal xaX&c ißtcoos. npmov ^ap ßtot ttc xal 5otepov (oStcac cod.)
TeXeioötau xal olov tö xad' Stt Ißlcoosv iicA if^et' S^^opsv a&^tc: — i
schließt sich ein Absatz, der das nur noch von Herodian (irepl oxt]-
|j^to>v m S. 101 : tb Bk 'Ißoxetov xal Xdfeooc xal covid^ecbc iott, 7C-
veiai Sk Iv toi^ &7rotaxttxoic tpCtotc irpoacbicoic ^^v ^Tjii^tcov xara irpö*
odsoiv ti)c ot ooXXaßfjc« vgl. Bergk • frg. 9) erwähnte ox^H** 'Ißbxsiov
erklärt: Sri zb ^iXei, vost, Xi^et, ^^ipei* ^iXifjat, v67]ot, Xip]ot, fd^-
pypi o{ TnjYtvoi (^i^lve^ cod.) X^ooot. xaXsitat Sk xal ox'^P^ 'Ißoxetov
hieb t&y YpapLfiaTtxcäy , Sta töy (ieXo^roiöy StiXaS*^ Ißoxoy, fiXcpSiJoavta
toia&tiQ yX(ooox)« tb Sft Xdß'g xal X&XD 'c^ &ydoicdXXaxta (&vdT)ir6XaxTa
1) Von diesem Anderen Schreiber rühren auch wol die grammatischen Be-
merkungen her, welche die Ränder von Blatt I and 2 teilweise füllen und keinen
Bezug auf das Glossar haben. Auf S. 1 liest man z. B. a\ ^äp itpoBlouc {jirrd tSv
dindvccov ^Toc Twv ^|(jidT<uv xal töiv c{»dc(ttiv tcuv dvofirfttüv auvT((M(avai ^v ouvd^w
ctsl, |jLtTd (i Tüjv itXajCttiv iv napaft^ocu Auf S. 2 steht eine Auseinandenetzung,
welche beginnt: (ot^ov ^ti x^aplc tlai xaxtfvcc t^c öp&0Ypa^{ac* dvoXojCa ftco^cxtoc
irjfAoXoyta xal latopCa. xal divcXo^ta (liv lonv u. s. w. Dagegen gehört
zum Lexicon und der ersten Hand die Glosse, welche auf 8. 6 (also über dxpa-
<p{ou ' elSoc S(xT)c) so nahe dem oberen Rande steht, dal sie zur H&lfte abgeschnitten
ist: (d)5ox(|Aiov * toO xov^uXfou (xovfiijXfou cod.) xal t6 \^Jt[al^i], fAäXX(ov) hk r6 x^'
ptOTov (xnoT cod.), To taXa<(ictttpov).
Anecdota aas einer athenischen Handschrift. 337
cod.), ii J»v Xdeßif]at xal XA-zypty oh t&v T'yjifiviov (^qCvcov cod.)
clolv, iUa TÄv 'Icbvcüv. Es folgen (179—182) Tryphons Xdgßcoc
ffd^y Gregor von Eorinth «epl xpÖTcoiy (182 — 186), der Anonymus,
"welcher von Boissonade (Anecdota graeca III S. 285 ff.) veröffent-
licht nnd von Walz (Rhet. graec. VIII S. 779 ff.) und Spengel (m
S- 227 ff.) abgedruckt worden ist (186 — 188). Aber im Atheniensis
ist mehr von demselben erhalten, als man in jenen Ausgaben findet.
Von dem Vorhandensein einer solchen Fortsetzung in einer Ma-
drider Handschrift hatte Boissonade (S. 287, 8) aus Iriarte (Regiae
bibliothecae Matritensis Codices graeci Mss. I. Madrid 1769) S. 373
Kenntnis. Dieser sagt nämlich in der Beschreibung des Codex 95 :
(chartaceus manu Constant. Lascaris scriptus. fol. 91a. post Try-
phonis itepl tpöircov): anonymus nepl tpöiccov. initium: tpöiroc iotl
XdfiC ^ 9pdoic ^6icoiir)|idv7] ^ t8tpa|i.{i.dvii] iicö toö xopCoo iicl xb |ii] x6-
ptov. finis: ©rov oovexa töv Xpt>oir]v -^TCiiaosv apYjtfJpa ivtl toötov ipn]-
tf^pa Xp6(n]v. libellus hie pauciores tropos complectitur quam pro-
xime superior, nonnullos etiam diverses; atque ut auctoris caret
nomine sie et publica luce carere adhuc videtur. Gedruckt ist in
der That meines Wissens diese Fortsetzung niemals. In unserer
Handschrift ist das Stück, dessen Titel icepl tpöiccov der Matritensis
giebt, voll von schweren Corruptelen, aber es hat doch mehr von
dem Ursprünglichen bewahrt, als die Quellen, aus denen Boisso-
nade und Walz schöpften. So mag denn, auch des Zusammen-
banges wegen, das Granze hier stehen.
tpöico^ iatl Xd£tc ^ 7 pdoi^ ir6icotir](iiyif] ^ r6tpa(i(LlvY] inb toö xo-
pioo^) iicl zb |tY) x6piov xaxA Tiva Xd^ov sie SiijXa^otv e&icpsffsotipav. zb
ik 8vo|fca ^i]|iAtixiv a>c icapa zb X^y^ Xö^o^ ootcö *) Tcapa zb Tpte<o tpö-
soc* X^siai 8h zp6KQ^ l^a^coc' zb ixdotoo "i^^oc, xaM eStpoicöv ttva
xal xaxÖTpoffov Xd^oitsv '). xal OX'QP*^ XdYOO zb iv StoiXtxctx^, el i^|iipa
iotl 9 fttbc iotiv, &XXa (L'})v i^|i^pa iottv, fp&Q £pa iotC^)* xal 6 iv (lot>-
oix^ AMtoc» 4>p&Tio^' xal i^ hA icoXXolc^) zfi^ Stavoiac tpomf, xa^' 8
o7]|iacyö|i6Voy xal 6 noofrii^ töv'Ofioooäa icoX6Tpoirov efp-qxsv, olov SvSpa
|LOi Ivvsics Moöaa ^toXötpoirov (a 1), xal i^ altCa, Ste fa|iiv, tlva
Tp6soy Sicvoc Yivetai, xal tlva tpöirov ivaicvoi] ^). xal 6 iv tj) fpdosi.
1) dic6 xup^ou Atheniensis. 2) Ath. xal codd. 8) X^ytafAfv Ath. ^aiuv
codd. Tgl. Kokondrios ic. Tp<$iitt>v III S. 230 (Sp.) %a%* 8v xp^Tcov xax^xpoTcov xal xa-
xo^lh^i Xiyofjicv. 4) Ath. fiüc ^ativ dfpa codd. 5) Boissonade; ivX izMJrfi
Ath. codd. Kokondrios III S. 230 XiycTat U xp6i:o^ xal f) tpoir)) lirl icoXXd xal icot-
xOla T^c tiavo(ac> xa^' 8 or^ixatvdficvov xp^icot vüv erpr^vrau 6) efpi]xc oFov Ath.
c^xcv codd. 7) Ath. ^ afUv, T{va xp^Tcov dvaicvoi) codd. Kokondrios III 8. 280
338 C. Fredrich and 0. Wentzel,
*
sie 8v l(LffEict6i ^ itetaf Opa xal ta Xoiica tc^v tpoicixcöv dvo|idtcov. tpö-
icoi ii eloi icXstovec, Y^vcxcotatoi *) (Ldvtoi tdfiv Sx^vtec iS' itsca^opd,
xatd^ifjoic, oovexSoxni» |i.6Ta>vo|i.ia , iXXiQYopla, uicepßoXi), elpcovelai af-
viflia, Dicepßatöv, äLVToyo[iaoEa, avtl^paoic» |i8tdXY](|)ic , 9C67Coit]|jl6vov » dvo-
[LaTOTCotia, o6XX7]<|)tc.
slol 5' ooToi xoivol (liv xal tffi "yiiiet^pac oovYjdelac, iiriicoXdCooot *)
8ft iv ÄOtYjttX'j), Stö xal icofiittxol xdxXif]vtat'). icapeXiJy^oav *) S' oätuv
Ol |i&v xöo|ioo x^P^^' ^^ 'h P'^'^otfopi» 0^ 8& toö dva^xaCoo, &c 'J^ xatd-
XPTjotc
|t8xaf opd loTi X££tc &?cb toö xoptcoc (i>vo(tao{tivoo hf" Stspov &yo-
liao|i6vov^) |ist6Vif)V8Y(iivif] , dicö toö xoptoo licl c6 (i*)) x&piov*), {) 6|loii&-
oeoftc^) ^ i|i.fdoeo)c Svsxa* 6(ioi(üa8a)c ^ (liv, ^cdvtsc 8' iooelovro^
icöSsc icoXo^iSdxoo ""IStjc (Y 69) 8y ^dp Sx^ooiv ol icöSec iirl toö
a<&|j.axoc XÖ70V, TOüTOV licl toö^®) Spooc 1^ oiccopeia. l|JLfdoea>c 8^» tiIJv
8i Yovaixa eopov 8oif]y t' Speoc^^) xopo^njv (x 113). (Lsta^opi-
Xfl^ 7dp Spooc i^ox'))v slire ßooX6|i6voc l|if >)vai x6 (id'jfs^oc ti^c 'pvaixtfc*
Sti tfibv |iSTafop(ov al (liv '^) dicö icpd^scog elc ffpd^iv [uta^ipovcai,
al 8ft dicb oa>|iatoc ^^l o&|jLa* d?c6 |i&v oov oa>(iaTOC i^l Ofidita, ^k ^6,
Afac 8& icpcdtoc TeXaficovioc Spxoc 'A/atcov (ZB), dic6 8i spd-
(scoc elc icpdStv, &c ti o^aiveiv ^px^'^o |ii)xiv (H 324) dvTl toö
TiaTacxsodCeiv ' icpd^ic ^dp xal xh of aiveiv xal tö ßooXsosodat '*).
Su Twv |i*8ta^opä)V al (Aiv dvtioxp^oooiv, al 8i oS * xal ^^) dvnatpi-
90001 (iftv al toiaoraiy f^^Y^ato 8' i^vlo^oc v')f]6c xoavoicpctt-
poio'*), (Adespoton) xalfffwojv xoßspvTjtiJpec (Adespoton). I-
Xooot 7dp Ti*') jiioov icpöc dXXijXooc* 6 ftiv ^dp rJ]v*^) tÄv ?inca>y i€t-
d6v8i icopelav, 6 hk x^^^) tcdv vecAV. o6x dvtiotp^oooi 8& al toioorai,
vi^ooc t'ijy icepl icdvtoc dicelpttoc'^ iotsf dvoitai (x 196). i-
ote^av&o^ai ^dp srptjxe f^jv vi)oov dvtl toö xöxXco^sv irepippsio^t '^)9
Sitsp o6x (Sv) dvtiotp^^^ac eticot, Sti oti^avog i^|t«Äv xöxXcp r))y xs^oX^jV
ffspippel. tö Y^P totoötov f eXoiov.
xaXilTai U xal f| aitCa tptfno«* xotd to^o o&v C^TOufuv, t{vi Tpdmp iitiYfvmt Öiivo<
^ dvoicvo^, dvxl Tou t{vc aMf. 1) codd. Ttvtxi&Ttpoc Ath. 3) eodd. tior
icoXXdCou9( Ath. 8) codd. icocy)tix)2 x6iXi)Tai Ath. 4) Ath. irapcXtf^lhioav
codd. (nach Wals). 5) codd. (2>yo|iaO|Aiv(i>v Ath. 6) Spengel hält ^t
Worte dici ToO — x6piov fiUr einen späteren Zusats. 7) codd. 6fio{iDc Ath.
8) codd. 6}fco(a>otc Ath. 9) iotfovro Ath. Par. 1. 10) codd. tou« Ath.
11) c&pov tue ^üx* dpcoc Ath. Par. 1. 12) Ath. om. codd. 18) cbc ti ö-
^{vctv — ßoGXca^ac Ath. <uc x6 (>^(vc(v xo ßouXrScodat codd. Tgl. Gregor ▼. Vifh
rinth III 8. 217. Sp. t6 jdp b^aCvnv iirl xdiv 6^op.dT(üv rdoorrai xupfiDC» vuv
(i irl t^c xaxaoxtu^c t^c ßouX^c ttXv^TTcai, ähnlich Gregorios Choirob. III 8. 246.
14) codd. om. Ath. 15) codd. xuovoicpcupocc Ath. 16) codd. jdp t{ Ath.
17) T^ Par. 1. 18) codd. xouc Ath. 19) dtct^pi^xo« Ath. Par. 1.
20) codd. ictpipp«{a0a} Ath.
Anecdota aus einer athenischen Handschrift. 389
&xofföpa>v iicißaivd|jL8v, a?^' diXöc ?icicoi ') &v5pdoi Yivovtai'
«epöoot 86 fcooXov^) &f' o^pi^v (S 708). firicooc |tlv elpupce xatd
lifixa^opoEV TÄc vaöc' ßoicep fap licl ti}c T^C 8ia t^v finro>v 6xo&|i«^a,
oSxttc ^«l ti^c daXdooir]c 8ia xwv ve&v xoof iCö(i8^a. &|if ötspa 5^ ion
Y^ ' tddv |i^ Y&p ?icic(0Vy 6 (liv *) loti Xsoxöc, 6 Sk (liXac, ol Sft iXXoo
Tivbc XP^P^^o^' ^^^ ^^v vecöv^) S6 1^ (L^v^) iati tpinjpTjc, i^ Sl otpo^-
76X1]. al Sh divh elSooc ^l siSoc ^), o>c töv ietbv hd toö oxnjirrpoo Aiöc
x&va Alox&Xoc ^} (Prom. 1020) xoXsr. sISy] y^P ^ ^^ ^^^v xal 6 aetöc
TOD C<I^OO.
Siaxpipzi'') ik (Jietafopa xata^pi^osoic » Sti 1^ [liv (LSta^pa xatcovo-
|iao|iiyov Sx^i toöto, I9' 8 iieta^ ^petai ' olov xopo^'J] Spooc, t6 7ap xo-
pliDC ixpcbpeta Spoog* 1^ 8h xat^xp*')^^? ^icl &xatov6|iaaTOV tCdstai* a>c
&xl t&v 9rpoxsi|iiv(ov 9c64ic X^^^^ '^ av8piac Y^^^^^^^- %aI ^v |iiv r{)
|utaf op4 (teta^^psTai tö xbpiov, iv 86 rg (utaxpi^oei oäxdtt.
xb ") &ir8pßaT6y Y^vetat xata tpöicooc tdooapaC' Xi^si , XöYq» , voi^iJLaT^
Kpirf^ti. Xkisi |i6y odv, £v 8i x&cov X6f aXijv ts xal oSata xe[-
|L6Voc I0X6 (p 291) rb Y^P ^^"^C iv^ox^, XöYcp 8§, icdvtT] y^P irspl
telx^C 8p&pet *60«t8a6c') «öp Xdivov (M 177)* o& «öp
Xdtvov, ^ xal NsofftöX6|ioc iS£8dCaT0. yoi){tatt 8i, (S>c ifat * 'Ap-
Y6loi 8ft (t^Y' ^^X^^' ^1^7^ S^ yijec o|i.6p8aX6oy xoydß7]oay
i5odyta>y 61c' 'Axaid»y, {tödoy &icaiyijoayT6c '08DOof)oc
deloto*®) (B 333)* zb Yap SSfJc oBtcdc, &€ Syato, 'ApY«ot 8k ji4y' lax^v
|i5doy iiraiyijoayTec ^08oaoi)oc ^etoio* eita k^l Sk yf^sc o|i6p8aXioy xo-
vdßijoay &5odyT(oy 61c' 'Axai&y. 9cpdY(iati 8&, t&c (i'ky £pa dpd^^aoa
cexoöoi t8 irötyia itijtiQp ((i 134), äytl tod texoöoa xal ^p^<|)aoa.
ti 8i tocoöca oK ^aoiy slyai 6iC8pßatd' xobq y^P oo|i*icX8Xttxo6c ooy-
8fa|Looc obx Ix^ty^^) idfiy.
1) codd. aQ^* Tmcoc Ath. 2) codi icoXXf^v Ath. irdXcv Par. 1. 8) {aK
fotl 4) vijäiv. 6) tßouc. 6) aCo^uXoc. 7) Tryphon ic Tpoicmv
m S. 198: (caf^pct hi fitra^opd xal xard^pYj^ic, Jxt f) (xiv {xtra^opd dii6 xercovofAa-
CofAivou X^Tttai, Vj 5i xartf^P^^^ ^^^ xaTOvopiaCofUvou lid dxorov^fAaOTOv, £8tv xal xa-
to^pijoic XijrcaL Fast dieselben Worte gebraucht der Anonymus III 8. 208. Tgl.
Gregor ▼. Korinth III S. 217, Kokondrios III 8. 282. 8) 6. Auch in der
Handschrift ist durch starke Interpunktion der Beginn eines neuen Abschnittes
angedeutet Es folgt offenbar ein Stück aus derselben Abhandlung des Autors.
Jene vier Unterabteilungen des Hyperbaton führt auch Kokondrios III S. 238 aut
Phoibammon (III S. 48) kennt erst drei Namen. Mit zweien begnügen sich Try-
phon m 8. 197 und Gregor ▼. Korinth III 8. 218. Unser Anonymus hat die
Beispiele für den sweiten und dritten Fall vertauscht. 9) dtsmftti«.
10) 4f' drapTcI ol •— v^xoc fup^aXiov — inacvi^oavTt öSuaoatoc. 11) Ix«.
340 C. Fredrich o. 0. Wentsel, Anecdota aas eioer athenischen Handschrift.
bXSji fap tOD 6iC6pßatot) lati^) Soo, avaotpof)) xal &ff8pap&pio|JL6c.
ivaoTpof if) |xiv oov iott ') X££ic xoita |i.6TaßoX'j]v 6ffoxaooo|iiv)Q ') [Xfrf ti],
^v ^) &f siXe Tcpotdoaea^ai, olovTpcösc |tiv xXaYY*}! t' ivoicj) x' toav
Spvi^sc &C^) (r 2) &vtI toö &<, Spvi^sc. flvetai 8i ivaotpo^'ij xal
Sta icXeiövcov {tspcdv xoo XÖ700 ^) , &c vrapa So^xXsi iv SovSsdcvoic 1^
O^tiC icpic töv 'A^tXXda fif)ol' Xiiroöoa (i^v Nif)pir)C8tf>y &poooa
ff ö VT 10 V X®P^^^^> ^^ TO'P ^£'^C ooTO)^ iotl* ffövTiov ^opbv Xiicoöoa Ntj-
pY)lSa>v &poooa. f Sri {teta o& &vtI too irpöc oh xal icap' ^HoiöSip f ^.
Ylverai 8& avaotpofi) iv Tetpdoi (t^psoi XdYOo* äp^pcp» npodtosi, licippi)-
|LaTt, ot>v8^0|i(p ^). £p^p(|> (jLÖv 0)^ Tcapd xij) xo)|iix(^' 6|L'))v o|i6vat*
& ^^) (Pac. 1332) , t6 y^P i£^c iottv , oif^iv & 6|i§vai6. icpoddasi 86, (^
iici ffoXX' i|i6if7]oa (A 162) iicippn^iiaxi 8&, o&(8ä)Xl72v Xoicpi)
(y 243), 06 Xoicpa fap XCav. ooy8^0|t(|> {8k) Maooocif^tai^^) xal (ta-
xp6y öToT66ot6y^^ iic' £y8pa (Adespoton) iytl toö xal Maooa-
Y^rai. &?c6pap^pto{t6c 86 ioti fip^poo (tetd^eoic aic6 rijc ffp07]Xo6<n]c
td^scoc, 6r(8')i])8ä dirdpnjoig xal 6 6iLo>v&|to>g tip ^dvei ^') icpooaYopsoö|uyo<
6)C8papdpiO|töc. (dffdpryjoic (t^v ioti) Srav tö Spdpov {ietd toö 8i^^)
^cDpiCstai, oloy (ot) 8' 4p' foay 017*5 P'^vsa**) «ysCoytsc 'Ax«to'
(F 8) iytl TOÖ ol 8fe *^ 'A/aiol. o«epap*pia|iöc Si lott, 8tav tö fip^pov
Syeo (iDy8do|U)o x<^P^C'V]tat , o[ov ooysxa töy Xpooirjy "iJTliLiio' dpi]*
tijpa (A 11) dyrl (toö)*') töv dp7]ri)pa Xpoonjv.
1) iaxi. vgl. Kokondrios III S. 888 el^o; Ik u;ccpßaTou lortv f) dfcvaOTpo^VJ. Ti*
berios IC. ax^f^'^«**'^ ^^^ S* "^^ "^^ ^* Oircpßorov (t^w; y^vcxac, xatd icap<v0t9cv 1^ xard
dvaarpo^il^v. 2) isrl. 8) ÜTcotaaaofiivi} verbessert aus (ii:oTaoaofjiivo\>. 4) 9);.
6) oTov «L«c — xXayx^ x' 2va>ir^ — (u^. 6) Gregor v. Korinth III S. 218 diva-
orpo^)) li Itzi Xi^ti 9)v yji^ TTpoT^yctal^ai t^c oijfxatvofjivTjc Stavofac Sturipav i^ousav
Tct&v, Ivtoi 5i xal <iTt rXccövcov X^you fupu>v. 7) h^vt. ^op. a>p. NY]p. cod. verbes-
sert voD Wilamowitc. Dieses neue Fragment lebrt uns, daB in dem Stttcke, in
welchem A)riXXrN Sottpo« «X'vjOciic ^ta<p^pttai rpoc A7afU{Avova, auch Thetis .auftrat
vgl. Naack fr. trag. S. 161. 8) Die Worte ^ti — i)^a(oS<p scheinen eine in den
Text geratene Randglosse zn sein, deren Berechtigung man wiederum nicht ein-
sieht. 9) vgl. Gregor v. Korinth III S. 218; Tryphon III 8.197; Kokondriotf
III S. 289. Der Anonymus übertrifft in der Zahl der Arten der dvootpo^ alle
übrigen. 10) ictpl x. x. (>|a^v &pir|V di* ä». 11) auvict»(ä> (itT^Yrtac«
12) (Aaxpdv cod. verb. von Wilamowits. ot oxcuouv. 18) ycuci. 14) ft^.
15) olov i* dfp' faav oiy)) |Uvtxa. 16) oM, 17) V^xfiiaotv hat auch Matr.
In ihm soll nach Iriarte dvxl xourov geschrieben sein. Eine Vergleichong ist über-
haupt wünschenswert
Die letzten Blätter des Codex (188—203) sind mit kürzeren,
grammatischen und lexikalischen Erörterungen gefüllt. Nor we-
niges davon trägt einen besonderen Namen: <n]|L6(cooic, irddsy xal
ix tlyoy 8tdXtxtoi fsföyaoiy, ictpl xm iizkm ^tjitdtcoy, ictpl ßapßapio*
|toö, ooXXaßAy Sialptotc*
Florentiner Lukianhandschriften.
Von
H« GraereiL
Vorgelegt in
der Sitzung Tom 19. December 1896 von ü. v. Wilamowitz-Moellendorff.
Als Niccolo Niccoli, der gr5sste Bächerfreond des Quattro-
cento, starb und seine 800 codd. griechischer und lateinischer Au-
toren der Vaterstadt als Fonds einer öffentlichen Bibliothek hin-
terliess, waren 200 derselben in fremden Händen ^). G-ewiss wurden
die meisten von den Entleihern nicht nur gelesen, sondern auch
ganz oder teilweis abgeschrieben. Wie eifrig in jener Zeit in
Florenz und in ganz Italien alte Handschriften copiert wurden,
davon legen die Briefe der Humanisten Zeugnis ab '). Eine leben-
dige Anschauung von diesem Betrieb gewähren uns die Lukian-
handschriften , die in Florenz sind oder ehemals waren. Wir
muBsten dieselben durchmustern, da wir eine neue Ausgabe der
Lukianscholien vorbereiten'). Die Ausbeute an wertvollen neuen
Scholien oder Verbesserungen der alten war dort nicht überreich,
wichtiger ist, dass die Erkenntnis, welche wir durch die floren-
tiner Handschriften gewinnen, eine wesentliche Entlastung des
1) S. Voigt, Wiederbelebimg des dass. Altertoms I 8. 803.
2) S. Tiraboscbi, Storia delU letter. itaL YI Pars. I 8. 108.
3) Einige scholienlose Handschriften sind daher Ton nns onberücksichtigt ge-
blieben, n&mlich Laur. 11,18; 32,2i; 32,48; 57,«8; 57,46; 91, lo. Ein Urteil üher
die an erster nnd Torletzter Stelle genannten codd. erlauben ihre Lesarten zum
PertffrinuSf welche Lionello Levi, Stadi ital. di filol. class. IV 1896 8. 361 if.,
Teröffentlicht hat AU Quelle des Ton Johannes Rhosos geschriebenen Laor. 57, 4s Lnr. 57,^
ist daselbst der PaL 73 erwiesen, ans dem auch ganz Tereinzelte 8cholien in die
Copie herabergenommen sind. Von spftterer Hand ward dann noch das 8cholion
zn Amores % 1 Ae^ytifi/jg zugefügt. Der Laur. 11, is ergab sich als naher Ver- lht. 11,1t
wandter des PaL 174, ebenso der Laur. 57,88, ans dem Leri gleichfalls eine lmv. 57,,,
CoDation des Peregrmua bekannt machte. Die 8cholien dieser Handschrift,
welche i^ die Lexicologie Ton Bedeutung sind, sollen in einem folgendem Aufsatz
besonders behandelt werden.
K^ G«. d. W. HMhriektaB. Pldloloff^-Uflor. XImn. 1888. Htfl 4. 25
342 H. Graeven,
ScholiencorpuB ermöglicht Da unsere Darstellnng auf dieses Ziel
lossteuert, musste die grösste Kürze angestrebt werden. Wir
haben uns bei der Beschreibung der Handschriften auf das alier-
notwendigste beschränkt, wir haben überall, wo die Scholien zahl-
reiche Belege fdr unsere Ansichten über das Verhältnis der Hand-
schriften untereinander boten, nur die schlagendsten ausgehoben.
Am besten bekannt ist von den florentiner Lukianhandschriften
*co«v.foppr.77der cod. 77 Conv. Soppr., ehemals der Badia gehörig (<P). Nach-
dem ihn Furia teilweise verglichen hatte für die Ausgabe Fritz-
sches ^), hat ihn Yitelli ausführlich beschrieben und seine Lesarten
zum Piscatar veröffentlicht '), vereinigt mit der Collation desselben
tWÄu? Stückes aus dem Laur. B7, 51 (L) und dem Laur. 32. 18 (t).
Dass t eine Abschrift von L ist, liess sich aus dieser Probe be-
reits erkennen; den augenfälligen Beweis dafür erbringt eine in
t (fol. 203*) ausgelassene und am Bande nachgetragene Stelle
des Nigrinus § 25 di iatotpigeiv x&v &kX(ov il^LOi^öiv; oC dh iötsiö-
rsQoi, denn diese Worte bilden in L (fol. 95^) just eine Zeile.
Als t geschrieben ward, war L noch unverstümmelt. Ihm
fehlen seine ersten acht Stücke — der jetzt den Anfang bildende
Charon trägt die alte Zahl d — die beiden letzten Stücke und
ein Teil des vorvorletzten. Schon vom Traiecttis^ dem fünften
Stück ^, an ist t eine Copie von L, und in der Copie ist die
Reihenfolge des Originals strikt bewahrt; nur das Samnium (Nr. 9
in^L) ist in t ausgelassen, und das Judicium vocäliufn (L Nr. 6)
ist übersprungen , weil es schon an vierter Stelle aufgenommen
war. Aus welcher Quelle dies Stück und die drei vorangehenden
hergeleitet sind, vermag ich nicht anzugeben.
Den ursprünglichen reicheren Bestand von L giebt auch der
Lrar. 67. 1 Laur. 57.1 wieder, der ebenso wie dereinst seine Vorlage, mit dem
IVaiectus beginnt. Seine ersten 14 Stücke sind dieselben wie in
t Nr. 6 — 18, an fünfzehnter Stelle erscheint der Demonax (t
Nr. 40). Gerade daraus entnehmen wir , dass L gleich t mit dem
Demonax schloss , da sich auch sonst die Gewohnheit beobachten
lässt, am Schluss einer unvollständigen Copie, wie es der erste
1) S. Vol. I Pars. I, RoBtock 1860 8. IV.
2) Mu8eo italiano di cmtidUtä daniea I 1886 3. 16ff.; darauf renreiBen
RoBtagno und Festa im Jndiee dei codid gred Laur, etc., Stuäi üaUam di fUol.
dass. I 1893 8. 148.
8) FQr die Zahlangaben der einzelnen codd. rgl. uisre TabeUe S. 865. Wir
r Vti Gr. 90 haben in ihr die Reihenfolge des Yat Qr. 90 (f*) zu Onmde gelegt (Tgl. Roth-
stein, Quaest. Lncian. 8. 4 ff.), weil ihr entsprechend die neae Lnkianaasgabe ton
Kil^a-Schwartz, sowie onsre Scholienaosgabe angeordnet wird.
Florentiner Lntianhandschriften, 343
Teil des Lanr. 67.1 ist, das letzte Stück des Originals noch ab-
zuschreiben. Indess der fibrige Teil von L fehlt im Laur. 67.1
nicht. Nach 16 Stücken anderer Provenienz (Nr. 16 — 30) bietet
er (Nr. 31—43) die 13 Stücke , welche in L jetzt als 7—19 ge-
zählt werden , in der Reibenfolge des Originals. Sogar die alten
Zahlen der Stücke sind aus L bisweilen herübergenommen ^) , ob-
gleich sie in den Lanr. 67.1 nach jenem Einschab von 16 Stücken
nicht passen. Die Nr. 44 — 49 desselben cod. geben 6 weitere
Stücke des L in gelöster Ordnung wieder, einschliesslich des jetzt
verlorenen vorletzten (= t Nr. 39), die Nr. 62 — 66 repräsen-
tieren den kleinen Rest, der in L verblieb. Es folgen 3 Stücke
(Nr. 56 — 68) , die einem anderen cod. entlehnt sind , und zwischen
Nr. 49 und 62 ist der Herodotus (Nr. 60) und die Wiederholung
einiger Totengespräche (Nr. 61) eingeschoben.
Die intermittierende AusschSpfung des L erklärt sich am ein-
fachsten durch die Annahme, dass der Schreiber des Laur. 67.1
den alten cod. zweimal hat aus den Händen geben müssen —
vielleicht war die jedesmalige Leihfrist abgelaufen — und in der
Zwischenzeit Stücke, die, wie er wußte, in L nicht standen, anders-
woher eingetragen hat.
Eine weitere Benutzung von L läßt sich nachweisen im Am-
bros. A 218 inf., der offenbar in Florenz entstanden ist. Um ihnAmbr. AflisiBt
zu einem möglichst vollständigem Corpus der Lukianschriften zu
machen, mußten vier ältre Handschriften als Vorlage dienen. Zu-
erst kam der Laur. 67.13 oder ein direkter Abkömmling desselben
an die Seihe. Nachdem die 68 Stücke dieser Vorlage copiert
waren, ward <I^ herangezogen^. Aus ihm wurden zunächst seine
Nr. 39, 42 ausgewählt (= Ambr. Nr. 69, 60) und darauf ward
der Reihe nach alles aus 9 abgeschrieben, was die erste Vorlage
nicht geboten hatte (0 Nr. 14, 21, 22, 23, 28, 29, 31, 46, 49, 60,
1) Z.B. haben im Lanr. 67, i Muicae laud. (Nr. 82) and Sommum (Nr. 88)
die Ziffern k» ^ Aach die Briefe, welche in L dem AnachaniB angehängt sind,
worden in den Laor. 57, i herübergenommen, w&hrend t sie aoslieS. Einige dem
Laor. 67,1 eigentfimliche lezicalische Scholien sollen Eusammen mit denen des
Laor. 57, SS (s. S. 841 Anm. 8) besprochen werden.
2) Die Abh&ngigkeit des Ambr. von 4> war Rothstein nicht entgangen, der
ft. a. O. S. 11 AnsL 8 daran! hinweist, daB zor Zeit als der Ambr. geschrieben
ward) <t bereits die Ergftnzongen jüngerer Hand besaB. Die Abhängigkeit wird
aofs deatlichste gezeigt dorch ein Versehen, das dem Schreiber des Ambr. passiert
ist. Ein langes anediertes Scholion sa Vüarum auetio § 8 bricht im Ambr.
mitten im Satze gerade mit dem Wort ab, das in • das foL 88» beschlieBt; der
«af fol. 88^ stehende fieet ist im Ambr. fälschlich als selbständiges Scholion sa
las gesetzt
26»
344 H. äraeTedi
52, 54, 55 = Ambr. Nr. 61—73). Unter dem dreinndsiebenzigsten
Stück lesen wir die subscriptio tiXog iXiJSavSfog ^ il;evd6iucvt$g.
t& 6wtslB6Tf^ t&v xal&v ^B& %dQiv. Sie sollte jedenfalls den Ab*
Schluß des Granzen bezeichnen, trotzdem wurden dann (fol. 369 ff.)
noch aus L 4 Stücke angehängt (L Nr. 11 — 14 = Ambr. 74 — 77),
die ihre Herkunft uns durch die Scholien verrieten. Eine Eigen-
tümlichkeit von L nämlich sind die zu verschiedenen Dialogi an
den Band gesetzten Auszüge aus dem Grregorkommentar des Abbas
Nonnos ^), die im Ambr. wiederkehren. Woher dieser sein letztes
Stück (Nr. 78), den Ocypus hat, ist mir nicht bekannt*).
9 Lau. 67. 18 Der Laur. 57.13 (S) ist nächst O und L der älteste der floren-
tiner Lukiancodd. , eine Pergamenthandschrift des XTTT. Jahrhun-
derts. Er war, wie eine Notiz auf dem Schmutzblatt am Schlüsse
besagt (Georgii Antonii Vespuccii Tial r&v q>ikan/\ Giorgio Antonio,
der Onkel seines berühmten Neffen Amerigo, wird uns geschildert ')
als ^uomo assai dotto^ anche nel Crreco\ Nachdem er die Würde
eines Canonicus und Praepositus der florentiner Kathedrale be-
kleidet hatte, trat er 1497 als Dominikanermönch ins Kloster S.
Marco ein, dessen Bibliothek die Besitzerin seiner reichen Bücher-
schätze ward % Dort ist vor seinen Namen auf dem Schmutzblatt
ein fOlim' gesetzt.
Der cod. d gehört einer bisher unbeachteten Lukianredak-
tion an , von der nur ein ganz geringwertiger Vertreter , der
oveif. Gfnelferbytanus 18.1 quarto (G) bekannt geworden ist. Es ist
zu wünschen, daß der Text dieser Redaktion in einer besseren
^ v«t Gr. 1889 Handschrift, sei es in d sei es im Vat. Gr. 1322 {J) *) einmal ge-
prüft werde. Für die Scholien ist diese Handschriftenklasse
1) Pabliciert Ton Vitelli a. a. 0. S. 20.
Lmt. 67^ 2) Der einzige florentiner cod., der den Ocypus bietet, ist der Laur. 67,45,
der außerdem Tragodopodagra, Cynieus und de dea Syria enthalt Hatte der
Schreiber des Ambr. diesen cod. benutzt , hatte er üun wohl auch sein letztes
Stück entnommen.
8) Vgl. Tiraboschl, Storia deUa lett. ital. VI, I S. 215.
4) Vgl. Mehos, Vita Ambrosü Traversarii, in der Aasgabe von dessen Briefen
S. 71. Nach dem Bericht des Seraphinas Ractias , Chronicon Romanae Provin-
ciae S. 121, hinterliei Vespacci seine Bficher dem Kloster als Erbschaft £r
starb nach der Angabe desselben Gewährsmanns 1514, nach andern 1518. Doch
tragen seine codd. in der Bibliothek S. Marci teilweise die Notiz, habitos a Fratre
Georgio Antonio Vespaccio 1499. Daraas ergiebt sich, daß er schon bei Leb-
zeiten der KlosterbibUothek seine Schätze überwiesen hatte. Weniges von ihnen
hat sich bis aaf ansere Tage erhalten, zwei weitre griechische codd. seines Be*
Sitzes, jetzt in der Laarentiana, führen Bostagno u. Festa a. a. 0. unter D. Marci
Nr. 808, 816 aaf.
5) Vgl über ihn P. de Nolhac, La biblioth^oe de Folrio Orsini S. 173.
Florentiner Lokianlisndschriflen. 346
wichtig, weil der Redaktor aus vielen codd. Randbemerkungen
zusammengetragen hat. So danken wir ihm allein etliche Scho-
lien des Arethas und des sonst literarisch unbekannten Basilius
von Adada.
Die gleichen 41 Stücke, welche d enthält, kehren wieder in
Jy aber hier lesen wir das Eledrum nur einmal , und zwar an
achtundzwanzigster Stelle. An demselben Platze erscheint das
Electrum in d, aber auch bereits vorher zwischen dem Hercules
(Nr. 4) und der Muscae laudatio (Nr. 6). Dass der Redaktor ihm
den aohtundzwanzigsten Platz angewiesen habe, ist nicht unwahr-
scheinlich, da ihm hier zwei weitre rhetorische Stücke folgen, die
laudatianes Patriae {d Nr. 30) und Detnosthenis {d Nr. 31) ; anderer-
seits konnte durch die übliche Reihenfolge anderer codd. der
Schreiber von d leicht dazu gefuhrt werden, das Electrum an
fünfter Stelle einzuschieben. ^ hat also in diesem Falle die Re-
daktion ungetrübter überliefert 0-
An letzter Stelle finden wir in ^ den Philopatris, von dem
in d nur auf fol. 226^ der später durchstrichene Anfang erhalten
ist. Ihm gehen in ^ vorauf die Briefe des Anacharsis an Solon,
Hipparch , Medocus , Thrasylochus , Hanno , an den Konigssohn,
sowie der Brief des Abaris an Plalaris nebst seiner Antwort.
Diese Briefe und einige weitre treten in L und seinem Apogra-
phon Laur. 67.1 als Anhängsel des Lukianischen Anacharsis auf ').
Dadurch wird die Vermutung nahe gelegt, dass in unserer Re-
daktion ebenfalls der Anacharsis und sein Anhängsel gestanden
hat, aber im Archetypus von /J und 8 ausgefallen ist. Der kon-
servativere ^ behielt die Briefe bei, die in d als fremder Bestand-
teil eines Lukiancod. bei Seite gelassen sind, unsere Redaktion
scheint demnach 42 Stücke umfaßt zu haben, denn wir nehmen
zuversichtlich an, daft sie mit dem Philopatris schloß. Dies Stück
wird dem Redaktor, welcher der Entstehungszeit desselben *) gar
nicht fem gestanden haben kann^), verdächtig gewesen sein.
1) Im Ambr. steht das Electrum nur an fünfter Stelle, hinter dem Me-
nippus ist es fortgelassen. Dies ein Beweis dafür, daB der Ambr. aus d oder
dessen Abkömmling stammt. Eine Bestätigung dieser Thatsache liefern uns
etliche Fehler in den Scholien des Ambr. Z. B. in einem anedierten Arethas-
Bcholion zu Juppiter trag. § 88 hat der Ambr. nettiifyacd^ifog statt natarfaea"
fiivi](, das in d abgekürzt steht «crre^atfofil , femer hat jener ovp^itBtp^Qae^ai
statt 9viaM9^Q4huy weil in ^ das d eine kleine Schleife am Anfang zeigt, die
leicht für ein # gehalten werden konnte.
2) YgL 8. 848 Anm. 1.
8) Vgl. £. Bohde, Byzant Zeitschrift 1896 8. 1 if.
4) Der Btdaktor lebte sicher vor dem Xm. Jakihimdert , dem der cod. 4
846 H. Graeven,
Es muß eine o£P*ene Frage bleiben, ob d, der am Ende ver-
stümmelt ist, bereits die 17 Stacke, welche im Ambr. dem Philo-
patris folgen, enthalten hat, oder ob sie in einem Apographon des
d mit seinem Bestand vereinigt worden sind. Daß in Florenz
vor der Entstehung des Ambr. ein cod. mit dessen ersten 68
Biee. Stücken existiert hat, wird bestätigt durch den Biccardianas 26,
eine Pergamenthandschrift des XY. Jahrhunderts. Unter den 32
Lukianhandschriften desselben ist keine, die nicht dem ersten Teil
des Ambr. (Nr. 1 — 68) angehörte. Die ersten 9 Nummern sind
beiderwärts die gleichen, darauf wird im Rice, zwar die Reihen-
folge nicht mehr innegehalten, aber sie schimmert stets in den
einzelnen Gruppen durch ^), und als zweiunddreissigstes Stück er-
scheint im Rice, just das achtundfunfzigste des Ambr. £a ist
daher unzweifelhaft, daß der Rico, aus d, wenn anders dieser
jemals 68 Stücke besaß, oder aus seinem bereicherten Apographon
abgeschrieben ist. Der eine Teil der Schollen im Rice, stimmt
mit denen in d völlig überein, doch er wurde vermehrt sowohl
von erster Hand als von einer oder mehreren späteren Händen
durch eine Fülle von Bemerkungen, welche sich als Zusätze einer
späten Zeit leicht erkennen lassen,
s svppi. Biee'. Zum Ricc. ward später ein Supplement (S) geschaffen, das
meines Wissens nicht erhalten ist, doch können wir ein deutliches
Tom. Bild desselben gewinnen mit Hülfe des Yossianus (Is. Vossii cod.
Graecus Nr. 29), dessen Abschriften von Clericus der ersten Aus-
gabe der Lukianscholien ^ zu Grunde gelegt wurden. Dank der
Liebenswürdigkeit des Herrn du Rieu durfte ich den cod. der
Leydener Bibliothek in Rom benutzen. Die Copie, welche dem
Clericus vorlag, bestand aus zwei Teilen, die er nach dem Format
als Ms. in fol. und Ms. in 4 unterschied. Sie entsprachen den
beiden Teilen der Handschrift, die im XVI. Jahrhundert ange-
fertigt ist. Ihr erster, gröfterer TeU") stellte sich als eine Ab-
angehört. Seine Benutzung der Scholien des Arethas und Basflius lAftt Termutan,
daS er nicht lange nach ihnen th&tig war.
1) Vgl. Ambr. Nr. 18-16 = Rice. Nr. 10—18« Ambr. Nr. 48, 60, 61 »
Eicc. Nr. 17—19.
2) Luciani 8am. Opera ex Terrione S. Benedict! etc. Amatelodami 1687.
8) Durch Irrtum das Buchbinders ist der grössere Teil (nach der modernen
Z&hlung fol. 25—94) hinter den kleineren (foL 1—24) gesetzt Die alten Zahlen
lassen die richtige Reihenfolge erkennen: fol. 26—94 sind als Quintemionen e— i«
bezeichnet, fol. 1—24 tragen die Quintemionenzahlen iß^id. Was die Ursprung«
lieh zugehörigen ersten 4 Quintemionen enthielten, ist nicht zu bestimmen, üebri-
gens ist der Par. Gr. 8106, wie mir Preger frendlichst mitteilt, eine Copie des
grösseren Teils des Toss., Yielleicht die von Clericus benutzte Abschrift, sein
Florentiner Lnkianhandschriften. 347
flohrift der Scholien im Vat. Grr. 89 (V)^) heraosi der damals schon v v^t or. 89
in sehr defektem Zustand war. Zwar besaA er noch das später
herausgerissene Stück, welches den Peregrinas enthält % und etiiche
jetzt verlorene Blätter, aber es fehlte bereits der den Anfang
bildende Phalaris 1, und die Ränder waren vielfach angefressen
oder durch Feuchtigkeit verdorben. Gleich auf fol. 1* in dem
großen Scholion zu Phalaris 11 § 1 sCQÖievog sind manche Stellen
unleserlich geworden, ihnen entsprechend sind im Voss, jedesmal
Lücken angezeigt. So wird auf den ersten Blick die Abhängig-
keit des Voss, von V klar. Auch die Reihenfolge der Stücke in
Y ist vom Copisten beibehalten ; abgesehen davon , daß er die
Scholien des Sdoecista und Lexiphanes vor die des Phalaris II
gerückt hat.
In einigen Fartieeui die in V durch Blattverlust und Ver-
letzung der Bänder besonders gelitten hatten, griff der Copist zu
einem anderen cod. Z. B. die Scholien zu de mercede candudis im
Voss. I (=» Vossianus I. Teil) sind nichts anderes als eine Ab-
schrift aus dem Rice. Besonders significant ist die Bemerkung
zum § 42 etj. xiiy xißtitos sixöpu . Ixe^g (so die codd.) dl «Inipf iv
tA tiXst tov ßtßXiov. Sie ist von jüngster Hand in den Rice, ein-
getragen, veranlaßt durch den Umstand, daß in diesem cod. nach
den 32 Lukianschriften das Werk des Eebes steht'). Die Scho-
lien zu den vier Sammlungen der Dialogi und zum Menipptis im
Voss. I stammen ebensowenig aus V. Sie tragen ganz den Cha-
rakter der Scholien des Rice, und sind offenbar seinem Supple-
ment (S) entnommen.
Nachdem Rice, und S. im Voss. I bereits hier und dort zur
Ergänzung herangezogen waren, sollte der zweite Teil des Vossia-
nus (Voss. II) alles aufnehmen, was jene beiden codd. noch an
besonderen Scholien boten. Durch Unachtsamkeit des Copisten
ist es dabei zuweilen vorgekommen , daß aus Rico, und S einiges
excerpirt ward, was aus V bereits abgeschrieben war^).
Im Voss, n ward an erster Stelle S, an zweiter Stelle der
Rice, benutzt; auf fol. 15* beginnen die Scholien zu Calunmiae
Ms. in 4, denn der cod. ist 1658 geschrieben (s. Omont, Inventaire des man«
grecs m 8. 108).
1) 8. aber ihn Leri in der Aasgabe des Peregrüiui 8. 8^ Ed. Schwats, Beri.
PbiloL Wochenschrift 1895 8p. 196.
2) Vgl. unseren Aufsatz, Stadi italiani di filologia dass. V 1896 8. 99 iL
8) Die Tabula des Kebes ist auch in dem 8. 844 Anm. 2 erwähnten Laor.
67,45 den Lukianschriften angeh&ngt
4) TgL s. B. die 8cholien sa JuppHer eonf» | 8 iröv «69 itiil^^^ in Jup-
piUr trag. § 10 li|fi«, sa de BacrifieUa § 12 nB^i^^avt^im.
Um, 67. 29
348 H. Graeven,
fum est fernere credendum (Voss. 11 Nr. 82), und es folgen die Sehe-
lien von 19 weiteren Stücken (Voss. II Nr. 83 — 61) gemäß der
Ordnung, welche sie im Rice, zeigen. Die übrigen Stücke desselben
cod. boten wohl keine bemerkenswerten Scholien, und die zu
de mercede conductis waren , wie wir sahen , schon verwertet im
Voss. I. Wichtig für uns ist es nun, die Reihenfolge der Stücke in
S zu konstatieren, da wir aus ihr die Vorlagen des cod. mit
Sicherheit erschliessen können.
Fol. 1* des Voss. 11 setzt ein mit den Scholien zu den Dui-
logi dearum j denen die des Judicium dearum angeschlossen sind.
Darauf / kommen vereinzelte Scholien zu den Diälogi marini und in
reicherer Fülle die zum Cfiaran. In S stand der Menippus, dessen
Scholien indeß volUg in den, Voss. I aufgenommen sind, zwischen
beiden letztgenannten Stücken. Zum Beweis dafür dient Laur.
57.29, den laut der subscriptio Bartholomaeus Comparinus aus
Prato') in Florenz geschrieben hat. Er nahm 6 Lukianschriften
auf: Dicdogi deorum^ ludidum -dearum^ Dialogi tnarini, mortuorum^
Menippwt, Charon, Ihre Scholien gehen zusammen mit denen des
Voss, n, respective mit denen, welche im Voss. I nicht aus V ge-
schöpft sjnd. Es kann daher kein Zweifel sein, daß Comparinus
d^n Anfang des verlorenen S. copiert hat.
Die Anordnung der ersten Stücke weist darauf hin, daß als
Vorlage för S zunächst ein cod. der sogenannten ersten Klasse
B vind. 128 benutzt ist *). Ihr Hauptvertreter , der Vindob. 123 (B) hat z. B,
als 6. Stück Dialogi deorum, 7. Judicium dearum, 8. Dial. mar.,
9. mort.^ 10. Menippus, 11. Charon, 12. de sacrificiis. Auch in S
folgte auf Charon (Voss. 11 Nr. 5) de sacrificiis (Voss. 11 Nr. 6).
Noch zwei weitre Stücke des S. Piscator (Voss. 11 Nr. 7) und
Vitarum audio (Voss. 11 Nr. 8) werden derselben Vorlage wie die
vorangehenden entnommen sein; in B nimmt der Piscator die
zweite Stelle ein, die Vitarum audio stand gerade vor dem ÜAe-
torum praeceptor, mit dem jetzt der verstümmelte B beginnt.
Für die Stücke, die im Voss. 11 als 9 — 21 erscheinen, war
die Quelle des S ein cod. der ^^Elasse. Es wird durch einen
Blick auf die Tabelle deutlich , wie der Schreiber von S aus den
Stücken, welche jene Redaktion enthält, deren Ordnung immer
folgend, diejenigen ausgesucht hat, welche noch nicht im Rice,
standen (« Nr. 11, 12, 21—24, 31, 33—37, 42 — Voss. H Nr.
1) Compariniu copierte um U97 in Florenz und Padiuu 8. Oardthanseii,
Griech. Palaeographie 8. S15, Omont, Fac-ainülte de man. greos des XV. et XVL
Biteies Nr. 7.
2) Vgl. Bothsteia a. ». O. 8. 2«.
Florentiner Loküuihandschnften. 849
9—21), Ob die Stficke in d Nr. 10, 18, 26, 39 in S. nicht oopiert
waren, oder ob sie nur keine Scbolien boten, welche dem Schreiber
des Voss, der Anfnahme wert erschienen, maß unentschieden bleiben.
Dem dritten Teil von S ward dieselbe Handschrift zu Grunde
gelegt , aus der auch der erste Teil des Paris. Gr. 2954 *) (M I) M p«- »w
abgeschrieben ist. Wir haben in* M ebenfalls 3 Teile zu unter«
scheiden. Der letzte, beginnend auf fol. 184* mit den Worten
der Verae historiae 11 § 33 oS nQOSiöti^i TtQogyqtsiiatv , rührt von
altrer Hand her als das übrige. Sie hatte den Marc. 434 (A) AMwe. 4S4
abgeschrieben*) und gewiß eine vollständige Copie dieses cod. ge-
schaffen. Als später der Anfang der Copie verloren gegangen,
war, wurden zu ihrer Ergänzung zwei codd. herbeigeholt, und
zwar als erster ein cod., der nur entstanden sein kann als Supple- soppi. Tom si
ment von i2, denn er setzte ein mit den Atnares, dem Stücke,
welches in der gewöhnlichen Ordnung der zweiten Klasse dem
Schlußstück von Sl folgte, und er enthielt sämtliche Stücke, die
in Sl übersprungen waren (Phüopseudes j Didl. iftortm, Äsinus^
Imagines , de dea Syria » H Nr. 32, 7, 12, 10, 28.). Nach dem
Supplement von 52 benutzte der Ergänzer des M eine scholien-
lose Handschrift der zweiten Klasse und copierte daraus die
Stucke Phalaris bis zu den angegebenen Worten der Verae hu
stariae.
Aus jenem Supplement von Sl suchte sich nun auch der
Schreiber von S dasjenige heraus, was er noch zur Vervollständi-
gung gebrauchen konnte. Der Voss. 11 läBt auf den Philapairis
(Nr. 21), der noch dem cod. der ^^-Klasse entstammte, die Änwres
(Nr. 22) folgen, das erste Stück in M; die weiteren 9 Nummern
des Voss, n gehören alle den 32 Stücken von M I an. Charakte-
ristisch für diesen ist es, daß die Imagines (M Nr. 10) und der
Asinus (M Nr. 12) in die der gewöhnlichen Ordnung folgenden
Stücke eingedrängt sind, und zwar sind die Imagines zwischen die
Fugüivi (M Nr. 9) und den Toxaris (M Nr. 11) geschoben. Im
1) Eine sorgfältige Beschreibung von M giebt Vogt, De Laciani libell pris-
tino ordine S. 17 ff.
2) Schw&rtz a. a. 0. Sp. 227 hatte angenommen, daft auch der vorangehende
Tefl des M, vom Phalaris an, eine Abschrift Ton A sei. Dies scheint mir nicht
richtig zu sein. Die Abhängigkeit des älteren Teüs (M ni) von A dagegen wird
durch einige Schollen zur Gewilheit erhoben. Za Ctmvivium § 16 ft^oitivmei
etc. l&it M sowohl die Worte tijg efjg ^uücg ^ n^Ofxghm ans, als aach die
Worte Ma^ütg tlfg dtor^KOv «al. Jene fehlten in A, diese sind in A ent
später getilgt AoBer den Schollen erster Hand sind in allen Teilen Ton M solche
einer zweiten und dritten Hand. Jene benutzte einen cod« der Klasse des Vat
Gr. 89 (?), diese den cod. t^ als Vorlage.
860 H. GraeTon,
Voss, n wird der Asinus (Nr. 28) nnmittelbar nach den Fkigitivi
(Nr. 27) aufgeführt, wahrscheinlich standen in S der Toxaris und
die Imagines zwischen beiden, boten aber keine erwähnenswerten
Scholien'). Bestätigt wird die gemeinsame Abstammung des M I
und des letzten Teils von S durch das Scbolion zu Ämores § 6
imoyviov) imöyvov, iyyvxBQOv^ ^göötpcctov, vBoxftl yivdfisvov^ tb %Qb
dkiyov xal fi€i^ 6Uyov. Dies Scbolion, ein gekürzter Suidasartikel,
r ouait findet sich nur in M, in seinem Apographon , dem Guelferbjrtanus
Aug. fol. 86.7 (F) % und im Voss. U. An eine direkte Abhängig-
keit des S von M ist nicht zu denken, da jener manche auf alter
Tradition beruhende Scholien bot, die in M fehlen'). Also müssen
S und M I die gleiche Vorlage gehabt haben, eben jenes Supple-
ment des A.
Die Scholien bieten auch eine Grewähr für die Richtigkeit
unserer Annahme, daft im ersten Teil von S eine Handschrift der
B- Klasse, im zweiten eine der ^-Klasse copiert ist. Jedesmal
stimmt eine Partie der Scholien des Voss. IE mit denen, die in
jenen beiden Klassen überliefert sind. Die überschüssige Partie
darf nach Analogie des Rice, als Zusatz des Schreibers von S oder
späterer Besitzer des cod. angesehen werden^).
Noch eine Benutzung der codd. O und d bleibt uns zu be-
1) Die Scholien zu den Didl. meräricU in S waren schon in den Vom. I anf-
genommen, im Voss. II wird das Stück nicht mehr erw&hnt, und daher ist der
Platz, den es in S hatte, nicht zn ermitteln. Voraussichtlich war auch dies
Stück ans der Vorlage von M I geflossen, wo wir dasselbe als Nr. 7 lesen, wäh-
rend die codd. der B-Klasse, deren einem die übrigen Diaiogi in S entlehnt
waren, teüweise (wie B selbst) die Dial merdridi nicht besaSen.
2) Mit Recht hat Schwartz, a. a. 0. Sp. 1%, darauf hingewiesen, da£
ein groEer TeU des F aus M abgeschrieben sei. Für die übrigen Teile, besonders
für den Anfang, scheint der Vat Gr. 1826 (vgl. P. de Nolhac, a. a. 0. 8. 185)
oder ein Verwandter desselben ab Quelle gedient zu haben. Seinerseits ward F
als Vorlage benutzt für den Laur. 67.6 und zwar nachdem in F eine Blattrer-
Setzung eingetreten war (s. Vogt, a. a. 0. S. 28 Anm. 6). Auch für den Anfang
des Laur. Cony. soppr. 88 (s. Rostagno und Festa a. a. 0. S. 160) scheint F die
Quelle gewesen zu sein, wie wir aus der Reihenfolge der Stücke entnehmen.
8) Vgl. z. B. die Scholien zum PhOopseudea. Zu § 1 o^dlv 996g htog, § 4
Ko^oißov, § 9 Mcl 91^, § 18 na^ßtnivag, § 19 daiddlov^ § 81 Miog, § 82 MHfti
(uUU9f sind im Voss. II dieselben Scholien, die im alten Teil yon 0, im Par.
Coisl. 846 und Verwandten stehen.
Cmt« Mppr 88 4) Aus Rice, und S scheint der zweite Teü des Laur. Conv. soppr. 88 (s. oben
Anm. 2) zu stammen. Die wenigen Scholien, die er bietet, finden sich alle in
jenen beiden Handschriften, und er zeigt in der Anordnung der Schriften bis-
weilen eine aniEallende Uebereinstimmung mit denselben. Seinen Nr. 10^16,
27—29 entsprechen im Rice, die Nr. 20—26, 29—81, seinen Nr. 16—18 im Voss,
n die Nr. 9—11.
Florentiner Lokianhandschriften. 861
sprechen. Beide wurden herangezogen, als die Soholiensammlong
geschaffen ward, von der die CoUeetanea Gralei eine Abschrift waren, cou. oaid
Sie sind verloren gegangen, aber Solanas hat aus ihnen die Scho-
lien des Voss, vermehrt und verbessert^). Außerdem ist eine
Schwesterhandschrift der CoUeetanea uns erhalten im Ambr. C. 69 ^*'- ^ •^ "»•
sup. Die fol. 170 — 198 dieses Miscellancod., gesondert gezählt als
S. 1—67, bieten die gleiche Scholiensammlung wie die CoUeetanea,
hie und da etwas gekürzt^), vieles aber richtiger und besser'). So-
wohl im Ambr. als auch in den CoUeetanea wird einer der be-
nutzten codd. häufiger benannt als cod. Abb'*^ dessen Identität
mit 0y der ehemals der Badia gehörte, leicht festzusteUen ist^).
Femer nennt der Ambr. den uns wohlbekannten cod. D. Marci
qui fuit Oeorgii Äntonii Vespuccii und bemerkt bei den
Scholien zum Lexiphanes: iv dh t^ aytov fidfKov hniyQJupp oMlv
Ijv iugl kiSupivovß.
Die Bezeichnung des d als cod. D. Marci erlaubt uns einen
Schluß auf die Entstehungszeit der Scholiensammlung. Sie kann
erst entstanden sein, nachdem Vespuccis Handschriften Eigentum
der Elosterbibliothek geworden waren, was, wie wir sahen, ganz
am Ende des XV. Jahrhunderts geschehen ist. Auf dieselbe Zeit
weist die Anordnung der Scholien, bei der die Beihenfolge des
ersten Druckes, der fiorentiner Ausgabe von 1496, zu Grunde ge-
legt ist^). Noch etwas weiter herabzugehen zwingt uns eine
1) Solantu ist sehr inconsequent in der Anwendung der Siglen^ die Col-
lectanea werden von ihm bezeichnet als Exe. Gal., GolL Q&l., G. G., oder auch
als C. Beispiele der letzten Bezeichnung im Schol. Dial, mort. XI § 2 tlg KlQQaVf
Timon § 20 *T%iQß6Xa. C bedeutet bei ihm aber auch codex, allerdings dann
stets mit einem Zusatz, z. B. im angeftkhrten Scholion zu Tinum C. V. = cod.
Vossianus, Dial, deor, VII § 4 yyaydda CM = cod. manuscriptus, n&mlich der
Vossianus in diesem Falle. Was dagegen Diai» deor, Xin 1 ü^ütnov CM be-
deutet, ist ganz ungewiS.
2) 8. z. B. unten über die Auslassung des Scholions zu Haleyon § 1.
8) Gleich im ersten Scholion, zu Somnium § 1, fehlt im Ambr. das störende
h tf Jinaor/l^ta , nach JT^f^^f 4r( fügt er st h l6yoig zu und schlieSt damit
das Scholion. Den Rest und jenes störende Einschiebsel dürfen wir als Zus&tze
der CoUeetanea betrachten.
4) Z. B. die im Scholion zu Dial, mori. I § 1 *Endttig diütvov angegebene
Variante des cod. abb. findet sich in • wieder.
5) Eine sp&tere Hand fügte hie und da die Seitenzahlen der Stücke aus
der Aldina yom Jahr löOS bei; dag aber der Scholiensammler nicht diese, son-
dern die editio princeps benutzte, beweist das Fehlen des Nero am Schlüsse. Von
der florentiner Ausgabe weicht der Ambr. nur dadurch ab, daft ParaBUua und
de dea Syria umgestellt sind. Außerdem sind etliche Stücke übersprungen und
das Schol su de SaUatiione % S ^ii ^ai^ifr ist vor das übrige Corpus gesetzt
362 H. Oraeven,
lateinische Bemerkung, die sich sowohl im Ambr. als auch in den
CoUectanea findet und demnach dem Original angehörte. Am Schluß
des Scholions zu Lexiphanes § 3 kataystv xottdßovg, das aus O
stammt^), ist zugefügt ,De cottabo vide (require, Coli.) in fine
Plauti impressi Mediolani'. Gemeint ist die Ausgabe des ^Plautus
integer cum interpretatione Joannis Baptistae Pii* vom Jahre 1500 *),
welche auf fol. LIIII zum Trinummus IV 3,4 Erklärungen des
Cottabus enthält mit dem Citat gerade unserer Lukianstelle.
Die fiorentiner Lukianausgabe schließt mit dem Charidemus;
im Ambr. folgen ihm noch 6i6v<pog tj xegl roi) ßaöiks'ösö^eu und
&lxv(ov ^ X€qI ^€ta^0Qq>m6S(og, Die Erklärung dieser auffallenden
Laur. 69. i Erschcinung bietet der Laur. 59.1, ein Corpus Platonischer und
pseudoplatonischer Schriften. Da der Scholiensammler in seinen
Lukianhandschriften keine Randbemerkungen zur Halcyon gefunden
hatte, hat er dies Stück an seinem Platze zwischen Titnon und
Prometheus gar nicht genannt, am Schluß seiner Sammlung aber
fugte er dann die Scholien aus Laur. 59.1 hinzu. Nun geht in
diesem cod. der Halcyon der Sisyphtis vorauf, den der Scholien-
sammler ebenfalls für Lukianisch gehalten zu haben scheint. Ans
Versehen hat er auch etliche Scholien des Eryxius und Äxiochus^
die im Laur. 59.1 hinter der Halcyon stehen, als Scholien des letz-
ten Stuckes abgeschrieben. Das große Scholion zu Haicyon § 1,
das bisher nur durch die Coli, bekannt war, findet sich im Laur.
59.1, der Ambr. aber hat es bei Seite gelassen.
Von Wichtigkeit ist es, daß noch ein dritter cod. als Quelle
der Scholiensammlung namhaft gemacht wird. Am Schluß der-
Cod. Argyropiüi jenigen Scholien zum Lexiphanes^ welche aus O excerpiert sind,
werden im Ambr. andere angeführt unter der Aufschrift ixBQa
6%6Xia eig rbv XBlii,q>dvfiv ix toü ivtiyQdtpov rov igyvQOXOvkov^).
In den CoU.^) war auch der Name dessen angegeben, der den cod.
zur Zeit als die Scholiensammlung gemacht ward besaß. Er wird
Scipio genannt, und man möchte dabei am ehesten an Scipio For-
tiguerra denken, der sich in Carteromachus umtaufte. Der ange-
sehene Oräcist lebte lange Zeit in der Umgebung des Cardinais
1) In 4> ist das groBe Scholion über den %6ttaßog gekürzt mid in derselben
Fassang bietet es der Ambr. sowie die Coli.
2) Vgl. Ritschi, Kl. Phüol. Schriften II S. 58.
3) Vgl. über Argyropolos' Tiraboschi a. a. 0. VI Pars I S.29Bff. Voigt,
Wiederbelebung des class. Altert. I 870ff.
4) Zum Schol. des Lexiphanes § 2 &v(hi^ bemerkt Solan „recte haec omnia
legnntnr, at edi cnravirnos ex cod. Soipionis, qtii fnit Argyropnli, in Collectaneis
GaleaniB.
Florentiner LakumbandBchriften. 353
Alidoaio und nach dessen Ermordung 1611 kam er durch Ver-
mittlung des Colocci an den Hof des Cardinais Giovanni de' Medici,
des späteren Pabstes Leo X. Dieser bestellte ihn zum Lehrer
seines Neffen Giulio, den er zum Cardinal und Erzbischof von
Florenz gemacht hatte. Nicht lange sollte Carteromachus die
neue Stelle bekleiden, ein frühzeitiger Tod raffte ihn am 8. Oct.
1613 in seiner Vaterstadt Pistoia hinweg^).
Die Scholien, die als Excerpt der Argyropuloshandschrift im
Ambr. stehen, sind großenteils solche, die in keiner der erhaltenen
Lukianhandschriften wiederkehren '). Es sind indess Bemerkungen,
die jeder Gräcist der Humanistenzeit machen konnte. Sie werden
vom Argyropulos, oder wahrscheinlicher vom Carteromachus her-
rühren, von dessen Gewohnheit, die ßänder seiner codd. mit Be-
merkungen zu füllen, zahlreiche Handschriften, die in seinem Be-
sitz waren, Zeugnis ablegen*).
Der Wert der Schollen in 9, L, d u. s. w. läßt sich nur be-
urteilen, wenn die gesamte Ueberlieferung der Schollen untersucht
wird, ein Resultat aber ergiebt sich unmittelbar aus der obigen
Darstellung. Die jüngste Scholienschicht , die in den bisherigen
Ausgaben mitgeschleppt ward, können wir nunmehr, da wir ihren
Ursprung kennen, abheben. Der Weizen wird dadurch von einem
guten Teil der Spreu befreit.
Die Wertlosigkeit der unten (Anm. 2) angeführten Scho-
llen zum Lexiphanes, welche dem Argyropoluscod. eigentümlich
sind, ist einleuchtend. Das letzte derselben (zu § 23 Xdfufi . .
We) zeugt von der guten Belesenheit des Humanisten, der es zu-
fügte^), die übrigen sind Excerpte der bis zum heutigen Tag er-
1) Vgl. Fr. Zacharia, Bibliotheca PistorieDsis S. 24dff., Tiraboschi
a. a. 0. VI Fan n S. 154.
2) Die Schollen der ArgyropulosbancLBchrift sind zum § 2 ed. Jac. n 243
alt. äväfi^ (= Snidasexcerpt) ; § 2 S. 243,u itlri^ (= Snidasartikel , ist fälsch-
lich hinter das Torhergehende Scholion gesetzt); § 2 S. 24d,si o^ i^6ifmg (= altes
Scholion); §2 8.244,4 yp. yfj natifdlovsi S. 244,6 pQd%ava ([sie I] = Saidasartikel) ;
244,10 StavM^a^ (= altes SchoUon); § 3 8. 244,14 %a cilyri noivä Sanvrtt^ifuti
§4 8. 245,10 htite^öXme^ov (= Hesychartikel) ; § 7 8. 247,s t^laßfj ixokv t^it
%iif%09 yif. tdlaßfl'y § 8 S. 247,8 litvolißrig (= altes SchoUon); ib. hrkifint xo^
&9^Qa%a9 Y9. inhci{iMh\ % 13 8. 250.4 xifv^paUdn (= altes Scholion); § 19 8. 252,i7
funmofiir (» Etym. M) ; § 23 8. 255,ia %dQioi (= Plntarchcitot).
3) Vgl. die Zusammenstellnngen bei Nolhac a. a. 0. 8. 178ff., 382ff.
4) Andre Proben yon der Belesenheit des Humanisten (Carteromachus ?) lie-
fern die Schollen zu Somnium § 3 (s. 8. 354 Anm. 4), Nigrinus § 4, Dial, deorum
7 §2, de SoHoHone § 5, darin Aristoteles, Theophrast, Athenaeus, Philostrat,
HelladiuB Besantinus, d. h. dessen Excerpt beim PhotiuSi Eustathios dtiert sind*
3K4 H. Oraeren,
halteneti Lezica. Die Erklärung des Wortes ^ikyti als xoiv^
ie^nvriviiQuz ist eine üble wohl durch die Lukianstelle angeregte
Erfindung *). Da just diese Erklärung und einige der den Wörter-
büchern entnommenen Lexiphanesscholien auch im Voss. II sich
wiederfinden, müssen wir annehmen , daß entweder Excerpte des
Agyropuloscod. in die Vorlagen des Voss. II eingetragen sind oder
umgekehrt. Die codd. hatten auch sonst manche lexikalische
Bemerkungen gemeinsam, wie zu de Apophrade § 3 ^AgLfpQddvfv
einen Suidasartikel. Diese Uebereinstimmung tritt minder hervor,
weil Solanus nur selten angemerkt hat, wo die Coli. 6al. mit dem
Voss, zusammengingen. In weitaus den meisten Fällen waren
jedoch die Vorlagen der Coli, und des Voss, unabhängig von ein-
ander, aber ihre Scholien sind stets gleichartig. Teils sind es
grammatische Bemerkungen. So giebt zu Nigrinus §7 8iai»,vriiio-^)
vsiiov6i, der Voss II Sga tb diaiivri(iovs'6ov6i,v &g alttatixfj övvijifSVj
zu § 9 (liiivrfio die Coli, oga öfknahv rot) iiifivriöo. Teils sind
es Citate, die als Parallelen zu den Worten Lukians angeführt
werden. Zu Samnium § 3 igxi^ 8i rot ^ttfv navxhg wird in den Coli,
angegeben, daß der Halbvers aus Hesiod ') stammt und es werden
mehrere Stellen, wo er ebenfalls citiert ist, aufgezählt^). Zu
Nigrinus § 26 rcrOr' olfMU duiXtitpAg verweist der Voss. U auf das
13. Epigramm des Lukian. Die Mehrzahl der Scholien dieser Schicht
sind Wort- und Sacherklärungen, die aus den Wörterbüchern und
andern leicht zugänglichen Quellen geschöpft sind. Auszüge der
Lexioa bietet fast jede Seite der Ausgaben ^). Die Notiz der Coli,
über Trophonius (zu Dial. martuorum 3 § 1) ist nichts andres als
1) In r, der die Lexiphanesscholien nicht zasammengeklittert zeigt wie nnsre
Ausgaben, existiert kein Scholion zu üilyri. Die Handschriften, welche gleich den
Ausgaben die Scholien zusammengezogen haben, darunter der ehrwürdige cod. des
Arethas (£), geben üilyri Sl und dahinter eine Lücke. Hier hat kein mechanischer
Ausfall stattgefunden. Der Redaktor, welcher die Einzelscholien vereinte, wollte
offenbar eine Erklärung des eiXyri einfügen, und hat die Stelle freigelassen, weil
er die Bedeutung des Worts nicht kannte.
2) Der Zusatz zu dem Schol. PhcUaris I § 2 aMhaatoif, welcher beginnt mit
den Worten MaytevQog Sl, ist erst im Voss. II von spätrer Hand auf dem Bande
eingetragen.
8) Opera et dies 40.
4) AuBer Lukians ITermo^mii« (§3) wird genannt 'if^i^vor^iotr^ hdn^ßlfn^.
%tU noXitm&P niymtm (S. 1S08b.29). Die erste Angabe stimmt nicht, die Proble-
mata bieten das Citat nur im zehnten Buch (S. 892^80) d muft also aus / ver-
derbt sein, oder es hat ein Ausfall stattgefunden Iv d K^Hd'iuAv (S. 1096^.8) ual t>
IlifoßX. Doch es lohnt sich nicht, diese Scholien zu emendieren.
6) Am SchluB des Scholions zu Timen § 51 dyxiati^ findet sich im Rice,
die Angabe der Herkunft coo d. L Suidas, die im Voss II ausgelassen ist
Florentiner LnkiuihandBchriften.
366
eiii Aristoplianesscholioii (zu Nubes 508). Vermutlich hat es Scipio
Carteromachus erst dem Druck des Musurus entnommen. Das Scho-
lion über Titormus (zu de historia conscr» § 34) ist ein Auszug aus
Aelian Yar. hist. 12.22. Stutzig macht auf den ersten Blick die
Auseinandersetzung über das d'smgix&v (zu Timan § 49), welche
sowohl im Rice, als auch in F, hier von dritter Hand, steht ^).
Sie kann indeß sehr wohl auf Grund des betreffenden Harpokra-
tionartikels und der Vorrede des Libanius zu Demosthenes Olynth. I
von einem Humanisten geschrieben sein.
Die Beispiele zur Charakterisierung dieser Schollen schiebt
mögen genügen. Zu ihr rechnen wir alles, was im Voss, und in den
Coli. 6al. nicht auf alter Tradition beruht, die uns in den erhal-
tenen Quellen jener Scholiensammlungen reiner vorliegt. Wir
tragen kein Bedenken, bei der neuen Ausgabe der Schollen jene
Masse, die erst in der Humanistenzeit und zwar wahrscheinlich
auf florentiner Boden erwachsen ist, als unnützen Ballast über
Bord zu werfen.
Vat. Gr. 90. r
1. Phalaris I
2. Phalarifl 11
8. Hippias
4. Dionysos
5. Herakles
6. Eüektrom
7. Mnscae laud.
8. NigrinoB
9. Demon&x
10. de Domo
11. Patriae laad.
12. Longaevi
IS. Yerae hist. I
U. Yerae hist. II
15. Calamniae non t cred.
16. Vocalium iudicitim
17. GonTiTiun
18. Soloecista
19. lYaiectiis
20. Jappiter confatatns
21. Jappiter tragoedns
22. Oallns
23. Promethens
24. Icaromenippos
25. Umon
26. Charon
27. Yitamm anctio
t
L
Lanr.
57.1
«
Amhr.
d
Bicc.
Yoss.
II
1
18
2
19
19
21
44
2
19
8
20
20
22
20
4
37
88
14
42
16
5
8
8
8
84
21
6
4
4
4
17
7
5
6
5
19
8
32
47
6
6
6
85
20
10
84
8
7
7
7
36
40
—
15
48
49
16
22
12
36
9
47
15
3
22
10
29
80
20
11
22
22
12
56
12
53
24
46
57
13
54
25
47
21
11
35
1
1
1
1
82
4
7
31
14
61
37
27
47
18
18
25
15
89
58
82
51
5
—'
1
18
10
10
6
—
2
11
11
9
7
—
8
12
12
10
8
—
4
15
18
18
10
88
9
—
5
16
14
14
11
39
10
-i-
6
17
15
15
12
40
11
—
7
16
16
18
41
13
1
9
17
17
5
26
16
40
21
62
8 1
MI
1) Aus r hatte bereits Bast, Epist crit. S. 68, eine im Yoss II fehlende
Partie ergänzt Der Rice, hat das Scholion Tollst&ndig wie r, denn er ond sein
Supplement wurden eben von dem Homanisten excerpiert, dessen Hand in F
— als dritte zu scheiden — einige Zos&tze gemacht hat