INachrichten
äe^.«4» "• SSfeTvivs*
von der
K. Gesellschaft der Wisseuscliaften
and der
(xeorg - Aagusts - 1 Diversität
aus dem Jahre 1877.
Göttingen.
In Commission in der Dieterich'schen Buchhandlung.
1877.
r/O
/üoO
^'^i'i^ 61H738.
Man bittet die Verzeichnisse der Accessionen
zugleich als Empfangsanzeigen für die der kgl.
Societät übersandten Werke betrachten zu wollen.
Oöttlngren,
Dmck der Dietericbachen üniv. - Buchdrnokerei.
W. Fr. KaoBtfc^.
Xachricil ten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
17. Januar. Mk 1. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissensc haften.
Sitzung am 6. Januar.
Benfey: Ztvs FtUay.
— Karbara , oder Karvara 'gefleckt , scheckig' : Indo-
germanische Bezeichnung der dem Beherrscher der
Todten gehörigen Hunde.
Wiesel er, Archäologische Miscellen.
Zsvi Feliiov,
Von
Theodor Benfey.
§ 1.
Als ich den Aufsatz über jdjhjhaüs in diesen
Nachrichten 1876 S. 324 veröö'entlichte, in wel-
chem gezeigt ward, daß in den Veden die 'Blitze'
als 'Lachen' gefaßt werden , war mir der Zivg
Fflsbov, der und dessen Ugoxr^gvi in einer atti-
schen Inschrift erwähnt wird (mitgetbeilt in:
'Die Demen von Attica und ihre Vertheilung
unter die Phylen. Nach Inschriften von Ludw.
Ross. Herausgegeben von M. H. E. Meier.
1
i2 .
TT n ^QAR GS VIT— IX) keinesweges entgangen
Halle 184b. 0. vu a^; ,. yersucbung
augefocMen werden durfte^^^^^.^^ ^^^^
Doch hielten micn K'" 7,,,ammenstellung
Rücksichten 'on d.eser vol. n Zusa^^m^^^^^^^ ^b
nnd ^-«T'\'Z^Z\'^^r^.Ces'ies Blitzens
inuevte ich m>'=l>/<'"lf„ jSen Literatur; zwar
»;' ^^?'rU"meiiet ne «"g wenig Gewicht
wiitde ich aut f «"'" t^\. ,: 5° „ Studien schon
gelegt baten; denn ich bud es ^^^ ^.^ .^j^
seit so lang« /eit «""',.' deren yer-
Verlranen verdient; ""e'^ «""»J '^ keinem
traute Bekanntschaft mit <len M« ^^^
Zweifel unterhegen kann, bestall ten
„ein GeJächtniß mich in t.f daß dt Epitheta
täusche. Zweitens fand "^^ J'^'^^Verehrung
unter denen Zeus AHare hatte odev ^^„
genoß, stets in ^-er Wortform cheme ,^^^ ^^^^
die Sache, wegen der er vei tu 1 ' g. f.^nof,
ganz eigentlichen^ orte bezeichnen ^-^ ^^^_
%ß,.o,, pluvins <'ffl^^^^^Z7oJ,tl rendus
cur oder fulmen (vgl. 1 oucar 1
le l'Acad. des Inscr. \' B;^ ^„„^X oleinhch,
Es schien ra,r d'^''^^ »""^''Ihe Gewissermaßen
daß Z«'5 irgendwo «>»« "itaathc le fce
officicUe Verehrung unter e neu Na «onß ^^^^
ÄÄ Äerl^ÄlgV B.it.ens
Süt Lachen beruht ludte ^^_^^ ._^ .„.
„eJ^rSfurWortUi; war dessen Bc-
sprechung doch für die Aufgabe desselben un-
nöthig und hätte vielleicht sogar störend gewirkt.
Die Erklärung desselben stand mir jedoch schon
damals unzweifelhaft fest und ich erlaube sie
mir jetzt mitzutheilen.
Fskicav schließt sich augenscheinlich als Ptcp.
Präs. au das von Hesychius angeführte Verbum
yehly, welches er durch J.dftnetyj dv^etv (corri-
girt wohl mit Recht zu aX^tiv) erklärt. Dazu
gehört auch das ebenfalls bei Hesych. augeführte
sbst. yiXa-v, welches er durch avyi^^v r^Uov glossirt.
Xcifinety wird aber vom 'Blitzen' gebraucht,
z. B. Hom. II. XL 66
näg d' äqa xaXxM
Xtt}i(f\ agT* aifQOnr/ nargog Jioq aSytöxoio.
vgl. auch Aesch. Persae 167, Aristoph. Nub. 395.
Wir werden also iu Ztv; Fskscov unbedenklich
den 'blitzenden Zeus' erkennen dürfen.
Das Verbum yiXiia für ursprünglicheres
YiX-tidi oder yel-sjco ist durch den Zutritt von
ursprünglichem indogermanischen «/«, späterem
aya gebildet und hat die Bedeutuug eines Cau-
sale. Das primäre Verbum yeX entspricht dem
sskrit. jval 'flammen, leuchten' welches vom
'Blitze' gebraucht wird, z. B. Varähamihira Bri-
haijätaka S. 32.4 (im Petersburger Sanskrit-
^Yörterb. III. 169) und Adbhuta-Br. iu Weber,
lud. St. L 41. Die ursprüngliche iudogerm.
Form ist fßar; yel-tio oder ytk-irjo bedeutet
also wörtlich 'leuchten machen' = 'blitzen'.
§ 2.
Ob sich auch der attische Phylenname Fe-
ksovzsg daraus erklären lasse, ist durch sachliche
Gründe festzustellen, deren Aufbringung und
Würdiguug Aufgabe der classischeu Philologie
sein würde, nicht des Linguisten.
1*
Dagegen wird sich Jeder die Frage aufwerfen
dürfen: ob nicht in der That das lautlich dem
YsXsm so nahe stehende ^«A«« 'lachen' mit ihm
ursprünglich identisch sei, und zu dieser Frage
wird mau um so mehr gedrängt, wenn man sich
erinnert, daß im Indischen das 'Blitzen' und alles
'Strahlen, wie wir oben an dem angeführten Orte
der Nachrichten (iusbes. S. 329 ff.) gesehen haben,
mit 'Lachen' verglichen oder vielmehr geradezu
als ein solches aufgefaßt wird.
Vergleicht man nun Stellen, wie Hom. II.
XIX, 362
cdylti ö'ovQuvuv hs, ysXaoas öl näaa neql x^^^
XceXxov vno aisQonijg
'es lachte (= blitzte) die ganze Erde unter^ des
Erzes Blitz', oder Phrynichos' dxviiaiog dt nog^^fidg
iv (fqtx^ ysX(f (in der Pariser Ausgabe des Ste-
phanus* unter yfXdo) p. 552), dann wird es wohl
unzweifelhaft, daß das griechische reXdo) 'lachen'
und yfXsM 'stralilen' ursprünglich ein und das-
selbe Wort ist. Die Verbindung beider Bedeu-
tungen findet aber ihre Erklärung nur in der
Annahme, daß die im Indischen — speciell dem
Vedischen — bewahrte Vergleichung und Bezeich-
nung des 'Blitzens' 'Strahlens' mit und durch
'Lachen' schon in der Indogermanischen Zeit
herrschte und bei den Hellenen, ehe sie ganz
außer Gewohnheit kam, so mächtig war, daß
yeX in reXäco seine ursprüngliche Bedeutung
'leuchten', dadurch ganz verlor und die Bedeu-
tung annahm, welche durch sehr häufigen Ge-
brauch des Vergleichs in ihm iibermächtig ge-
worden war, gerade als wenn bei uns durch die
Wendung 'sein Gesicht strahlt', 'es strahlt vor
Freude' das Verbum strahlen die Bedeutung
'sich freuen' annehmen und diti^'eigentliche 'strah-
len' verlieren würde. Zur Herbeiführung des
Verlasts der Bed. 'blitzen' iu yeldat wirkte na-
türlich insbesondere der Umstand mit, daß sich
andre, z. B. vor allem als fast technisches Wort
doiodnxb) in dieser Bed. geltend machten. Nicht
unmö^^lich wäre auch, daß sich, wie in den
Sprachen so oft geschieht, wenn ursprünglich
gleiche und nur phonetisch diflFerenziirte Formen
sich neben einander erhalten (vgl. die Abhand-
Inng: über das Zahlwort du, in den Abhudlgen
XXI. 3, S. 6 flF.) die beiden Bedeutungen 'leuch-
ten (strahlen)' und 'lachen' einst durch die Dif-
ferenziiruug von gval-aia oder gval-aya zu y<Aa«
und YsXibü von einander schieden und die erstere
nur ysXiia verblieb, yfldco dagegen die letztre
allein annahm; nachdem dieser Zustand vielleicht
einige Zeit geherrscht hatte, wurde dann ysA«'«
durch Xcifinu), daigdmut u. aa. ganz verdrängt.
Das Griechische bildet dann gewissermaßen
iu diesem üebergang einen Gegensatz zu dem
Indischen; während in letzterem smi 'lachen' m
^iniamäna Rv. II, 4,6 die Bedeutung: 'blitzen'
u: _.>nommen hat, hat das Griechische Yf)Mtüij
tiiit-ntlich 'leuchten macheu' = strahlen, blitzen,
uit'se Bed. nur in yeksco bewahrt, in yfXdio da-
gegen die Bed. 'lachen' angenommen; ein bedeu-
tender Unterschied liegt jedoch darin , daß im
Sskrit ^smi' seine eigentliche Bed. 'lachen' be-
wahrte , das Griechische dagegen in ytXdu) die
Bed. 'leuchten machen' ganz eingebüßt hat.
Ist diese Auffassung richtig, und ich glaube,
daß sich vernünftige Gründe dagegen nicht auf-
bringen lassen, dann ist yelsm sowohl als yfldut
zu grdsprchl. gvar ^ neben sskr. jval zu stellen.
Beiläufig erinnere ich daran, daß ich schon
vor fünf und dreißig Jahi-en auch dydXJ.M (im
Griech. Wurzellex. II. 342, Z. I v. u. ff.) zu
sskr. jval gestellt habe. Freilich habe ich da
mit Unrecht das anlautende d = sa gesetzt.
Es ist vielmehr ein y davor eingebüßt, wie in
sysigoo für ysyetgco^ welches ich schon in demsel-
ben Werke IL 128 so erklärt habe. Die Ein-
buße von anlautenden Consonanten in der Re-
duplicationssilbe , von welcher ich nicht wenige
Beispiele in meinen Schriften aufgeführt habe,
ist Folge des Dissimilationstriebs, welcher sich
gerade vorzugsweis in der Reduplication, sowohl
im Sskrit als Griechischen, geltend gemacht hat;
äyaklo verhält sich zu dem sanskritischen jä-
jvalya, grundsprachlichem gagvaria, sowohl in
Form als categorischer Bedeutung (objectiver
statt subjectiver), genau so wie iysiqo für syiQio
sich zu grundsprachlichem gagaria, welchem sskr.
*jägriya für jägarya entspräche, verhalten würde.
Danach ist es ein Intensiv, aber älterer Art,
weil noch ohne Dehnung des Vocals in der Re-
duplication , also identisch mit den durch Redu-
plication gebildeten Präsensthemen , welche aus
den alten Intensiven hervorgegangen sind und
in der Bildung wesentlich übereinstimmend mit
tnaivo aus u-rav-io. Die etymologische Bedeu-
tung von äyalXo ist 'sehr leuchten machen'.
Es • versteht sich übrigens von selbst , daß
nicht vor jedem anlautenden Vocal , welcher
sich durch Vergleichung der verwandten Sprachen
als nicht der sogenannten Wurzel angehörig er-
giebt, und eben so wenig als grammatisches
Bildungselement, der Abfall oder Nich teintritt
eines Reduplicationsconsonanten anzunehmen ist.
Es bedarf für jeden Fall, welcher hieher zu ge-
hören scheinen könnte, einer speciellen Unter-
suchung. Im Allgemeinen kann man jedoch sa-
gen, daß jeder Vocal der Art, welcher vor grund-
sprachlichem r = griech. q ujid ^, grundsprach-
lichem m und Vy so wie s rfftt unmittelbar fol-
genden Consonanten erscheint, das Präjudiz für
sich hat, rein phonetisch entstanden zu sein,
vor r (?) aus dem vocalischen Element, welches
in r liegt, vor m und v aus dem Vocal, welcher
die Bildung dieser Laute gewissermaßen einleitet
(vgl. z. B. grdspr. rudhra s-qv^qo, roth, grdspr.
riidh = i-Xv9^, kommen, grdspr. marg = dykfQYy
äfiiXy . 6-^OQy-vv, wischen, grdspr. visva =
s-^l<yo, siao. In allen andern Fällen, vielleicht noch
n' und anlautende Doppelcousonanz überhaupt
ausgenommen, ist das Präjudiz dafür, daß ein
Reduplicationsconsonant vor dem Yocal einge-
büßt sei, z. B. ötQvvo) ein von einem aus grdspr.
/«>•, durchdringen , vermittelst des Ptcp. Pf. red.
(tafarvans) entstandeneu Adj. iotqv für tataru
'sehr durchdringend = eilend' (vgl. die Bedd.
des sskr, tar)^ abgeleitetes Denominativ: eilen
machen = antreiben. Doch ist, wie gesagt, je-
der Fall auf das genaueste speciell in Erwägung
zu ziehen; derartige allgemeine Principien kön-
nen höchstens als erste Directive bei der Unter-
suchung benutzt werden und erweisen sich nicht
selten irrig. So ist z. B. griech. dftßXv, stumpf,
trotz des auf a folgenden /* und der dreifachen
Consonauz wesentlich wie otqv entstanden, näm-
lich aus dem grdspr. Vb. mru = sskr. mld
'schwach sein', reduplicirt mamrct, Ptcp. Pf. red.
mamrdväns, daraus Adj. mamrü = a^Xv mit pho-
netisch aus /* entwickelten ß dfjßXv.
Schließlich erlaube ich mir noch auf die Ue-
bereinstimmung des Griechischen mit dem Sans-
krit in Bezug auf das J in yiX = jval aufmerk-
sam zu machen. Es ist einer der unzähligen
Fälle , in denen das Griechische sachlich (z. B.
in Religion und Mythologie) und sprachlich mit
dem Sanskrit übereinstimmt. Schwerlich erklä-
ren sie sich durch den fast gleichzeitig frühen
8
Anfang griechischer und indischer Cultur. Wenn
ich noch jung wäre, würde ich es für eine der
wichtigsten und großen Erfolg versprechenden
Aufgaben halten, eine alle diese gegenseitigen
Beziehungen im Griechischen und Sskrit sam-
melnde und genau erwägende Untersuchung aus-
zuarbeiten.
Karhara oder ^ar^'ara 'gefleckt, scheckig':
Indogermanische Bezeichnung der
demBeherrscher derTodten gehörigen
Hunde.
Von
Theodor Benfey.
Als gabäla 'scheckig' werden Rv. X. 14,10
die beiden Hunde bezeichnet, welche im Dienste
des Yama^ des Herrschers der Todten, stehen.
Damit man ihr Wesen einigermaßen aus dem
Original kennen lerne, (vgl. jedoch Muir,
Original Sanskrit Texts V .294 ff.) erlaube ich mir
die drei Verse, 10—12, = Ath. XVEI. 2,11—13,
in welchen sie in diesem Liede geschildert
werden, im Text und Uebersetzuug mitzutheilen.
Es ist ein Todtenlied oder Todtengebet, vorge-
tragen bei der Bestattung, und die drei Verse
sind an den Verstorbenen gerichtet ; sie lauten :
"äti drava särameyaü 9vä'nau')
caturakshaü 9abalau sädhünä patha' |
athä pitri'nt suvidaträw üpehi^)
Yamena ye sadhamä'dam madanti || 10
• 1) Zu lesen ^ud^nau. ^
2) Ath. üjnhi. *^
yaü te ^vä'nau ^) Yama rakshHä'ran
caturak«haü pathiräkshi nricäkshau*)
ta bhväm euam ') pari dehi räjant
svastf cäsiua anamivam ca dhehi || 11
urünasaü asutnpä udumbalaü
Yamäsya dütaü carato jäuä«» änu |
tav asmäbhyam drigäye sü'ryaya*)
pünar dätäm asum adyehä bhadräm || 12.
10. Eile vorüber an den beiden Hunden,
den Sprossen der Saramä , den vieräugigen,
scheckigen auf dem guten Pfade (d. h. dem.
welcher zum Sitz der Seligen, dem Himmel
führt; der Sinn ist: mögen dich die beiden
Hunde, welche den Bösen den Weg zum Himmel
versperren , nicht von diesem zurückhalten) ;
dann geselle dich sogleich zu den Vätern als
huldreichen (d. h. die du als dir günstige
huldreiche finden mögest), welche mit dem Yama
gemeinsamer Freude sich freuen (d. h. welche
an der Tafel des Herrschers der Seligen mit
ihm zusammen schmausen).
12. Welche beide Hunde, Yama, deine
Wächter sind, die vieräugigen, den Pfad (zum
Himmel) bewachenden. Männerdurchschauenden
(d. h. wissend, ob sie verdienen in den Himmel
zu gelangen, oder nicht), diesen beiden übergieb
ihn zum Schutze^), (d. h. daß sie dafür sorgen,
1) Zu lesen cud'nau.
2) Ath. pathishiidt nricakshasd.
3) Entweder zu lesen tdbhidm, oder der erste Fuss
dreisilbig | —vv— \ v ; Ath. tabhyam. rdjan
pari dhehij enam svasty dsmd.
4) Zu lesen : suridya.
5) Vgl. paridd und pariddna (im St. Petersb. Wtbch.
IV. 528) das Sichüberlassen der Gnade oder dem
Schutze eines andern. Man kann auch an die 3.
Bed. von pariddna, Wiederabliefer u ng eines Pfan-
10
daß er glücklicli in den Himmel gelangt), o Kö-
nig! und spende ihm Heil und Leidlosigkeit.
13. Die beiden breitnasigen, unersättlichen,
feigenfarbigen, wandern als Boten des Yama
umher unter den Menschen ; sie beide sollen
uns geben heute auf Erden wiederum ein glück-
liches Leben: die Sonne zu sehen (d. h. nachdem
wir durch den Verstorbenen in Trauer versetzt,
soll uns durch des Yama Boten fortan wieder
zu Theil werden , freudig zur Sonne empor-
zublicken).
Daß diese beiden Hunde dem Wesen nach
innigst verwandt sind mit dem griechischen
KsgßsQO? ist schon lange von Weber erkannt (In-
dische Studien H. (1852) 298); auch schon
— und zwar im Wesentlichen richtig — der
griechische Namen als identisch mit gabcäa nach-
gewiesen (vgl. meine Anzeige in den Gott.
Gel. Anz. 1852, Januar S. 134). Wenn ich mir
trotzdem erlaube, diesen Gegenstand einer noch-
maligen Behandlung zu unterwerfen, so geschieht
dies einmal, weil diese Identification nirgends
Eingang gefunden hat , z. B. weder bei Grass-
maun, noch bei Fick, ferner weil sie mir in der
That auf etwas andre Weise angegriffen und
erwiesen werden zu müssen" scheint, als dort
geschehen ist, um in dem Indogermanischen
Sprachschatz und der Indogermanischen Mytho-
logie ihre wohlverdiente Stelle einnehmen zu
können und in ihnen fest eingebürgert zu werden
des denken, vgl. griechisch TjtQtdiJo/uat 'zum Pfände ge-
ben'. Dann wäre der Sinn 'gieb ihn ihnen wie ein Pfand'
das sie im Himmel dir abliefern müssen. Wenn ^part
dhd 'umlegen' , etwa in energischer Bedeutung 'fest um-
legen'. 80 viel wie 'ans Herz legen' bedeuten kann, was
mir sehr wahrscheinlich ist , dann ziehe ich die Leseart
des Atharvavoda vor und übersetze c^idiesen beiden lege
ihn aus Herz'.
II
und endlich weil sie zu einigen , sowohl für die
Sprache der Veden als auch für die indogerma-
nische Grundsprache nicht unwichtigen , Ergeb-
nissen zu führen oder wenigstens den Weg an-
zubahnen scheint.
§ 2. .
Nachdem durch eine nicht unbeträchtliche
Anzahl von Wörtern den Einfluß der Volksspra-
chen auf die Sprache der Veden hinlänglich
nachgewiesen ist, dürfen wir schon ohne weiteres
annehmen , daß ^ahala , neben welchem auch
^avala erscheint, zunächst einem Päli-, oder
Präkrit-Wort rahhala, mit hh für rh (E. Kuhn,
Beitr. z. Päli -Gr. S. 49; Lassen Inst. 1. Pracr.
p. 250), entspreche, jedoch ohne Gemination, wie
sie zwar weder im Päli, noch im Präkrit für
sskr. rh fehlen dürfte — denn die Regel bei
Lassen 396; 397 beruht, wie mich mein geehr-
ter College Pischel mit Verweisung auf Cowell
zu Vararuci p. 179, Anm. 1, belehrt, auf einem
Mißverständniß — wohl aber in den neuern in-
dischen Volkssprachen fehlt, vgl. weiterhin Sindhi
Jcahifo, Hindi Jcaharä, Maräthi Icahara , ferner
nach Pischels Mittheilung Hindi äuhalä, Maräthi
duhcM, Gujaräti äuhaXum, Bangäli duhald, Sindht
d?rb/ro, nach Trurapp (Siudh! Grammar p. XXX)
auch ([tihilo, alle für sskr. durhala.
Wir gelangen damit zu garbala. Dieses selbst
findet sich zwar im Sanskrit nicht, wohl aber
mit V statt des h (wie in dem schon erwähnten
gavala neben rahdia) und mit ;• statt des l Har-
vard in derselben Bedeutung 'scheckig'. Im Rv.
(V. 52,3) erscheint das Fem. rdrvan, dessen Ac-
cent, wenn er auch für rarvara anzunehmen
ist, ganz mit dem von KsgßfQo übereinstimmt.
Sayana faßt es in der Bedeutung, welche dieses
12
Wort als Subst. gewöhnlich hat : 'Nacht' (eigent-
lich die gefleckte, d. h. der dunkele Nachthimmel
mit den Sternen darauf) welche, beiläufig bemerkt,
in den Veden nicht vorkömmt und auch hier keinen
Sinn giebt, wie man sich aus Alfr. Ludwig's Ueber-
setzung(II. 298) überzeugen kann, welcher ihm ge-
folgt ist. Das Ptsb. Wtbch. faßt es in der Bed. 'bunt'
(aus 'scheckig'), sicherlich mit Recht; dagegen
glaubeich daß es mit Unrecht darin eine Bezeichnung
der 'Thiere der Marut's' sieht. Der Stolleu lautet:
tesyandra so nokshänö ^) 'ti^) shkandanti 9ärvarih | .
Es werden die Windgottheiten beschrieben,
welche den befruchtenden Regen zur Regenzeit
bringen; syandrä, von syand 'träufeln', bedeutet
besamend: samenreich, wie Stiere oft be-
zeichnet werden; dti shand heißt 'bespringen'
von Thieren, dann 'befruchten'; f«r?;an 'scheckig'
ist hier Epitheton der 'Kühe' (bunte Kuh); das
Epitheton dient statt des dadurch bezeichneten,
wenn es oft als Eigenschaft des dadurch bezeich-
neten erscheint, oder aus dem Zusammenhang
von selbst verständlich ist, wie bei uns 'Braune'
statt 'braunes Pferd', 'Schecke' statt 'eines sche-
ckigen'. Daß hier darunter Kähe gemeint sind,
versteht sich von selbst, da vom Bespriugen
derselben durch die Stiere die Rede ist.
Ich übersetze demnach:
'Sie (die Maruts) bespringen (befruchten)
wie (Samen)träufelnde (-triefende, d. i. samen-
reiche, kräftige) Stiere die scheckigen (Kühe)'.
Das r welches uns hier in ^ärvara begegnet
ist erscheint auch in einer gleichbedeutenden
Nebenform von gahula nämlich gahara. Diese
führt, wie gahdla durch gahhala zu garhala, so
durch gabhara zu garhara. Und wir erkennen
1) Zu lesen nä iikshdno. ,«>
2) Zu lesen ukahihv) äli.
13
nun, daß das l in ^abdla für garbäla statt des
r in fjabara für garhara in Folge des gerade im
Wechsel von r und l sieh sehr häufig geltend ma-
chenden Dissimilationstriebes eingetreten ist und
garhdra die Grundform der bis jetzt besprochenen
Wörter , mit der Bedeutung 'scheckig', bildet.
Da aber dem sskr. q griechisches x, dem sskr.
a griech. « und o entsprechen, so ist dieses for-
hdra von Laut zu Laut identisch mit dem grie-
chischen KigßeQO. Nur im Accent findet eine
Verschiedenheit zwischen rabi'da = *garhura und
KsgßfQo Statt. Sie würde sich erklären lassen ;
allein es ist sehr fraglich, ob wir mit Recht
garhdla accentuiren dürfen und ob überhaupt
die Accentuation gabdla richtig war. Denn wir
sahen schon daß die Accentuation von Qdn'arl
auf ein gdrvara schließen läßt, welches gerade
wie KsQß(Qo proparoxytouirt ist. Doch bemerke
ich sogleich, daß die Frage über die ursprüng-
liche Accentuation dieses Wortes noch mehr
verwickelt wird dadurch daß wir, außer der Pa-
roxytonirung in gahäla und der Proparoxytoni-
rung in gdrian , weiterhin noch Nebenformen
mit Oxytonirung finden werden. Ich glaube daß
sie kaum mit voller Sicherheit wird entschieden
werden können, auf keinen Fall ohne umfassende
und eindringende Behandlung der grundsprach-
lichen Accentuation überhaupt. Durch die Üe-
bereinstimmuug zwischen gdrvara und Ksgßtgo
ist zwar kein geringes Präjudiz für grundsprach-
liche Proparoxytonirung gegeben, doch läßt sich
auch für die Oxytonirung sehr viel geltend ma-
chen. Am uuwahrscheiulichsteu ist grundsprach-
liche Paroxytouirung. Doch enthalte ich mich für
jetzt näher darauf einzugehen; denn eine ein-
gehende Behandlung kann dieser wie ähnlichen
Fragen nur in der Accentlehre zu Theil werden.
14
Wie dem Namen nach so stimmt KsgßsQO
mit den Hunden des Yama auch der Sache nach
im Wesentlichen übereia ; selbst die in der an-
geführten Stelle des Rv. erscheinende Bezeichnung
derselben als 'vieräugige' trifft auch für den Ker-
beros zu (s. Breal, Hercule et Cacus, p. 123,
nach dem Schob zu Enrip. Phoen. v. 1123).
Da nun der grundsprachliche Zt-Laut, welches
durch sanskrit. g widergespiegelt wird, jetzt fast
allgemein als ein besondrer betrachtet wird, zum
Unterschied von ä;, bei Fick durch lg bezeichnet,
so wäre die Eutwickelung der bis jetzt besproche-
nen Formen folgende ; die als vermittelnde an-
genommenen, und bisher nicht belegbaren, be-
zeichne ich durch einen Stern; also:
grdsprchl. \arhara = griech. x^gßsQO = sskrit.
^garbara = gärvara = ■*garhala ward zu indisch-
volkssprachlichem : *gabhara = *gahbala, und
dieses zu sskritisch gabara und vedisch gabäla =
sskrit. gavala.
§ 3.
Wir haben hier ein grundsprachliches \ar-
bara mit \ an die Spitze gestellt, in der Ueber-
schrift dieses Aufsatzes dagegen findet sich k ohne
diakritisches Zeichen. Wo lag oder liegt die
Berechtigung zur Aufstellung von diesem? Ei-
gentlich schon in der Weber'schen Darstellung,
dessen Zusammenstellung von gabäla mit xsgßsQo
ich mit vollem Recht, trotz seines von mir nicht
unbemerkt gelassenen Irrthums in Bezug auf
das vedische kurvara ^), als eine 'ingeniöse' (Gott.
1) In diesem /cärfara ist der, von mir schon mehrfach
nachgewiesene, schon grundsprnchliche Wechsel von m
und V und der ebenfalls oft aufgezeigte und auch schon
grundsprachliche Uebergang von n in^f wieder zu er-
kennen ; letztrcB tritt bekanntlich fast regelmäßig bei Ab-
15
Gel. Anz. 1852, Jan. S. 134) bezeichnet habe.
Die schon von ihm au diesem Worte hervorge-
hobene Widerspiegelung von grdsprchl. k durch
sauskritisches k sowohl als ^ ist, soviel mir be-
kannt, von keinem der Gelehrten, welche zwei
grdsprl. k annehmen, bemerkt — vgl. Fick,
Die ehemalige Spracheinheit der Indogermaneu
Europas (1873), S. 4: 'Dagegen ist kein einziges
(NB) Beispiel vorhanden, wo f (nämlich: sans-
kritisches) erweislich aus k erwachsen wäre oder
damit wechselte' — ; ob sie dadurch gegen die
Aufstellung bedenklich geworden wären, ist mir
freilich zweifelhaft; denn ich berge nicht, daß
ich selbst, obgleich mich dieser Fall und einige
andre dagegen bedenklich machten, dennoch für
dienlich hielt mich ihr zu fügen, wenn auch nur
wegen des Nutzens, welchen die Scheidung für
die Lautverhältuisse in den besonderten Sprachen
darbot. Erst, als mir durch die Untersuchung
der vedischen Sprache und ihres Verhältnisses
zum Sanskrit und den Volkssprachen anfing klar
zu werden, welchen grossen Einfluß die Volks-
sprachen auf jene beiden , insbesondere aber auf
die Bildung der zweiten sich in immer weiteren
leitungen von Themen auf ran ein (grdspr. und sskr.
jncan = mov, fem. grdspr. pivariä = Iluoia und
Tiitiga = sskr. pt'vari); es liegt also fcdrvan = sskr.
kiirman, That, zu Grande und kärvar-a ist durch a dar-
aus abgeleitet , vgl. karmara = karmaphala im Ptsb.
Wlbch. unter beiden Wörtern.
Beide Lautumwandlungen finden sich auch im Pdli
(vgl. r für n bei E. Kuhn, Beiträge zur Päli-Gramm. 38
und r für tn ebds.) , der Wechsel von wj und r auch im
Präkrit (Lass. Inst. 1. Pr. 198 und 458, 3; an letzterer
Stelle ist Lassen's 'accuratior fortasse ratio' nicht von
Belang; denn gerade im Suffix mant und vant ist der
Wechsel von m und c schon grundsprachlich ; vgl. auch
r für m und umgekehrt bei E. Müller, Beiträge zur Gram-
matik des Jainapräkrit, S. 30; 31).
16
Räumen — über arische und nicht - arische
Stämme — verbreitenden Cultursprache geübt
haben, erlangten jene ganz vereinzelt scheinenden
Fälle eine grössere Bedeutung für mich. Ich
bin seitdem immer bedenklicher gegen das grund-
sprachliche k geworden und — obgleich ich bis
zu diesem Äugenblick darüber noch nicht ganz
zu einer Eutscheiduug gelaugt bin — zweifle
ich doch schon, ob ich ihm in meiner Veden-
grammatik eine Stelle einräumen werde. Diese
Rücksicht war es auch vorzugsweise, welche mich
bestimmt hat, diesen Aufsatz zu veröflFentlichen,
und es ist nicht ohue Absicht geschehen, daß
ich zuerst an eine von einem andern Forscher
erkannte Gleichstelluug angeknüpft habe , zu
welcher ich in einem später zu veröffentlichen-
den die angedeuteten analogen Fälle hinzufügen
werde ; mau wird daraus entuehmen können, daß
ich ganz unbefangen dazu gelangt bin, an der
Berechtigung zu zweifeln zweierlei k in der In-
dogermanischen Periode aufzustellen. Doch wen-
den wir uns nun zu den in Indien mit Je anlau-
tenden Reflexen von vedisch gabäla für einstiges
*garbära.
§4.
Weber hat a. a. 0. erst zwei Bildungen der
Art angeführt, nämlich Jcarvarä, oder Jcarbard,
und Jairhurd oder Jcarvurä. Jene gehört jedoch
nur hieher in den Bedd. adj. 'gesprenkelt*, sbst.
'Tieger, Rakshas' u. s. w., nicht aber in der ved.
Bed. 'That' 'Werk' (Jcdrvara). In der zweiten
von jenen: Jcarhuru oder harvurd., ist, wie im
Sanskrit und insbesondre in den Veden so oft,
das zweite a durch den Einfluß des folgenden
r zu M geworden ; seine Bed^ ist ebenfalls adj.
'gefleckt, gesprenkelt'; sbst. "^Rakschas u. s. w.'.
17
Dazu tritt aus dem Sskr. noch, wenn auch nicht
identisch, doch auf jeden Fall innigst verwandt
karhu 'bunt, gefleckt'. Ob es die Grundlage von
Jcarhiird ist, oder eine Abstumpfung desselben
will ich noch nicht ganz sicher entscheiden; da
aber in karbuni das u unzweifelhaft nur eine
phonetische Umwandlung von a ist, so ist die
letztre Annahme die ungleich wahrscheinlichere;
zu der Abstumpfung mögen die durch sekundä-
res ra gebildeten Themen , insbesondere aus
solchen auf u , wie z. B. j;dnd!( : ^KindMra beide
von gleicher Bedeutung: 'weißlich' n. s. w. ver-
anlaßt haben. Außer im Sskrit ist die Form
karhara (nicht aber karhiira und nicht karhu)^
wie schon in Bezug auf drei Reflexe bemerkt,
auch in fast allen neueren indischen Sprachen
vertreten und erweist damit ihre weite Verbrei-
tung in Indien; im Hindi lautet sie kühara (aus
sskrit. karhara vermittelst kabbara) und kabarä,
im Pandjäbi kabrä, im Sindhi kabiro (kubiro bei
Beames ist, wie mich Pischel belehrt, wohl ein
Versehen; denn seine Quelle, Stack, hat ri'
a), im Gujaräti käbara und im Maräthi k<
(s. Beames, A comparative Grammar of the
Modern Aryan Languages of India, T. I (1872),
p. 319).
Sichere Schlüsse aus diesem Verhältniß von
/t und f zu ziehen wage ich noch nicht; doch
erlaube ich mir schon jetzt anzudeuten, daß sich
höchst wahrscheinlich ergeben wird, daß im Ari-
schen das grundsprachliche k zunächst sich nur als
k erhalten hat; daß aber in einem, dem Zend
innigst verwandten, indischen Dialect sich dieses
k (vermittelst c, vgl. grdspr. ruk mit ssk. ruc und
vedisch ru^-ant) auch zu r sibilirte. Dieser Dialect
ist es, in welchem die heiligen Schriften abge-
faßt waren und aus welchem sich das Sanskrit
lg
vorzugsweise zur Cultursprache entwickelte; da-
her hier in der That nur wenige Spuren der
einstigen Bewahrung des grandsprachlichen Ti
auf indischem Boden bewahrt sind ; die welche
sich nachweisen lassen, wie hier Jcarhara neben
*garl)ara sind erst aus einer der Volkssprachen
ins Sanskrit gedrungen.
§5.
Schließlich muß ich noch zwei Fragen be-
rühren; zunächst: ob ich in der grundsprach-
lichen Form mit Recht &, nicht v, angesetzt
habe. Denn & und v wechseln im Sanskrit so
oft, daß aus den sskrit. Formen allein kein Ent-
scheidungsgrund hergenommen werden kann. Im
Griechischen erscheint ebenfalls ß für ursprüng-
liches V, jedoch, so viel ich glaube, mit Sicher-
heit nachweislich: überhaupt nur im Anlaut, im
Inlaut dagegen nur zwischen Vocalen. Dieser
Umstand und das Zusammentreffen des Griechi-
schen mit dem Sanskrit im h machen es mir
wahrscheinlich, daß der grundsprachlichen Form
ein b zu geben ist. In diesem Fall erhalten wir
einen neuen Beleg für das in der Grundsprache
so selten mit Sicherheit nachweisbare &, daß
mancher sich befugt halten mochte, dessen Exi-
stenz in derselben zu bezweifeln.
Allein, wie gesagt, sie machen das nur wahr-
scheinlich, keinesweges gewiß. Denn der "Wechsel
zwischen b und v geht im Sanskrit in hohe Zeit
hinauf, wie in unserm Fall auch gdrvaris neben
gabdla in den Veden zeigt. Im Präkrit werden
b und V nicht unterschieden (Lassen Inst. 1.
Pracr. 177; 201; 240; vgl. jedoch Hemacandra
I. 237 Pischel und E. Müller, Beiträge zur Gram-
matik des Jainaprakrit, S. 29)^ Im Ptili geht
p in V über (E. Kuhn, Beitr. *z. Pali-Gr. 39),
19
augenscheinlich — nach Analogie des üebergangs
der übrigen Tenaes in die Mediae — vermittelst
h, gerade wie wir statt des reduplicirten Themas
von sskr. pd 'trinken' aus ursprünglicherem i>?j>ö,
dann jnpä (vgl. niTiiaxia) in den \ eden j^i^c^ (vgl.
lateinisch libe mit demselben Uebergang des
stammhaften p in h und dann , durch Einfluß
desselben, auch in der Reduplication) , im ge-
wöhnlichen Sanskrit piva finden. Auch aus den
modernen arischen Sprachen Indiens scheint in
Bezug auf den ursprünglichen Laut, ob b oder
V, nichts geschlossen werden zu können; b und
V sind hier zwar geschieden, aber nach Lautfixi-
rungen, welche keine sichren Schlüsse auf die Ur-
form zulassen ; so ist z. B. sskr. vimrafi 'zwanzig',
dessen v unzweifelhaft der Urlaut ist, im Hindi
zu bisa geworden, vgl, auch cau-bisa, vierund-
zwanzig, welchem Oriya ca-bisa entspricht (vgl.
Beames, A Comparative Grammar of the modern
Aryan Lang, of India I 253, II. 137 fl*.). Nach
E. Müller (Beitr. z. Gramm, d. Jainapr., S. 29)
findet sich b für v in einer Handschrift des
Kalpasütra; vgl. auch Hemacandra IV. 238
Pischel 1).
Bei dem großen Einfluß der Volkssprachen
auf das Sanskrit, welchen wir nun schon mehr-
fach bis in die Vedeu hinein wirken gesehen
haben, ist es also gar nicht unmöglich, ja durch
das Verhältniß von Jcarbarä: larvard; ^abcila:
gavala: ^drvari fast wahrscheinlich, daß sowohl
die Vermischung von b und r, als deren nach-
folgende irrige Trennung schon in alte Zeit hin-
auf reicht und als die älteste indische Form
karvara weiter garvara anzusetzen sei.
1) Auch im Italienischen tritt für lateinisches v bis-
weilen h ein, z. B. serhare neben tervare in allen Formen
und Ableitungen.
20
Auch in Bezug auf das griechisclie K^gßsgo
ist es recht gut denkbar, daß in dem zum Ei-
gennamen gewordenen, dem Mythus und der Re-
ligion augehörigen Worte, sich das Digamma
länger erhielt und in den Dialekten, welche es
einbüßten, sich in den nächst verwandten Laut
ß rettete.
In diesem Falle wäre nicht Jcarhara, sondern,
Jcarvara als indogermanische Form aufzustellen.
Dadurch ging uns zwar das Beispiel für indo-
germanisches h wieder verloren ; wir gewönnen
aber eine, in diesem Falle, kaum zu bezweifelnde
Ableitung für dieses Wort : vara oder vala wären
dann die ableitenden Elemente (vgl. darüber
Vollst. Sskr. Gr. unter vcda S. 243. 244) und
Jcar schlösse sich an sskr. Jcal in hal-ana n.
Fleck, xriXxd, f. Fleck (vgl. Fick, l\ 45 unter
Jcarana, Jiära), auch sskr. l'alusha, adj., beschmutzt,
u. aa. Die Bildung erinnert an sskr. nadvald, adj.
mit Schilf (nada) versehen. Diese und die an-
dern dazu gehörigen Wörter schließen sich aber
dem Verbum an, welches die Inder Jcrt schreiben
(im Ptsb. Wtb. 3. har II. 99 ff.); "es hat die
Bed. 'werfen, bewerfen', mit Präfix vi, besudeln,
mit saw., vermengen, im Ptcp. Pf. Pass. sam-
Jdrna, befleckt; in der Ableitung apasJcara, 'Ex-
cremente'.
Dieses Verbum lautet aber ursprünglich skar,
wie schon das eben erwähnte npa-sJcara zeigt;
außerdem bat sich das s noch erbalten in der
Verbindung mit apa auch in andern Fällen
(z.B. apa-slcirate, Pän. VI. 1, 142, Seh.); in der
mit npa z. B. in upa-slairam (Absol.), ujm-sMma
(Ptcp. Pf. Pass.) bei lu u. sonst (Pän. VI. 1,
140; 141 Seh.), mit prati z. B. prati-sldma
(Pän. VI. 1, 141 Seh.) und in vi-sÄ/am (Pän . VI.
1, 150). ^
21
Ist diese AufPassung richtig, so war die Ur-
form slarvara, hatte aber zur Zeit der Sprach-
trennung das anlautende .« schon eingebüßt.
§ 6.
Die zweite Frage, welche entsteht, ist: ob
wir berechtigt oder verpflichtet sind , bei dem
Versuche den ursprünglichen Text der Veden
herzQstellen, statt cabdla eine der älteren Formen
aufzunehmen. Erinnern wir uns an die Geschichte
dieses Wortes, welche wir uns durch folgende
Stammtafel veranschaulichen mögen !
Urform: 5karvara{7]
/ — '"^ ■ \
Form zur Zeit der Spaltang:
kurvara , oder karbara
Griechisch : Indisch : karvaru oder
XfQßtQo karbara
Ist. Dialect und banskrit: 2ter Dialect u. Sanskr. : cärvara
karbara oder karvarä oA.*carhara:*carba'a od. carrala
Sanskrit: Volkssprache: Volksspr. Volksspr.
karburd *kabbara *eavvara ') od. *cawa!a *) oder
karbu | *cabbara *cabbala
Hindi kabard Sskrit cavara o t. i
kdbara und cabara Sanskr. cavala a.
Marathi kabard ' f''*"^«- ,
Sindbi kabiro t» »i -i^ ' i
Gnjar. kdbara ^^'kni: savala
Pandj. kabrd gemacandra I,
üebersehen wir diese Tafel so nimmt die ve-
dische Form gabdla fast die letzte Stelle ein und
es muß einem höchst verwunderlich vorkommen
gerade diese im Rv. einmal X. 14, 10 neben der
ältesten des 2ten Dialects ^arvara in gärvarih
V. 52, 3 vorzufinden. Das Metrum in X. 14, lÖ
1) üeber rt? für rt? vgl. Lassen Inst. Ung. Pr. 218.
22
verstattet die Aenderung, ja! möchte vielleicht
Veranlassung gewesen sein carbarau oder garvU'
rau in das aus der Volkssprache hervorgegan-
gene Qobälau zu ändern, ga ist nämlich die
erste Silbe des zweiten Fußes. In diesem ist der
zweit vorherrschende Fuß vv und diesen
erhalten wir durch den überlieferten Text -ga-
hälau sä-. Liest man statt dessen garhdlau so
erhält man den zwar nicht so häufigen , aber
doch sehr beliebten, insbesondre in pathetischen
Stellen herrschenden Fuß — v . Auch Ath.
V. 29, 6; VIII. 1, 9 verstattet das Metrum eine
Aenderung. Hier ist pa die zweite Silbe des
zweiten Fußes, welcher dadurch in der am meisten
vorkommenden Form — vv — erscheint; liest man
auch hier eine jener beiden älteren Formen statt
gabäla so tritt zwar ein viel seltnerer als jene
beiden aber doch häufig genug gebrauchter Fuß
ein. Eben die Häufigkeit jener beiden Füße
konnte Recitirern es nahe legen, zur Zeit der
Corruption die ihnen gewohnte volkssprachliche
Form au die Stelle der älteren zu setzen und
so dem Verse den am häufigsten gebrauchten
Rhythmus zu verleihen.
Ich gestehe, daß mir die Berechtigung gabäla
wenigstens im Rv. wegzuschafi*en, kaum zweifel-
haft scheint, und gesteht man diese zu, so würde
ich statt dessen nicht garvarau wählen, trotz
dem es durch gärvarts im Rv. belegt ist, son-
dern garbala, trotzdem ihm jeder Beleg fehlt,
vorziehen, weil es gabäla am nächsten und un-
zweifelhaft zu Grunde liegt.
23
Bei der Köuigl. Gesellschaft der Wis-
senschaften im Monat August, September,
October 1876 eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Gildemeister, Catalogus librornm manuscriptorum
orientalium in Bibliotheca acad. Bonnensi servatorum.
Bonnae 1864—1874. 4.
Abhandl. der schles. Gesellschaft für vaterländ. Cultur.
53. Breslau 1876.
C 1 a u 8 i u 8, Ueber die Ableitung eines neuen elektrodynam.
Grundgesetzes. Bonn 1876. 4.
Pub licationen des k. Preuss. geodätischen
Instituts. Berlin 1876. 4. 1) Das Präcisions-Nivel-
lement. Bd. I. — 2) Maaßvergleichungen II. Heft. 3)
Astronomisch-geodät. Arbeiten im J. 1875. — 4) Daa
Rheinische Dreiecknetz. 1. Heft.
Verhandlungen der vereinigten permanenten Commission
der Europäischen Gradmessung. Redig. von B r u h n s
u. Hirsch. Berlin 1875. 4.
Bericht XV. der Oberhess. Gesellschaft für Natur- und
Heilkunde. Gießen. 1876.
Memorie della Accademia delle Scienze dell' Istituto di
Bologna. Ser. 3, T. VI. Fase. 1-4. Bol. 1875. 4.
Rendiconto delle sessioni dell' Accad. delle Scienze. An.
1875-76.
Repertorium für Meteorologie. Bd. V. H. 1. St, Pe-
tersburg. 1876. 4,
Schriften der phys. ökon. Gesellschaft zu Königsberg.
Jahrg. XVI. 1—2. 1875. 4.
Preisschriften der Jablonowsky'schenGesellsch.zu Leipzig.
XIX. XX 1876.
Zeitschrift der deutsch. Morgenland. Gesellsch. Bd. 30.
2. 1876.
Abhandl. für die Kunde des Morgenlandes Bd. VI. No.Q.
Leipzig 1876.
Verhandl. d. phys. medic. Gesellsch. zu Würzburg X.
1—4. 1876.
Stuart, Kawi Oorkonden in Facsimile. Batavia 1875. 4.
Tydschrift voor indische Taal - Land- en Volkenkunde.
XXm. 2-4. Bat. 1875.
Notulen van de Algemeene en Bestuurs -Vergaderingen.
XIII. 3—4. XIV. 1. 1876.
24
Memoires de l'Acad. imp. des Sciences de St.
Petersbourg. Vlle Serie, Tome XXII. No. 4-10.
T. XXIII. No. 1. 1875. 4.
1. Grub er, über die ossicula sesamoidea.
2. V. Kokscharow, über den russischen Calcit.
3. Setschenow, über die Absorption der Kohlensäure
durch Salzlösung.
4. Schiefner, MahäkätjäjanaundKönigTshanda-Pracljota.
5. Dybowski, die Gasteropoden-Fauna des Baikal-See's.
6. Somoff, sur les forces, quine changentpasd'intensite,
de direction, etc.
7. Dorn, Caspia. Ueber die Einfälle der alten Russen
in Tabaristan.
Bulletin de l'Acad, imp. des Sciences de St. Petersbourg.
T. XX. No. 3—4. T. XXI. N. 1-4. 1875-76. 4.
Monumenta medii aevi historica res gestas Poloniae illu-
strantia. T. III. Krakau 1876. 4.
*Denk8chriften der Akad. d. Wiss. in Erakau. Mathem.
naturwiss. Abtheilung T. IL 1876. 4.
*M. Straszewsky, Jan Sniadecki, seine Stellung in der
Geschichte der Aufklärung u. der Philosophie in Polen.
Krakau 1875.
♦Verhandlungen u. Berichte aus den Sitzungen der philol.
Abtheil, der Akademie der Wiss. in Krakau. T. III. 1875.
♦Jahrbuch der Verwaltung der Akad. d. Wiss. in Krakau.
1876.
Sitzungsberichte der philos. philol. u. histor.
Gl. der Akad. d. Wiss. zu München. 1876. Bd. I. H. 3.
Jahresbericht 53. der Schles. Gesellsch. für vaterländ.
Cultur. Breslau 1876.
*) Die mit * in polnischer Sprache.
25
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schafiien und der G. A. Universität zu
Göttingen.
31. Januar. M 2, 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Sitzung am 6. Januar.
(Fortsetzong).
Archäologische Miscellen.
Von
Friedrich Wieseler.
I.
Zu den vasa diatreta.
lu Plinius' Nat. Histor. XXXVI, §. 195 lesen
wir: Feruut Tiberio principe excogitato vilri
temperamento ut flexile esset, totara officinani
artificis ejus abolitam ne aeris, argenti, auri
metallis pretia detraherentur , eaque t'ama cre-
brior diu quam certior fuit; sed quid refert,
Nerouis prineipatu reperta vitri arte quae rao-
dicos calices duos quos appellabant petrotos HS.
vi venderet. Dass hier petrotos fehlerhaft ist,
liegt auf der Hand, und ebenso, daß keine der
beiden Conjecturen des Hermolaus Barbarus,
pterotos und apyrotos, das Richtige trifft. Es
ist ohne Zweifel zu schreiben: pertiisos , oder:
perforatos. Demnach ist von den bekannten
3
26
vasa diatreta die Rede, wozu es auch sehr gut
paßt, daß die auf uns gekommenen Exemplare
dieser vasa eben calices und zwar modici sind.
Die Kunst solche vasa herzustellen kam also
während der Herrschaft des Nero auf und auch
das trifft vortrefflich damit überein, daß Martial
die vasa diatreta zuerst erwähnt und besonders
hervorhebt (Epigr. XII, 70). Freilich könnte das
Wort appellabant Schwierigkeiten zu machen
scheinen, da ja die Kunst der diatretarii noch
lange nach Nero's Regierungszeit geübt wurde.
Finden wir ja die diatretarii noch im Cod.
Theodosian. 13, 4, 2 berücksichtigt. Allein man
kann recht wohl annehmen, daß Plinius, der im
J. 79 starb, aus der Zeit nach Nero kein Bei-
spiel der Fortübung der in Rede stehenden Tech-
nik kannte. Waren ihm doch auch aus der
Zeit Nero's nur zwei dieser Technik angehörende
Gefäße bekannt geworden. Jedenfalls wird man
nicht wohl thun, für appellabant mit zwei Hand-
schriften appellahat zu lessn und dieses Wort
als von Nero prädicirt zu erachten.
II.
Zu verschiedenen Stellen in Pausanias'
Buch V.
1.
In Cap. XI, §.4 lesen wir: wg ydg ö^ ixte-
zeXsOfi^vov rjdri td äyaXfia (des Zeus) ^v, ijv^ato
6 0etdiag enKSfjfir^pai, xdv d-eov^ el tu sqyov iütiv
avz(f) xatd yvuifxrjv ' avzixa d' ig tovio tov £Öä-
(fovq xaiaaxijipai xtQavvüv ifaüiv, svi}« vöqia
xal ig ifis ini^tjfia tjV ij /a^x^. Ob inii^Tjixa
nicht verderbt ist? Jedenfalls hätte dieses Wort
füglich ganz wegbleiben können. Man erwartet
einen Begriff wie „Kennzeichen, Merkmal." Also
27
etwa: iniatj (ta^ was der handschriftlichen Les-
art zunächst steht, oder lieber : « i » a^i»a. — Wa-
rum setzte mau auf die Stelle , wo der i31itz einge-
schlagen hatte, einoHydriaV Auf eine Katharsis
wollte man durch diese sicherlich nicht hindeuten.
Erinnert man sich aber daran, daß ein sehr ge-
wöhnlicher Gebrauch der Hydria bei den Grie-
chen der als Stiramurne war, so kommt man
leicht auf den Gedanken, daß sie im Tempel
des Zeus zu Olympia zur Andeutung der Mei-
nungsäußerung des Gottes an der Stelle, an
welcher diese sich manifestirte, aufgestellt sei.
Cap. XIII, §. 5 heist es in Beziehung auf den
großen Altar des Olympischen Zeus: ifvttai, de
IM Ju xa» ävev rr^g nayijyvQSOig vno M Idiutimv
xdi dvd näaav t/fitgav vno ^Hktimv. Es ist auf-
fallend, daß über die Zeit des Opferns der »diaJ-
tai nichts gesagt wird. Weiter sieht man auch
nicht ein , warum den lÖKätat nicht ebensowohl
dvd näaav r^fisgav zu opfern erlaubt war als
den ^HXiXoi. Diesen Unzuträglichkeiteu entgeht
mau, wenn man das xdi vor dvd näoav r^ftsgav
hinter diese Worte vor imö 'H/^iatv setzt. Al-
lein damit sind die Schwierigkeiten noch nicht
gehoben. Wen hat man unter den idnäiai im
Gegensatze gegen die ^UJaXok zu verstehen '? Pri-
vatleute schlechthin , wie gewöhnlich angenom-
men wird, doch sicherlich nicht, da mit 'HliXoy
doch nicht der Staat von Elis gemeint sein
kann; auch fremde Privatleute im Gegensatze
gegen Eleische nicht, da die Fremdheit nicht
ausdrücklich augegeben ist. Das Wort tdiuiriyg
bezeichnet nun auch den Einheimischen, olxslog,
im Gegensatz gegeu den Fremden, dkXöxQiog.
Aber wer wird glauben können, daß idttüro»
3*
28
von den Bewohnern von Olympia im Gegensatze
gegen die der Stadt oder des Landes Elis zu
verstellen sei? Wäre das Wort IdiMTai in der
Bedeutung „Eiuheimische" zu fassen, so würde
für ^Hlsicav ein Wort, welches „Fremde" be-
zeichnete, einzusetzen sein. In der That konnte
d^XoTQicov, wenn etwa die Buchstaben iQ über-
geschrieben waren, allenfalls zu einer Verderb-
niß in ^HXeicov Anlaß geben. Allein jene Be-
deutung hat hier überhaupt wenig Wahrschein-
lichkeit, da sie sich nur einmal und zwar bei
einem Dichter, Aristophanes (Ran. 459), ^findet.
Besonders häufig werden bekanntlich den tdtcoT«*
die nolsig entgegengesetzt, und so wird auch
an dieser Stelle für das anzweifelhaft verderbte
''Hlsicäp mit der leichtesten Aenderuug zu schrei-
ben sein: nolsoav.
3.
Am Ende von Cap. XIV lies't man: nqcx;
ÖS %(f te(isv€i tov TliXonog Jiovi}(Sov (asv xai
Xaghcov sv xoivm, (ista'^v Ss amwv Movomv xai
icfe'^^g TOVTiav Nvfi(f(ov iari ßa>fi6g. Daß an
diesen Worten kein Anstoß genommen ist, muß
sehr befremden. Das Wort (iszu^v wird bei
Hesychios nicht allein durch dvd ^iüov, sondern
auch durch s^aicpvTjg und /*fr' oXirov erklärt.
Ueber die Bedeutung von postea vgl. Wytten-
bach zu Plutarch. Mor. p. 177, C (Opp. VI, P. 2,
p. 1057). Es kommt bei Josephus Antiq. lud.
V, 4, 2 auch in dem Gebrauche der Präposition
post in Beziehung auf die Reihefolge in der Zeit
vor, und zwar mit dem Genetiv. So kann auch die
Annahme, (Jtetaliv sei an der vorliegenden Stelle
in der localen Bedeutung „unmittelbar nach"
mit diesem Casus verbunden, nicht befremden.
Aber wie läßt sich der Plural des Pronomens
29
erklären, da avTcSv sich doch nicht auf Jtovvaov
ital Xagitaiv beziehen kann? Oflfenbar muß ja
der Singular des Pronomens gesetzt sein, in Be-
ziehung auf den unmittelbar vorher erwähnten
Altar, der zwar ein dem Dionysis und den Cha-
riten gemeinschaftlicher, aber doch nur einer
war. Also hat mau zu schreiben: avxov. Hie-
nach könnte in dem folgenden icff^/ji tovtuiv
der Plural des Pronomens immerhin erklärt wer-
den, da ja von zwei Altären die Rede gewesen
ist. Aber passender war es doch, lovzov zu
schreiben, und wer bedenkt, w^ie leicht in Be-
treff des Anfangsbuchstaben des folgenden Nvfjk-
(fcÖy eine Dittographie statthaben konnte (welche
vermuthlich auch die Verderbniß des vorherge-
henden avidüv verursacht hat) , der wird gewiß
um so weniger Anstand nehmen , jene Herstel-
lung zu billigen.
4.
Der erste Paragraph von Cap. XVII ist mehr-
fach verderbt.
Im Anfang finden wir geschrieben : rtjQ 'Hgag
ÖS e<Jnv SV tm va(ä Jiög äya/.fia • tö ös "^^Hqag
äyal^n xai^rififvöv iaiiv im d^gövov , TiaQSOTt]X€
de ysvnd xs s'xmv xal snixsifjtsvog xvv^v im r^
x€(falfi ' sgya ös iauv dnkä. Hier hat man ein
paar Lücken und ein paar Wortverderbnisse an-
genommen. Ich muß aber gestehen , daß ich
keine zwingende Gründe für mehr als die
Annahme einer unbedeutenden Lücke finden
kann. Das Bild des Zeus brauchte nicht genauer
beschrieben zu werden, wenn es nichts Besonde-
res an sich hatte. Man hat sich dasselbe sicher-
lich stehend zu denken, und nicht mit dem der
Hera zu einer Gruppe gehörend, wenngleich
auch es als eins der s^ya änkd zu betrachte u
30
ist. Die Lücke muß hinter naQsöTtjxe ds ange-
nommen werden und einen bestimmten Namen
enthalten haben, gewifi den eines Gottes. Dieser
'ka.nn"AQi]g gewesen sein, wie man angenommen
hat, aber ebenso gut '^Egfirjc. Ist "Aqriq gemeint
gewesen, so könnte man eine Ausfüllung der
Lücke angeben , welche zugleich geeignet wäre,
die Veranlassung dieser zu erklären , und den
Grund andeutete, aus welchem Ares neben die
Hera gestellt war (was sicherlich nicht unpas-
send wäre) , nämlich etwa : y övm vldg "Aqriq,
Doch kann ja sowohl "AgTjg als auch '^EQfi^c
auch ohne die Veranlassung dazu durch ein
öfioiöagxTOp ausgefallen sein. Der neben der
thronenden Hera stehende Hermes würde auch
ohne weitere Andeutung als der Götterdiener zu
erkennen sein. Was den viel besprochenen Aus-
druck sgya dnXa anbetrifft, so glaube auch ich
nicht, daß man genöthigt ist, das letztere Wort
mit einem Eigennamen zu vertauschen, da anXä
einen passenden Sinn bietet, wie zuletzt noch
Schnbart iu von Leutsch's Philol. XXIV, S. 574
dargethan hat, mit Anführung von Plutarch im
Leben des Poplic. 19: ävögidg ttn?.oi'g xal dg-
Xctixög x^ igyaaia, und durch die Bedeutung der
Redensart sgya dnlä. die Nichterwähnung des
Künstlers oder der Künstler, die sonst allerdings
befremden könnte, zur Genüge erklärt wird;
sa<:;t uns doch bald nachher Pausanias selbst in
einem ähnlichen Falle ausdrücklich: xovg dl elgya-
Gfjb^vovg avrd ovx sx<o öijldocfai- , (f<aivsxai 6t fl-
vai /loi xal ravta ig id fidhara dg^atcc.
Weiterhin heist es: ttjv ös ^Ai^riväv xgdvog
inixsifiiv^v xal öögv xal donida s)[OV(Sav Aa-
xeöatfjovtov X^yovoiv sgyov slvai, Midovxog. Daß
das letzte Wort verderbt sei, hat man schon
längst vermuthet, und Brunn hat in der Gesch.
31
d. Griech. Künstler I, S. 47 die Ansicht aufge-
stellt, daß zu schreiben sei: igyov elvai ftsv
Jov%ä. Daß der Name des Dontas dastand,
glaube auch ich, aber der Brunu'schen Herstel-
lung der betrefiFenden Worte kann ich mit nich-
ten beistimmen. Schon die Genetivform Jovtä
kann ich nicht billigen. Tansanias würde ge-
wiß als Genetiv Jövtov gegeben haben (über
den Namen Jövxaq in grammatischer Hinsicht:
Lobeck Paralip. gramm. Gr. p. 142), und das
steht auch der Lesart der Handschriften näher.
Unerträglich aber ist das fiiv. Viel eher ließe
sich annehmen, daß die erste Silbe von Midov-
Toq aus einer Dittographie der zweiten des vor-
hergehenden Wortes ilvat entstanden sei. Da
iudessen einige Handschriften bieten : flvat xal
fiedovtog, so hat es wohl noch größere Wahr-
scheinlichkeit, daß geschrieben war: xexi.tif»S-
vov Jöviaq.
Dann lesen wir: dvdxsitai dl ivrnv&a xai
yiflib) Ti'XT} xf xai Jtovvcog xal ixovöa ?iixrj
TtifQÜ, woran sich die schon oben ausgeschriebe-
neu Worte toic de ftoyaafisvovg u. s. w. an-
schließen. Warum sagt hier Pausanias nicht
einfach: Nixtj . wie er sonst thut , wenn die ge-
wöhnliche Darstellungsweise der Nike , die mit
Flügeln, zu verstehen ist? Etwa deshalb, weil
nach seiner Ansicht auch das betreifende Werk
ig T« fidXiGia dgxaXa gehört und er es deshalb
für zweckmäßig erachtete, die Beflügelung be-
sonders hervorzuheben? Sagt doch der Scho-
liast zu Aristoph. Av. 573: vscoiegtxdv rd z^v
NixTjv xat TÖv "Egcota inxsQÖiGdai. Wir glauben
vielmehr , daß , wenn dieses der Grund der An-
gabe der Beflügelung gewesen wäre, Pausanias
das in irgend welcher Weise genauer angegeben
haben würde. Sicherlich war ursprüngsich ge-
32
schrieben : oox sxovaa^ vgl. V, 26, 5. Wie leicht
ovx vor s'x^ ausfallen konnte, liegt auf der Hand.
Die Nichtbeflügeluug der Nike wird für Pau-
sanias auch ein Grund gewesen sein, dem be-
treflfenden Bildwerke ein besonders hohes Alter
zuzuschreiben.
Endlich steht gegen den Schluß des Para-
graphen geschrieben: xal ^Aff^oökri x^Xx^,
Kk^oovog sgyov 2ixv(aviov u. s. w. naidiov äs
inlxQV(Jov xäd^tjTai, yvfivov ngo zijg ^AcfQoöhriq'
Bo^&og 6s STOQSvGsv avTÖ KaQxijdoviog. Um
von der Bezeichnung bloß als inixQvaov zu
schweigen , so erregt der Umstand Bedenken,
daß nicht einmal angedeutet ist, wie oder wo-
rauf das naidiov sitze. Noch befremdlicher ist
es, daß ein Bronze werk — denn an ein solches
ist ohne Zweifel zu denken — , welches von dem
berühmten Toreuten Boethos herrührte , vergol-
det gewesen sein soll. Wir glauben daher
nicht zu irren, wenn wir schreiben: inixv giov.
Dieses Wort ist eng mit xäd^rjTai zu verbinden
und in adverbialem Sinne zu fassen. Aus der
Nichtangabe eines eigenen, besonderen Sitzes
ist zu schließen, daß das naidiov auf der bloßeu
Erde sitzend zu denken ist.
5.
Cap. XVIII, §. 1 wird eine bildliche Dar-
stellung an der Lade des Kypselos so beschrie-
ben : Fw^ u£V svsid^g yvvatxa alffyjgdv xofii-
. ^ovoa^ xal tTJ fisv dnayxovöa axh^v rij ös ^dßd<a
naiovüa , ^ixij tavta ^Aöixiav ögwoce ian. Hier
macht uns xo(j,iCovaa Schwierigkeit. Wie kann
Jemand Einen mit der einen Hand erwürgen,
mit der anderen schlagen und doch zugleich
fortbringen? Gewiß war xoifjkiJ^ovaa geschrie-
ben. So entspricht die Darstellung auch der
<
33
auf dem von Brunn in den Nuov. Memoria d.
Inst. arch. tav. IV, n. 4 herausgegebenen Va-
senbilde, auf welchem Dike mit der Linken die
Adikia würgt und mit der Rechten einen Ham-
mer gehoben hat, um diese damit zu schlageu.
m.
lieber den Typus einer Münze von
Kyme in der Aeolis und einige Dar-
stellungen an der Puteolanischen
Basis.
Auf einer Anzahl der Münzen von Kyme,
welche Mionnet Descr. de Medailles T. LH und
Supplem. T. VI beschrieben hat, autonomen so-
wohl als Kaisermünzen , findet sich ein Revers-
typus, welcher sich stets auf ein und dasselbe
Wesen, und zwar ein weibliches, zu beziehen
scheint, obgleich der eben erwähnte Französische
Gelehrte das Wesen mit verschiedenen Namen
bezeichnet, einige Male sogar mit denen männ-
licher Gottheiten, vgl. T. III, p. 10, n. 63, p. 13,
U.77, („Genie") und Suppl. T. VI, p. 15. n. 117,
p. 17, n. 137, p. 18, u. 140 u. 141 („Figure vi-
rile," das zweite Exemplar nach Sestini Descr.
d. Med. ant. d. Mus. Hederv., T. II, p. 143, n. 16,
C. M. H. n. 7361, tab. XVIII, fig. 8, p. 22,
n. 157 (nach Mus^ Arig. I, al. 14, 215) u. 158,
p. 23, n. 160 (,,Neptuue" nach Sestini a. a. 0.
II, 144, n.23, C. M. H. u.4814, t. XXI, n. 460).
Zu den von Mionuet beschriebenen Exemplaren
füge man namentlich noch das von Streber Nu-
mism. nonn. Graeca ex Mus. Reg. Bavariae hac-
tenus minus accurate descr. in den Abhandl. der
philos.-philol. Kl. d. K. Bayer. Akad. d. Wisseu-
sch. Bd. I, tab. III, fig. 8 herausgegebene und
ö. 208 fg. üusführlich besprochene , welches Pa-
34
nofka „Von dem Einfluß der Gottheiten auf die
Ortsnamen" in den Abhandl. d. K. Preuß. Akad.
d. Wiss. 1840, Taf. I, n. 21 wiederholt hat. Die
betreffende Figur, welche mit einer einzigen Aus-
nahme (Mionnet Suppl. VI, p. 22, n. 158, nach
Banduri Numism. Imperat. Rom. a Trajano Be-
clo ad Palaeologos Aug., T. I, p. 134) stehend
dargestellt ist, hat auf dem Haupte eine Thurm-
krone (die dann und wann auch als ,,Modius"
bezeichnet wird), ist mit einem kurzen Gewände,
welches an die Tracht der Amagonen erinnert,
angethan, hält in der Rechten ein Rund, welches
von Mionnet, ,,globe" genannt wird, mit Aus-
nahme eines Falles (Suppl. "VI, p. 17, n. 137),
in welchem von „un globe ou une pomme" die
Rede ist, in der Linken einen Dreizack, mit Aus-
nahme des eben angeführten Exemplars, in Be-
treff dessen von „une haste" die Rede ist, welche,
wenn nicht die drei Spitzen eben nur abgeschabt
sind, für einen Dreizackschaft zu halten sein
wird. In drei Fällen , welche sämmtlich auf
Exemplaren, die unter Valerianus senior geprägt
sind, vorkommen, erscheint zu den Füßen der
Figur noch ein Delphin (Mionnet T. III, p. 13,
n. 77 und Suppl. VI, n. 157, nach Numism.
quaedum Honor. Arigoni I, al. 14, 215) und
n. 158.
Die Bedeutung der in Rede stehenden Figur
anlangend, so zweifelte Streber a. a. 0. S. 210
nicht, daß sie die Amazone Kyme als „genius
urbis" darstelle. Von einer Amazone sprach
1) Der Revers einer unter M. Aurelius geprägten
Münze wird von Mionnet Suppl. VI, p. 19, n. 144 so
beschrieben ,,Figure de femme en habit court , debont,
tenant de la main dr. fuu vase et de la g. une haste.*'
Es hat die größte Wahrscheinlichkeit, daß es sich auch
hier um die- in Rede stehende Figur handelt, daß das
Gefäß nichts Anderes sein soll als die ,, Kugel."
35
schon Bauduri. Streber's Ansicht theilt 0.
Jahn Bericht d. K. Sachs. Ges. d. Wissensch.
1851, S. 135. Der Name KYMH ist mehrfach
dem Frauenkopf mit der Thurmkrone auf Mün-
zen von Kyme beigeschriebeu , von dem man
etwa annehmen kann , daß er dasselbe Wesen
angeht, wie die vollständige Figur, von welcher
wir handeln, vgl. Mionuet T. III, p. 9, n. 51,
Suppl. VI, p. 14 fg., n. 108 bis 118 incl. Eine
vollständigere Beischrift. KYMH AIOAIC, findet
sich bei der ganzen Figur auf Exemplaren aus
der Regierungszeit des Nero bei Mionnet T. III,
p. 10, n. 63 u. Suppl. T. VI, p. 18, n. 140 u.
141 (letzteres nach Sestini Descr. d. Mus. He-
derv. T. II, p. 143, n. 16, C. M. H. n. 7367,
tab. XVIII, fig. 8). Inzwischen wird man diese
Beischrift eher auf den Namen der Stadt zu be-
ziehen haben , ebenso wie die auf dem Revers
einer unter Antoninus Pins geprägten Münze bei
Mionnet T. III. p. 11. n. 67: lEPSiNYMOC.
ANEQHKE. KYME. wenn hier das letzte Wort
als der Nominativ Kvfjuj , nicht als Abbreviatur
von Kvf*aioig zu fassen ist. Dazu kommt, daß
auch die Beziehung jenes Frauenkopfs mit der
Beischrift KYME auf die in Rede stehende voll-
ständige Figur keinesweges ausgemacht ist. Wir
wollen zunächst nur darauf aufmerksam machen,
daß "jenem nie, dieser aber in einigen Fällen
außer der Thurmkrone auch der „Modius" zuge-
schrieben wird und daß jener nicht etwa nur
auf dem Avers solcher Münzen erscheint, deren
Revers die vollständige Figur zeigt, sondern auch
auf dem solcher, auf deren Revers Fortuna oder Isis
dargestellt ist. Doch geben wir zu, daß diese
beiden Umstände nicht hoch anzuschlngen sind.
Folgen wir einstweilen der jetzt herrschenden
Ansicht, daß die vollständige Figur die Kyme
36
sei, und sehen wir einmal zu, ob dazu die At-
tribute der Figur passen oder nicht. Von der
Thurmkrone gilt jenes allerdings, nicht aber
von dem „Modius," wenn dieser in der That in
einigen Exemplaren anstatt jener dargestellt ist.
Denn wenn 0. Jahn a. a. 0. sagt, daß der Mo-
dius (den er allein anzuerkennen scheint) die
Figur als Stadtgöttin charakterisiere, so ist das
eine offenbare Ungenauigkeit. „Die Amazonen-
tracht ist," wie O.Jahn nach Streber's Vorgange
bemerkt, „vollständig gerechtfertigt durch die
Sage , daß die Stadt von einer Amazone Kyme
gegründet worden sei (Strabo XII, p. 550. XIII,
p. 623. Diod. III, 55, Steph, Byz. s. v.)." Aber
woher wissen wir denn, daß es sich um die ei-
gentliche Amazonentracht handele? Hat — um
nur danach zu fragen — die Figur wirklich
„die rechte Brust entblößt (was bekanntlich für
die Amazonen die Regel ist," wie Jahn selbst
a.a.O. S. 141 bei Gelegenheit der Besprechung
der Repräsentantin von Ephesos an der Puteo-
lanischen Basis bemerkt)? Inzwischen würden mr,
auch wenn dem so wäre, deswegen noch keines-
weges die Annahme für sicher halten. Der
Dreizack' heißt es weiter, „charakterisiere die
Figur als bedeutende Seestadt mit einem Hafen."
Allein, läßt es sich mit Sicherheit nachweisen,
daß der Dreizack bloßen Stadtgottheiten ge-
geben sei? Noch stärkere Hindernisse stellen
sich hinsichtlich des runden Gegenstandes in der
Rechten der Figur in den Weg. Streber hält
denselben (a. a. 0. S. 311) in üebereinstimmung
mit der gewöhnlichen Auffassungsweise für eine
Kugel, welche nach seiner Meinung die Herr-
schaft Kyme's andeuten solle, was nicht recht
passend erscheint , wie Jahn , mild urtheilend,
mit Recht bemerkt. Borghesi vermuthete in dem
37
Bnllett. d. Inst. arch. 18 tl, p. 150, der Gegen-
stand sei für einen Kohlkopf (palla di cavodo o
di broccolo), xv/ta, cyniu zu halten, womit auf
den Namen der Stadt augespielt werden solle.
Ihm stimmte Cavedoni schon im Spicil. numism.
p. 157 bei und dieser hat auch noch später in
den Ann. d. Inst. arch. 1861, p. 145 die betref-
fende Erklärung in Schutz genommen. Gegen
dieselbe wendet Jahn a. a. 0. ein, daß, „wenn
gleich ähnliche Namenspielereieu namentlich auf
Münztypen sich finden, er doch Bedenken trage,
etwas ähnliches bei einem größeren Werk grie-
chischer Sculptur vorauszusetzen , um so mehr
als selbst das Wort xv/ua, cyma spät erst in den
Schrittgebrauch kam und von den Grammatikern
für eiu nicht edles erklärt wird (Charis. I, p. 41)."
Letzteres will nicht viel sagen, zumal da, wie
schon Cavedoni bemerkt hat, auch die betreffen-
den Münzen verhältnißmäßig späten Datums sind.
Aber noch befremdlicher ist der Umstand, daß
Jahn in den ersten Worten so spricht, als sei
der Gegenstand , welchen die Cyme an der Pu-
teolanischeu Basis mit der Rechttu hält, ganz
derselbe wie der auf der Rechten der Figur der
Münzen. Die beiden Figuren haben gar nichts
mit einander gemein als die Mauerkrone. Den
Gegenstand, welchen die Cyme der Basis in der
Hand ihres gesenkten rechten Arms hält , be-
zeichnet Jahn kurz vorher als „einen nicht mehr
deutlich zu erkennenden runden , der aber eher
einer Scheibe als einem Gefäße gleiche." Die
in den letzten Worten enthaltene Ansicht möch-
ten wir nicht zu der unserigen machen. Schon
die Weise, wie der Gegenstand gehalten wird,
spricht gegen eine bloße Scheibe. Sehr mit
Recht bedauert Jahn die Zerstörung, „denn ohne
Zweifel war dieser Gegenstand das charakteris-
38
tische Attribut." Haudelt es sich aber um ein
solches Attribut aus dem Kreise der Geräthe
und Gefäße, so kann kein anderes in Betracht
kommen als jenes einhenkelige Gefäß, welches
den Münzen von Cyme eigenthümlich ist und
auf denselben wiederholt als besonderer Typus
vorkommt. Der obere Theil dieses Gefäßes,
welches auch in Werlhofs Handb. d. Griech.
Numismatik Taf. 4, Fig. 31, abbildlich mitge-
theilt ist, kann sich, wenn derselbe bei schräger
Lage des Gefäßes nach vorn gehalten ist, in
Folge einer Zerstörung recht wohl als Scheibe
ausnehmen. Mag nun dem sein, wie ihm wolle,
jedenfalls ist der Gegenstand auf der Rechten
der Figur der Münzen ein anderer. Dieser wird
fast allgemein als Kugel gefaßt. Allein für eine
solche ist er, nach den Abbildungen zu urtheilen,
beträchtlich klein. Dagegen würde nach diesen
ein Apfel, den schon Seguin Numism. sei. p. 103
annahm, vollkommen passen. Betrachten wir
nun die Reversdarstellungen der Münzen von
Kyme, so finden wir auf denselben in unzweifel-
haften Darstellungen zwei Göttinnen, deren Be-
ziehung auf glückliche Seefahrt theils ausdrück-
lich hervorgehoben , theils anderswoher zur Ge-
nüge bekannt ist, Tyche und Isis. In dieselbe
Kategorie gehört die an der westlichen Küste
Asiens in den Seestädten hochverehrte und auf
deren Münzen vielfach dargestellte Aphrodite-
Astarte. Schon an sich kann es aufl'allend er-
scheinen, daß diese in Kyme neben den beiden
andern Göttinnen nicht auch Verehrung und in
den Münztypen Berücksichtigung gefunden hat.
Die in Rede stehende Figur der Münzen von
Kyme gleicht aber hinsichtlich der Thurmkrone,
bezw. des ,,Modius," der kurzen Bekleidung, des
Dreizacks durchaus bekuuuteu Astartedarstelluu-
39
gen. Nur das Rund findet sich bei diesen ge-
wöhnlich nicht. Es würde als Apfel gefaßt be-
sonders gut passen , doch ließe es sich auch als
Kugel erklären. Es würde bei dieser Annahme
nicht sowohl als Attribut der Aphrodite Urania zu
fassen, als für das der siegreichen, weltherrschen-
den Göttin zu halten sein, in welcher Beziehung
es auch unter dem Fuße der Venus Vixtrix auf
einem bekannten geschnittenen Steine (Denkm.
d. a. Kunst II, 27, 291, und, wie es aussieht,
unter dem Fuße der Astarte auf der unter Anto-
ninus Pius geschlagenen Bronzemünze von Or-
thosia in Phönizien bei Lajard Recherch. sur —
Venus pl. XYV, 12 vorkommt. — Ließe es sich
mit Sicherheit nachweisen , daß der oben er-
wähnte weibliche mit einer Thurmkrone verse-
hene Kopf auf dem Avers Kymäischer Münzen
mit der Beischritt KYMH dasselbe Wesen an-
ginge, wie die ganze Figur, so würde man an-
zunehmen haben, daß Kyme mit der Aphrodite-
Astarte zusammengeschmolzen sei in ähnlicher
Weise wie z. B. die Sidon mit der Astarte die-
ses Ortes,
Auch unter den Stadtrepräsentantinuen an der
Puteolanischeu Basis befindet sich eine, welche
sich ganz wie eine Aphrodite Pelagia, Venus
Marina, ausnimmt, wie ja auch Tmolus an dieser
Basis bis auf die Mauerkroue ganz wie Diony-
sos dargestellt ist, um von der unten zu bespre-
chenden Ephesos als Artemis zu schweigen. Wir
meinen die Repräsentantin der Stadt ^iyai,
Aegae, in der Aeolis, die mit einem langen Chi-
ton mit Üeberschlag bekleidet ist, welcher das
rechte Bein und die rechte Brust entblößt (was
bekanntlich für Aphrodite charakteristisch ist),
auf dem linken Unterarm einen Delphin hält,
und mit der rechten Hand einen laugen Stab auf
40
den Boden stützt. Jalm wirft S. 570 die Ver-
muthung hin, daß dieser Stab ursprünglich ein
Dreizack gewesen sei, der ja gewöhnlich mit dem
Delphin verbunden zu sein pflege. Aber — ab-
gesehen davon , daß , so viel wir wissen , sich
von dem einstmaligen Vorhandensein der drei
Spitzen keine Spur findet — , wird selbst bei Po-
seidon, von welchem nach jahn's Meinung Del-
phin und Dreizack entlehnt sind, neben dem
Delphin und auch ohne diesen ein langer Stab
gefunden, den man gewöhnlich als Scepter faßt,
der aber vermuthlich eher als der Schaft des
Dreizacks ohne die drei Spitzen zu betrachten
sein dürfte, vgl. den Text zu Denkm. d. a.
K., Bd. II, Taf. VI, n. 75, a der neuen Ausg.
Die betreffende Darstellungsweise der Repräsen-
tantin von Aegae hat übrigens etwas schwer Erklär-
liches. Auf den autonomen Münzen der Stadt
kommt einige Male ein weiblicher Kopf mit der
Thurmkrone vor, ein Mal mit der Beischrift
AlFEI (Mionnet Descr. T. III, p. 2, n. 7), ein
anderes Mal mit der Beischrift AlFH (Mionnet
p. 3, n. 9) und in dem letzteren Falle gewahrt
man hinter dem Kopfe eine Bipennis. Gewiß
handelt' es sich um die Tyche der Stadt, wenn
auch unter den Typen der Kaisermünzen em-
mal der der Kybele vorkommt, nach Mionnet
Suppl. T. VI, p. 4, n. 13, der auf Mus. Pisan.
tab. XXI, n. 1, p. 59 verweist. Jene Bipennis
kann sehr wohl auf die schon von Eckhel aus
einem anderen Grunde in der Doctr. uuui. II,
p. 491 aufgestellte Ansicht führen, daß die Stadt-
göttin von Aegae als Amazone betrachtet wurde.
In der That wird bei Paulus Diaconus p. 24, 11
eine Amazonenkönigin Aege erwähnt. Jahn,
der mit Recht die „poseidonischen Attribute'' der
Repräsentantin von Aegae auf der Basis für
41
auffallend hielt, da Aegae im Binnenlande lag,
glaubte sich durch die Annahme beruhigen zu
können, daß, „da dieser Name so durchgehends
mit poseidonischem Cultus verwandt sei, man
auch ohne bestimmte Nachricht wohl annehmen
dürfe, daß die Gründer der Stadt die Verehrung
des Poseidon mit dorthin brachten und daher
der Name stamme ," indem er außerdem noch
den Umstand in Anschlag brachte, daß „Poseidon
als Urheber des Erdbebens galt und es in Klein-
asien nicht an Spuren fehle, die auf seine Ver-
ehrung grade in dieser Rücksicht hinweisen."
Was nun aber das Letztere betrifft, so wollen
wir darauf um so weniger eingehen, als es kei-
nesweges feststeht, daß es sich um „poseido-
nische" Attribute handelt. Sicher ist, daß auch
die Münzen von Aegae keine Spur des Cultus
Poseidons zeigen. Dagegen ließe sich der Re-
verstypus der unter Vespasiauus geprägten Münze
bei Mionnet Descr. T. III, p. 4, n. 16 sehr
wohl auf Aphrodite beziehen. Wir wollen nicht
in Anschlag bringen, daß, wie Poseidon den Bei-
namen ^i'^'atos hatte, so auch Aphrodite „Aegaea"
genannt wird bei Statins Theb. VIII, 478. Da-
gegen ist hervorzuheben, daß der Delphin kei-
nesweges nur auf Aphrodite als Pelagia bezogen
zu werden braucht, vgl. Engel Kypros II, S. 186.
Wie an der Puteolanischen Basis Tmolos
und Temnos Tracht und Attribute des für diese
Orte wichtigsten Gottes, des Dionysos, haben, so
ist nach meiner Meinung auf derselben auch
Ephesos als Artemis charakterisirt. Jahn
sagt a. a. 0. S. 141 freilich: „Die Sage, daß
die Amazonen Stadt und Heiligthum gegründet,
hatte so allgemeine Geltung, daß Ephesos am
passendsten als Amazone dargestellt werden
konnte; auch hat sie von allen amazonenartigen
4
42
Figuren der Basis allein die rechte Brust ent-
blößt." Wir dagegen glauben nicht zu irren,
wenn wir gerade deshalb nicht an eine Ama-
zonedenken, sondern an Artemis, welche ja auch
mit entblößter Brust dargestellt wird. Zu einer
Artemis als Göttin der Saaten (Text zu d.
Denkm. d. a. Kunst II, 8, 91, a) und Pötamia
und Limnäa passen auch die Attribute, Aehren
und Mohn, so wie das Treten auf die Maske des
Flußgottes sehr wohl, während jene und dieses eine
Amazone gar nichts angehen. Dasselbe gilt von
der Kopftracht. Von dieser meint Jahn, sie sei
eine ,,Thurnikrone," aus welcher ,, Flammen em-
porschlagen." Wenn Jahn ,,über den Sinn die-
ses auffallenden Attributs keine sichere Vermu-
thung hat," so ist das sehr begreiflich. Aber
könnten die ,, Flammen" nicht flammenähnliche
Zierathen des Kopfschmuckes sein sollen, welche
den sonst an diesem in abwechselnder Bildung
vorkommenden Strahlen (Stephani Nimbus u.
Strahlenkranz S. 123 u. 138 (Nachtr.), Ilelbig
Wandgem. Campaniens S. 67 fg., das Mosaik
von Arapurias in der Arch. Ztg. 1869, Taf. 14,
und die Denkm. d. a. Kunst Bd. II, Taf. XV
der nächstens erscheinenden dritten Ausg. unter
n. 156, 156, i, 166 a) entsprächen?
IV.
Zur Kunstmythologie Poseidons.
1.
In dem Supplement von Lippert's Daktylio-
thek I, 50 ist ein Carneol der vormaligen Praun'-
schen Sammlung in Abdruck gegeben, welcher
die Darstellung eines unbärtigen »Neptun« ent-
hält. Die Unbärtigkeit dieses Gottes erschien
dem Herausgeber mit Recht auffallend. Selbst
43
nach den Darlegungen Overbeck's in der Kunst-
mythologie Poseidons S. 322 fg. läßt sich jener
Darstellung nur eine andere vollkommen zur
Seite stellen, nämlich die den Dreizack wie zum
Stoß fassende auf den Hippokanipeu oder auf dem
Hippokampenwagen des Reverses der Denare des
Q. Crepereius Rocus (Denkm. d. a. K. II, 7, 79,
a, Overbeck a a. 0., Mänztaf. VI, n. 20), wenn die-
selbe wirklich eine männliche ist, wie allgemein
angenommmen wird, und wenn sie den wirkli-
chen Neptun darstellen soll. Aber das Letztere
anzunehmen hat man bei Voraussetzung der
Mänulichkeit uud beabsichtigten, nicht bloß auf
dem Mangel der Genauigkeit in der Ausführung
bei den geringen Dimensionen beruhenden Un-
bärtigkeit nicht nöthig , da die von uns schon
vorlängst vorgeschlagene Beziehung auf Q. Cre-
pereius Rocus als Neptun gewiß au sich passend
genug ist, wie denn ihre Berechtigung auch von
Overbeck anerkannt wird (a. a. 0. S. 298 u. 327).
Auch in Betreff der vorher erwähnten Gemmen-
darstellung bietet sich bei der Annahme, daß
die Uubärtigkeit nicht auf Nachlässigkeit beruhe,
dem Erklärer ein Ausweg von der Anerkennung
eines bartlosen Poseidon. Die in Rede stehende
Figur ist ganz nackt, ihr Haar fällt etwas vom
Hinterhaupte herab, sie steht auf dem einen
Beine ruhend, mit etwas gesenktem Kopfe da,
indem sie auf der Hand des einen, ausgestreckten,
Arms einen Delphin hält uud mit der anderen
Hand einen Dreizack auf den Boden stützt.
Hinter der Figur gewahrt man einen blätterlosen
Baum; vor ihr, am Boden, einen undeutlichen
Gegenstand, den selbst Lippert nicht genauer er-
kennen konnte. An sicheren bärtigen Poseidon-
figuren, welche dem eben beschriebenen in jeder
Hinsicht gleichen (nur daß der Kopf weniger
44
nach vorn hin gesenkt ist), fehlt es auf Münzen
und geschnittenen Steinen nicht, vgl. hinsicht-
lich dieser Overbeck a. a. 0. S. 301 , wo auch der
in Rede stehende Stein in Anm. c. erwähnt ist,
ohne daß ihm hier oder in der bedonderen Be-
sprechung des jugendlichen Poseidon genauere
Berücksichtigung zu Theil geworden wäre. Auch
der Baum, etwa ein, Lorbeer , läßt sich in ähn-
licher Weise angebracht dann und wann bei
Poseidon nachweisen. Indessen steht durchaus
nichts entgegen, einen Helios-Apollon-Delphinios
anzunehmen. Ja man wird zugeben müssen,
daß ein bartloser Neptun auf einem Griechisch-
Römischen Werke wenigstens eben so befremd-
lich ist als ein Apollon mit Delphin und Drei-
zack. Ist doch der Delphin ein bekanntes At-
tribut Apollons und paßt doch der Dreizack zu
diesem sowohl als Delphinios (was an erster Stelle
zu veranschlagen ist) als auch als Helios, lieber
Apollou-Delphinios und den Delphin als sein At-
tribut: Welcker, Griech. Götterlehre I, S. 499 fg.,
II, S. 380 fg. ; über den Dreizack bei Apollon
und Helios: meine Commentatio de diis Grae-
cis Romanisque tridentem gerentibus, Gotting.
MDCCCLXXII, p. 7 und p. 22 fg., Anm. 35 fg.
Namentlich ist zu der in Rede stehenden Gemme
zu vergleichen der Nicolo des K. Cabinets zu
Wien , dessen bildliche Darstellung von E. von
Sacken und Fr. Kenner in der Beschreibung
der betreffenden Sammlung S. 446, n. 1036 ver-
zeichnet ist. Man gewahrt auf diesem Steine,
von welchem die nächstens erscheinende Ausgabe
des zweiten Bandes der Denkm. d. a. Kunst Taf.
XIV, n. 155 f. eine Abbildung bringen wird, in
der Mitte den Dreifuß und den auf ihm stehen-
den Raben, und herum , auf der einen Seite ei-
nen Dreizack und einen Delphin, auf der andern
45
ein Füllhorn, bekannte Attribute des ApoUon
uud Helios. Es wäre sehr wünschenswerth, daß
Jemand, der im Stande ist, über den St^in des
früheren Praun'schen Cabinets genauere Auskunft
zu geben, über den Gegenstand vor der unbärti-
gen Figur berichtetete, hinsichtlich dessen Lip-
pert äußert, daß er sich der Gestalt nach nicht
beschreiben lasse ; ob es eine Insel (!) sein solle,
könne er noch weniger sagen.
Unter den vertieft geschnittenen Steinen der
K. Sammlung zu Berlin befinden sich zwei aus
Lapis Lazuli von roher und nachlässiger Arbeit,
deren ganz gleiche Darstellung von Toelken im
Erkl. Verzeichniß Kl. IX, Abth. 1. n. 1 u. 2, S. 435
so beschrieben wird: »Neptun legt stehend den
Arm auf eine Säule und hält in der Hand einen
Delphin.« Die Hand ist nicht die des auf die
Säule gestützten Armes. Hier wird die Figur
bloß wegen des Delphins auf Neptun bezogen.
Ein Dreizack ist nicht vorhanden, was übrigens
durchaus nicht gegen Neptun spricht, da der-
selbe auch sonst dann und wann bei den
bildlichen Darstellungen dieses Gottes fehlt.
Aber von den beiden Figuren ist die unter
n, 2 . nach den guten Krause'schen Abdrücken
zu urtheileu, ganz deutlich unbärtig und die
unter n. 1 vielleicht auch. Toelken hat die-
sen Umstand leider mit keinem Worte berührt,
bezeichnet aber die Darstellung n. 2 als >ganz
ieselbe« wie unter n. 1. Steht die Unbärtigkeit
in beiden Fällen sicher, so ist ohne Zweifel Apol-
lon Delphinios zu erkennen; ist dagegen die Fi-
irur auf n. 1 mit Sicherheit für bärtig zu hal-
ten, so kann man auch die unter n. 2 auf Nep-
tun beziehen , aber mit Wahrscheinlichkeit nur
unter Annahme einer Nachlässigkeit von Seiten
des Gemmenschneiders ; denn daß dieselbe Figur
46
ein Mal den bärtigen, das andere Mal den un-
bärtigeu Poseidon vorstellen sollte — wie das
auf Münzen von Poseidonia vorkommt — , ist
nicht wohl glaublich. Haar und Bekleidung der
Figuren passen sowohl für Poseidon als auch
für Apollon. Wäre wirklich Poseidon zu erkeu-
nen, so würde man mit dem größten Scheine
ein Schema seiner Darstellung als Asphaleios an-
zunehmen haben. Man vergleiche nur die bekann-
ten Darstellungen der Securitas. Dann könnte
vielUeicht auch der Typus Bruttischer Münzen,
auf denen Poseidon sein rechtes Bein auf einen
Säiilenstumpf setzt (ein Exemplar abgebildet bei
Overbeck a. a. 0., Münztaf. VI, n. 1) in dieser
Richtung erklärt werden. Indessen findet sich
das Sichstützen auf eine Säule, wie es in den
beiden erwähnten Gemmenbildern vorkommt, sonst
bei Poseidon nicht. Wohl aber kommt Aehuli-
ches bei Apollon vor, an den wir auch in Betreff
jener beiden Gemmen bis auf Weiteres am lieb-
sten denken möchten.
Conze hat in Gerhard's Arch. Anzeiger 1867,
S. 89* ein Relief der Universitätssammlung zu
Bologna als »offenbar Amymone von Poseidon
überfallen darstellend« bezeichnet. »Amymone
wird, wie sie vor dem Felsenquell, um Wasser
zu schöpfen, kniet, von Poseidon, der nackt mit
dem Dreizack im Arme auf sie zustürmt, über-
rascht; das Wassergefäß liegt umgefallen neben
ihr. Der Gott kommt aus den Meereswelleu her-
aus, indem hinter ihm Fische und ein sich win-
dendes größeres Seethier sichtbar sind. Am Fel-
sen über der Quelle sitzen zwei kleine A'^ogel,
die erschreckt schreien. Oben auf dem Felsen
sitzt ein Mann, der ein Fell umgehängt hat, ge-
47
wiß als Localgottheit des Berges zu denken; er
wendet sich mit dem Oberkörper hemm nach
l'oseidou zu«. Dieses »sehr effectvoll und mit
el Fertigkeit gearbeitete Hochrelief, das jetzt
neilich arg beschädigt ist«, hat Overbeck in der
Kunstrayth. Poseidons unberücksichtigt gelassen.
Es verdient aber besondere Beachtung. Unter
»Amymone« versteht Conze offenbar die Argivi-
sche Jungfrau dieses Namens. Paßt aber auf
diese der Umstand, daß sie beim Wasserschöpfen
an der Quelle von Poseidon überfallen wird ?
Weder in den von Overbeck a. a. 0. S. 368 fg.
zusammengestellten Berichten, welche wir bei
den Schriftstellern über die betreffende Sage fin-
den, findet sich so etwas ausdrücklich ansgespro-
( hen , noch ist auf den sicheren bildlichen Dar-
stellungen ein Ueberfall von Seiten Poseidons
bei Gelegenheit des Wasserschöpfens dargestellt.
Freilich hat Overbeck einen Bericht übersehen,
welcher eine abweichende Sage enthält: den bei
Servius zu Vergil. Aen. IV. 377. Hier heißt
es: Dauaus trabens ab Aegypto originem, cum
videret ira Neptuni vindictam sumentis, quod ad-
versum se de condendis Athenis Hisagus (ohne
allen Zweifel: Inachus, vgl. Apollodor. Bibl.
II, 1 , 4) fluvius pro Minerva judicasset, uri sicci-
tate solum, filiam A(m)yraonem ad aquam inqui*
1 endam proficisci jubet, quae cum vidisset reper-
tiim fontem, hiatu terrae receptum, exaruisse,
ad patrera detulit u. s. w. Allein auch dieser
Bericht paßt nicht zu der Reliefdarstelluug. Wohl
aber ist dieses der Fall in Betreff mehrerer
Münztypen von Berytos . welche freilich nur die
Figuren des Poseidon und des von ihm beim
Wasserschöpfen Überfallenen Weibes zeigen. Der
Typus kommt zuerst unter Caracalla vor. Die
unter Elagabalus, Macrinus, Diadumenianus und
48
Gordianus Pius geprägten Münzen sind nach Mi-
onnet von Overbeck a. a. 0. S. 340 angeführt
(der aber Suppl. VIII, p. 236, n. 48 übersehen
hat). Ein unter Elagabalus geprägtes Exemplar
hat von Rauch in der Arch. Ztg. 1874, S. 44
beschrieben. Gute Abbildungen von Exempla-
ren aus der Zeit des Macrinus und Diadumenia-
nus gab vorläugst F. Lajard Recherch. sur le
eulte de Venus pl. 1, n. 9 (Denkm. d. a. K. II,
26, 285 e der neuen Ausg.) und pl. XXV, n. 2 ;
von einem unter Elagabalus geprägten, Overbeck
a. a. 0., Münztaf. VI, n. 30. Hier sieht man allein
die Gruppe von Poseidon und dem Weibe, wel-
che dort auf der Spitze des Giebels des Astar-
tetempels erscheint. Das Weib ist die Beroe,
die Namengeberin der Stadt, die auch Beroe hieß.
Handelt es sich nun auf diesen Münzen und auf
dem in Rede stehenden Relief um dieselbe Sage
und ist diese von der über die Argivische Amy-
mone durchaus verschieden? Das Relief kann
immerhin allein auf diese Amymone bezogen
werden. Das Hervorkommen Poseidons aus dem
Meere und wie er die zum Wasserschöpfen, wie
tagtäglich, nach der Lerna gekommene Amy-
mone mit Gewalt ins Meer schleppt , beschreibt
Lucian Dial. marin. VI; jenes auch Philostratus
der Aeltere, Imag. I, 8, welcher die Jungfrau wie-
derholt zum Flusse luachos gehen läßt. Eine
von der Amymone gefundene und benutzte Quelle,
die aber eines Tages wieder verschwunden ist,
kennen wir aus der Version der Sage bei Ser-
vius. Die Anhöhe auf dem Relief ist aus Schrift-
stellen z. B. Apollodor II, 5, 2, und Bildwerken,
welche die Amymonesage angehen, bekannt. Wa-
rum sollte man bei dem Vorhandensein solcher
Varianten der Sage in Betreff des Wassers, aus
welchem Amymone schöpfen wollte — um von
49
anderen noch bedeutenderen Varianten zu schwei-
gen — , nicht auch noch d i e voraussetzen dürfen,
daß der üeberfall durch Poseidon gerade während
des Schöpfens aus einer von der Jungfrau ent-
deckten namenlosen Quelle des Argivischen Lan-
des stattgefunden habe? Ja man muß sagen,
daß die Annahme einer bloßen Localsage von Be-
rytos auf jenem Relief schon an sich großes Be-
denken erregt. Die Münztypen von Berytos be-
ziehen sich ohne Zweifel auf eine Localsage die-
ser Stadt. Folgt aber daraus , daß diese Sage
mit der Argivischen , in die Gesammtmythologie
der Griechen übergegangeneu, gar nichts zu
schaffen habe? Wir wissen dnrch Nonnos, Dio-
nys. VIII, 150 fg., daß die in Rede stehende Beroe
nach älterer Sage als Tochter des Adouis und
der Aphrodite, nach jüngerer Sage als Tochter
des Okeanos und der Tethys galt und den Bei-
namen Amymone hatte. Aus der Abstammung
von Aphrodite erklärt es sich eines Theils, wie
die erwähnte Gruppe auf den Münzen von Bery-
tos an den Tempel der Aphrodite-Astarte kam;
andern Theils konnte auch die enge Verbindung
zwischen Poseidon und Aphrodite (Stark Gaza
und die philist. Küste, S. 288) eine Sage, in wel-
cher die Namengeberin der Stadt eine Rolle
spielt, für den bildlichen Schmuck des Tempels
der Aphrodite geeignet erscheinen lassen. Frei-
lich macht die Beroe als Amymone zunächst
Schwierigkeit, obgleich jene Münztypen zeigen,
daß es zu Berytos, und zwar schon vor Nonnos,
eine Sage über Poseidon und Beroe gab, welche
der über Poseidon und der Danaide Amymone
im wesentlichen entsprach. Nonnos, der jene
wiederholt allein Amymone nennt, betrachtet sie
als von der Argivischen Amymone durchaus ver-
schieden, vgl. namentlich XVU, 307 fg. Auch
50
der ganze Verlauf der Liebscliaft, die bei Non-
iios nach einem förmlichen Kampf zwischen Po-
seidon und Dionysos, der durch Zeus' Vermitte-
lung abgebrochen wird, mit einer Hochzeit von
Poseidon und Amymone endigt, weicht durchaus
ab. Die Geschichte ist speciell für die btadt
Berytos zurecht gemacht, für welche Dionysos
eben so große Bedeutung hatte wie Poseidon.
Desto beachtenswerther ist es, daß doch dieser
nicht jener, mit Beroe-Amymone verbunden wird.
Beachtenswerth ist ferner besonders das, daß
Nonnos gerade da, wo er die nach seiner Ansicbt
iün^^ere Sage von der Abstammung der Beroe
von°Okeanos und Tethys berichtet, die Angabe
hinzufügt, daß man jener den Beinamen Amy-
mone gegeben habe. Warum hat er, da er doch
mit diesem Namen auch die Beroe der nach ihm
älteren Sage bezeichnet, jene Angabe nicht bei
oder nach der Erwähnung der altern Genealo-
gie angebracht? Weil er in seiner Quelle nur
bei der Okeanostochter Beroe angegeben land,
daß sie auch Amymone hieß. Nun finden wir
schon in Vergil's Georg. IV, 341 eine Okeanide
Beroe erwähnt. Diese ist schwerlich von der
Beroe -Amvmone verschieden. Man wird diese
erste und 'einzige Erwähnung sicherlich nicht
für zufällig halten, wenn mau bedenkt, daß Ver-
di im Zeitalter der Kömischen Colonisatiou von
Beroe-Berytos lebte. Damals war die Okeamde
Beroe in Rom bekannt geworden. Auch sonst
treffen wir dieselben Namen unter den ^keani-
den und den Danaiden: Rhodia, Elektra. Wie
sich die Danaide Stygne mit der Okeamde btyx
zusammenstellen läßt, so, und mit noch größe-
rer Wahrscheinlichkeit, die Danaide Kleite mit
der Okeanide Klio, welche bei Vergil a.a.O. als
Schwester der Beroe aufgeführt wird. Diese ist
51
übrigens als ursprünglich Berytisch zu betrachten.
Es muß in Berytos eine einheimische Sage von
einer Qnellnymphe Beroe gegeben haben, welche
man als Geliebte des höchsten Wassergottes be-
trachtete. Dafür spricht auch die Bedeutung
des Namens, wie schon Eckhel, Doctr. num. II,
p. 358, bemerkt hat. Mit diesem verschmolz man
in Hellenistischer Zeit die Griechische, als Okeanide
— was sie ja auch war — gefaßte Amymone.
Daher der Doppelname Beroe-Amymone *).
V.
Die drei Gottinnen des Parisurtheils
als die drei Chariten.
lu den Denkm. d. a. Knust Bd. II, Taf. LVII,
n. 725 ist eiu geschnittener Stein aus dem Mus.
Worslejanum T. II, pl. 5 abbildlich mitgetheilt,
auf welchem mau die drei Chariten in der sehr
gewöhnlichen Darstellungsweise erkennt: drei
stehende nackte weibliche Gestalten, so zu einer
Gruppe vereinicrt, daß die beiden äußeren dem
Beschauer die Vorderseite zukehren, die mittlere
dagegen die Rückseite , nur daß ihr Kopf, nach
rechts gewendet, im Profil erscheint. Sie umar-
men sich , wie regelmäßig. Auch hat die zu-
meist nach links stehende in der Rechten das
Aehrenattribut , welches man in der Hand der
entsprechenden Charis auf den beiden nahestehen-
den Gemraendarstellungen der Chariten in den
D. d. a. K. a. a. 0. n. 724 und 726 findet, wenn
hier nicht an einen Zweig zu denken ist. Dage-
gen hat die mittlere iu der Rechten kein Attri-
but, wie auch die entsprechende auf der Gemme
1) Die voa Tenffel in Pauly's Realencyclop. der class.
Alterthumswissensch., zw. Aufl., Bd. I, 2, S. 2356, Arnn.*)
angeführte Schrift Rigler's de Beroe Nonnica, Potadam
1860, haben wir leider nicht einsehen können.
n. 726 ohne Attribut ist. Jene unterscheidet
sich aber von dieser dadurch, daß sie mit der
Rechten auf etwas hinzuweisen scheint. Die
Charis zumeist nach rechts endlich hebt den lin-
ken Unterarm, wie die zumeist nach links den
Rechten. Man gewahrt aber in der linken Hand
kein Attribut, was allerdings daher rühren kann,
daß die Stelle, an welcher dieses sich befinden
muß, durch die rechte Hand der mittleren Charis
verdeckt wird. Dagegen trägt die zumeist nach
rechts stehende Charis auf dem Haupte einen Ge-
genstand, welcher sonst weder an dieser Stelle
noch anderswo bei den Chariten vorgefunden
wird; jene halbeiförmige Mütze, welche als Kopf-
tracht Vulcans, der Dioskuren und des Ulysses
bekannt ist. Man faßt nun die Kopftracht jener
Charis als die des Hephästos und nimmt an, daß
durch jene diese als die Gemahlin des Feuerbe-
herrschers bezeichnet werden solle, welche Ho-
mer II. XVHI, 382 schlechthin Charis nennt,
während sie in der Hesiodischen Theogonie Vs.
945 Aglaia heißt und nach Eustath. z. Homer,
p. 1118, 60 auch Thalia genannt wurde. Al-
lerdings kommen ähnliche Uebertragungen von
Attributen wohl vor; eine ganz gleiche aber
schwerlich. Der nächststehende Pendant wurde
die mit der sogenannten Phrygischen Mütze
versehene Venus eines Wiener Silbergefäßes sein,
wenn die von mir in den Götting. gel. Anz. 1874,
S. 328 ausgesprochene Vermuthung, daß diese
Göttin durch jene Kopftracht als mater Aenea-
dum, genetrix Aeneia, bezeichnet werden solle,
das Richtige trifft. Die richtige Deutung nicht
allein der Kopftracht der Charis , sondern der
ganzen in Rede stehendeuden^ Gemraendarstel-
lung wird, meine ich, durch die Vergleichuug
nahe stehender Bildwerke an die Hand gegeben.
53
In dem Kupferheft zu Fr. Lehne's Ges.
Schriften, herausg. von Ph. H. Külb, ist auf
Taf. XIl, n. 52 ein zu Mainz gefundener,
dann in das Großherzogl. Museum zu Darmstadt
übergegangener Candelaber von sehr schönem
rothen Marmor mit den ihn schmückenden bild-
lichen Darstellungen mitgetbeilt. An seiner
oberen Abtheilung gewahrt man, vor aufgezo-
genem Vorhange, aber auf dem hügeligen Erd-
boden stehend zumeist nach links Juno, von
vorn dargestellt, nackt bis auf ein leichtes Ge-
wand, welches vom linken Oberarm herabfällt,
und hinten an der rechten Hüfte zum Vorschein
kommt, mit einem Zweig, welchen Lehne Bd. I,
S. 209 als von Lotus bezeichnet, in der Rechten,
neben ihr den Pfau; dann Minerva, in der Rück-
, Seite dargestellt, nur daß der Kopf im Profil
nach rechts hingewendet ist, ganz nackt, aber
mit dem Helm auf dem Haupte; endlich Venus,
auch wohl ganz nackt, mit einer Blume in der
linken Hand, neben ihr den Amor. Die Göttin-
nen halten sich an den Händen, indem Minerva
mit der linken die linke der Juno und mit der
rechten die rechte der Venus gefaßt hat. Von
Paris oder Mercur findet sich keine Spur. Daß
hier die drei Göttinnen als Chariten gefaßt sind,
erhellt auch aus den Umständen , daß sie sich
>wie zum Tanze« (Lehne) anfassen und daß an
der unteren Abtheilung des Candelabers die Re-
präsentanten der vier Jahreszeiten dargestellt
sind, zu welchen die Chariten der Beziehung nach
bestens passen. In einer Wandmalerei bei
Ponce Description des bains de Titus, Paris
MDCLXXXVI, pl. 7 sind die drei Göttinnen, bis
auf ein kleines Gewand , welches die Scham be-
deckt, nackt ^) auf Postamenten stehend, Minerva
1) Im Text heißt es freüich: La mere des Amours
54
in der Mitte, mit dem Helm auf dem Haupte,
von vorn, Venus und Juno in Dreiviertelan-
sicht mehr von der Seite, jene mit dem Apfel
in der Linken und dem sich an sie schmiegen-
den Amor , welcher sich , wie es scheint , den
Apfel zu verschaffen sucht, diese mit dem Pfau.
Die Darstellungen befinden sich innerhalb einer
Nische unmittelbar über einem labrum, von dem
noch deutliche Spuren vorhanden waren. Man
sollte sich die Göttinnen als in das Bad zu stei-
gen begriffen denken. An ein Bad vor dem Ur-
theil des Paris, wie Pallas auf einem Vasenbilde
(Overbeck a. a. 0. Taf. X, n. 2) sich wäscht, kann
aber nicht gedacht werden. Venus hat ja den
Apfel in der Hand. Das Bad ist vielmehr als das
zu fassen, welches die Chariten zu nehmen ge-
wohnt sind, worauf sich auch die Gefäße auf dem
geschnittenen Steine in den D.* a. K. a. a. 0. n.
726 beziehen dürften. Die Postamente sind si-
cherlich nicht mit jenem einer Bühne ähnlichen
Gerüste auf einem bekannten geschnittenen Steine
(Overbeck a. a. 0. Taf. XI, n. 7) zusammenzustellen,
auf welchem stehend die drei Göttinnen in scham-
loser W.eise ihre Reize für den Paris zur Schau
stellen ; sondern sie sind als Zubehör eines Bades
zu betrachten. Hieran schließen wir zwei Dar-
stellungen des Parisurtheils. Zuerst die auf dem
von Welcker Alt. Denkmäler V, S. 417, n, 11 aus
der Sammlung antiker Gemälde von Fr. Bartoli
im Vatican, Foh 22, angeführte: »Paris mit dem
Apfel, vor ihm die drei Göttinnen einander um-
fassend, wie die Grazien, nur alle nach dersel-
laisse voir tous ses charmes, qu'aucun volle ne derobe aax
yeux; aber die Abbildung zeigt deutlich ein vom linken
Arm her nach der Scham hin fallendes und diese be-
deckendes Qewandstück.
55
ben Seite gerichtet, alle nackt, nur ein Peplidion
um die Mitte des Leibes flatternd«. Dann den
Maffeischen Stein , den nach Moutfaucon's Ant.
expl. I, pl. CVIII, n. 2 ungenügender Abbildung
0 verbeck Tf. XI, n. 2 wiedergegeben hat Hier
sieht man zwischen eiuem auf einer Säule ste-
henden Cultusbilde der Athena (welches wohl
die Athena Ilias darstellen und so den Platz der
Handlung andeuten soll) und der Gruppe des
sitzenden Paris und des vor ihm stehenden, den
Apfel haltenden Mercurius die drei Gottheiten
ganz nackt, ganz ähnlich giuppirt, wie die drei
Chariten, Athena mit dem Helm auf dem Haupte
dem Beschauer deu Rücken zuwendend. Es be-
darf hienach wohl keines weiteren Nachweises,
daß der Worsley'scbe Steiu auf die drei Göttin-
nen des Parisurtheils als die drei Chariten be-
zogen werden kann. — Suchen wir nuu zu bestim-
men, auf welche von jenen die einzelnen Figu-
ren zu beziehen sind, so erinnern wir uns zu-
vörderst daran, daß auf den erwähnten zunächst
stehenden Bildwerken, welche eine genauere Be-
stimmung zulassen, Minerva in der Mitte steht
und die einzige ist, welche dem Beschauer den
Rücken zukehrt. Sollte nicht Raphael in seiner
durch einen Kupferstich von Marc Auton berühm-
ten Composition , von welchem 0. Jahn in den
Bericht, d. K. Sachs. Ges. d. Wiss. 1849, Taf. VI
einen Nachstich Marco's di Ravenna bekannt ge-
macht hat, das Motiv des Zukehrens der Hinter-
seite bei der, Minerva von einem antiken Werke
entlehnt haben? Allerdings ist Minerva auf je-
nen Pendants die Göttin, welche allein und wie-
derholt eine Kopfbedeckung hat. Allein das ver-
schlägt nichts, da sie selbst auf jenen und sonst
mehrfach ohne eine solche vorkommt. Die Fi-
gur zumeist nach links vom Beschauer ist jeden-»
56
falls auf Juno zu beziehen. Das Aehrenattribut
paßt nicht bloß zu der Charis, sondern auch zu
der Juno; es findet sich bei der Juno Martmlis
vgl. Text zu Denkm. d. a. K. Bd. II, Taf. V,
n 63, d der neuen Ausgabe. Ob dasselbe hin-
sichtlich des Gegenstandes in der Rechten der
die gleiche Stelle einnehmenden Juno an dem
Darmstädter Candelaber zulässig ist, muß dahm
gestellt bleiben ; an einen »Lotuszweig« ist schwer-
lich zu denken. Ueber andere der Hera heüige
Pflanzen: W. H. Röscher «Stud. z. vergleichen-
den Mythologie« II, S. 38 fg. Demnach hatte
man in der zumeist nach rechts stehenden l^igur
des Worsley'schen Steines die Venus zu erken-
nen. Diese ist auch auf dem Vasenbilde m Over-
beck's Galler. Taf, X, n. 6 allein mit einer Kopf-
bedeckung versehen, auf einem älteren (Overbeck
Taf. IX, n. 3 oder D. a. K. I, 17,.94, a) auch
nicht Athena, wohl aber Hera. Die Kopfbede-
ckung auf dem Cameo ist nun freihch eine sehr ei-
genthümliche , wenn sich auch ähnliche bei
der Venus dann und wann finden. Dennoch
wäre sie bei der Venus wohl zu erklaren. Man
hätte anzunehmen , daß es sich um die h albei-
förmige Schiffermütze handele, die der Gottin zu-
nächst als Evnloia zustehen würde, ihr aber auch
als allgemeines Attribut gegeben werden konnte,
wie Aehnliches ja nicht selten und gerade bei
der Venus vorkommt. Mit einer halbeiformigen
Mütze ist auch die Figur bei R. Gaedecheus *Uned.
ant. Bildwerke« H. I, Taf. II versehen, welche
ich in den Gott. gel. Anz. a. a. 0. S. 327 tg.
auf Araphitrite bezogen habe, wälireud Andere
noch letzt an Helle denken (Overbeck Kunstmyth.
Poseidons S. 346 fg.). Auch bei Annahme einer
Amphitrite oder einer andern Meeresgöttiu wurde
Dicht an eine Uebertragung der Kopfbedeckung
57
von Poseidon (Text zu Denkm. a. K. II, 7, 85, a,
der neuen Ausg.) zu denken, sondern die entspre-
chende Kopftracht aus der gleichen Beziehung
der Göttin auf Seefarth zu erklären sein. — Obi-
ges ließe sich nun recht wohl hören, wenn nicht
zwei geschnittene Steine vorhanden wären, welche
der Darstellung nach unter einander gleich sind
und dem Worsley'schen Steine zunächst stehen,
aber die letzterwähnt« Figur dieses deutlich mit
einem Helm auf dem Kopfe zeigen. Jene beiden,
selbst einem Gelehrten wie "Welcker unbekannt
gebliebenen Steine sind der »Niccolo di vari
colori« in den Gemmae et sculpturae ant. de-
pictae ab Leonardo Augustino, herausg. von J.
Gronov, P. I, t. 114, und der »Sardius« in Gem-
marum Thesaurus quem coUegit lo. Mart. ab
Ebermeyer, dig. et rec. lo. lac. Baierus, t. I,
n. XV. Diesen Steinen gegenüber wird die obige
Beziehung der in Rede stehenden Figur auf Ve-
nus aufzugeben und dieselbe auf Miuerva zu
deuten sein , da auf diese auch die halbeiförmige
Mütze recht wohl paßt. Trägt doch die Göttin
mehrfach anstatt des Helms den Pilos, welcher
jenen auch bei Kriegerfiguren öfters ersetzt, und
erscheint doch dieser Pilos öfters in halbeiför-
miger Gestalt. Auf jenen beiden Steinen mit
identischer Darstellung hält die mittlere Figur,
den rechten Arm ausgestreckt und in der Hand
desselben Gegenstände, welche der Herausgeber
als Apfel mit Blättern faßt, was uns sehr miß-
lich erscheint. Das Attribut der Charis zumeist
nach links vom Beschauer (welche bei Agostino
verkehrt, zumeist nach rechts stehend gezeichnet
ist) gleicht bei diesem einem Lorbeerzweig, wäh-
rend es in der Zeichnung des Ebermeyer'schen
Steines minder deutlich zu erkennen ist; der
C haris mit dem Helm scheint , entsprechend ei-
5
58
nigen der oben erwähnten Minervafiguren, kein
Attribut in der Hand zugedacht zu sein, da wohl
etwas von ihrem linken Arm, aber nichts von
der linken Hand zu Gesicht kommt. So ist es
auch in Betreff der mit der Mütze versehenen
Figur des Worsley'schen Steins wohl das Wahr-
scheinlichste, daß sie in der Linken nichts hal-
ten soll.
UniTersität.
Bericht über die bot anischen Institute
der Universität Göttingen i'm J. 1876.
Als seit dem am 19. November 1875 erfolg-
ten Ableben des Herrn Hofrath ßartling die
Verwaltung des botanischen Gartens und des
Universitäts-Herbariums auf den Unterzeichneten
übergegangen war, während das pflanzenphysio-
logische Institut, wie bis dahin, ihm und dem
Herrn Professor R e i n k e anvertraut blieb, wurde
der im Interesse des Unterrichts und wissenschaft-
licher Bestrebungen vom Königlichen Ministerium
in Aussicht genommene Zweck erreicht, alle den
botanischen Studien dienenden Hülsfsmittel unter
einheitliche Leitung zu stellen. Es ist dankbar
anzuerkennen, daß hiedurch die genannten drei
Institute in engere Verbindung gesetzt worden
sind und in demselben Maaße, als ihre Aufgaben
in einander greifen, auch die zur Verfügung ste-
henden finanziellen Mittel nach einem gemein-
samen Plan verwendet werden können.
Im botanischen Garten wurde in Folge au-
59
ßerordeuÜiclier Bewilligung der Neubau von
zwei altern, am Walle belegenen Treibhäusern
während des Sommers 1876 zur Ausführung
gebracht und dadurch die Gefahr des Verlustes
unserer reichen Sammlung vor succulenten Ge-
wächsen abgewendet, denen der verfallene Zu-
stand der durch Seitendruck ausgewichenen Wände
keinen Schutz mehr gewähren konnte. Die Reihe
der neuern Treibhäuser, welche, vom ehemaligen
Universitäts-Baumeister Dölz gebaut, vielen an-
dern botanischen Gärten Deutschlands zum Mu-
ster gedient haben, wird zwar auch in Bezug
auf Heizung und zum Zweck ihrer Erhaltung
alsbald einiger Nachbesserung bedürfen, aber
zunächst war der Uebelstand zu beseitigen, daß
die Pflanzen zu dicht stehen und einzelne Holz-
gewächse im Laufe der Zeit zu hoch geworden
sind. Zu diesem Zwecke wurde ein Anfang ge-
macht, Ueberflüssiges auszuscheiden und es wurde
die große Dattelpalme, die bereits das Glasdach
zu beschädigen drohte, einige Meter tiefer in
den Erdboden des Palmenhauses eingesenkt.
Im Garten selbst stand eine ansehnliche Fläche,
die bis jetzt mit ökonomischen Pflanzen besetzt
war, nach der Vollendung der landwirthschaft-
lichen Anstalten zur Verfügung, und, indem da-
hin die systematisch geordnete Reihe der offici-
nellen Gewächse versetzt wurde, konnte man
den dadurch frei gewordenen Raum zur Erwei-
terung des Arboretum benutzen, dessen Bestand
den Aufgaben des Instituts am wenigsten ge-
nügte. In dieser Richtung vorzugehen, erschien
um so mehr geboten, als der Theil des Gartens,
der nun für diese Anlage bestimmt ist, wegen
seiner Bodenbeschafi'enheit zu andern Kulturen
sich als ungeeignet erwiesen hat. Auf einer
Reise, welche Herr Gartenmeister Gieseler nach
60
Hamburg, Berlin und Muskau unternahm, um
unseru Garten durch passende Holzgewächse zu
bereichern, wurden 218 ausgewählte Exemplare
von Arten erworben, die dem Arboretum bis da-
hin gefehlt hatten. Die neue Anpflanzung _ ist
im Geschmack einer Parkanlage und mit Rück-
sicht auf die Heimath der Arten bis zum Herbste
auf der südlichen Hälfte des Areals bereits aus-
geführt worden, das Uebrige wird sich im näch-
sten Frühjahr anschließen.
Anderweitige Bereicherungen des Gartens
ergaben sich aus dem üblichen Verkehr desselben
und aus Schenkungen, für welche der Dank hie-
mit ausgesprochen wird. Die Tauschverbindung
wurde mit 52 andern botanischen Gärten unter-
halten und erstreckt sich über ganz Europa:
aus ihnen sind im Frühling gegen 2000 Arten
in Samen bezogen und dafür 3000 Nummern
von hier aus abgegeben. Lebende Pflanzen em-
pfingen wir aus Petersburg (17 Arten) und aus
dem Berggarten in Herrenhausen (25), wogegen
Sendungen dieser Art nach denselben Orten
(nach Petersburg 76, nach Herrenhausen 12 Ar-
ten), sowie nach Kiel (15) und an den Forst-
garten in Münden (29) abgingen.
Geschenkt wurden dem botanischen Garten
von Baron Müller in Melbourne ein großer Farn-
stamm (Dicksonia antarctica), der aus Australien
unversehrt anlangte und bereits getrieben hat,
nebst einer neuen Cycadee aus Queensland, de-
ren Samen zur Keimung gelangten; von Herrn
Kurz, Curator des botanischen Gartens in Cal-
cutta 4 Nadelhölzer und eine Bambuse aus dem
Himalaja; von Professor Lorentz in Concep-
cion del Uruguay mehrere Sämereien aus der
argentinischen Flora; von Graf A. Keyserling
in Ilaiküll bei Reval einige Beiträge zu einer
61
in Angriff genommenen Kultur von Torfgewäch-
sen, die der Göttinger Gegend fremd sind.
Die Anzahl der in den Vorlesungen über
systematische Botanik unter die Studirenden ver-
theilten, abgeschnitteneu Pflanzen des botani-
schen Gartens belief sich während des Sommer-
semesters auf mehr als 300 Arten in etwa 17000
blühenden Exemplaren upd eine größere Reihe
von kultivirten Arten wurde von den Docenten
zu ihren Demonstrationen benutzt. Dem zur
Tauschverbindung dienenden Samenkatalog des
Gartens sind als Anhang einige systematische
Bemerkuugeu über kritische Gewächse hinzuge-
fügt, die im Sommer zur Blüthe gelangt
waren.
Das Universitätsherbarium ist seit geraumer
Zeit in der Weise verwaltet worden, daß dem-
selben die Privatsammlung des Unterzeichneten
zur Ergänzung dienen sollte, indem beide in der
Folge vereinigt werden sollen. Die Bereiche-
rungen des letzten Jahrs vertheilen sich daher,
wie bisher, auf beide Sammlungen. Von be-
deutendstem Werth waren drei Sendungen des
Professor Lorentz in Concepcion del Uruguay,
welche" theils die Ergebnisse seiner Forschungen
in den üferlandschaften am Rio de la Plata ent-
halten, theils von seiner mit Professor Hiero-
nymus nach dem Norden Argentiniens unternom-
menen Reise herrühren. Da die von ihnen be-
suchten Gegenden der Provinzen Salta, Jujuy,
Oran und El Chaco noch niemals von enem
Botaniker betreten waren, so liefert die Aus-
beute, namentlich von dieser Reise, einen rei-
chen Beitrag zur Kenntniß der argentinischen
Flora, der, als Fortsetzung der früher in den
Abhandlungen der K. Gesellschaft der Wissen-
schaften publicirten Plantae Lorentzianae . ge-
62
genwärtig vom Unterzeichneten systematiseli be-
arbeitet wird. Anderweitige Erwerbungen für
die Sammlung desselben bestanden in russischen
und brasilianischen Pflanzen aus dem Museum
des kaiserlichen botanischen Gartens in St. Pe-
tersburg (vom Director v. Regel mitgetheilt),
in kritischen und neuen Arten aus Ungarn (von
Herrn v. Janka in Pesth), aus einer bedeuten-
den Anzahl illyrischer Pflanzen, den Original-
exemplaren zu den vieljährigen Forschungen des
Ritters V. Tommasini (Geschenk dieses wer-
then Herrn). Hieran reihen sich die durch An-
kauf erworbenen aragonesischen Pflanzen von
Loscos (eine Centurie), ausgewählte Arten der
italienischen Flora (gegen 200) und eine Sen-
dung aus Kalifornien (150 Arten). . , ,, .
Durch folgende Schenkungen wurde das Uni-
versitätsherbanum im vorigen Jahre bereichert:
vom Medicinalrath Wiggers empfing dasselbe
nordamerikanische Pflanzen (120), vom Apothe-
ker Vi o" euer die Sammlung Schaö^ners aus
Mexico (400 Arten), vom Professor Wappaeus
Holz von Sequoia gigantea, von Herrn Preiß
in Herzberg die von ihm bei Hattort wiederaut-
cefundeue Carex pilosa. Durch Ankauf wurden
erworben: Rietmaun's australische Sammlung
(250) die erste Serie von Rein's japanischen
Pflairzen (175), von Studniczka ausgewählte Ar-
ten der dalmatischen Flora (200), 5 neue Lie-
feruu<reu von Baenitz' Herbarium europaeuni
und "eine neue Abtheilung von Rabeuhorst s
Brvotheca europaea (50 Arten).
Von wissenschaftlichen Publikationen, die
aus den Göttinger Herbarien hervorgegangen
sind, können mehrere Aufsätze des Privatdocen-
ten br Drude erwähnt werden, die sich aui
die Systematik und geographische Verbreitung
63
der Palmen beziehen, über welche derselbe eine
größere Arbeit vorbereitet.
Das pflanzenphysiologische Institut wird erst
dann zu voller Wirksamkeit gelangen können,
wenn die vom K. Ministerium beabsichtigte Er-
richtung eines dazu bestimmten Gebäudes im
botanischen Garten ausgeführt sein wird, wozu
der Bauplan bereits genehmigt worden ist. Al-
lein wenn auch das provisorische Lokal, auf
welches das Institut gegenwärtig noch einge-
schränkt ist, den Bedürfnissen nicht genügt, so
hat dasselbe doch in den wenigen Jahren seines
Bestehens sich durch die Thätigkeit des Professor
ßeinke, dem die specielle Leitung übertragen
ist, gedeihlich entwickelt und ist mit Instrumen-
ten, Apparaten , Sammlungen und anderweitigen
Hülfsmitteln so weit ausgestattet, daß mannig-
faltige Arbeiten darin unternommen und zum
Theil vollendet werden konnten. Während im
verflossenen Jahre der größte Theil der ver-
fügbaren Geldmittel wiederum zur Erweiterung
des wissenschaftlichen Apparats verwendet wurde,
sind die Sammlungen fast nur durch Professor
Reiuke selbst erheblich bereichert worden, wozu
ihm sein Aufenthalt in Neapel während des
Winters 1875 auf 1876 und eine Herbstreise
nach der Schweiz erwünschte Gelegenheit bot.
Diesen Untersuchungen verdankt das Institut an
Mediterrau-Algen eine theils zu Demonstrationen
geeignete, theils zum Arbeitsmaterial bestimmte
Sammlung (in etwa 240 Gläsern) und aus den
Alpeu seine Ausbeute an Pilzen, unter denen
die Myxomyceten (in 33 Gläsern) besonders
reichhaltig vertreten sind. Die Pilzsammlung
wurde außerdem durch den Ankauf von SchneS-
der's schlesischen Pilzen , sowie einer neuen
Lieferung von v. Thümen's Herbarium mjcologi-
64
cum oeconomicum vermehrt. Im Institut selbst
wurde auf die Herstellung einer ausgedehnten
Sammlung von morphologischen und anatomi-
schen Präparaten fortgesetzt Bedacht genommen.
Von den Arbeiten, welche im physiologischen
Institut ausgeführt wurden, sind jfolgende ent-
weder vollständig oder im Auszuge bereits ver-
öffentlicht :
Dr. Falkenberg, die Vegetationsorgane
der Monokotyledonen ;
Stud. Behrens, die Anatomie der Narbe;
„ Holle, die Anatomie der Ophioglos-
seen;
„ Holle, die Marattiaceen ;
,, „ die Wurzel der Angiospermen ;
„ Conwentz, der Gefäßbündelverlauf
der Farne.
Die Untersuchung von Holle über Kohlen-
säure-Zersetzung in den Pflanzen wurde beendet,
ist aber noch ungedruckt. Noch unvollendete
Arbeiten beziehen sich auf die zur Kohlensäure-
Zersetzung erforderliche Lichtmenge , auf die
Blüthenentwickelung der Halorageen und auf
die Anatomie und Blüthenentwickelung von
Elatine.
Dr. Grisebach.
65
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
7. Februar. Mk 3* 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaftea.
Sitzung am 3. Februar.
Benfey, Hermes, Minos, Tartaroe (erscheint in denAb-
handlangen).
— Nachtrag zu den 'Nachrichten* 1876, Nr. 13, S. 330,
Z. 13 V. u. flF.
— Nachtrag zu den 'Nachrichten' 1877, Nr. 1. S. 10,
Z. 14.
— Wahrung seines Rechtes.
Bethy, ein Beitrag zur mathematischen Theorie der
Beugungs • Erscheinungen. (Yorgel. von Schering).
Nachtrag zu den 'Nachrichten', 1876, Nr. 13,
S. 330 Z. 13 V. u. ff.
Von
Th. Benfey.
Ich glaube riihnair und yudha jetzt vollstän-
dig erklären zu können, rukmaih. steht in socia-
tiver Bedeutung: 'mit Goldzierrathen' und be-
zieht sich auf wara(h); 'Die Helden mit Gold-
zierrathen' sind 'die mit solchen geschmückten
Helden' (genaueres in der 'Grammatik der vedi-
schen Sprache', Syntax, Instrumental); yudhu
aber steht für yndJm (vgl. 'Quantitätsverschie-
6
66
denheiten, 1. Abhandlung, in Abhandlungen der
Kön. Ges. der Wiss. zu Göttingen, Bd. XIX. S.
255 fiP.) und ist Determinativ von närah: 'die
Helden des Kampfes = Kriegshelden'. Es ist
also S. 140, Z. 12 zu ergänzen: 'Heran haben
die mit goldnen Zierrathen geschmückten Kriegs-
helden'. . . .
Nachtrag zu den 'Nachrichten' 1877 Nr. 1.
S. 10, Z. 14.
Von
Th. Benfey.
Die Identität von Kiqßsqo mit gdbäla ist schon
vor Weber von M. Müller (vor 1848) hervorge-
hoben (s. dessen 'Chips from a German Work-
shop' II. p. 182 ff.), wie auch von Weber 'Aka-
demische Vorlesungen über Indische Literaturge-
schichte 2te Auflage 1876, S. 38 n.** bemerkt ist.
Wahrung seines Rechtes.
Von
Th. Benfey.
In den Göttiuger Gelehrten Anzeigen hat
der Verfasser dieser Rechtswahrung am lösten
Mai 18 4 6 im 8 Osten Stück derselben
S. 841 — 842 folgende Worte veröffentlicht:
'Ein tieferes Eindringen in die ursprüngliche
67
Stellung desAccents und seine Geschichte würde
den Herrn Verf. (es ist von dem verstorbenen
Germanisten und Linguisten , Adolf Holtzmann,
die Rede) ■wahrscheinlich sicherer geleitet haben.
Refer. glaubt als Resultat seiner Untersuchun-
gen geben zu können, daß der Accent (im
Indogermanischen) ursprünglich nie auf
der Stammsilbe, sojidern auf der, den
Wurzelbegriff modificierenden siand\
Im Jahre 1847 veröffentlichte Hr. Prof. Louis
B e n 1 0 e w seine Schrift : De TAccentuation dans
les laugues Indo - Europeennes, welche, wie die
Unterfertigung des Doyen de la Faculte des
Lettres de Paris , datirt vo m 6 ten Ju n i
18 4 7 so wie die hinzugefügte Druckerlaubniß
zeigt (S. 296 dieser Schrift), erst dreizehn
Monate nach meiner Y eröffentlichun g
gedruckt zu werden beginnen konnte.
Als ich diese Schrift durchlas, erkannt« ich
zwar, daß zwischen seiner Annahme , daß der
Accent auf le dernier dctermiyiant d'un mot falle
(vgl. S. 293 Nr. 5, S. 45 und S. 2. Nr. 11)
und meinen oben angeführten Worten eine ge-
wisse Aehnlichkeit herrsche *) , allein sie war
1) Damit der Leser selbst artheilen könne, theile ich
die Stellen mit: S. 293 Nr. 5: La place de l'accent ne
dependait encore ni de la quantite , ni de nombre des
syilabes qui le separaient de la fin du mot. L'accent etait
ßxe par la place du dernier dete rminani.
S. 45. Les Premiers hommes, en combinant les Pre-
miers mots, paraissent avoir eleve leur voix aar la partie,
sur l'idee qui frappait leur esprit 'en demier lieu: ainsi
dans les formes augmentees du verbe c'etait l'angment,
dans les formes composees avec des prepositions c'etait
la preposition qui devait attirer l'accent.
S. 2. Nr. 11. Nous appelons le dernier determinant
d|un mot, la partie de ce mot, qui le determine en der-
nier lieu, c'est ä dire qui lui donne sa forme definitive.
68
nicht so augenfällig, daß ich mit Bestimmheit
hätte behaupten können , daß beide AufiFassun-
gen wesentlich identisch seien.
Als ich meine Vollständige Grammatik der
Sanskritsprache herausgab (1852) wiederholte
ich § 4 S. 9 jenes von mir 1846 ausgesprochene
Resultat fast in denselben Worten und wandte
es auf die Erklärung der Accentuation im San-
skrit an. Auch diese Worte halte ich für dien-
lich hieher zu setzen ; sie lauten :
'Das Sanskrit hat eigentlich nur einen Ac-
cent, den Acut, hohen Ton {uäättd). Dieser
hob ursprünglich den Vokal derjeni-
gen Sylbe, durch welche ein Begriff
modificirt ward, also den eines Suffixes
oder Präfixes, wenn es sich mit einer Wurzel,
oder einem aus einer Wurzel gebildeten Thema
verband, z. B. dvish 'hassen' mit dem Suffix der
Isten Person Dual. Präs. vas wird dvishvds;
taraSy Schnelligkeit, mit Sufi". vin wird tarasvkif
schnell; dvish mit dem Augment zusammenge-
setzt, wird drdvish, z. B. Iste Person Sing. Im-
perf. ädvesham, ich haßte. Dieses ursprüngliche
Princip ist jedoch im Fortgang der Sprach-
entwickelung in einigen Fällen von andern
wortgestaltenden Einflüssen verdrängt'.
Wenige Jahre nach der Herausgabe dieser
Grammatik erschien 1855 das von Henri Weil
und Louis Benloew gemeinsam bearbeitete
Werk : Theorie generale de l'Accentuation La-
tine, (Berlin, Paris). Darin heißt es (S. 105—106):
L'accent sanscrit releve gcncralement la
syllahe qui modifie la notion du radi-
cal, le Suffixe , l'augment , le redoublement : ä
une Serie d'exceptions pres , que Ton trouvera
enumerees dans les ouvrages de Benfey et de
Benloew, Je dernier determinant decidait
en sanscrit de la place de l'accent.
Man sieht schon aus den durch den Druck
am stärksten ausgezeichneten Worten, daß hier
die wörtliche lieber setsung meiner
Darstellung — und zwar nicht der
oben angeführten 1852 in der Voll-
ständigen Grammatik der Sanskrit-
sprache gegebnen, sondern der eben-
falls oben mitg et heilte n, schon 1846
in den Göttinger gelehrten Anzeigen
veröffentlichten: la syllahe qui mo-
difie la notion radicale = meinen
Worten: die den Wurzelbegriff modi-
ficieren de Sylbe —
V ollständig gleichgestellt tcird 7nit
B enloeiv's le der ni er d et er min an t.
Zu allem üeberfluß wird diese vollständige
Gleichstellung noch dadurch erhärtet , daß die
Verfasser in einer Note zu S. 106 die Behaup-
tung hinzufügen: Ce principe (der 'dernier de-
terminant'' = meiner 'den Wu r zelbegriff
modifi Gierenden Sylbe') mis en lumiere
par Benloew (Acentuation dans les laugues indo-
europeennes p. 49 et suiv.) a öte adopte par
M. Benfey (Neue (so !') Sanskritgrammatik 1852
p. 9), d. h. in schlichtem oder grobem Deutsch
ausgedrückt: sei von mir gestohlen.
Aus dieser, von Benloew selbst veröffentlich-
ten, Identificirung seines 1847 bekannt gemach-
ten Priucips mit der von mir tcen igst e n drei-
zehn Monate früher gegebnen Darstellung
ergiebt sich mit tinbezic eifelbar er Ent-
schiedenheit, daß ich unbedingt das
Recht habe diese Entdeckung als diemeinige
zu vindiciren.
Ich kann nicht bergen, daß der oben hervor-
70
gehobene Umstand, daß Weil und Benloew des
letzteren dernier determinant mahi mit der in der
Vollständigen Gr. d. Sskntspr. 1852 gegebnen
Fassung 'Sylbe, durch welche em Begriff mod-
ficirt ward', sondern mit der m den Gott. Gel
Anz 1846 'die den Wurzelbegnff modificierende
Silbe' identificieren, die Vermuthung nahe legt,
daß Hrn Benloew meine wemgstens schon drei,
zehn Monate vor der seinigen ^«!^f^«?^^^^^^^^^^
Darstellung bekannt war ^^«^ ^^If ^* Jf
Schlüssen berechtigt, wie sie Ferd. Justi m sei-
Ber Abhandlung 'Ueber die Zl^^f^^^J^^^W
der Nomina in den Indogermanischen Sprachen
1861 S. 69 Anm. gezogen hat; allem, wenn
gleih durch die gegen mich erhobene Beschnldi-
Lng, daß von mir Benloew's i^nnc^i^e a .^e
Idoptl wohl dazu berechtigt, hatte und habe
kh auch ietzt nicht die entfernteste Neigung Re-
cliSonen zu erheben. Mir kam und komm
es auch jetzt einzig darauf an, meine Priorität
in dlser Angelegenheit zu erweisen und zu be-
haupten und' nur in diesem Siini habe ic^
in Zarncke's literarischem Centralblatt Nr. 4A
ISten October, S. 675 eine kurze Erklärung
erlassen, deren Uebersetzung ungefähr um die-
se beZet auch in einer französischen Zeitschrift
erschienen ist, welche ich aber m diesem Au-
ffenblick nicht aufzufinden vermag. .
^Dieser Erklärung gegenüber haben so viel
mir bekannt, weder Benloew noch Weil eine
Erwiderung veröffentlicht. . ^ ^ „u
Tt dieser Erklärung glaubte ich demnach
meinem Rechte und meiner Pflicht Genüge ge-
Set zu haben nnd hoffte nicht nochmals ge-
S^'t zu werden, in dieser Angelegenheit of-
?pn hc 1 das Wort ergreifen zu müssen. Wenn
Ätzde^n jetzt, nach Verlauf von zwanzig
71
Jahren , mich in der Nothwendigkeit befinde,
mein Recht von Nenem zu wahren, so bietet die
Veranlassung dazu eine Arbeit von Dr. Leon-
hard Masing. Diese ist in den 'Memoires de
TAcademie Imperiale des sciences de St. Peters-
bourg, YUe Serie, Tome XXIII, Nr. 5, 1876 er-
schienen, führt den Titel : Die Hauptformen des
Serbisch- Chorwatischen Accents. Nebst einlei-
tenden Bemerkungen zur Accentlehre insbesondere
des Griechischen und des Sanskrit', und schreibt
die Entdeckung der ursprünglichen
Stelle des Accents im Indogermani-
schen S. 3 § 8 Louis Benloew zu.
Es ergiebt sich daraus daß entweder meine,
wie oben erwähnt, im Jahre 1856 erlassene Er-
klärung im Verlauf dieser zwanzig Jahre wie-
der vergessen ist , oder — vielleicht in Folge
ihrer Kürze — mein Recht nicht vellständig
außer allen Zweifel gestellt hat.
Ich habe es darum für meine Pflicht ge-
halten — und bin dem Hrn. Dr. Masing dank-
bar dafür, daß er mir die Veranlassung dazu ge-
geben hat — diese Angelegenheit nochmals zu
besprechen ; ich hoffe , daß dieses in so unpar-
teiischer, rein objectiver und zugleich genügen-
der Weise geschehen ist, daß jeder Leser dadurch
in den Stand gesetzt ist sich von meinem Rechte
auf die Priorität dieser Entdeckung vollständig
zu überzeugen.
Es wird zwar manchen Fachgenossen viel-
leicht auffallen, daß ich, trotzdem ich so viele
Veranlassungen Prioritätsansprüche zu erheben»
unbeachtet gelassen habe, in dieser Sache
sogar zum zweiten Male fiir mein Recht ein-
trete; allein diese mögen berücksichtigen, daß
dieser Fall weit über alle hervorragt, welche
72
mir sonst zu derartigen Ansprüchen Gelegenheit
gegeben haben würden.
Es ist einer der in dieser Disciplin sehr selt-
nen Fälle, wo sieben Worte dazu genügten einen
Gedanken von der allergrößten Tragweite zu
formuliren, welcher in seinem Schoß die Erklä-
rung einer fast unendlichen Fülle von sprachli-
chen Erscheinungen trägt. Wer einen solchen
Gedanken zuerst öffentlich ausgesprochen hat,
der hat, nach meiner IJeberzeugung, nicht bloß
das Recht, sondern fast in noch höherem Grade
die Verpflichtung , seinen Anspruch , ohne An-
sehen der Person , mit allen seinen Kräften , so
lange er vermag, zu schützen und aufrecht zu
erhalten.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften im Monat November 1876
eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Leopoldina. XII. No. 19—20.
The TransactioDs of the Linnean Soo. of London. Bo*
tang. Vol. I. P. 1—3. 1876. 4.
— Dieselben. Zoology. Vol. I. P. 2—8. 1875. 4.
General Index to the Transact. of the Linnean Soc. Vis.
XXVI to XXX. 1876. 4.
The Journal of the Linnean Soc. Botany. Vol. XV.
No. 81—84. 1875-76.
— Dasselbe. Zoology. Vol. XII. No. 60-63. 1876.
Linnean Society. Proceedings of the session 1874—75.
Additions of the Library of the Linnean Soc. From 1874
to 1876.
Fortsetzung folgt.
73
Nachrichteu
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
21. Februar. Mk 4. 1877.
Königliche Gesellschaft der WissenschafteB.
Sitzung am 3. Februar.
Ein Beitrag zurTheorie derBeugungs-
erscheinnngen.
Von
Moritz Rethy,
Professor an der Universität in Klausenburg.
Vorgelegt von Schering.
Die Erklärung der Beugungserscheinungen
bildet eine jener Aufgaben der mathematischen
Physik, deren vollständige Lösung in den näch-
sten Zeiten wol kaum zu erwarten sein wird.
Aber wenn auch unsere gegenwärtige Theorie
derselben den Thatsacheu der Erfahrung nicht
vollkommen entspricht, so glaube ich doch, daß
es von theoretischem Interesse sein wird , das
Verhältniß zu untersuchen, in welchem dieselbe
zu den vom großen Gauss , man könnte sagen,
flüchtig hingeworfenen Beugungsformeln ^), und
beide zum strenger gestalteten Huyghens'schen
1) Gaviss Werke Bd. V. und Bemerkungen am Ende
desselben Bandes von Schering.
7
u
Princip stehen, wie letzteres von Kirchlioff in
seinen Vorträgen aus der Optik aus einem
Helmholtz'schen Satze abgeleitet worden ist.
Ich habe gefunden, daß das allgemein ge-
brauchte Flächen-Integral, (welches ich
das Fresnel'sche nennen will) und das Gauss-
sche Rand-Integral sich von einander und
auch von dem aus dem strengen Huyghens-
schen Princip hypothetisch ableitba-
ren durch variable Faktoren unterscheiden, die
jedoch nicht verhindern, daß alle drei mit un-
seren Erfahrungen in gleichem Grade überein-
stimmend seien. Von dem Gauss 's eben
Flächen-Integral hingegen kann letzteres
ohne Weiteres nicht gesagt werden.
Es sei mir gestattet, der Behandlung meines
eigentlichen Gegenstandes die Ableitung des
Huyghens'schen Princips, in ihren Hauptzügen,
vorauszuschicken.
Bezeichnen wir mit r die Entfernung eines
festen Punktes j^;, dessen Coordinaten er, ß, y
sind, von einem variablen Punkte x, y, z eines
um den Punkt ^ durch zwei geschlossene Flä-
chen abgegrenzten Raumes %\ sei «ö die äußere,
und eine um den Punkt ^, als Mittelpunkt, ge-
schlagene unendlich kleine Kugel w, die
innere Grenzfläche dieses Raumes. Seien
O und ^^) im ganzen Räume r, sammt ihren Ab-
leitungen, eindeutige und stetige Funktionen ; sei
ferner i = XZ—X. und möge Ä eine Constante
bedeuten.
Wir gehen aus vom Green 'sehen Satze :
75
bezeichnen mit tp den Werth von V ^^ Punkte
jP, und machen für tp die Annahme, daß dieselbe
im Räume r die Differential-Gleichung erfülle:
(1) Jtp -i- Jc^tp = 0
und für 0 die Substitution:
(2) <2) = —
r
Diese Funktion genügt nun im Räume z
ebenfalls der Differential-Gltichung (1), und wird
im ausgeschlossenen Punkte jj unendlich wie — *
Wir erhalten daher aus (la) den Satz^):
Sei nun P, dessen Coordinateu a^ ß^ y^
sind, ein leuchtender Punkt außerhalb des Rau-
mes T und
R^ = (x-a,y + (y-ß,)'^ + {^-r,y,
femer J. eine Constante und Ic = — , wo il die
1) Helmholtz, CreUe J. Bd. 57.
7*
76
Wellenlänge des von P ausströmenden homo-
genen Lichtes, bedeutet.
Der Vibrationszustand in x, «/, ^ wird dann
nach der Bezeichnungs weise von Gauss ausge-
drückt durch;
indem der Modul dieser Größe die Amplitude
der Lichtwelle in x, y, z darstellt.
Diese Funktion genügt nun der Differential-
Gleichung (1) im ganzen Räume x\ es folgt
daher 1)
(Ic). . . ^n^^^M^y-^-^lä.
— A
3 Er \Bdn r dnj
welcher Ausdruck für den Fall, daß die Wellen-
länge im Vergleich zu den andern in Betracht
komnnenden Größen verschwindend klein ist,
sich bedeutend vereinfacht. Es ist nemlich un-
ter der einzigen Bedingung, daß für alle Punkte
der gedachten geschlossenen Fläche li und
r von Null verschieden sind,
Wir haben daher als Ausdruck des Huy-
ghens'schen Princips das über die ganze ge-
schlossene Fläche auszudehnende Integral ^) :
1) Kirchhoff, Vorträge aus der Optik.
77
(Id) . . . 4rrv„ = Ailcy-j^^'^^^^di»
Br dn
Daraus folgt aber, daß man den leuchtenden
Punkt P keinesfalls ersetzen kann durch eine
einzige auf der geschlossenen Fläche ic ausge-
breitete Schicht von Erregungspunkten.
Wir können nun zur Lösung unserer Auf-
gabe schreiten ; diese beschränkt sich auf den
Nachweis der Beziehung, in welcher die hy-
pothetische Ausdehnung des eben entwickel-
ten Huyghens'schen Princips auf die Beu-
gungs- Erscheinungen mit dem Fresnel'schen
Flächen - Integral und dem Gauss'schen Rand-
integral steht.
Wir beginnen mit der Umformung der In-
tegrale (Ic), deren Gebiet wir auf ein Flächeu-
stück beschränken wollen, in ein solches, dessen
Gebiet der Rand dieses Flächeustück ist. Diese
wird mit Hülfe des Scheringscheu Satzes voll-
führt i):
1) In Bezug auf dieses Theorem für den speciellen
Fall rechtwinkeliger geradliniger Coordinaten sagt Max-
ell, a treatise on electricity and Magnetism, 1873,
1. I p. 27. Art. 24 »This theorera was given by Pro-
icssor Stokes, Smith's Prize Examination, 1854 question
8.« Unabhängig hiervon hat H. E. Schering dasselbe
Theorem in seiner Göttinger Preisschrift 1857 >Zur ma-
thematischen Theorie electrischer Ströme« Art. 3 Glei-
chung (6) aufgestellt, bewiesen und auf die Kräftefunction
galvanischer Ströme angewendet.
78
J Wo- ^ '^da ^ da'
Das Gebiet des Integrals zur rechten Hand
ist eine geschlossene Linie tf, das des andern
eine durch diese entsprechend begrenzte,
sonst beliebig gestaltete, stetig gekrümmte Fläche
w; X, [i, V sind Funktionen, die auf dieser Fläche
und deren Begrenzung sammt ihren ersten De-
rivirten eindeutig und stetig sind; ^, iy, ? be-
liebige rechtwinkelige Coordinaten, ^' d^, ri' d ij,
C' d^ die Haupt - Dimensionen des dem Coordi-
naten - System eigenthümlichen Raumelements ;
Ol die Normale der Fläche. Bedingung für das
Entp rechen von a und « ist, daß die erste
auch in Bezug auf eine bei gegebenem Coordi-
naten-System auszuführende Flächen-Integration
die einzige und vollständig hinreichende (untere
und obere) Grenze bilde. Sonst müste ü auf
einer vom gegebenen Coordinaten - System ab-
hängigen Weise zu einem entsprechenden
Rande ergänzt werden.
Wir führen in der Transformationsformel
(IIa) statt der allgemeinen rechtwinkeligen Coor-
dinaten elliptische ein, deren Flächen von con-
stanter Coordiuate confocale Rotations-Ellipsoide
und Hyperboloide mit den Brennpunkten P und
j) und die Meridian-Ebenen dieser Flächen sind.
Die Differential- Gleichung für das Linien -Ele-
ment ist dann:
79
-m^m'^i^'i
wo w den Winkel zwischen B und r bezeichnet
deren Richtung im Sinne der fortschreit€uden
Strahlen positiv genommen ist: h den Abstand
der Punkte P und ^; ; ferner
d^ = d(R-{-r); df] = d{R — r); dC = de
wenn 6* den Winkel zwischen der variablen Me-
ridian-Ebene und einer beliebigen festen be-
deutet.
Durch diese Substitutionen geht (Ha) über in
}\\di Sl) Brsia''.
IIb) . . . \Ui-;--:l-^-£ +
CT*; _ üA\ 1 dj idX __ diiVRr dt\ _
cos'^!!'^^*^ \^ ^^^dn] *"-
^""^/jBrcos
jiUd^ + l^dn + ^d^
Um nun die linke Seite dieser Gleichung
auf die Form der Integrale in (Ic) zu bringen,
wollen wir die simultanen partiellen Differential-
Gleichungen lösen :
■^^ • • • /)> — i- = ^ ^ir-^ — s"i^«
80
welche sich in Folge der Identitäten
d o2 2»/ ^ü
^) ••• ^^'"''2 = ~F'f^'°''
2
auf folgende Form bringen lassen:
^_^ ==: __e»^5— cos2-
6) • • • ^^ Ö^ dn 2
^i__?^ = 0
Von diesen Gleichungen sind jedoch nnr^wei
von einander unabhängig. Bezeichnen wir mit
/■ eine willkürliche Function von |, n» S' ^o
haben wir
9) . . . ^ - ej
81
:o, . . . . = 1
11) . . . v = e'«cos*f + |
als allgemeinste Lösung der simultanen Diflfe-
rential-Gl. 1), 2), 3).
Damit jedoch diese Lösung zur Transforma-
tion eines Flächen-Integrals in Randintegral ge-
eignet sei, ist erforderlich und hiureicheud, daß
die sonst willkürliehe Funktion f(^, ly, C) ^^^
deren Ableitungen eindeutig und stetig seien.
Dann verschwindet aber diese Funktion aus un-
serem Rand-Integral in Folge der auch aus (IIb)
folgenden Identität :
(IIc) ...\
1"^ + '^ + 1"^! = «•
Wir haben daher das Integral (Ic),
dessen Gebiet eine beliebige, von ge-
gebenem Rande begrenzte, stetig ge-
krümmte Fläche sein kann, in ein sol-
ches verwandelt, weichesbloß überden
entsprechenden Rand auszudehnen
ist; es ist nemlich :
Wir wollen diese Gleichung näher iu's Auge
fassen. Die linke Seite erhält als Flächen-Inte-
gral aufgefaßt, in Folge des ünendlichwerdens
desselben in den Punkten P und jh im allge-
meinen verschiedene Werthe , je nachdem wir
dasselbe auf den einen oder andern Theil einer
82
durch den Rand gelegten, den Punkt p (oder P)
umschließenden, sich selbst nirgends schnei-
denden Fläche ausdehnen. — Das Integral zur
Rechten erhält aber auch diese zwei Werthe,
wenn wir bedenken, daß den beiden Theilen der
geschlossenen Fläche, in Bezug auf eine etwa
auszuführende Flächen-Integration , verschiedene
entsprechende Ränder zukommen. Die
Trennungslinie der beiden Flächenstücke ist nem-
lich als Rand desjenigen Theiles zu betrachten
welcher die Strecke Pp eine gerade Anzahl
von Malen schneidet ; für den andern Theil hin-
gegen, welcher die Strecke Pp in einem Punkte
m schneiden soll, muß zur Trennungslinie ein
nach m geführter Schnitt und ein um m^ als
Mittelpunkt, beschriebener unendlich kleiner
Kreis hinzugefügt werden. Der Fall, wenn das
Flächenstück die Strecke Pp eine ungerade An-
zahl von Malen schneidet, kann durch stetiger
Umformung immer auf den vorigen zurückge-
führt werden. Man erhält daher auch so zwei
Werthe von ip , nemlich
xp, und A-j — xp,
wo t^j schon auf den gegebenen Rand selbst
beschränkt ist.
So findet man z. B. mit Hülfe des Integrals
(IIa) den Satz :
Beschreibt man aus dem Punkte P mit dem
Radius P eine Kugel, auf dieser aus dem Punkte
p mit der Strecke r, einen Kreis und bezeich-
net durch r^ die Entfernung des Schnittpunktes
unserer Kugelfläche mit der Strecke Pp von dem
Punkte py ferner den dem Rande entsprechenden
83
Winkel tc mit te?j : so ist die Amplitude der
Lichtwelle in p, welche durch die Theilwirkung
der, die Strecke Pj) schneidenden, entsprechend
mit Agens belegten Kreisfläche hervorgebracht
werden würde :
|(lTco.'|^)
je nachdem r^ — r^ einer geraden oder unge-
raden Anzahl von halben Wellenlängen gleich ist.
Für ein unendlich kleines aCj hat
hat man speciell als Amplitude der
Lichtwelle in p im ersten Falle Null
im zweiten -=-.
h
Wir wollen uns im folgenden auf Oeflfnun-
geu mit ebenen Rändern beschränken , deren
Dimensionen im Vergleich zu den Entfernungen
der Punkte des Randes von P und p unendlich
klein sind, und die wir etwa auf einem unend-
lichen, ebenen, dunkeln Schirm befindlich denken.
Zum Gebiet des Flächen-Integrals (Ic) wählen
wir dann den durch den Rand begrenzten ein-
fach zusammenhängenden Theil der Ebene.
Wir können in diesem Falle das in (Ic) ent-
haltene Integral :
[B dn r dnj
gegen das erste vernachlässigen, da P und r un-
... , „ , dB dr
endlich groß und -—, -z- constant sind.
dn dn
84
Der Vibration sznstand des Punktes p ist
daher , bei hypothetiscber Ausdehnung des oben
abgeleiteten Huyghens'schen Prinzips gegeben
durch :
(Illa) . . . rp=.-^^^^-J\-^^-ä.
Andererseits kann man, in Folge der ge-
machten Voraussetzung, w für den ganzen Rand
als constant betrachten ; wir haben daher
aus (lld):
('"") • • • ^ = sä-l]^**""^'''^-
Mit Hülfe dieser Formeln können wir nun
die eben abgeleiteten Beugungsformeln mit denen
von Gauss und Fresuel und letztere mit einan-
der bequem vergleichen.
Bezeichnen wir nemlich durch ^y, xf) , xp
die unserem xp entsprechenden Ausdrücke von
Fresnel und Gauss, so haben wir von constanten
Faktoren abgesehen für dieselben :
(Illa) .... rp^^-^^)-^-d^
(Illd) .... %=Jnkwä.^S-Br^''
(Ille)
mithin
A {MR+r)
85
(IVa) ...tpfi tp'. tp = : — : 1
^,r, s cosa — cos/S ,
(IVb) . . . . xp = . '^tpf
^ ' ff 8inw •'
wo et und /S die Winkel bedeuten , welche die
im Sinne der fortschreitenden genommenen H
und r mit einer Normale der Oeffnungs- Ebene
einschließen.
Aus der Relation (IVa) folgt nun, daß ^y, ^
und V ini Allgemeinen für verschiedene
Werthe der in denselben enthaltenen
variablen W inkel ^ und «ü ihre Maxima
und Minima erreichen, — jedoch immer
gleichzeitig verschwinden werden. Die
durch dieselben berechneten Beugungsspectra
werden daher hinsichtlich der dunkeln Stellen
gar nicht differireu: speciell für Gitter mit sehr
vielen Spalten geben alle drei identische Spectra.
Auch xp kommt dieselbe Eigenschaft zu,
einen Fall ausgenommen. Ist nemlich der Beu-
guugswiukel iv = 0, so wird es unbestimmt,
da man in diesem Falle aus (IVb) erhält:
. dß
Daraus würde aber folgen, daß im dem Falle
wo a ^ 0 ist auch \i) verschwinden müßte ;
ff
eine Forderung, welche mit den Thatsachen des
Experiments in Wiederspruch steht*).
Die Integrale \p und ip hingegen sind mit
unseren Erfahrungen gerade so im Einklänge
1) Wir bemerken jedoch, daß dieser Wiedersprach
auflöst , sobald in der Formel V^ statt des — Zeichens
+ gesetzt wird.
als xpfy wovon man sicli durch näheres Eingehen
auf die in (IVa) auftretenden Faktoren über-
zeugen kann. Aber sie leisten in praktischer
Hinsicht auch nicht mehr als letzteres: die Po-
larisations- Erscheinungen und die "secundären
Maxima bei Gittern^) enthält weder die eine,
noch die andere.
Finen theoretischen Vortheil muß man aber
dem Gauss'schen Rand-Integral und dem in (Ild)
vor den Fresnel'schen jedenfalls einräumen. Sie
lassen sich nemlich leicht auf Oeffnungen mit
doppelt gekrümmten und windschiefen Rändern
ausdehnen, während das Fresnel'sche Integral in
diesem Falle schwerfällig wird.
So erhält man z. B. unter Voraussetzung
von Parallel - Strahlen für eine Oeffnung mit
windschiefem w-Eck als Rand nach wenig Rech-
nungen ;
(IVc) . . . V',, =
WO P^, Q^ und p^ die Abstände des Eckpunktes
n des Polygons sind von den Ebenen eines festen
Coordinaten-Systems, welches von je einer Wel-
lenebene der direkten und gebeugten Strahlen
und der durch letztere gelegten Beugungsebene 1
gebildet wird. j
Der Ausdruck (IVc) entspringt nemlich aus
dem (eigentlich zuerst gefundenen) Rand -Inte-
gral von Gauss:
1) Quincke, Pgg. Annal. Bd. U6, 149.
87
(IVd) . . . . V, = T il^— ^**''^''
wo ds ein Randelement und t; der Winkel ist,
welchen ds mit der durch diesen Punkt gelegten
Beugungs -Ebene bildet.
Man erhält dieses aus (Ille) durch die geo-
metrisch leicht ableitbaren Relationen:
2 dd = ds. sin v
sh = JRrsintü
wo wir mit z die Höhe des Dreieckes (P,^, ds)
bezeichnen.
Zum Schluß will ich noch auf den Fall auf-
merksam machen , in welchem das Gauss'sche
Rand - Integral aus dem Fresnel'schen Flächen-
Integral leicht abgeleitet werden kann.
Befindet sich nemlich der Rand der OefiF-
nung auf einer Kugelfläche , beschrieben aus
dem leuchtenden Punkt als Mittelpunl^t, so kön-
nen wir substituiren :
da = -r- dr dO.
n
Und wir erhalten aus (IIIc) im Falle die
Randkurve die -Achse Pp nicht umkreist:
Anh)e^
'ro
wo mit Oq und ö| die den Randpunkten ent-
sprechende Maximal- und Minimal- Werthe der
6 bezeichnet sind , deren wir der Einfachheit
wegen nur zwei voraussetzen wollen.
Wir finden daher nach Ausführung der zwei-
ten Integration das Gauss'sche Rand-Integral
(IVf) . . . V, = #tL*<^+'''(ZÖ.
Den Fall, wenn die Randkurve die Axe Fp
umkreist, können wir, durch einen zur Achse
geführten Schnitt und einen unendlich kleinen
Kreis, auf den vorigen zurückführen.
UniYersität.
Wir haben aufs Neue zwei Verluste der Uni-
versität durch Todesfälle anzuzeigen. Am 22.
December v. J. starb der außerordentliche Professor
in der philosophischen Facultät und Bibliotheks-
Custos Dr. jur. Unger und am 10. Januar der
ordentliche Professor in der philosophischen
Facultät und Oberbibliothekar a. D. Hofrath Dr.
phil. Hoeck.
Friedrich Wilhelm Unger, geboren zu Han-
nover 8. April 1810 erhielt seine wissenschaft-
liche Vorbildung zuerst durch Privatunterricht
und darauf auf dem Gymnasium zu Gotha und
bezog Ostern 1829 die Universität Göttingen
um die Rechtswissenschaft zu studieren. Im
Jahre 1831 begab er sich nach München um
sich dort der Malerkunst zu widmen, von wo
er jedoch nach Jahresfrist zur Jurisprudenz
zurückkehrte und zu Göttingen seine Studien
beendigte, dort am 20. März 1834 den juristi-
schen Doctorgrad erwarb und darauf nach ab-
gelegtem Staatsexamen als Amtsauditor bei dem
Amte Hannover eintrat. Nachdem er i. J. 1837
znm Amts-Assessor bei demselben Amte ernannt
und das Jahr darauf nach Göttingen versetzt
worden, habilitierte er sich hier zu Ostern 1840
als Privatdocent in der juristischen Facultät
für das Fach der Staatswissenschaften und wurde
1842 auch zum ausserordentlichen Beisitzer
des Spruch-Collegii ernannt; trat aber das Jahr
darauf als Accessist bei der Universitätsbibliothek
ein und erhielt 11. Januar 1845 an derselben als
ßibliothekssecretär Anstellung, mit welcher er zu-
gleich seine Lehrthätigkeit aufgeben mußte weil
damals die Absicht bestand das bibliothekarische
Amt von der Thätigkeit au der Universität
gänzlich zu trennen. Nachdem dieser den alten
bewährten göttinger Traditionen nicht ent-
sprechende Plan wieder aufgegeben worden , er-
hielt Unger, der inzwischen auch aus der Be-
amtenlaufbahn ausgeschieden war, i. J. 1858 wie-
der die Erlaubniß zur akademischen Lehrthätig-
keit und trat nun seiner alten Neigung zur Kunst
und Kunstgeschichte folgend mit Vorlesungen in
diesen Fächern in der philosophischen Facultät
auf, welchen er fortan auch eiue eifrige und er-
folgreiche literarische Thätigkeit widmete, so hier
den nach Hannover als Hofmaler Übersiedelteten
Professor der Kunstgeschichte Oesterley vertretend,
nach dessen Niederlegung seiner hiesigen Pro-
fessur i. J. 1862 Unger auch zum außerordent-
lichen Professor in der philosophischen Facultät
und zum Director der akademischen Gemälde-
sammlung ernannt wurde.
Schon seit Anfang des vorigen Jahres eine
Abnahme der Kräfte spürend, vermochte Unger
doch noch bis zum Schlüsse des Sommersemesters
den Pflichten seines bibliothekarischen Amtes
8
90
wenn auch nur mit großer Anstrengung voll-
kommen zu genügen und daneben noch seine
literarische Thätigkeit ununterbrochen fortzu-
setzen. Eine zur Erholung unternommene Fe-
rienreise erfüllte jedoch nicht die darauf ge-
setzte Hoffnung. Angegriffener als zuvor zu-
rückgekehrt , wurde nun sein Leiden als eine
Nierenkrankheit erkannt, welche sich nun rasch
entwickelte und der er nach längerem zuletzt
recht schwer gewordenen Krankenlager erlag.
Karl Friedrich Christian Ho eck, geboren zu
Oelber am weißen Wege (Kreis Wolffenbüttel) 13.
Mai 1793, studierte Philologie zu Göttingeu von
1812—1816, ward hier 1814 Accessist der Bi-
bliothek und erwarb den philosophischen Doctor-
grad 3. März 1818, auf Grund einer i. J.
1816 bei der Preisvertheilung an die Studiren-
den von der philosophischen Facultät mit
dem Preise gekrönten Abhandlung über die
Monumente des alten Mediens und Persiens.
Zu Ostern desselben Jahres trat er als Privat-
docent in der philosophischen Facultät für das
Fach der alten Geschichte auf, in welchem
er auch viele Jahre hindurch eine sehr rege und
erfolgreiche akademische und literarische Thä-
tigkeit entwickelt hat, bis er mit zunehmen-
dem Alter sich mehr und mehr auf sein biblio-
thekarisches Amt beschränkte. An der Biblio-
thek ward er 1815 zum Secretär, 1835 zum
Unterbibliothekar, 1845 zum BibHothekar und
1858 zum Oberbibliothekar ernannt, nachdem
er schon i. J. 1845 nach dem Tode Benecke's
an dessen Stelle an die Spitze der Bibliotheks-
verwaltung getreten. Den 26. April 1823 ward
Hoeck zum außerordentlichen, 20. Juli 1831
zum ordentlichen Professor und 1862 zum Hof-
rath ernannt. Seit d. J. 1841 gehörte er auch
Ol
der k. Societät der Wissenschaften als ordentli-
ches Mitglied der historisch-philologischen Classe
an, nachdem er schon i. J. 1829 den von dieser
Classe ausgesetzten Preis erhalten hatte. Hoeck
hat hier drei Jubelfeste gefeiert: i. J. 1868 das
fünfzigjährige Jubiläum seiner Doctorpromotion,
den 23. August 1865 sein fünfzigjähriges und
zehn Jahre darauf sein sechzigjähriges Amts-
jubiläum als Bibliotheksbeamter, wonach er
als solcher in den Ruhestand getreten ist. Bis
in sein hohes Alter körperlich und bis zuletzt
geistig rüstig gebliehen, machte seit seiner Quies-
cenz doch das Alter mehr und mehr seine
Rechte geltend; immer schwächer werdend, ist
er, ohne Heimsuchung durch ein längeres Kran-
kenlager an Altersschwäche sanft entschlafen.
Beide Verstorbene haben ihre hiesige Thä-
thigkeit vorzugsweise ihrem bibliothekarischen
Amte gewidmet und darin sich die dankbare
Anerkennung ihrer akademischen Collegen und
aller Derjenigen erworben , welche den hohen
Werth einer liberalen und coulanten Verwaltung
einer akademischen Bibliothek für die gelehrten
Studien und Arbeiten zu würdigen wissen. Uu-
ger hat über dreizig Jahre lang mit immer
gleich bleibender Freundlichkeit und Zuvor-
kommenheit in der Benutzung der Schätze der
Bibliothek seine Hülfe gewährt und Hoeck
reichte überdies mit seinen bibliothekarischen
Anschauungen und Manieren noch bis an die
Zeit von Christian Gottlob Heyne hinan , dem
es vornehmlich auch zu verdanken ist , daß die
Göttinger Bibliothek so rasch und mit verhält-
nißmäßig bescheidenen finanziellen Mitteln zu
einer akademischen Bibliothek ersten Ranges sich
erhob und als solche unter allen ihren Mit-
schwestern den gelehrten Studien und Arbeiten
92
vielleicht am meisten Dienste hat leisten kön-
nen. Möge das Andenken des letzten Biblio-
thekars aus der Hejneschen Schule in Pietät unter
uns bewahrt bleiben und es auch möglich wer-
den , bei den durch die Zeit gebotenen Verän-
derungen und Reformen in den Einrichtungen
und in der Verwaltung der Bibliothek diejeni-
gen berechtigten göttingischeu Eigenthümlich-
keiten zu erhalten, denen es nicht zum wenig-
sten zu verdanken gewesen, daß nach dem bekann-
ten Worte Carl Ritter's, dem unsere Bibliothek
die Grundlage für sein berühmtes monumentales
Werk gewährt hatte, »man in Göttingen mehr
in einer Woche arbeiten könne, als anderwärts
in einem Monat.« — Unter den akademischen
Collegen wird beiden Verstorbenen sicherlich ein
dankbares Andenken bewahrt bleiben.
Verzeichniß der vom 1. Juli 1875 bis
Ende Juni 1876 vollzogenen philoso-
phischen Promotionen.
(Schluss.)
19. 5. November 1875 Adolf Stapelfeld,
Oberlehrerin Crimmitschau; Diss. : Die Principien
der Kaut'schen OfFenbarungskritik in ihrem Zu-
sammenhange mit Kaut's Lehre betrachtet.
20. 9. November Carl Adolf Curt Schur ig,
Oberlehrer am k. Gymnasium zu Plauen i. S.;
Diss.: Beiträge zur Geschichte des Bergbaues
im sächsischen Voigtlande nach archivalischen
Quellen dargestellt u. s. w.
21. 26. November Werner H. Beruh. Au-
gustin aus Eislcben; Diss.: Uebcr die Ein-
93
Wirkung der Schwefelsäure auf Nitro- und zuge-
hörige Amido-Verbindungen.
22. 4. December Herrn. Wattenberg aus
Rotenburg im Hannoverschen ; Diss. : Zur Kennt-
niß der Para-nitrosalicylsäure.
23. 10. December Friedr. Mei nicke aus
Twilenfleth im Hannoverschen ; Diss. : üeber
die Einwirkung von Brom und Chlor auf Ben-
zanilid u. s. w.
24. 10. December Eberhard Gieseler;
Diss. : Beitrag zur Theorie der Centrifugalpumpen.
25. Friedr. C. Hermann von Dechend aus
Berlin ; Diss. : üeber Triphenyleudiamin und Tri-
phenyltriamin.
26. 24. December Justus Bernh. Otto See-
mann, Oberlehrer am Gymnasium zu Essen;
(Auf Grund philologischer Druckschriften.)
27. 20. Januar 1876 Felix Liebermann
aus Berlin; Diss.: Einleitung in den Dialogus
de Scaccario.
28. 22. Januar Friedrich Z i 1 1 e r aus Luxem-
burg ; Diss. : Die Musik und das Komische.
29. 21. Februar Carl August Otto Hoff-
mann aus Beeskow in der Mark ; Diss. : lie-
ber sphärische Curven.
30. 22. Februar Joh. Gust. Theodor Müller
aus Kleinsilber in Brandenburg ; Diss. : Quaestio-
nes Lactantianae.
31. 24. Februar Oscar Bela Asböth aus
Neu-Arad im Ungarn; Diss.: Die Umwandlung
der Themen im Lateinischen.
32. 6. März Ulrich Hausmann aus Han-
nover; Diss.: Beiträge zur Keuntniß des Be-
tulins.
33. 11. März Friedrich Reuter aus Waake
bei Göttingen: Diss.: Ueber die Reaction vou
94
Aethylenbromid auf Naphtalyraiu und die De-
rivate desselben.
34. 27. März Job. Aspriotis aus Varna
in der Türkei ; Diss. : De prologis Euripideis.
35. 27. März E. Wilh. Udo Eggert aus
Alsleben ; Diss. : Studien zur Geschichte der
Landfrieden.
36. 27. März David M«. Creath aus Ayr
in Schottland; Diss.: lieber einige Derivate
des Guanidins und des Harnstoffs.
37. 4. April Maximilian Roggatz aus
Neumark: Diss.: Einige An-
Theorie der hyperbolischen
Driesen in
der
Wendungen
der
Functionen.
38. 4.
April
Bruno Arnold aus Nord-
hausen; Diss.: De rebus sunicis in Euripidis
cyclope.
39. 5. April Wilhelm Sickel aus Seehausen
bei Magdeburg ; Diss. : De fontibus a Cassio
Dione in conscribendis rebus inde a Tiberio usque
ad mortem Vitellii adhibitis.
40. 1. Mai Otto Boeddicker aus Iserlohn ;
Diss.: Beitrag zur Theorie des Winkels.
41. 1. Mai Coelestin Hermauauz, Lehrer
in Worins; Diss.: Physiologische Untersuchun-
gen über die Keimung des Gerstenkorns.
42. 1. Mai Meinhard Hoff mann aus Wies-
baden ; Diss. : Ueber die Einwirkung von Phos-
phorpentachlorid auf substituirte Amide einba-
sischer Säuren.
43. 30. Mai Paul Krüger aus Lona in
Schlesien; Diss.: Ueber die Wortstellung in der
französischen Prosaliteratur des 13. Jahrhunderts.
44. 2. Juni Fr. Chr. Plath, Oberingenieur
a. D. in Hamburg; Diss.: De orbita planetae
Lachesis (120).
45. 17. Juni Carl Freiherr von Taut-
95
p h 0 e u s aus München ; Diss. : Ueber Keimung
der Samen.
46. 17. Juni Wilhem Stetzer, aus Pegau
in Sachsen; Diss.: üeber Beuzoil- und Aretyl-
Metaamidobenzoesäuren.
47. 17. Juui E. Ludw. Herrn. A. Heintz-
mann aus Mohrdorf in Pommern; Diss.: üeber
Auilide und eine Dinitrodiphensäure.
48. 20. Juui Herbert M. Johnson aus
Bradford V. St. ; Diss. : Ueber Paranitrobrom-
beuzanilid , Orthouitrobrombenzanilid , Desoxy-
beuzoildianiinsulfisäure und Abkömmliuge.
49. 20. Juui Andrew D. L a w r i e aus Boston
V. St. ; Diss. : Ueber Bibrombenzoesäuren.
50. 20. Juni CarlFriedr. Wilh. Borchers
in Goslar ; Diss. : Analytische Studien über
Quecksilber und Wismuth.
Außerdem wurde dem Dr. phil. Friedrich
Heeren Professor der Chemie an der polytech-
nischen Schule zu Hannover zu seinem fünfzig-
jährigen Jubelsfeste das Diplom mit den Glück-
wünschen der Facultät erneuert am 30. Juui 1876,
Bewilligt, aber noch nicht vollzogen sind 11
andere Promotionen. Wegen ungenügenden Aus-
falls der mündlichen Prüfung wurden 4Candida-
ten zurückgewiesen, 13 Promotionsgesuche konn-
ten nicht bewilligt werden, weil die eingereich-
ten Dissertationen den Anforderungen der Fa-
cultät nicht genügten.
96
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften im Monat November 1876
eingegangene Druckschriften.
(FortsetzuDg).
Acta Societatis scient. Fennicae. T. X. Helsingforsiae.
1875. 4.
Oefversigt af Finska Vetensk. Soc. Förhandlingar. XVII.
1874—75.
Bidrag tili kännedom af Finlands natur och folk. H.
24. 1875.
Observations metdorologiques. Par la Soc. des sc. de
Fenlande 1873.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd. 6.
H. 3. Berlin. 1874.
Monatsbericht der Berliner k. Akademie d. W. Juli u.
August 1876.
Monthly Notices of the R. Astron. Soc. Vol. XXXVI.
No. 9. Suppl.
Nature. 367—369.
Abhandl. des naturwiss. Vereins z. Magdeburg. H. 7. 1876.
VI. Jahresbericht dess. 1875.
He 11 mann, über die Veränderlichkeit der Luftwärme
in Norddeutschland. Fol.
Verein für die deutsche Nordpolarfahrt in Bremen.
VIII. 1876.
Bulletin ' of the Museum of Comparative Zoology. Har-
vard Coli. III. 11—16.
Memoirs of the Museum of Comp. Zoolog. Vol. II.
No. 9. 1876.
Zeitschrift der deutschen morgenländ. Gesellsch. XXX.
3. 1876.
Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens des Vogt-
land, alterthuras forsch. Vereins zu Hohenleuben. Th.
I. u. II. nebst 44-46. Jahresb. 1876.
Mittheilungen des histor, Vereins in Steiermark. H. 24.
Graz 1876.
Beiträge zur Kunde Steiermark. Geschichtsquellen Jahrg.
13. 1876.
Fortsetzung folgt.
97
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der "Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
28. Februar. M 5. 1877.
DniTersität
Verzeichniß der Vorlesungen auf der Georg-
Augusts-üniversität zu Göttingen während des
Sommerhalbjahrs 1877. Die Vorlesungen be-
ginnen den 16. April und enden den 15. August.
Theologie.
Anfangsgründe der biblischen Textkritik: Prof. de
Lagarde dreistündig Mont. Dienst. Donnerst, um 10 Uhr.
Theologie des Alten Testaments : Prof. Schultz fünf-
mal wöchentlich um 11 Uhr.
Erklärung der Genesis: Lic. Duhm fünfstündig um
10 Uhr.
Erklärung des Buches Jesaia: Prof. Beriheau fünf-
stündig um 10 Uhr.
Erklärung des Buches Hiob und der Salomonischen
Schriften: Lic. Duhm fünfstündig um 11 Uhr.
Einleitung in das Neue Testament : Prof, Lünemann
fünfmal •wöchentlich um 7 Uhr.
Theologie de« Neuen Testament«: Prof. Wiesinger
fünfmal um 11 Uhr.
Erklärung des Eömerbriefe : Prof. Ritschi fünfmal
um 9 Uhr.
Erklärung der paul. Briefe mit Ausnahme des Rö-
merbriefs und der Pastoralbriefe: Prof. Wiesinger fünf-
mal um 9 Uhr.
Kirchengeschichte : I. Hälfte : Prof. Wagenmann
fünfstündig um 8 Uhr.
Kirchengeschichte der neueren Zeit seit der Refor-
mation: Prof. Reuter sechsmal um 8 Uhr.
98
Dogmengeschichte des Mittelalters: Derselbe drei-
stündig Dienst. Donnerst, Freit, um 10 Uhr.
Kirchengeschichte des neunzehnten Jahrhunderts :
Prof. Wagenmann vierstündig um 7 Uhr öffentlich.
Dogmatik I. Theil: Prof. Schultz fünfstündig um
12 Uhr.
Theologische Ethik: Prof. Schöherlein sechsstündig
um 12 Uhr.
Comparative Symbolik: Lic. Kattenbusch vierstündig
um 4 Uhr.
Praktische Theologie : Prof. Schöberlein fünfstündig
um 5 Uhr Mont. Dienst. Donnerst. Freit, und um 4
Uhr Mittw.
Kirchenrecht: s. unter Rechtswissenschaft.
Die Uebungen des Königl. Homiletischen Seminars
leiten abwechselungsweise Prof. Wiesinger und Prof.
Schultz Sonnabends 10 — 12 Uhr öffentlich.
Katechetische Uebungen: Prof. Wiesinger Mittwochs
5 — 6 Uhr ; Prof. Schultz Sonnabends 4 — 5 Uhr öffentlich.
Die liturgischen Uebungen der Mitglieder des prak-
tisch-theologischen Seminars leitet Professor Schöherlein
Sonnabends 9 — 11 Uhr und Mittwochs 6 — 7 Uhr öf-
fentlich.
Eine dogmatische Societät leitet Prof. Schöberlein
Dienst, um 6 Uhr; eine historisch -theologische Prof.
Wagenmann Freit. 6 Uhr; kirchenhistorische Uebungen
Prof. Reuter Montag um 4 Uhr; dogmengeschichtliche
Uebungen einmal wöchentlich Lic. Kattenbusch.
Rechtswissenschaft.
Encyklopädie der Kechtswissenschaft : Prof. John
Montag, Mittwoch und Freitag von 12 — 1 Uhr.
Institutionen und römische Rechtsgeschichte: Prof.
V. Ihering täglich von 11 — 12 und Dienstag, Donners-
tag und Sonnabend von 12 — 1 Uhr.
Pandekten mit Ausnahme des Sachenrechts, welches
Dr. Rümelin vorträgt: Prof. Harimann und zwar a.
Allgemeiner Theil fünfmal wöchentlich von 12—1 Uhr;
b. öbligationenrecht fünfmal wöchentlich von 11—12
Uhr,
99
Sachenrecht als Theil der Pandekten: Dr. JRümelin,
Dienstag von 4—6 Uhr und Sonnabend von 11—1 Uhr.
Römisches Erbrecht : Prof. Ziebarth fünfinal wöchent-
lich um 3 Uhr.
Pandekten - Prakticum : Prof. v. Ihertng Montag,
Mittwoch und Freitag von 12—1 Uhr.
Pandekten-Exegeticum : Dr. Zifelmann, Dienstag und
Donnerstag von 12 — 1 Uhr.
Zu Pandektenrepetitorien sind privatisaime bereit
Dr. Rümelin und Dr. Züelmann.
Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte: Prof. Mejer
fünfmal wöchentlich um 9 Uhr.
Uebungen im Erklären deutscher Rechtsquellen:
Prof. Frensdorff Montags um 6 Uhr öffentlich.
Ueber den Sachsenspiegel : Dr. Sickel Freitag 5 Uhr
unentgeltlich.
Deutsches Privatrecht : Prof. Dove Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag von 8—10 Uhr.
Deutsches Privatrecht mit Lehn- und Handelsrecht-
Prof. Wolff täglich von 8-10 Uhr.
Deutsches Privatrecht mit Ausschluss des Handels-
rechts und des Wechselrechts: Dr. Sickel Montag,
Dienstag, Donnerstag und Freitag von 11 — 1 Uhr.
Handelsrecht mit Wechselrecht und Seerecht nach
seinem Buch (Handelsrecht Aufl. 5 ; Wechselrecht Aufl.3):
Prof. Thöl fünfmal wöchentlich von 7 — 8 Uhr.
Deutsches Strafrecht : Prof. Ziebarth fünfmal wöchent-
lich um 11 Uhr.
Deutsches Reichs- und Landesstaatsrecht Prof. Frens-
dorff fünfmal wöchentlich von 9 — 10 Uhr.
Völkerrecht: Prof. Frerwdor/" Dienstag, Donnersta*»
und Sonnabend von 12 — 1 Uhr. °
Evangelisches und katholisches Kirchenrecht: Prof.
Mejer fünfmal wöchentlich um 10 Ubr.
Kirchenrechtliche Uebungen leitet Prof. Doce Diens-
tag von 7 — 8 Uhr Abends.
Theorie des deutschen Civilprocesses: Prof Hart-
viann täglich von 10 — 11 Uhr.
Deutscher Strafprocess : Prof. John vierstündi<^ um
11 Uhr. °
lOÖ
Geschiclite des Strafprocesses : Prof. John Mittwoch
von 11 — 12 Uhr öffentlich.
Civilprocess - Prakticum : Prof, Briegleh.
Criminal-Prakticum: Prof. John Mittwoch von 4—6
Uhr privatissime.
Medicin.
Zoologie, Botanik, Chemie s. unter Naturwissen-
schaften.
Knochen- und Bänderlehre: Dr. von Brunn Diens-
tag, Donnerstag und Sonnabend von 11 — 12 Uhr.
Systematische Anatomie II. Theil (Gefäss- und Ner-
venlehre): Prof. Henle täglich von 12 — 1 Uhr.
Ueber den Situs viscerum: Dr. von Brunn Mittwoch
und Sonnabend von 7 — 8 Uhr, öffentlich.
Allgemeine Anatomie : Prof. Henle Montag, Mitt-
woch, Freitag von 11 — 12 Uhr.
Mikroskopische Uebungen in der normalen Gewebe-
lehre hält Dr. von Brunn vier Mal wöchentlich in zu
verabredenden Stunden.
Allgemeine und besondere Physiologie mit Erläu-
terungen durch Experimente und mikroskopische De-
monstrationen : Prof. Herbst sechsmal wöchentlich um
10 Uhr.
Experiinentalphysiologie I. Theil (Physiologie der
Ernährung): Prof. 3Ieissner täglich von 10 — 11 Uhr.
Physiologie der Zeugung nebst allgemeiner und
specieller Entwicklungsgeschichte: Prof. Meissner Frei-
tag von 5 — 7 Uhr.
Physiologische Optik s. S. 106.
Arbeiten im physiologischen Institut leitet Prof.
Meissner täglich in passenden Stunden.
Allgemeine Pathologie und Therapie lehrt Prof.
Krämer Montag, Dienstag, Donnerstag um 4 Uhr.
Specielle pathologische Anatomie lehrt Prof. Fonßck
täglich von 3 — 4 Uhr.
Einen demonstrativen Cursus der pathologischen
Anatomie und Histologie verbunden mit Sections-Ue-
bungen an der Leiche hält Prof Ponßck Dienstag,
Donnerstag und Sonnabend von 7 — 9 Uhr.
101
Praktischen Cursus der pathologischen Histologie
hält Prof. Ponßck Montag, Mittwoch und Freitag von
7-9 Uhr.
Ueber klinische Untersuchungsmethoden besonders
Ober Auscultation und Percussion mit praktischen Ue-
bungen trägt Prof. Ebstein Montag, Dienstag, Donners-
tag von 12 — 1 Uhr vor.
Physikalische Diagnostik verbunden mit praktischen
Uebungen an Gesunden und Kranken trägt Dr. Wiese
viermal wöchentlich in später näher zu bezeichnenden
Stunden vor.
Uebungen in der Handhabung des Kehlkopfspiegels
hält Prof. Ebstein Sonnabend von 11 — 12 U-hr.
Pharmakologie oder Lehre von den Wirkungen und
der Anwendungsweise der Arzneimittel so wie Anlei-
tung zum Receptschreiben : Prof. Marx Montag, Diens-
tag, Donnerstag und Freitag von 2 — 3 Uhr.
Die gesammte Arzneimittellehre erläutert durch
Demonstrationen und Versuche und mit praktischen
Uebungen im Abfassen ärztlicher Verordnungen ver-
bunden trägt Prof. Husemann fünfmal wöchentlich um
3 Uhr vor.
Experimentelle Arzneimittellehre und Receptirkunde
lehrt Prof. Manne vier Mal wöchentlich von 5 — 6 Uhr.
Die Lehre von den Giften, besonders für Pharma-
ceuten , lehrt Prof. Husemann Mittwoch und Donners-
tag von 5 — 6 Uhr.
Die hauptsächlich auf das Nervensystem wirkenden
Arzneimittel und Gifte erläutert experimentell Prof.
Manne ein Mal wöchentlich unentgeltlich.
Ueber giftige und essbare Pilze trägt Prof. Huse-
mann öffentlich Freitag von 5 — 6 Uhr vor.
Pharmakognosie lehrt Prof. Wiggers fünfmal wö-
chentlich von 2 — 3 Uhr nach seinem Handbuche der
Pharmakognosie, 5. Aufl. Göttingen 1864.
Pharmacie lehrt Prof. Wiggers sechsmal wöchentlich
von 6 — 7 Uhr Morgens ; Dasselbe lehrt Prof. von Uslar
vier Mal wöchentlich um 3 Uhr; Dasselbe Dr. Stro-
meyer privatissime.
Organische Chemie für Mediciner: Vgl. Naturwis-
senschaften S. 10.
Pharmakologische und toxikologische Untersuchun-
gen leitet Prof. Marmt im pharmakologischen Institut
täglich unentgeltlich ; solche Uebungen leitet auch
Prof. Husemann in gewohnter Weise.
102
Elektrotherapeutische sechswöchentliche Curse hält
Professor Marme in später festzusetzenden Stunden.
Specielle Pathologie und Therapie I. Hälfte : Prof.
Ebstein täglich , ausser Montag von 7—8 Uhr.
Ueber Hautkrankheiten und Syphilis trägt Prof.
Krämer Mittwoch und Freitag um 4 Uhr vor.
Die medicinische Klinik im Ernst-August-Hospitale
■wird eventuell Prof. Hasse, für den Fall aber, daas
Derselbe sie nicht halten würde, Prof. Ebstein täglich
von 10 — 11 Uhr leiten.
Die medicinische Poliklinik leitet Prof. Ebstein täg-
lich, ausser Sonnabend, von 11 — 12 Uhr.
Allgemeine Chirurgie lehrt Prof. Lohmeyer vier Mal
wöchentlich von 8 — 9 Uhr ; Dasselbe Dr. Rosenbach
fünf Mal wöchentlich von 4 — 5 Uhr oder zu anderen
passenden Stunden.
Die chirurgische Klinik hält Prof. König fünf Mal
wöchentlich um 9 Uhr.
Chirurgische Poliklinik hält Prof. König in Ver-
bindung mit Dr. Rosenhach Sonnabend von 9V2 — 10 Vs
Uhr.
Hebungen in chirurgischen Operationen an der
Leiche leitet Prof. König Abends von 5 — 7 Uhr.
Augenheilkunde lehrt Prof. Leber vier Mal wöchent-
lich von 3 — 4 Uhr.
Augenspiegelcursus hält Prof. Leber Mittwoch und
Sonnabend von 12—1 Uhr.
Die Klinik der Augenkrankheiten hält Prof. Leber
Montag, Dienstag, Donnerstag. Freitag von 12—1 Uhr.
Die Krankheiten der weiblichen Geschlechtsorgane
lehrt Prof. Schwartz Montag, Dienstag, Donnerstag,
Freitag um 3 Uhr.
Ueber die Krankheiten der Wöchnerinnen trägt Dr.
Hartwig wöchentlich zwei Mal in zu verabredenden
Stunden öffentlich vor.
Geburtshülflichen Üperationscursus am Phantom hält
Dr. Hartwig Mittwoch und Sonnabend um 8 Uhr.
Geburtshülflich-gynaekologische Klinik leitet Prof.
Schwartz Moni, Dienst., Donnerst., Freit, um 8 Uhr.
Pathologie und Therapie der Geisteskrankheiten
lehrt Vrof. Meyer Mittwoch und Sonnabend von 3—4 Uhr.
Psychiatrische Klinik hält Prof. Meyer Montag und
Donnerstag von 4 — 6 Uhr.
103
Prof. Baum und Prof. Krause werden zu Anfang
des Semesters Vorlesungen ankündigen.
Die Krankheiten der Hausthiere lehrt Prof. Esser
wöchentlich fünf Mal von 7 — 8 Uhr.
Klinische Demonstrationen im Thierhospitale wird
Derselbe in zu verabredenden Stunden halten.
Philosophie.
Geschichte der alten Philosophie: Prof. Baumann,
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 5 Uhr.
Logik: Prof. Baumann, Montag, Dienstag, Donners-
tag, Freitag 8 Uhr.
Metaphysik: Prof. Lotze, 4 St., 10 Utr.
Psvchologie : Prof. Bohtz , Montag , Dienstag und
Freitag 3 Uhr.
Psychologie: Dr. üeberhorst, 4 St., 8 Uhr.
Religionsphilosophie : Prof. Lotze, 4 St., 4 Uhr.
Naturphilosophie: Dr. Behnisch, 4 St.
Ueber die Tonempfindungen: Dr. Müller, Mont. u.
Donnerst., 6 Uhr, unentg.
Prof. Baumann wird in einer philosophischen So-
cietät, Montag 6 Uhr, Hauptpuncte der allgemeinen
Paedagogik behandeln.
In seiner philosophischen Societät vrird Prof. Peipers
Descartes Meditationes de prima phUosophia behandeln,
Mittw. 6 Uhr, öffentlich.
Dr. Üeberhorst behandelt in einer Societät Kants
Kritik der reinen Vernunft, Donnerst. 6 Uhr, unentg.
Dr. Müller wird fortfahren in einer psychologischen
Societät einige ausgewählte Kapitel der Psychologie
zu behandeln. Freit. 12 Uhr, unentg.
Grundriss der Erziehungslehre: Prof Krüger^ 2 St.
Die Uebungen des K. pädagogischen Seminars leitet
Prof. Saiippe, Mont. und Dienst. 11 Uhr, öffentlich.
Mathematik und Astronomie.
Differential- und Integralrechnung: Prof. Stern, 5
St., 7 Uhr.
104
Theorie der numerischen Gleichungen: Prof. Stern.
4 St., 8 Uhr.
Ueber trigonometrische Reihen : Prof. Schwarz, Mont.
u. Donnerst., 4 Uhr, öffentlich.
Analytische Geometrie: Prof. Schwarz, 5 St., 9 Uhr.
Analytische Geometrie der Flächen und Curven
doppelter Krümmung nebst Einleitung, enthaltend die
Flächen zweiten Grades : Prof. Enneper , Mont. bis
Freitag, 11 Uhr.
Einleitung in die Theorie der analytischen Funk-
tionen: Prof. Schwarz, 5 St., 11 Uhr.
Abelsche und Riemannsche Funktionen: Prof. Sche-
ring, Mont. Dienst. Donn. Freit., 10 Uhr.
Partielle Differentialgleichungen und ihre Anwen-
dung auf die Lehre von der Wärme, vom Licht, vom
Schall und von den galvanischen Strömen : Prof. Sche-
ring, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 9 Uhr.
Praktische Geometrie: Prof. Ulrich, 4 Tage, 5 — 7 Uhr.
Sphärische Astronomie : Prof. Klinkerfues , Montag,
Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, 12 Uhr.
Geometrische Optik und Mechanische Wärmetheorie :
8. Naturwiss. S. 106.
Zur Leitung einer mathematischen Societät in ge-
eigneter Stunde erbietet sich Prof. Schering.
Mathematische Colloquien: Prof. Schwarz privatissime,
wie bisher.
In dem mathematisch-physikalischen Seminar leitet
Prof. Schwarz mathematische Uebungen Freitag 12 Uhr,
hält Prof. Schering eigene Vorträge und leitet Vor-
träge der Mitglieder über Analysis Mittwoch 9 Uhr,
liest Prof. Stern über einige Eigenschaften der Ber-
nouUischen Zahlen, Mittwoch 8 Uhr, und giebt Prof.
Klinlerfues einmal wöchentlich zu geeigneter Stunde
Anleitung zu astronomischen Beobachtungen, alles öf-
fentlich. — Vgl. Naturwissenschaften S. 106.
Naturwissenschaften.
Zoologie, das Gesammtgebiet in übersichtlicher Dar-
stellung: Prof. Ehlers, täglich 7 Uhr.
Zootomischer Kurs : Prof. Ehlers, Dienst, u. Donnerst.,
11 — 1 Uhr.
105
Ueber Cölenteraten (Morphologie und Syat^matik) :
Dr. Ludwig, Mont. und Donnerst., 4 Uhr.
Ueber die Parasiten des Menschen: Dr. Ludwig,
Dienst, u. Freit., 4 Uhr.
Zoologische Uebungen: Prof. Ehlers, privatissime,
wie bisher.
Allgemeine und specielle Botanik: Prof. Grisehach,
6 St., 8 Uhr. — Demonstrationen von Pflanzen des bo*
tanischen Gartens: Derselbe, Mittw., 11 Uhr, öffentlich-
— Praktische Uebungen in der systematischen Botanik,
zunächst für die Mitglieder des physikalischen Semi-
nars : Derselbe , in einer zu verabredenden Stunde , öf-
fentlich. — Botanische Excursionen: Derselbe, in Ver-
bindung mit Dr. Drude.
Uebungen im Pflanzenbestimmen : Prof. Reinke,
Dienst, Donnerst, u. Freit., 5 Uhr. — Mikroskopisch-
botanischer Cursus: Derselbe, Montag u. Dienstag, 11 —
1 Uhr. — Mikroskopisch - pharmakognostischer Cursus:
Derselbe, Sonnab. 9 — 11 Uhr.
Botanische Excursionen veranstaltet Derselbe.
Flora von Deutschland , Theil I. Phanerogamen :
Dr. Drude, 5 St., 7 Uhr; dazu botanische Excursionen.
— Uebersicht der Pflanzen - Organographie : Derselbe^
Sonnabend 7 Uhr. — Praktische Uebungen in der na-
türlichen Systematik: Derselbe, Freitag 2—6 Uhr, pri-
vatissime, aber unentgeltlich.
Anatomie der Pflanzen: Dr. Falkenberg, Montag u.
Mittwoch, 5 — 6 Uhr. — Ueber Pflanzenkrankheiten:
Derselbe , Mittwoch 7-8 Uhr.
In der botanischen Societät behandelt Derselbe aus-
gew. Kapitel der neueren botanischen Literatur.
Geognosie : Prof. von Seehaeh , 5 St., 8 Uhr, verbnn-
den mit Excursionen.
Allgemeine Geologie, ausgewählte Kapitel (Vulkane,
Erdbeben etc.) : Prof. ron Seebach, Mont. u. Donn., 3 Uhr.
Gesteinskunde : Dr. Lang , Mont. u. Dienst., 5 Uhr
und in einer zu verabredenden, für Demonstrationen
und Uebungen bestimmten Stunde.
Die nutzbaren Mineralien und Gesteine und ihre
Lagerstätten: Dr. Lang, Donnerst, u. Freit. 5 Uhr.
Petrographische und palaeontologische Uebungen
leitet Prof. von Seebach privatissime, aber unentgeltlich,
Mont. Dienst. Donnerst., 9 — 1 Uhr.
106
Experimentalphysik, erster Theil: Mechanik, Aku-
stik und Optik: Prof. Riecke , Montag, Dienstag, Don-
nerstag und Freitag, 5 Uhr.
Mechanische Wärmetheorie : Dr. Fromme , Dienst,
und Donnerst. 12 Uhr.
Geometrische und physische Optik: Prof. Listing,
4 St. um 12 Uhr.
Ueber Auge und Mikroskop : Prof. Listing , priva-
tissime in 2 zu verabredenden Stunden.
Physikalisches Colloquium: Prof. Listing, Sonnabend
11—1 Uhr.
Repetitorium über das Gebiet der Experimental-
physik: Dr. Fromme, privatissime , in 2 oder 3 näher
zu bestimmenden Stunden.
Praktische Uebungen im Physikalischen Laborato-
rium leitet Prof. Riecke, in Gemeinschaft mit den As-
sistenten Dr. Fromme und Dr. Hoppe (Erste Abthei-
lung: Dienst., Donnerst., Freit., 2—4 Uhr und Sonnab.
9—1 Uhr; Zweite -Abtheilung: Dienst, u. Freit., 2 — 4,
Sonnab. 11-1 Uhr).
In dem mathematisch-physikalischen Seminar leitet
physikalische Uebungen Prof. Listing, Mittwoch 12 Uhr,
und veranstaltet Prof. Riecke Uebungen über absolute
elektrodynamische Massbestimmungen, Mittwoch, 9 Uhr.
— Vgl. Mathematik S. 104.
Allgemeine Chemie: Prof. Hühner, 6 St., 9 Uhr.
Allgemeine organische Chemie : Prof. Hubner, Mon-
tag bis Freitag 12 Uhr. — Organische Chemie, für
Mediciner: Prof. von Uslar, in später zu bestimmenden
Stunden.
Chemische Technologie, I. Theil (Fabrikation der
Rohstoffe): Dr. Post, 3 St., in Verbindung mit Exkur-
sionen.
Einzelne Zweige der theoretischen Chemie: Dr.
Stromeyer, privatissime.
Agrikulturchemie (Pflanzenernährungslehre) : Prof.
Tollem, Mittw. 10 Uhr, Donn. u. Freit., 11 Uhr.
Analytische Bestimmungen der organischen Chemie:
Prof. Tollens, Dienst. 9 Uhr, öffentlich.
Die Vorlesungen über Pharmacie und Pharmako-
gnosie s. unter Medicin S. 101.
Die praktisch - chemischen Uebungen und wissen-
schaftlichen Arbeiten im akademischen Laboratorium
leiten Prof. Wühler und Prof. Hübner in Gemeinschaft
107
mit den Assistenten Dr. lannasch, Dr. Post, Dr. Fre"
richs , Dr. Wiesinger, Dr. Polstorf, Dr. Brückner.
Prof. Baedeker leitet die praktisch -chemischen TJe-
bungen im physiologisch-chemischen Laboratorium täg-
lich (ausser Sonnabend) 8—12 und 3—5 Uhr.
Die Uebungen im agrikulturchemischen Laborato-
rium leitet Prof. Teilens, in Gemeinschaft mit dem
Assistenten Dr. Stutzer , Montag bis Freitag, 8 — 12 und
2—4 Uhr.
Historische Wissenschaften.
Einleitung in das Studium der allgemeinen ver-
gleichenden Erdkunde: Prof. Wappiius, Montag, Diens-
tag, Donnerstag und Freitag, 11 Uhr.
Praktische Diplomatik , mit Uebungen : Prof. Weiz-
säcker, Mont. u. Dienst., 9 Uhr.
Römische Kaisergeschichte seit der Schlacht von
Pharsalos: Dr. Niese.
Ueber die Quellen der römischen Eaisergeschichte:
Dr. Gilbert, Dienst, u. Freit. 5 Uhr.
Allgemeine Geschichte des Mittelalters in der deut-
schen Periode: Dr. Hühlbaum, 3 St.
Zeitalter Friedrich des Grossen : Prof. Weizsäcker,
4 St., 4 Uhr.
Aelteste deutsche Geschichte : Prof. Steindorff, 2 St.,
öffentlich.
Deutsche Geschichte im Mittelalter: Dr. Bernheim,
Mont. Dienst. Donn. Freit., 10 Uhr.
Geschichte Grossbritanniens seit 1688: Prof. Pauli,
A St., 5 Uhr.
Geschichte Italiens seit Beginn des Mittelalters:
Dr. Th. Wüstenfeld, Montag, Dienstag, Donnerstag,
Freitag, 10 Uhr, unentgeltlich.
Historische Uebungen leitet Piof. Pauli Mittwoch
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Weizsäcker Freitag
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Dr. Bernheim, Dienstaff
6-7V, Uhr. ^
Historische Uebungen mit Beziehung auf Urkunden-
Interpretation leitet Dr. Höhlbaum , Donnerst. 6 Uhr,
unentg.
Kirchengeschichte : s. unter Theologie S. 97.
108
Staatswissenschaft und Landwirthschaft.
Politik: Prof. Pauli, 4 St., 8 Uhr.
Volkswirthschaftslehre : Prof. Uanssen, 5 St., 4 Uhr.
Finanz-Wissenschaft: Dr. Pierstorff, 5 St.
Wirthschaftliche Gesetzgebung im Reiche (III) : Dr.
Pierstorff, 1 St., unentgeltlich.
Unterredungen über kameralistische Gegenstände :
Prof. Uanssen, in 2 noch zu bestimmenden Stunden,
privatissime, aber unentg.
Kameralistische Uebungen : Prof. Soetbeer , priva-
tissime, aber unentgeltlich, in später zu bestimmenden
Stunden.
Einleitung in das landwirthschaftliche Studium:
Prof. Drechsler, in noch zu bestimmenden Stunden.
Ackerbaulehre, specieller Theil: Derselbe, 4 St., 12
Uhr.
Die Theorie der Organisation der Landgüter: Prof.
Griepe?iJcerl, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 4 Uhr.
Die landwirthschaftliche Thierproductionslehre (Lehre
von den Nutzungen, Racen , der Züchtung, Ernährung
und Pflege des Pferdes, Rindes, Schafes und Schweines) :
Derselbe, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Frei-
tag, 8 Uhr.
Die Ackerbausysteme (Felderwirthschaft, Feldgras-
wirthschaft , Fruchtwechselwirthschaft etc.) : Derselbe,
in zwei passenden Stunden.
Im Anschluss an diese Vorlesungen werden Exkur-
sionen nach benachbarten Landgütern und Fabriken
veranstaltet werden.
Die Lehre von der Futterverwerthung : Prof. Meti-
neberg , Mont. Dienst., 11 Uhr.
Uebungen in Futterberechnungen : Prof. Henneberg,
Mittw. 11 Uhr, öffentlich.
Allgemeine Züchtungslehre mit besonderer Berück-
sichtigung der Controversen von Nathusius - Settegast:
Dr. Fesca, 1 St. 12 Uhr.
Allgemeine und specielle Bodenkunde: Dr. Fesca,
2 St., 10 Uhr.
Landwirthschaftliches Practicum (1. Uebungen im
landwirthschaftlichen Laboratorium , Freit. 2—6 Uhr,
Sonnab. 9—1 Uhr; 2. Uebungen in landwirthschaftli-
chen Berechnungen, Mont. u. Donnerst. 6 Uhr): Prof
Drecltsler.
109
Excursionen auf benachbarte Guter : Prof. Drechsler.
Krankheiten der Hausthiere: 8. Medicin S. 103.
Agrikulturchemie, Agrikulturchemisches Praktikum:
8. Naturwiss. S. 106.
Literärgeschichte.
Geschichte der Philologie im 15.— 17. Jahrhundert:
Prof. Wilmanns, }iIont. Dienst. Sonn. 12 Uhr.
Geschichte der Philosophie : vgl. Philosophie S. 7.
Geschichte der deutschen Dichtung vom 17. Jahr-
hundert an: Dr. Tittmann, 5 St.
Geschichte der deutschen Nationalliteratur von Lea-
sings Zeit bis zur Gegenwart : Prof. Bohtz , Montag,
Dienstag, Donnerstag, 11 Uhr.
Ueber Schillers Leben und Schriften : Prof. Goedeke,
Mittw. 5 Uhr, öffentlich.
Alterthumskunde.
Archaeologie der bildenden und zeichnenden Künste
bei den Griechen und Römern: Prof. Wieseler, 4 St.,
8 Uhr.
Umriss der Geschichte der Baukunst bei den Grie-
chen und Römern : Prof. Wieseler (für die Theilnehmer
an der Vorlesung über die Archaeologie unentg.), Mittw.
12 Uhr.
Im K. archäologischen Seminar wird Prof. Wieseler
öffentlich ausgewählte Kunstwerke zur Erklärung vor-
legen, Sonnabend, 12 Uhr.
Die Abhandlungen der Mitglieder wird Derselbe
privatissime beurtheilen, wie bisüer.
Vergleichende Sprachlehre.
Vergleichende Grammatik der indogermanischen
Sprachen : Prof. FicT<, 4 St., 10 Uhr.
Bildung des griechischen Nomens: Prof. Fick, 2 St.
10 Uhr, öffentlich.
Lettische Grammatik und Erklärung ausgewählter
lettischer Texte : Dr. Bezzenherger, 2 St.
Grammatische Societät: Prof. Fick, Mittw. 6 Uhr.
110
Orientalische Sprachen.
Die Vorlesungen über das A. Testament s. unter
Theologie S. 97. _
Arabische Grammatik : Prof. Wüstenfeld, privatissime.
Prof. de Lagarde setzt öffentlich am Mittw. u. Freit.
10 Uhr seine syrischen Uebungen fort.
Erklärung der äthiopischen Uebersetzung des Buches
Henoch : Prof. Bertheau , Dienstags und Freitags,
2-3 Uhr.
Grammatik der Sanskritsprache : Prof. Benfey, Mont.
Dienst. Donnerst. 5 Uhr.
Griechische und lateinische Sprache.
Die Gesetze des Hexameters und der lyrischen Vers-
maasse erklärt Prof. von Leutsch , Mittw. Denn. Freit.
12 Uhr.
Aeschylos Perser: Prof. Sauppe, Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag, 9 Uhr.
Einleitung in das Studium der platonischen und
aristotelischen Schriften: Prof. Peipers , Mont. Dienst.
Donn. Freit., 12 Uhr.
Catulls und Properz Gedichte : Prof. von Leutsch,
4 St., 10 Uhr.
Erklärung ausgewählter Stücke aus Quintilians In-
stitutio oratoria : Prof. JVthnanns, Mittw. 9 Uhr, öf-
fentlich.
Lehre vom lateinischen Stil , mit praktischen Ue-
bungen: Prof. Sauppe, Montag, Dienstag, Donnerstag,
Freitag, früh 7 Uhr.
Im K. philologischen Seminar leiten die schriftli-
chen Arbeiten und Disputationen Prof von Leutsch und
Vxoi.Smippe, Mittwoch 11 Uhr, lässt Eurip. Phoenisseii
erklären Prof. von Leutsch, Montag u. Dienstag, 11 Uhr,
lässt Ciceros Orator Prof. Sauppe erklären, Donnerstag
und Freitag, 11 Uhr, alles öffentlich.
Im philologischen Proseminar leiten die schriftli-
chen Arbeiten und Disputationen die Proff. von Leutsch
und Saupi)e , Mittwoch 10 und 2 Uhr; lässt Eurip.
Hecuba Prof. von Ijcutsch Mittw. 10 Uhr, Ciceros Bru-
tus Prof. Saup2)e Mittw. 2 Uhr erklären, alles öffentlich.
111
Deutsche Sprache.
Historische Grammatik der deutschen Sprache :
Prof. mVA. Müüer, 5 St., 3 Uhr.
Die Gedichte Walthers von der Vogelweide erklärt
Prof. Wilk. Müller, Mont. Dienst. Donnerst., 10 Uhr.
Den Heliand erläutert, mit grammatischer und li-
terarischer Einleitung, Dr. Wilken, Montag und Don-
nerstag, 5 Uhr.
Ausgewählte Abschnitte der Gudrun erklärt (mit
einer Einleitung über die Entwickelung der Sage) Dr.
Wilken, Dienst, u. Freit., 5 Uhr, unentg.
Die Uebungen der deutschen Gesellschaft leitet
Prof. Wilh. Müller.
Geschichte der deutschen Literatur: vgl. Literär-
geschichte S. 109.
Neuere Sprachen.
Prof. Tli. Müller wird Geschichte der französischen
Sprache vortragen, Montag, Dienstag und Donnerstag,
4 Uhr.
Uebungen in der franzosischen und englischen
Sprache veranstaltet Derselbe, die ersteren Montag,
Dienstag und Mittwoch, 12 Uhr, die letzteren Donners-
tag, Freitag und Sonnabend, 12 Uhr.
Oeffentlich wird Derselbe in der romanischen Socie-
tät ausgewählte altfranzösische Dichtungen (nach
Bartsch's Chrestomathie) erklären lassen, Freitag 4 Uhr.
Schöne Künste. — Fertigkeiten.
Unterricht im Zeichnen, wie im Mahlen ertheilt, mit
besonderer Rücksicht auf naturhistorische und anato-
mische Gegenstände, Zeichenlehrer Peters.
Geschichte der Musik von 1500 — 1830: Prof. Krü-
ger , 4 St.
Harmonie - und Kompositionslehre , verbunden mit
praktischen Uebungen: Musikdirector Hille, in passen-
den Stunden.
Zur Theilnahme an den Uebungen der Singaka-
demie und des Orchesterspielvereins ladet Derselbe ein.
112
Reitunterricht ertheilt in der K. Universitäts - Reit-
bahn der Univ.-Stallmeister Schweppe, Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag, Sonnabend Morgens von 7 — 11 und
Nachm. (ausser Sonnabend) von 4 — 5 Uhr.
Pechtkunst lehrt der Universitätsfechtmeister Grüne-
hlee, Tanzkunst der üniversitätstanzmeister HsUzke.
Oeffentliche Sammlungen.
Die TJniversitätslibliothek ist geöffnet Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag von 2 bis 3, Mittwoch und Sonn-
abend von 2 bis 4 Uhr. Zur Ansicht auf der Bibliothek
erhält man jedes Werk, das man in gesetzlicher Weise
verlangt; verliehen werden Bücher nach Abgabe einer
Semesterkarte mit der Bürgschaft eines Professors.
Das zoologische und ethnographische Museum ist Diens-
tag und Freitag von 3 — 5 Uhr geöffnet.
Die Gemäldesammlung ist Donnerstag von 11 — 1 Uhr
geöffnet.
Der botanische Garten ist, die Sonn- und Festtage
ausgenommen, täglich von 5 — 7 Uhr geöffnet.
Ueber den Besuch und die Benutzung der theologi-
schen Seminai'bibliothek , des llieatrtiin anatomicum , des
physiologischen Instituts, der pathologischen Sammlung,
der Sammlwig von Maschinen und 3Iodellen, des zoolo-
gischen und ethnographischen Museums, des botanischen
Gartens, der Sternwarte, des f^Ä?/s('A;a/jsc/i«n Cahinets,
der mineralogischen und der geognostisch-paläontologischen
Sammlung, der chemischen Laboratorien, des archäologi-
schen 3Iuseums , der Gemäldesammlung , der Bibliothek
des k. philologischen Seminars, des diplomatischen Appa-
rats, der Sammlungen des landwirthschaftlichen Instituts,
bestimmen besondere Reglements das Nähere.
Bei dem Logiscommissär, Pedell Bartels (Weenderst.82),
können die , welche Wohnungen suchen , sowohl über
die Preise , als andere Umstände Auskunft erhalten,
und auch im voraus Bestellungen machen.
113
.Vach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
7. März. M 6. 1877.
KöDigiiche Gesellschaft der Wissenschaftea.
Königs Darius Lobgesang im Tempel
der großen Oase von El-Khargeh.
Von
H. Brugsch.
Im Februar des Jahres 1875 ward mir auf
Wunsch des Khedive von Aegypten die Ehre
zu Theil den Erbirroßherzog August von Olden-
burg auf seiner Reise nach Oberägypten und
Nubien zu begleiten. Der junge deutsche Fürst,
ausgezeichnet durch edlen Sinn und liebenswür-
digstes Entgegenkommen, und mit ungewöhnli-
chem Muthe begabt, den Hindernisse und
Schwierigkeiten nur zu erhöhen im Stande
waren, erfaßte mit Begeisterung meinen Vor-
schlag von der oberägyptischen Stadt Girgeh
aus einen Ausflug durch die selten besuchte
libysche Wüste nach der großen Oase von El-
Khargeh zu unternehmen. Die Reise, militärisch
organisirt, wurde auf Kameelen in forcirten Mär-
schen innerhalb eilf Tagen glücklich ausgeführt.
Den anziehendsten Theil der Wüsteufahrt bil-
dete jedenfalls der Aufenthalt in der Oase sel-
ber, deren Tempelreste aus vorchristlichen Zeiten
10
114
für mich den besonderen Beweggrund des Reise-
vorschlages abgegeben hatten. Seit einem Jahre
nunmehr mit den Vorbereitungen zur Heraus-
gabe der Resultate unserer Oasen-Wanderung
beschäftigt, deren letztes und bedeutendstes Ziel
der Besuch des fast vollständig erhaltenen Tem-
pels von Hib (Hibis der griech. Geographen)
aus den Zeiten Königs Darius I. und IL war,
hatte ich unlängst die üeberraschung in einem
besonderen Artikel der Transactions of the So-
ciety of Biblical Archaeology Vol. V, part. I S.
293 fll. eine der wichtigsten Inschriften jenes
Heiligthumes bereits im Abdruck und in einer
Uebersetzung aufs Neue kennen zu lernen. Der
Herausgeber jenes Artikels, ein rühmlichst be-
kannter englischer Gelehrter, Herr Samuel Birch,
hatte den beregten Text nach einer Abschrift
seines inzwischen verstorbenen Landsmannes,
Mr. Robert Hay, welcher in den Jahren 1828 —
1832 Aegypten und die grof6e Oase besucht
hatte, zusammengestellt und danach seine Be-
sprechung und Uebertragung unter dem Titel:
Inscription of Darius at the temple of El-Khargeh
den Lesern der Transactions vorgelegt.
Herr Birch hat das Möglichste geleistet, in-
dem er nach den jedenfalls sehr unvollkommenen
Zeichnungen eines Reisenden, der vor fast fünf-
zig Jahren die damals besser als jetzt erhaltene
Inschrift an Ort und Stelle als einer der ersten
Besucher der Oase zu sehen Gelegenheit hatte,
den Text nach dem Staudpunkte der heutigen
Kenutniß der Hieroglyphenschrift zurecht legte.
Allein manche Irrthümer, besonders in Betreff
der geographischen Eigennamen, sind dabei un-
vermeidlich gewesen , bis auf die Versetzung
und Umstellung ganzer Zeilen hin. Daß die
Uebertragung des gelehrten englischen Heraus-
115
gebers, der außerdem das Vorkommen einzelner
Theile des Textes in dem zuerst von Hrn. Cha-
bas behandelten sogenannten Papyrus Magique
Harris übersehen zu haben scheint, unter diesen
Umständen manches zu wünschen übrig lassen
mußte, ist ebenso selbstverständlich als durchaus
entschuldbar vom Standpunkte der Kritik aus.
In der nachstehenden Uebertragung der poe-
tisch-gehaltenen Inschrift , wie sie sich mir vor
dem Denkmale nach der Herstellung des corree-
ten Textes ergeben hat, sind zum besseren ver-
ständniß des Lesers die ägyptischen Götter- und
Städtenamen durch die entsprechenden griechi-
schen, insoweit dies möglich war, ersetzt wor-
den, sonst aber nichts an dem Sinne geändert
worden. Ich mache vor allen aufmerksam auf
die häufig erscheinenden Götter-Namen Zeus =
Ämon, Helios = Rä, Hephaistos = Ptah, Pan
= Chim, Athene = Neit, Latona = üt', Here
= Mut. Sonstige Namen, die allgemein bekannt
sind, wie Horus (ApoUon) , Isis und Osiris oder
für welche sich kein entsprechendes griechisches
Aequivalent nachweisen läßt, habe ich in ihrer
ägyptischen Schreibung belassen.
Der Inhalt des Poems, durchaus pantheisti-
scher Natur, ist ebenso merkwürdig als beleh-
rend. Die vier Götterpaare (männlich-weiblich)
der elementaren Uranfänge treten als Herolde
der Allmacht ihres »Vaters«, der Schöpferkraft,
auf, die zunächst in dem Lichte der Sonne und
des Mondes, dann in dem Wasser und in den
übrigen sichtbaren Erscheinungen der geschaf-
fenen Welt in mannichfachen Gestalten und
Formen dem Auge sichtbar entgegentritt. Von
Col. 23 an nimmt der Hymnus eine in mytho-
logisch-geographischer Beziehung wichtige Gestalt
an, indem er die allmählichen Wanderungen des
10*
116
Sonnen -Amon (unter der symbolischen Form
eines Widders) nach den hauptsächlichsten Cul-
tusstätten Ober- und Unterägyptens schildert.
Auch in dem Oasen-Tempel von Hibis hatte
derselbe Amon eine Stätte seiner Verehrung
gefunden, deren Bedeutung dem Perserkönig
Darius IL nicht entgangen war. Was später
die Priester dem großen Alexander in der
Amons-Oase von Siwah über das Wesen und
die Natur des Orakel-Gottes zu berichten wuß-
ten, das erzählt uns der Text von Hibis in der
ausführlichsten Weise.
Nach diesen nothwendigen Vorbemerkungen
lasse ich die Uebertraguug der ganzen aus 47
Zeilen bestehenden Inschrift folgen, welche die
innere Südniauer des zweiten Tempelsaales desi
Heiligthumes von Hibis in der vollen Wand-,
länge bedeckt.
l.»Der da ist als Helios
»das Sein au sich selbst,
»dessen Gebeine wie Silber,
»dessen Haut wie Gold,
»dessen Haupthaar wie Saphir,
»dessen Hörner wie eitel Smaragd, —
»das ist der gütige Gott,
»der sich selber erschuf
»in seiner Gestalt
»und sich erzeugte,
2. »ohne herauszutreten
»aus dem Mutterleibe.
»Wann er erleuchtet die Welt,
»so preisen die Schaaren
»der Götter sein Antlitz.
»Sie erheben ihn himmelhoch,
»sie beten zum Zeus
»dem Schöpfer seiner Kinder.
117
»Wann er niederfährt
»zur verborgenen Welt,
»da jubeln sie ihm zu
»sammt ihren Genossen.
»Sie überschütten den Stier
»mit Lobgesängen
»und sprechen dazu:
»»Beten wir ihn au
»»[den Schöpfer und Gebieter]!
»Und sein Lob [tönt also]
»aus ihrem Munde:
»»Beten wir ihn an
»»ob seiner Hände Werke!
»Sie [bewillkommnen]
»Seine königliche Majestät
»als ihren Herrn,
»der sich offenbaret
»in Allem, was da ist,
»und benannte [jedes Ding]
»vom Berge zum Strom.
»Uas Bleibende in Allem
»ist Zeus.
»Dieser herrliche Gott
»war von Anbeginn an.
»Nach seinem Ermessen
»ward die Welt.
»Er ist Hephaistos,
»der Größte der Götter.
»Er wird zum Greise
»Und verjüngt sich zum Kinde
»im kreisenden Laufe
»der ewigen Zeit.
»Dem Menschen verborgen,
»scharfsichtigen Auges,
»durcheilend seine Haine
»ist sein Körper wie Lufthauch.
»Sein Haupt ist der Himmel,
118
»und die Fluthen verbergen
»sein tiefes Geheimniß.
»Zeigt er sich als König
»in Sperbergestalt,
»auf hohem Sockel
»(an der Spitze der Barke),
»so treiben die Lüfte
»sein Schiff gen Westen.
»Wann er angekommen
»zur verborgenen Welt
»der Tiefe des Abgrunds,
»da sprechen die acht
»uranfänglichen Götter
»(der vier Elemente)
»dies Loblied auf ihn:
7. »Es sitzt in der Scheibe
»des Sonnenbildes
»der göttliche Zeus,
»der sich selbst verhüllt
»in seiner Pupille,
»und dessen Geist
»aus seinen Augen
»hellstrahlend leuchtet.
»Wunder sind es
»die Gestalten des Herrlichen,
»der nicht zu erfassen.
»Im Farbenglanze
»erscheinen die Dinge,
»wann er sie beschaut
»mit seinen Augen.
»Verborgen, unfaßbar
8. »ist seine Gestalt.
»Dir töne der Lobgesang,
»weilst du an dem Leibe
»der Göttin des Himmels,
»wann sich dir nahen
»deine Kinder, die Götter,
i
119
»dort wo die Wahrheit
»nebea dir thront
»und wo zur Klarheit
»das Verborgene wird.
»Es hüten deiner
>die treuen Genossen
»(die vier Elemente),
»wann du sammelst dein Licht
9. »am frühen Morgen.
»Und hast du umgössen
»mit deinen Strahlen
»die Welten alle,
»dann senkst du dich nieder
»auf jenen Berg
»aus der Unterwelt
»wo die Todten weilen,
»wo alle Helle
»dein Lichtausflnß ist.
»Es empfangen dich dort
»die Rudel der Füchse.
»Sie ziehen dein SchifiF
»am Berge Amenti.
10. »Da sprechen die Geister
»des Westens ihr Loblied
»zu deiner Ehre,
»um dich zu preisen
»beim Glanz deiner Scheibe.
»Es besingen dich laut
»die Geister der Nordstadt
»und die des Südens,
»wann deine Strahlen
»ihr Antlitz erhellen.
»Du ziehest dahin
11. »auf deinem Himmel,
»kein Feind droht dir
»Deine Flamme versengt
»das AeÄa-Krokodil.
120
»Es schnaufen die röthlichen
» Nil pferdsgestalten.
»Das Wasser deiner Barke
»bereitet dir den Weg.
»Das Ungeheuer
»des typhonischen Set
»es ist getroffen
»vom Schwert des Apollon. —
»mit seinen Pfeilen an sich
»durchtobt er die Räume
»des Himmels, der Erde,
12. »mit gräulichem Sturme.
»Doch jenes Zauber
»ist kräftig zu schlagen
»den feindlichen Gegner.
»Hat sein Speer verwundet
»das Ungeheuer
»mit gähnendem Rachen,
»so reißt es an sich
»der göttliche AJcer.
»Er bleibt sein Wächter,
»[der ihn erfaßt,
»zurück ihn schleudernd
»in seine Höhle.
13. »Und hat] ihm [geblendet
»sein Auge der Lichtglanz,
»wie es leuchtet an ihm,
»und fraß es die Flamme
»durch ihre Gluth:
»so öffnen sich dir
»die Wolkenschleier,
»und du segelst dahin
»mit günstigen Winden.
»Der Seeligen Insel
»wie ist sie beglückt
»[durch deine Nähe!
»Deine Barke erfüllt
121
»der Freude Lust.
>Der Weg ist frei,]
»denn du hast gebändigt
14. »den bösen Drachen,
»unter den Gestirnen
»den Ruhelosen,
»den Bewegungslosen.
»Du verläßt die Welt,
»im Siegestriumphe.
»Du hüllst dich ein
»in ein Himmelsgewand
»und es umfaßt dich
»deine Mutter.
»[Sie breitet aus
»ihre beiden Arme]
15. »um dich zu empfangen.
»Es beten dich an
»die Wesen alle,
»wann du weilst in der Tiefe
»in der Stunde des Abends.
»Du weckst den Osiris
»durch deiner Strahlen
»glanzvollen Ausfluß,
»hoch über den Häuptern
»der vom Grab L'mschlossenen.
»Es preisen dich
16. »die in den Grüften liegen,
»denn was verborgen
»in seinem Wesen,
»das nimmt Gestalt an
»um zu frohlocken,
»wann Licht verbreitet
»deine eigene Scheibe.
»Es erheben sich
»die zur Hölle Verdammten,
»da wo sie weilen
»an ihren Stätten.
122
»Dir thut sieh auf
»die Grabes weit
17. »zur Abendzeit,
»wann dein linkes Auge*)
»die Nacht erleuchtet.
»Gehst du auf in der Frühe
»des nächsten Morgens,
»im Osten des Himmels,
»da wird in Mendes
»dein Strahlenschmelz
»fein zubereitet.
»Dein rechtes Auge
»schaut deine Schöpfung.
»Du steigst empor
18. »aus der Wasser Tiefen,
»deiner verborgenen Welt.
»Bist du diesseits gekommen,
»so spendest du Licht
»nach jener Seite.
»Du machst helle
»die Wege der Irrsal's,
»gleichwie sie sind
»auf der Oberwelt.
»Es sind verborgener
»deine Gestalten
»als die aller Götter.
19. »Groß bist du, erhaben
»unter der Himmlischen Schaaren.
»Kein Gott erzeugt sich
»nach deiner Art,
»und keine Symbole
»gleichen deinem Wesen.
»Du bist der König
»[der allgewaltige].
»Dein ist die Herrschaft,
*) Nach den ägyptischen Vorstellangen ist der Mond
das linke Auge, die Sonne das rechte Auge des Allgottes.
123
»Herr des Himmels!
»nach deinem Ermessen
»wird die Welt.
»Es sind die Götter
20. »in deinen Händen,
»es sind die Menschen
»zu deinen Füßen.
»Wer ist es,
»der dir gleicht?
»Du bist Gott Helios,
»der Erste unter den Göttern,
»voller Anmuth und Liebreiz
»[Du trägst] den Widderkopf
21. »und die Sonnenscheibe
»und deine Kronen.
»Hoch steht das Hörnerpaar,
»aufgestellt ist das Geweih,
»der Bart erglänzt
»und das Augenpaar
»leuchtet wie Gold.
»Das Vließ ist
»wie Smaragd,
22. »und ein Strahlenglanz
»der Leib.
»Dein Thron ist errichtet
»an allen Orten
»nach deinem Willen.
»Wenn du es begehest
»tritt Mehrung ein
»der Zahl deiner Namen.
»Die Städte und Gauen
»tragen deine Herrlichkeit.
»Keine Feldfrucht reift
»wo dein Bild fehlt.
»Dein Sitz von Alters her
124
23. »war auf der Hochfläche
»von Groß-Hermopolis.
»Du hattest verlassen
»der Seeligen Inseln
»und erschienest im Feuchten
»im verborgenen Ei.
»In deiner Nähe
»war die Göttin Araente.
»Du nähmest Platz
»auf dem Rücken der Kuh,
»und faßtest ihre Hörner
»und schwammest einher
24. »auf der großen Fluth.
»Kein Pflanzen wuchs war.
»Er begann, als sich einte
»er (selbst) mit der Erde
»und als das Gewässer
»zum Berge empor stieg.
»Du schiedest von dannen
»in der Richtung zur Stadt
»Heracleopolis Magna.
»Von dorteu zogst du
»zur Gaustadt von Cusae.
25. »Da steht dein Bild
»als' Gott der ürkraft.
»Dein herrlicher Widder
»in der Stadt von Cusae
»ist Friedensstifter
»von tausend Myriaden.
»Es gingen die Götter
»daraus hervor ;
»du warfst sie aus
»als Gott Schon
»und spieest sie aus
»als Göttin Tafmit.
»Du schufest also
26. »Der Götter Neunheit
125
»am Anfang des Seins.
»Du warst der Löwe
»der Löwen paare.
»Du schmücktest die Leiber
»der göttlichen Schaaren.
»Du vertheiltest die Länder
»zu ihrer Verehrung,
»Sie feiern dir Feste
»in ihren Tempeln.
»Dein heiliger Widder
27. »weilt in Busiris,
»und zu vier Göttern vereint
»im Lande von Mendes.
»Dort ist das Glied
»der Herr der Götter
»und der Stier seiner Mutter
»erfreut sich der Kuh.
»Den Bock, befruchtend
»mit seinem Samen,
»ihn führtest du weitet
»nach allen Orten,
»deinem Willen entsprechend
28. »auch zu deiner Behausung
»in der Stadt der Athene.
»Es ruht dein Bild
»dort im Tempel von Cheb,
»auf der Stätte der Wiege
»des Gebieters von Sai's.
»Mit dir vereint sich
»deine Mutter Athene
»als steigende Fluth.
»Umhüllt von dem Schleier,
»verweilet dein Leib
»in der Kammer des Südens
»und im Saale des Nordens.
»Es ruhen deine Binden
»(die heiligen Zeuche)
126
29. »auf den Händen von Paaren
»krokodilhafter Götter.
»Es thut sich dir auf
»die Stätte der Wiege,
»wo dein Aufenthalt war
»im nördlichen Cheh.
»Es weilet dein Herz
»auf den Straßen von Natho,
»zur Freude der Göttin
»Latona von Buto.
»Die Krone des Nordens
30. »sie schmücket dein Haupt
»in Buto, der Stadt.
*\7 ereint sind für dich
»die beiden Welten
»(von Ober-Aegypten
»und dem unteren Lande),
»in deinem Thronsaal,
»auf deinem Stuhle,
»im Delta-Diospolis.
»Dein heiliger Platz
»ist die Stadt Metelis.
»Dein Tempelhaus,
»es steht im Innern
»des Palmenlandes.
»Dort ist dein Reich
»im Gauland von Xoi's.
»Und Götter und Göttinnen,
31. »sie folgten dir nach,
»als du fortzogst von dort.
»Es frohlockte das Herz
»der Göttin Suosis
»als dein Widder verweilte
»auf heiligem Grunde
»des Heliopolites.
»Dort bist du das Wasser
»der vollen Fluth,
127
>bist Zeus (dort) und Konig
»der Palastbewohner
»im Tempel von On.
32. »Gehst du ein in den Himmel
»im Glänze des Lichtes,
»ist On wie versunken
»in deiner Betrachtung.
»Dein doppeltes ßildniß
»es thront in Patumos.
»Man reicht dir die Opfer
»des Tempels Scheta-set. *)
»Es besuchen dich
»deine Kinder, die Götter,
»die zurückgebliebenen,
33. »in Jahrhunderten
»von deinen Begleitern.
»Dein Sperberbild
»ist der Hort des Gaues
»Heliopolites.
»Dein Tempel liegt versteckt
»in verborgener Krypte
»an Babylon's Stätte.
»Dein Bildniß ist [dort
»gemeißelt aus Stein
»als] dein Kont^rfey.
»Du ergreifst deinen Stab
34. »zu deinem Schutze
»um zu verjagen
»was feindlich dir
»aus üebermath.
»Es thut sich dir auf
»die Krypte im Süden,
»wo Gott Sep verweilet,
»um steigen zu lassen
»das Wasser der Fluth
*) Bezeichnung einer bisher nicht nachweisbaren
Cultusstätte des Amon in der Nähe von Heliopolis.
128
35. »an seiner Quelle.
»Es öffnet sich dir
»die Landschaft von Memphis,
»in deiner Gestalt
»des Gottes Hephaistos,
»des ältesten Gottes,
»des Uranfänglichen.
»Dein Thron ist errichtet
»auf memphitischer Erde.
*Es gleichet dein Widder
»dem des Zeus-Helios.
»Des Himmels Dom
36. »ist deine Gestalt
»von Anbeginn an,
»seitdem du aufgingst
»als Zeus-Helios,
»und als Hephaistos.
»Froh ist dein Herz
»in deiner Stadt.
»Der Gau von Theben
»ist deine Krone
»dein Augenpaar,
»dein Scepter und Stab.
»Es öffnen die Pforten
37. »des Himmels von Theben
»Gott Schon und Tafnut
»und Here (die Mutter)
»und Chonsu (der Mondgott).
»Dein Bildniß, es weilet
»in deiner Stadt Theben,
»in den Formen des Pan
»des Armerhebers,
»mit hohem Schmucke
»des Federnpaares,
»des Herrn der Krone
38. »des Krafterfüllten
»und Ehrfurchtge bietenden,
129
»des Stiers seiner Mutter
»auf seineu Gefilden,
»des Gegenbeschenkers
»mit seinen Gaben,
»des Herrn des Gliedes,
»des Bildners der dunklen
»und hellen Gesteine,
»mit den Köpfen der Götter
»der vier Elemente,
»des Herrn der Augen,
»der mit Talismauen
»wohl ausgestattet
39. »den Gau von Koptos,
»der da weilt in dem Gau
»des Pauopolites
»auf seiner Treppe.
»Helios, der Große,
»der Gebieter der Menschen,
»der heilige Käfer
»ist er, der da war
»vom Anbeginn.
»Ares-Helios ist er
»in der Stadt Theben,
40. »der mächtige Stier,
»der Schläger der Feinde,
»der Bildner Hephaistos
»auf thebanischer Erde
»au jeglichem Tage;
»der Gebieter der Zeit
»von ewiger Dauer.
»Du bist Hephaistos.
»Deine Gestalten zeigen
»die Gewässer des Niles
»und der Boden der Erde.
»Du Aeltester, Größester
»unter den Göttern!
»Du bist die Fluth
U
130
41. »in ihrer Fülle.
»Hat sie sich gesenkt
»in das Erdreich des Ackers,
»erneust du sie wieder
»aus deinem Borne.
»Du bist der Himmel,
»die Tiefe bist du,
»du bist das Wasser,
»die Luft bist du
»und Alles was weilet
»inmitten von ihnen.
»Es preisen dich
»die Menschenkinder
»als den Unermüdlichen
»in der Sorge für sie.
42. »Du schenkst ihnen Nahrung,
»wie du sie geschaffen.
»Die Zahl ihrer Werke
»ist dir geweiht.
»Oh Zeus-Helios!
»Du Herr aller Dinge,
»du starken Herzens,
»und gefeierten Leibes.
»Lasse glücklich sein
»deinen Sohn, der da sitzet
»auf deinem Throne !
»Verjünge seinen Körper
43. »auf der Oberwelt!
»Mach' ihn ähnlich dir,
»laß als König ihn herrschen
»in deinen Würden !
»Und wie deine Gestalt
»ist Wohlthat spendend,
»wenn du dich erhebst
»als Helios :
»so ist das Wirken
»deines guten Sohnes
131
»nach deinem Wunsche.
»Dazu spende ihm Kraft
»in seinen Armen.
»Der König von Ober-
»und Unter-Aegypten,
»des Helios Sohn,
44. »Darius,
» — er lebe ewig! —
»des Helios Erbe,
»ist voller Sorge
»für die Thebaner!
»Des Helios Sohn,
» — er lebe ewig! —
»er huldigt als Priester
»den vier Paaren
»der Elemente
»des Zeus-Helios,
»des Herrn des Tempels
»von 2\esta in Theben,
»des Herrn von Hibis,
»des Starkarmigen.
45. »Des Helios Sohn,
yDarius,
» — er lebe ewig! —
»ist ein Freund des Horus,
»des Sohnes der Isis,
»des Sohnes des Osiris.
»Oh Zeus !
»schürme und schütze ihn,
»den Sohn des Helios,
» — er lebe ewig! —
»vor jedem Schwerte,
»vor jedem Speere !
»Die Furcht vor ihm,
»die Achtung vor ihm,
132
»seines Ruhmes Glanz,
»sie seien im Herzen
»aller Menschen
»jedweden Landes,
»gleichwie dein Ruhm
46. »und die Furcht vor dir
»und die Achtung vor dir
»sitzet im Herzen
»der Götter und Menschen.
47. »Also reden die acht
»uranfänglichen Götter
»(der vier Elemente)
»zum Preis ihres Vaters
»Zeus-Helios,
»des Herrn von Hibis,
»des großen Gottes
»des Starkarmigen :
■»Nun und Nunt
■»Hehii und Hehuf
•»Kekui und KeJcuit,
»Kereh und Kereht.^
llniTersitiit
Sr. Majestät der Kaiser und König haben
Allergnädigst geruht, die ordentlichen Professoren
in der philosophischen Facultät, Dr. phil. Hein-
rich B rüg seh und Dr. phil. Gurt Wachs-
muth die nachgesuchte Entlassung aus dem
diesseitigen Staatsdienste zu ertheilen.
Sr. Majestät der Kaiser und König haben
den außerordentlichen Professor in der hiesigen
theologischen Facultät, Dr. th. Zahn zum or-
dentlichen Professor in der theologischen Facul-
tät der Universität Kiel zu ernennen geruht.
133
Herr Dr. Du bring hat seine Geschichte
der Principien der Mechanik , welcher wir den
Preis der Benekestiftnng zuerkannt hatten , in
zweiter Ausgabe veröffentlicht. Auf die Vorrede
heider Ausgaben und auf die theils eingeschal-
teten, theils angefügten Zusätze der zweiten hat
unser Urtheil, welches auch dieser zweiten Aus-
gabe vorgedruckt ist. keine Beziehung,
Göttingen, den 28, Februar 1877,
Die philosophische Facultät.
Der Decan
W, Müller.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften,
(Fortsetzung).
- ] a u s 1 u s, Ober die Behandlung der zwischen linearen
Strömen u. Leitern stattfind, ponderomotor. u. electro-
motor. Kräfte nach dem electrodynom, Grundgesetze
Bonn 1876.
Verband], des naturhistor.-med. Vereins zu Heidelbers.
Bd. I. 4. 1876.
Transactions of the Zoolog. Society of London. Vol.
IX. P. 8. 9. 1876. 4.
Proceedings of the Zoolog. Society of London 1876. Part
1—3.
Atti della R. Accademia delle Scienze fisiche e mathem.
Vol. VI. Napoli 1875. 4.
ßendiconto dell' Accad. delle Sc. fis. e math. Anno XII
Fase. 1-12. 1873. Anno XIH. Fase. 1-12. 1874,
Anno XIV. Fase. 1—12. 1875. Xapoli. 4.
Sitzungsber. d. math. physik. Cl. d. K. Akad. d. Wiss,
zu München 1876. 11.
— d. philos. philol. u. histor. Cl. 1876. Bd. L H. 4,
Schüler von Lebloy, Aus der Türken- u. Jesuiten-
zeit vor und nach 1600. Berlin 1871.
134
Nova Acta R. Soc. sc. Upsaliensis. Ser. III. Vol. X.
Fase. 1. 1876. 4.
Bulletin met^orol. mensuel de l'Observat. d' Upsal. Vol.
VII. 1875. 4.
Martini, Die Anschwellungen u. Verhärtungen der
Gebärmutter sind nicht unheilbar. Augsburg 1876.
December 1876. '
Nature. 370—372. 374.
Leopoldina. XII. Nr. 21-24. (Mit Titelblatt.)
Annal. de l'Observat. R. de Bruxelles. Fol. 10.
Pott, Chemie oder Chymie?
Plateau, statique experim. et theorique des liquides
soumis aus seules forces moleculaires. T. 1— 2. Paris
1873.
Chwolson, über einen von Jacobi construirten Queck-
silber-Rheostaten. 1876.
Proceedings of the London mathem. Society. No. 97
—100.
Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou.
1876. Nr. 2.
Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt. 1876. Bd.
XXVI Nr. 3 Juli- Sept. Mit Tschermak mine-
ralog. Mittheilungen. Bd. VI. Hft. 3.
Verhandlungen der k. k. geolog. Reichsanstalt. 1876.
No. 11-13.
Volkmann, zur Theorie der Intercostalmuskeln.
Donders u. Engelmann, Onderzoekningen. Derde
Reeks. IV. Aflev. 1876.
IX. Jahresber. des akad. Lese-Vereins a. d. Univers.
Graz. 1876.
Nouveaux Me'm. de la Soc. Imp. des Naturalistes de
Moscou. T. XIII. Livr. 5.
Transactions of the Philos. Society of New South Wa-
les. Sidney 1862-65.
Transactions and Proceedings of the R. Soc. of N. S.
W. Vol. 1875. Sidney 1876.
Mines and Mineral Statistics of New S. Wales. Ebd.
1875.
Mineral Map and General Statistics of N. S. W. Ebd.
1876.
Progress and Resources of N. S. Wales. Ebd. 1876.
Monthly Notices of the R. Astron. Soc. Vol. 37. No.
1. Nov. 1876.
135
Bulletin de la Soc. de Mathem. de France. T. IV.
No. 6. 1876.
Mittheilangen der deutschen Gesellsch. für Natur- u.
Völkerkunde Ostasiens. H. 10. 1876. Yokohama.
Das schöne Mädchen von Pao. III. Ebd.
Vierteljahrsschrift der Astron. Gesellsch. Jahrg. XI.
Hft. 4. 1876.
Bulletin de l'Acad. R. des Sc. de Belgique. 45« ann^e,
2. Ser. T. 42. No. 9-10.
Memoires de l'Acad. des Sciences de Montpellier. Sect.
des Sciences. T. VIII. 4. Sect. des Lettres. T. VI.
1. 1875. 4.
Memoires de la Soc. des Sciences phys. et natur. de
Bordeaux. 2e Ser. T. I. 3. 1876.
Mittheil, aus dem Jahrb. der K. Ungar. Geolog. Anstalt.
Bd. V. Hft. 1.
Bibliograph. Berichte über die Publicationen der Akad.
der Wiss. in Krakau. Hft. 1. 1876.
Memoires de la Soc. de Physique etc. de Genfere. T.
XXIV. P. 2. 1875-76. 4.
Report of the Superintendent of the U. S. Coast Survey,
showing the progress of the Survey during the years
1869-1873. Washington 1872-75. 4.
Hayden, Report oi the U. S. Geolog. Survey of
the Territories. Vol. IX. X. Ebd. 1876. 4.
The American Ephemeris and Nautical Almanac. For
1879. Ebd. 1876.
Allen, the American Bisons (Memoirs of the Museum
of Comp. Zoölogy at Harvard College. Cambridge,
Mass.) 1876. 4. e -e >
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sc. de St. Petersbourg.
T. XXII. No.. 3. 1876. 4.
Acta Horti Petropolitani. T. IV. Fase. 1. 2.
Supplementband ad tomos I— III. St. Petersb. 1876. 8.
Katalog der Ausstellungsgegenstände bei der Wiener
Ausstellung. 1873.
Bulletin of the Essex Institute. Vol. VII. 1875. Salem
1876. 8.
Proceedings of the American philosophical society.' VoL
XVI. No. 97. (Jan.— Juny 1876.) 8.
Catalogue of the publications of the United States geo-
logical survey of the territories. F. V. Hayden.
Washington 1874. 8.
Publications of the Cincinnati Observatory. Catalogue
13fi
of new double stars by H. A. Howe. Cincinnati
1876. 8.
Januar 1877.
Philosophical Transactions of the R. Soc. of London
Vol. 165. P. II. ~ Vol. 166. P. I. London 1876. 4.
Fellows of the Soc. November 1875, 4.
Proceedings oi the R. Society. Vol. XXIV. No. 164
-174.
Bulletin de l'Acad. R. des sciences de Belgique. T. 42.
No. 11. 1876.
Nature 375-378.
Monthly Notices of the R. Mathem. Society. Vol.
XXXVII. No. 2.
Mittheil, aus dem naturwiss. Verein von Neuvorpommem
' u. Rügen. Jahrg. 8.
Verein für die deutsche Nordpolar fahrt. IX. Bremen
1876.
Monatsber. der Berliner Akad. der Wiss. Sept. u. Oct.
1876.
Wolf, Astronom. Mittheilungen. XLI.
Neues Oberlausitzisches Magazin. Bd. 52. H. 2. Gör-
litz 1876.
Abhandlungen des naturwiss. Vereins zu Hamburg-Al-
tona VL 2. 3. 1876. 4.
Uebersicht seiner Thätigkeit 1873—74. 4.
Annales de l'Observat. de Bruxelles. Fol. 11.
Memoirs of the liter. and philos. Society of Manchester
Vol. 5. 1876.
Proceedings of the lit, and phil. Soc. of Manchester.
VoL XlII-XV. 1874-76.
Catalogue of the books in the library of the Manchester
Soc. 1875.
Atti della Societii Toscana. Vol. IL Fase. 2. Pisa 1876.
Jules Oppert, Les inscriptions en langue susienne.
Paris 1873.
— Sumerien ou Accadien? Paris 1876.
Duchateau et Oppert, l^tudes cundiformes. Paris
1878.
Fortsetzung folgt.
137
iVach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
14. März. Mi 1, 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaft4>ii.
P reisaufgabeu
der
Wedekindschen Preisstiftung
für Deutsche Geschichte.
Der Verwaltnngsrath der Wedekindschen Preis-
stiftung für Deutsche Geschichte macht hierdurch
die Aufgaben bekannt, welche von ihm für den
vierten Verwaltungszeitraum, vom 14. März 1876
bis zum 14. März 1886, nach den Ordnungen
der Stiftung (§. 20) gestellt werden.
Für den ersten Preis.
Der Verwaltungsrath verlaugt eine allen An-
forderungen der Wissenschaft entsprechende Aus-
gabe der von dem Maiuz-T Eberhard IVindeek
verfassten Denkwürdigkeiten über Leben und
Zeit Kaiser Sigismunds.
Es gilt den völlig werthloseu und unbrauch-
baren Abdruck bei Meuckeu durch eine nach
Seite der Sprache wie des Inhalts gleich tüch-
tige Ausgabe zu ersetzen. Auch nach den Vor-
arbeiten von Dümge, Moue, Aschbach, Droysen,
die mehr nur andeutend als abschließend ver-
fahren konnten, steht das Verhältniß der bis an
die Zeit des Verfassers hinaufreichenden Hand-
schriften noch keineswegs fest.
Vor allem ist erforderlich, die aus Nürnberg
stammende, aber von da nach England verkaufte
12
138
Ebnersclie Handschrift wieder aufznfinden und
festzustellen, ob die in der jetzt zu Cheltenham
befindlichen Bibliothek des /«J^^l^rbenen feir
Thomas Phillipps unter No. 10,381 aufgeführte
Handschrift der Beschreibung bei Aschbach, Konig
Siegmund IV, 458, entspricht. Da nur aut Grund
einer vollständig zuverlässigen Abschrift derselben
der Nachweis geführt werden kann, ob in ibr
das Original vorliegt oder nicht, so wird der
VerwaltSngsrath so bald als möglich für eine
solche Abschrift Sorge tragen und diese der hie-
sisen Universitätsbibliothek übergeben von der
sie Bearbeiter der Aufgabe zur Benutzung er-
halten können. . ....
Es wird aber nothwendig sein auch die übri-
gen Handschriften des 15. Jahrhunderts zu Gotha
und Hannover zu untersuchen, wo möglich noch
unbekannte oder unbeachtete heranzuziehen und
sowohl ihr Verhältniß unter einander als die Ab-
leitung der späteren Abschriften festzustellen.
Es wird dabei vor allem darauf ankommen, die
verschiedenen vom Verfasser selbst herrührenden
Bearbeitungen und Zusätze, auf welche Droy.en
^gehend hingewiesen hat in den Texten sebst
nachzuweisen, um Entstehung und Ausbildung
der Denkwürdigkeiten durchschauen zu können.
Die Urkunden und Aktenstücke aller Art,
welche dem Werke zahlreich eingefügt smd, er-
fordern genaue Untersuchung m Bezug auf Her-
kunft, Wiedergabe und anderweitige Benutzung,
eventuell Ersetzung durch die in den Archiven
noch vorhandenen' Originale. Desgleichen ist
wenigstens annäherungsweise der Versuch zu
Tach^en für die rein erzählenden Theile Ursprung
oder Quelle beizubringen, namentlich m Bezug
auf An- und Abwesenheit des Verfassers Es
darf dem Text an Erläuterung in sprachhcher
und sachlicher Hinsicht nicht fehlen.
Die Sprache, welche auf Mainz als die engere
139
Heimath Windecks hinweist, verlangt in der
Einleitung eben so gut eingehende Erörterung
als die mannichfachen Lebensschicksale des Ver-
fassers, die Beziehungen zu seiner Vaterstadt,
seine Reisen, sein Verhältniß zum Kaiser und zu
andern namhaften Zeitgenossen , seine übrigen
Werke in Prosa und Dichtung. Auch ist es
sehr wünschenswerth , daß die bei der Untersu-
chung und Herstellung des Textes befolgte Me-
thode klar auseinandergesetzt werde.
Viel Schwierigkeit wird voraussichtlich das
sprachliche Wortverzeichniß machen , doch ist
es, um eine wirklich brauchbare Ausgabe herzu-
stellen, ebenso unerläßlich, als die Wiedergabe
der originalen Rubriken und Kapitelüberschriften
und die Zusammenstellung eines geschickten Sach-,
Personen- und Ortsverzeichnisses.
Für den zweiten Preis
wiederholt der Verwaltungsrath die für den vo-
rigen Verwaltungszeitraum gestellte Aufgabe:
Wie viel auch in älterer und neuerer Zeit
für die Geschichte der Weifen, und namentlich
des mächtigsten und bedeutendsten aus dem
jüngeren Hause, Heinrich des Löwen, gethan ist,
doch fehlt es an einer vollständigen, kritischen,
das Einzelne genau feststellenden und zugleich
die allgemeine Bedeutung ihrer Wirksamkeit für
Deutschland überhaupt und die Gebiete, auf welche
sich ihre Herrschaft zunächst bezog, insbesondere
im Zusammenhang darlegenden Bearbeitung.
Indem der Verwaltungsrath
eine Geschichte des jüngeren Hauses der
Weifen von 1055—1235 (von dem ersten
Auttreten Weif IV. in Deutsehland bis
zur Errichtung des Herzogthums Braun-
schweig-Lüiieburg)
ausschreibt, verlangt er sowohl eine ausführliche
aus den Quellen geschöpfte Lebensgeschichte der
140
einzelnen Mitglieder der Familie, namentlich der
Herzoge , als auch eine genaue Darstellung der
Verfassung und der sonstigen Zustände in den
Herzogthümern Baiern und Sachsen unter den-
selben , eine möglichst vollständige Angabe der
Besitzungen des Hauses im südlichen wie im
nördlichen Deutschland und der Zeit und Weise
ihrer Erwerbung, eine Entwickelung aller Ver-
hältnisse , welche zur Vereinigung des zuletzt
zum Herzogthum erhobenen Weifischen Territo-
riums in Niedersachsen geführt haben. Beizu-
geben sind Register der erhaltenen Urkunden,
jedesfalls aller durch den Druck bekannt ge-
machten , so viel es möglich auch solcher , die
noch nicht veröffentlicht worden sind.
In Beziehung auf die Bewerbung um diese
Preise, die Ertheilung des dritten Preises und die
Rechte der Preisgewinnenden wird aus den Ord-
nungen der Stiftung Folgendes wiederholt :
1. Ucber die zwei ersten Preise. Die
Arbeiten können in deutscher oder lateinischer
Sprache abgefaßt sein.
Jeder dieser Preise beträgt 1000 Thaler in
Gold (3300 Reichsmark) und muß jedesmal ganz,
oder kann gar nicht zuerkannt werden.
3. UeSer den dritten Preis. Für den
dritten Preis wird keine bestimmte Aufgabe
ausgeschrieben, sondern die Wahl des Stoffs bleibt
den Bewerbern nach Maßgabe der folgenden
Bestimmungen überlassen.
Vorzugsweise verlangt der Stifter für denselben
ein deutsch geschriebenes Geschichtsbuch, für
welches sorgfältige und geprüfte Zusammenstel-
lung der Thatsachen zur ersten, und Kunst der
Darstellung zur zweiten Hauptbedingung gemacht
wird. Es ist aber damit nicht bloß eine gut ge-
schriebene historische Abhandlung, sondern ein
umfassendes historisches Werk gemeint. Special- |
141
landesgeschichten sind nicht ansgeschlossen, doch
werden vorzugsweise nur diejenigen der großem
(15) deutschen Staaten berücksichtigt.
Zur Erlancmncr des Preises sind die zu die-
sem Zwecke handschriftlich eingeschickten Arbei-
ten, und die von dem Einsendungstage des vori-
gen Verwaltungszeitraums bis zu demselben Tage
des laufenden Zeitraums (dem 14. März des zehn-
ten Jahres) gedruckt erschienenen Werke dieser
Art gleichmäßig berechtigt. Dabei findet indes-
sen der Unterschied statt, daß die ersteren, so-
fern sie in das Eigenthnm der Stiftung übergehen,
den vollen Preis von 1000 Thalern in Gold,
die bereits gedruckten aber, welche Eigenthnm
des Verfassers bleiben, oder über welche als sein
Eigenthnm er bereits verfugt hat, die Hälfte des
Preises mit .jOO Thalern Gold empfangen.
Wenn keine preiswürdigen Schriften der be-
zeichneten Art vorhanden sind, so darf der dritte
Preis angewendet werden, um die Verfasser sol-
cher Schriften zu belohnen, welche durch Ent-
deckmg und zweckmäßige Bearbeitung unbe-
kannter oder unbenutzter historischer Quellen,
Denkmäler und Urkundensammlungen sich um
die deutsche Geschichte verdient gemacht haben.
Solchen Schriften darf aber nur die Hälfte des
Preises zuerkannt werden.
Es steht Jedem frei, für diesen zweiten Fall
Werke der bezeichneten Art auch handschriftlich
einzusenden. Mit denselben sind aber ebenfalls
alle gleichartigen Werke, welche vor dem Einsen-
dungstage des laufenden Zeitraums gedruckt er-
schienen sind, für diesen Preis gleich berechtigt.
Wird ein handschriftliches Werk gekrönt, so er-
hält dasselbe einen Preis von 500 Thalern in
Gold; gedruckt erschienenen Schriften können
nach dem Grade ihrer Bedeutung Preise von
250 Thlr. oder 500 Thlr. Gold zuerkannt werden.
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich von selbst,
142
daß der dritte Preis auch Mehreren zugleich zu
Theil werden kann. ..
3. RecMe der Erben der gekrönten
Schriftsteller. Sämmtliche Preise fallen, wenn
die Verfasser der Preisschriften bereits gestorben
sein sollten, deren Erben zu. Der dritte Preis
kann auch gedruckten Schriften zuerkannt wer-
den, deren Verfasser schon gestorben sind, und
fällt alsdann den Erben derselben zu.
4. Form der Preisschriften und ihrer
Einsendung. Bei den handschriftlichen Werken
welche sich um die beiden ersten Preise
bewerben, müssen alle äußeren Zeichen vermieden
werden, an welchen die Verfasser erkannt werden
können. Wird ein Verfasser durch eigene Schuld
erkannt, so ist seine Schrift zur Preisbewerbung
nicht mehr zulässig. Daher wird em Jeder der
nicht gewiß sein kann, daß seine Handschrift
den Preisrichtern unbekannt ist, wohl thun, sein
Werk von fremder Hand abschreiben zu lassen.
Jede Schrift ist mit einem Sinnspruche zu ver-
sehen, und es ist derselben ein versiegelter Zettel
beizulegen, auf dessen Außenseite derselbe öinn-
spruch sich findet, während inwendig Name,
Stand und Wohnort des Verfassers angegeben sin .
Die handschriftlichen Werke, welche sich um
den dritten Preis bewerben, können mit dem
Namen des Verfassers versehen, oder ohne den-
selben eingesandt werden. . T.nfp dpa
Alle diese Schriften müssen im Laute des
neunten Jahres vor dem 14^ März mit welchem
das zehnte beginnt, also diesmal vor dem U.
März 1885, dem Director zugesendet sein, wel-
fh" auf Vei-langen an die Vermittler der Ue ers^-
düng Empfangsbescheinigungen a"s^^^stel^e^^
5. Ueher ZulSssigkeit zur Prcisbewer-
hunir. Die Mitglieder der Könighchen bocietat,
welche nicht zum Preisgerichte gehören dur^^^^
sich wie jeder Andere um alle Preise bewerben.
143
Dagegen leisten die Mitglieder des Preisgerichts
auf jede Preisbewerbung Verzicht.
6. VerMndigDDg der Preise. An dem 14.
März , mit welchem der neue Verwaltungszeit-
raum beginnt, werden in einer Sitzung der So-
cietät die Berichte über die Preisarbeiten vor-
getragen , die Zettel , welche zu den gekrönten
Schriften gehören, eröflFnet, und die Namen der
Sieger verkündet, die übrigen Zettel aber ver-
brannt. Jene Berichte werden in den Nachrich-
ten über die Königliche Societät , dem Beiblatte
der Göttingenschen gelehrten Anzeigen, abge-
druckt. Die Verfasser der gekrönten Schriften
oder deren Erben werden noch besonders durch
den Director von den ihnen zugefallenen Preisen
benachrichtigt, und können dieselben bei dem
letzteren gegen Quittung sogleich in Empfang
nehmen.
7. Zurückfordcrung der nicht gekrönten
Seliriften. Die Verfasser der nicht gekrönten
Schriften können dieselben unter Angabe ihres
Sinnspruches und Einseudung des etwa erhalte-
nen Empfangsscheines innerhalb eines halben
Jahres zurückfordern oder zurückfordern lassen.
Sofern sich innerhalb dieses halben Jahres kein
Anstand ergiebt, werden dieselben am 14. Octo-
ber von dem Director den zur Empfangnahme
bezeichneten Personen portofrei zugesendet. Nach
Ablauf dieser Frist ist das Recht zur Zurück-
forderung erloschen.
8. Druck der Preisschriften. Die hand-
schriftlichen Werke, welche den Preis erhalten
haben, gehen in das Eigenthum der Stiftung für
diejenige Zeit über, in welcher dasselbe den Ver-
fassern und deren Erben gesetzlich zustehen
■würde. Der Verwaltungsrath wird dieselben einem
Verleger gegen einen Ehrensold überlassen oder,
wenn sich ein solcher nicht fiudet, auf Kosten
der Stiftung drucken lassen, und in diesem letz-
144
teren Falle den Vertrieb einer zuverlässigen und
thätigen Buchhandlung übertragen. Die Aufsicht
über Verlag und Verkauf führt der Director.
Der Ertrag der ersten Auflage, welche aus-
schließlich der Freiexemplare höchstens 1000
Exemplare stark sein darf, fällt dem verfügbaren
Capitale zu, da der Verfasser den erhaltenen
Preis als sein Honorar zu betrachten hat. Wenn
indessen jener Ertrag ungewöhnlich groß ist,
d. h. wenn derselbe die Druckkosten um das
Doppelte übersteigt, so wird die Königliche So-
cietät auf den Vortrag des Verwaltungsrathes
erwägen, ob dem Verfasser nicht eioe außeror-
dentliche Vergeltung zuzubilligen sei.
Findet die Königliche Societät fernere Aufla-
gen erforderlich, so wird sie den Verfasser, oder,
falls derselbe nicht mehr leben sollte, einen an-
dern dazu geeigneten Gelehrten zur Bearbeitung
derselben veranlassen. Der reine Ertrag der
neuen Auflagen soll sodann zu außerordentlichen
Bewilligungen für den Verfasser, oder, falls der-
selbe verstorben ist, für dessen Erben, und den
neuen Bearbeiter nach einem von der Königli-
chen Societät festzustellenden Verhältniße be-
stimmt • werden.
9. Bemerkung auf dem Titel derselben.
Jede von der Stiftung gekrönte und herausgegebene
Schrift wird auf dem Titel die Bemerkung haben :
Von der Königlichen Societät der Wissen-
schaften in Göttingen mit einem Wedekind-
schen Preise gekrönt und herausgegeben. |
10. Freiexemplare. Von den Preisschrif- ^
ten, welche die Stiftung herausgiebt, erhalten
die Verfasser je zehn Freiexemplare.
Göttingeu, den 14. März 1877.
Der VerivaUungsrafh der WedcJcindscJien
Freisstiftung.
145
IVachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
21. März. Mi 8. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Schaumann, Corresp., Das Testament des Herzogs
Georg von Brannschweig- Lüneburg. 1641. Aus Acten
und Urkunden des Archivs zu Hannover.
Die K. Gesellschaft d. W. beschloß , die in ihrem
Besitz befindlichen Briefe von Bessel an Gauss zum
Zwecke der Heransgabe des Gauss - Besselschen Brief-
wechsels der K. Akademie der Wissenschaften zu Ber-
lin auf deren Wunsch leihweise zu überlassen.
Das Testament des Herzogs Georg von
Brannschweig-Lüneburg. 1641. Aus
Akten und Urkunden des Archivs zu
Hannover.
Vom Staatsrath Dr. A. Schaumann.
Dem neuen deutschen Staate, welchen im
Jahre 1235 durch Lehnsauftragung Otto Puer,
der Enkel Heinrich des Löwen, gründete, schien
für innere Entwickelung eine glänzende Zukunft
vorbehalten zu seyn. Theils die günstige Lage,
mehr noch der Umstand, daß dies Territorium
lediglich aus Allodeu gebildet war, gaben sei-
nem Herrscher mehr unumschränkte freie Hand,
als dies bei irgend einem andern der schon fer-
tigen deutschen Staaten der Fall war.
13
146
Allein wohl bei keiner Erbschaft haben die
Erben schlimmer gewirthschaftet, als grade bei
dieser. Die sofort nach dem Tode des Erblas-
sers unter seineu Nachfolgern entstehenden bei-
den Hauptlinien, Braunschweig und Lüneburg,
theilten im Innern stets weiter, so daß zuwei-
len Theile nur aus ein paarAemtern bestanden,
deren Regenten aber nichts desto weniger stets
Herzoge von Braunschweig - Lüneburg heißeu,
und als solche Hof halten wollten, • — allein
schon, anderer Umstäude nicht zu gedenken,
Grund genug, um Verarmung und ewig bren-
nende Schulden hervorzurufen. So sanken jene
Herzoge bald zu Fürsten dritten und vierten
Ranges herab. Die weitere Folge war ferner,
daß die Geschichte des Mittelalters kaum Einen
Fürsten von politischer Bedeutung unter ihnen
zu nennen weiß — höchstens ein paar gute
Hausväter in kleinem Wirkungskreise, und ei-
nige Raufbolde, die in Innern Fehden sich selbst
zerfleischten, oder in äußeren die Kräfte des
Landes vergäudeten.
Volle 400 Jahre hatte seit 1235 dieses Un-
wesen in dem neugegründeten Staate gedauert,
da endlich schien eine bessere Morgenröthe
aufzugehen. Die Gelegenheit nämlich war da,
daß es wenigstens besser hätte werden können !
Mit dem Herzog Friedrich Ulrich starb am
11. August 1634, die eine Hauptlinie aus, die
Braunschweigische, welche noch obendrein das
Glück gehabt hatte , die von ihr früher ausge-
gangenen kleinen Nebenzweige nach und nach
wieder mit sich zu vereinigen. — Braunschweig,
Wolfeubüttel , Calenberg nebst Göttingen , so
wie ferner der aus der Hildesheim'schen Stifts-
fehde erworbene größte Theil dieses Bisthunis
147
waren die Stücke, welche jetzt zur Erbschaft
kamen.
Erbe war ohne Zweifel die Lüueburg'sche
Hauptlinie, welche aber daiuals grade mehrere
Nebenlinien von sich abgezweigt hatte — die
Dannenbergische und die Harburg'sche. Unter
diesen erhob sich alsbald über die Vertheilung
ein fünfvierteljähriger Zwist. Wir erwähnen,
um auf die Hauptsache zu kommen, nur kurz,
daß Alles durch den Vertrag vom 14. December
1635 zur Ausgleichung kam. Für die Dannen-
bergische Linie ward das neue Fürstenthum
Braunschweig- Wolfenbüttel, so wie es dem größ-
ten Theile nach noch heute besteht, ausgeschie-
den. Die Harburg'sche Linie , welche ohnehin
zum Aussterben stand, erhielt auf Lebenszeit
einige unbedeutende vorläufige Abfindungen.
Alles Uebrige erhielt die Lüueburg'sche Haupt-
liuie.
Dazu waren damals grade in dieser Verab-
redungen getroffen, um den ewigen schwächen-
den Theilungen vorzubeugen. Die 7 Söhne
Herzog Wilhelm d. J. hatten den gegenseitigen
Vertrag abgeschlossen, daß nur Einer von ihnen
den Stamm fortpflanzen solle. Das Loos ent-
schied für den zweitjüngsten, Georg; und wenn
auch die älteren Brüder sich noch für ihre Le-
benszeit Succession und Regierung vorbehalten
hatten, so mußte doch demnächst in Georgs
und seiner Nachkommen Händen sich alles Ge-
trennte wieder vereinigen, um so mehr, da auch
in der Lüueburger Liuie schon ein Hausvertrag
bestand — vom Jahre 1611 — daß jeder, in
Zukunft Lüneburg etwa zufallende Theil unge-
trennt damit verbunden bleiben solle.
Herzog Georg also, beziehungsweise seine
Nachkommenschaft, war demnach der schon
13»
148
bestimmte demnächstige Vereinigungs - Mittel-
punkt.
Unter den Männern des 30jährigen Krieges
ist derselbe eine vielgenannte Persönlichkeit,
deren wirkliche Größe aber den obwaltenden
Umständen nach leider nicht immer zur völligen
Geltung kommen konnte.
Die längste Zeit seines Lebens war er noch
nicht selbstständiger Fürst und Regent eines
zuständigen Gebietes, sondern nur der Feldherr
seiner Brüder und Vettern. Allein bei der ewi-
gen Uneinigkeit derselben, wo es Einige mit
dem Kaiser, Andere mit den Schweden und de-
ren Parthei hielten, sah er sich oft bei der wi-
derstrebenden Politik derselben in seinen schön-
sten militärischen Erfolgen gehemmt, und auf
die kümmerlichste Defensive beschränkt, da er
in seiner Lage nicht unabhängig eigner Ueber-
zeugung, sondern nur höhern Befehlen folgend,
auftreten durfte. Erst dann, als seine älteren
Brüder ihm durch Vertrag vom 27. Jan. 1636 aus
der Braunschweig'schen Erbschaft das Fürsten-
thum Calenberg als selbstständiges unter ihm
stehendes Territorium überwiesen, ward seine
Stellung anders. Jetzt konnte er als dessen
Fürst in seiner Handlungsweise selbständig auf-
treten. Vor allem predigte er Einigkeit der
bisher getrennten und sich befeindenden Linien,
stellte diese auch mit unsäglicher Mühe durch
den Peiner Receß v. 14. May 1636 und die
Celler Hausverträge vom 10. Decbr. 1636^)
glücklich her, und schickte sich nunmehr an,
in der schweren Zeit des 30jährigen Krieges
auch nach außen eine selbstständige Politik zu
1) Calenb. Archiv f. v. Erbverträge Nr. 94. Diese
Urkunde ist noch niemals vollständig mitgetheilt.
149
verfolgen. Diese sollte, gestützt auf ein stehen-
des Heer, eine Neutralitäts-Politik für das nord-
westliche Deutschland seyn , die jede Parthei,
die kaiserliche sowohl wie die schwedische, vom
Betreten des Bodens desselben abhalten sollte.
Zur Vermehrung der Macht für solchen Zweck
schloß er 3 Bündniß - Verträge mit der Land-
gräfin Amalie von Hessen ab, welche sich mit
ihm zu gleicher Absicht verband. Immer aber
wies Georg darauf hin, daß nur Einigkeit und
Einheit zu glücklichen Resultaten führen könn-
ten.
Es ist hier nicht am Orte , die Geschichte
des Herzogs Georg bis zu seinem Tode zu er-
zählen. Es genügt zu bemerken, daß es ihm
nicht vergönnt war in so kurzer Zeit schon die
Früchte seiner Politik zu erndten. Er starb
bereits am 2. April 1641, wahrscheinlich in
Folge ihm von französischer Seite bei einem
Gastmahl zu Hildesheim beigebrachten Giftes.
Frankreich allerdings, was aus der deutschen
Verwirrung den besten Nutzen zog, konnte die
selbstständige Stellung eines solchen Fürsten,
der einen großen Theil Deutschlands fremden
Einfluß zu entziehen gedachte, nicht gleichgül-
tig mit ausehen.
Da bei dem Tode Georgs noch ältere Brü-
der von ihm lebten und in Lüneburg regierten,
so erlebte er auch nicht den Anfall aller Wei-
fischer Lande in seiner Hand. Aber seine Söhne
traten in seine Rechte, und für diese hätte er
wohl in Beziehung auf die augenblicklich noch
getrennten Gebiete für die Zukunft verbindende
Bestimmungen treffen können.
Jedermann hätte auch erwarten sollen, daß
solche ganz den Grundsätzen gemäß ausgefallen
wären , die der Vater so oft im Leben als ein-
150
ziges Heil gegen seine Verwandten gepredigt
hatte: Kraft in Einheit, Abstellen der ewigen
Theilungen, deren vernichtende Folgen er so
oft vor Augen gestellt hatte.
Allein sein Testament, was er 11 Tage vor
seinem Tode durch den Canzler Stucke nieder-
schreiben ließ, lautete bekanntlich anders. Es
bedarf nicht dessen vollständiger Mittheilung ^) ;
es sind nur die Paragraphen 8, 12 und 18, als
für die Geschicke der Weifischen Lande beson-
ders wichtig, hier zu erwähnen.
In denselben ward nämlich bestimmt, daß
für die Folge zwei ewig getrennte Herzog-
thümer, Lüneburg (Celle) und Calenberg, nach
geschehener Ausgleichung gegen einander beste-
hen sollten. Von den vier Söhnen Georgs solle
dann der Aelteste die Wahl eines derselben,
der Zweite das andere haben. Die jüngsten
Söhne erhalten Apanagen. Linerhalb jener
Theile solle dann für die Folge Primogenitur
bestehen, und weitere Theilung ausgeschlossen
bleiben, — ein nur geringer Ersatz für das
größere Unglück der Theilung, denn diese sollte,
— und das wird mit besonderem Ausdruck be-
tont, ,,ewig" seyn, und alle Nachfolger sollen
auf dies Testament wie auf ein unabänderliches
Hausgesetz eidlich verpflichtet werden !
Die gleiche Zeit muß in dieser Bestimmung
des Herzogs Georg nichts Besonderes und Auf-
fallendes gefunden haben, denn sie ward ohne
Anstoß und Widerrede von irgend einer Seite
vollzogen, und keine Stimme ist laut geworden,
daß man überhaupt etwas Anderes erwartet
habe.
1) Längst bekannt, auch vollständig abgedruckt
bei Rehtmeyer p. 1653 ff.
151
Die spätere Zeit hingegen hat sich nicht er-
holen können von ihrem Staunen über solche
Handlaugsweise eines der klügsten und erfah-
rendsten Fürsten, der in seinem letzten Willen
Anordnungen machte, welche geradezu allen po-
litischen Grundsätzen und Handlungen, die der-
selbe im Leben mit Rath und That verfochten
hatte, geradezu entgegen waren! Sie hat da-
her zur Erklärung des ihr Unbegreiflichen Ver-
muthungen und Annahmen der verschiedensten
Art aufgestellt.
Es verlohnt sich nicht der Mühe, solche
sämmtlich durchzugehen; beschränken wir uns
daher auf das, was von den berufensten Auto-
ritäten dieserhalb vorgebracht ist, — von dem
genialen Spittler , dem bedeutendsten vaterlän-
dischen Historiker, und von v. d. Decken , des-
sen großes Werk ganz der Geschichte des Her-
zogs Georg gewidmet ist.
Spittler in seiner hannoverschen Geschichte*)
schiebt Alles, als reinen politischen Fehler auf
den Canzler Stucke, als Verfasser des Testa-
ments Georg's. Er sagt :
»Hatte der gute Canzler wohl bedacht, welch
»ein unausführbares Werk es sej, zwei Fürsten-
»thümer, deren Lage und Beschaffenheit so ver-
»schieden war, völlig einander gleich zu setzen!
»War's denn nicht widersprechend, daß jedes
»Fürstenthum in seiner Consistenz bleiben, und
»jedes doch dem andern gleich gemacht werden
»sollte? Wie war's möglich mit den wenigen
»Stücken der Grafschaft Hoya, die man aus der
»Harburgischen Erbschaft zu hoffen hatte, eine
»Ausgleichung der beiden Fürstenthümer zu
»machen, da Grubenhagen, Ober -Hoya, und
1) Tbeil II, p. 97 ff.
152
»Diepholz bei dem Pürstenthume Celle bleiben
»sollten? Die Cammerrechnungen waren in
»großer Verwirrung; der Güterertrag in Zeiten
»eines schon länger als 20 Jahre dauernden
»Krieges gar nicht zu schätzen, und die Hoff-
»nung, verpfändete Domainenstücke wieder ein-
»zulösen , die dem künftigen Besitzer des Für-
»stenthums Calenberg eben so wichtig seyn
»mußte als dem künftigen Herzog v. Celle, war
»doch in beiden Fürstenthümern so ungleich,
»und in beiden Fürstenthümern so wenig zu
»schätzen, daß nie eine befriedigende Ausglei-
»chung jemals gemacht werden konnte!
»Ein ewiges Familiengesetz sollte dieses Te-
»stament seyn, und jeder Descendent Georg's,
»regierende und nicht regierende Herrn, sollten
»dasselbe mit einem körperlichen Eide beschwö-
»ren ! Doch war das Testament in seinen wich-
»tigsten Stellen zweideutig, für die wichtigsten
»Fälle der Zukunft unentscheidend; denn wie
»möglich war es, daß nur noch Descendenten
»eines einzigen der 4 Söhne Georgs übrig blie-
»ben, und daß alsdann die hier unterschiedene
»Frage rege wurde, ob dieser einzig noch übrige
»Sohn Georgs an das Familiengesetz seines Va-
»ters gebunden seyn sollte, oder ob wohl als-
»dann auch er, als neues Stammhaupt, eine
»neue Successions-Ordnung zu errichten berech-
»tigt seyn solle?
»Fiel denn dem guten Cauzler gar nicht ein,
»daß überhaupt beide Fürstenthümer gar nicht
»getrennt seyn sollten, daß erst noch vor 6 Jah-
»ren, da er selbst mit dabei saß und negociirte,
»das Gesetz der Untheil barkeit, wie es im Cel-
»le'schen Hause galt, und wie es sich auch auf
»neue Erwerbungen erstreckte, feierlichst be-
»stätigt worden war ? Ließ sich ein Manu wie
153
»der hochgelehrte Dr. Stucke war, von dem
»Panischen Schrecken betäuben , daß August
»von Wolfenbüttel seine alten Primogeuitur-
» Forderungen gefährlich erneuern mochte, wenn
»Georg in Beziehung auf seine Nachkommen
»ein feierliches Primogenitur- Gesetz mit dem
»alten Gesetz der Untheilbarkeit verbinde? War
»Canzler Stucke nicht Staatsmann genug, um
»die Gefahr solcher Theilungen wahrzunehmen,
»und hatte er nicht, so lange er Vice -Canzler
»und Canzler war, häufig genug wahrnehmen
»müssen, wie erwünscht es für den Flor des
»Weifischen Hauses, wie erwünscht es für deutsche
»Freiheit seyn müßte, wenn endlich alle Be-
»sitzungen des Celle'schen Hauses unter einer
> Primogenitur vereinigt wurden!
»So ist's, die Welt wird mit wenig Weisheit
»regiert, und die Kunst, auch nur ein kluges
»verständliches Hausgesetz zu machen , ist end-
»lich kaum durch die traurigsten Erfahrungen
»zweier Jahrhunderte erlernt worden. Canzler
»Stacke pachte für die wichtigst« Linie des
»Lüneburgischen Hauses ein ewiges Familien-
» Gesetz, und kannte die altern Verträge nicht,
»auf welche damals die ganze Verfassung des
»Fürstlichen Hauses sich gründete. Er war ein
»grundgelehrter Mann, nur schade, daß er allein
»das nicht wußte, was er diesmal wissen sollte,
»und was mit ihm keiner der übrigen Räthe
»wußte. Von diesen war keiner, der alte Haus-
»geschichte and Hausgesetze verstund. Den
»gelehrtesten derselben, die mit kühnem Schritt
»aus dem gewöhnlichen Kreise ihrer Amtsge-
»schäfte heraustraten , hatten vielleicht noch
»als alte Diener Herzogs Friedrich Ulrichs ei-
»niges Wissen von Brannschweigischer
»Hausverfassung; nach Lünebnrgischer
154
»Hausverfassung wußten sie nicht klug genng
»zu fragen um klug genug belehrt werden zu
»können; und im großen Drange von Negocia-
»tionen und Canzleigeschäften, wie sie sich durch
»den langdauernden Krieg vermehrten , in der
»dringenden Eilfertigkeit , da Herzog Georg
»täglich sichtbarer hin wegstarb, war nicht mehr
»Muße, fremden Rath und fremde Aufklärung
»zu suchen, wenn etwa noch die Ahnung blieb,
»daß es weise wäre, in Celle selbst Rath zu
»holen, weil doch Canzley und Archiv in Hil-
»desheim in zu arger Verwirrung sich befanden.
»Wenn es doch Fürsten und Ministem mit
»Flammenschrift vor die Augen geschrieben
»werden könnte, was Unkunde und Uupublici-
»tät solcher Staats- und Hans vertrage schon an-
»gerichtet hat; wie Krieg und Erbitterung al-
»lein durch Bekanntmachung derselben verhin-
»dert. Rechte des Hauses geschlitzt, große Last
»der Verantwortung, die auf den Minister und
»seinen Vertrauten fürchterlich schwer ruht,
»mit dem ganzen Publikum glücklich getheilt
»und selbst ein Patriotismus erweckt werden
»kann, dessen unverlöschendste Lebenskraft al-
»lein nur in der ausgebreitetsten Kenntniß des
»Landes und der Rechte des Regentenhauses
»liegt! Daß Canzler Stucke die Lüneburg'schen
»Hausverträge nicht kannte, daher hat er ein
»schädliches fürstliches Testament gemacht, ein
»langhin schädliches Hausgesetz entworfen , das
»vier und zwanzig Jahre nachher fast unver-
»meidliche Veranlassung eines ausbrechendei
»Bruderkrieges werden sollte, und den neu aufij
»gehenden Flor des Weifischen Hauses auf ewij
»gehindert hätte, wenn nicht die Vorsehung
»neue Bahn gemacht hätte. Und daß mai
»selbst wieder aus diesem Testament, das FunJ
1 •' f
»daraental - Gesetz des Celle'schen Hanses seyn
»sollte, das von sämmtlichen Prinzen beschwo-
>ren werden mnßte, doch wieder ein Geheimnis
»machte, hätte beinahe wieder einen neuen
»Brüderkrieg veranlaßt, Freiheit und Religion
»des Landes vielleicht auf ewig zerstört !
V. d. Decken, in seiner Geschichte des Her-
zogs Georg, Band IV, p. 124 ff. bringt fol-
gende Ansichten vor:
»Erwägen wir, daß Georg während vieler
»Jahre eifrigst bemüht gewesen war, die Be-
»sitzungen seines Hauses zu erhalten ; daß er
»unzählige male die bittersten Erfahrungen ge-
»macht hatte, wie nachtheilig es für das Haus
»der Weifen sey , sich in so viele Zweige anf-
»gelöst zu haben , deren Politik selten im Ein-
sklang stand; daß ihm vorzugsweise bekannt
»seyn mußte, wie wichtig es für Erhaltung der
»deutschen Reichsverfassung sey, daß mächtige
»Reichsfürsten dem Uebergewicht der Kaiserli-
schen Macht das Gegengewicht hielten; erinnern
»wir uns, mit welcher Beharrlichkeit Georg sein
»einmal im Felde der Politik und Kriegskunst
»aufgestelltes System verfolgte: so möchten wir
»geneigt seyn, dies Testament, welches die
»Trennung der beiden Fürstenthümer vorschrieb,
»für untergeschoben zu erklären. Die ünter-
»schrift Georgs hatte es freilich erhalten ; ob
»er aber, als er es unterschrieb, seiner Besin-
»nung mächtig genug war die Folgen seiner
»Bestimmungen ihrem ganzen Umfange nach
»vorauszusehen, möchte wohl bezweifelt werden
»müssen.
»Dies mit Recht von Zeitgenossen und der
»Nachwelt getadelte Testament, das in der Folge
»unheilbare Familienzwiste erzeugte, und bei-
»nahe zu einem Bruderkriege geführt hätte, ist
156
»allgemein dem Canzler Stucke zugeschrieben
»worden. Vergebens hat man sich bemüht,
»Gründe aufzufinden, die einen wegen seiner
»juristischen Kenntnisse berühmten Mann be-
» wogen haben könnten, ein Hausgesetz zu ver-
»fassen, das für die wichtigsten Fälle der Zu-
»kunft keine genügende Bestimmungen an die
»Hand gab, und durch die Vorschrift, daß jedes
»der beiden Fürstenthümer Celle und Calenberg,
»ohne in ihren Bestandtheilen wesentliche Ver-
sänderungen zu erleiden, dem andern in der
»Einnahme gleich gesetzt werden sollte , einen
»offenbaren Widerspruch enthält.
»Uebekannt mit dem, was zwischen Georg
»und seinem Canzler bei Verfertigung des Te-
»staments verhandelt ist, müssen wir uns mit
»Aufstellung von Vermuthungen begnügen.
»Spittler glaubt, daß die Besorgniß, August
»d. Jüngere möge beim Ableben des Herzogs
»Friedrich v. Celle seine alten Priraogeuitur-
» Ansprüche wieder erneuern, wenn Georg für
»seine Nachkommen ein Primogenitur - Gesetz
»mit dem alten Gesetze der Untheilbarkeit ver-
»eine, — die vorzüglichste Veranlassung zu die-
»sem Testament gewesen sey. Erwägen wir
»nun, daß Canzler Stucke das Hauptinstrument
»war, dessen sich Georg bei der Theilung der
»Lande Friedrich Ulrichs bediente, und daß dem
»Canzler daher die Schwierigkeit, die August
»d. J. damals in Betrefif der Primogenitur er-
»hob, noch lebhaft im Gedächtniß vorschweben
»mochte, so erhält jene Vermuthung ein großes
»Gewicht.
»Es ist ferner behauptet worden , daß die
»Gemahlin Georgs, die eine große Vorliebe für
»ihren zweiten Sohn Georg Wilhelm hatte, sei-
157
obigen eine Aussicht auf ein Fürsten tbuni habe
> bereiten wollen.
»Georg war Stifter des neuen Fürstenthu ms,
»das bald nach seinem Tode von der Residenz
»Hannover den Namen annahm. Vielleicht be-
»sorgte er, daß nach Herzog Friedrichs Tode
»das Hannoversche dem Celle'schen incorporirt
»und seine neue Stiftung damit zu Grabe ge-
»tragen werde. Diese Besorguiß mag auch bei
»dem Canzler Stuke und den Hannoverschen
»Käthen geherrscht habe.
»Auch Georgs ältester Sohn, Christian Lnd-
»wig, billigte das Testament seines Vaters nicht ;
»dies beweis't, daß er nach seinem Regierungs-
»antritt dem Verfasser desselben sofort den Ab-
» schied ertheilte.«
So urtheilen zwei Autoritäten für die Ge-
schichte Georgs über sein Testament. Sie haben
scheinbar alle dabei in Frage gekommenen Um-
stände geprüft, so daß man sich bisher begnügt
hat, ihnen stillschweigend zu folgen. Es sei
nur beiläufig bemerkt, daß der sonst so fleißige
und ausführliche Havemann über diesen wich-
tigen Gegenstand sich mit keinem Worte weiter
ausläßt.
Allein die Sache verhält sich in Wirklich-
keit doch ganz anders, als bisher vermuthet ist,
und jene Autoritäten sind im Irrthum bei jeder
ihrer Annahmen. Die folgende Darlegung wird
dies aufs Klarste ins Licht setzen.
Befänden wir uns auf dem Felde der reinen
Theorie, handelte es sich um eine reine ab-
strakte Beurtheilung der historisch-publicistischen
Frage :
»ist es vortheilhafter und weiser, zwei getrennte
»Fürstenthümer auch ferner getrennt zu hal-
»ten, oder sie durch ein Primogenitur-Gesetz
158
»zu eiuem einheitlichen starken Staat zu ver-
»einigeu,
so würde jeder Tadel für den Inhalt des Testa-
ments Georgs und dessen Verfasser , welche es
auch seyen , gerecht und an seiner Stelle seyn.
Allein die historischen Ereignisse fragen bei
ihrem Entwickelungsgange nicht immer nach
der Theorie ihres Optimismus. Jedes Ereigniß
ist wieder für ein anderes damit in Verbindung
stehendes eine einengende Nothwendigkeit und
Zwangsgränze für dessen Entwickelung. Darum
haben es selbst große, in den Gang der Ereig-
nisse eingreifende Männer niemals vollkommen
in der Gewalt, Alles so auszuführen, wie es seyn
sollte; sie haben nur Gewalt zu thun , was
unter jedesmaligen Umständen geschehen kann.
Daran scheinen Spittler so wenig wie v. d. Deken
gedacht zu haben. Sie irren darum gänzlich in
der Voraussetzung: Georg habe gänzlich
freie Hund gehabt, testamentarisch
die Vereinigung der Fürsten thümer
Calenbergund Lüneburg anzuordnen
oder aufzuheben; und daraus entspringt
dann wieder die ganze Reihe von irrthümlichen
Vermuthungen , die sie als Motive für seine
Handlungsweise zusammen gestellt haben.
Beide irren, wenn sie den Canzler Stucke als
Verfasser des Testaments und Hausgesetzes
angeben, während er nur der Niedesch rei-
bende der Anordnung Georgs war. Es ist je-
dem Juristen bekannt, daß der Coucipient bei
keinem andern Rechtsgeschäft so sehr nur Ma-
schine ist, wie grade bei einem Testament. Ein
Fürst berathet wohl mit seinem Beamten die
Anordnung derjenigen Bestimmungen, die er als
eignen Willen und eigne Verfügung seinen Er-
ben vorzuschreiben gedenkt; nie aber hat mau
159
gehört, daß ein Fnrst zu seinen Beamten gesagt
habe: »mach mir mein Testament nach deinen
»Belieben, wie du es für gut halst Ic Das Testa-
ment des Fürsten ist stets nur sein eigner Wille,
und so verhält es sich auch bei dem des
Herzogs Georg; es ist nicht eine staatsrecht-
liche Arbeit oder ein Stückchen Politik seines
Canzlers.
Spittler irrt ganz besonders, wenn er diesem
wegen ünkunde der Hausverträge den verderb-
lichen Inhalt des Testaments Schuld giebt, und
wenn er glaubt, dessen Inhalt sey erst 1641 am
Todtenbette Georgs von ihm ausgedacht. Die
Sache steht vielmehr grade umgekehrt. Es war
vielmehr , — und das sey hier schon vorläufig
nur augedeutet, — ein specieller und bindender
Vertrag da, welcher Georg nicht anders zu ver-
fügen erlaubte , als geschehen ist ; wir werden
diesen speciell weiter unten erläutern. Grade
weil der Canzler Stucke diesen sehr wohl kannte,
konnte er zu keiner andern Abfassung rathen,
als zu derjenigen, die eben durch jenen Vertrag
von 1636 als eingegangenen Verpflichtung vor-
geschrieben war.
Wenn ferner Spittler dem unklaren Inhalt
des Testaments den 1665 fast entstandenen
Bruderkrieg Schuld giebt, so kann dies nur mit
großer Einschränkung also ausgesprochen wer-
den. Dem Inhalte desselben nach, konnte eine
Streitigkeit darüber, wer in jenem Jahre des
Todes Christian Ludwigs von den Brüdern Ge-
org Wilhelm und Johann Friedrich, Celle, und
wer Calenberg erben solle , damals eigentlich
gar nicht Statt haben. Der Inhalt des Testa-
ments war für solchen Fall genug klar und
präcis. Wenn Jemand , — wie damals Johann
Friedrich , — die Macht und die Absicht hat.
160
ein Gesetz nicht zu halten, so ist dessen Inhalt
an sich, und wäre er auch noch so gut und
klar, niemals allein schon Garantie für dessen
Bestand, und in solchem Falle hätte auch Bru-
derkrieg bei jedem andern Hausgesetze entstehen
können.
Der Vorwurf, die Hausgesetze nicht zu ken-
nen, den Spittler dem Canzler Stucke macht,
fällt daher mehr auf ihn selbst zurück. ^) Dar-
um ist auch sein Urtheil über das Testament
Georgs mehr eine geistreiche Declamation, als
eine gründliche Erörterung der in Frage kom-
menden Thatsachen.
Die Vermuthungen v. d. Deken's bedürfen
gleichfalls keiner weitläuftigen Besprechung.
Wenn die Kritik bei Beurtheilung von Docu-
menten mit ihrer Wissenschaft am Ende ist, so
greift sie heutiges Tags leider nur zu gern zu
dem wohlfeilen und leichten, man kann wohl
sagen, leichtfertigen Mittel, ein solches für un-
ächt zu erklären , — bei allem äußern Schein
von Gelehrsamkeit und Scharfsinn meist nur
ein wahres testimonium paupertatis für den Er-
klärer selbst. Auch v. d. Deken hat solchen
Mißgriff nicht vermieden. Das Original des Te-
stamentes Georgs, wie es im Archive zu Hanno-
ver befindlich ist, zeigt dem Kenner auf den
ersten Blick, daß an ein unterschobenes Docu-
1) Darin soll kein Vorwurf des genialen Mannes
liegen. Keiner hat wohl so wie er gegen das Unwesen
der Zeit geeifert, der Geschichte ihre besten Quellen
in unnahbaren Archiven zu verschließen. Als man dies
auch bei ihm in Ausführung bringen wollte , als er
seine Hannoversche Geschichte schrieb, drohete er mit
seinem Abgang von Göttingen. Man beschwichtigte
ihn mit Wenigem ; die secreta domus blieben nach
wie vor hinter undurchdringlichem Vorhang verborgen.
161
ment nicht zu denken ist. Schon der oben an-
geführte Umstand, daß die Gleichzeitigen daran
selbst nichts Aufialliges fanden, daß sein Inhalt,
als sich von selbst verstehend weil nicht anders
erwartet, sofort buchstäblich in Ausführung ge-
bracht wurde, ist vollkommen Garantie dafür,
daß kein Gleichzeitiger auch nur die Idee eines
falschen oder unterschobenen Documentes gehabt
habe. Und diesem hätte doch eine solche An-
nahme näher gelegen, als uns heutiges Tages.
Vorliebe der Mutter für einen zweiten Sohn,
oder Vorliebe Georgs für eine zum zweitenmale
gegründete Stadt — über letzten Punkt noch
Näheres später, — und neugegründetes Herzog-
thum, sind keine Motive für den Inhalt der
letztwilligen Verfügung Georgs.
Endlich kann auch aus dem Umstand, daß
sein Sohn Christiau Ludwig sofort den Canzler
Stuke aus seinem Dienst entließ, keine Folge
für den Inhalt des Testaments gezogen werden.
Es ist nicht nur etwas Gewöhnliches, sondern
sogar Regel in der Geschichte, daß junge Regeu-
ten die alten Räthe ihrer Väter nicht gern ha-
ben. Daß Christian Ludwig dagegen Unzufrie-
denheit mit dem Testamente geäußert habe, da-
von ist nichts bekannt.
Daß dessen Inhalt grade so geworden ist
wie er am 20. März 1641 niedergeschrieben ist,
damit hat es vielmehr folgende Bewanduiß :
Es ist bereits erwähnt, daß bei Theilung
der Braunschweigschen Erbschaft 1635 mit an-
dern Stücken auch das Fürstenthum Calenberg
an die Lüneburgische Hauptlinie fiel. Von
dieser lebten zur Zeit noch 3 Brüder, August d.
Aelt. , Friedrich und Georg, welche eigentlich
nach dem Hausgesetze von 1592 und 1611 erst
nacheinander zur Regierung über diese zu
U
162
vereinigenden Provinzen hätten kommen sollen.
Denn eben die feste Vereinigung aller spätem
Erwerbungen mit Lüneburg, war in jenen Ver-
trägen, wie auch schon oben bemerkt, ausge-
sprochen.
Georg also, als er jetzt schon selbstständiger
Herr des Fürstenthums Calenberg werden sollte,
war dies nicht von Gottes Gnaden , d. h. nicht
dem Blute nach als gesetzmäßiger nächster Er-
be, und auch nicht vermöge älterer Successions-
Ordnung, sondern allein durch die Gnade seiner
altern Brüder, durch vertragsmäßige Renunciation
derselben nach freiwilliger Uebereiukunft.
Die Successionsordnung aber war bisher ge-
setzlich festgestellt, und mit Beihülfe der Stände
geordnet. Diese hatten also bei dem willkürli-
chen Vertrage der Brüder, der den alten Bestim-
mungen entgegen war, ein Wort mitzureden,
und wir werden sehen, daß sie nicht verfehlten,
solches zu thun.
Dies Alles wußte Georg sehr wohl. Die ihm
jetzt gezeigte Stellung eines selbstständigen Für-
sten , war ihm aber zu erwünscht , um endlich
selbstständig handeln und eine demgemäße Po-
litik verfolgen zu können. Er war also ent-
schlossen , das ihm von seinen Brüdern angebo-
tene Fürstenthum anzunehmen, selbst bei eini-
gen andern Zugeständnissen und Einschränkun-
gen. Aber er kannte nicht weniger alle Hin-
dernisse und Schwierigkeiten, die ihm dabei von
verschiedenen Seiten bereitet werden konnten.
Diese nun durch politische Transaktion mög-
lichst zu beseitigen, war sein fester Entschluß.
Mit Gewalt wäre den damaligen Umständen nach,
nicht viel auszurichten gewesen.
Er grifi daher nicht sogleich unbedingt zu.
Zuerst legte er seinen eignen Käthen die Frage
163
vor: ob es unter den augenblicklichen Umstän-
den vortheilhaft und gerathen sey, die Regierung
über Calenberg anzutreten. Diese statteten dann
am 15. Januar 1636 ihren Bericht ab ^). Sie
meinten obwohl bei dieser Regierung nicht viel
herauskommen würde, weil das Fürsten-
thum Calenberg gänzlich ruinirt sey,
die meisten Domänen verpfändet, und die nicht
verpfändeten nicht zur Erhebung zu bringen
seyeu, so daß Herzog Georg bei seiner Apanage
sich eben so gut stehe, wie bei dem Fürsten-
thum: so rathen sie doch zur Annahme, weil es
ihn mit in die Reihe selbstständiger Fürsten
bringe, und ihn bei allen Beschlüssen zu direk-
tem Einfluß verhülfe, auch ihn nicht wie bisher
abhängig in seinen Plänen von den Ansichten
Anderer mache. Auch würde sich bei einem
Frieden Manches zur Abhülfe des verwüsteten
Landes thun lassen. Nur legten sie ihm Eins
dabei dringend an 's Herz: >Dazu befinden
»wir nun höchst nöthig und dienlich
»zu sey n, daß E. F. G. wo immer mög-
»lich außerhalb Communion mit Ihres
»Herrn Bruders F. G. bleiben mögen.
»Denn sollte es nicht auf diese Weise
»bestehen, und J. F. G. wolten bei Ih-
»rem ersten modo bleiben^), so wird
»d och die Landes fürstliche Hohe Obrig-
»keit, so E.F. G. Herr Bruder über alle
»E. F. G. Diener, welche sich dorthin
»mit dem Huldigungseide verwandt
»machen müssen, behalten wird, ein
»solches Zankeisen seyn und verblei-
»ben, daß gewiß nimmer Einigkeit un-
1) Docnment im Königl. Archiv, Calenberg I Nr. 86.
2) d. h. bei den bisherigen Successions-Traktaten,
14*
164
»ter den Fürstlichen Gemüthern wird
»erhalten werden können.«
Und die Räthe hatten Recht. Blieb es bei
dem Vertrage von 1611 , wonach alle spätem
Erwerbungen mit Lüneburg vereinigt werden
sollten, so blieb Georg, wenn er auch Regie-
render in Calenberg wurde, nichts als Gouver-
neur seines in Lüneburg regierenden altern
Bruders und war in Nichts selbstständiger als
zuvor. Nur strenge Trennung Lüneburgs und
Calenbergs machte ihn zum selbstständigen
Fürsten.
Mittlerweile hatten aber schon die Lünebur-
gischen Räthe, nach zuvoriger Besj)rechuug mit
den Ständen , ihrem Herrn , damals August d.
Aelt, den Rath gegeben, das neu erworbene Ca-
lenberg streng getrennt von Lüneburg zu hal-
ten. Der Grund war folgender:
Bei aller Noth war der Finanzzustand in
Lüneburg doch noch besser wie in Braunschweig
gewesen, wo so gut wie Staatsbanquerott aus-
gebrochen war. Nun fürchteten die Lüneburg-
schen Stände, bei inniger Vereinigung Calen-
bergs, mit zur Bezahlung dessen Schulden bei-
tragen zu müssen. Dieses finanziellen Grundes
wegen verlangten sie Trennung.
Noch wichtiger und entscheidender ward aber
das, was die Stände des Landes, die Calenberg-
scheu, thaten, in welches Georg eingesetzt wer-
den sollte. Diese standen weit gebietender ge-
gen ihren Herrn , als die Lüneburgschen. Es
ist bekannt, daß in den Weifischen Landen die
innere Landeshoheit den Ständen gegenüber tief
gesunken war. Seit der Reformntion war es
etwas anders geworden, namentlich hatten Her-
zog Julius und Heinrich Julius deren Uebermuth
Vielfach gebrochen, aber unter Friedrich Ulrich
165
war Alles wieder verloren. Bei der Banquerott-
"Wirthschaft dieses schwachen Fürsten und den
schweren Zeiten des 30jähr. Krieges, hatten es
seine Stände dahin gebracht, daß der Landesherr
ausschließlich nur aus ihrem Corpus seine Räthe
wählen durfte, welche dann die ganze Regierung
nur zum Yortheil ihrer Collegen und deren Ver-
wandtschaften einrichteten. Keine adliche Fa-
milie, keine Gemeinde war damals in den Braun-
schweigschen Landen, welche nicht gegen in der
Noth hergeliehenes geringes Geld Stücke von
Krongut und Domainen als Pfandschaft in Hän-
den gegen Brief und Siegel gehabt hätte. Noch
schlimmer war es, wenn den Ständen als Vergü-
tung für andere unbedeutende Zugeständnisse
geradezu Regalien und Rechte der Krone als
Privilegia überlassen werden mußten. Friedrich
Ulrich hatte in den letzten Jahren seiner Re-
gierung aus den reichen Provinzen Braunschweig,
V^olfenbüttel, Calenberg, Göttingen und Hildes-
heim nur noch 90.000 Thaler Einnahme , und
diese auch nur auf dem Papiere ; zur wirklichen
Erhebung kam kaum die Hälfte ! Zu allen die-
sen hatten die Stände noch das Privileg ge-
wonnen , nicht eher huldigen zu brauchen , bis
der neue Landesherr zuvor alle ihre Rechte und
Privilegia eidlich anerkannt hatte . gleichbedeu-
tend mit der Erklärung, für die Zukunft ihnen
gegenüber soviel wie Nichts zu seyn. So konnte
denn auch der Uebermnth der Braunschweig-
schen Stände soweit gehen, 1635 bei Theilung
der Erbschaft Friedrichs Ulrichs — Calenberg
gehörte ja mit dazu, — bei anfänglicher Unei-
nigkeit der Fürsten in dieser Angelegenheit das
Recht der letzten und höchsten Entscheidung in
Anspruch zu nehmen !
Sofort traten nun die Calenbergschen Stände
166
auf, und verlangten heftig die Fortdauer des
alten Zustandes und die beständige Trennung
von Lüneburg ; dabei leitete sie weniger der
Geist der Zeit, der allerdings schon Vereinigun-
gen nicht günstig war, als vielmehr eignes In-
teresse. Sie fürchteten nämlich bei einer Ver-
einigung mit dem größeren, besser verwalteten
Lüneburg Alles für ihre Privilegien und Pfand-
schaften , namentlich die Ritterschaft. Denn
unter Einem Herzog von Lüneburg, der zu
der seinigen viel gebietender stand, konnte durch
Einlösung , oder auch durch gewaltsame Aus-
führung des Rechtssatzes : daß ein Regent nicht
ohne Genehmigung aller Agnaten Stücke des
Hausvermögens veräußern dürfe, vieles wieder
an die Krone zurückgebracht werden.
Schon während der Verhandlungen über die
Theilung der Lande Friedrich Ulrichs wandten
sich daher die Calenberg'schen Stände zu wie-
derholten Malen, — das Königliche Archiv be-
wahrt alle diese Aktenstücke , — an August d.
Aelt. von Lüneburg mit der Bitte : ihnen für
den Fall, daß Calenberg an ihn fiele, die Ver-
sicherung zu geben , ihre Privilegien , Briefe,
Freiheiten, Gerechtigkeiten und Reversale in
althergebrachter Weise zu bestätigen, nicht
minder alle Pfandschaften im Lande anzuer-
kennen, und diejenigen, welche in gutem Glau-
ben der Regierung Geld geliehen, nicht arm zu
machen !
Mittlerweile erfolgte auch am 27. Januar
1636 der Vertragt), durch welchen August d.
Aelt. seinem Bruder Georg, Calenberg, als ein
von Lüneburg gesondertes, selbstständiges Für-
stenthum übergiebt, und in einer zweiten ange-
1) Calenberg. Archiv. I, Nr. 88.
167
hängten Urkunde Stände, Rathe nud Beamte
nach Entlassung aller andern Pflichten nur die-
sem neuen Herrn zuweis't. Ja, August interce-
dirte bei diesem schon am 9. Februar dahin, den
Calenberg'scheu Ständen ihre Rechte und Privi-
legia zu bestätigen.
Somit war allerdings im Januar 1636 , den
damaligen Interessen aller Partheien gemäß, die
vollständige staatliche Trennung Calenbergs von
Lüneburg fest{:;estellt. Allein die augenblickli-
chen Verhältnisse waren nicht die dauernden,
und mit derer Veränderung änderten sich auch
die Parthei-Interessen. Wie nämlich sollte es
werden, wenn die altern in Lüneburg herrschen-
den Brüder Georgs gestorben waren? Die Ver-
einigung Calenbergs und Lüneburgs in der Hand
Georgs fand dann von selbst Statt, und er war
nicht der Mann danach, sich die Vortheile einer
solchen Stellung nehmen zu lassen. Damit trat
dann aber für die Stände beider Provinzen das
ein, was sie gefürchtet und eben zu vermeiden
gesucht hatten. Den größten Nachtheil hatten
die Calenbergschen Stände, darum setzten sie
Alles daran , die ihnen aber gewonnene von
Lüneburg getrennte Stellung zu einer dauern-
den zu machen auch für den Fall, daß beide
Provinzen in der Einen Hand Georgs vereinigt
würden.
Die Gelegenheit dazn bot sich nur zu bald
dar. Nach Erledigung der obigen vorbereiten-
den Verhandlungen verlangte nämlich Georg
nunmehr die Huldigung seiner neuen Unt^r-
thaneu, und zwar zunächst die der Stände. Al-
in diese verweigerten solche geradezu, indem
^:e mit ihrem Privileg kamen , nicht eher hul-
digen zu brauchen, bis Georg alle ihre Rechte,
Privilegien, Pfaudschaften u. s. w. zuvor anerkannt
168
habe Dies in solcli' zu weit gehenden Umfang
zu thun, verweigerte Georg, ließ vielmehr sogar
von neuen Forderungen, welche die Zeit nothig
machte, noch etwas fallen. Die Stände knüpften
wieder die Bereitwilligkeit dazu an obige For-
deruncy. Georg drohete mit Gewalt, wies na-
mentlTch auf die Zukunft hin , wo ihm Lüne-
burg auch zufalle. Die Stände wieder, wenn
sie auch schon die Absicht hatten , es nicht
zum Äußersten kommen zulassen, schienen doch
an ihren Forderungen fest zu halten. Was
wollte Georg machen? Die Zeit drängte; eine
Stellung mußte und wollte er haben, um nicht
noch Größeres zu verlieren. Nun^ ging es im
Monat Februar 1636 an ein Tractiren hinüber
und herüber 1), bis man sich am 18. vereinigte,
und darüber einen gegenseitigen Revers aus-
stellte, der die Form des Huldigungs-Eides und
die der künftigen Succession bestimmte. Hier
wird mit klaren Worten den Ständen das Recht
1) Von den Schwierigkeiten die man von allen
Seiten Georg bei Antritt seiner Regierung machte
nur Ein Beispiel. Consul und Proconsules der Stadt
Hannover- setzten Himmel und Erde iii.Be^.ßg"°f .' Z;!!'
org zu veranlassen, seinen Regierungssitz nicht hieher,
sondern in eine andere Stadt zu verlegen. Sie fürch-
teten natürlich für ihr Ansehn und ihre alte Unum-
schränktheit bei Anwesenheit fes Landesherrn. Auch
hierüber ward hin und her capitulirt. Endlich kam es
zu einem förmlichen Vergleich , dem s. g. Residenz-
Tractat. (Vaterl. Archiv, v. 1842) Georg mußte Auf-
rechthaltung, ja sogar Mehrung aller alten Rechte und
Freiheiten versprechen. Dafür überließ ihm die Stadt
ein altes leerstehendes bisher als Kornmagazin benutz-
tes Kloster zum Residenz-Schlosse, ein paar andere alte
Häuser um Canzley und Consistorium, so wie sein per-
sönliches Gefolge unterzubringen. Die wichtigste Be-
hörde, das Hofgericht, mußte vorerst noch in Hxldes-
heim bleiben, weil kein Platz dafür war!
169
gegeben, stet« nur Einem Herrn, d. h. von
Calenberg, und nicht von Calenberg und Lü-
neburg huldigen zu brauchen, sowohl jetzt
als später; nur behält sich Georg das Recht
vor, wenn ihm später Lüneburg anfallen sollte,
alsdann willkürlich zu bestimmen, welchem sei-
ner Söhne die Regierung in Lüneburg, und wel-
chem die in Calenberg anfallen solle. Dies
Document lautet wörtlich :
Herzog Georgs und der Calenbergi-
schen Landschaft Revers wegen des
Huldiguugs-Eides und der Succession
dd. 18. Februar 16 3 6.
»Zu wissen, als bei denen nach tödtlichen
»Hintritt des Weilandt Hochgebornen Fürsten
»Herrn Friedrichen Ulrichen Herzogen zu Braun-
»schweig und Lüneburg etc. Unsers Freuudlichen
»Vettern Christmilden Angedenkens, dessen Lieb-
»den hinterlassene Fürstenthumbe , Grafschaften
»und Lande halber über Fünf Viertel Jahr zwi-
»schen Uns V. Gottes Gnaden, Georgen Herzog
»zu Braunschweig und Lüneburg etc. und Un-
»sern Freundlichen Lieben Brüdern , auch Vet-
»tern Harburgischer und Dannebergischer Linie
»vorgaugenen mühsamen Successions-Traktaten;
»Wir beneben Hochgedachten Unsern Freundli-
schen Lieben Brüdern das Fürstenthura Braun-
»schweig Calenbergischen teilß freiwillig accep-
»tiret, Wir, Herzog Georg auch auf die, zwi-
»schen selbigen UusJern Freundlichen Lieben
»Brüdern und Uns fürters gepflogene Unter-
»haudluug, die Regierung selbiges Fürstenthumbs
»ohnlängst im Namen des Allerhöchsten ange-
»treten , und heut , unter gesetzten Dato zur
»Einnahmung der Huldigung Unserer getrewen
»Landschaft aller dreyer Stände , der Prälaten
»Ritterschaft und Städte geschritten, dabei des
170
^>Huldiguiigs-Aycls halber, und wie derselbige,
»Insonderheit Derer bei Unsern Fürstlichen
»Hauß nach Gottes Willen ferner erfolgenden
»Todesfall halber in künftig Streit und Wider-
»willen zu verhüten, zum Füglichsten eingerich-
»tet werden möchte, allerhand Nachdenken er-
»gangen; Also daß für uöthig erachtet, daraus
»mit gedachter Unserer getrewen Landschaft
»gnedige Communikation vorgehen zu lassen;
»Daß Wir zwarten dabei gewilliget, daß die
»Regierung gemeltes Fürstenthumbs Calenbergs
»hinfüro zu ewigen Zeiten bei einem einigen
»Herrn stehen und verpleiben , Sie die Land-
»schaft auch keinem mehr denn Einem Herrn
»allein jedesmal die Erbhuldigung zu thun und
»zu leisten schuldig seyn denn der Eid vor dies-
»mal; Jedoch mit Vorbehalt daß Wir dadurch
»Unsers Freundlichen Lieben Vettern Herzogen
»August d. E. Vorgeben, als wenn das Jus pri-
»mogeniturae bei diesem Fürstenthumb Uns und
»Unser Haus verbindlich hergebracht, im ge-
»ringsten nichts deferiren wollen noch könnten ;
»nach Unserm Absterben auf Unsern Eltisten
»Sohn und Sohnes Sohn angerichtet würde; Uns
»aber dabei Reserviret, Vielbemelte Unsere ge-
»trewe Landschaft auch sich dahin gegen Uns
»und Unsere Freundliche Liebe Söhne zum kref-
»tigsten verreserviret , Verreversiren Uns auch
»respective hierait und in Krafft dieses besten-
»diglich, daß dadurch Uns, Herzog Georgen, gar
»nicht benohmen seyn, sondern in alle Wege
»frey und bevor stehen sollte, wer unter den
»beiden e It isten, Unsern Freundlichen
»Lieben Söhnen uf den Fall, wann et-
»wa die übrigen Fü rstenthumb e und
»Lande, Zelle und Grubenhagen, Uns
»oder Ihnen über kurz oder lang er-
171
»öfnet werden sollten, ein jegliches
»Fürstenthü m b anzutreten berechtigt
>3eyn, und wie es mit den andern, Unsern
»freundlichen lieben Söhnen uf üusern Todes-
»fall, welcher in des Allmechtigen Händen ste-
»het , gehalten werden solle , mit Einrathunge
»Ihrer, der Landschaft, eine gewisse Anordnung
»zu machen ; oder auch Unsern Söhnen, im Fall
»Wir vor solcher Disposition durch den zeitli-
»chen todt nach Gottes Willen übereilet wür-
»den, nicht desto weniger vergönnt und zuge-
>lassen seyn solle, sich der Regierung
»halber, und daß davon eine zu Zelle,
>und die andere im obbesagtem Für-
>8tenthumb Calenberg, auch keine
»mehr angestellet werden, uf Landt und
»Leute ersprießliche Maße zu vergleichen , und
»somit den Huldiguugs-Aydt der Erfordemng
»nach zu ändern.
»Wir Von Gottes Gnaden Georg, Herzog
»von B. u. L., und wir untenbenannte , jetziger
»Zeit zum Ausschuß der löblichen Landschaft
»Verordnete haben dies mit eigenen Händen unter-
»schrieben und mit unsern Fürstlichen und ge-
»wöhnlichen Signeten wißentlichen betrucken
»lassen und respective selbsten betrucket.
Geschehen Hannover am 18. Febrnarii 1636.
L. S. Georg H. z. B. u. Lüneburgk.
L. S. Thomas, Abt des Stifts Locum.
L. S. Mathias Abt zu Bursfelde.
L. S. Jobst V. Reden.
L. S. Levin Hacke.
L. S. Casper v. Uten.
L. S. Christoph Hüpeden wegen Münden.
L, S. Christian Parsey wegen Münder.
Es liegt klar vor Augen , daß mit dem In-
halt dieses Documents vom Jahre 1636 schon
172
der Inhalt des 5 Jahre späteren Testaments in
seinen Haupttheilen wörtlich vorgeschrieben ist.
Das letztere war also nur die Erfüllung einer
gegen die Stände seines Landes eingegangenen
Verbindlichkeit, deren sich Fürst und Canzler
wohl erinnerten , und deren sie sich nicht ein-
seitig entziehen konnten, weder im Leben, noch
in der Todesstunde für die Zukunft.
Dieses überaus wichtige Document wird hier
zum erstenmale in seiner Vollständigkeit mitge-
theilt. Man hat es bisher als tiefstes Familien-
geheimniß im Dunkel der Archive verborgen
gehalten, und sich sorgfältig gehütet, es zur
Bekanntschaft zu bringen. Dies geschah na-
mentlich seit 1680 , wo Kurfürst Ernst August
für seine Succession, die sich nach Renunciation
seines Bruders Georg Wilhelm auf die zu verei-
nigenden Provinzen Calenberg und Celle bezog,
Primogenitur einführen wollte. Bekanntlich fand
er hierfür in der eignen Familie den heftigsten
Widerspruch. Dieser ging von den nachgebor-
nen Söhnen aus, auf deren Seite sich die Mutter
derselben, Kurfürstin Sophie, die eigne Gemahlin
Ernst August's stellte. Hätten diese Gegner ein
Document gekannt, worin der Großvater dem
Lande und deren Ständen gegenüber die Pri-
mogenitur verläugnet, und die Trennung der
Provinzen als ein von Seiten der Unterthauen
zu verlaugendes Recht anerkannt: sie würden
noch ganz anders gegen den Vater aufgetreten
seyen !
Die Geschicke der Völker und Länder er-
füllen sich oft auf wunderliche Weise! Was die
aufopfernde Großniüthigkeit von sechs Brüdern,
ihrem siebenten gegenüber ; was die Klugheit
und Energie dieses Letzteren nicht zu Stande
bringen konnten : »Vereinigung der Walfischen
173
Lande zu einem starken einheitlichen Staat«,
das fügte bald nachher der Zufall, oder um ge-
nauer zu reden, ein kleiner Fehltritt auf dem
Felde der Liebe von Seiten eines Weifischen
Fürsten, leicht und einfach zusammen!
(IniTersitat.
Beneke-Stiftung.
Am n. März d. J., dem Geburtstag des Be-
gründers der Beuekeschen Preisstiftung, ist der
Vorschrift des Statutes gemäß in öffentlicher
Sitzung der philosophischen Facultät das Ergeb-
uiß der Preisbearbeitungen für das Jahr 1877
verkündet :
Es war im Jahre 1874 folgende Aufgabe ge-
stellt : »die Facultät wünscht eine Darstellung
der Versuche, die vom Alterthum ab zu einer
Philosophie der Geschichte gemacht sind , die-
jenigen jedenfalls eingeschlossen, um welche sich
gegenwärtig der Streit der Meinungen bewegt.
Dem Bearbeiter überläßt sie, insoweit es ihm
möglich ist, religiöse Anschauungen verschiedener
Völker und Zeiten, Ueberzeugungen hervorragen-
der Historiker und andere unentwickelte Elemente
Ton Ansichten, die sich in Poesie und Wissen-
schaften finden, kurz und fruchtbar zu verwer-
then. Vollständigkeit verlangt sie in Bezug auf
Lehren, die als formulirte Theorien hervorge-
treten sind, und zwar mit Rücksicht auf die
Zeitumstände, unter denen sie entstanden, und
mit einer Auseinandersetzung darüber, inwieweit
und in welchem Sinne die geschichtlichen, geo-
graphischen, statistischen, linguistischen und
174
naturwissenscliaftliclieii Data, auf welche sie
sieh beriefen, an dem jetzigen Zustand dieser
Wissenschaften gemessen, zur Aufstellung ge-
schichtsphilosophischer Gesetze berechtigen.«
Es sind drei Bearbeitungen des gestellten
Themas eingegangen, über welche das ürtheil
der Facultät dahin lautet: ,, ,.- ^ i x
Die Arbeit mit dem Motto: Multi labuntur
errore propter ignorantiam historiae . ._ • • hi-
storia vim legis habet. S. Hieronymus, ist kurz.
Diese Kürze könnte aufgewogen sein durch J"rag-
nanz der Darstellung oder durch eigenthumlicbe
Auffassung des Materials. Beides ist nicht der
Fall Es wird geboten ein flüchtiger üeberblick
über die Geschichtsauffassung Herodots, ihucy-
dides, Xenophons, Polybius; dazu treten einige
Bemerkungen über die griechischen iragiker.
Nach den Griechen folgen ebenso kurze Bemer-
kungen über die römischen Geschichtsschreiber
(Cornelius Nepos, Sallust, Livius, lacitus, Florus)
und über einige römische Dichter (Horaz, Ovid),
als aus der Zeit der römisch-hellenischen Welt-
literatur wird hingewiesen auf Plutarch Luciau
Cassius Dio. Ein Abschnitt über die Zeit der
theologischen Weltanschauung behandelt sodann
mit wenigen Worten Eusebius, Orosius und uach
einigen allgemeinen Bemerkungen über den Cha-
rakter der Zwischenzeit Otto y- Freisingen, bei
welchem gelegentlich Augustinus Gottesstaat min-
destens e?wähnt wird; der Abschnitt schließ
wieder mit allgemeinen Bemerkungen über den
Ausgang des Mittelalters. Im zweiten Theil dei
Schrift, »der Zeit der philosophischen Lehren
über die Geschichte« wird zunächst Bossuet aus-
führlicher charakterisirt, dann werden behandelt
"Vico Herder, Kant, Condorcet, Volney, Hegel,
Fr Schlegel, Goerres, Guizot, Buckle, Bunseu,
175
Bastian, Lotze, Laurent, aus der neusten Zeit
endlich Doergeus, Marselli, Laveleye, Freihold.
Schon dieser nackte Ueberblick läßt in die Augen
springen, wie manches kaum zur Sache Erfor-
derliche erwähnt wird und wie vieles durchaus
Erforderliche weggeblieben ist. Der Verfasser
hat sich zwar den Grundsatz gebildet, nur die-
jenigen Schriften herbeizuziehen, welche die ge-
schichtsphilosophische Richtung ganz und gar
und nicht blos nebenbei hielten, allein wie un-
zulässig dieser Canon ist, erhellt schon daraus,
daß darnach Turgot, Fichte, Schelling, A. Comte
und viele andere ausgefallen sind. Aber auch
abgesehen von den Lücken, welche so entstan-
den, hat der Verfasser nicht wenige direct ge-
schichtsphilosophische Arbeiten nicht behandelt.
Die Besprechung der aufgenommenen selber ist
ungleich, zum Theil eingehend, gelegentlich aber
auch so , daß nicht einmal der Grundgedanke
erwähnt wird, wie dies bei Condorcet unterlassen
ist. Aus diesem Grunde hat die Facultät die
Arbeit mit dem obigen Motto nicht als geeignet
zur Ertheilung eines Preises ansehen können.
Die Arbeit mit dem Motto : ßusticus expectat
dum defluat amnis, Hör., läßt besonders in der
neueren Zeit an Vollständigkeit kaum etwas zu
wünschen übrig; die Darstellung ist leicht und
augenehm, mit einer oft glücklichen Neigung zu
prägnantem und pointirtem Ausdruck ; die ße-
urtheiluug ist meist kurz und mehr gelegentlich
in die Darstellung zwischengeschoben , nur im
Schlußabschnitt wird sie ausführlicher; aber sie
verräth Bekanntschaft mit den gewünschten kri-
tischen Gesichtspunkten. Auffallende Fehler in
der historischen Exposition sind selten (aufiFallend
sind sie bei Clemens Alexandrinus , bei Bossuet
üud bei der Uebersetzung des Titels von Adam
1^6
Smith Hauptwerk): dagegen maelit sjeWben
^^ oft blos angedeuteten Kritik vielfacli tuhl-
t etwasScliwe'bendes, Unbestimmtes - ^^^^
Darstellung von Ansichten, we ehe der Bedeutung
therwe't tÄ gegebene. B-prechu.^
Tine kkre und unzweideutige Einsicht ihres In-
Herrn Rocholl, rastor au
^'kI Xitte der eingegangenen Arbeiten führt
nH«t:Lrse"arr fn-dÄn
Teh^ih ibr tust- Naturgesetze geUen die lua
Wesen der Sache liegen, und de^/"/'.^ «f*^";
-r^«t^f*rrh«s•M:chrn,itä:r
i„ 'h»7,^>;'';^*„;nd gütigen Schönheit offen-
unwandelbai weisen u „ 6 Bemühen
philosophischen Versuchyus s^^™^^^^^
gP""" rC verfolgf gescbichtsphilosophi^ehe
Sage "^»^'^ V"„°'|„| Historikern, überdies
Itigtsie^sict^Besit. der Mittel zur Kritik,
177
auf welche die Facultät hingewiesen, und übt
diese Kritik ; sie ist dabei erfüllt von dem Stre-
ben nach einer Gescbichtsphilosophie selber,
ohne daß doch in der Darstellung der bisheri-
gen Versuche der historischen Objectivität das
Mindeste vergeben würde. Ganz besonders end-
lich ist hervorzuheben das Talent des Verfassers
die Hauptgedanken der betreffenden Schriften
so zu reproduciren, daß man einen genauen und
lebendigen Einblick in Inhalt und Gründe der
Lehren bekommt. Diesen Vorzügen stehen ge-
genüber Mängel , welche der Verf. theilweise
selbst empfunden hat und für deren Entschul-
digung er auf die Kürze der Zeit und auf den
Umstand hinweist, daß er sich in seiner persön-
lichen Lage manche Werke nicht habe ver-
schaffen können. Und so fehlen denn allerdings
Namen wie Targot und Condorcet, wie der Verf.
selbst angiebt (man könnte A. Comte hinzufü-
gen, von dessen näheren gesehichtsphilosophi-
scheu Lehren man aus der gegebeneu Darstel-
lung durchaus kein Bild bekommt), es fehlen
aber auch aus neuerer Zeit z. B. Laurent und
C. Hermann, während wieder aus den allerletzten
Jahren Schriften erwähnt und besprochen wer-
den. Das Gegebene selbst leidet dabei an Un-
gleichheit der Behandlung und der literarischen
Kenntnisse; während z. B. die Darstellung über
die persische Mythologie in kurzen Umrissen
den älteren Forschungen folgt, verläuft die Be-
handlung der griechischen Mythologie zwar nach
den neueren Arbeiten, aber mit überreicher Aus-
führlichkeit, und ist überhaupt die Hereinziehung
der griechischen und römischen Literatur weit
über das Maß ausgedehnt. Die späteren Partien
haben nicht selten etwas Springendes, in der
Aufeinanderfolge der einzelnen Schriftsteller
15
178
Unvermitteltes, so wird z. B. von Dante auf
Angelus Silesius gesprungen und von da zurück
auf Melanchthon ; indeß bleibt in solchen Fällen
die Annahme möglich, ja drängt sich fast un-
weigerlich auf, daß bei dem , wie es scheint,
eilig gewordenen Zusammenheften der einzelnen
Bogen der überaus umfangreichen Arbeit man-
ches gegen die Absicht zusammengerathen ist.
Diese Mängel sind zum Theil so, daß die Facul-
tät darüber wegsehen könnte, zum Theil jedoch
so erheblich, daß der erste Preis der Arbeit nicht
gegeben werden konnte, dagegen würde die Fa-
cultät um der nicht wenigen Vorzüge der Arbeit
willen es für durchaus zulässig erachtet haben
derselben gleichfalls einen zweiten Preis zu er-
theilen, falls ihr die Mittel zu Gebote gestanden
hätten. Die Facultät fügt diesem Urtheil die
Erklärung hinzu, daß es ihr zur großen Freude
gereichen würde, wenn der Verfasser der Arbeit
sie ermächtigen wollte, den dieser beiliegenden
Zettel zu eröffnen und seinen Namen bekannt
zu machen.
Die philosophische Facultät
Dr. Wilhelm Müller d. z. Decan.
Königliehe Gesellschaft der Wissenschaften.
Trennung des Arsens von Nickel und
Kobalt.
Unter den Methoden, Arsen von Nickel und
Kobalt zu scheiden, ist auch die folgende zu
empfehlen, die den Vorzug hat, daß man dabei
die lästige Behandlung mit Schwefelwasserstoff
umgeht.
179
Man löst das Erz, Kupfernickel, Kobaltspeise,
Speiskobalt, in Salzsäure unter Zusatz von Sal-
petersäure auf, dampft, wenn nöthig, die meiste
überschüssige Säure ab , und fällt die Lösung
siedendheiß mit kohlensaurem Natron. Nach
dem Auswasehen des aus Arseninaten bestehenden
Niederschlags wird derselbe mit einem Ueber-
schuß einer conceatrirten Lösung von Oxalsäure
Übergossen, wodurch er in die Oxalate von Nickel
und Kobalt verwandelt und alle Arsensäure ab-
geschieden und das Eisenoxyd zugleich in der
überschüssigen Säure gelöst wird. Nach dem
vollkommenen Auswaschen und Trocknen kann
er in einem verschlossenen Tiegel geglüht und
dadurch ein Gemenge der beiden Metalle in
Schwammform erhalten werden , das man zur
Trennung nach einem der bekannten Verfahren
in concentrirter Salzsäure auflöst. Oder man
löst das Gemenge der Oxalate, nach dem Ver-
fahren von Lau gier, noch naß in concen-
trirtem Ammoniak auf.
Sollte das Erz Kupfer enthalten, so könnte
man aus seiner Lösung, vor der Fällung mit
Alkali, das Kupfer durch hineingelegtes, fein
vertheiltes, durch WasserstofiFgas reducirtes Eisen
ausfällen, worauf freilich das aufgelöste Eisen
nachher höher oxydirt werden müßte.
W.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
B. von Cotta, Geologisches Repertorium. Leipzie
1877. ^
Dimitz, Geschichte Krains. Bd. I. 1875. Bd II
1876. Laibach. ' '
180
Memoires de l'Acad. des sciences etc. de Lyon. Classe
de sciences. T. 21. 1875—76.
Annales de la Societe Linneenne de Lyon. T. 22.
Annee 1875.
Annales de la Societe d'Agriculture etc. de Lyon. T.
7. 1874.
Von der k. k. Akademie der Wiss. in Wien:
Denkschriften , philos.- histor. Classe. Bd. 24, 25.
1876. 4.
— , mathem.-naturwiss. CL Bd. 36. 1876. 4.
Sitzungsberichte, philos.-histor. Cl. LXXX. 1875. 4.
Dieselben, LXXXI, 1—3. 1876. — LXXXIL 1-2.
1876.
Dieselben 1. Abtheil. LXXIL 1-5. 1875.
Dieselben, mathem.-naturwiss, Cl. 2. Abtheil. LXXIL
1-5. 1875.
Dieselben, LXXIIL 1-3. 1876.
Dieselben 3. Abtheil. LXXL 3-5. — LXXIL 1-5.
1875.
Almanach der K. Akademie. 26. Jahrg. 1876.
Archiv der österreichischen Geschichte. Bd. 54. 1.
1876.
Fontes rerum Austriacarum. 2. Abtheil. Bd. XXXVIIL
1876.
Knoblauch, über Reflexion der Wärmestrahlen , 2
Separat- Abdrücke.
Wüstenfeld, el-Bekri's geograph. Wörterbuch. Bd.
II. Th. 2. 1876.
Flora Batava, Liefer. 234-236. Leyden. 4.
Februar 1877.
Nature 379-383.
The fourth annual Report of the board of directors of
the zoological Society of Philadelphia. 1876.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd.
7. 1875. H. 1.
Borchardt, das arithmet. geometr. Mittel aus vier
Elementen 1876.
Leopoldina XIII. No. 1-2. 1877.
(Fortsetzung folgt.)
i
181
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
4. April. M. 9. 1877.
Königliche Geseilschaft der T^issenschafteo.
Ueber das elektrische Leitungsvermö-
gen wässriger Lösungen insbesondere
von den Salzen der Alkalien und alka-
lischen Erden, den Aetz- Alkalien so-
wie einigen Säuren.
Von
F. Kolilraiisch ,
correspondirendem Mitgliede.
Ich erlaube mir, eine Fortsetzung meiner
früheren Mittheilungen über die Elektricitäts-
leitung in wässerigen Lösungen vorzulegen, und
zwar sowohl der experimentellen Untersuchung,
die ich mit 0. Grotrian ausgeführt hatte
(Nachr. 1874, Aug. 5), als auch meiner späte-
ren Mittheiluug zur Mechanik der Elektrolyse
(Nachr. 1876, Mai 17).
Zunächst bemerke ich, daß die Hülfsmittel
für das von mir angewandte Beobachtungsver-
fabren sich wesentlich vereinfachen lassen. Ich
habe versucht, zur Hervorbringuug der Wechsel-
ströme, anstatt der luduction durch einen roti-
rendeu Magnet, die Induction in der secundären
16
182
Spule eines gewölinlicheii Inductionsapparates
mit rascher Stromunterbrechung anzuwenden.
Um den für physiologische Zwecke bestimmten
plötzlichen Verlauf der Ströme in diesen Appa-
raten etwas zu ebnen, habe ich das Eisendraht-
Bündel in der inducirenden Spule durch einen
massiven Eisenkern ersetzt.
Soweit ich bis jetzt erkennen kann, besteht
gar kein Hinderniß gegen diese Vereinfachung
des Verfahrens, welches danach künftig, außer
dem Weber' sehen Elektro-Dynamometer, nur
eines D üb ois' sehen Schlittenapparates bedarf.
Ich darf ferner bemerken, daß Hr. Dr. T ol-
lin ger, welchem ich auch mehrere in dieser
Mittheilung benutzte Beobachtungen verdanke,
einige von meinen früheren Resultaten mit con-
stantem Strome geprüft hat und dabei überall
zu einer recht befriedigenden Uebereinstimmung
gelangt ist.
I. Die Gesetze der Leitung in verdünnten
Lösungen.
Auf Grund des Faraday'schen elektrolyti-
schen Gesetzes und gestützt auf eine Verglei-
chung der Leitungsfähigkeiten verdünnter Lö-
sungen mit den Hittorf sehen Wanderungs-
zahlen der elektrolytischen Bestandtheile habe
ich den Satz ausgesprochen (Nachr. 1876, S. 215),
daß jedem elektrochemischen Ele-
mente (z. B. dem Wasserstoff, Chlor,
oder auch einem Radicale wie NO3) als
solchem ein bestimmter Widerstand
in verdünnter wässeriger Lösung zu-
kommt, gleichgültig aus welcher
Verbindung es elektrolysirt wird.
18^
Hieniacli läßt sich das Leitnngsvermögen
einer solchen Lösung aus den Zahlen, welche
die Beweglichkeit der Bestandtheile darstellen
(und für welche ich Näherungswerthe in der
früheren Mittheilung aufgestellt habe), einfach
durch Addition berechnen , wenn man noch die
relative Anzahl der gelösten Molecüle kennt.
Aber nicht nur durch diese Anwendung
würde der genannte Satz einen großen Werth
haben , er würde ferner nicht nur eine neue
moleculare Beziehung der gelösten Körper
und ihrer Bestandtheile zu dem Lösungsmittel
enthalten, sondern er scheint auch für die Che-
mie der elektrolysirbaren Verbindungen eine
neue Handhabe zu bieten. Es ist kein Zweifel,
daß die Kenntniß der »elektro- positiven und
negativen« Bestandtheile, in welche bei der
elektro-chemischen Zerlegung das Molecül zer-
fällt, für die Feststellung seiner Constitution
eines der werthvollsten Hülfsmittel enthält ;
denn diese Kenntniß ergänzt die indirecteren
Ergebnisse chemischer Zusammensetzung und
Zerlegung oft in wünschenswerther Weise.
Sind nun die Beweglichkeiten der elektro-
chemischen Elemente bekannt, so wird man aus
den beobachteten Leitungsvermögen oder den
Ueberführungsverhältnissen eines gelösten Kör-
pers oft auf die beiden wandernden Elemente
schließen und hiermit der Chemie einen werth-
vollen Dienst leisten können.
Nachstehend folgt das ganze Material, wel-
ches mir zur Zeit für die Prüfung und die Ver-
i werthung des genannten Satzes vorliegt. Zur
I Erläuterung der Zahlen möge Folgendes vor-
1 aufgeschickt werden.
Um die Anzahl der Molecüle in der Volum-
einheit durch bestimmte Zahlen ausdrücken zu
16*
184
können, dividire ich den Gehalt der Volumein-
heit (Liter) der Lösung an Gewichtstheilen
(Gramme) des gelösten Körpers durch das elek-
trochemische Moleculargewicht (das chemische
Aequivalentgewicht) des Körpers; beispielsweise
HCl = 36,5, iCaCla = 55,5, ^MgS04 = 60.
Die entstehende Zahl fi nenne ich kurz die in
der Volumeinheit enthaltene Molecülzahl.
Dieser Molecül-Zahl /* kann nun, wie sich
überall herausgestellt hat, das Leitungsvermö-
gen Ti einer verdünnten Lösung annähernd
proportional gesetzt werden (wenn man von
der äußersten Verdünnung absieht, über welche
ich mir eine besondere Mittheilung vorbehalte).
Ti
Die Grenze, welcher sich das Verhältniß — an-
f*
nähert, werde das speci fische moleculare
Leitungsvermögen der gelösten Substanz
genannt und durch l bezeichnet.
Die Leitungsvermögen Ti gelten für 18" und
beziehen sich, wenn man sie durch 10'^ dividirt,
auf Quecksilber von 0°.
1) Es soll zunächst gezeigt werden, daß man
die molecularen Leitungsvermögen der einba-
sischen Säuren und ihrer Salze nahe
als die Summe der molecularen Beweglichkeiten
oder »Leituugsvermögen« der beiden Bestand-
theile erhält, wenn man für diese Leitungsver-
mögen folgende Zahlen setzt.
Tab. L
H K NHi Na Li ^Ba ^Sr ^Ca ^Mg
273 48 46 30 19 31 28 24 21
J Br Cl P NOs CIO3 C2H3O2
55 53 50 29 47 36 22
185
Die beiden ersten tJpalten der folgenden
Tabelle geben die molecularen Lei tungs vermö-
gen l, wie sie aus der Beobachtung abgeleitet
und aus Tab. I. durch Addition berechnet werden.
Da wo eine Substanz nur ein einziges Mal
vorkommt, wo also keine Prüfung des Gesetzes
in der Uebereinstimmung liegt, werden die Un-
terschiede zwischen Beobachtung und Rechnung
l nicht aufgeführt.
Die letzten Spalten enthalten die Ueberfüh-
rungszahl n des Anions nach Hittorf und da-
neben denjenigen Werth, welcher aus Tab. I.
berechnet wird. (Vgl. Nachr. 1876, S. 216).
Tab. la.
/ beob.
/ her
n beob.
n ber
.
HCl
323
323
4-
0,16
0,15
-0,01
KCl
98
98
+
0,51
0,51
+
NH.Cl
95
96
+ 1
0,51
0,52
+0,01
NaCl
81
80
—1
0,63
0,62
-0,01
LiCl
68
69
+ 1
0,73
IBaClj
80
81
+ 1
0,65
0,62
-0,03
iSrCl,
78
78
0,68
0,64
—0,04
ICaCl,
74
74
0,69
0,68
+0,01
iMgCl,
71
71
0,69
0,70
+0,01
HJ
319
328
+9
0,26
0,17
-0,09
KJ
105
103
-2
0,50
0.53
+0,03
NH^J
102
101
— 1
0,54
NaJ
82
85
+3
0,63
0,65
+0,02
LiJ
74
74
+
0,74
HBr
310
326
+ 16
0,18
0,16
—0,02
KBr
101
101
4-
0,51
0,52
+0,01
HNO3
336
320
-16
0,14
0,15
+0,01
KNO,
93
95
+2
0,49
0,49
+
NH.NO,
93
93
+
0,51
Na NO,
74
77
+3
0,61
0,61
+
|Ba(N03),
82
78
-4
0.62
0,60
—0,02
KCIO3
84
84
0,45
0,43
-0,02
KCjHjO,
70
70
+
0,32
0,31
—0,01
NaCjHaO, ■
54
52
—2
0,43
0,42
-0,01
KF
77
77
0,38
186
Die Uebereinstimmung sowohl der Leitungs-
vermögen als der Ueberführungszahlen dieser
Reihe von Körpern ist derartig, daß man an
der Gültigkeit des zu prüfenden Satzes kaum
noch zweifeln kann, besonders da in der Ablei-
tung der Grenzwerthe für größere Verdünnun-
gen einige Unsicherheit sich nicht vermeiden
läßt ^). Die einzige größere Abweichung in den
Ueberführungszahlen der Jodwasserstoffsäure wird
sehr wahrscheinlich durch einen Beobachtungs-
fehler erklärt.
Eine fernere Wahrscheinlichkeit gewinnt das
aufgestellte System noch dadurch, daß die Grup-
pen chemisch zusammengehöriger Körper, näm-
lich Kalium, Natrium und Lithium, ferner
Barium, Strontium, Calcium und Ma-
gnesium und endlich Jod, Brom und Chlor
auch eine interessante Zusammengehörigkeit der
molecularen Beweglichkeiten aufweisen. In
jeder von den genannten drei Gruppen nämlich
wächst die Beweglichkeit mit dem Atomgewicht
der Elemente.
2) Die Aetzalkalien, mit Ausnahme des
Ammoniaks, über welches am Schlüsse gehan-
delt werden wird, übertreffen ihre Salze bedeu-
tend an Leitungsfähigkeit, denn das moleculare
Leitungsvermögen findet sich
für KOH NaOH LiOH
l = 200 180 150.
Man ist bis jetzt zweifelhaft, in welcher
Weise die elektrolytische Zerlegung der Aetz-
1) Die l entstammen zum Theile nur graphischen
Aufzeichnungen und werden nach vollständiger Reduc-
tion der Beobachtungen vielleicht einige kleine Aen-
derungen erfahren. Ich bemerke hier gleich, daß das-
selbe mit einigen Zahlen der späteren Tab. III der
Fall ist.
187
alkalien vor sich geht. Mir scheint das auf-
fallend gute Leitungsvermögen für die Annahme
zu sprechen , daß der Wasserstoff an der Zer-
legung theilnimmt, und zwar so, wie bei den
Säuren, nämlich als positiver Bestandtheil.
Und zwar halte ich es für nicht unmöglich, daß
der Wasserstoff rascher wandert als das Metall.
Hierdurch würden zugleich die auffallend
geringfügigen üeberführungen der Metalle er-
klärt werden, welche Wiedemann in den Lö-
sungen von Kali und X^ron gefunden hat
(Pogg. Ann. XCIX. 187; vgl. auch Bourgoin,
Ann. d. chim. et d. phys, (4) XV. 48).
Um die Hypothese quantitativ durchzufüh-
ren , müßte über die Beweglichkeit des Sauer-
stoffes etwas bekannt sein. Ich bemerke nur,
daß die molekularen Leitungsvermögen des Ka-
liums und des Natriums (Tab. I.) durch die ih-
ren Hydraten zugehörigen l dividirt, sehr nahe
die Wiedemann' scheu Ueberführungszahlen
der Metalle 0,23 im Kalihydrat bez. 0,16 im
Natronhydrat ergeben. Die Ueberfdhrungszahl
des Lithiums in seinem Hydrat würde danach
nur etwa 0,13 betragen dürfen. Der Wasser-
stoff müßte aber bei seiner W^anderung mit
dem Metall eine verminderte Beweglichkeit be-
sitzen.
3) Salze zweibasischer Säuren. Es
ist interessant, daß bei denjenigen Salzen, de-
nen die neuere Chemie eine andere Constitution
zuschreibt, als den unter 1) behandelten, auch
die dort geltenden Beziehungen aufhören. Ich
habe hauptsächlich einige schwefelsaure
und kohlensaure Salze untersucht. Aller-
dings lassen sich deren Leitungsvermögen aus
Tab. I nahe berechnen, wenn man den Radi-
calen ^SOi und ACOs die Leitungsvermögen 32
188
und 30 beilegt; allein die hieraus folgenden
Ueberführungszahlen stimmen nicht mehr mit
den Beobachtungen Hittorf's. Die Schwefel-
säure selbst stimmt weder in der üeberführung
noch im Leitungsvermögen.
Man wird also den wandernden Atom - Paa-
ren H2, K2 u. s. w. eine andere Beweglich-
keit zuschreiben müssen als den einzelnen
Atomen *). In der That läßt ein solches Sy-
stem sich aufstellen, und zwar mit folgenden
molecularen Leitungsvermögen.
Tab. IL
^Ha
IK2
^(NH4)2
^Na2
^Liä
^S04
iCOs
163
39
37
24
12
40
36.
Die Reihenfolge der Beweglichkeiten bleibt
für die positiven Bestandtheile dieselbe wie in
Tab. I, doch sind die Zahlen 0,6 bis 0,8 mal
kleiner geworden.
Man erhält hieraus
Tab. IIa.
1 1 beob. l ber. | n beob. n ber.
^H2S04
203
203
0,20
0,20
^K2S04
79
79
0,50
0,51
4(NH4)2S04
77
77
0,52
^NaaSOd
64
64
0,63
0,63
^LiäSO*
52
52
0,77
IK2CO3
78
75
0,48
^Na2C03
57
60
0,60
1) Man kann die Frage aufwerfen, warum nicht
dasselbe für die Atom -Paare Clg in Tab. la nothwen-
dig war.
189
Leider fehlt es an weiterem Material, um
die aufgestellten Zahlen zu prüfen. Wünschens-
werth ist insbesondere, daß die Ueberführungs-
verhältnisse einiger Lithium -Salze untersucht
werden.
Eine merkwürdige Anomalie weisen endlich
die Sulfate zweiwerthiger Metalle auf.
Die molecularen Leituugsvermögen sind nämlich
für MgSOi ZnSOi CuSOi^)
37 34 28.
Diese Zahlen sind nun kleiner als die eben für
Schwefelsäure allein aufgestellte Zahl, während
wir doch nach Hittorf wissen, daß die Wan-
derung der Metalle in den genannten drei Sal-
zen nicht unbeträchtlich ist.
Es scheint, daß durch dieses Verhalten die
neuere Auffassung der Chemie bestätigt wird,
nach welcher die Salze der schwächeren zwei-
werthigen Basen mit den zweiwerthigen Säuren
gar nicht so constituirt sind, wie in ihren ge-
wöhnlichen Formeln angenommen wird.
IL Concetitrirtere Lösungen.
Die meisten von den oben aufgeführten
Salzen habe ich bis zu größeren Procentgehal-
ten der Lösungen verfolgt, wobei ich die Her-
stellung eines Theiles dieser Lösungen Hrn. Dr.
Wolf zu danken habe. Nachdem sich heraus-
gestellt hat (Müuch. Sitz. Ber. 1875, S. 299),
daß die Leitungsvermögen der Wasserstoffsäu-
ren und der Salpetersäure nahe übereinstim-
mend werden , wenn man die Lösungen nach
ihrem Gehalte an Molecülen des Elektrolyten
1) CuSO^ aus Wiedemann's Beobachtungen auf
die hier gebrauchten Einheiten reducirt.
190
in der Volumeinheit ordnet, lasse ich auch die
übrigen Körper (einschließlich der mit* G r o-
trian untersuchten Chloride der Alkalien und
alkalischen Erden) in dieser Anordnung folgen.
Es wird sich zeigen, daß die großen Verschie-
denheiten, welche die nach Gewichtsgehalt auf-
geführten Körper zeigten, durch diese neue Zu-
sammenstellung zum Theil gehoben werden.
Die Zahl fi der gelösten Aequivalente ist
in der S. 184 gegebenen Bedeutung zu verste-
hen ; das Leitungsvermögen k gilt für IS** und
bezieht sich auf Quecksilber = 10''; die Tem-
peraturcoefficienten Jh geben den mittleren Zu-
wachs von h zwischen 18 und 26*^, in Theilen
von ^18.
KCl
Tab. III.
NH4CI I KJ
NH,J
KBr
47 0,0205
91 196
173 182
248 169
46 (0,0206)
90 198
172
248
318
376
184
172
162
155
A'jg Jk
50 0,0204
97 192
188
269
334
381
173
159
150
143
49
96 0,0200
188 185
(269) 172
(337) 161
394 153
Äj8 Jk
49 0,0205
96 193
183 178
262 166
328 156
^
KF
NaCl
1 NaJ
LiCl
1 Li.I
V2
36
38
39 0,0219
33 0,0229
35 0,U224
1
67
0,0214
70
0,0217
73 214
59 224
64 2r!
2
119
215
121
213
131 206
99 219
114 1
3
161
217
158
212
174 200
127 217
4
194
219
184
216
204 197
144 218
5
217
224
199
229
152 221
6
231
230
153 224
7
240
238
147 230
8
242
249
135 236
9
239
262
121 244
10
106 255
11
92 269
12
76 288
191
tl
^BaCl, 1
]SrCl, 1
4CaCl, !
4MgCl,
KC,H.O,
A-,8 Jk
A;,8 Jk
A-,8 Jk
A-,g Jk
Ä,, Jk
V.
36 0,0214
35 0,0217
35
32
32
1
66 207
64 211
63 0,0214
59 0,0224
56 0,0220
2
113 197
109 204
108 206
98 220
90 220
3
146 192
139
139 202
119 222
112 227
4
159 201
130 229
120 238
5
166 202
131 238
118 253
6
165 207
125 249
111 272
7
154 217
115 264
97 296
8
133 232
100 281
80 226
9
84 303
62 367
10
I
67 328
41 42
ft\ KNO3 I NH«N03 ! NaNOg INaCgHaO,' ^Na^CO,
1%
42 0,02U9
44 0,0226| 34
U,02-26
23
25
1
76 206
83
219
62
218
38
42 0,0253
2
130 200
151
188
102
214
56
64 271
3
209
179
130
215
62
76 291
4
256
171
148
219
5
293
165
6
319
160
7
334
158
8
(342)
157
h
iK,CO,
i(NH,),SO,
4K,S0,
iNa,SO,
1 iLi,SO,
V.
36(0,0230)
35(0,0222)
37 0,0219
28(0,0235)
' 23
1
67 221
64 212
68 208
48 242
39 0,0237
2
117 211
113 200
75 254
58 240
3
156 210
154 195
4
184 213
185 193
5
202 217
208 192
6
210 224
225 193
7
212 233
8
206 244
9 192 261
10 170 284
11
1142 31
192
M_
1 ^MgSO,
1 JZtiS04
KOH
1 NaOH
I LiOH
"^18
JA
"^18
Jk
"'18
Jk
^-18 ^^
Ä-18 Jk
V,
16
15
0,022
94 0,0189
81
68
1
27
0,028
25
22
172
1881149:0,0200
125 0,0199
2
40
24
37
23
302
188
242 209
209 207
3
45
25
44
24
394
191
302 222
265 218
4
45
27
45
26
458
197
327 241
295 232
5
41
28
41
28
497
204
326 266
6
(34)
30
35
508
214
308 297
7
30
505
225
281 337
8
489
238
252 379
9
460
254
220 423
10
423
271
190 468
11
(381)
290 (163) 51
12
(142) 56
13
(124) 60
14
(111) 65
15
(101) 69
Aus dieser Vergleichung der Körper nach
elektrochemisch äquivalenten Lösungen geht
folgendes hervor.
1) Der Verlauf des Leitungsvermö-
gens mit der Concentration der Lösung
erscheint bei den verschiedenen Salzen
von einer auffallenden Aehnlichkeit. Die
graphische Darstellung der Zahlen liefert lauter
nach unten gekrümmte Curven von unverkenn-
bar verwandtem Charakter. Diese Curven schnei-
den sich bei chemisch näher verwandten Sub-
stanzen nicht, und die wenigen Schnitte, welche
überhaupt vorkommen, verlaufen ziemlieh flach.
Vergleiche z. B. die Zahlen der ersten Reihe ;
ferner BaClg, SrCb und CaCl2; dann MgCla und
KC2H3O2; Li2S04 und NaC2H302; (NH.i)2S0.i
und K2CO3.
(Im Gegensatz hierzu liefert die Darstellung
nach gewöhnlichen Gewichtsprocenten auch nach
unten gekrümmte Curven und eine große Menge
Schuittpuncte der Curven).
193
Man wird hierans folgern dürfen, daß die
Ursachen, welche den Leituugswiderstaud be-
dingen, bei den verschiedenen Salzen hauptsäch-
lich nur quantitativ verschieden sind.
2) Weit größere Unterschiede ergeben sich
zwischen den Salzen einerseits und den Aetz-
alkalien andrerseits (vgl. z.B. KJ mit NaOH
und LiOH); unter sich aber zeigen auch die
letzteren einen nahe ähnlichen Verlauf.
3) Die Verbindungen des Ammoniums und
des Kaliums mit derselben Säure zeigen fast
überall eine nahe Gleichheit des Leitungsver-
mögens.
4) Die Natrinm-Verbindungen leiten durch-
weg schlechter als die entsprechenden des Ka-
liums und Ammoniums.
5) Noch weiter unten stehen die Lithium-
Verbindungen.
6) Eine ungefähre Uebereinstimmung des
Leitungsvermögens findet sich bei den Chloriden
von Barium, Strontium und Calcium,
während Chlor-Magnesium erheblich zurücksteht.
7) Dagegen leiten nahe gleich gut die Sul-
fate von Magnesium und Zink.
8) Den Einfluß des negativen Bestandtheils
betreffend, so leiten weitaus am besten die
Hydrate.
9) Chloride, Bromide und Jodide lei-
ten nicht erheblich verschieden, doch zeigt das
Jod einen deutlichen Vorzug ^).
10) Fluor steht beträchtlich hinter den
eben genannten Haloiden zurück.
1) Für KJ und KCl wurde die ungeföhre Ueberein-
stimmung bereits in der eben erschienenen Abhandlung
von R. Lenz (Melanges phys. et chim. de St. Pe'tersb.,
X, S. 299) nacbgewieseu.
194
11) Auch Nitrate und mehr noch Acetate
leiten wesentlich schlechter.
12) Sulfate und Carbonate (soweit sie
untersucht worden sind) leiten nicht sehr ver-
schieden ; sie leiten schlechter als die Salze mit
den einbasischen unorganischen Säuren,
13) Das geringste Leitungsvermögen kommt
den Salzen der zweiwerthigen Metalle
mit der zweibasischen Schwefelsäure
zu.
Ich hebe ferner die Gesetzmäßigkeiten her-
vor, welche sich unter den Temperatu r-C o e f-
ficienten des Leitungsvermögens zeigen. Vor
Allem wird hier
14) der Satz^) bestätigt und verallgemeinert,
daß die Temperatur-Coefficienten der
Salzlösungen sich bei wachsender Ver-
dünnung Grenzwerthen nähern, welche
nahe gleich sind, indem diese Grenzwerthe
zwischen etwa 0,0215 oder V*? und 0,0235 oder
V^s liegen. Auffällig ist hierbei die außeror-
dentliche Ueberein Stimmung zwischen allen Kali-
und Ammoniak- Verbindungen mit Chlor, Brom
und Jod, die sämmtlich etwa der Grenze 0,0215
zustreben.
15) Auch die Temperatur-Coefficienten der
Aetz-Alkalien nähern sich ungefähr einem
und demselben Grenzwerthe, der aber kleiner
ist als die obigen (etwa 0,019).
16) Aus den früheren Ergebnissen erinnere
ich hier daran, daß die Salpetersäure und
die Wasserstoffsäuren auch einen gemein-
samen Grenz -CoefFicienten 0,016 haben, wäh-
rend die S c h w e f e 1 8 ä u re etwa 0,01 1 , die
Phüsphorsäure 0,0095 zeigt.
1) Nachr. 1874, S. 411.
195
17) Mit steigendem Salzgehalt neh-
men zuerst die Temperatur-Coefficien-
ten sämmtlicher untersuchter Salze mit
einbasischen Säuren ab (vorbehaltlich ei-
ner weiteren Prüfung des Flaorkaliums).
18) Bei allen Salzen, welche ein Maximum
des Leitungsvermögens besitzen, tritt vor
der Erreichung dieses Maximums ein Wachs-
thum des Temperatur-Coefficienten
ein (für Aetznatron bis zu 0,07!). Sämmt-
licheMaxima rücken also (wie bei dem
ZiukvitrioP)) mit steigenderTemperatur
weiter nach größeren Salzgehalten.
19) Bis zu den höchsten untersochten Ge-
halten bleiben die Temperatur-Coefficienten ab-
nehmend bei sämmtlichen Kali- und Am-
mouiaksalzen, mit Ausnahme des kohlen-
sauren und essigsauren Kali.
20) Die Haloidsalze des Kaliums und
des Ammoniums haben so, wie ein gleiches
Leitungsvermögen (3), auch nahe gleiche
Temperatur-Coefficienten. Gleiches zeigt
sich in den Gruppen BaCla, SrCla und CaCh
sowie MgSOi und ZnS04.
21) Im Allgemeinen vermindern sich
die Unterschiede des Leitungsvermö-
gens verschiedener Körper von ähnli-
cher Zusammensetzung mit wachsender
Temperatur.
22) Ich füge hier noch hinzu, daß das
schwefelsaure Natron, welches bekanntlich
für die Menge seines Krystallwassers gewisse
Grenztemperaturen zeigt, keinen ungewöhnli-
chen Einfluß dieser Temperaturen auf sein Lei-
tungsvermögen wahrnehmen läßt.
1) Beetz, Pogg. Ann. CXVH, 17.
196
III. Säuren.
Ich hatte gefunden, daß Salzsäure und
Salpetersäure in äquivalenten wässri-
gen Lösungen ein nahe gleiches Lei-
tungsvermögen haben. Jod- und Brom-
Wassersto£f schlössen sich in verdünnter Lösung
dieser Gruppe an. Ich kann jetzt hinzufügen,
daß Bromwasserstoff auch in hoher Con-
centration dasselbe Verhalten zeigt.
Fluor-Wasserstoff dagegen gehört nicht
zu dieser Gruppe. Zu den hervorragend gut
leitenden Electrolyten gehört freilich dieser
Körper ebenfalls, denn käufliche rauchende
Flußsäure hatte das Leitungsvermögen 0,000061.
Aber es steigt, wie bei der Schwefelsäure, die
Leitung mit dem Aequivalentgehalt erheblich
langsamer als bei den übrigen WasserstofFsäuren.
Ein Maximum unterhalb der stärksten käufli-
chen Säure fand sich nicht. Der Temperatur-
Coefficient ist kleiner als bei der vorhin ge-
nannten Gruppe.
Vollkommen abweichend von den vorigen
Säuren verhält sich Cyanwasserstoff, wel-
cher in wässriger Lösung so schlecht leitet, daß
man ihn praktisch zu den Nichtleitern rech-
nen darf. Eine frisch bereitete Lösung 2,6
procentiger Blausäure hatte nämlich bei 18°
nur das Leitungsvermögen 0,00000002L
Noch schlechter leitet Schwefelwasser-
stoff, der in nahe gesättigter Lösung
0,0000000023 hatte.
Aus früheren Versuchen hatte ich gefolgert,
daß die wasserfreien Verbindungen
HNO3, HCl U.S.W, sehr schlechte Leiter
sein würden. Für HCl, HBr und HJ ist
diese Vermuthung seitdem von Bleekrode
197
und Warren de la Rue vollständig bestätigt
worden^). Die Salpetersäure betreffend
kann ich selbst hinzufügen, daß dieser Körper
in einer von Herrn Sonne im hiesigen chemi-
schen Laboratorium bereiteten Lösung von etwa
92 Procent HNO3 nur den lOten Theil seines
Maximal -Leitungsvermögens besaß. Nach dem
Verlauf der Curve zu schließen könnte in der
Nähe von dieser Concentration vielleicht ein
Minimum des Leitungsvermögens liegen. Der
Temperatur-Coefficient der starken Salpetersäure
betrug nur 0,007.
IV. Saure Salze.
Eigenthümlich verhalten sich das saure
schwefelsaure, kohlensaure und phosphorsaure
Kali.
Doppeltkohlensaures Kali leitet na-
hezu so, als ob das überschüssige Aequivalent
Kohlensäure gar nicht vorhanden wäre.
Doppeltschwefelsaures Kali dagegen
hat in verdünnter Lösung beiläufig dasselbe Lei-
tungsvermögen, als wenn nur das zweite Aequi-
valent Säure zersetzt würde, nicht aber das
schwefelsaure Kali, Später leitet es schlechter,
als es die Säure allein thun würde. Ganz auf-
fallend ist hierbei der niedrige Temperatur-
Coefficient, welcher zwischen 0,0086 und 0,010
hegt (Tollinger).
Das saure phosphorsaure Kali
(KH2PO4) endlich hat ungefähr dasselbe Lei-
tungsvermögen wie eine äquivalente Menge rei-
ner Phosphorsäure, zeigt aber im Gegensatz zu
deren kleinem Temperatur- Coefficienten einen
1) Proc. Roy. Soc."1876 Nr. 175.
17
198
ähnlichen Einfluß der Temperatur wie die neu-
tralen Salze.
Allgemeinere Regeln für saure Salze sind
also aus diesen Körpern noch nicht zu^ ent-
nehmen.
V. ÄmmoniaJc - FlüssigJceit,
Eine wässerige Ammoniak-Lösung
gehört, wie ich schon früher gelegentlich be-
merkte, zu den schlechtesten Leitern.
Ich fand , die Lösungen nach gewöhnlichen Ge-
wichtsprocenten an NH3 bezeichnet,
jk
Procente
Spec. Gew.
k 10»o
k
von NHg
bei 15».
bei 18«
auf P
0,8
0,996
614
0,0232
1,6
0,992
810
0,0239
4,0
0,982
1022
0,0252
8,0
0,966
971
0,0264
16,0
0,937
598
0,0301
30,0
0,897
190
Die Curve besitzt eine große Aehnlichkeit
mit der Curve der Essigsäure.
Die Vermischung einer Ammoniaklösung mit
Üer ähnlich schlecht leitenden Blausäure-Lösung
lieferte eine mehr als hundertmal besser leitende
Lösung von Cyan-Ammonium.
Die schroffe Scheidung der gelösten Körper
in gute Leiter und sehr schlechte Leiter aus
ihrer Constitution aufzuhellen, betrachte ich als
eine Aufgabe, die für die Theorie der Elektro-
lyse wie für die Chemie von großer Bedeutunfr
ist. Wenn Ammoniaklösung etwa 500 mal
schlechter leitet als das gelöste Kalihydrat,
199
während die Salze beider Korper nahe gleich
leiten, so sind ohne Zweifel die beiden Alkalien
in Lösung ganz verschieden constituirt. Diese
Schlußfolgerung stimmt mit der von J. Thom-
sen nach der Wärmeentwicklung bei der Ver-
bindung der Alkalien geäußerten Ansicht (Pogg.
Ann. CXLIII. 522), »daß das Ammoniumhy-
drat nicht in der Lösung existire, welche
demnach nur als NHs -f~ ä<l« aufgefaßt
werden dürfte.«
In irgend einer Weise müssen so auch die
Lösungen des Cyanwasserstoffs und Schwefel-
wasserstoffs sich von den übrigen Wasserstoff-
säuren fundamental unterscheiden.
Würzburg, 15. März 1877.
UniTersität.
Nachtrag zu den Mittheilungen über
die Beneke-Stiftung.
In Nr. 8 der Göttiuger Nachrichten, welche
die Mittheilungen über die Beneke'sche Stiftung
brachte, schloß das Urtbeil über die Arbeit mit
dem Motto aus Herder dahin ab, daß die Fa-
cultät um der nicht wenigen Vorzüge der Ar-
beit willen es für durchaus zulässig erachtet
haben würde, ihr gleichfalls einen zweiten Preis
zu ertheilen, falls ihr die Mittel zu einem sol-
chen zu Gebote gestanden hätten. Diesem Ur-
theil hinzugefugt war die Erklärung, es werde
der Facultät zur Freude gereichen, wenn der
Verfasser sie ermächtigen wolle, den der Arbeit
beiliegenden Zettel zu eröffnen und seinen Na-
men bekannt zu machen. Nachdem nunmehr
200
diese Ermächtigung ertheilt ist, hat die Eröff-
nung des Zettels als Verfasser ergeben Herrn
Dr. Binde, ordentlichen Lehrer am Kgl.
evangelischen Gymnasium zu Gr. Glogau.
Die philosophische Facultät.
Dr. Wilhelm Müller, d. z. Decan.
Se. Majestät der König haben All ergnä-
digst geruht, den bisherigen außerordentlichen
Professor an der Universität zu Heidelberg
Dr. Karl Klein zum ordentlichen Professor
in der philosophischen Facultät der hiesigen
Universität zu ernennen.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Mittheil, des naturwiss. Vereins für Steiermark. Jahrg.
1876. Graz.
Monthly notices, R. Astronom. Society. Vol. XXXVII.
No. 3.
Ahnales de l'Observat. de Braxelles. Fol. 12.
Plateau, sur les couleurs accidentelles ou subjectives.
Note 1. 2. 1875—76.
Lipschitz, Bemerkungen zu dem Princip des klein-
sten Zwanges. 1876.
Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. Bd. I. Zürich
1876.
Bulletin de l'Acad. imp. des sciences de St. Petersbourg.
T. XXII. No. 4. (Feuille 32-36). T. XXIII. No.
1. (Feuille 1-11.) 1877. 4.
Bulletin de l'Acad. roy. des sciences de Belgique. T.
42. No. 12. 1876. T. 43. No. 1. 1877.
(Fortsetzung folgt.)
201
iVach rieh teil
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität za
Göttingen.
9. Mai. M 10. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Die Daten der Genesis
von
Julius Oppert iu Paris.
Correspondirendem Mitgliede.
In einer jüngst erschienenen Schrift ^) habe ich
nachgewiesen, daß abwärts von dem Zeitalter
Salomon's die Zeitangaben der Bibel auf wis-
senschaftlich begründeter Zeitrechnung beruhen,
die aus gleichzeitig mit den Begebenheiten Schritt
haltenden Annalen herrühren. Diese Zeitanga-
ben können durch astronomische Daten in die
allgemeine. Geschichtsrechnung eingereiht, und
somit chronologisch bestimmt werden. Man
kann , um genauer zu reden , die Entfernung
dieser Ereignisse von einer uns bekannten Epoche
in Zeiteinheiten mit größerer oder geringerer
Präcision angeben.
Vorliegende Arbeit hat sich ein anderes,
1) Salomon et ses Successeurs, Solution d'un probleme
chronologique. Paris 1S77 , Maisooneuve & Co.
18
202
ebenfalls chronologisches Ziel gesteckt, den Nach-
weis zu führen, daß aufwärts vom Exodus
eine solche Einreihung in die Zeitmessung nicht
stattfinden kann. Für die Genesis giebt
es keine Chronologie. An und für sich
wird dies Manchen der Leser als wenig neu er-
scheinen, und sie werden mit Recht erwidern,
das haben sie längst gewußt. Und dennoch ist
diese Antwort keine wissenschaftlich unangreif-
bare; denn um eine solche Ansicht zu verthei-
digen, muß man sie beweisen können; zwei-
feln genügt nicht. Die Argumentation ist aber
um so schwieriger, als das Beweisobject in die-
ser Fassung eine Negation ist, und Niemand
streng genommen, zu einer Demonstration des-
sen was nicht ist, veranlaßt werden kann.
Das Verfahren, aus den Zahlen selbst, die
Unmöglichkeit einer Chronologie herzuleiten, ge-
nügt nämlich nicht. Zahlentheorien, Cyclen,
cabbalistische Kunststücke kann man überall
machen , auch in verbürgter Geschichte. Und
Gott weiß, wie gerade die Genesis zu allerhand
Rechnungen Anlaß gegeben hat, die eigent-
lich mehr in das Gebiet der Psychiatrik, als in
das der Geschichtsforschung gehören. Verirrun-
gen solcherlei Art können nur durch nüchterne
Auseinandersetzung der Thatsachen beseitigt
werden.
Der uns obliegende Nachweis von der Unbe-
gründetheit einer Zeitrechnung ist nur dann zu
führen, wenn man darlegen kann, daß Reihen
von Zeitabschnitten, in einem andern Lande,
bei einem andern Volke , auf andere Bege-
benheiten bezüglich, gerade mit denselben Zah-
len dargestellt sind. Wenn nun aber diese iden-
tischen Grundzahlen in zwei verschiedenen Län-
dern, in zwei verschiedenen Weisen angewandt
203
sind, dann wird man befugt sein, auch bei bei-
den Völkern eine künstliche Rechnung anzuneh-
men, und vorauszusetzen, daß man eben bei der
Abwesenheit jeder wahren Zeitrechnung diese
durch eine fictive zu ersetzen gesucht hat.
Vorerst ist es für diese Frage unwesentlich , ob
eines der beiden Völker von dem andern die
Grundidee entlehnt hat, oder ob sie beide letz-
tere einem dritten verdanken.
Das Volk, welches dieselbe Chronologie mit
der der Genesis gemein hat, sind die Chaldäer,
und die Zeitrechnung die Berosus' Bruchstücke
uns überliefert haben, ist im Wesen die des
ersten Buches des Pentateuchs, vom ersten bis
zum letzten Capitel, von der Schöpfung bis zum
Tode Josephs.
Diese , wenn nicht vorgeschichtliche , jedoch
vorchronologisohe Periode zerfällt in drei Zeit-
abschnitte :
I. Die Schöpfungszeiten ,
II. Die vorsintfluthliche Zeit,
III. Die nachsintfluthliche Zeit bis zum An-
fang der wirklichen Zeitmessung.
Diese drei Perioden sind bei beiden Völkern,
den Juden und den Chaldäern, durch dieselben
Grundzahlen, mit veränderten Coefficienten, aus-
gedrückt.
I. Die Schöpfungszeiten.
Die Bibel kennt sieben Schöpfungstage.
Die Chaldäer drückten dieselben Zeiträume
durch 168 Myriaden-Jahre aus. Dieses erhellt
aus dem Fragment des Berosus, in welchem ge-
sagt wird, er habe bis zu seiner Zeit 215 My-
riaden-Jahre gerechnet. Mau hat die Zahl nicht
verstanden und sie als corrupt angezweifelt; sie
18*
204
ist aber vollständig richtig im armenischen Eu-
sebius überliefert. Da nämlich von den ersten
Menschen bis auf Alexander etwas mehr als 47
Myriaden gerechnet werden, bleiben für die vor-
menschliche Zeit 168 Myriaden übrig.
Die Zahl der Stunden in der Woche ist 168,
7 mal 24. Man kennt die den Chaldäern zuge-
schriebene auch in den Keilinschriften sich fin-
dende Rechnung, wonach jede der 24 Zeitab-
schnitte des Tages in der Benennung der sieben
Wochentage eine Rolle spielt.
Wo also die Juden eine Stunde rechneten,
nahmen die Chaldäer 10000 Jahre an, was aller-
dings das ungeheuere Verhältniß von 1 : 86,400,000
darstellt.
Nimmt man nach anderen Keilinschriften an,
daß die Babylonier auch nach Kasbu, oder Diho-
rien rechneten, so ändert dies in der Sache gar
nichts. Wir haben nach Hiucks zwei Inschrif-
ten erklärt, die so lauten:
»Der 6te (in dem andern Text sagt 14te)
Nisan sind Tag und Nacht gleich; 6 Kasbu ist
die Nacht, 6 Kasbu ist der Tag«.
Herodot sagt bekanntlich (II, 109) die Helle-
nen hätten von den Babyloniern die Stundenuhr,
den Guomou und die zwölf Theile des Tages ge-
lernt ; ob in diesem ^[lig« das Nychthemeron zu
verstehen ist, ist nicht deutlich; dagegen spricht
die von Dio Cassius (37, 19) überlieferte Anord-
nung der sieben Wochentage ^).
Das Verhältniß bleibt, wie gesagt, dasselbe:
der biblische Tag ist immer 240,000 chaldäischeu
Jahren gleich geachtet.
1) Die Zwölftheilung des Nychthemeron hätte fol-
gende Reihe der Wochentage gegeben : Sonnabend, Mitt-
woch, Sonntag, Donnerstag, Montag, Freitag, Dienstag.
205
Die Babylonier begannen die Woche, wie wir,
mit dem Sonntag*). Hier ist aber noch ein
Räthsel zu lösen: denn die Entstehung der Wo-
chentage deutet klar auf den Sonnabend als
Ausgangspunkt hin. Die bis jetzt entdeckten,
und noch nicht gehörig verstandenen Fragmente
der Keilschriften, welche auf diesen Gegenstand
sich beziehen, liefern keine Aufklärung über
diesen Punkt.
II. Die vorsintfluthliche Zeit.
Man hat nicht auf uns gewartet, um heraus-
zufinden, daß zwischen den zehn Patriarchen,
von Adam bisNoah, und den zehn chaldäischen
Königen ein Zusammenhang bestehen könne.
Aber das wirkliche Faktum ist immer durch das
Bestreben verdunkelt worden, in den biblischen
Angaben wirkliche Geschichte zu finden. Diese
Tendenz bestand schon im Alterthnme, wie wir
namentlich bei dem dritten Zeitabschnitte zeigen
werden ; die Aenderungen des hebräischen Ur-
textes durch die Septuaginta, wie durch die Sa-
maritaner, haben keinen anderen Beweggrund
gehabt. Die dem Urheber der Zeitrechnung an-
gehörigen Zahlen sind allein *) im hebräischen
Texte erhalten.
Dieser nimmt zwischen Adams Geburt und
der Sintfluth 1656 Jahre an, die den 432,000
1) Siehe hierüber meine Üebersetzung des Haupt-
textes (W. A. J. HI, 57) in Journal asiatique Dec. 1871
p. 448.
2) Mit vielleicht einer einzigen, und aach nur die
Alterszahlen betreffenden, Gleichstellung: Lamech lebte
nach der Bibel 777, nach der LXX. 753 Jahre. Hiervon
später.
206
der chaldäischeii Sage entsprechen. Aber diese
Angaben haben einen gemeinsamen Theiler: 72,
und sie verhalten sich wie 23 zu 6000.
Warum aber 23? Weil 23 Jahre , zu 365
Tagen, nebst 5 Schalttagen, gerade 8400 Tage
ausmachen : 8395 -|- 5 = 8400 (ganz genau :
8400^57). 8400 Tage sind aber 1200 Wochen,
die also 6000 chaldäischen Jahren gleichgesetzt
werden.
Wo also die Chaldäer 5 Jahre, das ist 60
Monate oder 1 Soss von Monaten, nahmen die
Juden nur eine Woche an.
Die Zahl der 23 Jahre, gleich 1200 Wochen,
findet sich aber noch dreimal in den biblischen
Zahlen wieder, und spielt dann eine bedeutende
Rolle in der Summe der Alterszahlen. Nachste-
hende Liste zeigt, daß man die Posten weder än-
dern noch umstellen darf:
Die Zahlen deuten bekanntlich die Zeit an,
die von der Geburt des Patriarchen bis zur Er-
zeugung'des folgenden verflossen ist:
Adam 130|
Seth 105
Enos 90 J460 = 20x23 = 24,000 Wochen
Kainan 70
Mahalaleel 65J
Jared 162|
Henoch 65f414 = 18 X 23 = 21,600 Wochen
Methusalehl87'
Lamech 182»
Noah (bis 1782 = 34 X 23 = 40,800 Wochen
zur Fluth) 600l
Total 1656 = 72 X 23 = 86,400 Wochen
207
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a
Diese Abtheilung in verschiedene Perioden
war durch Legenden begründet. Denn mit dem
ersten Jahre der zweiten Periode erschien das
Seemonstrum, das unentgeltlichen Unterricht den
Sterblichen ertheilte. Mit dem sechsten Könige
208
beginnt ebenfalls eine ganze Reihe von solchen
Erscheinungen, und wahrscheinlich hat die Ge-
schieh tserzählung des Berosus selbst alle diese
Mythen genauer auseinandergesetzt.
Wir wissen natürlich nichts über die einst
bestandenen Legenden der biblischen Urväter,
brauchen also diese augenscheinlich vorsätzliche
Trennung der fünf ersten, der drei folgenden,
und der zwei letzten nicht zu erklären.
Das Verhältniß der in diesen Zahlen der Bibel
und des Berosus gegebenen, ist wie 1:260^728.
Die fractionäre Proportion leitet sich her aus
der Substitution von 5 Jahren für eine Woche.
Diese Zahl von fünf Jahren entspricht 60
Monaten, oder einem Monatsoss. In den griechi-
schen Fragmenten sind die babylonischen Regie-
rungen durch Saren von 3600 Jahren gegeben,
deren jeder bekanntlich 6 Neren zu 600 Jahren,
und 60 Sossen zu 60 Jahren enthält.
Die Worte Sar, Ner und Soss bedeuten nur
die Zahlen 3600, 600 und 60, sie können sich
auf alle zählbaren Gegenstände anwenden lassen.
Wir wollen des Üeberblicks halber die Rah-
men, oder die Cadres, um den französischen
Ausdruck zu gebrauchen , auf die Einheit redu-
cirt, in beiden Ueberlieferungen zusammenstellen.
Bibel
1
5^723
2
4^723
3
3«V23
4
3 V23
5
21723
6
7 V23
7
2^723
8
8 728
9
7^723
10
26 723
20
18
34
72
Chaldäa
6
1,8
7,8
7,2
10,8
6
10,8
6
4,8
10,8
72
15,6
18
38,4
209
Die drei Perioden theilen sich dann so ab:
Bibel Cbaldäa
1. Periode 20 15,6
2. » 18 18
3. y 34 38,4
72 72
Man sieht also, dass nur die Einzelheiten
dieser Zeitrechnung verändert sind : in dem Rah-
men haben sie denselben Ursprung, und stim-
men im Ganzen und Großen auch in den ünter-
abtheilungen zusammen.
Es geht ferner aus dem Gesagten hervor,
daß die Zahlen der hebräischen Bibel
die ursprünglichen sind, da ja nicht vor-
auszusetzen ist, daß die Zahl der Uebersetzun-
gen im Urtexte gefälscht sein, um sie mit einem
ausländischen System in Einklang zu bringen,
und namentlich auch die Uebereinstimmung äu-
ßerlich keineswegs leicht zu errathen wäre.
Wichtiger für die Culturgeschichte ist aller-
dings der Umstand, daß das ganze biblische Sy-
stem zu einer Zeit entstanden ist, wo man die
wahre Länge des Sonnenjahres schon ziemlich
annähernd erkannte.
III. Die nachsintfluthliche Legendenzeit.
Schon vor mehreren Jahren hatte der Ver-
fasser die berosianische Chronologie, sowohl die
der heroischen Zeit, als auch die der geschicht-
lichen , einer genaueren Prüfung unterworfen.
Die Resultate sind zuerst im Athenee oriental
1871 erschienen, später wiederholt worden in
dem Bericht des Brüsseler prähistorischen Con-
gresses 1872, und in den Transactions des Lon-
doner Orientalistencongresses 1874, so wie in
210
einigen andern Schriften ^). Die dort ausgeführ-
ten Auseinandersetzungen erhalten nun ihre da-
mals ganz ungeahnte, unwiderlegliche Bestäti-
gung durch die biblischen Zahlen.
Aus dem armenischen Eusebius und dem Syn-
cellus ist bekannt, daß die mythische Zeit nach
Cyclen gerechnet 39,180 Jahre umfaßte. Nach
der Sintfluth regierten:
Evechoos . . 4 Neren = 2400 Jahr
Chomasbelus 4 Neren 5 Sossen = 2700 »
86 andere chal-
däische Könige
während 9 Saren, 2 Neren, 8 Sossen =34080 »
39180 »
Diese Zahl zerlegt sich so:
12 Sonnen Perioden zu 1460 Jahren = 17520 J.
12 Lunarperioden zu 1805 » = 21660 »
Total = 39180 »
Die Chaldäer kannten natürlich die Sothis-
perioden vor 1460 Jahren (4 X 365), in wel-
cher ein Datum des vagen Jahres von 365 Ta-
gen durch' alle Jahreszeiten rückwärts laufend,
wieder auf den ursprünglichen Stand zurück-
kehrt. Diese Periode hat denselben Ausgangs-
punkt in Aegypten wie in Babylon.
Die Periode von 1805 Jahren , oder 22,325
synodischen, 24,227 dracouitischen Monaten war
eine der Apokatastasen, oder ordines ab integro,
von der die Alten reden. Nach 1805 Jahren
kehren die Finsternisse in derselben Folge wie-
der, und diese Thatsachen konnten die Babylo-
nier wohl durch Beobachtung, aber nicht durch
Rechnung erkannt haben.
1) z. B. im Convers.-Lex. Art. Babylon, Assyrien, in
den Reoords of the Fast, vol. YII u. s. w.
211
Eine solche Periode ging unter Sargons Re-
gieruug im Jahre 712 vor Chr. za Ende*). Die
ägyptische Sothisperiode schloß, nach Censori-
uus, mit dem 20. Juli 139 nach Christo, unter
dem zweiten Consulat des Antoniuns Pius, und
des Bruttius Praesens.
Beide Cyclen haben ihren gemeinsamen Ur-
sprung in einer sehr entlegenen Periode, das ist
11,542 vor Christo, wie aus folgender Rechnung
hervorgeht.
Aegypten (1460 Jahr) Chaldäa (1805 Jahr)
139 nach Chr. 712 vor Chr.
1322 > » 2517 > »
2782 * » 4322 » »
4242 * * 6127 ^ »
5702 > » 7932 » »
7162 » » 9737 » >
8622 » » 11542 » »
10082 » »
11542 » »
Zu dieser Zeit muß man in einem südlichen
Lande, wo wegen des Vorrückens der Nacht-
gleichen der Sirius allein sichtbar war, den sonst
kaum erkennbaren Stern während einer totalen
Sonnenfinsterniß gesehn haben ; und an dieses,
in dem Gedächtniß der Menschen verbleibende
Phänomen schloß mau später die beiden Perio-
den an.
Mit dem Jahre 2517 endet nun die nach
Cyclen gerechnete Zeit; dieses Datum trifft fast
genau zusammen mit der in eine vollständig hi-
storische Epoche fallende Einnahme Babylons
durch die sogenannten Meder des Berosus. Ge-
nau fiel dieses Ereigniß 11 Jahre später, in das
1) Siehe meine Rec. of the Past. VII, p. 23 de
großen Inschrift p. 154 und Dur>Sarkayau p. 37.
212
Jahr 2506, da hier Ensebius 34091 Jahre au-
giebt^), nach den 5100 Jahren der beiden er-
sten Könige.
Als Datum der Sintfluth nahmen die Chal-
däer also 41,697 v. Chr. an.
Wenn man nun diese Zahl 39,180 und ihre
beiden Elemente in Sosseu ausdrückt, so findet
man:
17,520 Jahr = 292 Sossen
21,660 » =361 »
39,180 Jahr = 653 Sossen.
Man wolle sich die Zahlen merken:
Zwei Hundert zwei und neunzig,
Drei Hundert ein und sechszig, und ihre
Summe :
Sechs Hundert drei und fünfzig.
1) Im Texte des Eusebius steht 33091, Syncellus hat
34090, und giebt dazu die Erklärung durch 9 Saren, 2
Neren und 8 Sossen, was 34080 macht. Man hat, frei-
lich durch die jetzige corrupte Fassung des Textes ent-
schuldigt, die letzte Zahl irrig für die Gesammtzahl ge-
nommen, was- schon gegen die überall, wie auch im Be-
rosus befolgte Art der Aufzählung ist. Entweder giebt
man die Posten allein an, oder die Summe allein, oder
alle Posten und die Summe zusammen. Aber niemals
wird man erst zwei Posten 2400, 2700, darauf die Ge-
sammtzahl 34091 aufführen, und endlich den dritten
viel wichtigeren Posten, das wäre 28,991 verschweigen.
Wenn also 2400, 2700 und 34091 sich hintereinander
finden, so müssen sie addirt und die beiden ersten
dürfen gar nicht von der letzten subtrahirt werden. Die
ganze Aufzählung des Berosus besteht nun aus einzelnen
gar nicht in der Summe gegebenen Posten , deren sich
ja noch sechs finden. Außerdem ist ja die Summe von
5100 nöthig, um die 470,000 des Cicero, die ganz ge-
nauen 473,000 des Diodor bis Alexander (II, 31) hervor-
zubringen; sonst bekäme man nur 468000 Jahre. Die
ganze Rechnung wird aber noch durch die biblischen
Zahlen bestätigt.
213
Wenden wir uns jetzt zur Bibel, und den
hebräischen Zahlen der nachsintfluthlichen Pa-
triarchen.
Man rechnet von der
Sintfluth bis zur Gebi
Von da » » »
» > »
» » »
» » »
ies
Arphaxad
Salah
2 Jahr
35 >
Eber
30 >
Peleg
Reu
34 »
30 »
Serug
Nahor
32 »
30 »
Terah
29 »
Abraham
70 »
292 Jahr
Also von der Sintfluth bis auf Abrahams
Geburt :
Zwei Hundert zwei und neunzig Jahr.
Man rechnet ferner:
Von Abrahams Geburt bis auf Isaaks Geb. 100 J.
Von Isaaks Geburt bis auf die Jacobs 60 »
Von Jacobs Geburt bis auf die Josephs^) 91 »
Alter Josephs HO >
361 J".
Also von Abrahams Geburt bis zum Ende
der Genesis:
Drei Hundert ein und sechszig Jahr.
Die ganze Zeit also von der Sintfluth bis
auf Josephs Tod ist:
Sechs Hundert drei und fünfzig Jahr.
Diese üebereinstimmung bedarf keiner wei-
teren Worte ^); die Zahlen sprechen laut genug.
1) Jacob war zur Zeit des Einzugs in Aegypten
130 Jahr alt und Joseph 39 (Gen. 41, 46, 47, 48. 45, 6.
47, 9).
2) Man bemerke, daß hier keine Primzahlen sind
wie 2, 3, 5, 7, sondern 73, 19, 653, die sich nicht hin-
eindemonstnren lassen, wenn sie nicht da sind.
214
Wo also die Chaldäer 5 Jalire rechneten,
zählte man in der Bibel nicht mehr eine Woche,
wie in der vorsintfluthlichen Periode, sondern
einen Monat, oder auf einen Soss ein Jahr.
Es erklärt sich nun auch, warum aus dieser
Annahme von 292 Jahren für die erste Periode,
die schon im Alterthum bekannte Anomalie ent-
stand, daß alle Patriarchen, Noah eingerech-
net, Zeitgenossen Abrahams und seiner Söhne
wurden. Die Siebenzig, wie die Samaritaner
und Josephus haben dem Unglaublichen dadurch
abzuhelfen gesucht, dass sie alle Zwischenräume
zwischen den Geburten um je 100 Jahre ver-
größerten. Diese Fälschung der ursprünglichen
Zahlen hatte aber Josephus vergessen, als er
(Ant. I, 5, 6) 292 Jahre zwischen der Sintfluth
und Abrahams Geburt angab.
Die hebräischen Zahlen sind somit die ur-
sprünglichen; sie sind aus derselben Quelle ge-
flossen, aus der die chaldäische Cyclenrechnung
entstanden ist. Sie sind augenscheinlich festge-
stellt, ehe die Ziffern, die das Alter der Patriar-
chen angeben, hinzugefügt wurden.
Die Zahlenreihen verhalten sich , wie gesagt,
wie 1 : 60. Der Entstehung derselben wegen
kann aber als Einheit nicht weniger als 1460 -f-
1805 = 3265 angenommen werden, die die He-
bräer auf ein Fünftel reducirten, während die
Chaldäer sie um das Zwölffache vergrößerten.
IV. Die Altersangaben.
Außer den Zahlen die den Zwischenraum
zwischen den Epochen darstellen, finden sich in
der Genesis bekanntlich auch die Bestimmungen
des Gesammtalters , welches die Patriarchen er-
215
reichten. Anch über diese Zahl?n besteht eine
ganze Litteratnr.
Meine Ansicht ist , daß so lange wir nicht
die Ziffern besitzen, die einst den biblischen Al-
tersaugaben in den chaldäischen Sagen entspre-
chen, wir kein endgültiges Urtheil über das We-
sen derselben fällen dürfen: aus welchen Zahlen
die Summen arithmetisch zusammengesetzt sind,
ist eben so leicht zu wissen, als in Faseleien
über diese Zahlen zu verfallen.
Die zehn vorsintfluthlichen Patriarchen ha-
ben zusammen 8575 Jahre gelebt, das ist 25 X
343, oder das Quadrat von 5 multiplicirt mit
dem Cubus von 7; aber was nützt uus das,
wenn wir nicht wissen, woher die Zahl kommt?
Die neun Patriarchen nach der Sintfluth von
Sem bis Terah ist nach den Zahlen der Bibel
2998, die von Arphaxad bis Jacob 2898, das
ist 23 X 126, oder 2. 3*. 7. 23.
Abraham, Isaak und Jakob lebten zusammen
502 Jahre, mit den andern nenn giebt dieses
3500.
Nach einer andern Fassung ist das Alt^r
Sems von der Sintfluth ab gerechnet, 502,
nicht 602 Jahr: dann hätte man nur 3400, das
ist 17 mal 200 Jahr.
Die Siebenzig haben fast dieselben Ziffern;
nur scheint eine doppelte Urredaction sich für
eine Zahl erhalten zu haben, das ist das Alter
Lamech, Vater Noah, der laut dem hebr. Texte
und bei Josephus 777 Jahr, nach den Siebenzig
aber nur 753 Jahr lebte. Hier könnte man al-
lerdings als die schwerere Lesart die der Sieben-
zigansehen , und die sieben Hundert sieben und
siebenzig aus der Analogie der sieben und sieben-
zigfältigen Rache ob des Mordes des andern La-
mechs, Kains Nachkommen, herleiten (Gen. 4, 24),
216
Dann würden die vorsintfluthlichen Patriar-
clien nur 8551, oder 17 mal 503 Jahr ausma-
chen, und die aller Patriarchen Jacob inbegrif-
fen 11,951 oder 17 X 703, d. i. 17 X 19 X
37 Jahr.
Diese Zahl aber kann eine der Apokatasta-
sen sein, von der die Alten reden, die auch zum
Theil als Phönixperioden aufgeführt werden.
Um ein merkwürdiges Zusammentreffen indessen
nicht zu verschweigen, wollen wir den ganzen
Zeitraum feststellen, den die Chaldäer zwischen
der Schöpfung und der historischen Zeit annah-
men. Wir haben:
Die Schöpfungszeit 1,680,000 Jahr
Die vorsintfluthliche Zeit 432,000 »
Die nachsintfluthliche Zeit 39,180 »
Total der mythischen Zeit 2,151,180 Jahr.
Diese Zahl ist zu zerlegen in 2^. 3^. 5. 17.
19. 37., d. i. gerade 180 mal die oben genannte
Zahl: eilf Tausend neun Hundert und ein und
fünfzig.
Wir durften auf jeden Fall diese Coi'ncidenz
nicht verschweigen. Die Zahl 180 ist auch keine,
die auf einen Zufall schließen läßt, sondern mehr
oder weniger auf eine Absicht; vielleicht ist die
Zahl 11,951 weiter nichts als eine Reduction der
angegebenen 2,151,180.
Aehnliche Zahlen finden sich auch anderswo.
Cicero (beiTacitus, Dial. c. 16) setzte das große
Jahr auf 12954 Jahr, und Solinus führt dieselbe
Zahl als Phönixperiode an. Auch diese Ziffer ist
durch 17 theilbar, und 17x762; sie ist von der
bibl. Summe um 1003, d. i. 17x59 verschieden.
Die Ziffer 59 ist eine Lunarzahl. Was 17 an-
belangt, welches in so vielen Zahlen erscheint ^),
1) In den Altersangaben der ersten Patriarchen z.B.
Methuselah 969 = 187 + 782, d. i. 17 mal 57 = 11
217
so mag der Cyclns von 17 Jahr eine Wieder-
kehr des Merkur und des Mars bedeuten, da
in dieser Zeit jener 70 mal, dieser 9 mal um die
Sonne kreisend , beide auf denselben Punkt zu-
rückkommen. Dies ist ein plausibler Grund; es
kann aber noch einen andern geben, an den wir
nicht denken. Die Planetencyclen anwenden zu
wollen, wären auch brodlose Künste. Uns genügt
darauf hingewiesen zu haben, daß die Gesammt-
zahl 11,951 aus 2,151,180 durch Division mit
180 entstanden sein kann.
Doch darf auch hier nicht außer Acht ge-
lassen werden, daß in dieser Rechnung Sems
Jahre nur von der Siutfluth ab berechnet wer-
den. Zählt man diese zu dem Hauptfacit hinzu,
so bekommt mau, indem man sich strikt an die
hebräischen Ziffern hält, für
das Alter der zehn vorsintfluthlicheu Pa-
triarchen 8575
das Alter der zwölf nachsintfluthlichen
Patriarchen 3500
Und in Summa 12075
Auch diese Zahl ist nicht zufällig, sondern
3. 5^. 7. 23 ; wendete man also auf sie die Um-
wandlung 23:6000 an, so würde mau auf 3,150,000
oder 315 Myriaden kommen, entsprechend 630,000
oder 9 mal 70,000 Wochen.
Aber die biblischen ZiflFern haben auch ih-
ren vollkommenen Grund; denn 12075 ist 35
mal 345, und 345 ist der Unterschied zwischen
+ 46 ; die Zahl 969 = 3 x 17 x 19 verhält sich also
zu 11,951 wie 3 zu 37, und ist in den 2,151,180 Jahren
2220 mal enthalten. Vergleiche auch Lamechs biblische
Zahlen 595 = 35 x 17 und andere.
19
218
1460 und 1805. Die Eclipsenperiode wurde also
augesehen als eine Sothisperiode vermehrt um
18000 Wochen.
Dieser Lunarcyclus von 1805 findet sich aber
geradezu wieder, wenn man Josephs Alter hinzu-
zählt, denn dann erhält man für die Zeit aller
uachsintfluthlichen Patriarchen 3610 Jahr, das
ist zwei Lunarperioden.
Man sieht also , daß diese rein hebräische
Rechnungsweise ebenfalls ihre strenge Begrün-
dung hatte und auf einer ganz durchgearbeite-
ten , von der ersten verschiedenen Systematik
beruht. Es bestanden höchst wahrscheinlich meh-
rere Systeme, von denen das eine sich durch die
Zahl 753 derSiebenzig erhalten hat, das andere
durch die hebräische Bibel dargestellt wird.
Und somit wird klar sein, daß die Altersziffern
erst später zu den Geschlechtszwischenräumen
hinzugefügt wurden und von diesen ganz unab-
hängig sind. So mögen sich die schon im Al-
terthum anstößig gewordenen Schwierigkeiten
ihrem Ursprünge nach erklären.
Wir setzen zur Uebersicht die beiden Rei-
hen her.
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220
Das erste ist also der ISOste Theil der
2,151,180 Jahr, und verhält sich zum Alter des
ältesten Menschen wie 37 : 3. Es theilt die Pa-
triarchen ab in die zehn vorsintfluthlichen und
die zwölf uachsintfluthlichen.
Das zweite System theilt die eilf vor der
Fluth lebenden in zwei Gruppen von 4 und 7,
und macht eine andere Gruppe aus den eilf
nach der Fluth geboreneu : was in Wochen ist :
Vor derSintfluth 4: 190800 Wochen 7ß^7n^oA
» » » 7:288000 » ^^Xf^X^^
Nach » » 11: 151200 » 24x70x90
Summa 630000 » =100x70x90
Auf die einzelnen Posten einzugehen, wäre
vergebliche Arbeit.
V. Mögliche Folgerungen.
Die Geburt Abrahams bildet, wie wir gesehn,
einen Zeitabschnitt , der chronologisch fingirt
wurde. Ein anderer Beweis liegt in der Auf-
zählung folgender Daten vor, die sich an den
Salomonischen Tempelbau, als die erste wirklich
zeitlich bestimmte Periode anschließen.
Wir haben nämlich :
Von Abrahams Geburt bis zu
Isaaks Geburt 100 Jahre
Von da bis auf Jacobs Geburt 60 »
Von da bis zum Einzüge in
Aegypten 130 »
Von da bis zum Auszuge . . 430 »
Von da bis zum Tempelbau . 480 » ..
Also von Abrahams Geburt bis
zum Tempelbau 1200 Jahre
Es wäre ferner:
Vom Tempelbau bis zur Sintfluth 1492 Jahre.
221
Da jetzt mit Gewißheit auzuuehmen i^i, Jaß
der Salomonische Tempelbau im Jahr 1014 v.
Chr. stattgehabt hat, 00 würde der Urheber der
Chronologie der Genesis die Sintflnth in das
Jahr 2506 v. Ch. gesetzt haben.
Nun fällt aber der Anfang des babylonischen
Lunarcyclus auf 2517 (712 + 1805). Dieser
traf beinahe bis auf 1 1 Jahr, mit dem ersten hi-
storischen Ereignisse zusammen , das einer voll-
kommen bekannten Zeit angehört, da das Jahr
2283 V. Chr. ja von Assurbanhabal angegeben
wird. Die wirkliche Zeit die von der Sintfluth
bis auf die Einnahme Babylons durch die Meder
verflossen ist, ist aber nicht 39,180 (5100 -|-
34,080), sondern 39,191 (5100 + 34,091) Jahr^).
Es fällt also die biblische Zeitrechnung der
Sintfluth zusammen mit dem Ausgangspunkte
wirklicher Geschichte in Babylon, d. i. auf das
Jahr 2506 v. Chr.
Ist dieses ein Zufall? Aus mathematischen
Gründen wage ich nicht, das Gegentheil zu be-
haupten. Denn ist dieser Ausgangspunkt ab-
sichtlich gewählt, so wäre die Zahl zwölfhundert
des Zwischenraums zwischen Abrahams Geburt
und dem Tempel allerdings nur ein zufälliges
Zusammentreffen. Diese Zahl könnte absichtlich
1) So erklärt sich denn auch warum bei der Herr-
schaft der Meder eine doppelte Angabe vorliegt, 234
und 224 Jahre. Der streng geforderte Unterschied der
überflüssigen Einheit (richtiger könnte 223 sein) darf uns
bei wirklicher Zeitrechnung nicht aufhalten, wenn die Dy-
nastie eben zwischen 223 und 224 Jahren regiert hat.
Da nun das Jahr 2283 v. Chr. (648 -f 1635) nach den
Annalen Assurbanhabals feststeht, bezieht sich 234 auf
den Zwischenraum vom Cyclusbeginn ab, und 224 auf
den von dem wirklichen Ereigniß an. Daß auch die
zweite Dynastie 224 Jahre herrschte, ist anderswo nach-
gewiesen.
222
scheinen, obgleich dieses nicht erwiesen ist.
Denn der Zwischenraum von 480 Jahren zwi-
schen dem Auszuge und dem Tempelbau kann
so gut historisch sein, wie das Intervall von
1000 Jahren (814 — 1814) zwischen dem Regie-
rungsende Karls des Grossen und dem Napoleons.
Die eigentliche Kritik dieser Zahlenverhältnisse
besteht darin , daß mau das Absichtliche vom
rein Zufälligen zu unterscheiden weiß.
VI. Schluß.
Die Genesis stellt also die vorchronologische
Zeit der biblischen Geschichte dar. Wir sagen
absichtlich, der biblischen Geschichte. Wenn-
gleich ohne Feststellung der zeitlichen Verhält-
nisse, bietet doch das erste Buch des Peutateachs
eine Reihe von Mittheilungen der kostbarsten
Art dar, und manche der darin enthaltenen Ur-
kunden wären unersetzlich, wenn wir sie nicht
besäßen. Aber der zeitgeschichtliche Rahmen
ist von andern Völkern entlehnt und wenn auch
im Ganzen und Großen die Zahlen des letzten
Theils der Genesis mit der Wirklichkeit nahe
zusammentreffen sollten, so ermangelt doch dieses
Buch ebenso sehr einer wahren Chronologie, als
das Gegentheil hiervon von der Zeit der Könige
zu beweisen ist.
Von ungleich folgenschwererer Bedeutung, als
diese Negation es sein kann, ist aber der unab-
weisbare Schluß, der aus der vorstehenden Aus-
führung auf das hohe Alter menschlicher Gesit-
tung zu ziehen ist. Ernste Männer, von wah-
rem Wissenschaftsgeist beseelt, wie Hipparch
von Alexandrien *), setzten das ungeheure Alter-
1) ProcluB im Tim. p. 31, c.
223
tham chaldäischer Beobachtungen außer Zweifel,
und diese Ansicht ist durch die ganze Eutwicke-
tung der Zahlen der Genesis vollständig bestä-
ligt. Mögen immerhin die Myriade nzahleu über-
trieben sein: eine Thatsache steht unangefoch-
ten fest. Die Chaldäer kannten die Luuarpe-
rioden von 1805 Jahren; aber durch Rechnung
hatten sie dieselbe nicht zu erfinden vermocht.
Nur durch lange während Jahrtausende fortge-
setzte Beobachtungen und durch periodische Auf-
zeichnungen derselben konnte das Volk im Eu-
phratthal zu diesem Resultate gelangt sein. Die
Berichte der Alten über die fabelhaft klingen-
den Zeiträume sind also, was also die Sache
selbst anbelangt, nicht ganz in das Reich der
Mährchen zu versetzen.
Ist auch die Geschichte jung, die menschli-
che Gesittung ist uralt
Paris, März 1877.
üeber die Identität
fl/I' — f dz ,
l .
1/A-^ - h dz _ Q
\y{z-l){z-V){z--kY{z~lc'y
J. Thomae in Freiburg i. Er.
In meiner Monographie ȟber eine specielle
Klasse Abelscher Functionen. Halle bei L. Ne-
224
bert«, habe ich mittelst Eigenschaften der The-
tafunctionen die Gleichheit der beiden Integrale
erwiesen
CyV-t d0 _ Cy¥ — k dz
worin
sss — P:^, «gg = ^:P, P = (^-Z;)(^ — Ä^),
^ = (^-f)(^~f^)
ist. Diese Identität soll hier direct durch die
Mittel der Integralrechnung bewiesen werden.
Setzen wir hierzu
if = ^' p = ^'
kl k
dz
«P
so sind die Periodicitätsmoduln der überall end-
lichen Integrale
w = fdz'.s"^, \s> = fdz\9>V
k k
bez. lineare Functionen von A^ B und
Hieraus folgt, daß die Determinanten
A,
B,
dw d^w
dk' W
dA d'^A
'Wc d¥
dB d^B
W d¥
dxä
d'XD
dJc
dk^
d%
dm
dJc
dk'
dS8
d'^SÖ
dk
dk^
= T)
225
einwerthige, also rationale Ftmctionen von s und
e sind. Betrachten wir die zweite ® , so be-
5
merken wir, daß sie im Puncte wie {z — k) ^
unendlich wird, und in den Punkten k^, f, V ver-
schwindet, weil dort das Integral Werthe hat,
die lineare Functionen von 31 und Sß sind. Hier-
nach ist !D in der Form enthalten
3^ =
E.&^e-k')-\-F.9{j3-k')
Entwickelt man aber T) nach Potenzen von 2 — k
indem man lo , dto : dk df*© : dk^ entwickelt , so
folgt sofort
s — fc
also ein Glied {z — k) ^ kommt nicht vor, und
die Constante F muß nothwendig Null sein,
so daß
3^ = E.&^z — k^):(z--k)
zu setzen ist. Schreiben wir nun weiter P' für
dP:dz, ^' für d^idz
W dk^
dSÖ d^SÖ
'dk' dF
= E.L,
d^
dJ^'
«,
E.][A%
d^
~dk
dSÖ
=E.N,
so erhalten wir die Gleichung
226
und durch Differentiation derselben nach z und
Multiplication mit 9(^ — ky^P zur Bestimmung
der Coefficienten die Gleichung
und durch wiederholtes Differenziren hieraus
6ilf+18i^(0— Ä;) = 9^'(Ä;i — Ä;)+12(P-^),
lSN = 18(¥ — k) 4.12(! + !^— Ä—Ä;^),
woraus fließt:
i=3(f-Ä)(fl--^)(Äl_/fc), Jf=|(2Ä — f — fi)
~2(!— Ä;) (!»-Jfc), N= ¥—Jc-{- |(f + fi—Ä—Z;»),
so daß wir die Differentialgleichung erhalten
-\-[W'—^)+i{'t+t'-k-k')\xo=29^{0—k^]:S[js-k)
Aus der Determinante D läßt sich auf ganz
gleiche Weise eine Differentialgleichung für w
herleiten , was bereits in der oben erwähnten
227
Monographie auf Seite 27 geschehen ist. Sie
lautet
Die Losungen der reducirten Gleichungen
G = 0, ® = 0
sind bez.
w = aÄ-{-ßB, tt) = y214-d©.
Nun wird aber die Gleichung (? = 0 in die
Gleichung ® = 0 durch die Substitution
wie man sich durch Ausrechnung überzeugt,
übergeführt, und es muß demnach
yF^-kSd = nyV^A-^e y¥^B
&in, worin l m n o von k und wegen der Sym-
letrie auch von t , V , k^ unabhängig sind.
Läßt man k auf ! fallen, so werden B und
\Sd unendlich, läßt man k^ auf f fallen , so wer-
[den A und S unendlich, woraus folgt, daß in
und n Null sind, und also ist
228
Die Constanten t und o sind numerische.
Um t auszuwerthen lassen wir 7c mit t zusam-
men fallen, nachdem wir vorher die Grenze und
den Integrationsweg durch eine Schlinge um k t
herum ersetzt haben. Durch Anwendung des
Cauchy'schen Satzes erhält man dann für l eine
sechste Wurzel der Einheit. Denkt man sich die
Je t k^ V reell und der Grösse nach wie sie hier
stehen geordnet und werden die dritten Wurzeln
s und i zwischen k und t, also auf dem Inte-
grationswege reell genommen, so ist alles reell,
öP negativ s^ positiv und also ist für die sechste
Wurzel der Einheit die Eins zu wählen. Damit
ist die Gleichung
yk — kd^ Cyi — td0
8.P "^1 s.«ß ~"
= 0
erwiesen.
Ilniyersität.
Der bisherige Privatdocent in der theologi-
schen Facultät Lic. theol. Bernhard Du hm ist
zum außerordentlichen Professor in der theologi-
schen und der Privatdocent in der medicinischen
Facultät Dr. med. Julius Rosenbach zum au-
ßerordentlichen Professor in der medicinischen
Facultät der hiesigen Universität ernannt.
229
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
23. Mai. M 11. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wisseaschafteo.
Oeffentliche Sitzung am 30. April.
Zur Feier der hundertsteu Wiederkehr
von Gauß Geburtstage.
Die Königliche Gesellschaft hatte zur Gauß-
feier die auswärtigen Mitglieder und die Corre-
spondenten ihrer mathematischen Classe einge-
laden.
Die öffentliche Festsitzung fand in dem Pro-
motions-Saale der Aula statt und begann 11 Uhr
Morgens. Sie wurde von dem derzeitigen Vor-
sitzenden der Gesellschaft, dem Herrn Prof. Wü-
stenfeld eröffnet. Derselbe bewillkommnete die
zahlreich erschienenen auswärtigen Gäste, er-
theilte sodann dem Herrn Prof. Dr. Borchardt
das Wort, und dieser verlas die Begrüßungsschrift
der Königlichen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin :
»An die Königliche Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Göttingen.
>Mit freudiger Theilnahme begrüßen wir die
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften bei
21
230
der Feier des Tages, an dem vor hundert Jahren
der außerordentliche Mann geboren wurde, des-
sen unvergleichliches Genie als unmittelbare
Zeugin seines Schaffens zu bewundern fast fünf
Decennien lang unserer Schwester-Akademie ver-
gönnt gewesen ist.
»CARL FRIEDRICH GAUSS ist von den Zeitgenos-
sen Princeps Mathematicorum genannt worden,
und die Geschichte wird seinen Anspruch auf
diesen Namen bestätigen. In höherem Maße
als irgend einen der großen Geometer der letz-
ten beiden Jahrhunderte kennzeichnet ihn die
seltene Vereinigung, in welcher er zugleich die
erschöpfende Tiefe speculativer Forschung und
die Fähigkeit, das theoretisch Erkannte bis in
das feinste Detail der Anwendung fruchtbar zu
verwerthen, besaß, eine Vereinigung, die es be-
greifen läßt, daß der Verfasser der Disquisitiones
arithmeticae und der Abhandlungen über die
quadratischen und biquadratischen Reste auch
die Theoria motus corporum coelestium schrei-
ben, als praktischer Astronom und Geodät zu
den seiner Zeit vorangehenden Führern gehören,
die Theorie des Erdmagnetismus begründen und
an der Ausbildung der elektrischen Telegraphie
einen entscheidenden Antheil nehmen konnte.
Ebenso charakteristisch für ihn und nicht min-
der bewuudernswerth als der glänzende Erfolg
seiner Thätigkeit ist die frühe Reife seines Gei-
stes , die Fülle fruchtbarer Gedanken , in deren
Besitz wir ihn schon beim Beginn seiner Lauf-
bahn sehen, und die vollendete Form, in wel-
cher er, dem Grundsatze »Pauca sed matura«
folgend, die Ergebnisse seiner Forschungen der
Welt darbot. Waren doch schon seine Erst-
lingsarbeiten Meisterwerke von unvergänglichem
Werthe, aus denen man mit Erstaunen erkannte,
231
daß der jugendliche Verfasser bereits auf der
Höhe seiner Wissenschaft stehe und seines Ziels
sich klar bewußt sei. Vor allem aber offenbart
sich seine geistige Ueberlegenheit in dem bestim-
menden Einfluß, den er auf Richtung und Gang
der mathematischen Forschung seiner und unserer
Zeit dadurch ausgeübt hat, daß er bei seinen
Untersuchungen tiberall zu den Prinzipien durch-
zudringen, die Grundbegriffe der exakten Wis-
senschaften zu reinigen und zu erweitern, ver-
einzelt und unerklärt dastehende Thatsachen mit
allgemeinen Gesetzen in Zusammenhang zu brin-
gen, und mit der Freiheit der Bewegung, welche
die neuere Analysis dem mathematischen For-
scher gestattet, die Strenge der antiken Metho-
den zu vereinigen verstand.
»Möge die von der Societät veranstaltete Feier,
zu welcher, wie wir hoffen, zahlreiche Vertreter
der verschiedenen mathematischen Disciplinen
in Göttingen sich einfinden werden, der Welt
kundgeben, daß die heutige Generation mit der-
selben ehrfurchtsvollen Bewunderung wie die
dahingegangene zu GAUSS als ihrem Meister
und leuchtendem Vorbild emporblickt, und in
seinem Geiste an dem Weiterbau der Wissen-
schaft mitzuarbeiten gesonnen ist.
Berlin den 26. April 1877.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften.
Th. Mommsen. E. E. Kummer. E. du Bois Reymond.«
Danach erhielt Herr Francesco Brioschi, Pro-
fessor und Senator del Regno aus Mailand das
Wort zur Mittheilung der Begrüßungsschreiben
und der Vollmachten, durch welche er von den
Körperschaften »Reale Istituto Lombardo di
232
Scienze e Lettere« in Mailand, »Reale Accademia
de Lincei« in Rom, »Regia Universitä di Pavia«
zu deren Stellvertreter bei dem Gaußfeste er-
nannt ist.
Der Vorsitzende, Herr Professor Wüstenfeld
macht ferner die Mittheilung wie Se. Excellenz
der Minister der geistlichen, Unterrichts- und
Medicinal - Angelegenheiten schriftlich sein Be-
dauern ausgedrückt habe, daß Amtsgeschäfte
ihn verhinderen, seine Verehrung für den Geist
und die Leistungen des berühmten Mannes, des-
sen langjähriger Besitz für die Gesellschaft der
Wissenschaften ebenso wie für die Universität
Göttingen einen Gegenstand berechtigten Stolzes
bilde, durch persönliche Gegenwart bei dem Er-
innerungsfeste zu bezeugen.
Nachdem der Vorsitzende noch das von der
Ungarischen Akademie der Wissenschaften in
Budapest an die hiesige Gesellschaft gerichtete
Begrüßungsschreiben vorgelesen hatte, forderte
er den unterzeichneten Berichterstatter zu einer
Darstellung der wissenschaftlichen Thätigkeit
des gefeierten Mannes auf.
Es wurde in dieser Rede, welche vollständig
in den Abhandlungen der Königlichen Gesell-
schaft der Wissenschaften erscheint, hervorge-
hoben, wie Gauß große Begabung in der Er-
kennung der Eigenschaften der Zahlen so außer-
ordentlich frühzeitig sich zu erkennen gab, daß,
außer anderen durch mündliche Mittheilungen,
durch seine Briefe und durch den handschrift-
lichen Nachlaß bekannt gewordenen Leistungen,
er im noch nicht vollendeten 19. Lebensjahre
am 30. März 1796 als eine Anwendung seiner
Theorie der Zahlen diejenige Entdeckung machte,
welche in der Geschichte der Wissenschaften
immer eine der glänzendsten Erscheinungen
233
bilden wird und welche er mit den Worten ver-
öffentlichte :
»Es ist jedem Anfänger der Geometrie be-
kannt , daß verschiedene reguläre Vielecke , na-
mentlich das Dreieck, Viereck, Fünfeck, Fünf-
zehneck und die, welche durch wiederholte
Verdoppelung der Seitenzahl eines derselben,
entstehen, sich geometrisch construiren lassen.
»So weit war man schon zu Euklids Zeit,
und es scheint, man habe sich seitdem allge-
mein überredet, daß das Gebiet der Elementar-
georaetrie sich nicht weiter erstrecke : wenig-
stens kenne ich keinen geglückten Versuch ihre
Grenzen auf dieser Seite zu erweitern.
»Desto mehr, dünkt mich, verdient die Ent-
deckung Aufmerksamkeit , daß außer jenen
regulären Vielecken noch eine Menge an-
derer, z. B. das Siebenzehneck einer geometri-
schen Construction fähig ist. Diese Entdeckung
ist eigentlich nur ein specieller Zusatz zu einer
noch nicht ganz vollendeten Theorie von grö-
ßerm Umfange, und sie soll, sobald diese ihre
Vollendung erhalten hat, dem Publicum vorge-
legt werden.
Carl Friedrich Gauß aus Braunschweig.
Studirender der Mathematik zu Göttingen.«
Er zeigte seinem Studienfreunde Wolfgang
von Bolyai die Formel, welche die durch Kreis
und gerade Linie ausführbare Zeichnung des re-
gulären 17 Ecks bestimmt und bemerkte dabei,
daß sie allein schon seinen Grabstein zieren
könne, wie der des Archimedes dessen bekann-
teste Entdeckung gezeigt habe.
Die Untersuchung der Eigenschaften der
Zahlen war Gauß früheste wissenschaftliche
234
Thätigkeit, sie blieb auch seine Lieblingsbeschäf-
tigung, und über die Art, wie er in diesem Ge-
biete Entdeckungen machte, spricht er sich auch
am lebhaftesten aus, so in einem bemerkenswer-
then Briefe vom 3ten September 1805 an den
Astronomen und Arzt Wilhelm Olbers in Bremen :
»Sie erinnern sich vielleicht noch von unse-
ren Gesprächen in Bremen her, namentlich an
dem schönen Nachmittag, den wir auf der Vahr
zubrachten , daß ich schon seit längerer Zeit
eine sehr beträchtliche Sammlung von Unter-
suchungen nicht sowohl im Pult als in petto
habe, die hinreichenden Stoff zu einem zweiten
Bande der Disquiss. Arr. geben und die, we-
nigstens meinem Urtheile nach, ebenso merk-
würdig sind, wie die im ersten enthaltenen.
»Sie erinnern sich aber auch vielleicht zu
gleicher Zeit meiner Klagen, über einen Satz,
der theils schon an sich sehr interessant ist,
theils einem sehr beträchtlichen Theile jener
Untersuchungen als Grundlage oder als Schluß-
stein dient, den ich damals schon über 2 Jahr
kannte, und der alle meine Bemühungen, einen
genügenden- Beweis zu finden, vereitelt hatte.
Dieser Mangel hat mir alles übrige, was ich
fand, verleidet und seit 4 Jahren wird selten
eine Woche hingegangen sein, wo ich nicht
einen oder den anderen vergeblichen Versuch,
diesen Knoten zu lösen, gemacht hätte — be-
sonders lebhaft nun auch wieder in der letzten
Zeit. Aber alles Brüten, alles Suchen ist um-
sonst gewesen, traurig habe ich jedesmal die
Feder wieder niederlegen müssen.
»Endlich vor ein Paar Tagen ist's gelungen
— aber nicht meinem mühsamen Suchen, son-
dern bloß durch die Gnade Gottes mögte ich
sagen. Wie der Blitz einschlägt, hat sich dag
235
Räthsel gelöst : ich selbst wäre nicht im Stande
den leitenden Faden zwischen dem, was ich
vorher wnßte, dem womit ich die letzten Ver-
suche gemacht hatte — und dem wodurch es
gelang , nachzuweisen.
»Sonderbar genug erscheint die Lösung des
Räthsels jetzt leichter als manches andere, was
mich wohl nicht so viele Tage aufgehalten hat,
als dieses Jahre , und gewiß wird niemand,
wenn ich diese Materie einst vortrage, von der
langen Klemme, worin es mich gesetzt hat,
eine Ahnung bekommen.«
Von den vielen epochemachenden Entdeckun-
gen, welche wir Gauß in den übrigen Theilen
der Mathematik, der Geometrie, der Mechanik,
der Astronomie und der Physik verdanken, mag
hier nur noch diejenige hervorgehoben werden,
welche von größter praktischer Bedeutung ist.
üeber diese meldet er Olbers am 20. Xovbr. 1833 :
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen schon früher
von einer großartigen Vorrichtung, die wir hier
gemacht haben , schrieb. Es ist eine galvani-
sche Kette zwischen der Sternwarte und dem
physikalischen Cabinet, durch Drähte in der
Luft über die Häuser weg, oben zum Johan-
nisthurm hinauf und wieder herab , gezogen.
Die ganze Drahtlänge wird etwa 8000 Fuß sein.
»An beiden Enden ist sie mit einem Multi-
plicator verbunden, bei mir von 170 Gewinden
bei Weber im physikalischen Cabinet von 50
Gewinden, beide um 1 Pfundige Magnetnadeln
geführt, die nach meinen Einrichtungen aufge-
hängt sind. — Ich habe eine einfache Vorrich-
tung ausgedacht, wodurch ich augenblicklich
die Richtung des Stromes umkehren kann,
die ich einen Commutator nenne.
»Wenn ich so tactmäßig an meiner galvani-
236
sehen Säule operire, so wird in sehr kurzer
Zeit (z. B. in 1 oder IV2 Minuten) die Bewe-
gung der Nadel im physikalischen Cabinet so
stark, daß sie an eine Glocke anschlägt, hörbar
in einem anderen Zimmer. Dies ist jedoch
mehr Spielerei. Die Absicht ist, daß die Be-
wegungen gesehen werden sollen , wo die
äußerste Accuratesse erreicht werden kann.
»Wir haben diese "Vorrichtung bereits zu
telegraphischen Versuchen gebraucht, die sehr
gut mit ganzen Wörtern oder kleinen Phrasen
gelungen sind.
»Diese Art zu telegraphiren hat das Ange-
nehme, daß sie von Wetter und Tageszeit ganz
unabhängig ist; jeder, der das Zeichen gibt
und der dasselbe empfängt, bleibt in seinem
Zimmer, wenn er will bei verschlossenen Fen-
sterläden. Ich bin überzeugt, daß unter An-
wendung von hinlänglich starken Drähten auf
diese Weise auf Einen Schlag von Göttin-
gen nach Hannover oder von Hannover nach
Bremen telegraphirt werden könnte.«
Von der räumlich geringen Ausdehnung der
ersten Draht -Leitung hat der elektrische Tele-
graph sich schon jetzt zu einem großen Um-
fange erweitert. Aus den von dem General-
Telegraphen -Amt zur Verfügung gestellten li-
terarischen Hülfsmitteln ergibt sich, daß auf der
ganzen Erde in einem einzigen Jahre (1874) eine
Depeschen - Anzahl von über 101 Millionen, das
ist etwa der 35 Theil der während derselben
Zeit geschriebenen Briefzahl befördert worden
sind, und daß die Gesammtlänge der Drähte
schon damals beinahe das Vierfache der Ent-
fernung des Mondes von der Erde betrug.
Der Schluß der Rede hob hervor, wie Gauß'
237
Seele von dem Streben, die Wahrheit zu suchen,
erfüllt war, wie seinen wesentlichen Charakterzng
die Gerechtigkeit bildete!
Die Nachwelt wird auch gerne die Pflicht
erfüllen, ihm, dem großen Meister, gerecht zu
sein.
Ernst Schering.
Diesem Bericht über die Festfeier der konigl.
Gesellschaft der Wissenschaften fügen wir hier
noch die Mittheilung hinzu, daß die Universität
den Tag durch einen Fest- Actus in der Aula
feierte, bei welchem Herr Professor Stern die
Gedächtnisrede hielt , welche demnächst als aka-
demische Festschrift gedruckt erscheinen wird.
Wedekindßche Preisstiftung.
Bericht über die zum zweitenmal ein-
gesendete Bearbeitung der Chronik
Hermann Korner's, erstattet für den
Verwaltungsrath der Wedekindschen
Preisstiftung für deutsche Geschichte
von dem Direktor
Hermann Sauppe.
Am 14. März 1876 berichtete der damalige
Direktor, Herr G. Reg. R. Waitz, daß in Folge
der zweiten Preisaufgabe für den dritten Ver-
waltungszeitraum (1866 — 1876) eine Bearbeitung
der verschiedenen Texte der Chronik Hermann
Korners eingegangen sei. Dieselbe könne zwar
in der vorgelegten Gestalt nicht für druckreif
22
238
gelten und es könne ihr, da sie wesentliche For-
derungen der Aufgabe nicht erfüllt habe, der
Preis nicht ohne Weiteres zuerkannt werden.
Aber der aufgewandte Fleiß verdiene Anerken-
nung, es sei eine wichtige Grundlage für die
Herausgabe der Chronik gewonnen. Man wolle
daher dem Bewerber eine Frist von zwei Jahren
gewähren seine Arbeit, die er ohne sich zu nen-
nen zurückfordern lassen möge , so zu vervoll-
ständigen und zu verbessern , daß ihr der Preis
zuerkannt und die Veröffentlichung beschlossen
werden könne. (Vgl. diese Nachrichten 1876
S. 177 ff.).
Die Arbeit wurde hierauf, ohne daß der Ver-
fasser sich nannte , gegen Ende April v. J. zu-
rückgefordert und schon im Februar d. J. von
neuem eingesendet, indem der Verfasser in einem
beigefügten Schreiben ausführte, daß er allen
a. a. 0. S. 185 aufgestellten Forderungen genügt
zu haben glaube.
Der Verwaltungsrath, welcher sich nach dem
Ausscheiden des nach Berlin berufenen Herrn
G. Reg. R. Waitz und dem Tode des am 9. Ja-
nuar gestorbenen G. Hofrath Hoeck durch den
Eintritt der Herrn Professoren Benfey und Wie-
seler ergänzt und mich zum Direktor gewählt
hatte, sah sich genöthigt die Güte der Herrn,
welche das Manuscript das erstemal geprüft hat-
ten, des Herrn G. Reg. R. Waitz in Berlin und
der Herrn Professoren Hegel in Erlangen und
Dümmler in Halle, nochmals in Anspruch zu
nehmen. Sie haben sich der großen Mühe wie-
derholter Prüfung mit einer Bereitwilligkeit un-
terzogen, für welche wir zum tiefsten Dank ver-
pflichtet sind, und nach ihrem Gutachten ist der
Verwaltungsrath zu folgendem Urtheil gekommen :
239
Zwar ist auch jetzt noch Genauigkeit in der
Vergleichung der Handschriften, namentlich der
lüneburger D, nicht vollständig erreicht; ferner
sind noch jetzt unter den Quellen Korner's auch
einzelne Schriften angegeben, die er nicht ge-
braucht haben kann, dagegen andere, die er ohne
Zweifel benutzt hat , nicht erwähnt und vergli-
chen ; endlich fehlen Anmerkungen , welche den
Inhalt der Korner eigenthümlichen Nachrichten
erläuterten, auch jetzt noch fast gänzlich. Aber
der Verfasser hat doch jetzt die Vergleichung
der einzelnen Texte unter einander sehr vervoll-
ständigt, den Nachweis der Quellen bedeutend
erweitert, auch in der Vergleichung der Hand-
schriften weit größere Sorgfalt gezeigt.
Demnach beschließt der Verwaltungsrath
jetzt dem Verfasser in ehrender Anerkennung
des Geleisteten den Preis von 3300 Rmark aus-
zuzahlen, den schwierigen Druck aber des in den
Besitz der Stiftung übergehenden Manuscripts
(§ 30 d. Ordnungen) von sich aus unter steter
Leitung und Ueberwachung eines jungen Gelehr-
ten zu veranstalten, der zugleich die Handschrif-
ten nochmals vergleichen und so eine Genauig-
keit der Wiedergabe erreichen soll, wie sie dem
Verfasser des eingereichten Manuscripts nach so
langer und oft wiederholter Beschäftigung mit
denselben Dingen herzustellen kaum mehr ge-
lingen würde.
Nachdem ich in der Sitzung der Gesellschaft
der Wissenschaften am 5. Mai diesen Bericht
erstattet und der Beständige Sekretär der Ge-
sellschaft, Herr G. 0. Med. R. Wöhler, die Un-
versehrtheit der Siegel an den beiden 1876 und
1877 dem eingesendeten Manuscript beigelegten
Zetteln bezeugt hatte, ergab der 1877 beigefugte
240
nach seiner Eröffnung als Verfasser der einge-
reichten Preisarbeit:
»Dr. Hermann Oesterley,
Bibliothekar der K. u. Universitäts-
bibliothek zu Breslau.«
Göttingen, d. 6. Mai 1877.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Berichte des naturwiss.-medicin. Vereins in Innsbruck.
VI. Jahrg. 1875. H. 2.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen
in Böhmen. XIV. Jahrg. No. 3. 4. XV. Jahrg.
No. 1. 2. Prag. 1876.
Wilhelm von Wenden, ein Gedicht Ulrichs von
Eschenbach. Prag 1876.
Schlesinger, Stadtbuch von Brüx bis 1526. Prag
1876.
Verhandlungen des naturforsch. Vereins in Briinn. Bd.
XIV. 1875.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. No. 1 — 12.
1876.
Ännuaire statistique de la Belgique. Annde 7. 1876.
Bruxelles 1877.
Flora Batava. Liefer. 232—233. Leyden. 4.
Jahrbuch der k. k. Geolog. Reichsanstalt 1876. Bd.
XXVI. No. 4. Dabei Tschermak mineralog. Mit-
theilungen. Jahrg. 1876.
Verhandlungen der k. k. geolog. Reichsanstalt. Jahrg.
1876. No. 14-17.
Proceedings of the London mathematical Soc. No.
101-103.
(Fortsetzung folgt.)
241
\ach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
30. Mai. .Vä 12. 1877.
Köiigliche Gesellschaft der Wisseiscliaftei.
Sitzung am 5. Mai.
Wüsten feld, Die Ueberaetzungen Arabischer
Werke in das Lateinische seit dem elften Jahrhundert.
(Erscheint in den Abhandlungen).
De Lagarde, Armenische Stadien. I. (Erscheint
in den Abhandlungen).
Schiötz, üeber die scheinbare Anziehung und
Abstoßung zwischen Körpern, die sich im Wasser be-
wegen. (Vorgelegt vom Corresp. Bjerknes).
Bjerknes, Zusatz zur vorstehenden Abhandlung
des Herrn Schiötz.
Bezzenberger, Eine neugefundene litauische
Urkunde vom Jahre 1578. (Vorgelegt von Benfey).
Fromme, Ueber die gegenseitige Abhängigkeit
von magnetisirender Kraft temporären und remantem
Magnetismus. (Vorgelegt von Riecke).
Eine neugefondene litauische Ur-
kunde vom Jahre 1578
Adalbert Bezzenberger.
Die von Nesselmann (Neue Preuß. Provin-
zial- Blätter, andere Folge, Bd. I S. 241 fiF.) im
23
242
Jahre 1852 veröfiFentlichte litauische Urkunde
hat in einem, von dem Herrn Staatsarchivar Dr.
Philippi im Geh. Archiv in Königsberg kürzlich
aufgefundenen , litauischen Mandat vom Jahre
1578 einen Genossen gefunden. Herr Dr. Phi-
lippi ist so gütig gewesen, dasselbe mit Geneh-
migung des Kgl, Oberpräsidiums der Provinz
Preußen mir hierher zu senden ; indem ich ihm
für seine Freundlichkeit meinen ergebensten
Dank sage, beeile ich mich, dieses sachlich und
sprachlich in mehrfacher Hinsicht werthvolle
Document zu besprechen und zu veröflFentlichen.
Es ist, wie auch die von Nesselmann veröffent-
lichte Urkunde — diese bezeichne ich mit U,
jenes mit U^ — ein richtiges Mandat, wie sol-
che besonders an den Kirchthüren publicirt zu
werden pflegten ; beide, U und U\ waren, wie
Spuren des Siegelwachses unter ihren beidersei-
tigen letzten Zeilen zeigen, bereits untersiegelt,
sie wurden aber nicht benutzt und zurückgelegt,
weil sie fehlerhaft waren, und zwar bestand, wie
mir Herr Dr. Philippi mittheilt, der Fehler von
U »in der allzu kleinen und zu wenig deutli-
chen Schrift und in den über die Zeilen ge-
setzten Auslassungen«, der Fehler von U^ hin-
gegen war ein Riß in dem Papier, der übrigens
das Lesen des Textes nur wenig erschwert.
Beide Mandate sind vom 6. December 1578 da-
tirt , beide schließen sich hinsichtlich ihres In-
halts und vielfach auch hinsichtlich des Aus-
druckes so eng aneinander an, daß für sie eine
gemeinsame Vorlage anzunehmen ist, die jedoch
wohl nur in einer kurz gehaltenen Anweisung
an zwei, des Litauischen kundige Beamte der
fürstlichen Kanzlei bestand, Mandate von be-
stimmt angegebenem Inhalt zu verfertigen. Daß
U und U^ von verschiedenen Verfassern herrüh-
243
ren, springt bei einer Vergleichung beider so-
fort in die Augen, schon ihr verschieden ge-
faßter Anfang zeigt das sehr deutlich. Im all-
gemeinen ist zu sagen, daß der Verfasser von
U sich seiner Aufgabe mit viel größerem Ge-
schick entledigt habe, als der von ü»; der letz-
tere gebraucht mehrfach grammatisch und stili-
stisch anstößige Wendungen, die jener glücklich
vermieden hat. Sachlich sind beide Mandate
von gleich großem Werthe : im Gegensatze zu
U übergeht ü^ in der Aufzählung der heidni-
schen Mißbräuche der Litauer das Sieb -drehen
(»Beiträge z. Kunde d. ig. Sprachen« I. 47), es
erwähnt dafür aber — was in U fehlt — den
Besuch [heiliger] Haine. Noch ist ein Unter-
schied zwischen ü und ü* besonders hervorzu-
heben : hier wird sich auf eine begonnene all-
gemeine Visitation und auf eine vollendete Vi-
sitation der Aemter Ragnit und Tilsit berufen
und angegeben, daß die anzuführenden Misstände
sich in Ragnit, Wischwill, Lasdehnen, Pilkallen,
Schirwind, Kraupischken , Wilkischken und in
anderen Orten gefunden hätten, dort aber ist
von der begonnenen Visitationsarbeit und von
der Visitation des Tilsiter Amts die rede und
jene Uebelstände werden Einwohnern von Tilsit,
Kaukeuen, Coadjuteu und Piktuppenen zur Last
gelegt. Daraus geht zunächst hervor, daß Ü be-
sonders an die Einwohner des Tilsiter Amts
gerichtet war und daß zu diesem die Orte Tilsit,
Kaukeuen, Coadjuteu und Piktuppenen gehörten,
und daß andrerseits U* sich besonders an die
dem Raguiter Amt Angehörigen richtete, und
daß dieses die Orte Ragnit, Wischwill, Lasdeh-
nen, Pilkallen, Schirwind, Kraupischken und
Wilkischken umfaßte; ferner, daß zunächst nur
die Aemter Ragnit und Tilsit visitirt worden
23*
244
sind und daß wohl auf Grund dieser Visitation,
bei der sich mancherlei Uebelstände ergeben
hatten , eine allgemeine Visitation angeordnet
wurde : eine theilweise Bestätigung erhalten
diese Annahmen durch die in dem unten mitge-
theilten Begleitschreiben zu U^ enthaltene Be-
merkung, daß in dem Aemtern Insterburg, Ge-
orgenburg und Salau — im Gegensatz zu denen
von Tyls und Rangnit — noch nicht visitirt
sei. Aus diesem Begleitschreiben erhellt auch,
daß ü und U^ nicht ausschließlich an die Aem-
ter Tilsit, bez. Ragnit gerichtet waren, und daß
sie zur Kenntnisnahme und Nachachtung auch
an die übrigen Aemter geschickt wurden. Aus
der Adresse des Begleitschreibens geht endlich
hervor, daß man nicht von einem »Amtsbezirk
von Ragnit und Tilsit« sprechen kann, daß also
der Verfasser von ü^ mit seinem Ausdruck
»wallchcziaus Ragaines ir Tilßes« (ZZ.
11, 56) nicht einen, sondern zwei Amtsbezirke ge-
meint hat (der Amtsbezirk von Ragnit und [der]
von Tilsit) und daß dieser Ausdruck einer sei-
ner vielfachen Nachlässigkeiten ist.
Der Text von U^ umfaßt die eine Seite eines
Bogens von starkem Papier (69 Zeilen) ; er ist
mit Schwabacher Schrift gedruckt und es ist in
typographischer Hinsicht nur zu erwähnen, daß
in den letzten acht Zeilen eine andere Form
des a erscheint, als in dem ihnen vorhergehen-
den Text. Hinsichtlich der Orthographie wei-
chen U und ü^ mehrfach von einander ab, nen-
nenswerthe Abweichungen von dem Schreibge-
brauche gleichaltriger litauischer Texte zeigen
beide nicht. Wer in der altlit. Literatur nicht
belesen ist, dem mag es auffallen, daß in U^ die
s. g. Nasalvocale fehlen, daß an Stellen an de-
nen ganz unzweifelhaft ein Nasal gesprochen
245
wurde (vgl. z.B. atlakidami Z. 58 neben at-
lankitas Z.141, Weuczwianifte für venczia-
vonyste-n(a) Z. 104), diese Aussprache nicht
bezeichnet ist; ich verweise in dieser Beziehung
auf meine, nun hoffentlich bald erscheinenden
»Beiträge zur Geschichte d. lit. Sprächet S. 30f.,
wo ich ausgeführt habe, daß der Mangel der
Bezeichnung nasaler Aussprache in altlit. Tex-
ten nicht den Mangel dieser Aussprache be-
weise, mit anderen Worten, daß häufig ein ein-
facher Vocal für einen Nasalvocal gesetzt und
als solcher ausgesprochen sei. Hierauf möchte
ich ganz besonders diejenigen hinweisen, welche
der^Schrift altlit. Texte einen phonetischen Cha-
rakter zuzuschreiben geneigt sind: daß in dem
Text von ü^ keine Spur von phonetischer Schrei-
bung steckt, wird jeder, der mit der Geschichte
des preuß.-lit. Dialekts nicht ganz unbekannt
ist, selbst erkennen.
Ich gebe zunächst das Begleitschreiben zu
ü^, dann den Text sammt üebersetzung und
Anmerkungen.
Georg Friederich etc.
Erbar lieber getreuer. Wir haben In Jüngft
gehaltener Viiitation deines verwaltenden Ambts
vermerckt vnd befunden. Das die Ambts Vnder-
thanen , beuoraus die Littauen , ein wildes rho-
lofes ^) leben führen , In dem fie fich feiten,
auch woll gar nicht zur kirche, weniger zu den
Hochwirdigen heiligen Sacramenten halten vnd
auch allerley Mißbreuche, Abgettereyen , Bort-
ten^) vnd dergleichen üben vnd treiben, welches
vns als einer Chriftlichen obrigkeit keines wegs
1) D. i. ruchloses.
2) üeber dieses Wort s. u. S. 260.
246
zudulden fein will, Derwegen wir dann aucli
folches alles durch ein In druck gefertigtes Man-
dath abgeschafft vnd dye vnderthauen zu fleiffi-
gem Kirchengang vnd horuug Gotlichen worts
auch gebrauchung der heiligen Sacramente gne-
diglich vnd ernftlich ermahnet. Schicken dir
demnach deffelben Mandaths n. Exemplaria mit
vnferer eigenen handt vnderzeichnet vnd aufge-
drucktem Secreth bekrefftigt hiemit zu, vnd
beuehlen dir darauff gnediglichen , du wolleft
lolch Maudath In den Kirchen auff der Canzel
durch die Pfarrherrn ablefen , volgends daffelbe
an die Kirchenthüren vnd andere darzu gelegene
orth und ftellen anfchlagen laffen , auch das
demfelben von den Ambts vnderthauen fowol
Deudfchen als Littauen also nachgelebt werde,
mit ernft darüber halten vnd diejenigen, fo fich
dem etwan widerig erzeigen mochten , nach ge-
legenheit Irer verbrechung In vnnachleffige ge-
burende ernfte ftratfe nehmen. Doran gefchehe
vnler zuuerleffiger erufter wille vnd meynunge.
Datum Königsberg den xii februar 79.
An (lie Heubtleute zur
Tyls
Rangnit
Insterburg » Nb. hie ift
Georgenburg \ noch nicht
Salau ' vifitirt.
Ifch malanes Diewa ) mes lurgis Friderichas [
Mar- II grahas Brandenhurge | Pru/ofu \ Stctine \
Ponieraniai \ Ca/Jubo/u ir Wendofu \ feipaieg \\
Schlefiai legersdorfe ir etc. Hertcikis | Burgrabas
SNorimberge ir Wiefchpats Rilgoie. || lOg kafznas
krikfchczionis | wiffafa fawa fprawafa tapirmiaus
tur ant Diewa dabotifi | ir nu to paties pradzie
dariti | ieng || galetu nog ija | ijo daugiaus per-
247
ßegnoghimu ap tnreti : Tada ir mes dabar pra-
lideiofoijoi pafpalitoi mufu Yifitatiai | ir || teipaieglO
paginetaie Vilitatiai walfchcziaus Ragaines ir
Tilßes I tapirmians rupinaghiames ape Slußba
Diewa I ape || paskirtu ant ta Baßnicziu | ir ape
kitus tarn reikinczius daiktus. Klaufem todelei |
kaipa Baßiiiczias wifsar | ira ußuweil- || detas j 15
bau ne prifsiwalitu ir ftakatu kakiu daiktu aat
ifchlaikyma. Poklanfe potam radom Pirmiaus
iog parafianai || Ragaine | Wieich wilo | Lafdi-
nufu I Pilkalnnfu | Schirwinto | Kraupifchkie | ir
Wilkifchkiufa ] ir Kitofa wietofa to wallch- 1|20
cziaus I tarp kuru ira Schultißns | Pakamores ' ir
Raitmanai | kurie ne rodi Baßniczau eit I retai
Szadzia Diewa klau- || fa i ir Schweiitus Sacra-
mentus ne tiktai retai prighira | bet dabar ant
ta atßagarei alba biaurei blnsnidami kalba. 25
Kaktai mes | iag per tiek || raetu Diewa Szadis
ghiemus cziftai ira fakamas | bet tapirmiaus nog
tu kurie Vredofu fied | ir pafpalitiems ßmanieins
turetu gieru pa^vaif- || du buti | ne fu maßu-
nuüiftebeghimu *) bet fu didziu ne pafTimegbirau 30
girdeiam. 0 iog takfai ne lemtas giwenimas
alba ne pabaßuas I Diewa || dangui inartin | ir
ant bailaus karaghima ir kafnijma atweda | t€i-
paieg kaßnam ischganims dufchas ant ta ußgul:
Tada mes narim kiekwiena |1 a skirui tus j kurie 35
Vredufa ira ! malaningai graudenti | ir tikrai
prifakiti | idant patam kiekwienas tankiei Baß-
niczion eitu ] Szadzia Diewa || radas klaufitu ) ir
dufchas peuufchkla^) | fchwentaghi Sacramenta \
tikroghi kuna ir kraughi wiefchpaties mufu Je- 40
faus Chriftaus | ant atleidi- || ma grieku ir ap-
tureghima amßina ßiwata | tikrame gailefeie ir
pakarnifteie | daßuai ir wertingai prighimtu. Ir
1) D. i. maBu noffirtebeghimu. 2) penakfchla.
248
teipa wie aas antram | pagal || Diewa prifakima
45gieru krikfchczauifchku pawaifdu butu | bei fawa
artimamuiem ne iokia paffipiktinima ne dotu.
Idant teipa Diewa narfa || ir karanes ant lawes
ne krautu | ifchganima ne patratitu | ir ija Dei-
wifchka macis ant karanes ne butu pabudinta.
50 Kadangi papeikimu ija || mielaia ifch ganitingaia^)
ßadzia | bei Schwentu Sacraraentu | teip ne de-
kiugi paffirada tada to paczu ßadi galetu ifch
fchu kampu atimti, || Idant tatai ne nuffidotu |
tur panas Diewas fu tikru dufaughimu Ichirdes
55 buti melftas. || Mes priegtam ifch tirem iog daug
Kurfchu ir Lietuwniku raufu fcha wallcheziaus
Ragaines ir Tilßes | didi Deiwiu alba Itabu gar-
bina- j| ghima dara alba laika | atlakidami Gaius,
affierawadami bernelius wafcbka ] alba fanarius
öOkakius ifch wafchka padaritus | ir paweikflius jj
baudikfchczia kakia daranczius | ir kitus ßaline-
ghimus alba ßinawimus \ bei burtawimus laikan-
tis. 0 skirui girdeiam fchwenta diena Ne- 1|
deles krikfchczanilchku fchwentu ne fchwenti-
65nantis | bet diena Nedeles dirbantis | kaip ir
kitas dierias | a tatai wis priefcb priefakima
Diewa da- J| rautis. Ant ta dabar girdeiam tarp
Lietu winiku ^) didzus griekus | tatai esti | ne-
cziftibes | biauribes | kiekfchiftes ] perßenghimus
70 wenczawaniftes I || ir kitas pikteuibes tarn ligies |
teipaieg didzei platinanczes 1 del kuru panas wiffa
ßeme galetu karati | kaip ir tiemus daiktams
ligus pawifdzius || rafchte fchwentame randame.
Kurie daiktai mumus kaip krikfchczanifchkai
75 Wiraufibei weifdcti ^) ir kieuteti ne prifieit Tadel
mes narmi *) kiekwie- 1| nam ußfakiti | idant dau-
giaus kiekwiens nog meldima balwanu alba ftabu
atftatu I ßalineghimus alba ßinawimus atmeftu ]
ifchganitingaia. 2) Lietuwiniku.
weifdeti. 4) narim.
249
fchwenta nedele || ir kitas fchwentes | pilnai ir
nabaßnai fchweftu bei pildmie ') fchlußbas Diewaj 80
fchas ßemes Baßniczias pataftime') ir Corpori
Doctrinae ^) fawe || paklufuumis daritu | bey no
tu pirm fakitu biaoribiu atftatu | ir fawe ßiwate
paffilepfchita. 0 iei tatai teipa ne nufidos j
alba ne ftafifi | tada mes || tikru mufu ußweis-85
deghimu priefch perßenktaius tu daiktu ] ne
narim praleifti | bet takius kitems ant pamakfla
alba pawaifda karati. || Priegtara teipaieg fafiße-
dawime | ir wenczawaniftes bilofu | ne tiktai
wiflas indiwnas ir prieg krikfchtzauiu paiunktuf-90
ius papraczius ir || Ceremonias *) | laika | bet
prieg tarn tikrai Wenczawaniftei iau fantz alba
effant ne patagei ir ne wiefchlibai girdim nuITi-
dodant | ir atfiskirti tula \\ gieidenti ! per kaktai
Schwenta Wencziawanifte | kaip ir Diewa fe-95
niaufefis iftatimas^) daugiaus numaßinaraa ne
kaip pagarbinama ira. || Tadel narim matce mufu
Herttzkifchka ^) Vreda takius paganifcbkns | ne-
patagus ir ne wiefchlibus daiktns ußfakiti ir
ußdraufti ir tur taliaus || fadereghimolu ir bilafulOO
Wenczawaniftes | Ceremonias ir paiunkimus pa-
gal macis Diewa iltatitus | ir pagal iftatima
Baßniczias Prufu | lai- || kiti. Teipaieg newiens
Wenczwianiste ^) ne tur buti prileiftas | net turi
pirm lawa wirifchku metu fulaukti. Wiflofu tofulOÖ
daiktofn tur kiekwienas || plebanas ant fawa
klaufitaiu dabatifi | tus daiktus tikrai be glaudas
1) pildime. 2) paftatime.
3) Die Worte Corpori Doctrinae sind im Original
lateinisch gedruckt.
4) Ceremonias ist hier und zu Z.lOl lateinisch ge-
druckt.
5) iftatimas.
6) Hertzikifchka.
7) Wencziawaaifte.
250
nßweisdeti ir tatai ifchpilditi. 1| Priegtam ran-
dame mes teipaieg iog prieg nekuru kiemu ne
llOwienas tikras wietas palaidaghimu ne laka | bet
lawa numirufiu kunus || ing pufta lauka laidaie |
takiu daiktu tarp krikfchczaniu ne tur buti : Ir
narime tarne teipa paltatiti | bei prifakam \ idant
patam tikra Ichwenta- || riu laikitu | ta pati ap-
115 daritu ir aptwertu | in kuri numirufius kunus |
pagal Diewa ßadzia ir krikichcz anifchka ^) giera
iftatima ir paiunkima I || gal laidoti. || Begwel
ifchtirem mes | iag Lietuwinikai ir kiti ] ne kiek
cziefa fawa paftatita Baßnicze laika | bei kartais
120 ing Szeraaiczius | Baßniczian || eit | ir tienai pa-
gal Papieß ifchka^) buda bei paiunkima doft
Oleu teptifi ir wenczawatifi, Ifch to tada fekali j
iog tulas del naudos | fawa kudiki. || (Kaip tatai
mumus ataius iug Tilße | ir Ragaine nufidawe)
125 ir pa du kartu doft krikfchtiti. Kurfai ne ti-
kumas | ir kaip wiena karta prijmta | ir |I ifch-
paßinta tikra Praraku ir Apafchtalu makfla ] ne
palaika | mumus kaip ir kits ne wiefchlibas gl
wenimas ^) ( didei ne patinka | neg ia kiencziam |
130 naTa del • idant tai wiffa butu ufdraufta ] tada
II rim ir prifakam drutai | idant ne wienas fwe-
timu Baßniczu ne ußeitufe ( narint tai butu
mufu II angu fwetime walfchczui. Bet kiek wienas
tafpi Baßnicziafpi | kuriafpi paskirtas ira j fu
135klaufijmu Diewa ßadzia | priemimu Sacramentu |
wen II czawaghimu | krikfchtijmu | ir kitu krikfch-
czanifchku iftatimu | teffi laika. Priegtam idant
newienas Plebanas tame daikti antram ne ifi-
kifchtu I 11 net dideie prigadaie | Narim teipaieg |
140ieib ant be weikiaulia Baßniczas vilitawatas
angu per Biskupa atlankitas butu : Tur tada
1) krikfchczanifchka.
2) Papießifchka.
3) giwenimas.
251
padonieij |j prifigatawit I idaut kiekwienas fa
maldamis ir kitu pamakfla galetn ifchftaweti.
Ir kada ta Vifitacia bus pradeta | tada Vifita-
waiantemus |1 Scribele alba kamarnikas | alba 145
kits knrfai tarn tikras butu ] bei Lietuwifchkai-
makas ^) ifch wiefchlibu wiru tur buti priskirtas. ||
Tatai wis narim nog wiffu ir kiek wiena mafu
walfchczians Tilßes bei Ragaines padaniu | ir
nog wiffu kitu kur Lietuwifchkas Pleba- || nias 150
ira I ftiprai ' drutai ir ne nuflidetinai | laikama.y
Ir ne abeiaghem ant ta | iog kiekwienas tarne
kaip krikfchczonis | ta paklufnuma padaris | ir
pakarnei laikitifi ßinas I ieng ghiffai bafenczia ||
teip fwietilchka kaip amßina karaghiraa galetu 155
ifchwenkti. Tatai nuflidoft wiffagalinczam Die-
wui ant amßinas fchlowes ir garbes | Ir kaß- ||
nam ant ifchlaikima ia ifchganima. Ir nuffidoft
tarne niufu tikraie walia ir ßinia. Ant paßiuima
ir paftiprinima tu daiktu | fchitai fawa tikray \\ 160
ranka ußrafchem. Ir peczeti (awa pridedineiam.
Dotas Tilßeie 6. diena menesia Siekia. Metu
Chrirtaus 1578. |i
Von Gottes Gnade wir Georg Friedrieh, Mark-
graf zu Brandenburg, Preußen, Stettin, Pommern,
Kaschuben und Wenden, desgleichen Herzog in
Schlesien, Jägersdorf u. s. w., Burggraf zu Nürn-
berg und Herr zu Rügen. Dieweil jeder Christ
in allen seinen Geschäften zuerst auf Gott ach-
ten und eben von ihm den Anfang machen soll,
auf daß er von ihm um so mehr Segen erlangen
könne, so bekümmerten auch wir bei unserer
nun begonnenen allgemeinen Visitation und
ebenso in der vollendeten Visitation des Amts-
bezirkes von Ragnit und [des von] Tilsit uns
1) Lietuwifchkai makas.
252
zuerst um den Gottesdienst, um die dazu ver-
ordneten Kirchen und um die anderen dazu
nöthigen Dinge. Wir fragten deshalb , wie die
Kirchen überall verwaltet sind, ob sie nicht be-
dürftig seien und irgend welcher Dinge zu
[ihrer] Erhaltung entbehrten. Auf unsere Frage
fanden wir dann erstens, daß die Pfarrkinder
in Ragnit, Wischwill, Lasdehnen, Pilkallen,
Schirwind, Kraupischken und Wilkischken und
in anderen Orten des Amtsbezirkes, unter wel-
chen Schultheißen , Unterkämmerer und Raths-
männer sind, welche nicht gern zur Kirche ge-
hen, das Wort Gottes selten hören und die hei-
ligen Sakramente nicht nur selten empfangen,
sondern sogar obendrein mit Abneigung oder
mit abscheulicher Lästerung [über dieselben]
sprechen. Dieses haben wir, dieweil so viele
Jahre hindurch das Wort Gottes ihnen rein ge-
predigt ist, aber besonders von denen, welche
in Aemtern sitzen und den gemeinen Leuten
zu gutem Beispiele dienen sollten, nicht mit
geringer Verwunderung, sondern mit großem
Mißfallen gehört. Und weil ein solches schlech-
tes oder gottloses Leben Gott im Himmel er-
zürnt und zu furchtbarer Strafe und Züchtigung
bewegt, desgleichen [weil] einem jeden das Heil
der Seele hierbei am Herzen liegt: So wollen
wir einen jeden , aber besonders die, welche in
Aemtern sind, gnädiglich ermahnen und [ihnen]
recht befehlen, daß künftig ein jeder häufig zur
Kirche gehe, auf das Wort Gottes gern höre,
und die Seelenspeise, das heilige Sakrament,
den wahren Leib und das [wahre] Blut unseres
Herrn Jesu Christi zur Vergebung der Sünden
und Erlangung des ewigen Lebens in rechter
Reue und Demuth häufig und würdiglich empfange,
und [daß] so einer dem anderen nach dem Ge-
253
böte Gottes ein gutes, christliches Vorbild sei
und (daß niemand] seinem Nächsten kein Aer-
gernis gebe, damit er dadurch Gottes Zorn und
Strafen nicht auf sich lade , um die Erlösung
nicht zu verscherzen, und [damit] seine göttli-
che Macht zur Strafe nicht gereizt werde: weil
man durch die Verachtung seines lieben , selig
machenden Wortes und der heiligen Sakramente
sich so undankbar zeigt, so könnte er das sel-
bige Wort aus diesen Gegenden wegnehmen.
Damit dieß nicht geschehe, muß der Herr Gott
mit rechtem Seufzen gebeten werden. Wir er-
fuhren außerdem , daß viele unserer Kuren und
Litauer dieses Amtsbezirkes von Ragnit und
[des von] Tilsit eine große Verehrung der Götzen
oder Bildsäulen treiben oder unterhalten, indem
sie die Haine besuchen, Wachskinder oder irgend
welche , aus Wachs verfertigte Glieder opfern
und Bilder eines gewissen Tieres verfertigen und
andere Zaubereien, oder Hexereien und Lose-
reien treiben. Und besonders hörten wir, daß
sie den heiligen Sonntag als ein christliches
Fest nicht feiern, sondern am Sonntage arbeiten,
wie auch an den anderen Tagen, und [daß sie]
das alles gegen das Gebot Gottes tun. Dazu
hörten wir nun, daß unter den Litauern große
Sünden, nemlich Unkeuschheit, Unzucht, Hurerei
Ehebruch und ferner andere dem gleiche Laster
sich sehr ausbreiten, wegen welcher der Herr
das ganze Land strafen könnte, wie wir auch
diesen Dingen ähnliche Beispiele in der heiligen
Schrift finden. Diese Dinge anzusehen und zu
dulden, geziemt sich [für] uns, als einer christ-
lichen Obrigkeit, nicht, deshalb wollen wir einem
jeden befehlen, daß [nun-]mehr ein jeder von
der Anbetung der Götzen oder Bildsäulen ab-
stehe, die Zaubereien oder Hexereien verwerfe,
254
den heiligen Sonntag und die anderen Feste
voll und fromm feiere und sich in der Erfüllung
des Gottesdienstes in Hinsicht auf die Kirchen-
ordnung dieses Landes und dem Corpori Doc-
trinae gehorsam erweise und von den vorhin-
genannten Lastern abstehe und sich in [seinem]
Leben bessere. Und wenn das nicht so ge-
schehen oder sich ereignen wird , dann wollen
wir unsere ordentlichen Ahndungen gegen die
Uebertreter der Dinge nicht unterlassen, sondern
solche anderen zur Lehre oder [zum] Exempel
bestrafen. Dazu beobachten sie ferner nicht
nur bei der Verlobung und den Trau-Verhand-
lungen lauter wunderliche und gegen der Chri-
sten herkömmliche Gewohnheiten und Cerimo-
nien [verstoßende Cerimonien], sondern oben-
drein, wenn die richtige Ehe schon besteht oder
bevorsteht, geschieht es , wie wir hören, in un-
anständiger und unehrbarer Weise, daß sich
mancher aus Lust scheidet, wodurch die heilige
Ehe , wie auch die älteste Verordnung Gottes,
mehr verachtet als geehrt wird. Deshalb wollen
wir kraft unseres herzoglichen Amtes solche
heidnischen , unanständigen und unehrbaren
Dinge verbieten und verwehreu, und man soll
bei den Verlöbnissen und den Trau - Verhand-
lungen die Cerimonien und Gebräuche gemäß
den von Gott eingesetzten Gewalten und gemäß
der preußischen Kirchenordnung üben. Auch
soll niemand zur Trauung zugelassen werden,
sondern er soll vorher seine männlichen Jahre
erreichen. In allen diesen Dingen soll ein jeder
Pfarrer auf seine Zuhörer achten , diese Dinge
recht ernstlich ahnden und dieß erfüllen. Au-
ßerdem finden wir ferner, daß sie bei einigen
Dörfern keine rechten Begräbnisstätten halten,
sondern sie bestatten die Leiber ihrer Verstor-
255
benen in wüsten Acker: solche Dinge dürfen
zwischen Christen nicht sein nnd wir wollen
dabei so verordnen nnd wir befehlen , daß sie
künftig einen ordentlichen Kirchhof halten, den-
selben einhegen und umzäunen, in welchen sie
die toten Leiber nach dem Worte Gottes nnd
christlicher, guter Ordnung bestatten können.
Und wiederum erfuhren wir, daß die Litauer
und andere sich nicht jeder Zeit zu ihrer ver-
ordneten Kirche halten, sondern bisweilen nach
Zemaiten zur Kirche gehen nnd sich dort nach
papistischer Sitte mit Oel salben und trauen
lassen. Daraus folgt dann, daß mancher des
Gewinnes wegen sein Kind (wie das , als wir
nach Tilsit und Ragnit kamen , geschah) zu
zweien Malen taufen läßt. Dieser Mißbrauch
und [der Umstand] daß sie die einmal ange-
nommene und bekannte wahre Lehre der Pro-
pheten und Apostel nicht bewahren mißfällt
uns, wie auch das andere uuehrbare Leben, sehr
und wir dulden das nicht. Deshalb, damit das
alles verwehrt sei, so wollen und gebieten wir
bestimmt, daß niemand fremde Kirchen besuche,
mag es in unserem oder in fremdem Gebiet
sein ; sondern ein jeder halte sich zu der Kirche,
zu welcher er verordnet ist mit Anhörung des
Wortes Gottes, Empfang der Sakramente, Trau-
ung, Taufe und anderer christlicher Einrichtung.
Ferner: daß kein Geistlicher in dieser Sache
einem anderen sich einmische, außer in großer
Noth. Wir wollen auch, daß auf das schleunigste
die Kirchen visitirt oder durch den Bischof be-
sucht werden ; die Untergebenen sollen sich
dann vorbereiten , damit ein jeder mit den Ge-
beten und der anderen Lehre bestehen könne.
Und wenn die Visitation begonnen werden wird,
dann soll den Visitatoren ein Schreiber oder
256
Kämmerer oder ein andrer, welcher dazu ge-
schickt und des Litauischen kundig sei, aus den
ehrbaren Leuten zugeordnet werden. Dieses
alles wollen wir von allen und einem jeden der
Unterthanen unseres Amtsbezirkes von Tilsit und
Ragnit und von allen anderen , wo litauische
Pfarreien sind, genau, bestimmt und streng ge-
halten [wissen]. Und wir zweifeln dabei nicht,
daß ein jeder darin als Christ den Gehorsam
üben und sich demütig zu halten wissen wird,
damit er die zukünftige, sowohl weltliche als
ewige Strafe vermeiden könne. Das geschieht
dem allmächtigen Gott zu ewigem Preis und
Ruhm und einem jeden zur Erhaltung seiner
Seeligkeit, und geschieht darin unser rechter
Wille und [unsere] Meinung. Zur Erkenntnis
und Bekräftigung dessen haben wir dieses mit
unsrer eignen Hand unterschrieben und haben
unser Siegel hinzufügen lassen. Gegeben zu Til-
sit, am 6. Tage des Monats December des Jah-
res Christi 1578.
Z. 9/10. Die Form praf ideiof oijoi (be-
stimmter Loc. Sg. Fem. Part. Aor. von prasi-
deti) ist sehr beachtenswerth; sie stimmt zu
ateiuliam, pawargüfiu, kelulifi und
anderen Formen der Art, die ich in meinen
»Beiträgen zur Gesch. d. lit. Sprache« aufge-
führt habe, und die beweisen, daß das suffixale
u des Part. Aor. Act. zunächst aus u = ä (aus
^) entstand. Dieses ä reflectirt prafideioloi-
j 0 i besonders deutlich.
Z. 12 ff. Hier ist ape' zweimal mit dem Ac-
cusat., einmal mit dem Genit. (ape paskirtu ant
ta Baßnicziu) verbunden. Das letztere ist nicht
unrichtig, vgl. Giefmos ape pakutos, Gief-
257
mes ape apteifinimo in den Sengstock-
schen Giesmes pp. 103, 105.
Z. 14 habe ich kitus, wie es der Zusam-
menhang verlangt, durch »die anderen« über-
setzt, was in der heutigen Sprache kitu'sius
heißen wurde; in den älteren Texten sind die
Grenzen zwischen bestimmter und unbestimmter
Decliuation noch etwas verwischt, Beispiele da-
für habe ich in den >Beitr. z. Gesch. d. lit.
Sprache« gegeben.
Z. 18. *Parafiana8 (Nom. PI. parafia-
nai) ist das heutige parapijonas (Nessel-
mann Wbch. S. 278), in dem nach Ausweis von
*parafianas das zweite p aus f entstanden
ist (vgl. t r 6 p y t i poln. t r a f i c). Neben p a r a-
pijonas stehen parapija und parakvija
die Parochie. Für das letztere Wort habe ich
»ßeitr. z. Gesch. d. lit. Spr.« S. 77 Anm. 3 an-
genommen , daß es aus dem deutschen paro-
chie entlehnt und daß dessen ch im Lit. zu
k V geworden sei (vgl. a k v a t a russ. o c h o t a).
Ich halte dieß jetzt der Form parafianai
wegen für unrichtig und nehme an, daß para-
kvija vermittelst *par ach vija aus parafija,
poln. parafia (= parapija) entstanden sei
(vgl. kvartuna, alt chwartuna = poln.
fortuna).
Das. Die urkundliche Geschichte des Na-
mens Wischwill kann ich hier nicht fest-
stellen; die Form Wie Ich wilo zeigt als erstes
Glied desselben vesz-, das mit dem Namen ele-
ment vaisz- in z. B. Vaisznoras (so hieß
der üebersetzer der Margarita theologica) iden-
tisch sein wird. Mit Vaisznoras stimmt der
altpreuß. Name Waisnar genau überein, in
deßen erstem Bestandteil also nicht, wie ich frü-
her angenommen hat (Die Bildung der altpreuß.
24
258
Personennamen S. 48 des Separatabznges) lit.
vaisüs, oder preuß. weisin steckt.
Z. 25. atßagarei habe ich übersetzt »mit
Abneigung«; wörtlich heißt es »in zurück-
gehender Weise.« Nesselmann Wbch. S. 538
ist geneigt, atzagar as (atzagarus, atza-
garoti) zu zagaras »dürres Strauchwerk«
u. a. zu stellen ; das wäre jedoch sehr unrichtig.
Vielmehr gehört at-zagaras zu zenkti
schreiten; der Wechsel von atfchagarni und
atfchugarni im Lettischen beweist, daß für
atzagaras richtiger atzq,garas zuschreiben
ist, zq,gara- (schreitend) entspricht genau dem
zend. zangra (in z. B. bizangra) »Fuß« =
»der schreitende.«
Z. 26. Hier und u. ZZ. 74, 125 habe ich das
den Satz beginnende Relativum demonstrativ
übersetzt; dieß ist ganz unbedenklich, da im Li-
tauischen, wie im Lateinischen, ein Satz durch
ein relatives Pronomen an einen vorhergehenden
Satz angeschlossen werden kann, vgl. u. a. Geit-
1er Lit. Stud. S. 23 Z. 14.
Das. iag hat, wie o. Z. 5. (jog) undu. Z. 31,
causale Bedeutung, was jedenfalls sehr selten ist.
Z. 31. Der Sinn der sehr prägnant gefaßten
Stelle ist: Weil ein so schlechtes Leben Gott
zu schweren Strafen reizt [die man durch Bes-
serung desselben vermeiden muß] und weil einem
jeden [also auch mir] das Seelenheil [der im vor-
stehenden bezeichneten Leute] am Herzen liegt,
so ermahne ich [dieselben, um sie dadurch auf
den richtigen Weg zu leiten und ihnen so zur
Seligkeit zu verhelfen] u. s. w. Ganz ebenso
ist der Sinn der entsprechenden Stelle in U, wo
tha ya mit einander zu verbinden sind (töjo).
Z. 40. Zu tikroghi (= tikri^-ji) vgl. to
25d
paczu Z. 52 und »Beitr. z. Gesch. d. lit. Spr.c
SS. 123, 134, 168.
Z. 57. üeber Deiwiu alba ftabu (vgL
balwanu alba ftabu Z. 77) vgl. »Beiträge z.
Kunde d. indog. Sprachen« I. 45, 164.
Z. 58. garbinaghima = garbinojim^ von
einem Verbum garbinoti = gärbinti; über
den Wechsel von Verbis auf -inoti und -inti
s. «Beiträge z. Gesch. d. lit. Spr.« S. 112 ff.
Das. atl akidami . . . affierawadami ge-
hören syntaktisch zu daugKurlchuirLie-
tuwniku, eine constructio ad sensum; nachher
ist der Verfasser mit daranczius und 1 a i-
k a n t i s ganz aus der Construction gefallen, indem
er das zwischen ifch tirem und daug (Z. 55)
stehende iog übersah. Die Acc. Plur. laikan-
tis(Z. 62), fchwentinantis (Z. 64), dirbantis
(Z.65),darantis(Z. 67) können aus*laikantius,
*fchwentinantius u. s. w. (vgl. keturis
und keturius »Beiträge z, Gesch. d. lit. Spr.«
S. 178) entstanden sein, sie können aber auch Stäm-
men auf -anti- angehören (vgl. »Beiträge z.
Gesch. d. lit. Sprache« S. 158 f.)
Das. atlakidami (= atlq,kydami) Gaius;
den lit. Namen solcher (heiligen) Haine habe
ich »Beitr. z. Kunde d. ig. Sprn.« I. 42 nach-
gewiesen.
Z. 59. affierawadami bernelius wafch-
ka; richtiger wäre die Wortstellung : a. wafchka
bernelius. In dem Opfern wächsener Kinder
liegt wol eine Reminiscenz an frühere Menschen-
opfer vor.
Das. Beifanarius kakins ilchwafchka
padaritus erinnert man sich unwillkürlich an
das »de ligneis pedibus vel manibus pagano ritu«
des Indiculus superstitionum et paganiarum
(Pertz LL. I. 19).
24*
260
Z. 60. paweikflius bandikfchczia ka-
kia; *bandiksztis »Tier« fehlt in den Wör-
terbüchern, es ist aus banda die Heerde ge-
bildet. Von welchem Tiere man Bilder verfer-
tigte ist uns leider nicht gesagt, ich würde auf
die Schlange raten (vgl. Lit. u. Lett. Drucke I.
3. 4, Simon Grünau ed. Perbalch S. 80, Präto-
rius Deliciae Pruss. ed. Pierson S. 35 ff.), wenn
nicht *bandiksztis seiner Ableitung nach (K.
Beitr. 8. 365) ein Nutztier bezeichnete. — pa-
weikflius führt auf den Nominativ paveikslis
Nebenform von paveikslas (Nesselmann Wbch.
S. 75) ; paveikslas, *paveikslis leite ich
nicht von veikti ab, sondern betrachte sie als
aus *pa-veizdlas, pa-veizdlis (vgl. pa-
vei zd as, nach Szyrwid »Bild, Figur«) entstanden.
Z. 61. Zu ßalineghimus (s. u. Z. 78) vgl.
fzolinikas »Beitr. z. Kunde d. ig. Sprn.« 1.47.
Z. 62. burtawimus istAcc. Plur. von*bur-
tavimas, das ein sonst nicht zu belegendes
burtauti »losen« voraussetzt. Das Los scheint
bei den Litauern eine große Rolle gespielt zu
haben, im Katechismus v. 1547 (Lit. u. Lett.
Dr. L 6. 19) wird eine schwenta burtinikie
(heilige Loserin) genannt. Aus dem lit. bürtas
»Los« ist das in dem o. mitgeteilten deutschen
Schreiben vorkommende Verbum »Bortten« ge-
bildet.
Z. 63. skirui hier und o. Z. 35 ist adver-
biell gebrauchter Dativ von s ky r u s ; »besonders«
heißt sonst skyrü, das aus skyrui entstanden
sein kann.
Z.64. krikfchczanifchknichwentuTiabe
ich übersetzt »als ein christliches Fest;« bei dem
im Litauischen häufigen Themen Wechsel (»Beitr.
z. Gesch. d. lit. Spr.« S. 94 ff.) darf neben
szvente »das Fest« ein Mascul. szventas mit
261
gleicher Bedeutung angenommen werden. Man
kann aber krikfchczauifchkuund fch wentu
auch als Instr. Sg. Adj. (Ntr.) auffassen: »als
etwas christliches, heiliges.«
Z. 71. platinanczes steht für plati-
uanczes-s(i}; richtig wäre übrigens plati-
n a n c z u s.
Z. 82. In idant . . kiekwiens .. . fawe
paklufnnmis daritu erscheint wieder eine
constructio ad sensum ; für fawe daritu stünde
besser daritus, indessen das Reflexivum ist in
der älteren Sprache auch sonst zuweilen mit
f a w e gebildet, vgl. u.a. teip linkfmin fawe
wargufu Schwentas Jobas im II. Band der
Bretkenschen Postille p. 40.
Z. 85. ußweisdeghimu habe ich mit »Ahn-
dungen« nicht zu frei übersetzt; nzveizde'ji-
mas ist genau lat. animadversio.
Z. 91. Mau erhält hier einen vernünftigen
Sinn nur, wenn man nach Ceremonias eine
Lücke annimmt und dieselbe so ausfüllt, wie es
in der Uebersetzung geschehen ist.
Z. 92. Wenczawanift ei iau fantz alba
effant; fantz ist Gerund. Praes., effant Ge-
rund. Fut.
Z. 93. girdim nuffidodant ir atfi-
skirti tula gieidenti; hier steht nach nu-
sidu'ti der Accus, c. Inf., vgl. Jr nufidawe
[tikofi tropijos]tha Lanka [Dir wa] buti
Boas Ruth 2. 3 in der Bretkenschen Bibel.
Z. 96. numaßinama »verachtet,« vgl. pa-
mafzina ghi Pone I. Mos. 16. 4 in der Bret-
kenschen Bibel.
Z. 102. macis . .iftatitus, mäcis ist hier
ausnahmeweise Mascul.
Z. 104. Wen czwianitte steht für Wen-
262
cziawaniftQ = Wecziawani ftena*);
ich vencziavonj'ste bald mit Ehe, bald mit
Trauung übersetzt habe, wird wol keinen Anstoß
erregen. — Der Satz Teip aieg newiens u. s. w.
ist übrigens sehr ungeschickt.
Z. 119. Meine Uebersetzung »sie halten sich nicht
zu« ist frei, aber bei dem z. T. sehr freien Ge-
brauch des Verbs 1 a i k y t i gewiß nicht zu frei.
Z. 138. Zum Locat. daikti vgl. »Beitr. z.
Gesch. d. lit. Spr.« S. 133.
ZZ. 133, 141 angu »oder« findet sich sonst nur
in der Bretkenschen Bibel , vgl. einstweilen For-
tunatov K. Beitr. 8. 114.i
Z. 142. padonieij und u. Z. 149padaniu
von einem *padänis.
Z. 159. Antpaßinimair paftiprinima
tu daiktu wörtlich : Zur Erkenntnis und Be-
stätigung der Dinge.«
Z. 162. *Siekis habe ich mit Nesselmann
(vgl. dessen Wörterbuch S. 459) mit »December«
übersetzt. Der Name desselben ist im preu-
ßisch-Litauischen sonst saüsis, wie schon Lep-
ner Der preusche Littauer S. 111 (»Der Christ-
Monath, Saufis, von Saufas Trucken, weil
alsdenn der Frost alles trucken macht«) und
Praetorius Delic. Pruss. S. 50 (»December: Saü-
sis weil als dann trocken zu fahren ist«) an-
geben. Nach Szyrwid (vgl. Nesselmaun Wbch.
s. V. saüsis) jedoch — also im ostlitauischen
oder zemaitischen — ist saüsis der Name des
»Januar.« Da, wie wir hieraus sehen, die Mo-
natsnamen im Litauischen dialektisch verschieden
sind , so ist s i e k i s möglicherweise nicht echt
preußisch-litauisch. Darf man, wie das saüsis
1) Vgl. war da (im Namen), dangu (in den Himmel)
im ersten Bande der Bretkenschen Fostille SS. 411, 412.
263
nahelegt , annehmen , daß si e k i s (= sekis) ei-
gentlich »der trockne« bedeute, so ist in ihm
ein Reflex von lat. s i c c u s , zend. h i k u, h a e-
c a ii h zu erkennen.
Znm Schluß gebe ich noch eine Anzahl von
Verbesserungen des Nesselniannschen Textes von
ü, die Herr Dr. Philippi, welcher die Güte hatte
denselben mit dem Original zu collationiren, mir
mitgeteilt hat ^) :
S. 241. Z. 7 lies ?i statt ir. Z. 15 1. val-
scziaus (das i ist über der Zeile eingeschaltet)
st. walsczaus. Z. 17 im Original steht basz-
niscziams st. basznitcziams. Z. 26 1. ä st.
a. Jener Accent fehlt niemals. Z. 29 1. basz-
nitczian st. baszitczian.
S. 242. Z. 5 1. vriede (soimmer)st. nriede
Z. 8 1. pagirdeiame st. pagirdziame. Z.
12 1. kiek wienam (so immer) st. kiekwie-
n am. Z. 24 hinter g h r e k u steht ein Komma.
Z. 25 im Original steht amszinay ä st. am-
szinaya. Z. 28 im Original steht pryniptu
st. prymtu. Z. 32/33 1, nepridotu st. ne-
p r i d e t u. Z. 35 die Worte duschias isch-
ganima sind zweimal geschrieben. Z. 36 1.
deiwischka st. teiwischka.
S. 24 3. Z. 3 1. wietasa st. wietusa. Z.
8 1. sunareis st. sunarets. Z. 17 1. kek-
schiste st. nekschiste. Z. 19 1. szeme st.
scheme. Z. 22 1. issirad £j,s . Kurusgi. Z.
28 1. wissakiu st. wissokiu. Z. 29/30 das
Komma gehört statt hinter buti hinter atsi-
laikitusi. Z. 33 im Original steht issirati-
tusi st. issiraditusi.
S. 244. Z. 4 1. randassi st. randasL
Z. 7 1. Dielta st. Dielto. Z. 11 1. prastai.
1) n S. 244 Z. 8 ergänze ich zu macies
aad emendire pridriame S.245 Z. 11 in prideiame-
264
Z. 13 hinter uszgerime steht ein Komma.
Z. 16 Prusischkas steht im Original. Z. 18
net ist zweifellos. Z. 21 1. immer klibanas
st. klebanas. Z. 24 hinter randame steht
kein Komma. Z. 25 1. nieru st. niera. Z.
30 hinter prisakame steht kein Komma. Z.
41 hinter nuwaszöia steht ein Komma.
S. 245. Z. 5 1. antru st. antra; per steht
über der Zeile. Z. 6 szmanies steht über
der Zeile. Z. 7 hinter nekiste steht ein
Komma. Z. 9 hümü corrigirt über humas.
Z. 17 hinter prissistatitusi steht kein
Komma. Z. 32 1. imssada st. imszada. Z.
35 1. pristaina.
Ueber die gegenseitige Abhängigkeit
von magnetisirender Kraft, temporärem
und remanentem Magnetismus.
Von
C. Fromme.
(Vorgelegt von Riecke).
Die Experimentaluntersuchungen, von denen
ich hier vor der Hand nur eine kurze Uebersicht
der Oeffentlichkeit übergebe, stellen sich die Be-
antwortung wichtiger principieller und theilweise
bis jetzt noch ganz oöener Fragen aus dem Ge-
biete des Magnetismus zur Aufgabe. Obwohl
erst im Herbst vorigen Jahres begonnen, waren
dieselben doch schon lange vorbereitet, und
wurde die Ausführung nur durch auderweite Ar-
beit gehindert.
265
Die direkte Veranlassung gab die schon frü-
her von Fraukeuheim , nachher von mir noch
einmal unabhängig gefundene Thatsache , daß
eine magnetisirende Kraft erst durch oft wieder-
holte Einwirkung auf den zu magnetisirenden
Stab das Maximum des durch sie erreichbaren
remauenten Moments (T?^/) hervorbringt. Ich
habe damals den Satz, welchen Frankenheim nur
für intakte Stäbe aussprach , auf mit einem be-
liebigen permanenten Magnetismus behaftete
Stäbe ausgedehnt , den Satz nämlich , daß das
Verhältniß des durch die 1. 2 ...Einwirkung (Im-
puls) der Kraft erzeugten JRM. zu dem durch
eine hinreichend große Zahl von Impulsen
erzeugten (dem der angewandten Kraft ent-
sprechenden Sättigungsmoment) constant ist,
unabhängig von der Größe der magnetisirenden
Kraft, von den Dimensionen und der Härte der
Stäbe , vorausgesetzt nur , daß bei der Berech-
nung dieser Verhältnißwerthe der vor Einwir-
kung der Kraft schon vorhandene permanente
Magnetismus {PM.) des Stabes dem durch die
Kraft noch erzeugten remanenten zugezählt wird.
Dagegen ergaben sich mit wachsender Kraft
abnehmende Werthe dieses Verhältnisses, wenn
man die Addition des TM unterließ. Eine sol-
che Abnahme , fugte ich damals hinzu , würde
sich jedoch vielleicht auch für die auf die erstere
Weise gebildeten Verhältnißwerthe herausstellen.
Sie war bei dem engen Gebiete der ange-
wandten Kräfte zu gering , um mit Sicherheit
auf eine Variabilität in dem angedeuteten Sinne
schließen zu dürfen.
Zu gleicher Zeit veröffentlichte Herr Bouty
Versuche über denselben Gegenstand. Er fand
indeß statt einer A b nähme der Verhältnisse eine
Zunahme mit wachsender Kraft.
266
Da ich weder Gruud hatte, an der Richtigkeit
Von Bouty's noch an der meiner eigenen Versuche
zu zweifeln, so schloß ich sofort, daß unsere Ver-
suche vereinigt den Verlauf der Erscheinung
richtig darstellen würden.
Ein solcher Schluß schien nicht gewagt, denn
Herr Bouty hatte mit verhältnißmäßig großen,
ich selbst mit kleinen Kräften gearbeitet^).
Da sich die magnetischen Momente bei klei-
neren Kräften anders verhalten, als bei größeren,
bei kleineren schneller, bei größeren langsamer
wachsen , als die Kräfte , so schien es mir na-
türlich , daß dies auch von Einfluß auf die in
Rede stehende Erscheinung sein würde.
Meine Versuche haben mir nun die Richtig-
keit dieser Vermuthung erwiesen. Dieselben
wurden an cylindrischen, ellipsoidisch abgeschlif-
fenen Stahlstäbchen gestreckter Form in der
Weise angestellt, daß das nämliche Stäbchen von
sehr kleinen Kräften an mit dem remanenten
Moment, welches die früheren Kräfte zurückge-
lassen hatten, succ. größeren Kräften bis zur Sät-
tigung mit BM unterworfen wurde.
Es zeigte sich in der That , daß [unter B^
B2 ' ' . B^ das durch den 1., 2., . . . w (Sät-
tigungs-) Impuls erzeugte reman. Moment ver-
standen , jedes immer vergrößert um das dem
Stabe vorher schon eigene permanente Moment
1) Herr Bouty hat mich entweder nicht verstanden
oder nicht verstehen wollen. Denn in einer neueren Ab-
handlung vindiucirt er mir Zweifel an seinen Kesultaten,
die ich niemals gehabt habe. Ich habe mir freilich ei-
nige Ausstellungen an seiner Abhandlung erlaubt, die in-
deß das in Rede stehende Resultat Bouty's durchaus nicht
betrafen, und in seiner neueren Abhandlung von ihm
ohne Gegenrede berücksichtigt worden sind.
267
PM^I daß jedes der Verhältnisse
Ii„ JR.
n
mit von der Null an gesteigerten Kräften von
Eins bis zu einem Minimalwerthe abnimmt, um
wieder bis zur Eins zu wachsen. Dieser Werth
wird wieder erreicht, sobald der Stab mit RM
gesättigt ist.
j>
Trägt man etwa -V als Ordinate eines recht-
winkligen Coordinatensystems auf, dessen Ab-
scissen die entsprechenden magnetisirenden
Kräfte sind , so erhält man eine zuerst rasch
absteigende , dann langlam wieder aufsteigende
Curve.
Das Ergebniß dieser Untersuchung, an und
für sich schon wichtig, gewinnt dadurch an Be-
deutung, weil es zur Charakteristik des soge-
nannten Wendepunkts des remanenten Magne-
tismus beiträgt.
Diejenige magnetisirende Kraft nämlich , für
welche die Zahl der Einwirkungen, die zur Er-
reichung des Sättigungsmoments nöthig sind,
am größten ist, welche also den Umkehrpunkten
der genannten Curven entspricht, ist zugleich
diejenige, bei welcher die remanenten Momente
anfangen, langsamer als die magnetisirenden
Kräfte zu wachsen. Die Umkehrpunkte unserer
Curven entsprechen genau dem Wendepunkt der
Magnetisirungscurve für den remanenten Magne-
tismus, den ümkehrpunkten und dem Wende-
punkt beider Arten von Curven gehört die näm-
liche Kraft zu.
So dürften diese Erscheinungen zur genaue-
ren Kenntniß des bis dahin in seiner Ursache
so wenig erforschten Wendepunkts vielleicht
beitragen.
268
«
Es mag gestattet sein, kurz auf ähnliehe Er-
scheinungen der allgemeinen Elasticität hinzu-
weisen. Es kann gewiß nur unsere Kenntniß
der magnetischen Erscheinungen fördern, wenn
wir sie in möglichst nahen Zusammenhang
setzen mit den Erscheinungen allgemeiner Elasti-
cität. Ein solches Verfahren ist längst ange-
bahnt durch Wiedemann's treffliche Untersu-
chungen über das mechanische und magnetische
Verhalten.
Wie aus den Beobachtungen Thalen's her-
vorgeht, erreicht eine deformireude Kraft erst
durch oft wiederholte Einwirkung das Maximum
der möglichen dauernden Deformation. Auch
hier werden sich bestimmte Beziehungen zwi-
schen den durch die 1., 2. ... w. Einwirkung
erzeugten Deformationen herausstellen, und Tha-
len selbst sagt schon : »Das Gesetz für das Ver-
halten zwischen diesen Deformationen ist sicher-
lich abhängig von der Lage des Punkts der
Curve, bei dem der Versuch angestellt wird.«
Doch möchte ich solche Analogien vorläufig
nur angedeutet haben.
Es war jetzt die Frage zu stellen, ob es er-
laubt sei, die magnetisirende Kraft, welche zu-
erst (auf den unmagnetischen Stab) wirkt, direkt
in Vergleich zu bringen mit einer anderen Kraft,
welche den Stab schon in einem magnetischen
Zustande vorfand, mit anderen Worten, ob das
durch eine Kraft erzeugte UM (vergrößert um
das schon vorhandene FM) gleich sei dem RM^
welches in dem unmagnetischen Stabe von der-
selben Kraft hervorgebracht worden wäre?
Ich fand, daß diese Frage zu bejahen sei,
nicht für den 1., 2. . . . Impuls, sondern einzig
und allein für den Sättigungsimpuls. Jeder vor-
angehende Impuls gibt ein kleineres BM^ wenn
269
der Stab unmagnetisch war, als wenn er bereits
ein gewisses endliches PM besaß, erst die letz-
ten (Sättiguugs -) Impulse geben die gleiche
Wirkung.
Diese Versuche sind delikat, die Unterschiede
sind gering und bei weitem nicht so groß, daß
sie das aufgestellte Gesetz über den Verlauf der
Verhältnisse ^-, ^- . . . alterirten. Bei der
Art, wie die zuerst beschriebenen Beobachtungen
angestellt wurden , erscheinen nur sämmt-
liche Verhältnißwerthe mehr der Eins genähert,
als wenn man, nachdem die Wirkung einer be-
stimmten Kraft untersucht war, jedesmal den
Stab von dem remanent^n Magnetismus befreit
hätte, ehe eine andere Kraft zur Wirkung kam.
Welches ist nun der Grund zu der Steige-
rung des EM durch wiederholte Impulse der
nämlichen Kraft ?
Bekanntlich tritt auch eine Erhöhung des
B3I ein, wenn man den Stab, so lange er in
der vom Strom durchflossenen Spirale liegt, er-
schüttert.
Können Erschütterungen die Wiederholung
der Impulse ersetzen ?
In diesem Falle dürfte ein Stab, welcher be-
reits das Sättigungsmoment einer gegebenen
magnetisirenden Kraft erreicht hat, durch Er-
schütterungen sein Moment nicht mehr vergrö-
ßern. —
Eine Reihe von Versuchen ließ erkennen,
daß in der That angenähert ein solcher Schluß
seine Bestätigung findet, aber auch nur ange-
nähert. Bei einem Versuch brachte z. B. eine
3ümalige Wiederholung der Einwirkung eine
270
Steigerung des RM um — des durch den 1. Im-
puls erreichten Werths hervor.
Hiermit war aber auch das Sättigungsmoment
so gutwie erreicht, denn häufige Erschütterungen
steigerten dasselbe ietzt nur noch um — .
j 70
Bei anderen Versuchen wurde eine Erschüt-
terung während des 1. Impulses vorgenommen.
Diese bewirkte jetzt, daß das Ii3I des 1. Im-
pulses, also EiMi um — des Werthes, den es
ohne Erschütterung besessen haben würde, grö-
ßer ausfiele. Wurden dann die Impulse ohne
Erschütterung wiederholt, so ergab sich das Sät-
tigungsmoment B^M so groß wie überhaupt
ohne Erschütterungen.
Erschütterung steigert das BM desto weni-
ger, bei einem je späteren Impulse sie vorge-
nommen wird.
Demnach ist es erlaubt, die Wirkung, welche
durch Wiederholung der Impulse hervorgebracht
wird, im Großen und Ganzen als durch Er-
schütterungen, durch Aufrührung des magneti-
schen Zustands bedingt anzusehen.
Daß kräftigere äußere Erschütterungen, als
ich sie anwandte und anwenden durfte, besser
wirken, als Wiederholung der Impulse, liegt
außer Zweifel. Durch sehr starke Erschütterungen
wird sicher auch ein auf das Sättiguugsmo-
ment gebrachter Stab noch im Sinne weiterer
Zunahme des B3I verändert, aber ebenso un-
zweifelhaft ist auch die Wiederholung der Im-
pulse, weil wie Erschütterungen wirkend, ein
Mittel, den Stab dem überhaupt möglichen Ma-
271
ximam schon sehr nahe zu bringen und so die
Anwendung von Erschütterungen zu ersetzen.
Bei allen Versuchen befanden sich die Stäbe
sowohl bei Schluß als bei Oeffnung des magne-
tisirenden Stroms außerhalb der Spirale.
Einschieben in- und Ausziehen aus der Spirale
geschah sehr langsam. Den Einfluß solcher
Manipulationen beim Magnetisiren schließe ich,
weil noch nicht vollständig untersucht, von der
heutigen Mittheilung aus.
Nachdem so die Abhängigkeit des remanenten
Magnetismus von der Zahl der Einwirkungen
der magnetisirenden Kraft durch besondere, mit
aller Sorgfalt ausgeführte Versuche ermittelt war,
ging ich zu einer Prüfung des temporären (ver-
schwindenden) Magnetismus (TM) über.
In einer früheren Abhandlung hatte ich den
Satz ausgesprochen, daß der ganze Magnetismus
G3I = TM + RM bei Wiederholung der Im-
pulse constant bleibt, daß also alles, was an
UM gewonnen, an TM eingebüßt wird.
Ich habe diesen Satz bei dem beschränkten
Gebiet magnetisirender Kräfte und der damali-
gen Versuch sauordnung nur angenähert beweisen
können und auch nur so ausgesprochen.
Zur genaueren Prüfung wählte ich jetzt die
Vorsicht, den Ausschlag des Magnetometers
immer nur nach einer Seite der Skala erfolgen
zu lassen, wobei aber selbstverständlich die Ru-
helage des Magnetometers nach jedem Impuls
beobachtet wurde.
Es ergab sich mir so, freilich erst nach den
mannigfachsten variirten Versuchen, das Resul-
tat, daß bei Steigerung des RM durch "Wieder-
holung der Impulse stets eine Abnahme des TM
eintritt.
Es kommt nun auf das Verhältnlß dieser
272
Abnahme zu der Zimahme des EM an, ob GM
constaut bleibt, ab- oder zunimmt.
Wird durch die angewandte Kraft EM nur
wenig gesteigert, ist der Stab also vorher schon
einer der benutzten naheliegenden Kraft unter-
worfen gewesen , dann nimmt TM um weniger
ab, als E3I zunimmt, dann nimmt also GM zu.
Wird aber durch die Kraft eine bedeutende
Steigerung des EM bewirkt, dann tritt das Um-
gekehrte ein, (rilf nimmt ab, d.h. JRiüf nimmt
bei Wiederholung der Impulse nicht soviel zu,
als TM sich verringert. Wenn GM stark ab-
nimmt, so vollzieht sich das meist schon bei
den ersten Impulsen, bei den letzten bleibt GM
so gut wie constaut. Es kommen auch Fälle
vor, in denen GM beim 2. Impuls ein wenig
kleiner als beim ersten ist, bei den folgenden
aber etwas größer.
Vereinigen wir dies Gesetz mit dem im glei-
chen Falle für EM geltenden, vorhin erörterten
so erhalten wir für den temporären Magnetismus
den Satz, daß die Abnahme desselben eine grö-
ßere ist, wenn die magnetisirende Kraft viel,
als wenn sie nur wenig gesteigert wird.
Weiter aber ergab sich nun ein entsprechen-
des Gesetz wie für E3I, so auch für TM: Ei-
nerlei ob man die magnetisirende Kraft ganz
allmählig durch zwischenliegende Kräfte steigert,
ober ob man sofort die gegebene Kraft auf den
unmagnetischen Stab einwirken läßt, die beim
Sättiguugsimpuls sich ergebenden T3I sind ein-
ander gleich , mögen auch die beim 1. Impuls
sich ergebenden TM noch so verschieden sein.
Es reiten also für den temporären Magnetis-
mus ganz ähnliche Gesetze wie für den rema-
üenten. Bei wiederholter Einwirkung einer
273
magnetisirenden Kraft nimmt UM immer zu,
nimmt TM immer ab.
An und für sich involvirt das nnn keine di-
rekte Abhängigkeit des TM vom BM und um-
gekehrt. Eine solche gegenseitige Abhängigkeit
beider , eine Abhängigkeit des TM vom RM
ergibt sich erst durch das weitere Gesetz , daß
7? 7?
die Minima der Größen -^j -^ . . . . zusam-
xvn xi«
T T^
menfallen mit den Maximis der Großen -^, ■=- . . .
In J-n
T T
oder mit den Minimis von _!*, _? . . . Da aber
nach dem vorhin ausgesprochenen Gesetz die
Minima der Verhältnisse -^ . . . eintreten bei
■tifi
dem Wendepunkt der remanenten Momente, so
treten also auch die Minima der Verhältnißwerthe
Tn Tn
... bei dem Wendepunkt der rema-
nenten Momente em.
Dieses Resultat ist von Bedeutung, denn es
zeigt eine erste direkte Abhängigkeit des tem-
porären Magnetismus vom remanenten entgegen
der Unabhängigkeit , die man in neuerer Zeit
vielfach hat behaupten wollen.
Ich habe vorhin betreffs des Einflusses wie-
derholter Impulse auf den remanenten Magnetis-
mus meine Ansicht dahin formulirt, daß Erschütte-
rungen in gewissem Maaße die Wiederholung der
Impulse vertreten können.
Denn ein durch wiederholte Impulse auf das
Sättiguugsmoment des BM gebrachter Stab ver-
mehrte durch wiederholte Erschütterungen das-
selbe nur äußert wenig , viel weniger als wenn
25
274
die ErschütteruDgen bei dem 1. oder 2. Impulse
vorgenommen wären.
Ein Vergleich wiederholter Impulse mit Er-
schütterungen , wie ich ihn für EM gebraucht
habe, ist aber nicht auf den temporären Magne-
tismus übertragbar.
Erschüttert man nämlich einen Stab, während
er in der vom Strom durchflossenen Spirale liegt,
so wächst sein EM, aber es wächst auch TM.
Und diese Zunahme des TM ist theilweise per-
manent, d. h. sie zeigt sich zum Theil auch
noch (bei mehreren Versuchen mit etwa der
Hälfte), wenn man den Stab nach Vornahme
der Erschütterung aus der Spirale entfernt und
sodann wieder einschiebt.
Während also beim EM wiederholte Impulse
dem Vorzeichen und angenähert auch der Größe
nach die gleiche Wirkung haben wie äußere Er-
schütterungen , verhalten sich dieselben bezüg-
lich des TM gerade entgegengesetzt.
Nachdem so gefunden, daß TJf immer ab-
nimmt bei -Wiederholung der Impulse , bei Stei-
gerung des EM durch eine constante Kraft,
schloß sich naturgemäß hieran die Frage, wie
sich TM verhält, wenni^ilf constant bleibt,
wenn also eine Kraft zur Anwendung kommt,
die das vorhandene permanente Moment des
Stabs zu verändern außer Stande ist.
Unterwarf ich einen Stab auf solche Weise
einer aufsteigenden Reihe von Kräften, so
fand ich auch hier bei constant bleibendem
EM stets eine geringe Abnahme des 2M, wenn
die Impulse wiederholt wurden, und zwar eine
desto stärkere, je weiter die Intervalle zwischen
den Kräften gewählt wurden.
Nicht die gesanimte Abnahme des TM wird
also bedingt durch die Zunahme des EM^ ein
275
kleiner Theil derselben ist auch von letzterem
unabhängig. Durch vsriederholte Einwirkung
einer constanten Kraft wird stets die Induk-
tionsfähigkeit vermindert, auch wenn der perma-
nent magnetische Zustand des Stabs vollkom-
men unverändert bleibt.
Fassen wir aber mit diesem Gesetz das auf
(S. 272) ausgesprochene zusammen, so ergibt sich
weiter :
Die stärkere Abnahme des TM, welche bei
rascher Steigerung der magnetisirenden Kraft
auftritt, vertheilt sich auf alle zwischenliegenden
Kräfte, wenn eine allmählige Steigerung ge-
wählt wird.
So erhalten wir aber endlich auch eine Ab-
hängigkeit der temporären Magnetisirung —
nach dem früheren Gesetz natürlich auch des
remanenten Magnetismus — von den Zuständen,
in welchen sich der Stab vorher befunden hat,
von den Kräften, denen er früher unterwor-
fen war.
Diese Thatsache ist schon länger bekannt
geworden, wenn auch durch andere Erscheinun-
gen, als die hier besprochenen.
Ich habe dieselbe noch weiter zu beleuchten
gesucht durch Versuche , in denen ich sowohl
Eisen- als Stahlstäbe größeren und kleineren
Kräften in wechselnder Reihenfolge unterwarf;
Kräften von solcher Beschaffenheit , daß sie
sämmtlich den permanent magnetischen Zustand
des Stabes nicht veränderten.
Diese Versuche , mit großer Sorgfalt und
zahlreich angestellt, haben nun gezeigt, daß eine
größere Kraft, vor einer kleineren angewandt,
die durch letztere zu erreichende (temporäre)
Wirkung niemals bleibend, wohl aber vorüber-
gehend ändert. Bei dem ersten Impulse der
276
kleineren Kraft ist der temporäre Magnetismus,
oft sehr bedeutend , größer, um nach einer hin-
reichenden Zahl von Impulsen immer auf einen
ganz Constanten Werth herabzusinken.
Eine kleinere Kraft dagegen, vor einer grö-
ßeren angewandt, ändert in den Wirkungen aller
Impulse der größeren Kraft nichts.
Es mag aber noch besonders bemerkt v^er-
den, daß dies Gesetz der nur vorübergehen-
den Aenderung der Induktionsfähigkeit ein-
zig und allein für einen constanten magne-
tischen Zustand des Stabes gilt. Es betreffen
diese vorübergehenden Aenderungen auch nur
den temporären Magnetismus: daß der vor Be-
ginn einer Versuchsreihe beobachtete permanente
Magnetismus während der ganzen Dauer derselben
ungeändert blieb oder sich vielmehr nie im
Sinne einer Zunahme vorübergehend änderte,
ist stets controlirt worden.
Also: Einen gewissen constanten permanen-
ten Magnetismus vorausgesetzt, entspricht einer
jeden Kraft, welche denselben nicht bleibend
verändert, ein ganz bestimmter constanter Werth
der Magnetisirungsfunktion, vorausgesetzt daß
zu deren Berechnung immer die nach einer
hinreichenden Anzahl von Impulsen erhaltenen
Magnetismen benutzt worden.
Anders aber verhält es sich, wenn man den
permanenten Magnetismus des Stabs beliebig
verändert und für einen beliebigen permanent
magnetischen Zustand die Magnetisirungsfunktion
einer Kraft ausmittelt.
Ich selbst habe früher geglaubt, auch Ver-
suche darüber veröffentlicht, daß einer jeden mag-
netisirenden Kraft ein sehr nahe constanter Werth
der Magnetisirungsfunktion zugehöre, mit an-
deren Worten , daß der durch eine Kraft iudu-
277
clrt« temporäre Magnetismus unabhängig sei von
dem permanent magnetischen Zustande, in welchem
die Kraft den Stab vorfindet.
Während ich den Satz nur für ein beschränktes
Gebiet von Kräften und permanenten Momenten
aussprach, that dies Jamin ganz allgemein in
dem nach ihm benannten 1, Gesetz.
Dieses Gesetz, welches jedoch auch Jamin
nur angenähert gelten lassen wollte, glaubte so-
dann Chwolson mit aller Strenge und für das
weiteste Gebiet magnetisirender Kräfte, sogar
für conträre Magnetisirungeu bewiesen zu haben.
Ich bin nun nicht in der Lage, diesen Be-
weis gelten lassen zu können.
Nachdem die Uuzulässigkeit des sogen. 2.
Gesetzes von Jamin bereits von Chwolson ge-
zeigt worden ist, möchte ich nun auch das 1.
Gesetz von Jamin umstoßen, indem ich behaupte :
Der durch eine magnetisirende Kraft erzeugte
temporäre (verschwindende) Magnetismus zeigt
sich in deutlich bestimmter Weise von dem per-
manenten Magnetismus , den der Stab bereits
besitzt, abhängig.
Wir wollen annehmen, der vorgelegte (Eisen-
oder Stahl-) Stab sei intakt, frisch ausgeglüht.
Lassen wir sodann eine Kraft i auf denselben
einwirken, so nimmt bei Wiederholung der Im-
pulse der verschwindende Magnetismus (tm) ab,
während gleichzeitig rm bis zu einem gewissen
Greuzwerthe zunimmt. Die endlich erreichten
Endwerthe sollen mit tm und nn bezeichnet
werden, wo dann tm -f- **wt = fjni.
Verstärken wir nun die magnetisirende Kraft
auf J", wodurch rm zunimmt ani BM; und wen-
den wir dann wieder die frühere Kraft i an, so
nimmt bei Wiederholung der Impulse der ver-
schwidende Magnetismus bis zu einem Endwerthe
278
itm ab, während EM ungeändert bleibt, hm ist
aber jetzt nicht gleich tm^ sondern kann sowohl
größer wie kleiner als dieses sein , und die
Differenz beider kann unter Umständen bis zu
40% des tm steigen.
Bringen wir dann eine größere Kraft J' zur
Anwendung, welche das remanente Moment R^M
erzeugt, und unterwerfen den nun mit R'M ver-
sehenen Stab wieder der Kraft *. Der tempo-
räre Magnetismus möge gleich t"m gefunden
werden.
Führen wir dasselbe für alle Werthe des re-
manenten Magnetismus (die größer als rm) aus,
tragen wir diese als Abscissen in ein rechtwink-
liches Coordinatensystem ein und als Ordinaten
die bei rm, RM, R'M. erhaltenen Werthe
des temporären Magnetismus , so gewinnen wir
eine Curve , welche den Verlauf des temporären
Magnetismus für die Kraft i in seiner Abhängig-
keit von den permanent magnetischen Zuständen,
in welchen sie den Stab vorfindet, veranschau-
licht. ■
Eine solche Curve hat zweiAeste, sie ist zu-
erst aufsteigend, dann absteigend. Bei Vergrö-
ßerung des permanenten Magnetismus nimmt
der verschwindende Magnetismus, welchen die
die Kraft i erzeugt, zuerst zu, um nachher wieder
abzunehmen.
Wir wollen uns nun diese Curven für be-
liebige Werthe von i construirt denken.
Dann glaube ich behaupten zu dürfen , daß
alle diese Curven sich in zwei Gruppen einthei-
len lassen: bei der einen Gruppe — sie ent-
spricht kleineren Wertheri von i — hat der ab-
steigende Ast eine größere Ausdehnung als der
aufsteigende, bei der zweiten Gruppe, welche
die den größeren Werthen von l zugehörenden
279
Curven umfaßt, findet das Umgekehrte statt. Zu
gleicher Zeit aber geheu bei der ersten Gruppe
die Ordinaten sehr bald unter die dem Anfang
der Curve zugehörende Ordinate herab, während
sie bei der zweiten Gruppe im Gegentheil immer
über der Größe der Ant'angsordiiiate bleiben.
Die beiden Schaaren werden getrennt durch
eine Curve, bei welcher die die Größe des tempo-
rären Magnetismus darstellende Ordinate, wenn
der Stab mit remanentem Magnetismus gesättigt
ist — die Endordinate — gleich ist der Anfangs-
ordinate.
Diese Curve, welche dentJebergang zwischen
beiden Schaaren bildet , soll nach den mir bis
jetzt vorliegenden Versuchen derjenigen Kraft
zugehören, bei welcher der Wendepunkt in dem
Anwachsen des remanenten Magnetismus eintritt.
Es sind das in Kurzem die Hauptresultate
meiner Untersuchungen, die — glaube ich —
für eine Theorie des Magnetismus nicht unwich-
tige Anhaltspunkt« liefern. Ich habe mich bei
dieser Mittheilung absichtlich auf die Hauptsa-
chen beschränkt und weitgehendere Folgerungen
zu ziehen ganz unterlassen.
Andere Resultate beziehen sich auf den Ein-
fluß, welchen die Art der Versuchsanordnung
— ob der Stab in der Spirale fest liegt oder
ob er bei Schluß und Oeffnung des Stroms aus
der Spirale entfernt ist — auf die Größe des
temporären und remanenten Magnetismus hat,
sowie namentlich auch auf den Einfluß, welchen
der Magnetisirung vorhergehende Erschütterun-
gen besitzen..
Doch möchte ich diese Resultate vorläufig
noch der Yeröfi'entlichung entziehen. In gleicher
Weise will ich die Erörterung des Einflusses,
280
welchen die Zeit auf die beschriebenen Erschei-
nungen hat, für jetzt ausschließen.
DniTersität.
Preisaufgabe der Beneke'schen
Stiftung.
Die philosophische Facultät der Georgia Au-
gusta wiederholt die im Jahre 1871 für 1874
gestellte Aufgabe für das Jahr 1880:
Obgleich den Alterthumsforschern die große
Bedeutung , welche Hippokrates Schriften für
die griechische Philosophie haben, nicht entgan-
gen ist, so werden doch eingehende Untersuchun-
gen gerade in dieser Hinsicht bis jetzt ganz ver-
mißt, ohne Zweifel wegen der vielen mit dieser
Forschung verbundenen Schwierigkeiten. Zu
diesen dürfte vor Allem der Umstand gehören,
daß unter dem Namen des Hippokrates Werke
der verschiedensten Verfasser allmählich ver-
einigt worden sind , von denen ein Theil neben,
ein anderer lange nach diesem, ein dritter viel-
leicht vor ihm gelebt hat.
Da nun ohne eine gründliche Erörterung
der Frage , welche philosophische Systeme auf
die Werke der Hippokratischen Sammlung ir-
gend Einfluß geübt haben, ein sicheres Urtheil
über die Abfassuugszeit dieser Schriften nicht
möglich ist, da ferner diese Schriften nur nach
solchem Urtheil für die Darstellung der philoso-
phischen Systeme zugänglich gemacht und der
unbedenklichen Benutzung gewonnen werden,
so stellt die Facultät als Aufgabe einen einge-
277
henden und umfassenden Nachweis der philoso-
phischen Systeme, denen die Verfasser der dem
Hippokrates zugeschriebenen Schriften folgten,
verbunden mit einer Untersuchung über den
Gewinn, den die sorgfältige Beachtung jener
Systeme sowohl für die Abfassungszeit der Hip-
pokratischen Schriften als auch für die Ge-
schichte der griechischen Philosophie ergibt.
Die Bearbeitungen dieser Aufgabe sind bis
zum 31. August 1879 dem Decan der philoso-
phischen Facultät zu Göttingen in deutscher,
lateinischer, französischer oder englischer Sprache
einzureichen. Jede eingesandte Arbeit muß mit
einem Motto und mit einem versiegelten , den
Namen und die Adresse des Verfassers enthal-
tenden Couvert, welches dasselbe Motto trägt,
versehen sein.
Der erste Preis wird mit 500 Thlr Gold in
Friedrichsd'or , der zweite mit 200 Thlr Gold in
Friedrichsd'or honorirt.
Die Verleihung der Preise findet im Jahre
1880 am 11. März, dem Geburtstage des Stifters,
in öffentlicher Sitzung der Facultät statt.
Gekrönte Arbeiten bleiben unbeschränktes
Eigenthum ihrer Verfasser.
Göttingen, 12. Mai 1877.
Die philosophische Facultät
der Decan
W. Müller.
26
278
Königlicke Gesellschaft der Wissenschaften.
Die von der K. Gesellschaft herausgegebenen
Werke von C. F. Gauss
von welchen einige Bände eine Zeit lang vergriffen
waren , sind jetzt wieder in vollständigen Exem-
plaren verkäuflich, und zwar zu folgenden Preisen :
A. Ausgabe auf Druckpapier
Band I. Disquisitiones arithmeticae. Zwei-
ter Abdruck. 1870. Preis 12 Mark.
IL Höhere Arithmetik. Zweiter Ab-
druck 1876. Preis 12 Mark.
Nachtrag zum ersten Abdruck des zweiten
Bandes. Preis 1 Mark.
III. Analysis. Zweiter Abdruck 1876.
Preis 12 Mark.
IV. Wahrscheinlichkeits-Rechnung und
Geometrie. 1873. Preis 15 Mark.
V. Mathematische Physik. Zweiter
Abdruck. 1877. Preis 15 Mark.
VI. Astronomische Abhandlungen. 1874.
Preis 20 Mark.
B. Ausgabe auf Schreib -Velin -Papier
Band I bis VI. Preis 122 Mark. (Nicht in ein-
zelnen Bänden abzugeben.)
Die Entnahme von einzelnen Bänden, bezw.
des vollständigen Werkes erfolgt gegen Baar-
zahlung von der
Königl. Universitäts - Casse in Göttingen,
welche nach wie vor den Betrieb besorgt.
Versendungen nach auswärts erfolgen ohne
Nebenkosten, excl. Porto, wenn die Preiszahlung
durch Postvorschuß -Entnahme gewünscht wird
und zulässig ist; sonst sind wegen der für Werth-
279
Sendungen erforderlichen festeren Verpackung
pro Band 60 Pfennige Emballagekosten mehr zu
zahlen.
Gauss-Denkmünze.
Die K. Gesellschaft hat zur Feier der hun-
dertsten Wiederkehr des Geburtstages von C.
F. Gauss durch Herrn Münzmedailleur H. F.
Brehmer in Hannover eine Denkmünze von 70
Millimeter Durchmesser in bronzirtem Kupfer
herstellen lassen. Sie enthält den Kopf von
Gauss und die auf ihn sowie auf die Feier sich
beziehende Inschrift. Um dieses Kunstwerk all-
gemeiner zugänglich zu machen, hat die Ge-
sellschaft verfügt , daß es zu dem Preise von
fünf Mark von der K. Universitäts - Casse zu
Göttingen bezogen werden kann, von Auswärti-
gen ohne Nebenkosten, außer Porto, wenn Post-
nachnahme des Preises erfolgen kann.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Natare. 346. 347.
Sitzungsberichte der philos. philol. u. bist. Cl. d. Akad.
d. W. in München. Bd. I. Hft. 1. 1876.
— der mathem. physik. Cl. 1876. Hft. 1.
Socin u. Prym, Syrische Sagen u. Märchen. Text Boff.
1—25. üebersetz. 13. 1—23.
Proceedings of the London mathem. Society. No. 87 — 90.
Hayden, Annual Report of the Unit. States geological
and geographica! Survey of the Territories, embracing
Colorado etc. Washington. 1876.
280
Astronomical and meteorolog. Observations during the
year 1873 at the U. St. Naval Observatory. Ebend.
1875. 4.
Memoirs of the Boston Society of Nat, History. Vol. II.
P. IV. No. 2-4. 4.
Proceedings of the same. Vol. XVII. P. III. IV. 1875.
Vol. XVIII. P. I. 1875. P. II. 1876.
Occasional Papers of the same II. Hentz, the Spiders
of the U. S. 1875.
Proceedings of the Amer. philos. Society, held at Phila-
delphia. Vol. XIV. No. 95. 1875.
Annual Report of the Director of the Mint. Washing-
ton. 1875.
Taylor, a notice of recent researches in Sound. New
Haven. 1876.
Archives of Science of the Orleans Cy. Society of Nat.
Science. Vol. I. No. VIII. 1874. Newport, Orl. Cy.
Vermont.
Bulletin of the Buffalo Society of Nat. Sciences. Vol. III.
No. 2. Buffalo. 1876.
Transactions of the Connecticut Academy of Arts and
Sciences. Vol. III. P. 1. New Haven. 1876.
Proceedings of the California Academy of Sciences. Vol.
V. P. 3. S. Francisco. 1875.
Annales de l'Observatoire R. de Bruxelles. Fol. 5. 1876.
Leopoldina. H. XIH. No. 3—6. 1877. Nr. 7—8.
Monatsbericht der Berliner Akademie. Nov. 1876.
J. Oppert, Salomon et ses successeurs. Paris. 1877.
Mittheilungen aus dem Jahrbuch d. K. ungarischen geo-
logischen Anstalt. Bd. IV. Hft. 3. Budapest. 1876.
Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou.
Annee 1876. No. 3.
Monthly Notices of the R. Astronomical Society. Vol.
37. No. 4—5.
Jahresbericht des naturf. Vereins Lotos von 1876. Prag.
Bulletin de la Soc. mathematique de France. T. V. Nr.
1—2. 1877.
R. Wolf, Astronomische Mittheilungen XLII. XLIII.
Nature 384. 386-392.
Loewenberg, de l'echange des gaz dans la caisse de
tympan. Paris. 1877.
Oversigt over det, K. Danske Videnskab. Selskabs för-
handlingar. 1876. No. 2-3. 1876. No. 1.
(Fortsetzung folgt.)
281
ringer Dimensionen, wie geschnittene Steine sind,
aus einem der am besten verwalteten großen öffent-
lichen Herrscher-Museen nicht mit Sicherheit zu
controliren. lu dem sehr schätzbaren Werke »Zur
Geschichte der K. Museen zu Berlin, Festschrift zur
Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens am 3. August
1880«, wird S. 1(3 bemerkt: »Nach der zweiten Ein-
nahme von Paris — erhielt der Preußische Beauf-
tragte V. Schütz von 538 Cameeu und Gemmen
nur 461, und erst nachträglich auf wiederholtes
Andringen den großen Cameo des Septimius Seve-
rus ; es fehlten immer noch 7(3, deren Besitz die
Direktion des Pariser Museums ableugnete, aber
schriftlich zu bezengen , daß diese Steine nicht
vorhanden seien, weigerte sie sich auch<. Es
wird dann angedeutet , daß die betreffenden
Steine entweder falsch verleugnet, oder »von
den Französischen Generalen , Ofticieren und
Umgebungen Napoleon's gestohlen« seien. Ganz
anders urtheilte C. Friederichs, der sich amtlich
mit der Untersuchung über das Deficit beschäf-
tigte, in einem Briefe, den er unter dem 23.
Januar 1871 an mich schrieb, und dessen be-
treffende Worte ich hier mittheile, weil ihr
Inhalt vielleicht von Nutzen sein kann. »Bei-
folgend schicke ich Ihnen mit herzlichem Dank
das Buch von Chabouillet zurück, das mir für
meinen Zweck nicht ohne Nutzen gewesen ist.
Ich bin freilich nur zu dem negativen Resultat
gekommen, daß wir keine einzige Gemme nam-
haft macheu können, die in Frankreich zurück-
geblieben wäre, ja daß die 76 Gemmen, die wir
bei der Rückgabe des Geraubten zu wenig er-
halten haben, nicht mit Nothwendigkeit im Be-
sitz der französischen Regierung zu suchen sind,
sondern auch anderswohin gekommen sein kön-
nen. Denn in der Reklamationsschrift wegen
21
282
jeuer 76 Steiue heißt es (gewiß als Gutachten
des damaligen Direktors Henry), die fehlenden
Steine seien die bedeutendsten Cameen der Samm-
lung, und darunter befinden sich 51 der van
Beger abgebildeten, und Tölken der 1816 ein
Verzeichniß des Fehlenden machte, weiß auch
ganz genau anzugeben, welche Stücke des Beger
man mitgenommen, ja sogar was Denou »priva-
tim gestohlen« habe. Beide verglichen nämlich
einfach den Beger mit dem ihnen vorliegenden
Bestand und schrieben die Differenz sofort auf
Rechnung der Franzosen, ohne die nothwendige
Vorfrage zu erledigen ob denn der Beger'sche
Bestand in den 100 Jahren bis zur Franzoseu-
zeit ganz intakt geblieben sei. Aus einem in
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ge-
schriebenen Gemmen katalog, den jene so gut
kennen mußten wie ich, den sie aber ganz ver-
gessen hatten, geht hervor, daß wenigstens 10
Beger'sche Steine, die jene als von der franzö-
sischen Regierung oder Denon geraubt ansehn,
schon lange vor der Franzosenzeit fehlten. Und
aus Chabouillet's Catalog verglichen mit Beger's
Abbildungen ergiebt sich ganz positiv, daß nicht
ein einziger Beger'scher Stein in Paris öffent-
lich ausgestellt ist, woraus man auch wird schlie-
ßen dürfen , daß sie dort nicht vorhanden sind.
Was von den Beger'scheu Steinen fehlt, ist wahr-
scheinlich noch bei uns vorhanden , nur nicht
im Museum, sondern es wird in den Königlichen
Schlössern zurückgeblieben sein , wo selbst be-
deutende Marmorwerke, wie der schöne Homerkopf
zurückgeblieben sind. Würde in den Schlössern
einmal gründlich untersucht und würden auch die
modernen Preziosen, Tabatieren etc. untersucht,
zu deren Verzierung oft antike Cameen gebraucht
wurden, wie mau von dem großen Churfürst und
283
Friedrich dem Großen weiß, so würde wahr-
scheinlich ein großer Theil der Beger'schen Ca-
meeu wieder zum Vorschein kommen. Auch
noch aus andern Gründen ist die Annahme
Henry's und Tölken's ganz unbegründet, es läßt
sich eben nicht ein einziger Stein bestimmt
nachweisen , den die Franzosen uns entwendet«.
7) Die beiden in Br. Bucher's Gesch. der
techn. Künste I, S. 291 als in der Biehler'schen
Sammlung befindlich aufgeführten Steine mit
dem Brustbilde des Königs Kobad I. und dem
des Königs Kobad II. befanden sich schon im J.
1875 nicht mehr in jener Sammlung; sie sind
vertauscht. — Die ebenda auf S. 308 erwähnte
»griechische Sardintaglie mit dem Kopf des
Priamus von seltener Vollendung« ist schon
oben S. 225 fg. unter n. 8 berührt. Der beige-
setzte Name des Dioskurides wurde bekanntlich
namentlich im achtzehnten Jahrhundert mehr-
fach von Fälschern gemißbraucht. — üeber
einen vermeintlich antiken, in Wahrheit jedoch
von L. Pichler herrührenden Stein mit Griechi-
scher Inschrift s. oben S. 263. — Das Schlimmste
ist aber, daß ebenda S. 313 geschrieben steht:
»Kopf eines lachenden Satyrs; bezeichnet ^M-
MSiNIOY. Carueol - Intaglio (früher Beverley,
jetzt Samml. Biehler«). Da mich diese Notiz
über den zuletzt von Stephaui »üeber angebl.
Steinschneider« S. 246 und Brunn »Gesch. der
Griech. Künstler« II, S. 544 fg. besprochenen
Stein interessirte , bat ich Hrn Biehler um ge-
nauere Auskunft. Er antwortete mir: »Ich bin
seit 45 Jahren im Besitze einer Glaspaste , aber
einer ganz modernen »schlechten« und kann
Ihnen die Versicherung geben, daß der Carueol
mit dem Kopf des Satyrs sich noch wohlbe-
halten in der Sammlung zu Alnwick Castle be«
21*
284
findet, nur mit dem Unterschiede, daß der Earl
Beverley schon gestorben und der Herzog von
Northumberland selben besitzt«. Hr. Biehler
fügt hinsichtlich des Originals hinzu: »Der Kopf
ist nicht griechisch und der sehr fein einge-
schnittene Name auch ein Falsificat«.
8) Es wäre sehr zu wünschen, daß Hr. Biehler
in dem neuen Cataloge die Provenienz der Grem-
nien seines Besitzes möglichst genau angäbe.
Mit der Gemmenwissenschaft würde es weit
besser zustehen, wenn sich die einzelnen Stücke
bis zu ihrem ersten Erscheinen hin verfolgen
ließen. Aber gerade hinsichtlich der Gemmen
haben außer der Fahrlässigkeit böse Absicht
und falsche Scham die Ausübung der Kritik so
schwierig gemacht. Herr Biehler wäre im Stande,
der Wissenschaft nach dieser Richtung hin noch
einen ganz besonderen Dienst zu erweisen. Von
1800 bis 1815 war es in Rom Luigi Pichler,
durch den vorzugsweise der Verkauf antiker und
moderner Gemmen vermittelt wurde. Er genoß
nicht allein das Vertrauen der Römer, Nobili
und Anderer, — aus ganz Italien schickte man
ihm die Gemmen zum Verkauf ein. L. Pichler
hat von allen diesen Steinen Gypsabdrücke und
auf denselben den Namen der Käufer angegeben.
Die Abdrücke hat er 1850, als er von Wien
nach Rom in Pension ging, Herrn Biehler zum
Geschenk gemacht.
9) Hr. Biehler macht gelegentlich noch fol-
gende interessante Bemerkung über die einge-
schnittenen Namen auf Gemmen. »Von 130
griechischen Künstler - Namen sind 100 gewiß
ganz falsch. Ja wenn ich über dieses Thema
zu schreiben anfinge , da müßte ich gleich 10
Bogen noch aufschreiben. Luigi Pichler war
mein Freund durch 20 Jahre von 1830 bis
285
1850. Er weiß von seinem älteren Bruder Gio-
vanni Pichler, welcher es wieder von seinem
Vater Antonio Pichler wußte, daß Stosch in
den ersten Decennien*) des vorigen Jahrhunderts
von den damals berühmten modernen Steinschnei-
dern theils in antike Steine griechische Künst-
lernamen schneiden ließ, theils auch antike Bas-
relief-Büsten und Statuen-Gemmen schneiden und
griechische Namen darin schneiden ließ. Die
Namen dieser Steinschneider sind: Sirletti,
Ghinghi, Bernabe, Rossi, Costanzi, Natter, Al-
fani, Antonio Pichler **j u. s. w. Baron Stosch
hatte seine Helfershelfer in Paris, London, Flo-
renz , Rom , Neapel etc. , von wo dann diese
Gemmen als griechisch oder als antik in die
Welt gesetzt wurden. Damals verstand ein
Herzog von Marlborough oder ein Herzog von
Devonshire ebenso wenig als heute und so ge-
schah es, daß damals Gemmen mit 200 bis
1000 Pf. St. bezahlt wurden; ja letzterer hat
eine Gemme, eine liegenden Kuh darstellend, von
Sirletti fabrizirt , zu 1000 Pf. St. dem Baron
Stosch abgekauft. Um die Täuschung noch grö-
ßer zu macheu, hat man ein Fragment gemacht,
dem der obere Theil des Körpers von der Kuh
fehlt. Aber unter der Kuh ist der Name
AnOAAQNlJOY eingeschnitten«. Es handelt
sich um den auch in den Denkm. d. a. Kunst
I, 40, 173 nach Bracci wiedergegebenen ge-
schnittenen Stein. Das von Hm B. Mitge-
theilte ist im Allgemeinen schon bekannt. Hier
wird es aber in der Weise bestätigt, daß auch
Brunn wohl seineu Zweifel an der Richtigkeit
der Angabe des Preises und an der Veranlassung
*) Genauer: »in der ersten Hälftec. W.
**) Anderswo finde ich auch Giovanni Pichler eelbat
auedrücküch genannt. W.
286
der Fälschung durch Stosch (Gesch. d. Griech,
Künstler II, S. 603) aufgeben wird. Außerdem
wird der Name des modernen Steinschneiders
ausdrücklich angegeben (was in einem anderen
Briefe Hrn. B.s freilich mit den Worten »es
dürfte eine Arbeit von Sirletti sein« geschieht).
Für die Beurtheilung des in Rede stehenden
Werkes mag hier gelegentlich noch auf die Be-
merkung Toelken's über eine die ganze liegende
»Büffelkuh« vollständig, aber in etwas geringern
Dimensionen darstellende antike Paste des Ber-
liner Mus. im Erkl. Verz. zu Kl. VIII, n. 90,
S. 408, Anm. hingewiesen werden, der trotzdem
»das berühmte Fragment« für echt hielt. Das
Terrain, auf welchem der geschnittene Stein die
Kuh liegend zeigt, und von welchem Brunn be-
merkte, daß es ihm mehr eine modern naturali-
stische als eine antik stylisirte Behandlung zu
verrathen scheine , findet sich auf der Paste
nicht. — Ich kann nicht umhin, noch eine
Mittheilung Hm B.s hier bekannt zu machen.
Nachdem er bemerkt hat, daß Gelehrte, weil
ihnen die nöthigen praktischen Kenntnisse fehl-
ten , in Betreff geschnittener Steine so oft ge-
täuscht worden seien, fährt er fort: »Es ist ja
dem berühmten Winckelmann auch nicht anders
ergangen. Er hat ja auch Gemmen von Giov.
Pichler für griechisch gehalten. Pichler hatte
eine Wette mit einem Engländer gemacht, er
werde ihm einen Stein schneiden, welchen selbst
W. für einen griechischen halten werde. Pich-
ler gebrauchte aber die Vorsicht, Gypsabdrücke
von seinem Stein zu machen, als er erst ^/^ und
'/s fertig war, denn sonst hätte er den Beweis
ja nicht herstellen können, daß dieser Stein von
ihm geschnitten sei. Ich weiß das auch von
seinem Bruder Luigi. Auch Luigi hat einen
287
Stein gescliuitten , auf welchem sich mehrere
Pferde befinden, hat einen griechischen Namen
hinein geschnitten und auch dieser Stein wurde
in Rom , ich glaube an den Herzog von Blacas,
1809 um eine sehr hohe Summe verkauft, aber
Pichler gab ihm das Geld wieder zurück. Er
wollte nur beweisen, daß es damals keinen Ken-
ner von Gemmen gab«.
10) Ja nach Hm Biehler's Annahme über-
steigt die Zahl der falschen Pichlergemmen die
der echten. »Falsche Gemmen mit dem einge-
schnittenen Namen Pichler existiren Hunderte ;
mir selbst sind gewiß schon 80 bis 100 Stück sol-
cher Falsificate vorgekommen«. Er fügt noch fol-
gende interessante Bemerkungen hinzu: »Sämmt-
liche Pichler haben eben so schon ihre Gemmen
polirt, wie es die antiken Steinschneider konnten,
und dies ist schon ein Hauptkennzeichen bei
der Beurtheilung von Pichler'schen Gemmen.
Die sämmtlichen vier Pichler haben ihre Namen
immer mit nur wenigen Ausnahmen griechisch
geschrieben, und ich erkenne schon ans der Un-
terschrift, wenn selbe acht ist, welcher Pichler
die Arbeit gemacht hat , aus der Größe der
Buchstaben , dann der weiten oder engen Zu-
sammenstellung der Buchstaben. Alle Pichler
haben gewöhnlich TIIXA^P sich geschrieben.
Luigi Pichler hat immer ein A vorgesetzt;
öfters hat er auch bloß die Initialen A. TJ.
hineingeschnitten. Dann haben alle Pichler das
E nie so , sondern immer ein Q geschnitten.
Das ^ auf diese Art ist auch schon ein Kenn-
zeichen. Derjenige , der ein E schneiden kann,
könnte ja auch ein ^ schneiden ; aber es ist
merkwürdig: unter 100 Falsificaten von Pichler'-
schen Gemmen sind mir noch nicht 5 vorgekom-
men, welche das ^ richtig so geschnitten hatten.
288
11) Liiigi Pichler hat, wie Hr. Biehler mir
schreilDt, »4 Gemmen nach Giovanni kopirt, auf
Verlangen seiner Freunde, aber alle ein wenig
größer oder kleiner als das Original war. Er
AvoUte beweisen, daß er eben ein so geschickter
Steinschneider wie sein Bruder sei, aber Luigi
hat seinen Bruder nur in seinen besten Arbeiten
erreicht, nicht in allen«.
12) Hinsichtlich der modernen Steinschnei-
derinnen, von denen die dem sechszehnten Jahr-
hundert angehörende Belli die erste , die Facius
die letzte ist, theilt Hr. Biehler Folgendes mit.
»Alle Arbeiten dieser Steinschneiderinnen ver-
rathen keine besondere Kunst in der Stein-
schneiderei. Indessen schlecht hat keine der-
selben geschnitten. Ich habe schon Arbeiten
von einer jeden gesehen. Aber im Handel kom-
men selbe nur äußerst selten vor. Die meisten
Gemmen haben die um 1 790 in Neapel blühende
Talani und die Facius aus Weimar (deren Va-
ter auch Steinschneider war), geschnitten. Die
Talani schnitt nur Cameen und die Facius nur
Intaglien. ' Die Facius hatte vor 30 Jahren das
Malheur sich den rechten Fuß zu brechen und
mnßte da das Steinschneiden aufgeben, weil sie
da die Maschine nicht mehr mit dem Fuße in
Bewegung setzen konnte. Sie schnitt daher
seit dieser Zeit nur noch in Muscheln. Sie
lebt heute noch in Weimar als alte Matrone
und ist die einzige noch lebende Steinschnei-
derin, denn seit mehr als 50 Jahren hat außer
ihr keine Dame es gewagt, in Steine schneiden
zu lernen«.
289
Nachtrag
(zu S. 275 unteu).
Durch die Liberalität Sr. K. Hoheit deg
Prinzen Albrecht von Preußen bin ich noch
unmittelbar vor der Ausgabe dieser Abhandlung
in den Stand gesetzt , über die Cameen der
Prinzlichen Sammlung eine geuauere Notiz nach
den Originalen mittheilen zu können. Es liegen
mir von den 44 frühestens aus der Römischen
Kaiserzeit stammenden Cameen, welche in einem
zu Rom im J. 1856 in Deutscher Sprache ge-
schriebenen Catalog aufgeführt sind, 26 Stücke vor.
Das weitaus bedeutendste Stück ist ein Chal-
cedon mit der Darstellung einer Büste , welche
der der bekannten Statue des Antinous als Mer-
cur im Capitoliniseheu Museum wesentlich gleicht,
nur daß der Kopf nicht nach rechts geneigt,
sondern senkrecht auf den Schultern stehend
vollkommen eu face dargestellt ist. Das Haar
ist durchaus entsprechend behandelt, nur daß
auf dem Cameo noch etwas davon hinter den
Ohren herabfällt. Die Augenbrauen sind eben-
falls ausgeführt und in den Augen ist die Pupille
angegeben. Auch der Mund zeigt die Vertiefung
in den Winkeln, wie an der Capitoliniseheu Sta-
tue; die Lippen, namentlich die untere, sind noch
voller,^ auch die Nase stärker als an dieser.
Der Kopf ist ein ausgezeichnetes Werk der
Glyptik. Auch die Politur ist vortrefflich. Am
Halse und an der Büste ist retouchirt. Auch
die Dimensionen des Steines sind ansehnlich.
Die Höhe desselben beträgt 51 Millimeter, seine
Breite 40, seine Dicke 21—22, die Höhe der
bildlichen Darstellung 38. Er ist riugsherum
so geschnitten, daß ein Absatz gebildet wird,
vermuthlich um eine Fassung in Gold aufzu-
290
nelimen, und die Vorderseite geringere Dimen-
sionen hat als die Rückseite. Außerdem ist er
der Höhe und der Breite nach gerade in der
Mitte durchbohrt, vielleicht um als Agrafe zu
dienen. In Folge der Bohrung ist er auswärts
au den Löchern beschädigt. Schwerlich ist das
Bohren von derselben Hand geschehen, welcher
der Schnitt verdankt wird. Ein namhaftes In-
teresse erregt der Umstand, daß das Werk mit
einer Inschrift in Griechischen Buchstaben ver-
sehen ist. Am linken (für den Beschauer rech-
ten) Rande des Steines dem Halse gegenüber
liest man in sehr kleinen, im Tiefschnitt aus-
geführten Buchstaben: M. ZS2CIM0Y (das M
ist beide Male so eingegraben, daß ich es zuerst
für ein N hielt, doch ist ohne Zweifel ein Marcus
Zosimus gemeint; das Si und namentlich das O
stehen etwas höher als die übrigen Buchstaben).
Der Name soll ohne Zweifel der des Künstlers
sein. Nun hören wir durch Johann Faber in
den Commentariis ad Imagines virorum illustr.
ex bibl. Fulvii Ursini p. 52 daß die Namen des
Epitynchanus und Zosimus »extant in priscis ca-
meis aliisque sculpturis«. Lessing machte in den
Kollektaneen zur Litteratur (Sämmtliche Schrif-
ten, Bd. XI, Berlin 1839, S. 287 die Bemerkung:
»wenn diese aliae sculpturae sich nur nicht auf
den Zosimus beziehen!« Aber ohne Zweifel
fand Faber den Namen dieses auch auf Cameen,
vgl. seine praef. p. 4. So urtheilt auch H. K.
E. Kühler »Ges. Schriften, herausg. von L. Ste-
phan!«, Bd. III, S. 113 richtig, obgleich er be-
merkt, daß sich mit nichten »jetzt noch Cameen
des Zosimus finden«. Der vorliegende liefert
das erste Beispiel eines solchen. Es kann nur
die Frage sein, ob der Name schon vor oder
erst nach Faber's Zeit eingeschnitten sei. Das
291
Erstere hat gewiß die größere Wahrscheinlich-
keit, wenn auch Faber nar von einem Zosimus
schlechthin, nicht von einem M. Zosimus spricht.
Der Name Zosimus ist als der eines Steinschnei-
der durch kein sicheres Zeugniß aus dem Alter-
thume beglaubigt. Wenn Stephani zu Köhler
a. a. 0. S. 296 , Anm. 32, a, wirklich meinte,
daß dieser Name auf einem vertieft geschnitte-
nen rothen Jaspis des Berliner Museums (Toel-
ken Erkl. Verzeichn. Kl. VIII, n. 258) den Ver-
fertiger des Werkes angehen solle , so kann ich
mit nichten beistimmen. Der von Raspe Catal.
de Tassie T. I, p 461, n. 7894 verzeichnete
Stoschische Schwefel mit der Inschrift ZOS. ent-
zieht sich unserer Beurtheilnug. Wenn es aber
auch wahrscheinlich ist, daß der Name ZOSIMVS
gemeint war, so ist es doch, auch der bildlichen
Darstellung wegen , ganz unglaublich , daß der
Name den Steinschneider andeuten solle , es sei
denn , daß es sich um eine moderne Fälschung
handele. Es ist schon vorlängst mit Recht ver-
muthet, daß die Existenz eines Steinschneiders
Zosimus wesentlich auf der in Gruter. Inscr.
p. 639, 12, zum zweiten Male bekannt geraachten
Grab-Inschrift beruht, in welcher es heißt, daß M.
Canulejus Zosimus »arte in caelatura Clodiana evi-
cit omnes«, daß aber diese Worte nur auf einen
Caelator von Silbergefäßen und durchaus nicht auf
einen Steinschneider passen. Wenn Raoul-Ro-
chette noch im Jahre 1845 in der Lettre ä Mr.
Sehoru p.l58, 83 den in der Inschrift erwähnten
Zosimus mit dem nach Faber auf Cameen vorkom-
menden für identisch hielt, so steht er mit dieser
Ansicht so gut wie vereinzelt da. Daß der
Steinschneider Zosimus aus der Grabinschrift
hervorgegangen ist, wird durch den in Rede
stehenden Cameo noch wahrscheinlicher, da des-
292
sen Inschrift auf eiueu Jf. Zosimus lautet; dane-
ben erhellt auch die Willkür der Namensfälscher
auf geschnittenen Steinen nach Schriftwerken
und Inschriften. An der ünechtheit der Inschrift
auf dem hier der Besprechung unterzogenen
Cameo ist durchaus nicht zu zweifeln. Daraus
folgt aber keinesweges , daß auch die bildliche
Darstellung modern sei. Im Gegentheil über-
wiegen die Gründe für deren Herstammung aus
der Zeit Hadrians die für die Annahme eines
Werkes neuerer Zeit.
Unter den übrigen vorliegenden Cameeü mö-
gen hier zunächst zwei erwähnt werden, welche,
wenn sie auch hinsichtlich der Arbeit unendlich
weit hinter dem oben besprochenen zurückste-
hen , auch von geringeren Dimensionen , aber
doch größer als die übrigen, sind und ein jeder
in seiner Weise Interesse erregen:
1) das Brustbild einer Pallas nach rechts,
mit dem Attischen, mit einem Roßschweifbusch
versehenen Helm und der Aegis, von welcher
sich eine Schlange erhebt ; das Haar fällt gelöst
in den Nacken und zu den Seiten des Halses
herab ; unter dem obersten noch zur Darstellung
gebrachten Theile des rechten Armes gewahrt
man die in die braune Lage des Onyx mit
kleinen Buchstaben vertieft eingeschnittene In-
schrift ONHCY (so!) (gewiß war der sonst
ganz ausgeschriebene , auch auf einem Steine
mit einer behelmten Pallas bei Miliin Pierr. grav.
pl. LVIII vorkommende Künstlername ONHCI-
MOG gemeint; die ünechtheit der Inschrift ist
zweifellos, auch hier haben wir also ein Beispiel
der ünechtheit vertieft geschnittener Inschriften
auf erhaben geschnittenen Steinen) ;
2) ein alter Bekannter, den ich jetzt unver-
hofft zu Hannover wiederfinde, jener früher De-
293
midoff'sche, uameutlith auch wegen der Beflü-
geluug Silens iuteressaute Onyxcameo , welchen
ich nach dem Abdrucke in den von Cades be-
sorgten Impr, gemni. d. Inst. arch. Cent. IV,
n. 37 in meinen Denkmälern der alten Kunst
Bd. II, Taf. XXXV, n. 405 habe abbilden lassen.
Recht interessant ist ferner ein leider frag-
mentirter Onyx mit einer schönen nackten weib-
lichen Figur , die trotz ihrer starken Beschädi-
gung sich als jene öfter wiederholte Aphrodite
unzweifelhaft erkennen läßt , welche , indem sie
auf dem einen Beine , hier dem linken , steht,
sich mit der einen Hand, hier ebenfalls der lin-
ken, an der Sandale des einen Beines, hier des
rechten , zu schaffen macht , während sie den
anderen Arm , also hier den rechten , zum Ba-
lanciren des Körpers ausgestreckt hält. Das in
Rede stehende Werk war bisher unbekannt.
Mehr über entsprechende Darstellungen in mei-
nem Texte zu den Denkm. d. a. K. Bd. II,
S. 422 fg. zu n. 283 u. 283, a, der dritten Bearb.
Drei der Cameen stellen Eroten dar ; der eine
einen leierspielenden; der andere einen, welcher
einen widerstrebenden Schwan bei dem rechten
Flügel herbeizieht. Die Darstellung des dritten,
die beste von den dreien , zeigt den auf einem
Felsen sitzenden Amor mit nach rechts gewen-
detem Kopfe , während er mit beiden Armen,
wie ich meine, eine Flasche und das bekannte
Tonzeug in Form eines Dreiecks {iQiycovoy), an
dem aber die Seiten nicht ausgeführt sind, nach
links hin hält. Also ein Theil einer Gruppe.
Auch ein fragmentirter Sardonyx mit der
Darstellung eines unbärtigen Mannes mit der
Phrygischen Mütze, des »Parisc, wenn nicht
vielmehr des Anchises, verdient in künstlerischer
Hinsicht Beachtung.
294
Desgleichen eiu weniger beschädigter Onyx
mit der Darstellung der Athena, einer kleineu
entfernten Nachbildung der Parthenos des Phi-
dias, wie sie auch sonst auf Gemmen vor-
kommt. Die ausgestreckte rechte Hand hielt si-
cherlich auf der inneren Fläche einen Vogel.
Also ein neues Beispiel der Athena mit der
Eule auf der Hand, welches den in den Denkm.
d. a. K. Bd. 11, S. 307 fg. zu u. 219 der dritten
Bearb. angeführten hinzuzufügen ist.
Minderen Belang hat eiu Onyx mit der Dar-
stellung einer tanzenden Bacchantin, die in der
Linken den Thyrsus hält und mit der rechten
das ihren Körper nach vorn hin ganz entblößt
lassende Gewand faßt.
Die übrigen Darstellungen betreffen Portraits
aus Römischer Zeit , von denen einige recht
hübsch ausgeführt sind, und Thiere. —
Auch unter den vertieft geschnittenen Steinen
befinden sich, nach dem Catalog zu urtheilen,
mehrere sehr interessante Stücke. Zu diesen
gehört — .um nur dieses Eine zu bemerken —
der früher Deniidoff'sche mit der einen ihrer
Brüder zu beschirmen suchenden Tochter der
Niobe, welcher nach den oben erwähnten Impr.
gemm. I, 74 in den Denkm. d. a. Kunst Bd. I,
Taf. XXXIV, n. 142, D, in Abbildung mitge-
theilt ist.
295
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
Mui bittet diese Verzcicbnisäe zugleich als Empfangsanzeigen aiu«ken
zn wollen.
Fortsetzung.
The Transactions of the Linnean Soc. of London.
Zoology. Vol. IL P. 2.
The Journal of the Linn. Soc. Botany. VoL XVllL
No. 108-113. VoL XV. ZooL No. 84. 85.
List of the Linnean Society. January 1881.
A. Scacchi, drei Separat- Abdrücke. Mineralogie.
Der zoologische Garten. Jahrg. XXIL N. 1—6.
Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften zu
München math.-physikaL CL 1881. Heft IV.
Monatsbericht der Königl. Preussiechen Akademie der
Wissenschaften zu Berlin. Mai 1881.
Erdelyi Muzeum, 8 Sz., VllL Evtolyam 1881.
Sendung der Krakauer Akademie. 1880 — 81').
Abhandlungen und Sitzungsberichte der historisch-philoa.
Abth. der Akademie der Wissenschaften. Bd. XIIL
Abhandlungen und Sitzungsberichte der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Abtheilung der Akademie der
Wiss. Bd. VIII.
Jahrbuch über die Verwaltung der Akademie der Wisa.
zu Krakau. Jahrgang 1880.
Berichte der sprachwissenschaftlichen Commission der
Akademie der Wiss. Bd. 1. 2.
Berichte der physiographischen Commission enthaltend
einen üeberblick über die während dea Jahres 1880
vollendeten Arbeiten zugleich Materialien zur Physio-
graphie Galiziens. Bd. 15.
Sammlung von Beiträgen zur vaterländischen Anthro-
pologie hrsg. von der anthropologischen Commission
der Akademie. Bd. V. 8.
Berichte der Kommission für Geschichte der Kunst in
Polen. Bd. II, Heft 2: Die Kirche St. Jacob in San-
domir, Denkmal eines Ziegelbau's des 13. Jahrb., be-
schrieben von Wladislaw Luszckiewicz. 4°.
1) Die meisten in polxu£cher Sprache.
296
Monuments prehistoriques de l'ancienne Pologne publies
par les soins de la Commission archeologique de l'aca-
ddraie des sciences de Cracovie I. Serie Prusse royale
par Godefroy Ossowsk et traduit du polonais par Si-
gismond Zaborowski, 2. livraison. 4".
Acta historica res gestaa Poloniae illustrantia TomusII
continet: Acta Joannis Sobieski quae ad illustrandum
vitae eins cursum resque usque ad electionem gestas
inserviunt, Tomi I, pars II, 1672-1674. 4". TomusV.
Acta quae in archivo ministerü rerum exterarum
Gallici ad Joannis III regnum illustrandum spectant
continens ab anno 1677 ad annum 1679. 4°.
November 1881.
Revista Euskara. No. 40. Oct. 1881.
Bulletin de la Soc. Inip. de Moscou. 1881. N. 1.
Proceedings of the London Math. Society. N. 176. 177.
58. Jahresbericht der Schlesischen Gesellsch. für Vater-
land. Cultur.
Verhandlungen der im Sept. 1880 abgehaltenen sechsten
Conferenz der Europäischen Gradmessung. Berlin.
1881. 4«.
Archiv des histor. Vereins von Unterfranken u. Aschaf-
fenburg. Bd. 24. H. 2. 3. Bd. 25. H. 2. 3.
Denkschriften der K. Akad. des Wiss. Philos.-histor.
Classe. Bd. 31. Wien. 1881. 4".
Sitzungsberichte, histor. philos. Cl. 1880. Bd. 97. H. 1. 28.
Bd. 98. H. 1. 2.
Mathem. naturwiss. Cl. Abth. I. 1880. Bd. 82, Heft 3 -5.
1881. Bd. 83, H. 1-4. Abth. II. 1880. Bd. 82, 3— 5.
1881. Bd. 83, 1—4. Abth. III. 1880. Bd. 82, 3-5.
1881. Bd. 83, 1-2.
Almanach der Kais. Ak. d. W. 1881.
II. Bericht des hydrotechnischen Vereins Ober die Was-
serabnahme in den Quellen etc.
Nature. 627. 628. 630.
Monatsbericht der Berliner Akademie. Juni 1881.
Annali di Statistica. Serie 2. Vol. 25. 1881. Roma.
Monthly Notices of the R. Astronom. Soc. Vol. XLI.
No. 9.
(Fortsetzung folgt)
Für die Kedaction verantwortlich : Dr. IkcfiM, Director d. Oött. gel. Anz.
Commissions-Verlag der Dieterich' schm Yerlags- Buchhandlung.
Druck der DieiericK sehen i'nio. - Buchdmclcerei ( W. Fr. Katstner).
• /
/
m
1*;
OOOo
<.-J^
285
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
13. Juni. M 13. 1877.
llBiTersität.
Am vierten Juni beging die Universität in her-
kömmlicher Weise die öffentliche Preisvertheilung.
Die Festrede hielt Prof. Wieseler. Sie be-
traf hauptsächlich die Erklärung des ApoUon
vom Belvedere. Da diese schwierige Aufgabe
nur in Folge der umfassendsten und eingehend-
sten Untersuchungen zu lösen ist, diese aber in
der auf ein größeres nicht gelehrtes Publicum
berechneten Rede nicht gehörig entwickelt wer-
den konnten, so sei hier in wissenschaftlicher
Beziiehung Folgendes bemerkt. Die jetzt am
meisten verbreitete Ansicht, daß Apollon mit
seiner von Zeus entliehenen Aegis die gegen
sein Heiligthum zu Delphi anstürmenden Gallier
niederschmettere, ist durchaus unhaltbar. Das
hat schon vorläugst selbst der ausgezeichnete
Gelehrte zugegeben, durch den jene Ansicht zu-
erst in die Wissenschaft eingeführt wurde. Die
schwer wiegenden Bedenken liegen nicht allein
auf dem Boden der gelehrten Forschung; jeder
Laie von einfachem Urtheil wird einsehen, daß
der triumphirende Stolz ApoUons als ein gera-
dezu lächerliches Pathos erscheinen müßte, wenn
er auf keinem anderen Grunde beruhte als dar-
27
28a
auf, daß der Gott durch das bloße Hinhalten
und Schütteln einer, Sterblichen, wie es doch
die Gallier waren, unwiderstehlichen, noch dazu
geliehenen Wafife über diese obsiegte. — Wenn
also eine neue Erklärung versucht werden muß,
so wird man zunächst danach zu sehen haben,
ob sich nicht die Aegis auch als Eigenthum
Apoll ons nachweisen läßt. Dafür giebt es aber
genügende, nicht bloß bildliche, sondern auch
schriftliche Belege. Der Inhaber der Aegis ist
Apollon Helios. Die Verschmelzung ApoUons
und Helios' war gerade zu der Zeit, in welche
die Verfertigung des Originals des Apollon vom
Belvedere fällt, gäng und gäbe. Die Handlung,
in welcher diese Statue begriffen ist, wird also
entweder aus den vorzeitlichen Sagen zu erklären
sein, oder aus den Ansichten, welche in der Zeit
der Verfertigung des Originals der Statue über
das tägliche Leben und Treiben des Sonnen-
gottes in der Poesie und in den bildenden Kün-
sten der Griechen herrschend waren; Apollon
Helios ist entweder in einer einmaligen mythi-
schen Handlung dargestellt, oder in einer solchen,
die sich während seiner täglichen Fahrt am
Himmel wiederholt. Auf diesem neugewonnenen
Standpunkt angelangt bedarf man, um weiter
zu kommen, keiner Conjectur ins Blaue hinein.
Die Mythologie weiß von keinem Ereigniß jener
Art. Dagegen wird der Sonnengott als sieg-
reicher Kämpfer auf der Himmelsbahn durch
Wort und Bild bis in die spätesten Zeiten des
Heidenthuras hinab verherrlicht. Der Apollon
vom Belvedere ist im allgemeinen als siegreicher
Bekämpfer der Dämonen der Finsterniß zu fas-
sen. Er ist also eine Darstellung des erhabe-
nen Sonnen- und Tagesgottes in der Thätigkeit,
welche diesem nicht bloß als eine gewöhnliche,
287
sondern auch als die hervorragendste zugeschrie-
ben wurde, und entspricht auch in sachlicher Be-
ziehung dem Zwillingsschwesterbild der Mond-,
Nacht- und Jagdgöttin, der Artemis von Versail-
les, welches man schon längst in technischer und
formeller Hinsicht als Gegen- oder Seitenstück
richtig erkannt hat, ohne das erforderliche ge-
gensätzliche Entsprechen der Handlung des Apol-
lon vom Belvedere und der deutlicher zu Tage
liegenden der Artemis von Versailles darthun
zu können ; weßhalb denn diese bei den neueren
Untersuchungen über jenen gar nicht oder nicht
richtig veranschlagt ist.
Hinsichtlich der für das Jahr 1876 — 1877
gestellten Preisaufgaben verhält es sich folgen-
dermaßen.
Die von der theologischen Facultät gestellte
wissenschaftliche Preisaufgabe hat keine
Bearbeitung gefunden.
üeber den gegebenen Predigttext sind
zwei Predigten eingegangen — die eine mit
dem Motto »'O Geög dydnti ißtivi — die zweite
mit dem Motto: *Opus est mitescere pietate.«
Keine derselben entsprach den zu stellenden
Anforderungen vollständig; doch erschien die
zweite durch ihr ernstes Streben und ihre wür-
dige Haltung als geeignet zum öffentlichen Vor-
trag zugelassen zu werden. Da aber der Ver-
fasser zum Bedauern der Facultät durch Un-
wohlsein verhindert war diese Bedingung zu er-
füllen, so konnte ihm der stiftungsmäßige Preis
nicht zuerkannt werden. Doch hat die Facultät
beschlossen, ihm als Anerkennung für die Vor-
züge seiner Leistung einen entsprechenden Theil
des Preises zu verwilligen, und es ist hiezu die
Ermächtigung des Königlichen Universitäts-Cn-
ratorii ertheilt werden.
27*
28g
Bei der iuristischen und der medicinischen
FacTiltät sind Bearbeitungen der Preisaufgaben
nicht eingegangen. , , .,
Aucb die ordentliche Aufgabe der philoso-
phischen Facultät hat keinen Preisbewerber ge-
funden.
Dagegen ist für die außerordentliche eine
Arbeit eingegangen.
Die betreffende Aufgabe lautete:
I)r G Ä. MaacJc hat in seiner 1869 erschie-
nenen 'Arheit: „Die Us jetzt leUnnten fos^len
SchiUlröten und die im oberen Jura oei KeM-
heim und Hannover nm aufgefundenen ^testen
Arten derselben^' die Hannoverschen iormm
nicht in abschließender Weise behandelt. Ute
Facultät wünscht daher eine monographische
Beschreibung der an dem Tönnjesberge bei
Linden bisher gefundenen SchitdJcrötenreste unf^
steter Vergleichung mit den gleichaltrigen, öe-
sonders durch Rütimeyer von Solothurn be-
schriebenen Formen und unter Darlegung ihrer
Bedeutung für die Stammesgeschichte der hchiM-
laröten.
Die Beantwortung derselben hat d* Motto:
Jam galeam Pallas et aegida currusque et ra-
biem parat. Vierzehn von Herrn 0^ Peters mit
gewohnter Meisterschaft ausgeführte Figuren die-
nen zu ihrer Erläuterung. .. • i
Der Verfasser derselben hat mit sicherem
Verständniß und großem Fleiße, bis auf einige
wenig bedeutende Ausnahmen das ganze bisjetzt
am Tönnjesberge gefundene Schi dkrütenmaterial
bearbeitet, in befriedigender Weise m 5 bezw.
6 Arten vertheilt und mit den Rutmieyerschen
Formen in Beziehung gesetzt. ^%^'']f^''^'2l
und Darstellung der gewonnenen Resultate wäre
289
freilich eine größere Ausführlichkeit zu wünschen,
besonders bei der Behandlung der Bauchschilder
von Plesiochelys Hannoverana. Sprachlich ist
die Arbeit dagegen so voller Verstöße, daß die-
selbe in der vorliegenden Form nicht gedruckt
werden kann. Da diese Sprachfehler jedoch
keinen Zweifel darüber lassen, daß der Verfasser
kein Deutscher ist, und die Arbeit ein wesent-
licher Fortschritt in unserer Kenntniß der Ju-
rassischen Schildkrötenfauua ist, so giebt die
Facultät dem Verfasser auf, dieselbe vor dem
Drucke ihr nochmals in einer sprachlich verbes-
serten Umarbeitung vorzulegen, und bewilligt
ihm den Preis.
Der Preisträger ist:
Alessandro Portis de Torino,
Dottore di Storia Naturale, Studiosus der Natur-
wissenschaften in Göttingen.
Die neuen Preisaufgaben für das Jahr 1877/78
sind folgende:
Die theologische Facultät stellt als wissen-
schaftliche Aufgabe das Thema:
Baptismus parvulorum qua ratione in ecclesia
nostra retentus sit ac retinenäus^ exponatnr.
Als Predigttext gibt sie die Stelle 2. Co-
rinth. 7, v. 10.
Die diesmalige Aufgabe der Juristenfacul-
tät ist:
Darstdlung der Lehre des Hugo Grotius über
das Verhältniß des Staates zur Kirclie, unter
Berüchsichtigung der Quellen dieser Lehre.
Die medicinische Facultät stellt die folgende
Aufgabe :
29Ö
Es soll mit Bücksicht auf die Angaben von
Bence-Jones und Änderen durch Untersuchungen
an gesunden Menschen festgestellt iverden, ob
und unter welchen physiologischen Bedingungen
der Harn eine alJcalische Beaction zeigt, durch
welche Körper dieselbe veranlaßt wird^ so wie
ob und welche Sedimente sich in solchem alka-
lischen Harn abscheiden.
Die philosophische Facultät stellt folgende
Aufgaben :
I. als ordentliche:
Veteris testamenti emendandi pericula, quae
Herderus aut ipse fecit^ aut ab aliis facta cotn-
mendavit, colligantur et examinentur;
IL als außerordentliche:
Die in den einheimischen Bmnbus-Arten schma-
rotzende Sphaerularia Boinbi ist weder anato-
misch noch biologisch genügend bekannt. Die
philosophische Facultät verlangt dem entspre-
chend eine Untersuchung dieses bei uns nicht
seltenen Thiers, durch welche unsere Kenntnisse
nach beiden oder vorwiegend nach einer der
beiden Bichtungen gefördert werden.
Die Bearbeitungen müssen, mit einem Motto
versehen, zugleich mit einem versiegelten Zettel,
der außen dieses Motto trägt und innen den
Namen des Verfassers enthält, bis zum 15. April
1878 den Decanen der einzelnen Facul täten über-
geben werden.
Alle neuen Preisaufgaben, auch die in latei-
nischer Sprache gestellte, können in deutscher
Sprache beantwortet werden.
291
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Sitzang am 5. Mai.
(Fortsetzung).
Versuche über die scheinbare An-
ziehung und Ab sto ßung zwischen Kor-
pern, welche sich in Wasser bewegen.
Von
0. £. Schiötz,
Professor der Physik an der Universität Christiania.
Vorgelegt von Herrn Carl Anton Bjerknes.
Im Repertorium für reine und angewandte
Mathematik 1876 pag. 264 u. f. findet sich ein
Auszug aus einer Abhandlung von C. A. Bjerk-
nes: »vorläufige Mittheilungen über die Druck-
kräfte, die entstehen, wenn kugelförmige Kör-
per, indem sie Dilatations- und Contraktions-
Schwingungeu ausführen, in einer incompressi-
blen Flüssigkeit sich bewegen«, (Videnskabselsk.
Forhandl. Christiania 1875)*). In dieser Ab-
handlung zeigt Bjerknes, daß die mittlere Kraft-
wirkung zwischen 2 kugelförmigen Körpern, in-
dem sie gleichzeitige Volumen- Aenderungen
(consonirende Pulsationen) oder gegen die mittlere
Centralliuie senkrechte Oscillationen ausführen,
wie eine Anziehung erscheint, wenn die Phase
der beiden Kugelu dieselbe, aber wie eine Ab-
stoßung erscheint, wenn die Phase eine ent-
*) Siehe femer Göttinger Nachrichten Juni 1876.
292
gegengesetzte ist. Die Kraftwirkung der Pul-
sationen ist umgekehrt proportional dem Qua-
drate des Abstandes, die der Oscillationen der
vierten Potenz. Es wird angenommen, daß der
Zusammenhang der Flüssigkeit durch die Be-
wegung der Körper nirgends aufgehoben wird.
Als eine Illustration zu diesen Sätzen erwähnt
er (pag. 273) auch durch Versuche dargethahene
Erscheinungen, welche 2 gleiche Holzkugeln
zeigen, wenn sie gleichzeitig oder nach be-
stimmten Zeitverläufen ins Wasser niederfallen.
Im ersten Falle, wo die Kugeln auf der Wasser-
fläche in gleichartige Oscillationen gerathen,
sieht man eine Anziehung, im andern Falle,
wenn das Zeitintervall gerade so bemessen ist,
daß die Kugeln in entgegengesetzte Oscillationen
gerathen, bemerkt man eine Abstoßung.
Diese Wirkungen waren beobachtet worden,
indem man die Kugeln in den Händen hält
und so nieder fallen ließ, es schien daher wün-
schenswerth sie einer genaueren Prüfung zu
unterwerfen. Dieserhalb unternahm ich schon
im vorigen Jahre zusammen mit Herrn Bjerknes
einige Versuche anzustellen. Zu diesen Ver-
suchen benutzten wir als Bassin ein Aquarium,
dessen Seiten alle von Glas waren, so daß man
bequem von außen alles, was innen vorging,
sehen konnte; es war 840'""' lang, 375«°"» breit
und 409'"°' hoch.
1.
Zwei gleichgroße Kugeln, welche gleichzeitig im
Wasser niederfallen.
Auf der Mitte jeder der kürzesten Seiten des
Aquariums war eine Stange aufgerichtet; mit
diesen beiden wurde eine horizontale Quer-
293
stange, welche auf eine beliebige Höhe über
das Wasser gestellt werden konnte, verbunden.
F^twa an der Mitte dieser Querstange saß ein
Apparat mit zwei kleinen Messingrollen; die
eine dieser Rollen war fest, die andere könnt«
man parallel der Stange verschieben, so daß
man den Abstand der Rollen von einander be-
liebig klein oder groß machen könnt«.
D^e zwei Kugeln, welche jede einen kleinen
Haken hatte, wurden an den Enden eines feinen
Faden, der über die beiden Rollen ging, be-
festigt ; man konnte so die Kugeln in einem be-
liebigen Centralabstand in gleicher Hohe über
dem Wasser aufhängen. Wurde der Faden, nach-
dem die Kugeln in Ruhe gekommen waren,
zwischen den beiden Rollen abgebrannt, so tra-
fen jene gleichzeitig das Wasser, gingen gleich
tief und kehrten gleichzeitig nach der Ober-
tiäche zurück; die anhängenden Faden hinder-
ten sehr wenig diese Bewegung. Ließ man auf
diese Weise nur die eine Kugel ins Wasser
fallen, so bewegte sie sich nicht völlig senkrecht
ab und auf; die Abweichungen waren aber bald
nach der einen, bald nach der anderen Seite.
Die regelDiäßigen Wirkungen also, welche zu
beobachten sein werden , können nicht von
den Unregelmäßigkeiten in der Bewegung der
einzelnen Kugeln herrühren.
Der Centralabstand zwischen den Kugeln,
welcher gleich dem Abstände der parallelen
Fadenenden war, wurde gemessen, indem man.
einen Millimeterstab an die Fäden anlegte; die
Höhe der Ceutren der Kugeln über der Wasser-
fläche wurde ebenfalls gemessen.
In den ersten Versuchen, wo die Kugeln im-
mer von gleicher Höhe fielen, wurden zwei
Kugeln von Eschenholz benutzt — Diameter
294
S3°'% Gewicht 220 g''- — . Kugeln von leichte-
rem Holze, Fichte, Espe, zu benutzen zeigte
sich weniger vortheilhaft , weil ihre Bewegung
zu früh aufhörte.
Wir fanden, daß die Wirkung der Kugeln
auf einander mit dem Abstände abnahm; An-
zeichen einer Annäherung sah man noch in
einem Centralabstand von 179'^'"; in größeren
Abständen wurde nichts sicheres bemerkt. 'War
der Abstand weniger als 150 "^'°, so näherten
sich die Kugeln bis zum Contakt — selbst bei
anfänglichem Abstände von 154,5 "^"^ ergab sich
einige Mal Zusammenstoßen. — Je höher die
Fallhöhe war, je kräftiger die Wirkungen, je
schneller der Zusammenstoß; doch durfte die
Fallhöhe nicht viel mehr als 250 "'^ betragen.
Eine Menge Luftblasen wurde sonst mitgerissen,
und die Bewegung der Kugeln wurde sehr un-
regelmäßig*). War der Abstand klein, nur
*) Nimmt man die Fallhöhe sehr groß, so wird beim
Niederfallen das Wasser mit großer Geschwindigkeit zur
Seite gedrängt und strömt mit geringerer Geschwmdig-
keit, namentlich in der Nähe der Oberfläche, wieder zu-
rück. Es fehlt somit hier eine Hauptbedmgnng , daß
nämlich der Druck immer so groß sein muß, daß die
Flüssigkeit an dem Körper haften bleibe. Man bekommt
alsdann eine neue und fremde Wirkung, die in der Er-
scheinung als eine Abstoßung hervortreten wird; und zu-
gleich werden sich leere oder mit Luft gefüllte Raame
bilden. Die hier erwähnten Nebenwirkungen kommen
zwar auch vor, wenn die Fallhöhen kleiner sind; sie wer-
den aber erst überwiegend sein, wenn die Fallhohen
eine gewisse Größe überschreiten. Dadurch erklart es
sich, daß die scheinbare Attraktion anfänglich zwar mit
wachsender Fallhöhe vergrößert wird, daß sie aber nach-
her, der hier vorausgesetzten Theorie entgegen, wieder
abnimmt und zuletzt in Repulsion übergeht , welche auf
den entstandenen Strömungen beruht. „ . . , ,
Aehaliche Bemerkungen gelten zum Beispiel auch
295
100°"" oder weniger, so trat der Contakt schon
während des ersten Niederganges oder des fol-
genden Aufganges ein, selbst wenn die Fallhöhe
so klein war, daß die Kugeln das Wasser schon
während der Aufliängung berührten. In größe-
ren Distancen (wenigstens bis 138°™) erhielt
man den Contakt ebenso früh, wenn man nur
die Fallhöhe groß genug machte ; war die Fall-
höhe kleiner, so stießen die Kugeln auf der
Wasserfläche erst nach wenigeren oder mehreren
consonierenden Oscillationen an einander.
Wir machten auch einige Versuche — ent-
sprechend denjenigen, welche im Repertorium
pag. 274 erwähnt werden — mit zwei gleich
großen aber ungleich schweren Kugeln; eine
von Eschenholz und eine Kugel von Espenholz
(Diametir 84°™, Gewicht 150^) oder in weni-
gen Versuchen eine von Fichten (Diam. 84°™,
Gewicht 140 8t) wurden benutzt. In der Auf-
stellung wurde nichts geändert: es zeigte sich
nämlich, daß die Friction zwischen dem feuch-
ten Faden und den festgehaltenen Rollen zu-
reichend war, um eine Gleitung trotz des Ueber-
gewichts der Eschenholzkugel zu hindern. Wir
für oscillatorische Bewegungen; besonders werden hier
die störenden Einflüsse der durch dieselben hervorge-
brachten Strömungen bemerkbar werden, wenn leichte
Körper in der Nähe liegen, die hoch auf der Oberfläche
schwimmen. Erscheinungen, die sonst als Anziehungen
hervortreten würden, gehen dann in scheinbare Repul-
sionen über ; unt«r günstigeren Umständen aber, beispiel-
weise wenn die Körper dieselbe Dichtigkeit wie die
Flüssigkeit selbst besitzen, werden die oberflächlichen
Strömungen unter Voraussetzung von mäßigeren Oscilla-
tionen nicht stark genug sein, um die Elrscheinungen der
Anziehungen zu verhindern. Diese treten selbst hervor,
wenn man den anfänglich rahenden Körper gegen diese
Strömungen an der Oberfläche hinlänglich schützen kann.
C. A. Bjerknes.
296
untersuchten nun genauer die Wirkungen in
großer Nähe, in einem Abstände von 89,5™™.
Die Wirkungen verminderten sich in diesem
Falle viel schneller mit dem Abstände als im
ersten. Die Attraction wurde nämlich wesent-
lich bei der ersten niedergehenden Bewegung
bemerkbar, indem später die Bewegungen der
beiden Kugeln wegen der an der Wasserfläche
ungleichen Oscillationszeiten ungleichmäßig wur-
den. Bei dieser großen Nähe war die Wirkung
auf die leichtere Kugel kräftig, seine Bewegung
gegen die Eschenholzkugel war sehr merklich,
während die der letzteren gegen jene gewöhn-
lich wenig merkbar war. Ließ man die Fall-
hohe verschieden sein und so, daß die schwerere
Kugel von einer größeren Höhe fiel, so konnte
man es dahin bringen, daß die leichtere sich
über die schwerere hinüber bewegte, selbst ohne
jene zu berühren auf die andere Seite dersel-
ben gelangte; die Eschenholzkugel sank nämlich
tiefer als die andere und kam daher später auf,
so daß die letztere während dieser Zeit eine Be-
wegung in der Richtung nach dem Orte, wo
die Eschenholzkugel zuerst das Wasser berührt
hatte, ausführen konnte. Um dies besser zu
zeigen, werde ich eine Observationsreihe, in wel-
cher die Fallhöhe der Eschenholzkugel constant
140"™ war, während die der Espenholzkugel
sich änderte, mittheileu.
Die Espenholzkugel hatte keine Fallhöhe
durchlaufen, sondern befand sich schwimmend
in Ruhe; dann trat beinahe keine Wirkung ein.
Bei einer Fallhöhe von 35""" über Wasser
näherte sich die Espeuholzkugel während ihrer
ab- und aufgehenden Bewegung der Escheuholz-
kugel bis zum Zusammenstoßen beim Auf-
tauchen.
297
Bei einer Fallhöhe von 52"^™ über Wasser
näherte sich die Espenholzkugel der Eschenholz-
kugel noch rascher.
Bei einer Fallhöhe von 70™™ über Wasser
näherte sich die Espenholzkugel rasch der
Eschenholzkugel, wurde von dieser auf ihrer
unteren Seite getroffen, dann gingen beide etwa
nach ihrer Einfallsstelle zurück.
Bei einer Fallhöhe von 92°"° über Wasser
wurde die Espenholzkugel von der Eschenholz-
kugel unten getroffen und auf die andere Seite
derselben geworfen.
Bei einer Fallhöhe von 110""" über Wasser
ging die Espenholzkugel auf die andere Seite
von der Eschenholzkugel und wurde von dieser
schwach angestoßen. Bei anderen Versuchen ging
sie frei ohne Berührung auf die andere Seite der
Eschenholzkugel hinüber.
2.
Gleiche Kugeln, welche entgegengesetzte Oscilla-
tionen in der Wasserfläche ausführen.
Bei den obigen Versuchen waren die Be-
wegungen der Kugeln einander parallel und
gleich gerichtet; die Oscilationen, in welche die
Kugeln bei jenen ersten Experimenten nach der
Berührung mit dem Wasser geriethen, hatten
dieselbe Phase : um nun auch entgegengesetzte
Oscillationen zu erhalten wurde der Apparat
etwas abgeändert. Die eine der Rollen wurde
von dem horizontalen Querstab, welcher über
dem Bassin angebracht war, weggenommen und
auf das freie Ende eines Stabs, welcher senk-
recht mit einem langen Holzstab befestigt war,
gesetzt. Indem dieser verticale Stab an ver-
schiedenen Stellen des horizontalen Querstabs
Ö98
fest gemacht wurde, konnte man die Rolle un-
ten am Boden des Bassins in einem beliebigen
Abstand von der durch die andere Rolle gehen-
den Lothlinie stellen. Die beiden Kugeln wur-
den an den Enden eines Fadens geheftet, wel-
cher von der oberen Seite der einen Kugel über
die obere Rolle, dann seitwärts um einen an
dem vertikalen Stabe befindlichen Haken und
ferner unter Wasser um die untere Rolle bis
an die untere Seite der anderen Kugel ging.
Auf diese Weise konnte man die eine Kugel
über Wasser aufgehängt und die andere mehr
oder weniger unter Wasser gezogen bekommen.
Wurde nun der Faden abgebrannt, so bewegte
die erstere Kugel sich nach unten, während
gleichzeitig die andere nach oben ging. In die-
sen Versuchen benutzte man fast allein die bei-
den Escheuholzkugeln. Zwei gleiche Kugeln
haben nämlich dieselben Oscillationszeiten , sie
behalten also den Phasenunterschied, welchen
sie zu Anfang haben. Einige Experimente mit
einer Eschenholz- und einer Espenholzkugel miß-
glückten zum Theil, weil diese wegen ihrer ver-
schiedenen Oscillationszeiten schnell ihren Phasen-
unterschied änderten.
Nach einigen Versuchen gelang es, die Ku-
geln in entgegengesetzte Oscillationen zu er-
halten; da der Auftrieb der Kugel nur ein ge-
ringer war, konnte man keine große Fallhöhe
für die obere Kugel anwenden; die Geschwin-
digkeit der beiden Kugeln war folglich viel klei-
ner als in den vorhergehenden Versuchen. Die
Oscillationen wurden gleichmäßig und behielten
gleichen Phaseuunterschied , wenn die untere
Kugel gerade unter Wasser oder 5 — 10'"'" tiefer,
während die obere mit ihrem Centrum 10 — 12'"""
über Wasser war. Befestigte mau die erste
299
Kogel tiefer, so mißlang gewöhnlich das Ex-
periment, die Kugeln geriethen dann leicht in
gleiche Oscillationen nnd gingen also gegen
einander.
Mit der erwähnten Fallhöhe und Tiefe ka-
men die Kugeln in schöne entgegengesetzte
Oscillationen und entfernten sich von einander
in der Centrallinie ; die Wirkung beobachtete
man bis zu einem Centralabstand von 150°"»;
war der Abstand weniger als 125'"°^, so vrarde
diese Bewegung sehr bemerkbar.
Ließ man die eine Kugel schwimmen und
die andere in der Nähe der schwimmenden ent-
weder herabfallen oder hinaufgehen, so zeigte
sich in dem Augenblick, wenn diese die Wasser-
fläche durchbrach, eine geringe und unsichere
Wirkung, selbst in dem Falle, wo die zweite
Kugel in der unmittelbaren Nähe neben der er-
stem herabfiel. Erst wenn diese letztere durch
die Oscillationen der fallenden Kugel selbst in
Oscillationen (gewöhnlich entgegengesetzte) ge-
rathen war, zeigten sich mit den eben erwähn-
ten Versuchen übereinstimmende Wirkungen.
3.
In diesen Experimenten treten keine der von
Bjerknes angezeigten Druckkraft« für sich allein
auf. Die Wirkungen in den Versuchen der 1,
Reihe können, wie von ihm in der besagten Ab-
handlung erwähnt, herrühren von : Kräften zwei-
Ton Grades, hervorgebracht durch gleiche Pul-
-ationeu, indem als Volumänderung die Aende-
lungen der verdrängten Wasservolumina ange-
nommen wird ; von Kräften 4. Grades durch ge-
gen die mittlere Centrallinie senkrechter Oscilla-
tionen in der Wasserfläche ; und endlich in eini-
300
gen Versuchen mit größeren Fallliolien, von
Kräften 4. Grades durch die progressive Bewe-
gung der Kugeln parallel ab und auf im Was-
ser Alle diese Kräfte sind attractive Daß die
letzte Druckkraft auch wirksam ist, schemendie
Versuche zu zeigen; wir sahen, daß je großer
die Fallhöhe, je früher der Zusammenstoß. Die
Kugeln sinken dann tiefer, sie hewegen sich
also einen längeren Weg paralle einander. Die
größere Wirkung hängt auch mit den schnelle-
ren und kräftigeren Volumänderungen zusammen,
welche Statt finden, indem die Kugeln mit
größerer Geschwindigkeit die Wasserflache durch-
In den Experimenten der 2. Reihe endlich
können die Wirkungen herrühren von den ent-
gegengesetzten Pulsationen und den entgegen-
lesetzten Oscillationen; beide geben abstoßende
Kräfte, die ersten 2. Grades, die zweiten 4.
^'^Um die Richtigkeit der Theorie beurtheilen
zu können, mußte man indeß Experimente an-
stellen, in welchen nur eine einzige dieser Kräfte
wkkt Wir haben versucht, eimge solche aus-
zuführen. Bisher ist es uns nur gelungen, Kraft-
wirkungen in den Fällen zu erhalten, wo Druck-
k äfte 4 Grades wirken. Kraftwirkung von
Pul ationen zweier Körper herrührend, haben
wir noch nicht dargestellt außer den von Dvo-
Sk (?oJ. Ann. 1876) beobachteten von ent-
geinSten und gleichen Pulsationen der
iSen Luftmassen abhängenden Repulsionen
und Attractionen zwischen gjeicb — e^^^^^^
röhren Im Folgenden werde ich die Versucne,
Wehe wit ausgeführt haben, nlü.r ^eschr^^^^^^^
Bierkncs zeigt (Rep. pag. 271) ), clali eine
*) Siehe übrigens auch seine Abhandlung: .om den
301
Kugel in gleichförmiger uud gradliniger Bewe-
gung eine Druckkraft 4. Grades auf eine
andere ausüben mnß, unabhängig von dem Be-
wegungszastand der letzteren, und daß die Kraft
in Größe und Richtung mit der Wirkung zweier
entgegengesetzt orientirten und der Bewegungs-
richtung der ersten Kugeln parallelen, Magneten
übereinstimmt. Innerhalb der Richtung giebt
es also Abstoßung, auf den Seiten Anziehung.
Um diese letztere, die Anziehung, zu zeigen,
construirten wir folgenden Apparat.
Auf die Achsen zweier Rollen wurden 8 Me-
talldrähte wie Radien in gleichen angulären Ab-
ständen von einander gestellt; auf jedem Radius
war eine Holzkugel (Diam. 56'°°'). Man erhielt
so 2 Kugelkränze von Diam. 140™°. Die verti-
kale Achse des einen Kranzes ging durch 2
feste Lager so, daß sie nicht in ihrer Längs-
richtung sich verschieben konnte. Die Rolle
befand sich zwischen den beiden Lagern ; über
das obere dieser ragte aber die Achse etwas
hinaus. Auf diesem Theil konnte man den
Kugelkranz etwas auf- und abschieben und mit-
tels einer Schraube an der Stelle, wo man
wünschte, festmachen. Ceber dem Kranz en-
digte die Achse mit einer dünnen Spitze; die-
ser entsprechend hatte die Achse des zweiten
Kranzes — welcher an seine Achse angelöthet
war — eine cylindrische Höhlung, so daß sie
samtidige Bevegelse af kugelförmige Legemer i et in-
kompressibelt Fluidum«. Forhanälinger vä Natorforsker-
mödet. Christiania, 1868, ebenso die Mechanik von 6.
Kirchhoff. Leipzig 1874 und ferner den dritten Aufsatz
von Bjerknes, »Verallgemeinerung des Problems von den
Bewegungen eines Ellipsoids in einer Flüssigkeit* Nach-
richten von der Königlichen Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Göttingen« 1874 Jaui 3.
28
302
in Verlängerung der ersten gesetzt werden
konnte. Die Achse ging dabei etwas über der
Rolle, die sich oberhalb des Kranzes befand,
durch ein festes Lager, so aber, daß sie sich in
ihrer Richtung etwas verschieben konnte. Der
obere Kugelkranz konnte folglich sich in der
Richtung seiner Achse, d. h. senkrecht zu ihrer
Ebene etwas auf- und abbewegen. Von jeder
der 2 Rollen ging eine Kette nach 2 anderen
Rollen, die an einer Achse standen; dieselbe
hatte oben noch eine 3. Rolle, welche durch
eine Schnur mit einem Rotationsapparat verbun-
den war. Indem man die Kette des unteren
Kugelkranzes um die Rollen entweder parallel
oder kreuzweise gehen ließ, konnte man den
beiden Kugelkräuzen eine gleichlaufende oder
eine entgegengesetzte Rotation geben.
Der durch die Holzkugeln bewirkte Auftrieb
des oberen Kugelkranzes war so groß, daß der
Kranz, wenn die Kette nicht um die Rolle ge-
legt war, gleich in seine oberste Lage sich
stellte. ■ Ging die Kette um die Rolle, so wurde
die Friction so viel vergrößert, daß der Kugel-
kranz, bei der Ruhelage des Apparates, in seiner
unteren Lage stehen blieb, wenn man ihm diese
gab; eine langsame Drehung des Apparats
brachte indeß den Kugelkranz dahin, sich bis
an seine oberste Lage zu erheben.
Wurde nun der Apparat, während die Achse
mit dem Kugelkranz in seiner obersten Lage
war, in schnelle Rotation versetzt, so wurde
dieser Kugelkranz langsam herabgezogen , die
Bewegung mochte eine gleichlaufende oder eine
entgegengesetzte sein; wie es schien, war die
Wirkung am größten bei einer entgegengesetz-
ten Bewegung.
"Wurde nur der obere Kugelkranz gedreht,
303
so brachte die Bewegung kein sichtbares Resul-
tat dar, während eine Rotation des unteren
Kugelkranzes allein mit einer sehr merkbaren
Attration begleitet war. Man machte Observa-
tionen mit zwei verschiedenen Abständen zwi-
schen den Kränzen, CO™™ und 80"*™.
Diese Resultate scheinen gut mit den Theo-
rien übereinzustimmen: daß ein Körper in
gleichförmiger und geradliniger Bewegung einen
andern Körper scheinbar anzieht, welche auch
die Bewegung des anderen Körpers sei, während
er selbst, wenn nicht dieser andere auch in Be-
wegung ist, keine Einwirkung erleidet (unter
der Voraussetzung, daß diejenigen Potenzen der
inversen Centralabstände, die höher als die vier-
ten sind, außer Betracht gelassen werden kön-
nen). Der obere Kugel kränz verblieb nämlich
in seiner Lage, wenn nur er gedreht wurde.
Ich will noch bemerken, daß je tiefer unter
Wasser der Apparat war, je merkbarer war die
"Wirkung ; die größte Tiefe, die der obere Kugel-
kranz hatte, betrug circa 150"°™.
Während die scheinbare Kraft Wirkung einer
gleichförmigen vorbeigehenden Bewegung immer
eine Anziehung ist, soll die mittlere Kraftwir-
kung zweier mit derselben Oscillationsdauer
schwingenden Kugeln der Wirkung zweier nach
den Bewegungsrichtungen orientirten Magneten
gleich sein, wenn man voraussetzt: gleiche Pole
äehen einander an , ungleiche stoßen einan-
der ab. (Rep. 271). Diese Kraftwirkung ist
also auch vom 4. Grade; in dem Falle, daß die
Oscillationen parallel und gegen die mittlere Cen-
trallinie senkrecht sind, erhält man, wie früher
304
erwähnt, eine Anziehung, wenn die Bewegung
gleich gerichtet ist, eine Abstoßung, wenn sie
entgegengesetzt ist.
Als ein Beleg für diese Attraction kann fol-
gender Versuch dienen : hebt man 2 Kugeln, die
tief unter Wasser neben einander hängen, schnell
empor, so stoßen sie mit Gewalt an einander;
die Bewegung kann man nämlich als eine halbe
Oscillation betrachten. In wie großen Abstän-
den die Wirkung merkbar ist, haben wir nicht
näher untersucht; in den angestellten Experi-
menten waren die Kugeln nahe an einander.
Die Kugeln, die wir benutzten , waren von
schwarzen Ebenholz — Diameter 84 ""^, Gewicht
350 g^
Daß eine solche gleiche Oscillation eine An-
ziehung hervorbringt, beobachteten wir übrigens
öfters, wie unten ausgeführt werden wird, als
wir versuchten die Abstoßung zwischen 2 unter
Wasser entgegengesetzt oscillirenden Kugeln zu
zeigen. Diese Abstoßung gelaug uns mit fol-
gendem Apparate zu erhalten.
5.
Auf den Boden eines 600""" hohen Glas-
cylinders, mit 105°"" Diameter im Lichten,
wurde eine Metallplatte, auf der eine kleine
Rolle befestigt war, gesetzt; oberhalb der Oeff-
nung des Cylinders stand eine Rolle vom selben
Diameter. Um die beiden Rollen ging ein
Pferdehaar, welches mit der oberen Rollen so
verbunden war, daß es diesen in seiner Bewe-
gung folgen mußte. Der Abstand unter den 2
parallelen Theilen des Haares war 21,5'"'"; an
diesen ungefähr in der Mitte zwischen beiden
Rollen waren 2 kugelförmige Körper angebracht.
305
An die obere Rolle war senkrecht gegen die
Achse eine kurzer Stab augelöthet; dieser konnte
mit den Krummzapfen eines Rades, welches ein
kleines Uhrwerk in schnelle Rotation versetzte,
verbunden werden. Die Rolle und die Kugeln
mit ihr wurde dadurch in schnelle oscillirende
Bewegung gesetzt. Die Amplitude der Oscilla-
tion der Kugeln war 4,5 """"j so daß sie sich im-
mer nahe an einander befanden.
Wurde der Cylinder mit Wasser angefüllt
und der Apparat in Bewegung gesetzt, so zeigte
es sich immer, daß die Kugeln von einander
wichen und während der Oscillation einen grö-
ßeren Abstand behaupteten; je schneller die
Bewegung, je merkbarer die Wirkung. Wir
wandten in einigen Versuchen Kugeln von Wachs
an, so groß, daß sie eben ohne Berührung an
einander vorbei gehen konnten; in anderen Ver-
suchen 2 kleinere Holzkugeln von 19,75 Dia-
meter; der Abstand der Kugeloberflächen war
dann 1,75"^™, dieser wurde während der Oscilla-
tion wenigstens verdoppelt.
Wir machten zuerst einige Versuche mit
Coconfaden statt des Pferdehaares, es zeigt« sich
aber, daß man die Kugeln nicht in entgegenge-
setzten Oscillationen halten konnte; wenn die
Bewegung schnell wurde, so kamen sie gleich in
gleichen Oscilationen und stießen an einander.
Das Pferdehaar dagegen besaß eine zureichende
Steifigkeit, um eine dauernde schnelle entgegen-
gesetzte Bewegung der Kugeln ertragen zu
können.
6.
Ein paar Versuche, in welchen nur ein Kör-
per sich in Wasser bewegt, entweder oscillirend
oder pulsirend, werde ich schließlich erwähnen.
306
In beiden Fällen soll in einer incomprensiblen
Flüssigkeit, wenn ruhige Körper auch dichtere
als die Flüssigkeit vorhanden sind, der sich
bewegende Körper eine Anziehung ausüben;
diese Kräfte sind aber von höherer Ordnung als
der 4. Potenz und sind folglich nicht in der
Abhandlung der GÖttinger Nachrichten ent-
wickelt.
Thomson hat (1870) — wie erwähnt in »on
approuch caused by Vibration, Gutterie. Phil.
Mag. (4) XL — die Theorie ausgearbeitet für
2 kugelförmige Körper in dem Falle, daß der
eine Körper in der Richtung der Verbin-
dungslinie beider Kugeln Oscillationen aus-
führt, deren Amplitude klein ist im Verhältniß
zu dem Gentralabstand, und diese Anziehung,
wenn die ruhige Kugel dichter als die Flüssig-
keit ist, gezeigt; ist die Dichtigkeit kleiner als
die der Flüssigkeit, so geht die Anziehung un-
ter gewissen Bedingungen in eine Abstoßung
über. Die sogenannten akutischen Anziehungen,
welche vibrirende Körper (Stimmgabel, Glocke)
ausüben und von Guyot, Gutterie, Schellbach
und anderen beobachtet sind, liefern zahlreiche
Belege für diese Anziehung.
7.
Als eine Wirkung einer Pulsation das ist:
regelmäßig abwechselnde Contraction und Dila-
tation, kann man vielleicht die von Schellbach-
Pogg. Ann. CXL — beobachteten Anziehungen
und Abstoßungen betrachten , welche eine in
einer Röhre tönende Luftmasse auf Körper, im
ersten Falle schwerere , im zweiten leichtere als
Luft, ausübt, wenn die Körper vor der Oeffnung
des Rohres gebracht werden.
In diesen Versuchen wurde ein kleines Bassin
307
von Glas — 310"™ lang, 155"™ breit, 145"™
tief — benutzt.
8.
Eine im Wasser oscillirende Kugel.
Ein rechtwinkelig gebogener Metalldrath
— der kurze Arm 80"^"» lang, der lange 430"™ —
wnrde so neben dem Bassin aufgehängt, daß er
Schwingungen parallel der Längsrichtung dieses
ausführen konnte um eine Achse, die durch das
Ende des längeren Armes ging; am Ende des
kürzeren Armes eine kleine Wachskugel, Diameter
13'°"'. ungefähr an der Mitte des langen Armes
war ein kurzer steifer Messingdrath befestigt,
welcher in Verbindung mit dem Krummzapfen
eines kleinen Rades, das ein Urwerk trieb, ge-
setzt werden konnte. Wurde der Apparat in
Bewegung gesetzt, so kam der Metalldrath in
schnellen Pendelschwingungen hin und her und
die Wachskugel mit ihm. Die Bahn der Kugel
war eine schwach elliptische ; die Amplitude war
ziemlich groß, etwas weniger als der Kugeldia-
meter. Die Kugel befand sich 35"^"»— 40"™ über
dem Boden des Gefäßes und circa 80"""» unter
der Wasserfläche.
Um zu wehren, daß die schwingende Bewe-
gung des Metalldrathes das Wasser in Unruhe
versetzen werde, wurde er mit einem weiten
Rohre umgeben, welches über das Wasser hinaus-
ragte und bis an die rechtwinklige Biegung giug.
Wir untersuchen zuerst, ob die Bewegung
der Kugel das Wasser in strömende Bewegung
versetzte. Indem wir eine gefärbte schwere
Flüssigkeit auf die oscillirende Kugel hernn-
tersinken ließen, sahen wir, daß das Wasser sich
senkrecht auf der Bewegungsrichtung gegen die
308
Kugel bewegte; längs dieser Richtung wurde es
aber fortgestoßen, so daß nach vorn und nach
rückwärts zwei kräftige Strömungen von der
Kugel ausgingen.
Darauf brachten wir Kugeln verschiedener
Größe in die Nähe der oscillirenden Kugel ;
die kleinste war viel weniger als diese selbst,
die größte hatte einen Diameter von 39™™. Alle
waren sie wenig schwerer als Wasser; sie wur-
den an Cocoufaden angehängt, welche theils an
kleinen Schwimmern, theils hoch neben dem
Bassin befestigt waren. So zeigte sich, daß die
Körper angezogen wurden, welche Lage gegen
die oscillirenden Kugeln sie auch hatten; selbst
gerade vorn, wovon die oben erwähnte Strömung
ausging, fand Anziehung statt; der ruhige Kör-
per mußte dann aber sehr nahe sich befinden.
In größeren Entfernungen wurde er von der
Strömung mitgerissen und so scheinbar wegge-
stoßen. In den übrigen Richtungen konnte der
Abstand verhältnißmäßig groß sein bis an 30™"".
Die Oscillatiouen der Kugel waren so schnell,
daß man nicht mit den Augen folgen konnte.
9.
Eine im Wasser pulsirende Kugel.
Ein kleiner Kautschuk ballon , circa 40™™ Dia-
meter, war mit seinem Halse an das eine
Ende eines knieförmig gebogeneu Glasrohres
geheftet, dessen anderes Ende in einen langen
geschlossenen Kautschukschlauch führte; das
Innere war vollständig mit Wasser gefüllt. Die
Glasröhre wurde so neben dem Bassin befestigt,
daß der Ballon ungefähr in dessen Mitte unter
Wasser sich befand, während der Kautschuk-
schlauch auf einem Stative nebenan lag. Wurde
309
ein Druck auf den Schlauch geübt, so wurde
etwas Wasser in den Ballon getrieben, und die-
ser dehnte sich aus ; hörte der Druck auf, so zog
der Ballon sich zusammen, indem das Wasser
zurück in den Schlauch strömte. Mittelst eines
kleinen Rotationsapparats konnte man diese
Druckänderungen regelmäßig hervorbringen und
so den Ballon in regelmäßigen Pulsationen hal-
ten. Je schneller diese wurden, je weniger kräf-
tig wurden sie, indem die Elasticität des Ballon
nicht groß genug war um gleich, wenn der
Druck aufhörte, das Wasser in den Schlauch zu-
rückzutreiben. Bei den schnellsten Pulsationen
war die Bewegung daher für das Auge kaum
sichtbar.
Wurde der Apparat in Bewegung gesetzt
und ein Körper in die Nähe des Ballons ge-
bracht, so wurde er langsam angezogen; die
Attraction war um so kräftiger, je schneller die
Pulsation, obgleich, wie erwähnt, die Amplitude
der Bewegung kleiner wurde. War die Pulsa-
tion langsam und kräftig, so bewegte der Körper
sich oscillatorisch gegen den Ballon , indem er
bei jeder Dilatation sich etwas entfernte und
bei der nachfolgenden Contraction sich wieder
näherte und so viel, daß das Resultat während
einer Schwingung des Ballons als eine Attrac-
tion erschien.
Die mittlere Dichtigkeit der Körper, welche
wir benutzten, war — wie im vorhergehenden
Experimente — etwas größer als die des Was-
sers ; es waren entweder Kugeln von Wachs oder
von Holz ; der größte von Holz hatte einen Dia-
meter von 39™™. Die oben erwähnte rhythmi-
sche Annäherung beobachtete man am besten
bei den kleinen Kugeln. Sie wurden immer
— in Coconfaden — so aufgehängt, daß ihre
29
310
Centra sich in derselben Tiefe wie das Centrum
des Ballons befanden . Der Coconfaden war ent-
weder an einem kleinen Flotteur oder an einem
festen Punkt oberhalb des Wassers festgeheftet.
Die Anziehung war schwächer als im vorherge-
henden Versuche, wurde aber in ebenso großen
Entfernungen bemerkt — bis circa 30™™ von
der Oberfläche des Ballons, eine direkte Messung
wurde nicht gemacht. —
Zusatz zu dem vorstehenden Aufsatz
des Herrn Professor Schiötz über die
scheinbare Anziehung und Abstoßung
zwischen Körpern, welche sich in Wasser
bewegen.
Von
Carl Anton Bjerknes in Christiania.
In der genannten Abhandlung wird eine Mit-
theilung, erwähnt, welche, Sir William Thomson
in einem Briefe aus dem Jahre 1870 an Gutterie
gesendet und dieser in seiner Abhandlung »on
approach caused by Vibration« Phil. Mag. XL.
veröffentlicht hat.
Diese Mittheilung gibt ohne Beweis das Re-
sultat, welches die Einwirkung einer kleinen
oscillirenden Kugel auf eine große anfangs
ruhende Kugel betrifft und welches sich nicht
unmittelbar aus den Bewegungsgleichungen
zweier Kugeln, die sich in der Flüssigkeit längs
ihrer Centralen bewegen, ableiten läßt. Ich
habe die Gültigkeit des von Thomson aufgestell-
ten Resultates erst nachher verificirt mit
Hülfe von Formeln, die ich seit 1868 besitze
und theilweise auch public irt habe. Man
311
sehe zum Beispiel die Einleitung und die For-
meln (36) in meiner in norwegischer Sprache
geschriebenen Abhandlung >über die gleichzeitige
Bewegung kugelförmiger Körper in einer incom-
prosibleu Flüssigkeit,« abgedruckt in den Ver-
handlungen bei der Zusammenkunft der scandi-
navischen Naturforscher in Christiania 1868, und
vorgetragen in der Sitzung am 8. Juli desselben
Jahres.
Ich komme zu demselben allgemeinen Schluß
wie Thomson, doch besteht eine kleine Ver-
schiedenheit in folgender Weise.
Es handelt sich um den Einfluß, der inner-
halb einer tropfbaren Flüssigkeit von der Dich-
tigkeit q stattfindenden Oscillation einer sehr
kleinen Kugel auf eine große Kugel von der
Dichtigkeit /* vom Radius r und in dem Mit-
telpunkts-Abstande c. Die große Kugel wird
ursprünglich ruhend gedacht, die Oscillation der
kleinen Kugel findet in der geraden Linie statt,
welche durch die Mittelpunkte geht, die Am-
plitude der Oscillation wird als Idein gegen den
Abstand c angenommen.
Ist die Dichtigkeit der großen Kugel größer
als die der Flüssigkeit {^ > 5) , so findet die
Erscheinung einer Anziehung statt.
Ist die Dichtigkeit der großen Kugel geringer
als die der Flüssigkeit (f* <f q), so tritt bei ge-
ringem Abstände c eine scheinbare Anziehung,
dagegen bei großem Abstände eine scheinbare
Abstoßung statt und für den kritischen Punkt
wird nach meinen Untersuchugen:
=Vi-v'i
y + ir -
312
während Thomson die Formel
^Vi-v'I
+ ^
^
hat.
Was die scheinbaren Anziehungen betriflFt,
welche eine kleine pnlsirende Kugel auf
eine größere ruhende ausübt, so hat man hier
eine neue Erscheinung. Als Grundformel für
den theoretischen Beweis wird man hier die all-
gemeine Geschwindigkeitsfunktion benutzen kön-
nen, die ich in meiner Abhandlung: »sur les
mouvements simultanes de corps spheriques va-
riables dans un fluide indefini et incompres-
sible,« vorgelegt der Gesellschaft der Wissen-
schaften in Christiania am 15. September 1871,
entwickelt habe. Für den Fall, in welchem
alle Kugeln sich nur in ihrer gemeinsamen Cen-
trale bewegen sollen , ist es möglich , den Aus-
druck für die Geschwindigkeitsfunction vor der
Anwendung desselben, noch in hohem Grade zu
vereinfachen.
313
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
20. Juni. M 14. 1877.
Königliche Geselhchaft der Wissenschaften.
Sitzung am 5. Mai,
(Fortsetzung).
Mittheilung aus einer Experimental-
untersuchung betreffend den Leitungs-
widerstand der Flammen gegen den
galvanischen Strom.
Von
Dr. Edmund Hoppe.
Soviel auch schon das electrische Verhalten
der Flammen Gegenstand von Untersuchungen
gewesen ist, so scheinen mir doch zwei Punkte
noch durchaus nicht vollständig aufgeklärt zu
sein, welche sich auf das Leitungsvermögen der
Flamme für die galvanischen Ströme beziehen, und
welche Gegenstand dieser Untersuchungen sind.
Allgemein anerkannt ist wohl, daß der Lei-
tungs-Widerstand einer Flamme von Alkohol
oder Gas bedeutend verändert wird, wenn der
Dampf irgend eines Salzes in die Flamme ge-
führt wird, doch über das mehr oder minder
dieses Widerstandes gehen die Ansichten von
30
S14
Matteuoci ^) und Becquerel ^) aus einander. Die
verschiedenen Resultate dieser beiden Beobachter
erklären sich wahrscheinlich aus den verschie-
denen Flammen, welche sie anwandten. Auch
finde ich in keiner Arbeit nummerische Angaben
über den Widerstand.
Ferner hat Hankel ^) in seiner Abhandlung
über die unipolare Leitung der Flammen, ge-
stützt auf ein Beispiel, die Vermuthung ausge-
sprochen, daß für Flammen das Ohmsche Gesetz
nicht gelte. Doch schien mir auch dieser Punkt
noch der weiteren Untersuchung zu bedürfen.
Zu meinen Beobachtungen stellte ich zwei
feine Platindrähte von gleichem Querschnitt,
deren Durchmesser 0,241^^" war, vertical über
der Oeffnung, aus welcher das Gas ausströmte
in dem zu untersuchunden Flammenkegel m
einer Horizontalebene auf. Die Distanz der
Drahtenden wurde durch ein Fernrohr mit Mi-
krometerfadenkreuz gemessen. Der Eine der
Drähte führte zu einem Galvanometer, dessen
Constante mit Hülfe eines Widerstandsatzes von
engen mit Zinkvitriol gefüllten Röhren bestimmt
war zu C = 0,000923446. Der andere Platin-
draht stand in Verbindung mit einem Strom-
commutator, von dem Galvanometer führte em
Draht zu der zweiten Schraube jenes Commuta-
tor, dessen dritte und vierte mit Polen einer
galvanischen Kette von 3 oder 4 Bunsenschen
Elementen verbunden waren. Ich fügte den
Commutator mit in den Stromkreis, um mich
jederzeit darüber orientiren zu können, ob noch
1) Matteuoci. Phil. Mag. Bd. VIII. 1854. S 400.
2) Becquerel. Ann. de Chim. et de Phys. i.AÄÄlÄ.
1853 D 359
8) Hankel. Abband, d. Königl. Sache. Ges. d. Wisa.
ßand 5. 1861. S. 72.
315
außer dem von jenen Elementen erregten Strome
ein anderer im Galvanometer wirkite. Dieser
zweite Strom rührte dann von der Flamme seibat
her nnd mußte entweder ein Thermostrom sein,
bedingt durch die ungleiche Erwärmung der
Electroden, oder ein Flammenstrom, welcher in
den Verschiedenen Bestandtheilen der Flamme
an verschiedenen Stellen seine Ursache hat.
Ich will diese beiden Arten von Strömen zu-
sammenfassen unter dem Namen >secundäre«
Ströme. Diese secundären Ströme waren sehr
schwierig zu vermeiden, besonders bei der Flamme
eines Bunsenschen Gasbrenners; aber mit Hülfe
jenes Commutators hatte ich in der beim Com-
mutiren auftretenden Differenz der Ausschläge
der Nadel ein genaues Kriterium, ob solche se-
cundären Ströme vorhanden waren, respective
ein Maaß ihrer Stärke. Von allen Beobachtun-
gen zog ich nur die in Rechnung, bei welchen
sich keine Differenz der Scalenausschläge nach
beiden Seiten der Ruhelage, oder doch nur eine
solche bis höchstens zu vier Scalentheilen fand.
Ich berechnete den Widerstand auf folgende
Weise. Einmal ist J"= C. tang a, wo J die
Stromstärke, C die Constante des Galvanometers
und a der Ausschlagswinkel ist. Nach dem
JE
Ohmschen Gesetz ist aber J"= --, wenn E die
W
electromotorische Kraft, und W der Widerstand
JR
ist, also folgt W=7r-i ; um nun W in
C. tanga
Siemensschen Einheiten zu erhalten, setzte ich
die electromotorische Kraft eines Bunsenschen
Elementes = 20.
Die Drähte brachte ich in verschiedene Hö-
hen über den Fuß der Flamme und fand das
30*
316
Gesetz, daß in dem heißeren Theil der Flamme
der Widerstand geringer ist, wie in dem weniger
heißen, vollständig bestätigt.
Auch machte ich Versuche mit halber und
voller Flamme und fand, daß das Leitungsver-
mögen bedeutend erhöht wird, wenn mehr Gas
durch den horizontalen Querschnitt der Flamme
strömt. Ich führe hier nur als Beispiel an den
Bunsenschen Gasbrenner, wo der Widerstand bei
voller Flamme 1215500 Siemenssche Einheiten,
bei halber Flamme dagegen 6860078 betrug.
Um auch über die Natur der verbrennenden
Gase mehr orientirt zu sein, brachte ich die
Salzperlen oder Lösungen, deren Dämpfe ich
untersuchen wollte, nicht in eine Gasflamme,
sondern in die Wasserstoffflamme. Das Lei-
tungsvermögen derselben wird durch die Anwe-
senheit jener Dämpfe bedeutend erhöht, daher
denn auch dicht über dem Salze, wo die Dämpfe
jedenfalls vorherrschend waren, das Leitungsver-
mögen weit größer war, als in dem oberen Rande
der Flamme, wo sich weniger Dampf befand.
Um andern Theils auch die Gültigkeit des
Ohm'schen Gesetzes für Flammen zu prüfen,
schaltete ich bei jedem Versuche einmal drei,
das andere Mal vier Elemente ein. War das
Ohm'sche Gesetz gültig so mußte in beiden
Fällen dasselbe W gefunden werden. Von allen ,
Versuchen, die angestellt wurden, habe ich in j
Rechnung gezogen 30, während die übrigen
mehr oder weniger durch Mitwirkung secundärer
Ströme unbrauchbar wurden. Nimmt man nun
für jede Flamme aus den Versuchen in den ver-
schieden heißen Theilen die Mittel, so ergiebt
sich folgende Reihenfolge , von den besten
Leitern zu den weniger guten absteigend. Co-
lumne 1 enthält die Benennung der Flamme,
317
wo bei den Versuchen, bei welchen in die Wasser-
stoffflamme eine Salzperle oder eine Lösung
gebracht wurde, nur die chemischen Bezeich-
nungen angeführt sind. Die zweite Columne ent-
hält den Widerstand bei Anwendung von drei
Elementen, die dritte denselben bei vier Ele-
menten und die vierte das Mittel aus den beiden
vorhergehenden. Alle Widerstandsangaben sind
reducirt auf eine Distanz der Drahtenden von 1^
Flamme.
3 Elemente. 4 Elemente.
Mittel.
H + Ka
Volle Flamme d.
Bunsens. Brenners
H + Ba
H + Na
Mitte der Stearin
flamme
H + Sr
H + Cl. Li
(Lösung)
Halbe Flamme des
Bunsens. Brenners
H-f Tl
H -f Cl. Cu.
(Lösung)
H volle Flamme
H mittlere Flamme
H schwache
Flamme
ArgandscheLampe
(groß)
ArgandscheLampe
(klein)
911290
1210338
1459110
1502976
2227443
2295800
2354767
6859101
9460467
19543807
20294735
37083850
50629733
59015762
86543750
910328
1220666
1456606
1499859
2295216
2353117
6861055
9465922
20288992
37176210
50593245
910809
1215502
1457858
1501918
2295508
2353942
6860078
9463194
20291864
37130030
50611489
318
In dieser Zusammenstellung zeigen die Ver-
suche mit drei und vier Bunsenschen Elementen
offenbar, daß das Ohm'sche Gesetz auch für die
Gase gilt. Es sind die Werthe für die Wider-
stände bei Anwendung von vier Bechern bald
größer, bald kleiner wie die für drei Elemente,
aber sie sind verhältnißmäßig überhaupt wenig
von einander verschieden. Die kleinen Ungleich-
heiten können auch sehr wohl durch die be-
ständige Veränderlichkeit der Flamme selbst be-
dingt sein. Denn die Beobachtungsweise ließ
keine Fehler zu bis zu der Größe. Ich bemerke
jedoch ausdrücklich, daß man die größte Sorgfalt
anwenden muß, um die von mir »secundär« ge-
nannten Ströme zu vermeiden; tritt z. B. wenn
drei Elemente die electromotorische Kraft bilden,
ein secundärer Strom auf, der beim Commutiren
sofort sichtbar wird, so habe ich allerdings auch
die Erscheinung beobachtet, welche Hankel 1. c.
p. 72 beschreibt, nämlich, daß bei vier Elementen
die Differenz der Scalenausschläge nach beiden
Seiten beim Commutiren größer wird; aber
wenn bei drei Elementen durchaus kein secun-
därer Strom zu bemerken war, so bestand aucli
bei vier Elementen vollste Uebereinstimmung
in den Ausschlägen. Ich verschob die Platin-
drähte so lange in der Flamme bis diese Be-
dingung erreicht war.
Zum Schluß darf ich die Resultate dieser
Untersuchung wohl noch einmal zusammenstellen :
1) Für jede Flamme hängt die größere Lei-
tungsfähigkeit von der größeren Hitze und der
größeren Menge des verbrennenden Gases ab.
2) Bei den verschiedenen Flammen ist die
Leitungsfähigkeit abhängig von den verbrennen-
den Substanzen, ins besondere erhöhen die
Dämpfe der angeführten Salze und Lösungen
319
bedeutend die Leitungsfähigkeit der Waaserstoff-
gasflamme.
3) Das Ohmsche Gesetz gilt auch für die
Flammen.
Die spartanische und korinthische
Königsliste.
Von
Dr. Conrad Trieber.
Johannes Brandis, den ein herbes Geschick
zu früh dahin geraJBFt hat, gelangt gegen Ende
seiner vortreflFlichen Untersuchung über die äl-
teste griechische Zeitrechnung ^) zu dem Schlüsse,
daß die alexandrinischen Gelehrten sich wohl
bewußt gewesen seien, daß diese voller Wider-
1) Brandis, de temp. Graec. antiqa. ration. Boim
1857. p. 26 f.: >Haec omnia inter se colligata et in
uno conspecta posita abunde demonstrant, quantopere
Graecorum tempora critico emendatore eguerint, qni inter
varioB calculos probatissimum eligeret, ceteros omnee,
etiamsi Herodotos, Ephoros, Timaeos auctores haberent,
respaerent. Atque grammatici Alexandrini, qnibns id
curae fuit, omnino tantum de Spartanorum et Atticorum
fastorum fide et auctoritate certare potuerunt, ceteras ra-
tiones fotiles esse extemplo intellexerint. Cor Sparta-
norum regum tabalas praetulerint, Atticas contempserint,
latet; eos ita fecisse ex verbis Diodori apud Eusebium
p. 166 (Mai; I, p. 221 Schoene) constat.«. Die Worte
lauten nach Petermann's Uebers. : »Nos vero, quoniam
ita evenit, ut a Trojanorum rebus usque ad primam
olompiadem tempus difficile reperiatur, quum necdum iis
temporibus neque Athenis neqne alia in orbe annui prin-
cipes fieri solerent, Lakedemoniorum reges pro exemplo
usurpabimus«.
320
Sprüche und sehr wenig begründet sei. Doch
hätten sie als einzigen Rettungsanker in der
großen Noth die Liste der spartanischen Könige
betrachtet und diese ihren chronologischen Be-
rechnungen zu Grunde gelegt.
Es liegt daher nahe, das Verzeichniß dieser
Könige, wie es von Apollodor bei Eusebius
überliefert ist, einer eingehenden Behandlung
zu unterziehen, um zu erforschen, welchen Werth
es beanspruchen darf. Dasselbe bietet aber nur
die Könige bis zur ersten Olympiade.
Eusebius rechnet im Canon von a. Abr. 916
bis 1240 nur 325 Jahre, und zwar von dem Könige
Eurystheus zur Zeit der dorischen Wanderung
bis zum Tode des Alcamenes. Es könnte nun
scheinen, daß er mit Apollodor übereinstimmte,
dessen Bericht bei Diodor erhalten ist. Allein
dieser^) erhält schon dieselbe Reihe von Jahren
im zehnten Jahre des Alcamenes und Theopomp,
in welches zugleich die erste Olympiade fallen
soll. An einen Fehler ist hier um so weniger
zu denken, als kurz vorher^) ganz dieselbe Be-
rechnung mitgetheilt wird, obwohl Diodor eben
erst^) dem Apollodor 327 Jahre für den Zeit-
raum von der Heraklidenwanderung bis zur er-
1) Diod. bei Euseb. chron. I, p, 225 Seh.: >Alca-
menes annis XXXVII, cujus anno decimo prima olompias
constituta est, in summa anni CCCXXV.« »Theopompus
annis XLVIL Cujus anno decimo prima olompias con-
stituta est«.
2) 1. c. p. 223: »Alcamenes annis VIII (lies VII)
Bupra triginta. Hujus regni anno X contigit constitutio
olompiadis primae«. »Theopompus annis VII supra
quadraginta. Item hujus quoque regni anno decimo prima
olompias contigit«.
3) 1. c. p. 221 fin. Dieselben 327 Jahre berichten von
Apollodor Diod. I, 5, 1. Sync. p. 178» f. 185C. Porphy-
riuB bei Euseb. ehr. I, p. 190.
321
sten Olympiade in ganz korrekter Weise zuge-
schrieben hat. Zur Orientirung mögen beifol-
gende Listen der Agiaden und Eurypontiden
dienen, von denen die erste auch im Canon wie-
derkehrt, wie sie Diodor überliefert:
1. Eurystheus 42^ 1. Procles 51 1103—1053
3.' ESestratusSsL. U! E^on ^^ 1052-978J
4. Labotas 37 T** 4. Prytanis 49 977-929
5. Doryssos 29j 5. Eunomus 451 *) 928—884
6. Agesilaus 441 6. Charilaus 60H43 883—824
7. Archelaus 60J-144 7. Nicander 38l 823—786
8. Teleclus 40J Summa 318
9. Alcamenes 37 g_ Theopomp 47 785—739
Summa 325 10. Jahr des Theopomp 776.
Offenbar hat Carl Müller*) Unrecht, wenn
er meint, daß Sous und Eurypon absichtlich von
1) In dieser Liste fehlt Polydectes, der sonst als
Sohn des Eunomus und Bruder des Lycurg bezeichnet
wird; so von Her. VIII, 131 (wo freilich tov Uolvdöneos
10V Evvöfiov zu lesen ist) , Ephor. fr. 64, Sosib. fr. 2,
Pausan. III, 7, 2; vgl. Ael. de nat. an. VI, 61. Apollo-
dor folgt eben wie nach ihm Phlegon fr. 1 (FHG. HI,
p. 603) und Suidas in der zweiten Vita des Lycurg, dem
Dichter Simonides, nach welchem Eunomus und Lycurg
Söhne des Prytanis sind. Nur lebt Lycurg nach Simoni-
des 400, nach ApoUodor genau 300 Jahre nach Trojas
Fall. Unbestimmt bleibt freilich, wann Simonides Trojas
Fall angesetzt hat. Indessen hat Phlegon nicht bloß dde-
ses aus ApoUodor entnommen, sondern auch die ganze
Geschichte der olympischen Feier, die am genauesten
Pausanias V. 7, 6 — 9, 6. überliefert, und die ihrerseits
von Porphyrius bei Euseb. ehr. I, p. 191 ff. ergänzt wird.
Wenn nun Scaliger, notae in Gr. Euseb. p. 426b. 429
darlegt, daß des Pophyrius Liste der olympischen Sieger
aus Africanus herstammt, weil dieselbe Ol. 249 (217 p.
Chr.) endet — ein Resultat, dem auch Boeckh, Manetho
p. 180, N. 2 zustimmt — so beweist dies eben nur, daß
Africanus eine so gute Quelle wie ApoUodor benutzt hat.
2) MüUer, fr. chronol. p. 135 f.
322
Apollodor ausgelassen sind. Die Ergänzimg von
75 Jahren beruht aber auf folgendem Schlüsse.
Eratosthenes und Apollodor 'setzen in das erste
Jahr des Charilaus die Gesetzgebung des Lycurg,
also 883. Folglich müssen alle vorhergehenden
Könige aus dem Hause der Eurypontiden 1103
— 883 = 220 Jahre zusammen regiert haben.
Da nun Procles, Prytanis und Eunomus 145
Jahre herrschen, so bleiben für Sous und Eury-
pon 75 Jahre übrig ^). Im üebrigen stimmt die
Liste der Eurypontiden, da in der That die
erste Olympiade in das zehnte Jahr des Theo-
pomp fällt. Bei den Agiaden jedoch fällt sie in
das Todesjahr des Alcamenes, wie Eusebius dies
auch im Canon durchführt.
Es sind zur Erklärung dieses Umstandes
zwei Annahmen zulässig. Entweder ist eine
Zahl falsch überliefert oder ein König ausge-
lassen. Nun schieben die Excerpta latina bar-
bara wirklich nach Agesilaus, den sie 30 statt
40 Jahre regieren lassen, einen sonst unbekann-
ten König Menelaus mit 30 Jahren ein, so daß
sich dadurch bis zum zehnten Jahre des Alca-
menes 327 Jahre ergeben. Brandis^) legt nun
darauf so großes Gewicht, daß er den Menelaus
in die Liste des Apollodor einreihen möchte,
was H. Geizer') bewogen hat, dies wirklich zu
thun. Allein es scheint doch, daß Clinton's*)
1) A. V. Gutschmid zu Euseb. ehr. I, p. 223, N. 9
möchte nun gestützt auf Cic. de div. II, c. 43, § 91 dem
Procles 41, Sous 34, Eurypon 51 zuweisen; doch giebt
er schon N. 10 dem Procles 51 Jahre, obwohl die Hs.
49 bietet. Scharfsinnig hält er dies für eine Verschrei-
bung , welche durch die folgenden 49 Jahre des Prytanis
veranlaßt ist.
2) Brandis 1. c. p. 28 ff.
3) Geizer zu K. F. Hermann, Gr. Alt. P, p. 785.
4) Clinton, F. H. I, p. 332.
323
"Vermnthung annehmbarer ist, daß in der auf-
fallend niedrigen Zahl des Agis ein Fehler ver-
borgen sei und derselbe 30 (vf) statt l (J")
Jahres geherrscht habe. Brandis macht nun
gegen Clinton besonders geltend, daß, wie Cle-
mens Alexandrinus ^) berichtet, Homer nach
Apollodor 240 Jahre nach dem Falle Trojas,
und 100 Jahre nach Gründung der ionischen
Kolonien, unter König Agesilaus und gleich-
zeitig mit Lycurg gelebt habe. Dies wäre 943
und stimmte nach Brandis allein mit den Zah-
len der Exe. lat. barb., nach denen Agesilaus
959—30 regiert, sowie mit denen des verderb-
ten Apollodor (957 — 14), nicht aber mit der
durch Clinton gewonnenen Zahl 930 — 887. Ver-
stärkt glaubte Brandis seine Gründe durch die
Bemerkung des Pausanias*), daß Lycurg unter
Agesilaus die Gesetze gegeben habe, während
freilich Lycurg nach Clemens unter demselben
seine Jugendzeit verlebte.
Allein die Worte des Clemens, welche den
König Agesilaus betreffen, sind gar nicht von
Apollodor selbst, sondern nur ein erklärender
Zusatz des Clemens. Denn Tatian'), aus wel-
chem Clemens dieselben wörtlich entlehnte, um
seinerseits von Eusebius ausgeschrieben zu wer-
den, hat sie ebenso wenig wie die Notiz über
Lycurg.
1) Clem. AI. Str. I p. 327*.
2) Paus, m, 2, 4.
3) Tatian or. ad Gr. c. 31 § 49 (w. von Euseb. pr.
ev.X p. 492B; vgl. Eos. Canon zu a. Abr. 9IV5). Wenn
Sengebusch, Hom. diss. I, p. 43 meint, daß auch Era-
tosthenes den Homer 100 Jahre nach der Gründung der
ionischen Kolonie leben lasse und in diesem Sinne sogar
Tatian emendirt, so ist dies fehlerhaft, weil die Vita Hom.
6 p. 31 "West., auf die er sich stützt, auch dem Grates
und Apollodor falsche Angaben hierüber andichtet.
324
Tatian : Clemens :
ol ds nsgl ^AnoXXodcaQOV ol 6s nsgl ^ AnoXXoöoiQOV
(sc. (fadl 'OiiijQOV '^xfjba- fistd t^v 'Icovix^v dnoir-
xivcci) [isrcc T^v 'Icnvix^v xtav srsdiv ixaiav, o y^-
dnoixiav srsdiv sxaiöv, voit äv vötsqov rcov
o Y^voit' äv vdtsQOV Tvav 'iXiaxcov s'tsüi, diaxoßiotq
*lXmxiSv sTSGt öiaxodioig tBöüaqdxoVTa '^ytjaiXdov
Tsödaqdxovca. tov Joqvdßaiov Actxs-
da^ijiopicov ßaCiXevovwg,
(joöTs imßaXstv avtm Av-
xovQyov tov vofio&iTfiv
SU vioV OVTCC.
Kurz vorher aber hatte Eusebius*) sogar selber
den Tatian durch eine ähnliche falsche Bemer-
kung ergänzt, indem er dem Bericht des Philo-
chorus über die Lebenszeit Homers die irrthüm-
lichen Worte stsat /a erklärend hinzugefügt
hatte, wie Brandis ^) selbst erkannt hat. Ebenso
registrirt Eusebius, und mit ihm CyriU, Homer
und Hesiod, welche Cassius Hemina etwas über
160 Jahre nach Trojas Fall setzt, einfach un-
ter König Labotas^).
Indessen auch nach Clinton würde die erste
Olympiade erst in das elfte Jahr des Alcamenes
fallen. Deshalb hat neuerdings A. v. Gut-
schmid^) mit Recht -^-^' statt -«4' vorgeschlagen.
1) Euseb. pr. ev. X, p. 492^.
2) Brandis 1. c. p. 15.
3) Easeb. a. Abr. Arm. 1001. Hieron. 998. Cassius
Hemina bei Gell. N. A. XVH, 21, 3. CyriU adv. Jul. p.
HD hat wie Arm. Eus. 165 Jahre. So ist auch Ps-Herod.
vit. Hera. 31 statt 168 zu lesen. Einfach 160 Jahre
geben Philostr. Her. p. 194 Boiss. und Suidas s. v.
"O/ntiQog.
4) Gutschmid zu Eus. ehr. I, p. 223, N. 2.
325
rv. , _L T • X j . 11 Exe. lat. barb. I , app.
Die verbesserte Liste des Apollo« 218 f. Seh. (p. 77
der wäre daher: ^' ScaL)
1. Eurystheos 42^ 1103-1062 1. Earystheas 43
2. Agia 3lL.R 1061—1031 2. Agis 2
3. EchestratusSSf^*^ 1030— 996 3. Echestratos 34>144
4. Labotas 37J 995— 959 4. Labotas 37
5. Doryssus 29 958— 930 5. Doryssus 29,
6. Agesilaus 441 929— 886 6. Agesilaus 30
7. Archelaus 60J-144 885— 826 7. Menelaus 441
8. Teleclus 40J 825— 786 8. Archelaus 60H44
Summe 318 ^' teleclus 40J
9. Alcamenes 37 ») 785— 749 Summe 318
10. Jahr des Alca- 10. Alcamenes 27
menes 776. 10. Jahr des Alca-
menes 776.
11. Aatomedos 25.
Eusebius hat demnach die größte Verwirrung
angerichtet, wenn er auch schon eine geringe
vorfand. Tatian hatte ersichtlich noch die rich-
tige Liste des Apollodor. Allein schon in den
Exe. lat. barb., die aus Africanus abgeleitet
sind, weil sie die erste Olympiade in das erste
Jahr des Königs Achaz setzen *), sind dem Agia
nur zwei Jahre gegeben. Obwohl Eusebius nun
im Chronicon richtig das zehnte Jahr des Alca-
menes für die erste Olympiade angiebt, bietet
er doch nur 325 Jahre von der Herakliden-
wanderung bis dahin statt der richtigen 327
Jahre des Apollodor. Dieser Fehler geschieht
offenbar mit vollem Bewußtsein; denn Eusebius
beginnt von 1101, Apollodor selbst von 1103.
1) Eus. ehr. I, p. 223, Z. 12 giebt das eine Mal die
Zahl 38. Allein diese würde die Summe 325 unmöglich
gemacht haben.
2) Scaliger, animadv. in Eus. p. 69* hat es zur Ge-
wißheit erhoben, daß Africanus die erste Olympiade mit
dem ersten Jahr des Achaz zusammenfallen ließ: vgU
Brandis 1. c. p. 29.
326
Gleichwohl zählt er im Canon sowohl als im
Chronicon die 325 Jahre so, daß sie mit dem
Tode des Alcamenes zusammenfallen.
Will man jedoch den Werth der überliefer-
ten Listen prüfen und betrachtet man deshalb
die Regierungsjahre der einzelnen Könige genau,
so zeigt sich etwas recht Merkwürdiges, Nach
den Exe. lat. barb. regieren die ersten neun Agia-
den 318 Jahre, also ebenso lange als die ersten
sieben Eurypontiden des ApoUodor. Wenn man
zunächst in den Exe. die Jahre der drei letzten
Könige zusammenzählt, so ergeben diese wie
diejenigen der ersten fünf je 144 Jahre. In der
Mitte steht Agesilaus mit 30, ähnlich dem An-
cus Marcius in der römischen Königsliste. Aber
auch die verbesserte Liste desApollodor ergiebt
für die letzten drei Könige 144, für die ersten
vier 145; in der Mitte ist Doryssus mit 29.
Die verdorbene Liste des ApoUodor bietet für
die ersten fünf sowie die folgenden drei sogar
jedes Mal 144.
Vergleicht man nun diese Zahlengruppen mit
denjenigen der Eurypontidenliste, so ergeben die
letzten drei Könige daselbst 143. Weiter läßt
sichs hier nicht genau verfolgen, weil die Ein-
zelzahlen von Sous und Eurypon nicht erhalten
sind. Trotzdem erkennt man, daß die Summe
der Jahre von Prokies und Prytanis gleich der von
Echestratus, Labotas und Doryssus in den Exe.
lat. barb. 100 beträgt. Ebenso herrschen Eury-
stheus, Agis und Agesilaus nach den Exe. 74
Jahre, während des Sous und Eurypon 0 Be-
gierungszeit sich auf 75 Jahre erstreckte. Es
entsprechen also in den Exe. und in der Eury-
1) Wahrscheinlich war eine der fehlenden Zahlen
des Sous und Eurypon 43 oder 44.
327
pontidenliste je die äußeröi Glieder den
inneren.
Im üebrigen ist das
Verhältniß der Agi-
aden zu den Eury-
pontiden nach den
Exe. (144 + 30) +144
174
nach dem verbesser-
ten ApoUodor (145 + 29) + 144
174
Rechnet man die
nenn Jahre bis zur
ersten Olympiade
hinzu, so ergeben
sich nach den Exe. 144 + 144 + 39
nach dem verbesser- )■ = 327.
ten Apollodor 144 + 145
' = 175 + 148 = 318
+ 391 _
+ 38j
Ganz richtig urtheüt aber der scharfsichtige
B. G. Niebühr^): »Wo wir immer in der Ge-
schichte Zahlen antreffen , welche in arithmeti-
sche Proportionen aufgelöst werden können,
dürfen wir mit der größten Bestimmtheit sagen,
daß sie künstliche Anordnungen sind, denen die
Geschichte angepaßt ist. Der Gang der mensch-
lichen Angelegenheiten ist nicht nach Zahlen-
verhältnissen geordnete.
Sicherlich hat nun Apollodor, und vor ihm
Eratosthenes , diese Zahlen schon vorgefunden.
Diese erinnern aber durch die Verdoppelung der
Zahl 144 sowie durch das Correspondiren der
Zahlen in beiden Königshäusern stark an die
medische Königsliste des Ctesias ^. Dazu kommt
1) Niebuhr, Vortr. üb. röm. Gesch. I, p. 31 (Schmitz).
2) Nachdem Vobiey, rech. nouv. sur l'hist. anc Par.
1814. n, p. I44ff. zuerst auf des Ctesias Betrug aufmerk«
sam gemacht hatte, fand Brandis 1. c. p. 22 Folgendes:
328
noch, daß Ctesias und mit ihm Eratosthenes-
Apollodor die Zeit des Lycurg 883 mit dem
Beginn des medischen Reiches und dem Sturze
des assyrischen haben zusammenfallen lassen,
wie dies nach den Andeutungen von Volney
Carl Müller^) sehr schön dargethan hat und
hiefür trotz sonstiger großer Verschiedenheit der
Ansichten den Beifall Brandis' erlangt hat. Da
aber auch Ctesias es war, der zuerst das Jahr
1183 für die trojanische Aera angegeben hat,
wie Volney ^) erkannte, so ist wohl die Vermu-
thung berechtigt, daß auch Ctesias der erste
war, der die Heraklidenwanderung 1103 ange-
setzt hat. Dann erscheint aber Ctesias als der
Verfasser der spartanischen Königsliste, wie be-
reits Brandis^) geahnt hat.
Aber noch mehr! Enthält doch die korin-
thische Königsliste, welche von Syncellus di-
rekt mit der spartanischen zusammengestellt
1. Arbaces 28 5. Ärbianes 32
2. Maudaces 50 6. Artaeus 40
3. Sosannus 30 7. Artynes 22
4. Artycas 50 8. Astibaras 40
jRg 9. Aspandas [34]
T58~
1) Müller, fr. chron. p. 133. 159. 163 f. Brandis, re-
rum Assyr. temp. emend. Bonn 1853 p. 12 f. 65.
2) Volney 1. c. Brandis, 1. c. p. 12. de t. Gr. ant.
rat. p. 35 diflerirt von Volney nur in Kleinigkeiten. Es
ergeben sich folgende Zahlen bei Ctesias fr. 17. 18:
nach nach
Volney Brandis
Sturz des letzten medischen K, Astyages 560 566
Arbaces stürzt den letzten assyr. K. Sar«
danapal 877 883
Teutamus hilft den Trojanern .... 1183 1183
Beginn der assyrischen Herrschaft . . 2183 2188.
8) Brandis, de t. 6r. ant. rat. p. 24 f.
329
wird, in der That dasselbe Zahlenspiel. Nur
sind dieses Mal zur Abwechslung die 38 Jahre
nicht dem mittelsten, sondern dem ersten König
beigelegt. Diodor ^) hat hier wiederum die
Liste des Apollodor überliefert, wie aus der Zahl
327 hervorgeht Eine Zusammenstellung der
verschiedenen Listen ist um so interessanter, als
sie im Einzelnen abweichen, besonders die Exe
lat. barb.
Demnach ist das Yerhältniß bei
Apollodor 144 + 145 + 38 = 327.
in der dreifachen üeberlieferung
des Eusebius«) 144 + 144 + 35 = 323.
bei SynceUoa ») 144 + 143 + 38 = 325.
im jlf povoyßay. ffvyro/nof*) 144+ 145 + 35 = 324.
Nur die Exe. lat, barb.*) zählen 148 + 140 + 35 = 323.
Da nun in der korinthischen Königsliste des
Apollodor dieselben 327 Jahre wie in der spar-
tanischen wiederkehren, so bleibt es zunächst
fraglich, ob er auch beide Mal von demselben
Jahre ausgeht. Bei Eusebius-Hieronymus be-
ginnen in der That beide Königslisten in dem-
selben Jahre a. Abr. 916 und in der series re-
gum sec. Hieron. im ersten Jahre des Eorjstheus;
während aber die korinthische a. Abr. 1238 en-
det, hört die spartanische a. A. 1240 auf, d. h.
in der ersten Olympiade. Der armenische Text
dagegen beginnt 917 und endet a. A. 1239.
Ebenso setzen die Exe. lat. barb. den Anfang in
1) Diod.beiEus. ehr. I, p. 219ff. = Sync. p. 179Bff.
(nur steht Bacchis hier an der Spitze), sowie p. iSO^f.
An dieser Stelle wird ausdrücklich am Ende die Somme
327 genannt.
2) Euseb. ehr. I, p. 221 = canon ^ append. p.
12 f. 30.
3) Sync. p. 180Bf. 185Df.
4) jfßovoyp. avyj. in Eus. ehr. I, app. p. 88.
5) Exe. in Eus. Chr. I, app. p. 2 18 f. (p. 77 Seal.).
31
330
das zweite Jahr des Eurystheus, weshalb auch
in der series regum sec. Arm. »anno secundo
Euristhei« statt a. duodecimo E.« zu lesen ist.
Außerdem haben sie gleichfalls 323 Jahre; und
als Zeichen, daß sie von Africanus abgeleitet
sind, setzen sie das Ende in das 15. Jahr des
Königs Joatham, also zwei Jahre vor König
Achaz 778. Ihr Ausgangspunkt ist demgemäß
1100.
Bei Syncellus fällt der Anfang beider in das
Jahr der Welt 4423 = 1079 a. Chr. und das
Ende derselben a. m. 4745, d. h. Ol. 5, 4. Dies
ergiebt eine Dauer von 323 Jahren. Allein es
sollten 325 Jahre nach der Summe der Regie-
rungsjahre sein. Syncellus irrt sich nämlich
beim 6. Könige Agelas im Jahre der Welt um
drei Jahre, und vom 8. Könige Aristomedes ab
stetig um zwei Jahre. Dies kann um so weni-
ger Zufall sein, als er in der spartanischen Kö-
nigsliste auch vom Jahre der Welt 4423 aus-
geht, und merkwürdiger Weise sich wiederum
beim 6.. Könige Agesilaus um drei Jahre irrt
(p. 185^), indem er ihm 41 statt 44 Jahre ver-
rechnet, obwohl die Hs. A, und besonders die
treffliche Hs. B 44 Regierungsjahre zuweisen.
Auch irrt er sich bei den folgenden Königen,
so daß er den letzten König Alcamenes mit 37
Jahren in das Jahr der Welt 4709 statt 4711
setzt, wonach er bis 4745 statt bis 4747 ge-
herrscht haben mußte. Es liegt also beide Male
eine genau geplante Täuschung vor, wenn so-
wohl in Sparta als in Korinth die Könige 4745
ausstarben ^).
1) Seltsam ist auch der Ansatz des Syncellus für den
Fall Troja's. Die Differenz zwischen diesem Ereigniß
und der Ilerakliden Wanderung beträgt nämlich 94 Jahre.
Während er diese 4423 ansetzt, fällt jenes 4830, was
331
Die korinthische KÖDigsliste hat indessen
das Merkwürdige, daß nur die Zahlen^ der vier
ersten Könige in den verschiedenen Ueberliefe-
rungen (und dann auch nur um eine Kleinigkeit)
abweichen, daß jedoch die der letzten acht Kö-
nige überall dieselben sind. Nur die Exe. lat.
barb. weichen auch in diesen ab, geben aber
gleichwohl dieselbe Gesammtsumme.
ApoUodor Euseb. Sync. ^^Z^J^^' Wb. '
1. Aletes 38 35 38 35 35
2. Ixion 38) 37\ m 36\ 37]
6. BaccWs 35] 35j 35j 35J 35J
6. Agelas 30]
7. Eudemus 25'
8. ÄrirtomedesSöl j;^ -^^ ^Meu rind
l- tCa. ? '" «'«=1" d-en ApoUodor..
•148
10. Alexander 25
11. Telestes 12
12. Aotomenes
^1
Die Summe des ApoUodor beträgt mit den
90 Jahren der jährlichen Prytanen 417, von der
Heraklidenwanderung an gerechnet aber 447 ^).
Daraus geht hervor, daß ApoUodor den ersten
König Aletes erst 30 Jahre nach der Herakliden-
wanderung die Herrschaft antreten läßt; was
Syncellns p. 170^ ausdrücklich bemerkt, und nicht, wie
Goar IL p. 163 Bonn, angiebt, 4328. Die Zahl 4330
stimmt auch mit der Angabe des Syncellos p. 172^, daß
Ilion im 33ten Jahre des Menestheus erobert worden sei,
welcher nach ihm 33 Jahre und zwar 4298—4330 regiert.
1) Diod. bei Sync. p. 180^: /ut^' ovg Ivtavaioi ngv-
rärfn hri h' . bfiov vti^' ibid. p. 179^ und bei Eus. ehr.
I, p. 219, Z. 31: r,jn (i. e.) ^ KvipHov ivgayvii) r^f xa-
^o6ov TciJv 'HgoxliidiUy vajtgt'i iuci vfi^'. Beide Listen
des Syncellns sind oflenbar von Diodor, wie bereits Ä.
V. Gutschnud ibid. p. 222 erkannt bat.
332
Didymus^) seinerseits geradezu ausspricht. Pe-
tavius ^) hat dies sehr wohl gesehen ; er beginnt
daher 1073 und setzt Kypselus 656. Diese Be-
rechnung billigen K. 0. Müller und Brandis^).
Indessen möchte A. v. Gutschmid*) nach dem
Vorgange C. Bursians^) mit Rücksicht auf eine
Stelle des Pausanias^) eine Lücke annehmen
und einen König Aristodemus einschieben. Allein
Pausanias giebt gar keine Zahl an, sondern sagt
blos, daß mit Telestes , dem Sohne des Ari-
stodemus, das Königthum im zehnten') Ge-
schlecht aufgehört habe. Also hatte Pausanias
eine ganz andere Königsliste vor sich. Da es
sich hier nicht darum handelt, ob diejenige des
Pausanias oder die des Apollodor den Vorzug
verdient, sondern nur darum, wie Apollodor ge-
rechnet habe, so kann Pausanias hier gar nicht
in Betracht kommen.
Die Rechnung des Apollodor hat aber das
Gute, daß man durch sie für die folgenden Ty-
rannen sicheren Boden gewinnt. Denn da Kypselus
nach Herodot^), Aristoteles und Nicolaus Da-
1) Didymus bei Schol. Find. Ol. 13, 17 (p. 269
Boeckh) : Jidv/uos di (ftjai, tov 'Aki^Tt]y . . . ßaffiXia htt rgia-
xoajw fxtra ri)V iwv Jwgittay äfi^iv (sc. y«yovfV«*).
2) Petavius, de doctr. temp. 1. IX, c. 31.
3) Müller, Dor. I, p. 88, N. 1. Brandis, de t. Gr. ant.
rat. p. 23.
4) Gutschmid zu Eus. ehr. I, p. 221, N. 1.
5) Bursian, Jahrb. f. Phil. Bd. 75, p. 31.
6) Paus. II, 4, 4.
7) Zehn Könige scheinen auch Ephorus und Aristo-
teles gerechnet zu haben ; denn in dem von ihnen ab-
hängigen Ps.-Heraclides pol. c. 5 heißt es: ißaciXtvat dt
xat JB«xjf»? 6 TQiros- Bei Apollodor ist er dagegen
der fünfte. Doch nimmt Pausanias selbst 1. c § 8 von
Aletes bis Bacchis fünf, aber ebenso von da bis zum
Ende der Dynastie fernere fünf Geschlechter an.
8) Her. V, 92, 6.
333
mascenus ^) 30 Jahre Tyrann ist, so folgt Perian-
der 626. Dieser jedoch regiert nach Th.
Hirsch' ^) schöner Emendation 40*, 2 Jahre, also
bis 585 == Ol. 48, 4. Und das stimmt genau
mit dem Berichte des Rhodiers Sosicrates^) zu-
sammen, nach welchem Periander Ol. 48, 4
stirbt*). Darauf folgt Psamminit bis 582, und
so ergiebt sich die Summe von 737» Jahren für
die Dauer der Tyrannis in Korinth, wie sie
Aristoteles überliefert. Apollodor hat nach dieser
Berechnung sich eng an den Aristoteles, oder
vielmehr dessen wahrscheinlichen Gewährsmann
Ephorus, angeschlossen. Jedoch wich er in dem
Ausgangsjahre jedenfalls von Ephorus ab, da
dieser^) die Heraklidenwanderung ungefähr 1091
1) Ärist. pol. VIII (V), 12, ISlöi» 24. Nie. Dam. fr.
58. Aristoteles und Nicolaus folgen dem Ephorus; es
zeigt sich besonders in dem Worte tcdonvtfogtjTog, das
Nicolaus mit Ephorus fr. 106 gemeinsam hat, und das
zugleich ein anderer von Aristoteles abhängiger Autor,
Ps.-Heraclides pol. c 5 gebraucht.
2) Hirsch emendirt die bekannte Stelle des Aristote-
les pol. VIII (V) 12, 1315b 23. Schon Giphanius korri-
girte 40.
3) Sosicrat. fr. 14 (Diog. L. I, 95): ^ioatxQanis di
(ftjai noöuQov Kgoiaov rikfvjtjoai aviov fitat TfiraQäxoyja,
xai Ivl riQo r^f uaaaQctxoOT^g iyyärrjg 'Olvfintados. Das
Komma gehört nach UTragtcxoyra^ wie Petavius 1. c. lib.
X, c. 11 (p. 95} erkannte, was erst Westermann , V. Sol.
p. 81 beachtet hat. Petavius selbst aber verfällt in den
alten Irrthum 1. c. c. 16 (p. 101).
4) NachEusebius can. 01.30,2 (659) regiert Kypse-
lus 28 Jahre. Trotzdem setzt er zu Ol. 38, 1 (628) Pe-
riander. Das Ende der Tyrannis aber ist nach dem Arm.
Ol. 48, 2 (587), nach Hieronymus schon Ol. 47, 4 (589).
Dieses Schwanken des Eusebius war Veranlassung, daß
die Ansätze der Neueren vor der Heilung der corrumpir-
ten aristotelischen Stelle keinen sicheren Grund hatten;
vgl. besonders K. 0. Müller, Dor. I. p. 169, N. 2.
5) Ephor. bei Diod. XVI, 76 rechnet von der dorischen
334
ansetzt, also bis 656 im Ganzen c. 435, ohne
die Prytanen aber bis 746 c. 345 Jahre, rech-
nete. Die Zahl 345 ist aber äußerst merkwür-
dig, wie sich im Folgenden zeigen dürfte.
Am Schlüsse der korinthischen Königsliste
giebt Syncellus ^) nämlich 350 Jahre, für die
gesammten spartanischen und korinthischen Kö-
nige, obwohl bei beiden die Summe ihrer Re-
gierungsjahre, wie eben dargethan ist, bei ihm
nur 325 ist und er sogar nur 323 in seiner
Weltära verrechnet. Noch auffälliger freilich
ist, daß auch Eusebius Arm. zu a. A. 1240 =
Ol. 1, 1 Folgendes bemerkt: »Hucusque Lace-
daemoniorum leges dominatae sunt per annos
CCCL«. Allein abgesehen davon, daß er selber
im Canon a. A. 916 die Reihe der spartanischen
Könige beginnt, werden ausdrücklich in der
series regum sec. Arm. 2) 325 Jahre am Ende
der Liste genannt. Was jedoch die »leges« be-
sagen wollen, da man doch eher »reges« erwar-
Wanderung bis zum Falle Perinth's (341) tfjftefoj/ 750
Jahre. Im Fr. 157 fehlt dieser Abschnitt. In der sehr
verderbten Stelle des Clera. AI. ehr. I, p. 337^ sind
nach Ephorus von der dor. W. bis zum Zuge Alexanders
d. Gr. nach Asien 735 Jahre verflossen, wo aber offen-
bar JE' aus NE' entstanden und 755 zu lesen ist. Dar-
nach wäre das genauere Jahr 1089.
1) Sync. p. 186^: ol Auxt&atfiovMv ßaaileii xat oi
KoQtp9i(oy fwf Tovdt rov ^QÖyov dtrjQXSactv iirj tv . /4t&^
oDf iutavaiot nQvtäyfie, wg /jer nv*?, int Ala^iXav ag-
Xoyjos xat rtjs nQvirrjg okvfiinMos, tog (fe higot, /uiiä ratüror,
WS ngöxfnat.
2) Eus. ehr. I, app. p. 12 : »Anni CCCXXV. Lace-
daemoniorum regum a DCCCCXVI anno incipientes, prima
olompiade desierunt«. 325 Jahre ergiebt die Liste in
der sories reg. sec- Hieron. ibid. p. 26 f. und trotz klei-
ner Abweichungen im ;f(>ov. avyi. ibid. p. 88. Auch
CedrenuB I, p. 215, 23 hat 325.
335
tet hätte, ist zunächst unverständlich. Die größte
Verwirrung haben aber die Exe. lat. barb. '), die
im Anfang mit dürren Worten bemerken, daß
die spartanischen Könige 325 Jahre regiert ha-
ben, und zwar bis Ol. 1, 1, um damit zu schlie-
ßen, daß sie 350 geherrscht haben. Zuvor ge-
ben sie noch dem Alcamenes 27 statt 37 Jahre,
nnd nennen einen ganz unbekannten König Au-
tomedus mit 25 Jahren. Ihre wirkliche Summe
aber ist bis Alcamenes 345 Jahre, und wenn
man Automedus hinzurechnet, gar 370 Jahre,
und nicht 350. Brandis *) meint zwar, nach der
Rechnung des Apollodor kämen bis zum Tode
des Alcamenes 350 Jahre heraus. Indessen hat
er dabei die verdorbene Liste im Auge und dann
konnte er erst dadurch die Zahl erhalten, wenn
er dem Alcamenes 32 statt 37 Jahre gab.
Allein es verrathen die Schlußnoten der Exe, bis
zu welchem Zeitabschnitte eigentlich gerechnet
ist. Denn »et Lacedaemoniorum regnum dissi-
patum est« kann nur bedeuten, daß damals die
königliche Macht so wesentlich beschränkt wor-
den ist, daß sie fast aufgehört hat. Gemeint
1) Esc. lat. barb. I, app. p. 218 : >regnaverunt
Lacedaemonii per annos CCCXXV et defecerunt in prima
Oljrmpiade, qaae facta est sub Achas regem Jadae«. Sie
enden aber: Alcamenes ann. XXVII, Automedus ann. XXV.
Simul reges Lacedaemoniorum permanserunt in regno
annos CCCL. Et Lacedaemoniorum regnum dissipatum
est«. Automer/iAs ist wohl nur mit Automene«, dem letzten
korinthischen König, verwechselt.
2) Brandis, de t. Gr. a. rat. p. 30. Ebenso wül er
p. 27 nach Sosibius fr. 2 dem Nicander 39 statt 38 J.
zutheilen. Aber Sosibius hat eine ganz andere Rechnung.
Nach ihm kommt Nicander überhaupt 15 Jahre später
auf den Thron als nach Eratosthenes ; ebenso giebt Sosi-
bius dem Charüaus 6i statt 6Ö Jahre. Also auch die
Alexandriner weichen von einander sehr ab.
336
kann damit nur die Zeit sein, da die Ephorie
entstanden ist. Und in der That setzen Euse-
bius Arm. sowohl als Hieronymus dieselbe Ol. 5, 4
= 757 an. Obwohl Hieronymus ^) hier am
Schlüsse die Dauer von 350 J. für das sparta-
nische Königthum wiederholt, so ergeben sich
doch nur wiederum 345 Jahre, welche schon die
Exe. haben und deren Ursprung sich auf Epho-
rus zurückführen läßt. Des Syncellus eigen-
thümliche Berechnung der spartanischen und
korinthischen Könige wird aber jetzt erst ver-
ständlich. Denn um beide Ol. 5, 4 aufhören
zu lassen, nimmt er jene Fälschungen vor.
Sehr gedankenlos verfährt aber Eusebius. Denn
obwohl auch er^) den Beginn der Ephorie
Ol. 5, 4 festsetzt, so giebt er schon Ol. 1, 1
für die Dauer der spartauischen Könige 350
Jahre an; Hieronymus korrigirt ihn wenigstens
insofern, als er die 350 Jahre erst unter Ol. 5, 4
vermerkt.
Es liegt nun nahe anzunehmen, daß sowohl
Syncellus als Eusebius in einer und derselben
Quelle vorgefunden haben, daß in demselben
Jahr, in welchem die Ephorie begann, die Ein-
führung der jährlichen Prytanen in Korinth
statthatte. Nun hat zwar die Gleichzeitigkeit
zweier ähnlichen Ereignisse in zwei verschiede-
nen Staaten etwas Unglaubliches, zumal Ge-
schichtschreiber wie Herodot und Xenophon 3)
1) Hieron, zu Ol. 5, 4: »In Lacedaemone priraua
eqioQos^ quod magistratus nomen est, constituitur. Fuit
autem sub regibus Lacedaemon annis CCCL«. Demnach
hat der armenische Uebersetzer des Eusebius reges mit
leges verwechselt.
2) Euseb. Arm. zu Ol. 5, 4: »primus in Lacedmone
ephorus constitutus est«. Bei diesem ist a. A. 1259, bei
Hieronymus 1260.
3) Herod. I, 65, Xenoph. de rep. Lac. 8, 8. Die
337
den Ursprung der Ephorie der Heraklidenzeit
zuschreiben. Doch fjilt es hier ja nicht zu unter-
suchen, ob beide Neuerungen wirklich damals
eingetreten sind, sondern es kann hier nur dar-
auf ankommen, nachzuforschen, wer die große
Verwirrung der Späteren hervorgerufen hat.
Durch Syncellus jedoch ist es möglich, eineu Ein-
blick in die Werkstätte zu thun. Da er näm-
lich mit absichtlichem Irrthum Eurystheus und
Aletes zwar 1079 ansetzt, bis 752 indessen 325
Jahre verrechnet, so mußte er bei Hinzuzählen
von ferneren 25 Jahren, welche die Differenz
zwischen 325 und 350 ausmachen, auf 1103
kommen ; was die Zahl des Apollodor, aber auch
des Africanus ^), für die dorische Wanderung ist.
Nun bemerkt Carl Müller *) richtig, daß Eusebius,
Syncellus, sowie die Exe. lat. barb. häufig An-
merkungen aus einem anderen Chronologen, ge-
wöhnlich aus Africanus, gedankenlos übernom-
men haben. Da die Exe. lat. barb. aber in der
That, wie sich ergeben hat, in diesem Falle aus
Africanus abgeleitet sind, so hat dieser die 350
Jahre auf dem Gewissen.
Nach der verbesserten Liste des Apollodor
jedoch würden bis zum Tode des Alcamenes 355
Jahre verstrichen sein. Allein es scheint mit
den vorhandenen Mitteln festzustellen unmöglich,
wann Apollodor die ersten Ephoren angesetzt
hat. Dieser Umstand hindert aber, in das Ge-
triebe dieser Zahlenmacherei weiter einzudringen.
Doch genügt, wenn der vorliegende Versuch
Hanptvertreter der anderen Ansicht sind Plato \egg. III,
p. 692A und Aristoteles pol. Vm (V). 11, 1313a 26.
1) Boeckh, Manetho p. 184 hat darg'ethan, daß Afri-
canus Troja'sFall 118*/s setzte. Somit ßUt bei ihm die
dorische Wanderung auch wie bei Apollodor llOVs-
2) Müller, ii. chron. p. 134.
32
338
überzeugen sollte, das gewonnene Resultat hin-
länglich, um die Werthlosigkeit der spartani-
schen Königsliste darzuthun, einer Liste, welche
den Alexandrinern zur Grundlage ihres ganzen
chronologischen Aufrisses gedient hat.
Universität.
Promotionen der medicinischen Factiltät
1. Juli 1875 bis Mai 1877.
5. Aug. 75. Jesus V a 1 V e r d e aus Costarica.
13. Sept. Jul. Degenhardt aus Bermtrode.
— Aug. Kropf aus Nordhausen.
23. Dec. Ludw. Lotze aus Göttingen.
11. März 76. Fr. Picht aus Salzhemmen-
dorf.
23. März. Gerh. Borchers aus Etzel.
25. März. Ernst Aug. N i e m a n n aus Blan-
kenburg.
25. März. Carl Heinr. Just. Stein aus
Görriugen.
24. April. Rud. Lüning aus Hornebung.
— Herrn. H e m p e 1 aus Hermuth-
sachsen.
10. Juni. Adolf Hesse aus LemfÖrde.
24. Juni. Heinr. Schweninger aus Nien-
burg.
29. Juni. Friedr. Laupus aus Coblenz.
22. Juli. Carl Riehn aus Estebrügge.
— Friedr. Mügge aus Harsefeld.
5. Aug. Wilh. Ritterbusch aus Klein-
Flöthe.
5. Aug. Otto Wachsmuth aus Uelzen.
339
30. Sept. Oscar Beermann ans Dammen-
dorf.
12. Oct. Wil. Rusack aus Meine.
11. Nov. Martin Beerlein ans Rotenburg.
17. Oct. Hermann Hesse aus Lemförde.
— Hermann Heller aus Braun-
schweig.
9. Dec. Alfred Weber aus Hannover.
— Heinr. Stilling aus Cassel.
30. Dec. Rudolf Lubrechtaus Sonderburg.
— Carl Assmus aus Rotenburg.
31. Jan. 77. Wilh. Schorse ausMilwaukee.
3. März. Adolf Schreiber aus Göttingen.
— Wilh. Buchholz aus Hannover.
7. Febr. Ehme Ankes aus Jowa.
— Emil Günther aus Valdivia.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Transactions of the Zoological Soc. of London. Vol. IX.
P. 10. 1877. 4.
Atti della R. Äccademia dei LinceL Anno CCLXXII.
1876—77. Serie terza Transunti. Vol. I. Faso. 3-4.
Roma. 1877. 4.
H. V. Schlagintweit-Sakünlünski, Bericht über An-
lage des Herbariums während der Reisen. München.
1876. 4.
Annnal Report of the Board of Regents of the Smith-
sonian Institution. For the year 1875. "Washington.
Bericht der Handels- u. Gewerbekammer in Bada - Pest
im Jahre 1875.
Periödico zoologico. Organo de la Sociedad entomolo-
gica Argentina. Tomo I. Entrega primera. 4. T. II.
Entrega 1—2. Buenos Aires 1874- 75.
Acta Universitatis Lundensis. Tom. X. 1873. Mathem.
340
och Naturvetenshab. T. X. 1873. Philosophie, Sprach-
wisseDsch. u. Geschichte. — T. XI. 1874. Mathematik
u. Naturwiss. T. XL 1874. Theologie. T. XI. 1874.
Philosophie, Sprachwissensch. u. Geschichte. Lund.
1873—75. 4.
Lunds Universitäts-BibliotheksAccessions-Katalog. 1874.75
Zeitschrift der deutsch morgenländisch. Gesellsch. Bd.
30. H. 4. 1876.
G, S a 1 m 0 n , lessons introductory to the modern higher
Algebra. 3 Edit. Dublin. 1876.
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sc. de St. Petersbourg. T.
XXIII. No. 2. 4.
— of the Buffalo Sog. of nat. Science. Vol. III. No.
3. 1876.
Proceedings of the Davenport Academy. Nat. Sciences.
Vol. I. 1767-76.
Annales of the Lyceum of natural history of New- York.
Vol. X. No. 5-6. 1875. No. 12—14. 1874. Vol. XI.
No. 1—4. 7-8. 1874-76.
Proceedings of the Lyceum of nat. history in the city of
New -York. Second series. März— Juni 1873. Januar —
Juni 1874.
Charter, Constitution and By-Laws of the New« York
Acad. of Sciences. 1876.
A. Mayer, Geschichte des Princips d. kleinsten Action.
Leipzig. 1877.
R. Schwarze, die alten Druck- u. Handschriften der
Bibliothek des K. Frieder. Gymnasiums z, Frankfrt.
a. 0. 1877. 4.
Sitzungsberichte der naturf. Gesellsch. zu Leipzig. Jahrg.
1874-1876. No. 1. von. 1877.
S. Newcomb, Investigation of corection to Hansen 's
Tables of the Moon , with tables for their application.
Washington. 1876. 4.
J. R. Eastman, Report of the difference of longitude
between Washington and Oyden , Utah. Washington.
1876. 4.
C. G. Giebel, Zeitschrift für d. gesammten Naturwiss.
1876. Bd. Xm. XIV.
Der Zoologische Garten. Jahrg. XVII. No. 7—12.
Frkfrt. a. M. 1876.
Beilage zum Anzeiger f. Kunst, d. deutschen Vorzeit.
No. 8. 1877.
(Fortsetzung folgt.)
341
iVachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
4. Juli. M 15. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Sitzung am 2. Juni.
Benfey, Svdvas und Scdtavat.
Riecke, Demonstration eines nach einem neaen
Principe construirten Tangentenmultiplicators.
Hoppe, Beobachtungen über den galvanischen Wi-
derstand der Flammen. (Vorgelegt von Riecke).
Trieb er, Die spartanische und korinthische Königs-
liste. (Vorgelegt von Sauppe).
svdvas (zu lesen suävas) und svdtavas.
Von
Theodor Benfey.
§. 1.
lu der Samhitä des Rigveda VI. 47, 12 =
VS. XX. 51 = TS. I. 7. 13. 4 erscheint:
indrah sutramä svdvä^ ävobhih,
zu lesen st«k««;
ferner Rv. VI. 47, 13 = VS. XX. 52 = TS.
I. 7. 13. 4
sä suträ'mä svdvuy« indro asme
ebenfalls Siidvd>ii zu lesen;
weiter Rv. III. 54, 12
sukrit supänih svdvä<si rita'vä
ebenfalls s^iävd^ z. 1.;
dann Rv. VI. 68, 5
sa it sudä'nuh svdvo/a; rita'vä
33
342
auch suävd'£> z. 1.;
später Rv. X. 92, 9
yebhih 9iväh svdvä<a> evayä'vabhir
wiederum suäväi», z. 1.;
endlich Rv. I. 35, 10 (= VS. XXXIV. 26)
sumrilikäh sväväw yätv arvän
auch hier ist sudvä^ und yätu z. 1.;
in der VS. fehlt in suävä die Nasalirung des ä.
Derselbe Stollen kehrt ganz eben so lautend
Rv. I. 118, 1 wieder.
§.2.
In allen diesen Stellen wird svdvä^ in den
uns bekannten Commentaren — denen des Sä-
yana und Mahidhara — von svdvant (etymolo-
gisch mit 'eigenem (Eigenthum) versehen' =
dhanavant, 'Reich thum habend', vgl. Säy. zu
Rv. I. 35, 10; 118, 1; VI. 68, 5; Mahidh. zu
VS. XX. 52; XXXIV, 26; = jndtimant 'Ange-
hörige habend' Säy. zu Rv. X. 92, 9) abgelei-
tet und als Vertreter von svdvdn betrachtet,
wie dessen regelrechter Nominativ Singularis
Msc. lautet. So faßt es auch Madhidhara im
Commentar zu VS. XXXIV, 26, trotz dem, daß
hier das v» in der Samhitä fehlt. Den Mangel
desselben erklärt er auf künstliche Weise ver-
mittelst, keinesweges zu rechtfertigender, Be-
nutzung von Pänini VIII. 3, 17; 22. Doch
wäre es unnütz uns dabei aufzuhalten ; viel auf-
fallender ist, daß er sich nicht einfach auf das
Vä,jasaneyi-Präti9äkhya III. 135 beruft, wo die
Einbuße des Nasals in diesem Worte (welches
auch da als Vertreter von grammatischem svdvdn
aufgefaßt wird) an der angeführten Stelle ohne
weiteres als Regel aufgestellt ist. Ueberhaupt
werden die Präti^äkhya's in den Commentaren
— wie ich glaube, denij ich habe jetzt keine
343
Zeit, sie zur genauen Verification durchzugehen —
fast, oder ganz und gar nicht berücksichtigt.
Dieselbe Autfassung wie die Commentare
hat auch der Pada-Text, welcher stets svä-vdn
(föf^öh^) schreibt; vgl. Rigveda a. d. aa. Oo. und
TS. I.Y 13. 4; den Pada der VS. kenne ich
nicht ; doch wird er unzweifelhaft eben so haben.
Ganz ebenso haben es auch die Präti9akhya's
aufgefaßt, wie daraus folgt, daß sie in Bezug
auf die Erscheinung des « vor Vocalen keine
besondre Regel geben; sie fällt nach ihnen eben
unter die allgemeiue über Umwandlung von aus-
lautendem grammatischen an vor Vocalen (RPr.
284; 299; YPr. UI. 141; TPr. IX. 20 vgl. Wh.
zu III. 9). Nur das y» vor y wird RPr. 287
besonders geregelt, gerade wie die angenommene
Einbuße desselben in der VS. in dem VPräti9.
m. 135.
§.3.
Dieser Erklärung von svdvä\x, aus dem Thema
svävant , steht die unzweifelhaft richtige gegen-
über, welche die indische Grammatik aufsteHt,
siehe Päniui VU. 1 , 83 und vgl. Patanjali zu
Pän. VII. 4, 48 in der Benares Ausg. Vte Ab-
thlg p. 132, b und die Nota zu Pän. VII. 4, 48
in Böhtl. Ausg. desselben (II. p. 346). Hier
wird svctvän^ wie, dem Pada-Texte gemäß, statt
svävd^ der Samhitä geschrieben ist, vom Thema
svdvas abgeleitet, von welchem sich noch meh-
rere unzweifelhaft dazu gehörige Casus in den
Veden finden.
So der Acc. sing, svävasam Rv. V. 8, 2;
60, 1 (= Ath. VII, 50, 3, wo aber V. L. svä'-
vasuni); Rv. X. 47, 2; ferner Nom. Du. svä-
vasä Rv. I. 93, 7 = TS. IL 3. 14. 3; endlich
Nom. Plur. svävasas Rv. IV. 33, 8; VI. 51, 11.
33*
3^4
Für uns ist die Richtigkeit dieser Auffassung
schon dadurch erwiesen, daß sva^ sein, eigen,
welches bei der Erklärung aus svdvant zu
Grunde lag, obgleich es, wenn unzusammenge-
setzt, neben svd^ noch mehrfach sud zu lesen
ist, doch in den mehrsilbigen Formen vorwal-
tend und in der Zusammensetzung durchweg
— ohne jede Ausnahme — sva zu lesen ist, wäh-
rend svävä^ sowohl, als die eben erwähnten ent-
schiedenen Formen von svävaSj durchweg sudvas
zu lesen sind. So ist svdvä^ der Nominativ der
Zusammensetzung su-dvas, 'hülfreich', wie dieses
für die in diesem §. aufgeführten Casus auch die
Vedenerklärer annehmen. Dadurch erhält die
Richtigkeit der grammatischen Auffassung noch
eine, jedoch unnöthige, Unterstützung in der
Rv. VI. 47, 12 (s. §. 1) erscheinenden Verbin-
dung sudvä^ dvobJiih 'hülfreich mit Hülfen' ; denn
Verbindungen dieser Art sind in den Veden
beliebt (vgl. z. B. Rv. X. 10, 1 ö dt soMiäya^
sakhya vavvityäm^ Rv. VI. 6, 6 vanushydn va-
misho u. aa.); anderes vgl. man bei Aufrecht
in ZDMG. XIII. p. 500.
§. 4.
Ehe wir weiter schreiten, möge es mir ver-
stattet sein, die Aufmerksamkeit einen Augen-
blick auf die Erscheinung zu ziehen, daß hier
nicht bloß Säyana, sondern auch Maliidhara,
beide aufs genauste mit Pänini bekannt, also
unzweifelhaft auch mit dessen Auffassung von
svdvdn^ auch nicht die geringste Notiz davon
nehmen, während in dem ähnlichen Fall, prd
nah, welcher 'Vedica und Verwandtes' S. 98 ff.
besprochen ist, Mahidhara nur die Auffassung
in Pänini's Grammatik berücksichtigt, in Säya-
9a's Commentar sich wenigstens ein Schwanken
345
zwischen dieser und der des Pada-Text€s zeigt.
Der Grund wird daher schwerlich in dem Pada-
Text allein liegen, welcher, wie er in der älteren
Zeit überhaupt keine ausschließliche Autorität
besaß (vgl. ebds. 92; 97; 98), so auch, wohl bei
den älteren Erklärern des Veda — deren Ar-
beiten — ursprünglich mündlich und später
schriftlich überliefert — das Material zu den
erwähnten späten Commentaren gewährten —
noch nicht für infallibel gelten mochten. Viel-
mehr scheint hier eine heiligere Autorität von
der Anerkennung der richtigeren grammatischen
Auffassung von svcuä^ abgehalten zu haben.
Wir finden nämlich in der Taittiriya Sam-
hita m. 1. 2. 3 yo vä adhvaryöh. svdm vcda
svävdn evd bhavati 'Wer des adhvaryü (Opfer-
priesters) Eigenthum kennt, der eben ist svdvdn'.
Augenscheinlich ist dieses — wie — abgesehen
von den andern theologischen Schriften der In-
der — in den Brähmana's so oft — und deren
Character herrscht unverkennbar in vielen Thei-
len der TS. — eine etymologische Erklärung
des so oft im Rv. vorkommenden svdvd<» und
eben dieselbe, welche auch bei Säyana und Ma-
hidhara erscheint. Höchst wahrscheinlich wagte
weder der eine noch der andere, vielleicht trotz
besseren Wissens, von der Autorität eines so
hoch gehaltenen, am meisten benutzten und dem-
gemäß bekannten Veda abzuweichen. Es ist
dieß zwar nicht wissenschaftlich aber mensch-
lich und derartige ehrenwerthe menschliche In-
stincte hat die Wissenschaft zu achten , wenn
sie sich auch nicht durch sie fesseln lassen darf.
Da dasselbe Motiv vielleicht auch bei anderen
unwissenschaftlichen Auffassungen zu Grunde
liegen möchte, werde ich es vermeiden in Zu-
kunft so herbe über Säyana zu urtheilen, wie
346
ich bis jetzt gethan; wenigstens werde ich stets
zu erforschen suchen, worauf sie beruhen mögen.
§.5.
Es entsteht aber nun die Frage: wie ist die
Formsväväw, oder vielmehr s^mmw zu erklären?
Wäre es unabweisbar noth wendig sie mit dem
Pada-Texte, den Präti9äkhya's und Pänini als
phonetischen — nach der bekannten Regel über
Umwandlung von an vor anlautenden Vocalen
in den Veden entstandenen — Vertreter von
grammatischem svdvän (suävän) zu betrachten,
also einen Nom. sing. msc. svdvän für das Thema
sudvas aufzustellen, dann würde man sich in
der That auch genöthigt sehen, seine Zuflucht
zu der Erklärung zu nehmen, welche Böhtlingk
zu Pän. VII. 4, 48 und Aufrecht in der Zeit-
schrift der DMGr. XIII. 501 vorgeschlagen ha-
ben. Nach dieser wäre in dieser Form eine
Spur der Entstehung der Themen auf as aus
Themen auf ant bewahrt.
Da auch ich stets der üeberzeugung war
und noch bin, daß die primären Themen auf «5
ursprünglich aus solchen auf aw^ hervorgegangen
sind, so würde ich, wenn ich die Erklärung von
Böhtlingk und Aufrecht für svdva^s/ anzunehmen
im Stande wäre , sagen müssen , daß der ur-
sprüngliche Nom. sing. msc. sii-avant-s, vermit-
telst su-avans, anstatt der Regel gemäß, im
Sanskrit zu su-aväs zu werden, zu su-avdn ge-
worden wäre. Allein gegen diese Auffassung
lassen sich so viele Gründe geltend machen,
daß sie kaum in Betracht zu kommen berech-
tigt ist. Ich erlaube mir nur folgende anzu-
führen. 1) Diese Casusform stände in diesem
und dem §.19 zu erörternden und von mir
ebenfalls anders aufgefaßten Fall der großen
347
Menge der regelmäßigen Nominat. auf äs so gnt
wie ganz vereinzelt gegenüber. 2) Wenn er aus
-aiant-s entstanden wäre, hätte er der Analogie
der so entstandenen Nominative gemäß -avän
mit kurzem o lauten müssen. Denn die Deh-
nung des « findet bekanntlich nur in Themen
statt, in denen das Afi'ix mit r, oder wi, oder y
anlautet , was hier nicht der Fall ist , da das v
zum radicalen Element gehört und das Suff, nur
ant gelautet haben würde. 3) Es ist kaum zu
bezweifeln, daß der Uebergang von atit in as
in den hieher gehörigen Themen schon in der
Grundsprache stattfand und zur Zeit der Sprach-
trennung längst vollendet war ; dies ergiebt sich
theils aus der nicht unbeträchtlichen Anzahl
von übereinstimmenden Wörtern auf as in den
besonderteu Sprachen, wie z. B. grundsprachlich
angas = lat. augus = griech. at^fg = sskr. ojcis
(vgl. Fick, Indog. Wtbch. P, 31), theils aus
dem Mangel von Beispielen, in denen beide For-
men des Themas sich im Declinationsystem ergän-
zen oder in völlig gleicher Bedeutung neben
einander bestehen — wie das z. B. im Sankrit
noch häufig und auch in den noch später
fixirten Sprachen nicht ganz selten bei den
erst später von einander getrennten Themen
auf einerseits ttiant, vanf, und andrerseits tnan,
tan der Fall ist. 4) Ist es aus diesen Gründen
kaum auch nur denkbar, daß sich eine Spur
eines einstigen avatit statt des späteren avas
gerade in einem Compositum erhalten haben
sollte, zumal da die Composita doch sicher nicht
zu den ältesten Schöpfungen des Indogermani-
schen gehören. Ich könnte noch andre Momente
hinzufügen, allein ich glaube die angeführten
genügen , um wenn auch nicht die völlige Ün-
zulässigkeit dieser Erklärung zu erweisen, doch
348
wenigstens zu zeigen, daß sie äußerst zweifelhaft
ist, und dem gemäß unzweifelhat die Berechti-
gung gewährt, uns nach einer andern umzusehen.
§. 6.
Ich glaube, daß wohl Jeder, welcher sich
mit den Veden und den neueren auf sie bezüg-
lichen Arbeiten beschäftigt hat, jetzt überzeugt
ist, daß nicht — wozu die Indische Auffassung
leicht verführen könnte — der Samhitä-Text
aus dem Pada-Text entstanden ist, sondern um-
gekehrt der letztere aus dem erstem. Nur die
Samhitä war überliefert und der Pada-Text
ist ein — trotz aller seiner Mängel — nicht
genug zu bewundernder und zu preisender Ver-
such den der Samhitä dem grammatischen
Verständuiß zu erschließen. Daraus folgt, daß
der Pada-Text auch nur als ein derartiges
Hülfsmittel benutzt werden darf und jede weiter
greifende Autorität ihm abzusprechen ist.
In unserm Fall entsteht also die Frage:
haben die Verfertiger des Pada-Textes das in
dem Samhitä-Text erscheinende svdva^s) mit Recht
in svävän verwandelt oder nicht?
Daß sich die Pada- Verfertiger bei der Lö-
sung ihrer Aufgabe, — deren große Schwierig-
keit, je näher wir die Veden kennen lernen,
desto mehr hervortritt — überaus häufig geirrt
haben, ist schon in manchen einzelnen Fällen
nachgewiesen und wird in einem der folgenden
Theile der 'Einleitung in die Grammatik der vedi-
schen Sprache' genauer erörtert werden. Es liegt
demnach die Möglichkeit vor, daß sie sich auch in
diesem Fall über den Werth des v» geirrt haben.
§. 7.
Es ist von mir schon mehrfach nachgewie-
349
sen ^), daß der Visarga nicht selten — ja, wie
sich in der Abhandlung über den Visarga erge-
ben wird, sehr häufig — im Veda spurlos ein-
gebüßt ward, was bekanntlich auch sowohl im
Päli (vgl. z. B. aggi statt sskr. agnih, hJtikkhu
statt sskr. IhiJcshuh) als Präkrit (z. B. aggi =
sskr. agnih, handhü = sskr. handhuh^ wo jedoch
die Dehnung die einstige Existenz desselben
andeutet) der Fall ist.
Diese Einbuße des Visarga für das ursprüng-
lich auslautende s ist gerade im Nominativ
sing. msc. von Themen auf as in drei Fällen
auch von den Sanskrit-Grammatikern anerkannt *),
nämlich in Ugänä^ statt Uf/nuih für ügänäs,
anefid' für anehä's, und puritdam^ä (vedisch
Them. purttdd^as) statt purndamgds von den
Themen ü^dyias, anehds, pttrudam^as.
Von den beiden ersten sind diese Nominativ-
formen belegt, von dem dritten bis jetzt nicht.
Nach dieser Analogie dürfen wir vermuthen,
daß diese Einbuße, welche ja in allen in §. 1
aufgeführten Fällen in sudvcih der Regel gemäß
eintreten mußte, im Sprachbewußtsein, wie in
V^änd u. s. w. ganz vergessen werden konnte,
so daß es statt sudvdh. (für sudvds) bloß sudvä
zu sein scheinen konnte.
Man konnte auf den ersten Anblick sich
berechtigt halten, für diese Vermuthung eine
Bestätigung in dem Mangel des «/ vor y in VS.
XXXIV, 26 (vgl. §. 1) zu erblicken ; allein diese
Berechtigung wird dadurch zweifelhaft, daß in
1) vgl. z. B. 'Quantitätsverschiedenheiten in den
Samhitä- und Pada-Texten u. s. w.' in den Abhdlgen der
k. Ges. d. Wissenschaften XIX. 246 ff.
2) Pänini VII. 1 , 94 , wozu keine Erläuterung im
MahäBhäshya; vgl. meine 'Vollständige Grammatik der
Sanskritaprache' §. 718, S. 294.
350
der VS. XIX, 2 (= Rv. IX. 107, 1 = Sv. I.
6. 1. 3. 2) vor y auch das w fehlt, welches im
Rv. und Sv. wirklich für ursprüngliches n ein-
getreten ist, nämlich in dadhanva yö, wo Rv.
und Sv. dadhanva''^/ yö lesen und die gramma-
tische Form in der That dadhanvan ist.
§. 8.
Wir wissen nun auch, daß in der Wortver-
bindung (Sandhi) im Rigveda, wie im Päli und
Präkrit ^), zur Vermeidung des Hiatus und zwar
zunächst bei langem ä vor einem folgenden Vocal
ein Nasal und gerade w hinzutritt , oder genauer
das d davor nasalirt wird.
Diese Nasalirung findet zunächst statt im
Auslaut der Wörter Jcada, mäta, yä\ vidhartä',
vipanya und vibhvd, sobald das folgende Wort
mit dem Yocal vi anlautet *).
So Rv. V. 3," 9
Agne kadä'w ritacid yätayäse ').
Rv. V. 45, 6 '
. äpa yä' mätä'.» rinuta vrajam goh.
Rv. V. 30, 14, am Ende des vorderen
Stollens in einem Halbvers, in
aucchat sä' rä'tri päritakmyä yä'«»
rinaricaye.
Rv. li. 28, 4 am Ende des vorderen Stollens
pra sim ädityö asrijad vidhartä'w
ritam.
Rv. IV. 1, 12 ebenfalls am Ende des vor-
deren Stollens
1) vgl. E. Kuhn, Beiträge zur Päli-Grammatik, S. 63
und E. Müller, Jainapräkrit, S. 37.
2) Rig PrätiQ. 168 und 171.
3) In der kleinen M. Müller'schen Ausgabe fehlt
das v» auf diesem kadä' und findet eich irrig auf dem
des 3ten Stollens ; in der großen fehlt es überhaupt,
351
pra 9ärdha ärta prathamäm vipanyä» *)
ritäsya.
^ Rv. iV. 33, 3
te väjo vibhvä*» ribhür indravanto.
Rv. yil. 48, 's
indro vfbhvä«- ribhukshä' vä'jo arydh.
Nach diesen Analogien erklären sich zunächst
die^ beiden Fälle, Rv. Ul. 54, 12; VI. 68, 5
s. §. 1), in denen auf das auslautende a*» eben-
falls ri folgt. Wie ]:ada vor ri° in Rv. V. 3, 9
zu Jcadä'^ ward, ganz ebenso ward stuivä (für
stiaväh. mit spurloser Einbuße des h) vor ri* zu
§. 9.
Diese Fälle, in denen ä vor anlautendem ri
nasalirt wird, zeigen recht deutlich, daß die
Nasalirung nur, gerade wie ))i im Päli*), zur
Vermeidung des Hiatus eintrat.
Die Samhita des Rv. nämlich verkürzt be-
kanntlich, der Regel nach, auslautendes ä vor
folgendem ri^), während das n unverändert
bleibt, so z. B. wird das grammatische ydthä
niaäm Rv. VIII. 47, 17 in der Samhita zu ydtha
Tinäm. Allein wenn das ri nicht den Anlaut
eines Stollens bildet, hat das ^a ri° stets den
Werth einer einzigen Silbe; z. B." der Stollen,
in welchem ydtha rindm geschrieben ist, lautet;
yätha rinäm samnayämasi ;
Br ist achtsilbig und, um das Metrum zu erhal-
ten, darf man ydtha rimm nur dreisilbig lesen,
Ihnlich wie im späteren Sanskrit °a ri^ zu ar
wird. Wenn dagegen mit dem ri eiii Stollen
1) M. M. Ausgabe hat irrig: vipant/ä'^.
2) vgl. E.Kuhn, Beiträge zur Päli-Grammatik, S. 63.
3) vgl. RPr. 163 und VPr. IV. 48.
352
beginnt, dann hat dieSamhitä das« zwar eben-
falls kurz aber eine Zusammenziehung zu dem
Werthe einer Silbe findet nicht statt; z.B. Rv.
I. 151, 4 wo das grammatische priyd\ welches
den Schluß des ersten Stollens bildet, vor dem
anlautenden n des zweiten zwar kurz geschrieben
ist, sich aber nicht mit ri zu dem Werthe einer
Silbe verbindet.
Es sind hier drei Erscheinungen zu erklären :
1. Warum ist das auslautende ä vor ri ver-
kürzt?
2. Warum hat es mit dem n zusammen
den Werth einer Silbe angenommen?
3. Warum hat die Samhitä trotzdem nicht,
wie im späteren Sanskrit, a ri zu ar werden
lassen, sondern ri bewahrt?
Eine vierte Frage, welche wohl in dem frü-
heren Stadium der Vedenforschung aufgeworfen
werden durfte: warum das für ä eingetretene a,
wenn es das Ende eines Stollens bildet, mit dem
folgenden vi nicht zu dem Werthe einer Silbe
verbünden wird, bedarf jetzt wohl keiner Erör-
terung mehr. Wir wissen, daß die Stollen die
ursprünglichen Verse bildeten und keine phone-
tische Einwirkung des Anfangs eines folgenden
auf den Auslaut des vorhergehenden Statt finden
durfte; die phonetische Verbindung mit vorderen
Stollen eines Halbverses hat sich erst verhält-
uißmäßig spät geltend gemacht, ist aber in einem
Versuch die ursprüngliche Gestalt der Vedenlie-
der wieder herzustellen fast ausnahmslos wieder
aufzuheben und in einem solchen z. B. dem d
in priya die ursprüngliche Länge zurückzugeben.
Was nun die drei andern Fragen betrifft, so
beantworten sie sich alle durch die überlieferte
Aussprache des n als schwaches r zwischen zwei
ganz schwachen a: ara, welche sich noch eng
353
au die letztinstanzliclie Entstehung des r? aus ar
vor Consonanten, wodurch zunächst ara, dann —
zuerst durch Einfluß des Accents — afa entstand.
Die erste Frage beantwortet sich dadurch,
daß das anlautende a in ata ganz wie ein voller
Vocal wirkte. Es ist aber schon oft darauf auf-
merksam gemacht und wird in der Behandlung
der vedischen Lautlehre durch eine Fülle von
Beispielen belegt werden ') , daß ein folgender
Vocal in den Veden sehr häufig die Verkürzung
eines vorhergehenden ursprünglich langen her-
beiführt.
Was die zweit« Frage betrifft, so absorbirte
das auslautende ä — mag es ursprünglich kurz
gewesen oder aus d verkürzt sein — den schwa-
chen Anlaut in aVa ; das r wurde hinter dem
nun vorhergehenden vollen a zu vollem r und
das ihm folgende schwache a nahm nun vor dem
folgenden Consonanten den Character der Svara-
bhakti an , welche die Consonantenverbindung
(nach RPr. 411) nicht aufhebt; ydthä rmum in
dem augeführten Beispiele wurde demgemäß ver-
mittelst ycitha arandm zu yaihdraiiäm, in welchem
das a zwischen r und n die Verbindung dieser
beiden Consonanten nicht aufhebt, d. h. ta keine
Silbe bildet, sondern ^arauayn nur zwei nicht drei
Silben, also ara in ydiliarän^äm nur den Werth
einer Silbe hat.
Die dritte Frage erledigt sich durch die Be-
antwortung der zweiten fast von selbst. Die
Schreibweise ri erklärt sich dadurch, daß die Re-
citirer, auf deren Autorität die Samhitä beruht,
diese Svarabhakti wirklich hören ließen, so daß
in ihrem Munde ydthararidni fast ganz so klang
wie ydtharindm und wohl kaum anders darge-
1) Vergl. auch Vollst. Gr. d. Sanskritepr. S. 50; 52 j
Päuini VI, 1, 127 j 128.
354
stellt werden konnte als durch die Schreibweise .-
qvtfttfm^ In späterer Zeit, wo die Svarabhakti
nicht in dem Maaße hervortrat, wurde a ri° zu -
bloßem ar, würde man also jtwt gesprochen
und geschrieben haben.
§. 10.
Ferner finden wir auslautendes d auch sonst,
um den Hiatus aufzuheben, vor Vocalen nasalirt.
So^) Rv. I. 133,6 hMsM'ys) adrivah. (2 mal) und
Rv. I. 129, 9 imthä^ anehäsä.
Ebenso wird evä\ welches, wenn es zu An-
fang eines Stollens vor Consonanten erscheint,
stets das grammatische evä' vertritt ^), vor nach-
folgendem agnim im Vten Mandala zu evä''»^).
Die Regel trifft nur zwei Stellen, wo der Stollen
mit diesen beiden Worten : eva^ agnim beginnt,
nämlich V. 6, 10 und 25, 9.
Dagegen erscheint in demselben Mandala,
nämlich V. 2, 7, ebenfalls im Anfang eines Stol-
lens, evä'smdd, indem evä und asmäd hier nach
der in den Veden fast durchgreifenden Regel,
— der gemäß auslautende ä d mit folgenden
Vocalen zusammengezogen werden — behandelt
sind.
Ich will nicht unterlassen zu bemerken, daß
während im Vten Mandala | eva | agnim | zu
Cüd' V* agnim geworden ist, sich im Vllten Mand.
statt dessen mit Zusammenziehung evägnim fin-
det, trotzdem daß auch hier die Zusammenziehung
wieder aufzuheben ist. Hier findet sich kein «»
weil man früher Hiatus ganz gut ertrug, wie
1) Vergl. RPratiQ. 169.
2) Vgl. 'Quantitätsverschiedenheiten u. s. w.' III. Ab-
hdlg. in den Abhdlgen d. K. Ges. d. Wiss. XXI, S. 11 ff.
3) RPr. 170.
355
man aus einer überaus großen Fülle derselben
nachzuweisen vermag. Erst verhältnißmäßig spät
wurde er unerträglich und da hatte sich schon
ein künstlicher das Metrum verdunkelnder Vor-
trag geltend gemacht, welcher es verstattete, die
allgemeine Regel auch über die Ausnahmen aus-
zudehnen und auch hier die beiden a zusammen-
zuziehen. Natürlich war dabei von Einfluß, daß
das Vte Mand. dem Priestergeschlecht des Atri,
das Vllte den Vasishthiden augehörte.
Da ich eva\s> für evd erwähnt habe, so will
ich auch den Fall (Rv. I. 79, 2) anmerken, wo
a, ohne gedehnt zu werden, nasalirt wird in ami-
nanta^ evaih.
§. 11.
Hieher gehören auch die Fälle, wo die Nasa-
lirung eines ä am Ende des vorderen Stollens
eines Halbverses eintrat.
Man könnte fast auf den ersten Anblick mei-
nen, daß die Nasalirung eingetreten sei, weil der
Stollen, wie bemerkt, ursprünglich der Vers war
und sich für diese Meinung darauf berufen, daß
A A A
nach Pän. VHI, 4, 57 jedes schließende ä i ü
und nach RPr. 64 sogar auch ri der Nasalirung
fähig war. Allein von dieser Nasalirung haben
die Samhitä's keine Spur; denn die wenigen
Fälle, wo bei begriffmodificireuder Pluti ein aus-
lautender Vocal nasalirt wurde, gehören nicht
in die Categorie dieser rein phonetischen Nasa-
lirung. Ferner wird die Annahme, daß in den
aufzuzählenden Fällen der Schluß des Stollens
die Veranlassung zur Nasalirung sei, dadurch wi-
derlegt, daß keine phonetische Nasalirung am
Schloß eines Halbverses eintritt, wo, wenn der
Schluß der Grund wäre, die Nasalirung noch
356
eher eintreten würde; vergl. z. B. säcd Rv. III.
53, 10, ä Rv. IX. 43, 5 und sonst. Ebenso da-
durch, daß die Nasalirung nicht am Ende eines
vorderen Stollens eintritt, wenn der folgende
mit einem Consonanten beginnt, sondern nur,
wenn mit einem Vocal. Insbesondere der letzte
Umstand zeigt wiederum (vgl. §. 9), daß die Na-
salirung des Hiatus wegen eintrat und so scheint
sie auch im RPr. 171 aufgefaßt zu werden, wo
sie mit dem Hiatus verbunden wird. Es ist da-
her anzunehmen, daß diese Nasalirung erst zu
der Zeit eintrat, als man die Stollen eines Halb-
verses phonetisch zu verbinden anfing, und zwar
in den Fällen, in denen die Aussprache mit Hia-
tus sich erhalten hatte. Hier haben dann ei-
nige Recitirer nach Art des Päli nasalirt, andre
— wie die Sänger des Sv. — haben die Nasalirung
nicht aufgenommen, ähnlich wie die Vasishthiden
evä (oder vielmehr eva) agnim einst sprachen,
während die Atriden eväw agnim daraus mach-
ten (§. 10).
§. 12.
Hieher gehört zunächst säcd, welches das d,
wenn am Ende eines vorderen Stollens vor Vocaleu
— mit Ausnahme zweier Fälle — stets nasalirt^).
Die Fälle, in denen die Nasalirung eintrat, sind
folgende :
vor ä Rv. I. 161,5; III. 60,4; VI. 59,3;
vor l Rv. I. 51,11; X. 23,4 = Ath. XX.
73 5*
vor Ü Rv. Vn, 81, 2 = Sv. IL 1. 2. 14, 2 (wo
aber nicht nasalirt ist);
vor e Rv. I. 139, 7.
Die beiden Ausnahmen finden sich Rv. 1.
1) RPr. 164.
357
10, 4: sdcendra (für säcä \ Indra) und V. 16 5
säcotaidhi (für sdcd \ utciy). Es versteht sich von
selbst, daß die Verschmelzung des ä in beiden
r allen wieder aufzuheben ist.
§. 13.
Ferner wird Präfix oder Präposition ä in
gleicher Weise nasalirt — d. h. wenn es am
Ende eines vorderen Stollens erscheint — jedoch
nur hinter grammatischem e, welches aber vor
a ^nach bekannter Regel zu « wird, oder shu,
welches in der Samhita shv geschrieben ward
aber SÄ« zu lesen ist, oder einigen bestimmten
Wörtern — und der folgende Stollen mit einem
Vocal beginnt 2). Es schien mir dienlich, ja uoth-
wendig, aus der großen Anzahl der «,' enthalten-
den Stellen — sie füllen in M. Müller's Pada-
Index fast sieben Quartcolumnen — alle hieher
gehörigen Fälle zusammenzusuchen und sie hier
aufzuführen :
Die Nasalirung tritt ein:
vor folgendem a.
Rv, I, 60, 4 däma äW ( agnir.
» I. 122, 5 däväna ä ^ | äcchä.
» ni. 43, 2 carshani'r av$/ i arya.
» V. 48, 1 abhrä a^ apö.
> V. 87,3 fshta a>* i aynäyo.
» yil, 16,8 duronä a^ j äpi.
* ttS" ^l'll ^amasyur a'e- | äsrikshi.
» VIII. 46, 21 i'vad a ^ I ädevah "
* ?'J¥ ir S^- ^- 5- 1- 4.' 5, wo je-
doch die Nasalirung fehlt).
kalä9eshv a «, | antah (im Sv. a' | antdh).
1) RPr. 176. 177.
2) ebds. 165.
34
358
Rv. IX. 105,6 (= Sv. IL 7. 3. 20,3, wo
die NasaliruDg ebenfalls fehlt)
asm ad ä'w | adevam (Sv. a ädevatn).
vor folgendem ä.
Rv. VI. 48,15 carshanibya ä'w | ävir.
vor folgendem i.
Rv. VIII. 94(83), 6 (= Sv. IL 9. 1. 8. 3 wo
die Nasalirung wiederum fehlt)
jösham a'w | indrah (Sv. ä' indrah).
» IX. 86, 23 pavitra ä'v» | fndav.
vor folgendem u.
Rv. VIII. 67(56), 11 gabhirä a«, I ügraputre.
» IX. 68,6 nadi'shv ävs, j U9äntam.
> X. 105, 4 (= Sv. I. 3. 1. 1.3, wo starke
V. L. und die Nasalirung fehlt)
cärkrisha ä'w ( upänasäh (Sv. d' lipo).
Das Metrum fordert carJcrishä'w zu sprechen;
der ganze Vers ist aber, wie die Varianten im
Sämaveda zeigen — wohl unheilbar — verdorben.
Vor folgendem ri.
Rv. IX. 110,4 (= Sv. IL 7. 1. 7. 3, wo
aber V. L.)
märtyeshv a w | ritasya
zu lesen märtieshu a'w.
> X. 91, 12 asmäd ä'v» | rico.
vor folgendem e.
Rv. VI. 51,1 mitrayor ä'w | eti.
vor folgendem o.
Rv. VL 46,7 (=Sv. L 3. 2. 2. 10, wo die
Nasalirung ebenfalls fehlt)
nä'hushishv a w | ojo (Sv. a qjo).
§. 14.
Hieher gehört endlich die Nasalirung eines
kurzen oder langen a, sobald es der Auslaut eines
vorderen Stollens ist und der folgende mit e
oder 0 beginnt. Diese Regel gilt fast für den
359
ganzen Rigveda, nämlich vom Anfang an bis in-
clusive den 34steu Hymnus des letzten (Xten)
Mandala^). Daher wir uns hier auf einige Bei-
spiele beschränken können:
ßv. I. 35,6 upasthä«/ | eka.
» I. 113,1 (= Sv. II. 8. 3. 14. 1, wo keine
Nasalirung sondern Zusammenziehung
eingetreten ist, welche aber natürlich
rückgängig gemacht werden muß)
savä'yae' | evä'
im iSämaveda sata'yaii'd , wo saiö ya | evä
zu lesen.
> I. 123,10 9ä'9adänäw | eshi.
» VI. 45,20 pä'rthiväw | eko.
» VI. 46,5 (= Sv. Naigeya-(;:äkhäl,l bei
Siegfried Goldschmidt, in 'Berliner Mo-
natsberichte' 1868, S. 230 ohne Nasali-
rung, zugleich jedoch auch ohne Zusam-
menziehung, also mit Bewahrung des Hia-
tus) = Ath. XX. 80, 1, wo wie im Rv., aber
ebendaher in das bekanntlich spät hinzu-
gefügte XXte Buch herübergenommen:
bharav» | öjishtham.
> VU. 25,4 ugra« j ökah.
» Vin. 15,3 = Ath. XX. 61,6 und 62,10.
purushtutaw | eko.
> Vm. 98(87),10 (= Sv. I. 5. 1 . 2. 7 = II.
4.2. 13. 1, ohne Nasalirung, aberauch ohne
Zusammenziehung, wie bei Rv. VI. 46,5,
mit Bewahrung des Hiatus ; diese Diffe-
renz ist vom Schol. zu der zweiten Stelle
angemerkt, s. Einleitung zu meiner Aus-
gabe des Samaveda p. XXX und S. \>o)
= Ath. XX. 108, 1.
bharav» | ojo.
1) RPr. 166 and 171.
34»
360
Rv. VIII. 100(89), 5 ntäsya«, | ekam.
Von Rv. X. 35 an tritt dagegen keine Nasa-
lirung, sondern Zusammenziehung ein, welche
natürlich rückgängig gemacht werden muß ; z, B.
Rv. X. 121,3 = VS. XXIII. 3 = TS. IV.
1. 8. 4 und VII. 5. 16 = Ath. IV. 2, 2.
im Pada: mahitva \ ekah \
in der Samhitä: mahitvaiko, zu lesen mahi-
tva 1 eko.
§. 15.
Bevor ich die — übrigens auf der Hand lie-
gende — Folgerung aus den von §.8 an aufge-
zählten Nasalirungen für die Erklärung von
suäväw ziehe, möge es mir vergönnt sein noch
einen — und zwar einen von den Pada- Verfer-
tigern verkannten — Fall der erörterten Nasa-
lirung — hieher zu ziehen , welcher zunächst
deren geringe Kenntniß der Vedensprache und
ihre mangelhafte Methode in der Behandlung
derselben zeigt; zugleich aber auch in manchen
andern Beziehungen belehrend ist, deren Betrach-
tung uns jedoch für jetzt zu weit von unserer
Aufgabe abführen würde.
Im Rv. erscheint 70mal sowohl im Pada- als
Samhita-Text der Nom. Sing, maghävä, also eine
Form, welche das Thema maghävan voraussetzt;
ein einziges Mal nur, nämlich IV. 16,1 hat der
Pada-Text maghävan f welches auf dem Thema
maghävant beruhen würde. In der Samhitä aber
lautet der Stollen, in welchem die Pada-Verfer-
fertiger diese Form zu erkennen glaubten:
ä' satyö yatu maghava« rijishi' | .
Die Pada- Verfertiger, welche sich erinnerten,
daß in den Veden regelmäßig an vor Vocalen inmit-
ten eines Stollens zu ««/ wird — in der Abhand-
tung über die Pada-Texte werden wir aber sehen,
361
daß sie bei ihren Aufstellungen die Majorität
fast immer als die Regel betrachteten — in de-
ren Zeit — der grammatischen Erlaubniß ge-
mäß — alle Casus dieses Wortes, also auch der
Nomin. Sing., eben so wohl aus der Basis nia-
ghavant als maghavan gebildet werden durften ^),
entschieden sich — vielleicht nur, um nicht noch
eine unregelmäßige Nasalirung verzeichnen zu
müssen — das «* vor rt nach Analogie der pho-
netischen Behandlung von an aufzufassen. Für
uns dagegen entscheidet die überwältigende Ma-
jorität der maghdid lautenden Nominative da-
für, daß auch hier diese Form als die gramma-
tische anzuerkennen und die Nasalirung nach
Analogie der in §. 8 aufgezählten Fälle zu er-
klären sei, also maghävd vor n' ganz wie kadd u. s.w.
vor vi nasalirt sei, also im Pada, wie Jcadä, so
auch maghdvä zu schreiben gewesen wäre.
Dafür spricht aber auch, daß im Rv. nicht
bloß alle starken Casus, welche sich stets an den
einstigen Nominativ Sing, schließen (hier maghd-
vdn für schon fixirtes maghdvan-s nicht mehr
für das ursprüngliche maglidvant-s), auf der Ba-
sis maghavan ruhen — so nur Acc. Sing, ma-
gJidvdnam, Nom.-Voc. Du. maghdvdnd, Nom.-Voc.
PI. maghdvdnas — sondern auch alle übrigen
mit Ausnahme derer, deren Endungen mit bh
beginnen und des Loc. Plur. — so maghonas,
maghöndm, dagegen, vom ursprünglichen Thema
niagMvant, Instr. Plur maghdvadhliis, ferner ma-
ghdvavadbhyas ^ maghdvatsii. Der Voc. Si. ma-
ghavan könnte auf beiden Basen beruhen. Da-
gegen schließt sich das Fem. maghoni entschie-
den an die Basis maghavan, während magMvant
im Superlativ magluivat-tama und in dem Ab-
stract maghavat-tvd zu Grunde liegt.
1) Vergl. Pän. VI. 4, 128.
362
Eine eingehende Behandlung dieses, wie der
verwandten Erscheinungen z. B. in ärvant, rik-
vant, vivasvant ist für die Abhandlungen über
die vedische Deelination vorbehalten.
§. 16.
Daß wir die Fälle, in denen suävä (nach §. 7
für sudväh mit spurlosem Verlust des Visarga
wie in Ugänä u. s. w.) vor a, i, vi und e mit
nasalirtem Auslaut erscheint, unbedenklich nach
den von §. 8 — 15 erörterten Analogien erklären
dürfen, möchte an und für sich kaum zn bezwei-
feln sein.
Allein wie ist es mit dem ebenfalls in §. 1
bemerkten Fall, wo sudväh vor y erscheint? wie
mit einigen andern Erscheinungen, welche, wenn
sie nicht erklärt zu werden vermögen, natürlich
auch die Erklärung dieser Fälle zweifelhaft zu
machen geeignet sind?
§. 17.
Was nun die Nasalirung des d vor y in ydtu
(Rv. 1.35,10) betrifft, so scheint sie sich vollstän-
dig durch folgendes erklären zu lassen. Wir
haben oben §. 4 gesehen, daß die Auffassung
von svdvd'» als Nomin. S. von svävant schon
eine sehr alte war, wohl sicher schon der Zeit
angehörig, welche der Fixirung des Rv. Textet)
vorherging. Sie war also sicher auch mehreren
Recitirern des Rv. bekannt, unter denen gewiß
nicht wenige sich befanden, welche, was sie rc
citirten, so gut es eben ging, auch zu verste
hen suchten. War ihnen svdvä ydtu überliefe
so verstieß die Form gegen die Analogie de;
Nominative der Themen auf vant; deren regel
rechte Form svdvdn statt der überlieferten zrf
sprechen, wagten sie nicht aus religiöser Scheu
te-
363
und weil sie in keiner Stelle der Rigveda-Sam-
hitä vorkömmt; allein die Nasalirun g des Yocalgi,
welche sich im Rv. an manchen Stellen findet,
wo die andern Yeden sie nicht haben, in vielen
Fällen, wie wir §.11 ff. gesehen haben, arbiträr
war, und in diesem Worte fast durchweg er-
scheint, ließ sich als etwas fast in begrifflicher
Beziehung gleichgültiges auch hieher übertragen
und zwar um so eher, da auch wirkliches gram-
matisches an im Rv. II. 4. 5 in jujurvaw yö,
statt grammatischen jujurvä'n, und IX. 107,1 in
dadhanvciys; ydh, statt dadlianran, in «w überge-
gangen ist und auch ?«, iin in einigen Fällen
vor y gerade wie vor Vocalen behandelt wird
(vgl. Rv. IV. 35,7; I. 63,4; V. 42,15).
Bei dieser Gelegenheit müssen wir nochmals
zu dem schon §. 8 bemerkten Umstand zurück-
kehren, daß in der Stelle, welche Rv. I. 35,10
in der VS. entspricht, die Nasalirung vor yatu
fehlt, und die Form nur svüvä lautet. Wir ha-
ben dort anerkannt, daß die Berechtigung in
diesem svdvä ohne Nasal die ursprüngliche Form
anzuerkennen, durch die Einbuße jeder Spur des
grammatischen n in dadlianva zweifelhaft werde ;
allein es ist hinzuzufügen, daß sie eben nur zwei-
felhaft wird. Es wäre recht gut möglich, daß
uns in svävä ydtu in der VS. die ursprüngliche
Vortragsweise bewahrt wäre, in ähnlicher Weise,
wie sicherlich der Sämaveda in den in §. 12. 13.
14 angemerkten Fällen in dem Mangel des Na-
sals bei Bewahrung des Hiatus ein treuerer Spie-
gel der ursprünglichen Gestalt ist, als der Rig-
veda mit seiner Nasalirung.
§. 18.
Etwas größere Schwierigkeit bietet — jedoch
nur theilweise — das zweite der, der Ueberschrift
364
gemäß, zu besprechenden Themen, nämlich svu~
tavas. Auch für dieses nimmt der Pada-Text,
die Commentare und Pänini einen Nominativ
Sing, auf an (svdtavän) an ; allein eine Spur daß
dieser je — wie svävän aus svävant — aus ei-
nem Thema sväfavant irrigerweise abgeleitet sei,
ist nicht nachweisbar, sondern Säyana sowohl
als Mahidhara betrachten ihn gerade wie Pänini
als Nom. Sing, von svdtavas^).
Dieser Nomin. erscheint in keiner der Veda-
Samhitä's in der grammatischen Gestalt svätavän,
sondern ähnlich wie der von svävas in Formen,
welche sich daraus erklären lassen.
Zunächst in Rv. IV. 20, 6 in der Gestalt
svdtavän vor visJivd. Hier tritt uns derselbe
Fall entgegen wie in sudvä^ vor ri (§. 1) und
wir werden ihn wie diesen in §. 16, insbeson-
dere, nach den Analogien in §. 7 und 8, aus der
regelrechten Form svdtaväh. durch spurlose Ein-
buße des Visarga und Eintritt der Nasalirung
zur Vermeidung des Hiatus erklären.
§. 19.
Allein die beiden anderen Male, in denen
der Nom. von svätavas in den Veden vorkömmt,
erscheint er in der Samhitä in der That in Ge-
stalten, welche der allgemeinen Regel gemäß eine
grammatische Form auf an voraussetzen.
So erscheint zunächst Rv. IV. 2,6
svätavä\»h päyür
wo svdtavä^h vor folgendem ^j, nach Analogie
von ml'wh pafrarnRy. I. 121,1 und nrt'^i/h. pähi
Rv. VIH.' 84(73), 3 = Sv.II. 5. 1. 18. 3 = VS.
XIII. 52, in denen beidemal nri'^h phonetische
1) vgl. Fun. VII. 1,83, 80 wie Patanjali zu Pän. VII
4,48 in der Benares-Ausg. des MBhäsbya Abth. V- 132,b.
365
Umwandlung von nrVn ^) ist, ein grammatisches
svdtavän voraussetzen würde, wie vom Pada-
Text angenommen wird.
Der zweite Fall findet sich in der VS. XVII.
85, wo svätava^g ca erscheint.
Der Vers, dem diese Worte angehören, er-
scheint sonst weiter nicht und ist so unrhyth-
misch, daß die Inder zweifelhaft waren, ob er
eine Gäyatri oder Ushnih sei, so daß man auf
den Gedanken gerathen kann, daß er, wie sicher-
lich viele der VS. , insbesondere solche, welche
sonst nicht vorkommen, in einer verhältnißmäßig
späten Zeit entstanden sei, in welcher vielleicht
die Ansicht, daß svdvas und svutavas ihren Nom.
sing. msc. auf an statt «h bilden, schon gram-
matisch fixirt war. Doch will ich auf diese
Vermuthung kein Gewicht legen, da sich wohl
kaum bezweifeln läßt, daß auch in der Rv. Sam-
hitä der Nomin. von svätavas, wenn er vor ca
in ihr vorkäme, ebenfalls entweder nach der
Regel (RPr. 293) ebenso , oder nach der Aus-
nahme (RPr. 294) svdtavän ca geschrieben sein
würde.
Allein dieser beiden Fälle wegen — denn
der eine noch übrige Umstand welchen man
noch für grammatisches svdtavän geltend machen
könnte, wird sich im folgenden § als völlig un-
erheblich ergeben — eine so ganz ungewöhnliche,
völlig vereinzelt dastehende Form eines Nomin.
sing. msc. von einem Thema auf as anzunehmen,
scheint mir völlig ungerechtfertigt.
Ich glaube vielmehr nicht zu irren, wenn ich
vermuthe, daß im Rv. ursprünglich ganz richtig
svätavä\ imyi'ir gesprochen ward ; daß aber ein
Recitirer, auf dessen Autorität in letzter Instanz
unser Text dieser Stelle beruht, indem er in den
1) vgl. ßPr. 297} 298, YPr. UI. 139.
35
366
Fällen, wo svävä^ und smfavä^ vor Vocalen er-
scheint, die Nasalirung als Vertreter von gram-
matischem an betrachtete, sie auch hier eintreten
ließ; also im Wesentlichen ebenso wie vor ydtu
in §. 17.
Eben so nehme ich an, daß auch in der VS.,
wenn die erwähnte Stelle älter ist als die gram-
matische Regel, sväfaväg ca überliefert war,
daß aber einer der Ueberlieferer , auf welchem
in letzter Instanz ihre Fassung beruht, theils
in Rücksicht auf das in §. 19 zu besprechende
svätavadhhyas — welches den Sskritgesetzeu ge-
mäß auf svätavant beruhen müßte — theils in
Kenntniß der Auffassung von svdtaväw, svätavcl»h.
und svdvüM) im Rigveda-Pada, auch das ä vor g
nasalirte.
§. 20.
Den letzten Einwand, welchen man gegen
unsre Auffassung geltend machen könnte, bildet
die schon im vorigen §. erwähnte Form sväta-
vadbhyah in der VS. XXI. 16, so wie in einigen
zur vedischen Literatur gehörigen Schriften ^).
Diese würde regelmäßig im gewöhnlichen San-
skrit nur aus einem Thema auf ant gebildet
werden können. Wir kennen aber den alten
Uebergang von s ind vor momentanen tönenden
Consonanten in den analogen vedischen Formen
ushädhhis von ushds (Rv. I. 6,3 = Sv. IL C. 3.
12. 3 = VS. XXIX. 37 = TS. VII. 4.20. 1 ^
Ath. XX. 2G, 6), so wie mdäbMs von mäs (Kv.
IL 24, 5), ferner in tnadgü (von nmsj), uddhvnm
und, mit Einbuße des dy ddhvam (von ds), gädlii
1) vgl. Ptsb.Wtbch. unter sra^rt»«« ; imMBhäshya Ab«
thlg. V. p. 132, b zu Pän. VII. 4, 48 (vgl.Böhtl.) werden
auch svävadbhih. und svAtavadbhih. erwähnt, welche biB
jetzt noch nicht belegt sind-
367
für gäddhi (voiifOÄ^, nia)jä srnsniadga für indo-
germanisch masgä ^). Demgemäß ist auch svd-
tavadbhya]} die regelmäßige alte Umgestaltung
von siätavashhyah und verpflichtet auf keine
Weise zu der Annahme eines Themas svätavant
§. 21.
DasErgebniß dieser Untersuchung ist demnach:
1. Einen so ganz unglaublichen Nomin. Sing,
msc. sudvän von smvas und svätavän von svd-
tavas hat es nie gegeben.
2. Seine Annahme ist nur eine Folge der ir-
rigen AuiBfassuug der zur Hebung des Hiatus ein-
getretenen Nasalirung des auslautenden ä in sv-
ävä für swaroh, und svätavd für svdtaväh..
3. Diese Annahme fand wohl eine Unter-
stützung in der nach der alten Regel (§. 19) ge-
bildeten Form svätavadhhyah und dem bis jetzt
noch nicht belegten svavadbhih (wenn dieses
wirklich zu sudvas gehörte und nicht zu svdvant)
und svdtavadhJiih.
4. In Folge der Annahme, daß der Nom. Sing,
msc. wirklich auf grammatisches an auslautete,
wurde im Rv. svdtavdh vor p zu svdtavd^h und
in der VS. svdtavdg vor ca zu svdtavä^^^ Aende-
rungen die bei der Neigung der Inder zur Na-
salirung mit größter Leichtigkeit eintreten konn-
ten; da im Sv. und in den YS. Stellen, in wel-
chen der Rv. uasalirt, ohne Nasalirung erschei-
nen und ähnliche Differenzen auch wohl sonst
vorkamen, konnten einige Recitirer meinen, daß
sie in dem ursprünglichen svdtavdh. vorp und svd-
tavdg vor ca nur durch falsche Aussprache fehle.
1) vgl. Gott Nachrichten 1876, S. 308 ff.
368
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Verhandelingen der K. Akademie van Wetenschappen
Afdeel. Letterkunde. Deel X. Amsterdam. 1876. 4.
Afdeel. Natuurkunde. D. XVI. Ebd. 1876. 4.
Verslagen en Mededeelingen d. k. Akad. van Wetensch.
Afd. Letterkunde. 2e Reeks. D. V. 1876. Afd. Na-
tuurkunde. 2e R. D. X. 1877.
Jaarboek van de K. Akademie. 1875.
Processen-Verbaal van de gewone Verhandel. 1875—76.
Catalogus van de Boekerij d. K. Akad. D. IIL 1. 1876.
HoUandia, Carmen (Preisschrift). Amsterdam. 1876.
Mittheilungen des naturwiss. Vereins in Aussig. 1877.
Bulletin de l'Acad. R. des Sc. de Belgique. T. 43. No.
2. 1877.
Proceedings of the Dublin University biological Associa-
tion. Vol. L No. 2. 1874-75. Dublin. 1876.
Verslagen en Mededeelingen der nederlandsche botanische
Vereeniging. Twede Serie, 2e Deel, 3e Stuk. Nij-
megen. 1877.
Acta de la Academia nacional de Ciencias exactas existente
en la Universidad de Cordova. T. I. Buenos Aires.
1875. 4;
H. Burmeister, description physique de la Republique
Argentine. T. I-II. Paris. 1876.
— die fossilen Pferde der Pampasformation. Buenos
Aires. 1875.
Transactions of the R. Society of Edinburgh. Vol. XXVII.
P. 4. 1875-76. 4.
Proceedings of the R. Society of Edinburgh. Session.
1875—76.
Transactions and Proceedings of the R. Society of Vic-
toria Melbourne. 1876.
M. Nyren, Declinaisons moyennes corigees des steiles
principales pour l'epoque 1845, etc. St. Petersbourg.
1875. 4.
E. Block, Hilfstafeln zur Berechnung der Polaris-Azi-
mute etc. Ebd. 1875. 4.
(Fortsetzung folgt.)
36d
Wachriehten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
18. JuU. Mk 16. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Sitzung am 7. Juli.
Wüstenfeld, Die Uebersetzung Arabischer Werke in
das Lateinische seit dem XI. Jahrhundert. II. Abthei-
lung. (Erscheint in den Abhandlungen).
de La gar de, Armenische Studien. II. Abtheil. (Er-
scheint in den Abhandl.)
Enneper, über einige Transformationen von Flächen.
Riecke, über einen Tangenten - Multiplicator und über
die electromotorische Kraft des Grove'schen Elementes.
Quincke, Corresp., über den Randwinkel und die Aus-
breitung von Flüssigkeiten auf festen Körpern.
Hoppe, über die Pyroelectricität des Turmalins. (Vorgel.
von Riecke).
Schubert, über eine geometrische Erweiterung des
Bezont'schen Fundamentalsatzes. (Vorgel. von Stern).
Schering, Mittheilung der Abschriften mehrerer Briefe
von Gauss.
Drude, über den Bau und die systematische Stellung
der Gattung Carludovica. (Vorgel. von Grisebach).
Bemerkungen über einige Transfor-
mationen von Flächen.
Von
A. Enneper.
Entspricht jedem Puncte P einer Fläche S
ein Punct Pi einer anderen Fläche Si nach
einem bestimmten Gesetz, so möge dem Sprach-
36
370
gebrauche nach die Fläche Si die transformirte
Fläche S heißen. Man kann auch die Fläche
Si als gegeben ansehn und sich das Problem
stellen , die primitive Fläche S zu finden. Die
Lösung dieses Problems kommt auf eine Art
ümkehrung des Verfahrens hinaus, mittelst dessen
die Fläche Si sich aus der Fläche S ableiten
läßt. Genau genommen führt diese Umkehrung
auf eine neue Transformation, welche besonders
dann von Interesse ist, wenn dieselbe mit der
ursprünglichen Transformation zusammenfällt,
also die Fläche St ebenso von der Fläche S ab-
hängt, wie umgekehrt S von Si. Die Transfor-
mationen, von denen im Folgenden die Rede
ist, bilden eine Erweiterung von einigen mehr-
fach behandelten Transformationen, über welche
folgende Bemerkungen vorausgehn mögen.
Der berührenden Ebene zur Fläche S im
Puncte P entspricht in Beziehung auf eine be-
stimmte Kugelfläche K der Pol Fi , welcher
einer Fläche Si angehört, die, nach dem Vor-
gange von Poncelet, die reciproJce Polarfläche
der Fläche S in Beziehung auf die Kugelfläche
K genannt wird. Es ist dann bekanntlich um-
gekehrt auch /$ die reciproke Polarfläche von
Si. Im Vorstehenden ist der einfachste Fall
der reciproken Polarflächen erwähnt, wenn statt
der allgemeinen Fläche zweiten Grades die Ku-
gelfläche K zur Basis der Transformation ge-
nommen wird.
Fällt man von einem festen Puncte 0 auf
die berührende Ebene zur Fläche S im Puncte
P das Perpendikel OPi , so ist der Ort des
Punctes Pi die Fußpundßäche Si der Fläche
S in Beziehung auf den Puncfc 0. Sieht mau
die Fußpunctfläche als gegeben an, so führt die
Bestimmung der primitiveu Fläche S auf eine
371
Enveloppe. Es handelt sich dabei darnm, die
Enveloppe aller Ebenen zu finden, welche senk-
recht stehn auf den Radienvectoren der Puncte
einer Eläche in diesen betreffenden Puueten.
Auf die Fläche Ä läßt sich dasselbe Verfahren
wie auf die Fläche S anwenden , also die Fnß-
punctfläche der Fußpuuctfläche bestimmen.
Man kann in dieser Richtung sowohl weiter
gehn, wie bei dem oben bemerkten inversen
Problem der Enveloppen.
Beide Untersuchungen finden sich weitläufi-
ger durchgeführt bei Uirst: Sur la courbure
d'une Serie de surfaces et de lignes. (Annali di
Matematica. Tomo IL Anno 1859 p. 95 — 112
u. 138 — 167). Ohne hier sämmtliche Arbeiten
über diesen Gegenstand aufzählen zu wollen,
möge noch der Abhandlung erwähnt werden
Caylcy : Sur la surface qui est Venvdoppe des
plans coiidwits par les points d'un elUpsaide
perpendictdairement aux rayons menes par le
centre (Annali di M. T. IL A 1859 p. 168—179).
Die beiden bemerkten Transformationen las-
sen sich Dach einander anwenden. Die Fuß-
punctfläche der reciproken Polarfläche iuvolvirt
eine neue Transformation , welche nach Liauville
die Transformation durch reciproke Radien-
vectoren genannt wird. Diese Transformation
ist in analytischer und geometrischer Hinsicht
sehr bemerkenswerth. Die entsprechenden Puncte
P und Pi zweier Flächen S und Si liegen in
Beziehung auf einen festen Pnnct 0 auf der-
selben Geraden , so daß das Product OP. OPt
der beiden Radienvectoren constant ist. In Be-
ziehung auf die erste Darstellung dieser Trans-
formation scheint noch einige Unklarheit vorzu-
walten. Im Journal de Mathematiques findet
mau derselben in mehreren Briefen von W,
36*
372
Tliomson au Liouvüle erwähnt. (T. X. Annee
1845 p. 364, T. XII A. 1847 p. 265). Hierzu
hat Liouvüle (1. c. T. XII. p. 265—290, die
oben erwähnte Bezeichnung auf p. 276) eine
Reihe sehr scharfsinniger und geistreicher Be-
merkungen gemacht, in. Folge deren wahrschein-
lich die in Rede stehende Transformation Thom-
son zugeschrieben wird. In der oben erwähnten
Abhandlung weist Hirst schon auf einen Auf-
satz von Stuhhs hin, welcher sich 1843 im Pid-
losopMcal Magazine Vol. XXIII p. 338—347
n. d. T. „On the application of a new Method to
tJie Geometry of Curves and Curve Surfaces^' ab-
gedruckt findet. Es ist dort die kürzere Bezeich-
nung inverse Fläche für die Fläche Si gegeben
statt der gebräuchlich gewordenen Benennung
von Liouvüle.
Die drei bemerkten Transformationen lassen
sich unter einander zur Herstellung neuer Trans-
formationen verbinden, worüber der Verfasser
schon vor längerer Zeit (Zeitschrift für Mathe-
matik .1864, T. IX. p. 126—131) einige kurze
Mittheilungen gemacht hatte.
In einer neueren Arbeit: „Memoire sur une
transformatiou gemetrique et sur la surface des
ondes" (Memoire de l'Academie de Belgique T.
XXXVIII Bruxelles 1871, auch Bulletins de
l'Academie de B. Trente - Euitieme Annee. —
2. Serie T. XXVH p. 129-142) hat Catalan
folgende Transformation betrachtet und zum
Gegenstand einer größeren Abhandlung gemacht.
Durch einen festen Punct 0 und die Normale
des Punctes P einer Fläche S sei eine Ebene
gelegt. In dieser Ebene ziehe man senkrecht
zu OP die Gerade OPi, so daß 01\ = OP; der
Punct Pi bestimmt dann eine Fläche ä, d. i.
die trausformirte Fläche ß.
373
Die sämmtlichen angeführten Transforma-
tionen und ihre Combiuationeu unter einander
haben eine bemerkenswerthe Eigenschaft, welche
im Folgenden als Definition dienen soll. Es
ergeben sich dann nicht mehr einzelne, isolirte
Transformationen sondern eine unendliche Menge
in Folge arbiträrer Functionen, welche in den
analytischen Ausdrücken auftreten. Es soll fol-
gende Definition zu Grunde gelegt werden:
Die correspondirenden Puncte P und P\
zweier I Jachen S und Si sollen sich in Be-
ziehung auf einen festen Puncf 0 so entspredien:
Die Ebene durch die Puncte 0, P und P\
enthalte die ISormalen zu den Flächen S und
Si in den respectiven Puncten P und P\.
Diese Definition enthält eine fundamentale
Eigenschaft, welche sich leicht bei den bemerk-
ten Transformationen nachweisen lässt.
Für die analytische Darstellung der vorhin
definirten Transformation mögen folgende Be-
zeichnungen eingeführt werden. Es seien Xq^
tfQ, Zq die Coordinaten von 0, x, y, z diejenigen
von P, endlich sei Pi durch die Coordinaten
^u Vxi ^i bestimmt. Die Normale im Puncte
P zur Fläche S bilde mit den Coordinatenaxen
die Winkel ?, 17, C; die Richtung der Normale im
Puncte Pi zur Fläche Si sei analog durch die
Winkel |i, iji, Ci gegeben. Man setze ferner
1) (a;— a;o)cos| + {y~yo)cost] -f (^-—^ jcos^=i>j.
3) Yr'^—p-^ = A.
(^i-^o)cos|i-f-(«/i-yo)cos^i4-(Ä,-^o)co8Ci=i),.
4)|(^i-^o)M-(2/i-2'o)"'4-(^i-^o)^ = ^2.
yr.^-p,'^ = Ai.
374
"Es ist dann p die Länge des Perpendikels,
gefällt vom festen Puncte 0 auf die berührende
Ebene zur Fläche S im Puncte P, ferner ist r
der Radiusvector OP. Aehnliche Bedeutungen
haben ^i und n.
Man kann, abgesehn von einigen Ausnahme-
fällen, X, y und ^ als Functionen von p und r
ansehn, also auch rCj, y^ und,^i. Die Ausnahme-
fälle, welche bei der folgenden Darstellung nicht
mit in Betracht gezogen sind, reduciren sich
auf nachstehende drei Annahmen.
I. r constant. Dieser Annahme entspricht
eine Kugelfläehe, welche 0 zum Mittelpunct hat.
II. p constant. Neben einer Kugelfläche
um den Punct 0 als Mittelpunct enthält diese
Annahme developpabele Flächen. Außer der
Ebene selbst entspricht einem constanten p die
Tangentenfläche der kürzesten Linie einer belie-
bigen Kegelfläche. Der Punct 0 ist dann die
Spitze der Kegelfläche.
III. Die Quantitäten r und p sind gegensei-
tig von einander abhängig. Es ergeben sich
die Flächen mit einem Systeme planer Krüm-
mungslinien, für welche die Ebenen dieser Curven
die Normalen zur Fläche enthalten und durch
eine feste Gerade gehn.
In Folge der oben aufgestellten Definition
finden die Gleichungen statt:
cos 5 cos rj cos C
x—Xf, y—yQ s—Zq
:0,
cos$, cos 17, cosf,
Xx—x^y^-y^e^—ss^
x-Xq y—y^ e—e^
=0
Sind M^ iV, M^ und iV| Unbestimmte, so
lassen sich diese Gleichungen durch die folgen-
den ersetzen:
375
'^1 — ^0 = -3fcos5 4- N(x—Xq),
^i — Sq = McoaC + N(z—Zq).
Ucoäl^^ = M^coa^ -\- Ni{x — Xq)
6) Ihcosi}^ = M^cos^ + i^, (y— y„)
ifcosfi = JifiCOsC + iV^i (^ Sq)'
wo:
7) H^ = Mi^ + 2pM^Ny -\- r^N^^.
Da der Punct P einer Fläche S angehört,
so ist allgemein:
8) cos^dx + cosiyrfy + cosCrf^ = 0.
Analog findet für die Fläche Sy die totale
Differentialgleichung statt :
9) cos^idXi -j- co9^^dy^ -\- cosCj^^js^i = 0.
Mit Rücksicht auf die Gleichung 8) geben
die Gleichungen 1) und 2):
i[x-Xf^]dcos^-^(y-'yQ)dco8i}-{-(2-2„)dcos^=dp,
[x~Xo) dx + {y—rio) dy + {s—Zq) dz = rdr.
Substituirt man in 9) für xu cos$i etc.
die Werthe aus 5) und 6), so geht diese Glei-
chung nach 1), 2), 8) und 10) in folgende über:
11) {M^^pN,)dM + i^M^ H- r^N^)dN
+ N^iMdp + Nrdr) = 0.
Diese Gleichung ist allgemein, wie auch x,y
B76
und z als Functionen zweier Variabein definirt
werden.
Man sehe nun in den Gleichungen 5) x, y
und z, also auch M und iV, als Functionen
von p und r an.
Unter dieser Voraussetzung ist in 11):
^,^ dM^ , dM ^ ^^^ dN , . dN ^
dM = -r~ dp 4- -T-dr, dN =: -t-(^P 4- -7- dr.
dp dr dp dr
Da p und r von einander unabhängig sind,
so zerfällt die Gleichung 11) in zwei Gleichun-
gen, indem die Factoren von dp und dr einzeln
verschwinden müssen. Man erhält so:
12)
,^ ßM , dN\ , ^^ / dM , dN , \
^^ idM , dN\ , ^, / dM , dN , ,,\
Durch Elimination von J/j und Ni folgt:
13)
dM , dN dM , dN , ,^
W^^dp ^dj-^'^d^-^^
dM , dN dM , dN , ..,
dr dr dr dr
= 0.
Es sind also M und N durch die partielle
Differentialgleichung 13) mit einander verbun-
den. Das Verhältuiß von il/, zu iVj — wel-
ches in den Gleichaugen 6) vorkommt — ist
durch eine der Gleichungen 12) gegeben.
Die Gleichungen 12) lassen sich auch auf
folgende Art schreiben;
14)
377
IdM pM \ ,
Die Gleichungen 12) oder 14) geben zu eini-
gen Annahmen Veranlassung , welche , sowohl
wegen ihrer Allgemeinheit, wie relativen Ein-
fachheit einer weiteren Ausführung nicht unwerth
erscheinen.
Die beiden Gleichungen 12) reduciren sich
auf eine Gleichung, wenn die Factoren von M^
und iVj in einer der bemerkten Gleichungen
gleichzeitig verschwinden. Man gelangt genau
zu demselben Resultate, wenn in einer der Glei-
chungen 14) die Factoren von Mi -\- 2)Ni und
pMi -f" ^■■^'^i annullirt werden. Je nachdem
die erste oder zweite Gleichung 12) auf diese
Art identisch wird, findet man, daß rj nur von
r oder nur von p abhängig ist,
Setzt man in den Gleichungen 12) A^j = 0
oder auch in den Gleichungen 14) Mi -\- p 2^i
= 0, 80 zeigt die Ausfuhrung der Rech-
nung, daß in beiden Fällen ^j nur von p ab-
hängig ist.
Nimmt man in den Gleichungen 12) Mi = 0
oder auch in den Gleichungen 14) pMi -{- r^ Ni
= 0, so ist in beiden Fällen p^^ nur von r ab-
hängig.
Man kann nun weiter gehn und die gefun-
denen Resultate dadurch zu verallgemeineren su-
378
clien, daß man r, oder ^j der Bedingung un-
terwirft nur von r oder nur von p abzuhängen.
Hierbei zeichnen sich zwei Fälle durch beson-
dere Einfachheit aus, wenn nämlich i\ nur von
y, oder p^ nur von p abhängt. In beiden Fäl-
len kehrt die Transformation durch Umkehrung
in sich zurück, oder mit anderen Worten, die
Fläche /Sj hängt auf dieselbe Art von der Fläche
S ab, wie umgekehrt die Fläche S von der
Fläche /Si.
Erster Fall,
n nur von r abhängig.
Mit Rücksicht auf die Bedeutung von /•, aus
der zweiten Gleichung 4) geben die Gleichun-
gen 5)
15) n^ = Jf2_|_2^iifiv^_j_y2jV2 =
Da nun n von p unabhängig ist, so folgt
durch Differentiation nach ^:
-„. ^,,dM , dN dM . .dN
Diese Gleichung in Verbindung mit der ersten
Gleichung 12) giebt :
^ M W
Findet aber diese Gleichung statt, so zeigt
die zweite Gleichung 12), daß
379
von r unabhängig ist. In 15) ist dann auch
n von r unabhängig, also constant. Die trans-
formirte Fläche ist eine Kugelfläche, ein ziem-
lich evidentes Resultat. Es entspricht dann
einem Puncte P einer Fläche S ein beliebiger
Punct eines Kreises , welcher der Durchschnitt
ist einer Kugelfläche um den Punct 0 mit der
Ebene, welche den Radiusvector 0 P und die
Normale in P zur Fläche S enthält. Man er-
hält ebenso für S^ eine Kugelfläche , wenn in
17) 3/ = 0, M^ = 0 oder N = 0, N^ =
0 ist.
Soll die Gleichung 17) nicht stattfinden, so
können nur die Gleichungen 16) und 12) be-
stehn für :
dM , dN dM , ^dN , ^ ^
dp ^ ^ dp ^ dp dp
oder was dasselbe ist:
(Of _ ^M_ ^ d_N M ^ Q
dp r^ — p^ ' dp r* — p^
Sind V (»■) ^^^ V'i (^) beliebige Functionen
von r, so geben die vorstehenden Gleichungen,
J = \/r^—pi
gesetzt :
18) M = "^^'W, N = -Pl'C} + ^'■).
J rJ ^ r
Diese Werthe von M und N entsprechen
380
dem allgemeinsten Falle, daß r, nur von r ab-
hängig sein soll. Die zweite Gleichung 12) wird
wegen der Gleichungen 18).
19)
Von den Gleichungen 5) und 6) genügt es
immer nur je eine derselben auszuführen.
Den Werthen von M und N aus 18) ent-
sprechend findet man;
20) ..-.„ ='-mos|+[-?Ml)+^](,..„).
21) ffcos?, = [rtp'(r) + ^-^^''^JoosS
wo:
22) ff.=[^,-,M_??^(^)] VkM+^-^f-^]^
Elimiuirt man cos | zwischen den beiden
Gleichungen 20) und 21), so erhält man für
x—X(^ folgende Gleichung:
23) (x~x^)\tpir)ipXr) -f ^r{r)tp\{r)] =
381
Aus der Gleichung 20) und zwei analogen
Gleichungen erhält man:
24) r,^ = rpiry + tp^ir^.
25) (a;i-a;o)(x-jro)4-(yi-2/o)(2/-2/p)+(^i-'2^o)(<2^-'8^o)-
= rtp{r).
Die Gleichungen 24) und 25) zeigen, daß
der Winkel, welchen die Radienvectoren OP und
OPi zweier entsprechenden Puncte der Flächen
S und Si einschließen, nur von r abhängig ist.
Unter Zugrundelegung der Gleichungen 20)
und 21) erhält man für ^^i, definirt durch die
erste Gleichung 4):
26) p,H= fiyj(r)^ + t//,(r)2]
Von dem Produkte der Gleichungen 22) und
24) das Quadrat der Gleichung 26) abgezogen
giebt:
(HJ.y = \tp{r)xp\r) + VJ,{r)ip\{r)YJ'^.
Da die Vorzeichen von J und J^ beliebig
sind, so giebt die vorstehende Gleichung:
27>) E =: V^(>-)V^^(0 + tPiir)tp\{r)
^ J ^, •
Die Gleichung 26) werde durch z/ dividirt,
dann aus 27) der Werth von H substituirt, zur
Bestimmung von ^) in Function von p^ und r
ergiebt sich die Gleichung:
382
28)
Aus 27) und 28) werden die Werthe von
H p
-— - und -— in die Gleichung 23) substituirt,
J d
wodurch die bemerkte Gleichung, mit Rücksicht
auf 24), folgende einfachere Form annimmt:
29)
Nach 24) ist umgekehrt r Function von r,.
Setzt man in der Gleichung 29) r\p^{r) = —
t\ifi{r^) und rxpir) = i\(p(r^), so zeigen die
Gleichungen 20) und 29), daß die Coordiuaten
des Punctes P, von denen des Punctes P ebenso
abhängen, wie umgekehrt, die Coordinaten des
Punctes P von denjenigen des Punctes P, .
Der Annahme ipi{r) = 0 und tp(r) = k^,
wo k eine Coustante ist, entspricht die Trans-
formation durch reciproke Radienredoren. Setzt
man in 20) ip{r) = 0 und tpi(r) = r, so er-
hält man die oben erwähnte von Catalan gege-
bene Transformation.
Zweiter Fall.
p^ nur von p abhängig.
Die Gleichungen 5) und 6) geben:
383
p,H = M^{M -{- pN) -f N,{2^M + r^N).
Bildet man das Quadrat dieser Gleichung,
setzt aus 7) den Werth von E'^ ein, so folgt :
qo^ «,2 _ [^^ (M^pN) + N,ipM-}- r^N)]^
^"^ ^ - {M,+ pN,y + {r^-p'')N,^
Aus der zweiten Gleichung 12) setze man
das Verhältuiß der Werthe von Mi und iVj in
die Gleichung 30).
Nimmt man wieder
J = l/'r'^—p'^,
so läßt sich die Gleichung 30) auf folgende be-
imerkenswerthe Form bringen :
Hängt nun Pi nur von ^) ab, so ist das In-
tegral der vorstehenden Diöerentialgleichung:
132) {M-^pN)cosw -f ^iVsinic = p^,
,wo der Winkel tv nur von 2) abhängig ist. Zur
Vereinfachung der Rechnung setze man:
— (M-\-pN)simv -\- JNcosw z=: t.
Diese Gleichung in Verbindung mit 32) giebt :
\M -|- pl^ = PiCostü — tünic^
\ JN = 2? j sin u; -f" ^ cos w.
384
Zwischen M und N findet die Gleichung 13)
statt, welche in Folge der Relationen 32) über-
geht in :
«*) l-Hf-0 + -t>] = »-
Es kann natürlich nicht -— = 0 sein, sonst
ab-
wären in den Gleichungen 33) die rechten Sei-
ten nur von p abhängig, also auch M -\- pN und
JN^ was nach 31) nicht stattfinden soll. Die
Gleichung 33) giebt also:
3^) V + ^dp]
dp) dp"*
durch welche Gleichung t bestimmt ist. In
Folge der Gleichungen 33) und 35) leitet mau
aus den Gleichungen 5), 6) und 12) die folgen-
den ab:
od) 3/ u 3/q —
r / »sint<;\ jöcos«ü-4-^/sinM;(?ü.1
, r», sinw; , coaw dpi"], .
37) cos^i =
(»sinM;\ ^ , sinto,
cosm; — ■^--— — Icos § -| — ^ {x — .r„).
385
Aus der Gleichung 37) und zwei analogen
Gleichungen folgt:
cos5cos$, + cosiycosiy, -j-cosCcosC, = cosw.
Der Winkel , welchen die Normalen zu den
Flächen S und >S, in den correspondirenden
Puncten P und P, einschließen, ist nur von p
abhängig.
Als besondere Fälle sind folgende zu bemer-
ken. Für w = 0 sind die Normalen in zwei
correspondirenden Puncten parallel. Dem be-
sonderen Fall p, = — entspricht die reciprohe
P
Polarßäche der Fußpunctfläche einer gegebenen
Fläche S.
Für cos IV = 0 stehn die Normalen in zwei
correspondirenden Puncten auf einander senkrecht.
Nimmt man p^ = p, so ist auch r^ = r,
es ergiebt sich wieder die von Catalan unter-
suchte Transformation.
Aus der Gleichung 36) und zwei ähnlichen
findet man:
dp
Da J und /j^ beliebige Vorzeichen haben,
so kann man setzen :
38) ..(l + .J)+4' = 0,
oder auch:
37
386
39) 4 + -.!) + -. 1 = 0-
Es läßt sich mit Hülfe dieser Gleichung, auf
gleiche Art wie in der zuerst behandelten Trans-
formation darthun, daß die Flächen S und S^
auch in Beziehung auf diesen zweiten Fall, in
einem reciproken Verhältniß zu einander stehn.
Die Transformation kehrt durch ümkehrung in
sich zurück.
Da der Nachweiß hiervon sich nur auf die
Elimination von cos § zwischen den Gleichungen
36) und 37) reducirt, nebst Einführung des Wer-
thes von ^^ statt J mittelst der Gleichung 39),
so möge eine weitere Anführung der entspre-
chenden Formeln hier unterbleiben.
Dritter Fall.
r^ nur von p abhängig.
Da nach 5) :
n^ = Jf 2 -f 2pMN + r2i^2,
so folgt, wenn r^ von r unabhängig ist, durch
Differentiation nach r :
Diese Gleichung giebt zu einer ganz ähnli-
chen Betrachtung Veranlassung wie die Glei-
chung 16) des ersten Falls. Mit der zweiten
Gleichung 12) combiuirt führt die Gleichung
40) wieder auf die Gleichung 17). Sieht man
hiervon ab, so ergiebt sich als allgemeine Lö-
sung das gleichzeitige Verschwinden der Facto-
387
ren von M^ und iV^, in der zweiten Gleichung
12), wodurcli dann natürlich auch die Gleichung
40) identisch wird.
Setzt man also:
dM dN ^ dM , dN , „ ^
dr ^ ^dr ' ^ dr ^ dr ^
und wieder J = j/r^— ;;2^ so geben die vor-
stehenden Gleichungen :
wo (f(jp) und (pi{p) beliebige Fanctionen von p
sind. Mittelst der vorstehenden Werthe von M
und N erhält mau aus den Gleichungen 5), 6)
und 12):
41) ..-o=['^^-Vy(p)]cos?+^-f^^^^^
42) £rcos§, = -[<p^ip)-^^^{x-Xo)
wo:
43) m = [^(p\ip)-h<f(P)y-\-[^<PiP)-cp,ipW-
Die Annahme (f i{p) == 0 und (p(p) = p
giebt die Fuß punct fläche von /S; für (fi{p) = 0
und (p{jß) = — , wo h eine Constante bedeutet
37*
388
erhält man die reci'proke Polarfläclie der primi-
tiven Fläche S.
Die Gleichungen 41) und 42) geben:
44) r,2 ^ ^(p-)2 ^ (p{py.
45) p,H=g>(p)'^+q>,{py.j-[(p(p)(p\{p)-<p , {pMp)]J,
Eliminirt man cos? zwischen den Gleichun-
gen 41) und 42), so kann man umgekehrt x — x,,
durch a?! — Xq, cos?,, p^ und r, ausdrücken, d.h.
zu der gegebenen Fläche Si die primitive Flä-
che S suchen.
Man hat es hier mit keiner Transformation
zu thun , die in sich zurückkehrt , sondern mit
einer neuen Transformation. Die auszuführen-
den Rechnungen sind ziemlich weitläufig ^ die
erhaltenen Resultate sind von complicirten For-
men, so daß es angemessen erscheint, kurz ein
Verfahren anzudeuten , welches die bemerkten
Uebelstände umgeht. Dieses ist wohl um so
mehr von Nutzen, als sich auf diesem Wege die
Integration einer Differentialgleichung ergiebt,
die sich bei einer anderen Behandlung des Pro-
blems darbietet.
Nach 44) ist umgekehrt p von ^j abhängig.
Sind 6*1 und i2j Functionen von }\, so kann
man nach 44) setzen:
46) (f(p) = riCos6i, (py(p) = r^sinOi, p = i>',.
Setzt mau zur Vereinfachung:
80 geben die Gleichungen 46) nach y^, differen-
tiirt :
389
^ (y'i(P)i2'i = sin ^^-\-r^cose^e\.
Zwischen den Gleichungen 43) und 45) werde
H eliminirt. Mit Rücksicht auf 46) und 47)
ergiebt sich für z/ eine quadratische Gleichung.
Beide Wurzeln lassen sich darstellen durch :
48) J= "»^*^'*
wo wieder zi, 2 __ y^2__p^a jgt. Die Gleichung
45) wird nach 46), 47) und 48):
r *
49) H = '
Wird nun cos? zwischen den Gleichungen
41) und 42) eliminirt, so folgt, unter Zuziehung
der Gleichungen 46)— 49):
50) x—Xo = M^cos^i + JVj (a;i— a^o),
wo zur Abkürzung steht:
51) .A^, = ^Jl(cosö,-^^-^^»\
Diese beiden Gleichungen geben :
390
Ä (Vi cosö, + J, smO,)-\-N^ r,2 cos 6,=
Vierter Fall.
Pi nur von r abhängig.
Dieser Fall kommt auf die ümkehrung des-
dritten Falls hinaus. Mit etwas veränderter Be-
zeichnung enthalten die Gleichungen 50) und
51) die Formeln, welche diesem Falle entspre-
chen. Für eine directe Behandlung sind nur
wenige Bemerkungen beizufügen.
Die Gleichungen 5) und 6) geben:
p^H = M,{M-{-pN)-{- N^ (pM + r2 N).
Man bilde das Quadrat dieser Gleichung, di-
vidire durch:
m = M^'^ -\- 2pM^Ni -f r2j\r^2.
Hierauf substituire man aus der ersten Glei-
chung 12) das Verhältniß von JHf ^ zu N^. Zwi-
schen M und N ergiebt sich dann folgende Dif-
ferentialgleichung :
53) p,^ =
[i^r^-p2^{M^£-N^-^) + M{M + pN)l^
Setzt man wieder J^ =r. r"^ — p^^ jg^ nun p.
nur von r abhängig, so giebt die Gleichung 52)
als Integral der vorstehenden Differentialgleichung^
391
54) M{p cos 0 + ^/sinÖ) + Nr^ cosß = p^r,
wo 6 nur von r abhängig ist.
Um 31 und N zu bestimmen, nehme man
zur Gleichung 54) die folgende , in welcher t
eine zu bestimmende Größe bedeutet :
55) Mr cos 6 -\- Nr. {p cos 6 — //sind) = t.
Aus 54) und 55) setze man die Werthe von
M und N in die Gleichung 13). Die linke Seite
zerfällt dann in das Product zweier Factoren.
Der eine Factor
1 di pt rpi
r dp '^ r^- ~ ^
muß von Null verschieden sein , wenn nicht
gleichzeitig
dM ^ dN ^ d(pM-^r^N)
— - + p — und — ^^- — — '
dp dp dp
verschwinden sollen. Es kann also nur der zweite
Factor verschwinden, wodurch sich für t folgen-
der Werth ergiebt:
56) t ^ PPi
de
p-^rJ-=-
dr
Für die Gleichungen 54) und 55) geht die
erste Gleichung 12) über in:
57) M^ {J cosd—p sin 6) = N^ r^ sin 6.
392
Die Werthe vou x^ — x^ und cos ^j, der
Gleichungen 5) und 6) nehmen wegen der
Gleichungen 54), 55) und 57) folgende For-
men an:
2/j -~" Xq — ^70 COS s
58)
+ \Pi rcos6 — t
pcosO -\- J sin 61 X — Xr
X——X
<i^cos|i = rsinöcos5+ (-^/cosö— ^sinö) ^
In der ersten der vorstehenden Gleichungen
ist der Werth von t aus 56) einzusetzen.
Nimmt man in 58) ö = 0 und p^ = r, so
ist die Fläche Sy die transformirte Fußpunct-
fläche der primitiven Fläche S durch reciproke
Badienvectoren.
Um dieser Note keine zu große Ausdehnung
zu geben, sollen im Folgenden noch einige Re-
sultate ohne Beweis mitgetheilt werden, zu denen
die vorhergehenden Entwicklungen Veranlassuuo-
geben.
Die zu Anfang genannten Transformationen,
nämlich : Die reciprohe Polarfläche , die Fuß-
punctfläche, die Transformation durch recip^'olc
Madienvcctoren und die Combinationen dieser
Transformationen, haben sämmtlich die Eigen-
schaft gemein, daß der Winkel, welchen der Ra-
diusvector OP mit der Normalen im Functe P
zur Fläche S bildet, gleich dem Winkel ist, wel-
chen der Radiusvector OP, mit der Normalen
im Puncte P, zur Fläche S^ einschließt. Diese
39a
Eigenschaft hat auch die vou Catulan betrachtete
Transformation.
Nach den in 1), 2) und 4) gebrauchten Be-
zeichnungen wird die bemerkte Eigenschaft durch:
59)
r r
ausgedrückt. Mittelst der Gleichungen 5) und
6) soll die folgende Transformation bestimmt
werden.
Die correspondirendeii Pun<ie P und P, zweier
Flüchen S und /S, entsprechen sich in Bezie-
hung auf einen festen Punct 0 auf folgende
Art:
Die Radienvectoren OP und OPy liegen mit
den Normalen der Flächen S und >§, in den
Puncten P und P^ in einer Ebene, die Win-
Jcel, icelche die Radienvectoren mit den ent-
sprecJienden iSommlen bilden, sind einander
gleich, oder ihre Summe ist gleich zicei Rechten.
Mittelst der Gleichungen 5) und 6) giebt
die Gleichung 59) zu folgenden Fällen Veran-
lassung.
l. M = 0 und iV, = 0. Dann ist N con-
stant, man findet:
wo keine Constante bedeutet.
IL üf^O und 2p M, +r2i\\ = 0. Die-
sen Annahmen entspricht die Transformation
durch recijjroke Radienvectoren.
III. M-^2p N = Ound iYj = 0. Diese
394
Gleichungen bestimmen die reciproke Polarßäch/'
der FußpunJctfläcJie der primitiven Fläche S-
IV. M-\-2pN = 0 und
2 p Ml = {r^—4.f)N. _
Diesen Gleichungen entspricht die Anwen-
dung der Transformation durch reciproke Radien-
vectoren auf die in die III enthaltene Trans-
formation.
60) V. M,{M~{-2pN)-\-NiNr^ = 0.
Man setze aus dieser Gleichung das Verhält-
niß von Mi zu JV^ in die beiden Gleichungen
12). Die erste der so erhaltenen Gleichungen
differentiire man nach r, die zweite nach j) und
bilde die Differenz dieser Gleichungen. Man
setze ferner in diese Differenz die Werthe von
dM , dM
- — und -^r-
dp dr
welche sich durch die bemerkte Substitution von
Jfj und Ni aus der Gleichung 60) in die Glei-
chungen 12) ergeben. Man findet dann;
Mit Hülfe dieser Gleichung erhält mau weiter
dM , dM , .^ .
Sind (p und t/J beliebige Functionen ihres
Arguments, so geben die Gleichungen 61) und 62)
395
63) M=V,('i),.V=i^Ci).
Man setze zur Vereinfachung
64) ^ = t
' r
und lasse bei den Functionen (f und \p, so wie
deren Derivirteu , das Argumeut weg. Da die
Werthe von M und N der Gleichung 13) genü-
gen müssen, so besteht zwischen den Functionen
<p und tp die Relation:
65) [(fJ^2t\p)[(p-\-tq>'-\-ip') = yj(g>'-\-t V')-
VI. 66) M,M-\-N^ (>•* N-\-2pM) = 0.
Verfährt man mit der Gleichung 66) auf
ähnliche Art wie mit der Gleichung 60), so er-
hält man analog wie die Gleichungen 61) und
62) die folgenden:
dN ,
PTp+'
dN
0,
dM
Pdp+'
dM
' dr ~
M.
Es ist also:
67) M = p<p (§), N = rp^
Hat wieder f dieselbe Bedeutung wie in 64),
396
so besteht zwischen den Functionen ip und xfj
die Relation;
Q^)t{(p' + tp'){n^(p-^x{j) = (p[t(t^(p'-{-ip')~ip].
Den Werthen t/; = 0, ^ = 1 entspricht
die Fußpunctfläche, für
1 -t
(p = , , -, tp =
erhält man die von Catalan behandelte Trans-
formation.
Die Gleichung 66) geometrisch interpretirt
drückt aus, daß
die Pimcte 0, P, P^ mit dem Schnittpunde der
Normalen zu den Flächen S und Si in P
und Pj auf dem Umfange eines Kreises liegen.
Sollen umgekehrt die bemerkten Puncte auf
dem Umfange eines Kreises liegen, so findet die
Gleichung 64) statt.
Ueber den Randwinkel und die Ausbrei-
tung von Flüssigkeiten auf festen
Körpern.
Von
G. duincke,
correspondirendem Mitgliede.
Bei der Fortsetzung meiner Untersuchungen
über die Capillaritätserscheinungen an der ge-
meinschaftlichen Oberfläche 2er Flüssigkeiten
(Gott. Nachr. 17. 10. 1869) und die Cohäsion
von Salzlösungen (Pogg. Ann. 160. p. 337 — 374,
560—588. 1877) bin ich dazu geführt worden
auch die Beziehungen zwischen Flüssigkeiten
397
und festen Körpern näher zu untersuchen. Es
haben sich dabei folgende Resultate ergeben:
Die schon läuger bekannten Eigenschaften
der gemeinschaftlichen Grenzfläche 2er Flüssig-
keiten lassen sich auf die gemeinschaftliche Grenze
einer Flüssigkeit und eines festen Körpers über-
tragen.
Die gemeinschaftliche Oberfläche eines festen
Körpers 1 und einer Flüssigkeit 2 hat das Be-
streben möglichst klein zu werden, oder es herrscht
in ihr, wie man auch sagen kann, eine bestimmte
von der geometrischen Gestalt der Oberfläche
unabhängige und nur durch die Natur der beiden
Substanzen 1 und 2 bestimmte Oberflächenspan-
nung a,2-
Die Größe des Randwinkels eines festen Kör-
pers 1 und einer Flüssigkeit 2, die beide von
einer Flüssigkeit 3 begrenzt sind, ist nur durch
die Natur der 3 Substanzen bestimmt uud von
der geometrischen Gestalt der Oberfläche unab-
hängig.
Der von Thomas Young herrührende Haupt-
satz der Capillaritätstheorie über die Constanz
des Randwinkels der freien Oberfläche eines festen
Körpers und einer Flüssigkeit ist ein besonderer
Fall des eben ausgesprochenen Satzes, wenn die
Flüssigkeit 3 aus Luft besteht.
Der Randwinkel kann indirect aus der Ge-
stalt flacher Tropfen und Blasen abgeleitet oder
mit reflectirtem Licht direct gemessen werden.
Der Randwinkel der freien Oberfläche ver-
schiedener Flüssigkeiten , ^vie Wasser , Alkohol,
n. 8. w. und wässeriger oder alkoholischer Salz-
losungen gegen reine Glas- Krystall- oder Me-
tall-Flächen scheint 0° zu sein. Die Flüssig-
keiten breiten sich auf der reinen festen Ober-
fläche aus.
398
Hat der Randwinkel, wie gewöhnlich, größere
Werthe , so ist die feste Oberfläche mit einer
(unmerklich) dünnen Schicht fremder Substanz
überzogen, mit deren Dicke sich der Randwinkel
ändert.
Die Dicke dieser dünnen Schicht darf jedoch
einen bestimmten Maximal werth D nicht über-
steigen, der ebenso groß oder größer, wie der
Radius der Wirkungssphäre derMolecularkräfteist.
Diese dünne an der Oberfläche des festen
Körpers adhärirende Schicht kann aus fester,
flüssiger oder gasförmiger Substanz bestehen.
Sie kann auch aus der aufgebrachten Flüs-
sigkeit selbst bestehen, und lässt sich außer durch
den Randwinkel auch durch das sogenannte
Kriechen der Salze oder die Elektricitätsleitung
an der Oberfläche des festen Körpers, in einzel-
nen Fällen auch durch die Interferenzfarbe des
von ihr reflectirten Lichtes nachweisen.
Die unmerklich dünnen Schichten derselben
Flüssigkeit haben je nach der Dauer und der
Art ihrer Entstehung, oder je nach der Natur
des festen Körpers , an dem sie adhärireu , ver-
schiedene Eigenschaften. Schnell entstandene
Wassertropfen breiten sich z. B. auf frisch ge-
reinigten Glasflächen leichter aus, als langsam
entstandene.
Diese unmerklich dünnen Schichten fremder
Substanz scheinen auch den Grund für die Ab-
weichungen von Theorie und Erfahrung bei der
Bestimmung der Oberflächenspannung an der
gemeinsamen Grenze von Flüssigkeiten und fe-
sten Körpern abzugeben.
Ist der Randwinkel 0° oder unmöglich, so
erfolgt eine Ausbreitung der Flüssigkeit an der
Oberfläche des festen Körpers.
Bei Flüssigkeiten, die in jedem Verhältniß
399
mischbar sind, verdrängt die Flüssigkeit mit
leinerer Oberflächenspannung a^^ die mit grö-
ßerer Oberflächenspannung «,2- Diese Oberflä-
jhenspannung und die möglicher Weise eintre-
ende Verdrängung ändern sich aber mit der
l^atur der festen Substanz. Dies ergänzt die
rüc ke'sche Theorie der Oberflächen-Difiusion *)
ängs einer festen Wand.
Die Gegenwart anderer Flüssigkeiten und
)esonders von Luft kann die Ausbreitung einer
Hüssigkeit an einer festen Wand wesentlich mo-
lificiren.
Die Abhängigkeit des Randwiukels von der
Dicke der unmerklich dünnen Schicht auf der
esten Oberfläche erklärt die Hauchbilder von
iloser^) und Waid ele') mit W^asserdanipf; die
ichtbilder von Daguerre"*) mit Quecksilber-
lampf; die elektrischen Hauchbilder und Hauch-
guren von G. Kar sten ^) und Riess®) mit Was-
BT,- Quecksilber- und Joddampf.
Heidelberg den 30ten Jimi 1877.
1) Pogg. Ann. 58. pag. 82. 1843.
2) Pogg. Ann. 56. pag. 177; 57 pag. 1. 1842.
3) Pogg. Ann. 59. pag. 255. 1843.
4) Compt. rend. IX. pag. 257. 1839.
5) Pogg. Ann. 57. pag. 493. 1842.
6) Eiess, Reibungselektricität. II. pag. 224.
400
Bei der Königl. Geseilschaft der Wis-
senscliaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Jahresbericht am 12. Mai 1676 dem Comite der Nicolai-
Hauptsternwarte abgestattet vom Director d. Stern-
warte. St. Petersb. 1876.
— Derselbe vom 16. Mai 1875.
H. Wild, Annalen des physikal. Central-Observatoriums.
Jahrg. 1875. St. Petersbourg. 1876. 4.
Proceedings of the London math. Society. No. 104 — 105.
Eecueil de m^moires , rapports et documents relatifs k
l'Observation du passage de Venus sur le soleil. Paris
Didot. T. I. partie 2. 1876. Supplement ä la partie
2de 1876.
Memoires de l'Acad. des Sc. de l'Institut de France. T.
36. 1870. T. 38. 1873. T. 40. 1876.
— presentes par divers Savants ä l'Acad. des Sc de
l'Institut de France et imprimes par son ordre. Sc.
mathemat. et phys T. 20. 1872. T. 25. 1877.
— de l'Inst. de Fr. Academie des inscriptions et heiles
lettres. Tome 22. Table des vols. XII-XXI. 1874.
Tome 28. partie 1 et 2. 1874. 1876.
— presentds par divers Savants ä l'Acad. des Inscriptions
et Belles-Lettres de l'Institut de France. Premiere Serie.
Sujets divers derudition. T. 8. partie 2. 1874.
Notices et extraits de Manuscrits de la bibliotheque na-
tionale et autres bibliotheques. Publies par l'Institut de
France. Paris 4. T. 22. partie 1. 1874. T. 24. p. 2.
1876. T. 25 p. 2. 1875.
Societe nation. des Sciences naturelles de Cherbourg.
Compte-rendu de la s^ance extraord. le 30. Dec. 1870,
le 2öieme anniversaire de la fondation.
Revue des Societes savantes des Departements, publiro
Bous les auspices du Ministere de l'instruction publiciue
etc Sixieme Serie. T. I. Janr. - Juin. 1875. T. IL
Juillet— Decembre 1875. Paris. 1875. 76.
Observations meteorologiques faites aux stations interna-
tionales de Belgique et desPays— Bas. Premiere annee.
Brux. 1877. 4.
Annales de rObservat. R. de Bruxelles. Fol. I. 1877. 4.
(Fortsetzung folgt.)
401
IVachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
25. JuH. M 17. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Sitzung am 7. Juli.
(Fortsetzung.)
lieber geometrische Erweiterungen des
Bezoutschen Fundamentalsatzes.
Von
Dr. H. Schubert in Hamburg,
Oberlehrer an der Gelehrtenschale.
Betrachtet man statt des Punktes das Gebilde
■Tals Raumelement, so wird aus der Aufgabe:
»Die Zahl der gemeinsamen Punkte
einer Curve und einer Fläche durch
iure Gradzahlen auszudrücken«.
das folgende Problem, welches das Charak-
teristikenproblem für das Gebilde T heißen
möge:
^Das Gebilderhabe die Constanten-
zahl c, und sei Element zweier Systeme
« ^^^ "^'c-a' voll denen das erste a-
>tufig sei, d. h. OC" Gebilde T enthalte,
and das zweite (c— a)-8tufig sei. An-
zugeben ist die Zahl der den beiden
Systemen gemeinsamen Gebilde als
38
402
Function von Anzahlen ■— Gradzahlen
oder Charakteristiken — , deren jede
von^"^ oder von2''^_^allein abhängt^)«.
Außer der Punktgeometrie und der ihr dua-
listisch entsprechenden Ebenengeometrie , hat
auch die Liniengeometrie ihr Charakteristiken-
problem vollständig gelöst. Sonst ist dieses Pro-
blem bisher wohl nur in Fällen, wo F ein Ke-
gelschnitt {aii-\-ßv) oder eine Fläche zweiten
Grades ist, in Angriff genommen^).
Im folgenden sind nun die Formeln mitge-
theilt, welche die Charakteristikentheorie des
Strahlbüschels und einiger anderer Gebilde erle-
digen, die aus einzelnen Punkten, Ebenen und
Strahlen zusammengesetzt sind^).
Die Quelle der mitgetheilten Resultate war
einerseits der geometrisch verwendbar gemachte
Gaussische Fundamentals atz der Algebra,
mit andern Worten, das Chasles'sche Correspon-
denzprincip in der ihm von mir gegebenen all-
gemeineren Fassung (Math. Ann. Bd. 10, pag.
49 u. f.); andererseits wurde zur Ableitung der
Resultate die symbolische Multiplication ange-
1) Die Lösungen dieses Problems habe ich in §. 26
meiner »Beiträge zur abzählenden Geometrie« (Math.
Ann. Bd. 10) Produktensätze genannt. Allgemeine
Erörterungen über Produktensätze habe ich in den Math.
Ann. Bd. 10, pag. 355 bis 357 angestellt.
2) Für das aus einem Strahle und einem Punkte be-
stehende Gebilde ist das Charakteristikenproblem in dem
speziellen Falle gelöst, wo die Verbindungsebene von
Strahl und Punkt fest ist (Lindemann's Vorl. v. Clebsch,
pag. 936 u. f. über Clebsch's Connexe).
3) Wie ich aus einer brieflichen Mittheilung ersehe,
hat sich auch Herr Halphen mit einigen auf die Charak-
teristikentheorie solcher Gebilde bezüglichen Fragen be-
schäftigt. Doch hat Herr Halphen über diesen Gegen-
stand, wohl nichts publicirt.
403
wandt, und zwar unter steter Benutzung der
allgemeinen Lag e-Fo rm ein, welche ich in den
Beitr. z. abz. Geom. §. 9 aufgestellt habe, und
welche ich dann, ihres fundamentalen Charakters
wegen, oft (Math. Ann. X, 325; Xü, 182, 197,
207) zu wiederholen Gelegenheit fand.
Die den Formeln folgenden, oft nur kurz an-
gedeuteten Anwendungen lassen die Natur
der Anzahl - Probleme erkennen , welche durch
die neuen Formeln leicht zugänglich werden.
§. 1. Bezeichnungen.
Um meine Resultate kurz und übersichtlich
aussprechen zu können, muß ich wieder die Sym-
bolik benutzen, welche ich in den Beitr. z. abz,
Geom. (§. 2, §. 5, §. 9) für gegebene Bedin-
gungen und ihnen angehörige Anzahlen aufge-
stellt habe. Ich verschmelze daher hier die An-
gabe der in den folgenden Formeln gebrauchten
Zeichen mit einer Wiederholung der Regeln,
auf denen jene Symbolik fußt.
1) Die erste, zweite, dritte Potenz des Buch-
staben, welcher im folgenden einen Punkt be-
zeichnet, bedeutet auch bezüglich die drei Be-
dingungen, daß dieser Punkt auf einer gege-
benen Ebene, auf zwei gegebenen Ebenen, d. h.
einer gegebenen Geraden, auf drei gegebenen
Ebenen, d. h. in einem gegebenen Punkte, liegen
soll.
2) Für die E be n e gilt die Festsetzung, welche
1) dualistisch entspricht.
3) Der kleine Buchstabe, welcher im folgen-
den einen Strahl bezeichnet, bedeutet auch die
Bedingung, daß dieser Strahl eine gegebene
Gerade schneiden soll; derselbe kleine Buchstabe
mit dem unten angefügten Index i), e, s bedeutet
bezüglich die Bedingung, daß dieser Strahl
38*
404
durch einen gegebenen Punkt gehen, in einer
gegebenen Ebene liegen, einem gegebenen Strabl-
büschel angehören soll ; und ebenderselbe Buch-
stabe, aber groß statt klein geschrieben, bedeu-
tet die Bedingung, daß dieser Strahl gegeben
sein soll.
4) Bedingungen, welche von Punkten, Ebe-
nen oder Strahlen erfüllt werden sollen, die ei-
nem Gebilde F angehören, werden als dem
Gebilde F selbst auferlegt angesehen.
5) Bedeuten y und z zwei einem Gebilde T
auferlegte Bedingungen, so bezeichnet das Pro-
dukt yz für r die Bedingung, welche aussagt,
daß' y und ^ zugleich erfüllt werden sollen.
Im folgenden wird ein solches symbolisches
Produkt immer ohne Multiplications-
zeichen geschrieben, dagegen eine Multipli-
cation im arithmetisch en Sinne durch
einen Punkt als Multiplicationszeichen
angedeutet.
6) Das Symbol z einer F auferlegten Bedin-
gung bedeutet nicht bloß diese Bedingung selbst,
sondern auch die endliche Anzahl derjenigen
Gebilde F, welche, einem vorliegenden Systeme
angehörig, diese Bedingung erfüllen. Es bestehe
z. B. F aus einem Strahle g und einem darauf
liegenden Punkte p^ und es liege ein dreistufiges
System solcher Gebilde zu Grunde. Dann be-
zeichnet g^ die Zahl derjenigen Gebilde dieses
Systems, welche ihren Strahl g einem gegebenen
Strahlbüschel zuschicken, und p'^g die Zahl der-
jenigen, deren Punkt p auf einer gegebenen Ge-
raden liegt, und deren Strahl g zugleich eine
gegebene Gerade schneidet.
7) Die beiden Systeme, welche jeder der fol-
genden Charakteristikenformeln zu Grunde gelegt
405
sind, heißen immer 2 und 2"', nnd erhalten als
unteren Index ihre Stufenzahl. Die Punkte,
Ebenen und Strahlen, aus welchen das 2 und
2' erzeugende Gebilde F besteht, werden für das
eine System mit denselben Buchstaben bezeich-
net, wie für das andere, jedoch so, daß dieser
Buchstabe in Rücksicht auf ^ nicht gestri-
chelt, in Rücksicht auf 2' gestrichelt wird.
8) Ist die Stufensumme von 2 und 2' gleich
der Constantenzahl c des erzeugenden Gebildes
r\ so haben die beiden Systeme eine end-
liche, immer mit x bezeichnete Zahl
von Gebilden gemein.
9) Ist die Stufensumme von 2 und 2* um
d größer als c, so haben die beiden Systeme
ein (^-stufiges System von Gebilden
gemein. Dann bezeichnet xz^ wo -? irgend
eine rf-fache Bedingung ist, die Zahl derjenigen
gemeinsamen Elemente, welche z erfüllen. Ge-
mäß der Festsetzung 7) bedeutet immer xz und
xz' ganz dasselbe. Die Formeln Tut xz gehen
aus den Formeln für x immer durch symbohsche
Multiplicatiou mit der Bedingung z oder z* her-
vor. Die Formeln für x sollen deßhalb Stamm-
formeln, die für xz abgeleitete heißen.
§.2. Charakteristikenformeln für den
Strahlbüschel.
Der Scheitel des Strahlbüschels heiße p für
-, p' für 2, die Ebene des Strahlbüschels heiße
e für 2^ e* für 2*. Für ein- und vierstufige
Systeme reichen 2, für zwei- und dreistufige
Systeme 3 Charakteristiken aus. Am zweck-
mäßigsten ist es, für die 2 folgende Bedingungen
zu Charakteristiken zu nehmen;
406
Hier bedeutet t die Bedingung, daß der
Strahlbüschel seinen Punkt p auf einer gegebe-
nen Geraden bat, und zugleich seine Ebene e
durch ebendieselbe Gerade schickt. Bekanntlich
(Beitr. z. abz. Geom. pag. 35) ist t = p^e — p^
=■ pe^ — e^. Die Symbole der Charakteristiken
für die ^' gehen aus den Symbolen für 2 immer
durch Stricheln der Buchstaben hervor.
Stammformeln.
A) Gegeben 2^ und S\. Die Zahl der den
beiden Systemen gemeinsamen Strahlbüschel ist:
1) X = p ,p'e'^ -\-e.p'^&,
B) Gegeben JS^ und 2\:
2) X = p^.e'^-\-pe.t' -\- e^.p*^.
Abgeleitete Formeln.
C) Gegeben 2^ und 2\'.
3) xp = p^ .p* e'^ -\-pe,p'^e' ,
4) xe = pe.p*e'^ -{- e^ .p'^e'.
D) Gegeben 2*3 und 2\:
5) xp = pKe'^ -i- p\f -\- t.t' -\- t.p'^ -i- e\p'^,
6) xe = p\e'^ -}-t.e'^ -}- tJ' -\- e\t' -]- c\p'^
E) Gegeben 2^ und 2'^ :
7) xp^ = p^.p'&^-\-p^,p'^e' -\-t.p^h',
8) xpe = p^.p*e'^-{-t.p'e'^-^t.p'^e' -\-e^.p'^e^
9) xe^ = t.p'e'^-\-e\p'e'^ + e\p'^e'.
407
F) Gegeben 2^ und 2\:
10) xp'^ = p'e.i^'V,
11) xt = p^e.p'e'^ + pe^.p'^e'j
12) xe^ = jpe^.p'c"
(auch als Zahl der Schnittpunkte zweier Plan-
curren).
Anwendungen.
1) Eine naheliegende Anwendung der Strahl-
büschel-Formeln bezieht sich auf die Berüh-
rung von Flächen. Die Tangenten einer
Fläche bilden nämlich ein zweistufiges System
von Strahlbüscheln, und man sagt von zwei
Flächen, daß sie sich berühren, wenn die ihnen
angehörigen Tangentenbüschel - Systeme ein ge-
meinsames Element besitzen. Folglich ist die
Formel von Jonquieres *) und Brill ^) für die Zahl
der Flächen eines Flächensystems, welche eine
gegebene Fläche berühren , spezieller Fall von
Formel 2). Eine Fläche JPo-ter Ordnung, r-ten
Ranges, k-ter Klasse besitzt nämlich ein zwei-
stufiges System 2^ von Tangentenbüscheln, bei
welchem p^ = o, pe = r, e* = k ist. Femer
besitzt ein einstufiges Flächensystem {(*, y, p),
welches /* Flächen durch einen gegebenen Punkt
schickt, V Flächen eine gegebene Gerade, q
Flächen eine gegebene Ebene berühren läßt, ein
dreistufiges System 2'^ von Tangent^nbüscheln,
bei welchem jp'^ = /t4, t' = v, e'^ = ^ zu setzen
ist. Also kommt für die Zahl derjenigen Flächen
1) Jonquiferes, C. R. tome 58, p. 570, tome 61,
p. 442,
2) BriU, Math. Ann. Bd. 8, p. 534-538.
408
des Flächensystems (fjb, v, q), welche die Fläche
F berühren, aus F. 2) die bekannte Zahl
o.Q -{• r . V -\- Je . iJ/.
Sind zwei einstufige Flächensysteme (/ti-, v, q)
und (/*', v\ Q^) gegeben, so findet man aus F. 5)
das von mir in den Beitr. z. abz. Geom. (pag.
109) entwickelte Resultat für die Ordnung
der Curve der Berührungspunkte von
allen möglichen zwei sich berühren-
den Flächen der beiden Systeme, nämlich:
Formel 6) giebt die dieser Zahl dualistisch ent-
sprechende.
Ist endlich ein einstufiges Flächensystem
(fi, V, Q) und ein zweistufiges {d-^ tp) gegeben,
so findet man aus den F. 7), 8), 9) die Resul-
tate, welche Herr Fouret in den C. R. tome 80,
pag. 805 ableitet. Das zweistufige Flächensy-
stem erzeugt nämlich ein vierstufiges System Z' ^
von Tangentenbüscheln, bei welchem p'^e' = <)■
und p' e'^ = (p zu setzen ist, wenn d- angiebt,
wieviel Flächen eine gegebene Gerade in einem
gegebenen Punkte berühren, und (p angiebt,
wieviel Flächen eine gegebene Gerade in einer
gegebenen Tangentialebene berühren. Z. B.
giebt F. 7) für die Ordnung der Fläche
der Berührungspunkte:
(l.(p -\- (i.d- -\-v.S^
(Fortschr. d. Math., Bd. 7, p. 391).
2) Der Complex zweiten Grades besitzt ein
zweistufiges System 2^^ der Complex ersten Gra-
des ein dreistufiges System ^'., von Strahl hu-
scheln, auf denen jeder Strahl Complexstrahl
409
ist. Die Zahl der den beiden Systemen gemein-
samen Strahlbüschel ergiebt sich also, wenn wir
in F. 2) p^ gleich der doppelten Ordnung, e^
gleich der doppelten Klasse der Kummerschen
Fläche, p'^ = 1, e'3 = 1, <' = 0 setzen. Da-
her ist 16 die Zahl der Strahlbüschel,
die ganz in dem Schnitt eines linearen
Complexes mit einem Complexe zwei-
ten Grades liegen, wie auch Voss in den
Math. Ann. Bd. 9, pag. 148 angiebt.
3) Wie eine einzige Gleichung zwischen Punkt-
Coordinateu eine Fläche, und zwischen Linien-Co-
ordinaten einen Liniencomplex darstellt, so stellt
eine einzige Gleichuug zwischen Strahlbüschel-Co-
ordinaten ein vierstuf igesSystem von Strahl-
büscheln dar. Deßhalb entspricht der Frage
nach der Zahl der gemeinsamen Punkte dreier
gegebener Flächen, in der Strahlbüschel-Geome-
trie die Frage nach der Zahl der gemeinsamen
Strahlbüschel von fünf gegebenen vierstufigen
Strahlbüschel-Systemeu. Ein solches System — ^
ist durch zwei Gradzahlen p^e und pe^ charak-
terisirt. Die erste ist die Klasse a des Kegels
der Ebenen aller Strahlbüschel, die einen gege-
benen Scheitel haben, die zweite ist die Ord-
nung 1) der Curve, die von den Scheiteln aller
in einer gegebeneu Ebene liegenden Strahlbü-
schel gebildet wird. Sind für fünf gegebene
Systeme diese Gradzahlen bezüglich:
«15 ^15 «21 ^-1, «s> ^S» <^4i ^4' «6» ^5>
so findet man durch mehrmalige Anwendung
unserer Formeln sehr leicht die Zahl der den
fünf Systemen gemeinsamen Strahl-
büschel gleich der Summe aller mög-
lichen 20 Produkte von je 3 Faktoren
a mit 2 Faktoren h und von je 2 Fak-
410
toren a mit 3 Faktoren &, so daß inje-
dem Produkte jeder der Indices 1, 2, 3,
4, 5, einmal vorkommt. Hierzu ein ein-
faches Beispiel. Man soll bestimmen, wie oft
es vorkommt, daß bei 5 gegebenen, strahlallge-
meinen Liniencomplexen von den Graden n^,
^11 ^^31 ^^4> ^^5 die fünf in der nämlichen Ebene
liegenden Complexcurven sich in einem und
demselben Punkte schneiden. Man hat dann
nur für jedes a^ und jedes b- des eben angege-
benen Ausdrucks n^ {n^ — 1) einzusetzen. Sind
also spezieller die Complexe sämmtlich vom
Grade % so kommt
für die gesuchte Zahl.
§.3. Charakteristikenformeln für das
Gebilde, welches aus einem Strahle
und einem darin liegenden Punkte be-
steht.
Der Strahl des Gebildes heiße ^ für -5", g^
für 2% der Punkt p für 2", p' für 2"'. Für ein-
und vierstufige Systeme sind zwei, für zwei- und
dreistufige Systeme drei Charakteristiken nöthig.
Wir nehmen dazu die Bedingungen, welche für
die 2 folgende Symbole haben:
P, 9; V", 9p, 9e'' P\ P9e, 9s^ P% ^'
Stammformeln.
A) Gegeben 2*, und I\ :
13) x=p.G' + g.p''9''
B) Gegeben 2^ und 2',,:
14) X ^pKg\-\- g^ .p'q\ + 9^,.p*\
iU
Abgeleitete Formeln.
C) Gegeben 2.^ und S'^:
15) xp = f.G' + f.y'^g' + g,-v'^g\
16) xg = p*.G^' + ^,.p'V + 5',.G^' + r7^-P'V-
D) Gegeben I^ und ^g:
17) xp = p\g\ + p'.f' + vg,.p'g\-h9,'P"^
18) ^^7 = P'.Sr', + P9e'9% + 9s'P'^ + 9s'P'9'e'
E) Gegeben Z^ und 2'^:
19) a-2;« = p\G' + pgr^.p'V + P'.p'Vi
20) xg^ = p». G^ -^ 5r,.ö' + fl'.-P'V,
F) Gegeben 2^ und 2^^:
22) ar^' = p^g.p'^g' (auch als Zahl der Schnitt-
strahlen zweier Kegel mit gemein-
samem Scheitel),
23) xpge= V^9-V"9' + pV-G^' + G^.p'Vi
24) xg^ = i^V-G^' + ^-P'V + (^C^'-
Liegen die beiden Systeme in einer und der-
selben festen Ebene, und erzeugen auf ihr ein
ein- und ein zweistufiges System, so giebt For-
mel 21) die Zahl der gemeinsamen Gebilde,
nämlich :
25) x = p,g\ -f g.p'\
Durch dualistische Uebertragung der eben
412
mitgetlieilten Formeln erledigt man die Charak-
teristikentheorie des Gebildes, welches ans einem
Strahle und einer durch ihn gehenden Ebene
besteht.
Anwendungen.
1) Indem man auf einer Plancurve oter Ord-
nung, rten Ranges jeden Punkt mit seiner
Normale zusammenfaßt, erhält man ein durch
die Plancurve erzeugtes einstufiges System 2
von Gebilden der eben betrachteten Art. Für
dieses System ist p = o, g = o -\- Je. Ist nun
außerdem in derselben Ebene ein System (v, q)
von Plancurven gegeben, welches v Pla,ncurven
durch einen gegebenen Punkt schickt, und q
eine gegebene Gerade schneiden läßt, so erzeugt
dieses in derselben Weise ein zweistufiges Sy-
stem 2' von Gebilden derselben Art. Für die-
ses System ist g'^ = v-\- q, p*^ == j; zu setzen.
Also wird nach Formel 25) die Plancurve oter
Ordnung, rten Ranges von Plancurven des Sy-
stems (r, q)
o.(v + e) + (0 + 'k)>v
Mal so geschnitten, daß die dem Schnittpunkt
angehörigen Normalen identisch sind. Dies ge-
schieht natürlich erstens an den o.q + ^'^•*'
Stellen, wo Berührung stattfindet, und außerdem
2vmal an jedem der o unendlich fernen Punkte
der Plancurve. Dies letztere erkennt am besten
dadurch, daß man das projektivisch entsprechende
Problem behandelt.
2) Indem m^n auf einer Raum cur ve je-
den Punkt mit seiner Tangente zusammen-
faßt erhält man ein einstufiges System des eben
behandelten Gebildes T. Da nun Raumcurven
413
ich berührend heißen, \?enn sie Punkt und zu-
gehörige Tangente gemein haben, so ergeben
die Formeln 13) bis 24) Anzahlen für die Be-
rührung vonRaumcurven. Es seien z.B.
zwei zweistufige Raumcurven-Systeme gegeben,
und a resp. a' bezeichne, wieviel Raumcurven
des einen oder des andern Systems durch einen
gegebenen Punkt gehen, b resp. b' bezeichne,
wieviel eine gegebene Ebene in einem Punkte
einer auf ihr gegebenen Geraden berühren, c
resp. & bezeichne, wieviel eine Tangente in ei-
nem gegebenen Strahlbüschel besitzen. Dann
hat man in F. 17) und 18) einzusetzen;
und erhält für die Ordnung der Curve
der Berührungspunkte die Zahl
a,c' -\- a.a' + b.b' -\- c.a\ und
für den Grad der Regelfläche der Tan-
genten in den Berührungspunkten die
Zahl
a.cf Ar b.c' -j- c.a' -{- c.b'.
3) Analog wie in der Anwendung 3) des §. 2
können vnx hier nach der Zahl derjenigen Ge-
bilde r fragen, welche fünf gegebenen vierstu-
figen Systemen gemeinsam sind. Die Gradzah-
len eines solchen Systems seien immer a. und b-
und zwar bezeichne a^ 'wieviel Gebilde des Sy-
stems einen gegebenen Strahl haben, b , wieviel
ihren Punkt p im Scheitel eines Strahlbüschels,
und zugleich ihren Strahl g in diesem Strahl-
büschel haben. Sind nun die fünf gegebenen
Systeme charakt^risirt durch die Gradzahlen;
414
«1, Ol/ ttg, Ö2» Ö^S> ^SJ ^41 ^4' ^51 ^5>
SO ergiebt sich aus unsern Formeln für die
Zahl der gemeinsamen Elemente die
Summe aller möglichen 10 Produkte
V on je 3 Faktoren a mit je 2 Faktoren
&, vermehrt um die doppelte Summe
aller möglichen 10 Produkte von je 2
Faktoren a mit je 3 Faktoren &, ver-
mehrt um die doppelte Summe aller
möglichen 5 Produkte von je 1 Faktor
a und je 4 Faktoren &, so daß in jedem
Produkte jeder der Indices 1, 2, 3, 4, 5
einmal vorkommt. Hieraus findet man z.B.
sehr leicht, wie oft es bei fünf dreistu-
figen Systemen von Raumcurven vor-
kommt, daß fünf von den fünf Syste-
men gelieferte Raumcurven sich in ei-
nem und demselben Punkte berühren,
sobald man die Zahlen kennt, welche angeben,
wieviel Raumcurven jedes Systems eine gege-
bene Gerade berühren, und, wieviel eine gege-
bene Ebene in einem auf ihr gegebenen Punkte
berühren. Sind diese Zahlen für jedes System
dieselben, nämlich bezüglich a und &, so er-
giebt sich
10 a&2 (a + &)2
für die gesuchte Zahl.
§. 4. Charakteristikenformeln für das
Gebilde, welches aus einem Strahle,
einem auf dem Strahle liegenden
Punkte und einer durch den Strahl
gehenden Ebene besteht.
Die Constantenzahl dieses Gebildes F ist 6.
415
Sein Strahl heiße g ^r 2, g^ für 2', sein Punkt
p für 2", i/ für 2 , seine Ebene e für 2^ e* für
2^'. Zur Charakterisirung der Systeme sind drei
einfache und drei fünffache Bedingungen erfor-
derlich, nämlich:
2), e, g und pG^ eG^ jp^e^
ferner fünf zweifache und fünf vierfache Bedin-
gungen, nämlich:
iJ^ pe, e\ g^ g^ und ph, pe\ p% e^g,G,
endlich sechs dreifache Bedingungen, nämlich:
P\ e«, t, pg^, eg^, g^,
wo t wieder die schon in §. 1 angegebene Be-
dingung bedeutet , also verlangt , daß unser Ge-
bilde r seine Ebene e durch eine gegebene Ge-
rade schickt, und seinen Punkt p auf eben die-
selbe Gerade wirft.
Stammformeln.
A) Gegeben 2^ und Z\'.
26) X = p.&G' -f e.p'G* + g.p'^ef^.
B) Gegeben 2.^ und 2 ^i
27) x=:f.e'^g'-irVe-G'^e\'p''g'-\-g^p'^€f^g^.p'e'\
C) Gegeben 2^ und 2'^:
28) X = f.e'g'^-^eKv'g'^-^-vg^.ef^-ireg^.y'^
Abgeleitete Formeln.
Von den Formeln, welche auf Systeme Be-
416
zug nehmen, deren Stufensumme größer als 6
ist, d. h. auf solche die unendlich viele Elemente
gemein haben, erwähnen wir, um abzukürzen,
nur die auf zwei vierstufige Systeme bezüglichen.
D) Gegeben 2^ und Z'4 :
29) xp^ = ph.G'-\-G.p'h'-\-iph-{-pe^).p'^g'
+ p^g-ip'^^ + p^^e^),
30) xpe = ph.p'^e' -\-e^p.e'^p' -\- G.^p'h' -\-p*e'^)
-f- {p^e + pe^).G' + ph.e'^g'
-\- e^g .p'^ e' -{- e^p.p'^g' -{- p^g.e'^p\
31) xe^ = pe^.G'-\-G.p'e'^-^{ph-\-pe^.e'^g'
+ e^g.{p'e'^ -\- p'^&),
32) xg^ = ph.G' +\G.p'h' + G.e"'g'-\-e'g,G'
+ p^.e'V + e^g.p'^g' + G^.G',
33) ä;^^ = pe^G'-^G.p'e'^-j-G.p'y-\-p^g.G'
+ e^g.p'^g' + p^g.e'^ + G^.G^'.
Anwendungen.
1) Man fasse bei einem Complexe ?iten Gra-
des jeden Complexstrahl zusammen mit dem Be-
rührungspunkte und der Ebene jeder ihn be-
rührenden Complexcurve. Dann erhält man ein
vierstufiges System ^4 des eben behandelten
Gebildes F. Für dieses ^^ ist dann zu setzen:
G = Q, p^g = e^ g = n^p^ e=x>(^^ = viO^ — V*
Man erzeuge nun in derselben Weise aus
einem zweiten Complexe n'ten Grades ein vier-
stufiges System 2:\ von Gebilden r*, und wende
auf ^4 und 2i:\ die Formeln 29) bis 32) an.
Dann erhält man die bekannten Charaktere
417
derBrennflächederCongruenz, welche
den beiden Complexen gemeinsam ist.
2) Man fasse bei einem Complexe nten Gra-
des jeden Complexstrahl zusammen mit einer
seiner 4 Wendeebenen und der zugehörigen Ke-
gelspitze. Dann erhält man ein dreistufiges
System J, von Gebilden T, für welches zu
setzen ist:
l)» = e» = 3» (n — 2);i)(/^ = e^p = n(3n — 2);
g^ = An\ t = 2m (n — 1) (n — 2).
Man erzenge femer in derselben Weise aus
einem zweiten Complexe w'ten Grades ein zweites
dreistufiges System 2"'^ von Gebilden F, und
wende auf^', und2''3 die Formel 28) an. Dann
erhält man folgendes Resultat:
Unter denoo^ Strahlen, welche einem
Complexe «ten und einem Complexe
w'ten Grades gemeinsam sind, befin-
den sich
Ann' (2n2 -f 9»w' + 2n'» — 18w — 18w' + 20)
Strahlen, welche zu zwei, den beiden
Complexen angehörigen, in derselben
Ebene befindlichen Complexcnrven
Rückkehrtangenten mit gemeinsamer
Spitze sind.
Von Zahlen, welche sich aus den Charakte-
ristikenformeln dieses §. leicht bestimmen lassen,
seien noch folgende beispielsweise erwähnt.
3) Die Zahl derjenigen Raumcurven eines
zweistufigen Systems, welche eine Raumcurve
eines andern zweistufigen Systems so berühren,
daß die dem Berührungspunkte angehööfff^^^v^.
Schmiegungsebenen zusammenfallen. ¥ '
39
rührC 'In '■"''S berührt da« '•^^°'"
'*'■ »2- »s, so ist diese ZaS " ^™
'•«]i>'e';^^:f4t1i':-^o.-e,.fardas
sein^tsrs:";t "4-- «^«MeTr l*; ^
De^ P™We ^ „i "'ß^'/i" ^, seiue bef:
i'er AJIgemeiaheit weJn . '/ .""'' «' ßr 2'
Punkte p und« res« ^f- ' ""'«'««'■eiden wir die'
«- soIcJae Gel-id?/„„™^', -"{d betrachten
abgeaül? '"' » l"" Math. AnT Bd "J?''^™ '*■'
410
fallend, wenn ^ sich mit p\ q sich mit 3' deckt.
Der Fall, welcher auch das Zosammenfallen
von p mit q' und q mit p' zuläßt , kann immer
leicht auf den hier behandelten Fall zurückge-
führt werden. Die Charakteristiken unseres
Gebildes, bezogen auf die -, sind:
1) für 2^ : p, q, g;
2) für 2^: p^, q"", pq, g^, g^.
3) für J,: 1)% 2», pg^, qg^, g^ und die Diffe-
renz {pq^~qg^), wobei man beachte, daß we-
gen der allgemeinen Lage-Formeln des Verfas-
sers pq^ — qg^ = p'q—pg^ = pqg—pg^ -qg^
gleich der Ordnung der Fläche ist, welche von
den (X^ Punkten gebildet wird, in denen zwei
Punkte p und q des 2"g unendlich nahe liegen;
4) für 2-,: pV, q% G, (p'q-phj), (pqg—G),
wobei man beachte, daß p^q — p^g = pq^ — q^g
= PfI3p—P^g — q^g — G gleich der Zahl ist, welche
angiebt, wie oft in einem gegebenen Punkte
zwei .^4 angehörige Punkte p und q coincidiren;
und ferner beachte, daß (pqg^—G) gleich der
Ordnung der Curve ist, welche von den Punkten
gebildet wird, in denen zwei Punkte p und q
derartig coincidiren, daß ihr Verbindungsstrahl
in einer gegebenen Ebene liegt;
5) für 2^ : pG, qG, (pY — üGJ^ wobei zu he-
^(t]x\ßu,^d&p\^—qG=p\^—pG=pqg—pG — qG
gleich der Zahl ist, welche angiebt, wie oft in
einem gegebenen Punkte zwei Punkte p und q
derartig coincidiren, daß ihr Verbindungsstrahl
39*
420
in einer durch die Coincidenzstelle gehenden,
gegebenen Ebene liegt.
Stammformeln.
A) Gegeben ^j und ^'5:
34) X = p.q'G'-^q.p'G' + g . (p'^ Q.'^ — q' G').
B) Gegeben 2^ und 2'^:
35) x=^p\ q!^g'-^q\p'Y-VP(L'<^'+9p'(P'h'-P'^9')
6) Gegeben ^3 und 2^3 :
36) X = p^q^' + (/-P'^ + P9e-(LVe + ^e'P'9'e
+ 9s'(p'<i"'—9'9'e) + Crf —qgj-g'^-
Abgeleitete Formeln.
Der Kürze wegen führen wir nur zwei von
den Formeln auf, welche auf zwei gegebene
vierstufige Systeme Bezug nehmen.
D) Gegeben 2^ und 2\:
37) xg^ = p'g.q^'g' + q'g.p^'g^ + (pqg^ -G).G'
+ G-(p'g'g'e-G') + <^'(^'
38) xg=p%q''g' + ^V^^'V' + G^-(^>' V + 2''ö'')
+ (p'^ + (fg) ' ^' + {v\ - fg) .G' + G. {p\'
— P'y)+ G.G'.
Aus Formel 37) ergiebt sich die Zahl der
Punktepaare, welche zwei in fester Ebene lie-
421
genden zweistufigen Systemen 2*2 und 2*^ ge-
meinsam sind, nämlich:
39) X = pl q'' -h q\p"^+ yq.g'^ + g^.p'q' -g^,g' ^
Sind in fester Ebene ein einstufiges System
-S*! und ein dreistufiges ^^ gegeben, so ist die
Zahl der ihnen gemeinsamen Punktepaare:
40) X = p.^^y^ + q.y'g'^ + g .{p'h' —V'9'el
wo (p'^q' — py^) zugleich auch angiebt, wie oft
in einem gegebenen Punkte zwei Punkte p und
q coincidiren.
Anwendungen.
1) Zwei Punktepaare mögen jetzt zusammen-
menfallend heißen , nicht bloß, wenn p sich mit
2)'. q sich mit 2' deckt, sondern auch, wenn/; sich
mit q\ q sich mit p' deckt. Dann erhält man die
Zahlen für die gemeinsamen Punktepaare gege-
bener Systeme, wenn man aus jedem der obigen
Ausdrücke für x durch Vertauschung von p'
mit g' 'einen zweiten Ausdruck erzeugt, und die-
sen zu dem ursprünglichen addirt. So erhält
man aus 39) und 40) folgende, auf Systeme in
fester Ebene bezügliche Formeln:
41) X = (p' + q^).(f^ 4- q'^ + 2pq.g'^
42) x = {p Jr q).(p^g\, -f- ^.7^
-h9-(p"q' +P'q'' -P'g\ - q'g\).
Bezeichnet man nun für ein in fester Ebene
bewegliches Punktepaar {p,q,g) mit n die Be-
dingung, daß der yerbin4ungsstrahl g durch ei-
nen gegebenen Punkt gehe, und mit r die Be-
dingung, daß irgend einer der gegebenen
422
Punkte auf einer gegebenen Geraden liege , so
ist immer zu setzen:
n ■= g und y = 2? + g,
also auch :
n^ = g^, nr = g (p -}- q) = 2g ^ -{- f -{- q\
r^ = (p -\- qy = jö2 _|_ g,2 _|_ 2pq^
oder:
g^ = n% p^-\-q^=nr — 2n\ 2pq = r^ — nr-\- 2n\
Analog erhält man:
p\ -\- pq^ = ^r% pg^ + qg^ = J^V.
Man kann daher die in den F. 41) und 42)
erscheinenden Bedingungen durch die aus n und
r zusammengesetzten Bedingungen ausdrücken.
So erhält man aus 41) und 42):
43) x=n\ (r'^-3n'r'-{-6n'^)+nr.(n'r''-Sn'^)-{-rhi'^,
44) X = n.{^ y'^ — w'V) 4" ^•^^'^»''.
Die Möglichkeit der Darstellung der Zahl
der zweien Systemen gemeinsamen Punktepaare
als Function der aus den Bedingungen n und r
resp. n' und r' hervorgehenden Zahlen konnte
man von vornherein erkennen, sobald mau be-
achtete, erstens, daß das Puuktepaar als Kegel-
schnitt augesehen werden kann, zweitens, daß
dann die Kegelschnitt-Bedingung v, der Kegel-
schnitt soll durch einen gegebenen Punkt gehen,
gleich 2.«, und die Bedingung q, der Kegelschnitt
soll eine Gerade berühren, gleich r zu setzen ist,
und endlich drittens, daß die Zahl der zwei Ke-
gelschnitt-Systemen gemeinsamen Kegelschnitte
im allgemeinen durch v und q resp. v' und q' dar-
423
stellbar ist. In der That erhält man aus 43)
und 44) die bekannten ^) Formeln für Kegel-
schnitte, wenn man n' = ^ v', r' = q' setzt,
und mit 2v' — q' symbolisch mnltiplicirt.
2) Aus Formel 36) ergiebt sich, wie oft es
vorkommt, daß eine Raumcurve eines einstufigen
Raumcurvensystems eine Raumcurve eines an-
dern einstufigen Systems zweimal schneidet,
so bald man für jedes System die Zahlen kennt,
welche angeben, wieviel Raumcurven eine gege-
bene Gerade schneiden, und wieviel eine Dop-
pelsekaute in einen gegebenen Strahl büschel
schicken.
3) Formel 36) liefert auch die Losang des
folgenden Problems. Gegeben eine a-ß-deutige
Beziehung zweier Punkträume, und außerdem
eine a'-jS'-deutige Beziehung zweier Punkträume.
Gesucht die Zahl, welche augiebt, wie
oft ein durch die erste Beziehung zu-
sammengehöriges Punktepaar sich
deckt mit einemPunkte paare derzwei-
tenBeziehung^), so daß auch dieVerbin-
dungsstrahlen zusammenfallen. Bewegt
sich der erste resp. zweite Punkt der ersten Cor-
respoudenz auf einer Geraden, so beschreibt der
zweite resp. erste Punkt eine Raumcurve, deren
Grad A resp. B sein möge. Eiue durch die
eben angenommene Gerade gelegte Ebene ent-
hält also A resp. B Punkte der Raumcurve.
Nun ist es nicht nothwendig, daß die A resp.
B Verbindungsstrahleu dieser Puukte mit den
durch die Correspondenz zugehörigen Punkten
der Geraden sämmtlich in der angenommenen
1) Lindemann's Vorl. v. Clebsch, pag. 404 u. 406.
2) Für den Fall, daß sich die Punktepaare auf einer
festen Curve bewegen, hat Brill das Problem gelöst (Math.
Ann. Bd. 6, pag. 33).
424
Ebene liegen. Es mögen dies nur a, resp. h
Tinter jenen A resp. IB Verbinduugsstrahlen thun.
Die übrigen d = A — a = B — h Verbin-
dungsstrahlen müssen dann notb wendig Punkte
verbinden, die auf der angenommenen Geraden
coincidiren. Ferner bezeichnen wir mit c den
Grad des Liniencomplexes, welcher von den
sämmtlichen Verbindungsstrahlen zusammenge-
höriger Punkte der ersten Correspondeuz gebil-
det wird. Endlich mögen die analogen Zahlen
für die zweite CorreSpondenz mit denselben
Buchstaben, aber gestrichelt, bezeichnet werden.
Dann ist die gesuchte Zahl der den bei-
den Co rr esponde nz en gemeinsamen
Punktepaare immer ausgedrückt durch :
a.ß' -f ß.a' + a.h' + l.a' -f cd' + c',d.
Schlußbemerkungen.
Den Formeln für die oben behandelten Ge-
bilde könnte der Verfasser noch die Charakte-
ristikenformeln für mehrere andere Gebilde hin-
zufügen, z. B. für die Punktgruppe, das heißt
das Gebilde, welches aus einem Strahle und n
in demselben befindlichen Punkten besteht, und
für die Strahlengruppe, das heißt das Gebilde,
welches aus einem Strahlbüschel und n in dem-
selben befindlichen Strahlen besteht ^). Doch
ist zu bemerken, daß es bei Gebilden F com-
plicirterer Zusammensetzung nicht immer mög-
lich ist, die Zahl x der gemeinsamen Elemente
zweier Systeme nur durch Zahlen auszudrücken,
deren jede auf das allgemeine F Bezug nimmt.
Es treten vielmehr oft in den Ausdruck für x
1) Diese beiden Gebilde habe ich auch in den Math.
Ann. Bd. 12, pag. 180 bis 201, jedoch nach einer andern
EichtuDg hin, untersucht.
425
mit Nothweudigkeit Zahlen ein, welche
sich auf die in den Systemen vorhandenen aus-
gearteten Gebilde F beziehen.
Die Charakteristikenformeln für jedes Gebilde
r bilden eins der wichtigsten Fundamente für
diejenige Geometrie, welche dieses Gebilde F als
Raumelement auffaßt, uud welche also nach der
Analogie des Wortes Liniengeometrie r-Geome-
trie heißen müßte. Indem Plücker die Schranken
der gewohnten Punkt - Auffassung des Raums
durchbrach , und die Liniengeometrie schuf, lud
er zugleich die geometrische Spekulation ein,
die von einem beliebigen Gebilde erzeugten
Mannichfaltigkeiten um ihrer selbstwillen zu
studiren. Dies thaten z. B. Clebsch und Linde-
maun durch t^ntersuchnng der Connexe. Dies
that namentlich auch Zeuthen durch Aufstellung
der Formeln, weche den Plückerschen Formeln
in denjenigen Geometrieen entsprechen, die die
Plancurve wter Ordnung als Raumelement fassen
(Alm. Egensk. v. S. af pl. Kurv, in den Vidensk.
Selsk. (5), IV, p. 287 bis 393, und C. R. Tome 78,
p. 274 und 339). Nach der Liniengeometrie
müßte zunächst die Strahlbüschel-Geometrie noch
weiter ausgebaut werden. Man hätte dort mit
dem Gebilde anzufangen, welches aus CC^ Strahl-
büscheln besteht, deren Scheitel eine Gerade bil-
den , und deren Ebenen durch dieselbe Gerade
hindurchgehen. Die Constantenzahl dieses Ge-
bildes ist 7, seine beiden Gradzahlen (§. 2) ^ z= 1
und e = 1, die CC^ Strahlen seiner CO^ Ele-
mente bilden eine lineare Congmenz mit zwei
zusammenfallenden Axen.
Der Grund, warum die oben gelösten Pro-
bleme den algebraischen Eliminationstheorien
zunächst unzugänglich sind, ist wohl darin zu
suchei), daß es nicht möglich ist, Mannichfaltig-
426
keiten von der liier betrachteten Art algebraisch
anders zu definiren, als mit Zuhilfenahme von
überschüssigen und doch nicht überflüssigen
Gleichungen. Der Verfasser verkennt jedoch
nicht, daß seine Resultate so lange werthlos
bleiben, als sie der Algebra nicht die Wege
zeigen, auf deneu sie in das bis jetzt nur von
seiner Methode beherrschte Fragen gebiet mit
eignen Mitteln eindringen kann.
Hamburg, im Juni 1877.
Ueber den Bau und die systematische
Stellung der Gattung Carludovica.
Von
Dr. Oscar Drude.
Die im westlichen tropischen America weit
verbreitete Gattung Carludovica ist seit den flo-
ristischen Arbeiten von Ruiz und Pavon den
Botanikern als eine zu den Spadicifloren hinzu
zu rechnende Monocotyledone bekannt, ohne daß
bis jetzt ihre ßlütheuorgauisation so untersucht
wäre, daß eine Vergleichnng mit anderen Gat-
tungen dieser Gruppe durchgeführt werden konnte,
die den Endzweck aller systematischen Arbeiten
erfüllt, unter Darlegung der Formverhältnisse
der Gattung einen bestimmten Platz in der fort-
laufenden Kette der natürlichen Familien anzu-
weisen; man pflegte sie ohne weiteres den Pan-
daneen anzureihen.
Als vor wenigen Wochen mehrere Species
von Carludovica in den hiesigen Gewächshäusern
blühten, unterwarf ich diesell3en daher um so lie-
ber einer sorgfältigen Untersuchung, als meine
427
Palmenarbeiten mir eine möglichst genaue Kennt-
niß des ganzen Verwandschaftskreises wünschens-
werth machen.
Den Habitus von Carludovica darf ich als
bekannt voraussetzen ; die hier herrschende große
Uebereinstimmung mit niedrigen (sogen, stamm-
losen) Palmen, deren es im tropischen America
so viele giebt, wird durch die Entwicklung der
Blüthenkolben sehr vermehrt. Tief unten am
Stamm entwickeln die meisten Arten ihre in den
Blattachseln versteckten, 1—2 Zoll langen und
fingerdicken Kolben von mehreren Scheiden um-
=chloßen, bis sie durch Streckung des Stieles
ichtbar werden; sie schwellen rasch an und ent-
falten sich in wenigen Tagen unter starker Wär-
meentwicklung , und indem sie ihre Umgebung
mit intensivem Duft erfüllen; die entfalteten
Scheiden von zuerst weißer Farbe bräunen sich
alsbald und sinken welk herab, schon im Mo-
ment ihres Entfaltens sind die untersten weibli-
chen Blüthen des Kolbens empfängnißfähig und
auch die zu oberst stehenden haben am zweiten
Tage der Blüthe schon ihre Empfdnguißfiihigkeit
wieder verloren, und die langen Stamiuodien
hängen nun welk und gebräunt herab; erst am
zweiten und dritten Tage platzen die Antheren
uer männlichen Blüthen, so daß wegen der herr-
schenden Protogynie nur Kreuzbefrnchtuug zwi-
"heu verschiedenen Kolben zur Wirkung kom-
men kann; und nachdem so der unansehnlich
gewordene Kolben mit weißlichem Staube dicht
überschüttet ist, welkt er schon am vierten Taue
hin und beginnt alsbald zu faulen , wenn nicht
eine wirksame Befruchtung die weiblichen Blü-
then zu Früchten reifen läßt.
Es sei darauf hingewiesen , wie sehr solche
biologische Erscheinungen natürliche Familien
428
zu verbinden im Stande sind, da eine ähnliche
Entwicklung von mir bei den Aroideen und vor-
züglich den Palmen beobachtet wurde, bei letz-
teren — wo die Geschwindigkeit in der Entfal-
tung dieselbe ist — jedoch mit dem wichtigen
Unterschiede , daß sich in den Fällen , wo die
Blüthen beiderlei Greschlechts auf einem Kolben
sich entwickeln, stets die männlichen in dem Auf-
blühen vorangehen und die weiblichen erst sehr
viel später, oft erst nach Monaten, nachzufolgen
pflegen. —
Die Kolben der Carludovica sind ohne Unter-
brechung mit deckblattlosen Blüthen bedeckt,
die sich durch die dichte Anhäufung fest an
einander pressen ; die männlichen Blüthen stehen
zu vier beisammen, die weiblichen stehen ein-
zeln zwischen vier Haufen von je vier männli-
chen Blüthen.
Die männlichen Blüthen besitzen ein auf
kurzem, dicken Stiele stehendes becherförmiges
Perigon, welches an der von den drei benachbar-
ten Blüthen abgewandten Seite einige unregel-
mäßige Zähne besitzt und im Innern mit safti-
gem Gewebe ausgefüllt ist, aus welchen sich sehr
zahlreiche Staminen mit dicken walzenförmigen
Filamenten und auf deren Spitze eingefügten
Anthereu von normalem Bau erheben; vom Gy-
näceum ist keine Spur zu bemerken, auch lassen
die zahlreichen Staminen keine genauere Dispo-
sition nach Wirtein erkennen.
Die weiblichen Blüthen sind viereckig und
durchaus sitzend, ja sogar mit dem Untertheile
ihres Gynäceums so tief in die Kolbenmasse
eingesenkt, daß auch auf Querschnitten keine deut-
liche Grenze zwischen Kolben und Ovarien her-
vortritt. Ein aus vier kurzen, fleischigen Blätt-
chen gebildetes Perigon umgiebt dieselben; da
429
diesen die vier fadenförmigen Staminodien, deren
Länge mehrere Zoll betragen kann, opponirt sind,
so erkennen wir in dem Perigon deutlich den
Kelch allein. Das ans vier syncarpen Ovarien
verschmolzene Gynäceum ist einfächerig und be-
sitzt tief im Grunde vier in den Ecken stehende
und gegen die Mitte vorspringende Placenten,
welche ebenso wie die vier oben zusammenlaufen-
den Stigmen mit den ötaminodien altemireu
nnd überall mit sehr zahlreichen Samenknospen
dicht bedeckt sind ; letztere sind vollständig ana-
trop, besitzen zwei lutegumeute, eine Rhaphe
von der Dicke des ganzen Nucleus, und in letz-
terem einen nicht sehr großen Embryosack, der
etwa in halber Höhe der Samenknospe liegt.
Die Samen kenne ich nur aus den Darstellun-
gen von Pöppig (Nova genera ac spec. planta-
nim, pag. 36 ff.). —
Es ist nun meine Aufgabe, die Stellung von
Carludovica zu den den Spadicifloren augehören-
den Familien zu erläutern, und zwar beschränke
ich die Untersuchungen sogleich auf die beiden
entschieden am nächsten stehenden Familien der
Palmen und Pandaneen.
Es wurde schon auf die Uebereinstimmuug
der Vegetationsorgane bei Palmen und Carludo-
vica aufmerksam gemacht ; zwar pflegt mau den-
selben kein Kriterium ersten Ranges beizumessen,
doch hat neulich Engler mit Recht hervorgeho-
ben, wie sie gerade bei Monocotylen im Stande
seien, vortreffliche Merkmale der durchgreifend-
sten Art zu liefern. Ich will auch hier erwähnen,
daß nicht allein die äußere Form der Carludo-
vica-Blätter an Palmen (aus der Gruppe der
Geonomeen) erinnert, sondern daß sie auch die-
selbe Anordnung der Fibrovasalsträuge im Blatt-
stiel haben und nicht nur denselben Ursprung
m
und Verlauf der Nerven in der Blattlamina wie
Geonoma, sondern auch die zahlreichen subepider-
midalen Prosenchymstränge besitzen , die die
Blätter aller Palmen so wesentlich auszeichnen.
Sehr viele Palmen besitzen beide Geschlechter
auf einem Kolben vereinigt, doch hat keine die
Inflorescenz von unserer Gattung; viele Palmen
haben zwar je eine weibliche Blüthe von zwei
männlichen seitlich begleitet, jedoch nicht auch
oben und unten ; es lassen sich verschiedene Er-
klärungsversuche machen, doch erwähne ich sie,
als bislang rein hypothetisch, nicht ; da die vier Blü-
then jedes männlichen Haufens gleichzeitig er-
blühen und keine Deckblätter besitzen, so trotzen
sie jedem Versuche, sie in irgend welche mir
anderweitig bekannte Inflorescenz aufzulösen.
Polyandrische Blüthen finden sich vielfach
bei den Palmen, doch besitzen dieselben ein
zweireihiges trimeres Perianthium und meist ein
Rudiment vom Gynäceum. Tetram ere weibliche
Blüthen besitzen die ächten Palmen nicht, auch
haben sie niemals so lange Staminodien wie Car-
ludovica, ebenso auch immer die Corolle von
mindestens dem Kelch gleicher Größe entwickelt ;
der wichtigste Unterschied aber liegt im Bau
des Gynäceum, wo bei den Palmen nie mehr als
eine der Zahl der Carpelle gleiche Anzahl von
Samenknospen entwickelt ist, meistens also drei,
oft auch weniger. Der Bau der Samenknospen
selbst dagegen ist bei Carludovica und Palmen
sehr ähnlich: beide sind durch die Ausdehnung
der Rhaphe und die centrale Lage des Embryo-
sackes ausgezeichnet.
Es giebt aber einige von den ächten Palmen
abweichende Gattungen, welche näher an Car-
ludovica heranrücken, vorzüglich Phytelephas, die
sogar ihr Vaterland theilt. Die männlichen Blü-
431
then dieser Gattung bestehen aus einem becher-
förmigen Perigon, allseitig gezähnt, mit sehr zahl-
reichen Staminen ohne Rudiment vom Gyuäceum;
die weiblichen Blüthen haben Kelch und Blu-
menkrone in unregelmäßiger Zahl der Blätter
und ein von sehr vielen Staminodien umschlossenes
tetrameres Germen, dessen zugehörige vier Stig-
men von einem langen Stylus getragen werden.
Die hier in den vier Fächern stehenden vier Sa-
menknospen, welche zu vier steinharten Samen
von ähnlichem Bau wie Manicaria heranreifen,
beweisen für Phytelephas die nothwendige Zuge-
hörigkeit zu den Palmen. Der Vergleich mit
dieser Gattung vermag leider die Inflorescenz
von Carludovica nicht zu erklären, da ihre Kol-
ben nur eingeschlechtig sind.
Was wir bei Carludovica vorzüglich abwei-
chend von den Palmen erkannten, wird nun noch
durch die Paudaneen erklärt und auf diese hin-
weisend gefunden werden ; auch bei ihnen sind
die Kolben nur eingeschlechtig; die männlichen
Blüthen bestehen hier aus an der Basis verei-
nigten Staminen ohne jedes Perigon: es sind
die auf das äußerste reducirten Blüthen von Car-
ludovica, welche ähnlich zusammengedrängt die
ganze Kolbenoberfläche bedecken. Die dicht zu-
sammeugehäuften Ovarien der weiblichen Blüthen
enthalten zwar bei Pandanus nur je eine Samen-
knospe, bei Freycinetia aber deren sehr viele an
mehreren parietalen Placenten. In den Vegeta-
tionsorganen herrscht zwischen dieser Familie
und Carludovica keine Uebereiustimmung, wie
auch die Vertheilung auf der Erdoberfläche eine
scharf geographisch getrennte ist. —
Fassen wir das Gesagte zusammen, so stellt
sich Carludovica als ein Verbindungsglied zwi-
schen Palmen und Pandaneen heraus, und indem
432
beide Familien Aufschluß über die Theorie ihres
Blüthenbaues geben, dient sie selbst dazu, die
Verwandtschaft dieser beiden wichtigen Familien
zu beweisen. —
Nachricht über Briefe von Gauß.
Von
Schering.
Für die Sammlung des Gaußischen Nach-
lasses sind durch die große Güte des Herrn Ber-
trand, Sekretair der Academie der Wissenschaften
in Paris, Abschriften mehrer Briefe von Gauß
an Bouvard, Delambre und an Andere übersendet
worden. Die Originale der Briefe gehören den
Sammlungen des Herrn Chasles , Boutron und
Dubrunfaut an, welche im Interesse der Wissen-
schaft die Mittheilung des Inhaltes gestattet haben.
Herr Oscar Ulex in Altona besitzt sieben an
verschiedene Gelehrte und Beamte gerichtete
Briefe von Gauß und hat die dankenswerthe
Güte gehabt, Abschriften dieser zum Theil wis-
senschaftliche Gegenstände betreffenden Briefe
der Sammlung des Gaußischen Nachlasses zu
übergeben.
llniyersität«
Se. Majestät der Kaiser und König haben
AUergnädigst geruht, den ordentlichen Professor
an der Universität zu Zürich, Dr. Karl D i 1 1 h e y
zum ordentlichen Professor in der philosophischen
Facultät der hiesigen Universität zu ernennen.
Der ordentliche Professor Dr. H. Nissen in
Marburg ist in gleicher Eigenschaft in die philoso-
phische Facultät der hiesigen Universität versetzt.
433
iVachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
' 25. JuH. M 18. 1877.
[IniTersität
Verzeichniß der Vorlesungen auf der Georg-
Augusts-Üniversität zu Göttingen während des
Winterhalbjahrs 18"/78. Die Vorlesungen be-
ginnen den 15. October und enden den 15. März.
Theologie.
Unterricht in der christlichen Religion (nach seinem
gleichnamigen Buche, Bonn 1875) für Studirende aller
Facultäten: Prof. Ritscfd zweistündig Dienst, u. Frei-
tags 10 Uhr.
Einleitung in das Alte Testament : Prof. Duhm fünf-
stündig um 3 Uhr.
Biblische Theologie des Neuen Testamentes: Prof.
Riüchl fünfmal um 11 Uhr.
Erklärung der Genesis: Prof. Bertheau fünfstündig
um 10 Uhr.
Erklärung der chaldäischen Abschnitte des Buches
Daniel: Derselbe Donnerstags um 2 Uhr.
Erklärung der Psalmen: Prof. Sehtdtz fünfstündig
um 10 Uhr.
Erklärung des Buchs des Jesaia: Prof. de Lagarde
fünfstündig um 10 Uhr.
Erklärung der Lieder in den historischen Büchern
des Alten Testaments: Prof. Duhm Montag und Diens-
tags 2 Uhr, öffentlich.
40
434
Erklärung der synoptischen Evangelien: Prof. Wie-
singer fünfmal um 9 Uhr.
Erklärung des Evangeliums und der Briefe des Jo-
hannes: Prof. Lünemann fünfmal um 9 Uhr.
Erklärung der Korintherbriefe : Lic. Wendt fünfmal
xmi 9 Uhr.
Kirchengeschichte der sechs ersten Jahrhunderte:
Prof. Reuter sechsmal von 11 — 12 Uhr.
Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit:
Prof. Wagenmann fünfmal um 8 Uhr.
Dogmengeschichte : Derselbe fünfmal um 4 Uhr.
Patrologie oder Geschichte der altchristlichen Lite-
ratur: Derselbe Sonnabend 8 — 10 Uhr, öffentlich.
Geschichte der Theologie im 19. Jahrhundert: Lic.
Kattenbusch zweistündig unentgeltlich Dienst, u. Donnerst,
um 6 Uhr.
Comparative Symbolik : Prof, Schöberlein viermal um
5 Uhr; Prof. Eeuter fünfmal von 10—11 Uhr.
Einleitung in die Dogmatik: Prof. Schöberlein Sonn-
abend um 12 Uhr, öffentlich.
Dogmatik Th. I. Derselbe fünfstündig um 12 Uhr.
Dogmatik Th. II : Prof. Äcäm^^z fünfstündig um 12 Uhr.
Praktische Theologie : Prof. PTtesm^rer viermal um 3 Uhr.
Kirchenrecht und Geschichte der Kirchenverfassung
8. unter Rechtswissenschaft S. 435.
Die Uebungen des königl. homiletischen Seminars
leiten Prof. Wiesinger und Prof. Schultz abwechslungs-
weise Sonnabend von 10 — 12 Uhr öffentlich.
Katechetische Uebungen : Prof. Wiesinger Mittwochs
von 5—6 Uhr, Prof. Schultz Sonnabends von 4 — 5 Uhr
öffentlich.
Die liturgischen Uebungen des praktisch - theologi-
schen Seminars leitet Prof. Schöberlein Mittwochs um
6 Uhr und Sonnabends von 9 — 11 Uhr öffentlich.
Eine dogmatische Societät leitet Prof. Schöberlein
Dienstags um 6 Uhr; eine historisch - theologische
Socität Prof. Wagenmann Freitags um 6 Uhr; kirchen-
historische Uebungen Prof. Reuter Montags um 6 Uhr;
historisch - dogmatische Uebungen über die Hauptent-
wicklungsformen der Christologie : Lic. Kattenbusch wö-
chentlich einmal.
435
Rechtswissenschaft.
Greschichte und Institutionen des Römischen Rechts :
fünfmal wöchentlich von 11—12 und von 12 — 1 Uhr
Prof. Hartmann.
Geschichte des römischen Civilprocesses : Dr. Rüme-
lin Dienstag, Mittwoch und Freitag von 4—5 Uhr.
Pandekten: allgemeiner Theil und Sachenrecht Prof.
V. Ihering täglich von 11—12 und Sonnabends von
12 — 1; Obligationenrecht fünfmal von 12 — 1 mit Zugrun-
delegung von Amdt's Pandekten.
Römisches Familien recht: Dr. Hümeh'n Mittwoch
von 10—11 Uhr öffentiich.
Römisches Erbrecht: fünfmal von 3—4 Uhr Prof.
Wolff.
Römisches Erbrecht: Montag, Dienstag, Donnerstag
und Freitag von 10—11 Uhr Dr. Zitelmann.
Pandekten -Exegetikum: Dr. Rümelin Dienstag und
Freitag von 5 — 6 Uhr.
Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte: viermal wö-
chentlich von 3—4 Uhr Prof. Frensdorff.
Uebungen im Erklären deutscher Rechtsquellen:
Prof. Frensdorff Montags um 6 Uhr öffentlich.
Deutsches Privatrecht mit Lehnrecht: viermal wö-
chentlich von 11 — 1 Uhr Prof. Frensdorff.
Deutsches Privatrecht mit Ausschluss des Handels-
rechtes : Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von
9—11 Uhr Dr. Sichel.
Handelsrecht mit "Wechselrecht und Seerecht: fünf-
mal von 9-10 Uhr Prof. Thöl.
Preussisches Privatrecht: fünfstündig um 11 Uhr
Prof. Ziebarth.
Deutsches Strafrecht: fünfmal wöchentlich um 10
Uhr Prof. John.
Deutsches Reichs- und Staatsrecht : fünfmal wöchent-
lich um 12 Uhr Prof. Mejer.
Einleitung in das Preussische Verwaltungsrecht:
Sonnabend von 11—1 Uhr Prof. Mejer.
Deutsche Verfassungsgeschichte bis zum Ausgang des
Mittelalters: Dr. Sidcel Dienstag und Freits^ um 5
Uhr unentgeltlich.
40*
436
Kirchenrecht einschliesslich des Eherechts: Prof.
Dove täglich von 8 — 9 Uhr.
Geschichte der Kirchenverfassung und des Verhält-
nisses von Staat und Kirche: Prof. Dove Dienstag und
Freitag von 6 — 7 Uhr öffentlich.
Ueber den deutschen Kirchenstreit: Prof. Mejer
Montag 6 Uhr öffentliche^
Theorie des Civilprocessrechts : fünfmal wöchentlich
um 11 Uhr Prof. John.
Deutscher Strafprocess : viermal wöchentlich um 10
Uhr Prof. Zieharth.
Geschichte des Strafprocesses : Prof. Zieharth Mitt-
woch um 10 Uhr öffentlich.
Civilprocessprakticum : Dienstag und Freitag von
4 — 6 Uhr Prof. Hartmann.
Criminalistische Uebungen: Prof. Zieharth Mittwoch
(oder an einem anderen Tage) von 4—6 Uhr.
Rechtsphilosophie s. S. 439.
Medicin.
Zoologie, vergleichende Anatomie, Botanik, Chemie
siehe unter Naturwissenschaften.
Knochen- und Bänderlehre: Prof. Henle Montag,
Mittwoch, Sonnabend von 11 — 12 Uhr.
Systematische Anatomie I. Theil: Prof. Henle täg-
lich von 12-1 Uhr.
Topographische Anatomie: Prof. Henle Dienstag,
Donnerst., Freitag von 2 — 3 Uhr.
Präparirübungen , in Verbindung mit Prosector Dr.
V. Brunn täglich von 9 — 4 Uhr.
Mikroskopische Uebungen hält Dr. v. Brunn wöchent-
lich in vier zu verabredenden Stunden.
Mikroskopischen Cursus in der normalen Histologie
hält Prof, Krause Dienstag, Donnerst, und Freitag von
2-3 Uhr.
Allgemeine und besondere Physiologie mit Erläute-
rungen durch Experimente und mikroskopische Demon-
strationen: Prof. Herhst in sechs Stunden wöchentlich
um 10 Uhr.
Experimentalphysiologie II. Theil (Physiologie dea
Nervensystems und der Sinnesorgane): Prof. Meissner
täglich von 10-11 Uhr.
437
Ueber Auge und Mikroskop tragt Prof. Listing zwei
Mal wöchentlich in passenden Stunden privatissime vor.
Arbeiten im physiologischen Institute leitet Prof.
Meissner täglich in passenden Stunden.
Allgemeine Pathologie und Therapie lehrt Prof.
Krämer Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von
4—5 Uhr oder zu anderen passenden Stunden.
Allgemeine pathologische Anatomie und Physiologie :
Prof. Fonßck täglich von 12—1 Uhr.
Demonstrativen Cursus der pathologischen Anatomie
und Histologie verbunden mit Sectionsübungen an der
Leiche hält Prof. Tonfick Montag von 2—3, Mittwoch
und Sonnabend von 2 — 4 Uhr.
Praktischen Cursus der pathologischen Histologie
hält Prof. Ponfick zweimal wöchentlich in je zwei
Stunden.
Physikalische Diagnostik mit praktischen Hebungen
lehrt Prof. Eichhorst Mittwoch von 5— G Uhr, Freitag
von 6—7 Uhr, Sonnabend von 4-5 Uhr. Dasselbe trägt
Dr. Wiese viermal wöchentlich in später näher zu be-
zeichnenden Stunden vor.
Laryngoskopische Uebungen hält Prof. £tcAAor»< Sonn-
abend von 6 — 7 Uhr.
Untersuchungen des Harns nait chemischen und mi-
kroskopischen Uebungen leitet Prof. Eichhorst priva-
tissime in einer zu verabredenden Stunde.
Pharmakologie oder Lehre von den Wirkungen und
der Anwendungsweise der Arzneimittel sowie Anleitung
zum Receptschreiben : Prof. Marx Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag von 2—3 Uhr.
Experimentelle Arzneimittellehre und Receptirkunde
lehrt Prof. Marvie viermal wöchentlich von 6—7 Uhr.
Die gesammte Arzneimittellehre, mit Demonstration
der Arzneikörper und mit Versuchen über die "Wirkung
der Heilmittel und Gifte erläutert, trägt Prof. Husemann
fünfmal wöchentlich von 2—3 Uhr oder zu gele<^enerer
Zeit vor. °
Praktische Uebungen im Abfassen ärztlicher Ver-
ordnungen hält Prof. Husemann Montag von 3—4 Uhr
öffentlich.
Pharmakologische und toxikologische Untersuchun-
gen leitet Prof. Martnc im pharmakologischen Institut
täglich wie bisher, Prof. Husemann gleichMls wie
bisher.
438
Pharmacie lehrt Prof. Wiggers 6 Mal wöchentlicli
von 8—9 Uhr; Dasselbe Prof. von TJslar 4 Stunden um
3 Uhr; Dasselbe Dr. Stromeyer privatissime.
Elektrotherapeutische Curse hält Professor Marme
in später zu bestimnienden Stunden.
Specielle Pathologie und Therapie 2. Hälfte Prof.
Ebstein Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag von
5-6 Uhr.
Ueber acute Infectionskrankheiten trägt Prof. Hasse
viermal wöchentlich vor.
Ueber Hautkrankheiten und Syphilis trägt Prof.
Krämer 3 stündlich vor.
Ueber Kinderkrankheiten liest Prof. Eichhorst Mitt-
woch von 4 — 5, Freitag von 5 — 6 Uhr.
Die medicinische Klinik und Poliklinik leitet Prof.
Ebstein täglich von lO^i— 12 Uhr.
Specielle Chirurgie: Prof. Lohmeyer fünfmal wö-
chentlich von 8 — 9 Uhr.
Ausgewählte Capitel aus der speciellen Chirurgie
von Kopf, Hals und Rumpf trägt Prof. König vierstündig
von 4—5 Uhr vor.
Die Lehre von den chirurgischen Operationen trägt
Prof. Rosenbach vier Mal wöchentlich um 6 Uhr vor;
Die chirurgische Klinik leitet Prof. König täglich
ausser Sonnabend von 978 — 10^/4 Uhr.
Chirurgische Poliklinik wird Sonnabend von 9V2 —
10% Uhr von Prof. König u. Prof, Rosenbach abwech-
selnd Und öffentlich gehalten.
Augenoperationscursus hält Prof. Leber Mittwoch
und Sonnabend von 8—4 Uhr.
Praktische Uebungen im Gebrauch des Augenspie-
gels leitet Prof. Leber Mittwoch und Sonnabend von
12—1 Uhr.
Klinik der Augenkrankheiten hält Prof. Leber Mon-
tag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 12—1 Uhr,
Geburtskunde trägt Prof. Schwartz Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag um 3 Uhr vor.
Geburtshülflichen Operationscursus am Phantom hält
Dr. Hartwig Mittwoch und Sonnabend um 8 Uhr.
Geburtshülflich-gynaekologische Klinik leitet Prof,
Schwartz Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag um
8 Uhr.
Ein Examinatorium der Geburtshülfe hält Dr. Hart'
439
tcig zweimal wöchentlich in noch zn bestimmenden
Stunden unentgeltlich.
Psychiatrische Klinik in Verbindung mit systema-
tischen Vorträgen über die Lehre von den Geisteskrank-
heiten hält Prof. Met/er in wöchentlich vier Stunden.
Gerichtliche Medicin trägt Prof. Krause Dienstag
und Freitag von 4—5 Uhr vor.
Forensische Psychiatrie, erläutert an Geisteskranken,
lehrt Prof. Meyer wöchentlich in zwei zu verabreden-
den Stunden. -r. <? »*■ •
Ueber öffentliche Gesundheitspflege trägt Prof. 3/ew«-
ner Dienstag, Mittwoch, Freitag von 5—6 Uhr vor.
Anatomie, Physiologie und specielle Pathologie der
Hausthiere lehrt Prof. ^aser fünf Mal wöchentlich von
8-9 Uhr. .^ , ^.,
Klinische Demonstrationen im Thierhospitale halt
Prof. Esser in zu verabredenden Stunden.
Philosophie.
Geschichte der alten Philosophie: Prof. Fe ipers, Moni.
Dienst. Donn. Freit., 12 Uhr. — Geschichte der neue-
ren Philosophie mit Einleitung über Patristik und
Scholastik: Prof. Baumann, Mont. Dienst. Donnerst.
Freit., 5 Uhr. — Ueber Geschichte und Ziel der me-
chanischen "Weltauffassung: Br. Müller, Mittw., 4 Uhr
imentgeltlich.
Logik und Encyclopädie der Philosophie: Dr. Heh-
nisch, Mont. Dienst. Donnerst. Freit. , 12 Uhr.
Deductive und inductive Logik : Dr. Ueberhorst, vier-
stündig, 10 Uhr.
Psychologie: Prof. Lotze, vier Stunden, 4 Uhr.
Ueber die Theorien der Raumanschauung: Dr.
Ueberhorst, Mittwoch, 10 Uhr, unentgeltlich.
Rechtsphilosophie: Prof. Baumann, Mont. Dienst.
Donn. Freit., 3 Uhr.
Aesthetik: Prof. Bohtz, Mont. Dienst. Donnerst, u.
Freit., 11 Uhr.
Ueber die Ausbildung des Willens und des Cha-
rakters: Prof. Baumann, Mont. 6 Uhr., öffentlich.
Prof. Peipers wird in einerphilos. Societät das erste
und zwölfte Buch der Metaphysik des Aristoteles, Dienst.
44Ö '
6 Uhr, in einer zweiten Leibnitz' Monadologie, Freit. 6
Uhr, behandeln, beides öffentlich.
Erziehungslehre : Prof. Krüger, zwei Stunden, 3 Uhr.
Die Uebungen des K. pädagogischen Seminars leitet
Frof. Sauppe, Donn. und Freit., 11 Uhr.
Mathematik und Astronomie.
Ausgewählte Kapitel der analytischen Geometrie:
Prof. Schwarz, Mont. und Donnerst. 4 Uhr, öffentlich.
Ueber krumme Flächen und Curven doppelter Krüm-
mung: Prof. Schwarz, fünf Stunden, 9 Uhr.
Algebraische Analysis , mit einer Einleitung über
die Grundbegriffe der Arithmetik: Prof. Stern, fünf
Stunden, 11 Uhr.
Differential - und Integralrechnung nebst kurzer Ein-
leitung in die analytische Geometrie der Ebene: Prof.
Enneper, Mont. bis Freit., 9 Uhr.
Theorie der elliptischen Funktionen: Prof. Schwarz,
fünf Stunden, 11 Uhr.
Theorie der Determinanten: Prof. Enneper, Dienst,
und Freit., öffentlich.
Potentialfunktionen und deren Anwendung auf die
Lehre von der Schwerkraft, vom Magnetismus und von
der Electricität : Prof. Schering^ Mont. Dienst. Donn.
Freit., 8 Uhr.
Mechanik: Prof. Stern, Mont. Dienst. Donn. Freit.
10 Uhr.
Hydrostatik: Prof. Ulrich, 4 Stunden, 5 Uhr.
Mathematische Theorie des Lichts: Dr. Fromme,
Moni, Dienst, u. Donn. 12 Uhr.
Theoretische Astronomie: Prof. Klinkerfues , Mont.
Dienst. Donnerst, u. Freit. 12 Uhr.
In dem mathematisch-physikalischen Seminar leiten
mathematische Uebungen Prof. Stern, Mittwoch 10 Uhr,
und Prof. Schwarz, Freit. 12 Uhr; leitet die von 'den
Mitgliedern über Analysis gehaltenen Vorträge Prof.
Schering, Mittw. , 8 Uhr, giebt Anleitung zur Anstel-
lung astronomischer Beobachtungen Prof. Klinkerfues,
in einer passenden Stunde. Vgl. Naturwissenschaften
S. 441.
Mathematische CoUoquien wird Prof. Schtoarz, priva-
tissime und unentgeltlich, wie bisher leiten.
441
Naturwissenschaften .
Vergleichende Anatomie: Prof. Ehlers^ Mont. bis
Freit., 3 Uhr.
Naturgeschichte der Wir belthiere: Hr. Ludwig, Mittw.
u. Sonnab., 10 Uhr.
Lebensgewohnheiten und Kunstfertigkeiten der
Thiere: Prof. Ehlers, Mont. u. Dienst, 6 Uhr.
Zootomisch - mikroskopischer Kurs : Prof. Ehlers,
Dienst, und Donnerst. 11 — 1 Uhr.
Zoologisch -zootomische Uebungen wird Prof. Ehlers
täglich in den Vormittagsstunden anstellen.
Eine zoologische Societät leitet Prof. Ehlers prira-
tissime, unentgeltlich.
Einleitung in die Botanik und das natürliche Pflan-
zensystem: Dr. Drude, Mont. bis Freit., 12 Uhr.
Allgemeiner Theil der Physiologie der Pflanxen :
Prof. Grisebach, Mont. u. Donnerstag, 4 Uhr.
Allgemeine Botanik (Anatomie, Morphologie, Entwick-
lung der Pflanzen): Prof. Reinke , Mont. Dienst. Donn.
Freit., 12 Uhr.
Einleitung in die Kryptogamenkunde : Prof. Reinke,
Mittw. 12 Uhr.
Deutschlands Flora, Theil 11, Kryptogamen: Dr.
Drude, Mont. Dienst. Donnerst. 3 Uhr.
Klimatologisch - pflanzengeographische Skizze von
Deutschland: Dr. Drude, Freit., 6 Uhr. unentgeltlich-
Ueber otficinelle Pflanzen : Prof. Grisebach, Dienst, u.
Freit., 4 Uhr.
Demonstrationen an Treibhauspflanzen des botani-
schen Gartens: Prof. Grisebach, Mittw. 11 Uhr, öfi"ent-
lich.
Mikroskopisch -botanischer Kursus: Prof. Reinke,
Mont. u. Dienst. 11—1 Uhr.
Mikroskopisch-pharmaceutischer Kursus: Prof. Reinke,
Sonnabend 9 — 11 Uhr.
Uebungen in Systematik und Pflanzengeographie lei-
tet Dr. Drude in seiner Societät, Mittw. 2 Uhr.
Mineralogie: Prof. Klein, fünf Stunden, 11 Uhr.
Elemente der Mineralogie , mit besonderer Berück-
sichtigung der nutzbaren Mineralien, verbunden mit
Demonstrationen und Uebungen : Dr. Lang, Mont. Dienst.
Donn. Freit., 2 Uhr.
442
Krystallograpbie (nach Miller) und Krystalloptik :
Prof. Listing, Moni Dienst. Denn. Freit., 4 Uhr.
Petrographie , mit besonderer Berücksichtigung der
mikroskopischen Untersuchung: Dr. Geinitz^ Mont. u.
Freit. 10 Uhr.
Palaeontologie : Prof. von Seebach, fünf Stunden, 9 Uhr.
Chemische Geologie : Dr. Geinitz, Donnerst, oder Sonn-
abend 10 Uhr.
Petrographische und palaeontologische Uebungen
leitet in Verbindung mit dem Assistenten Dr. Geinitz
Prof. von Seebach , Montag , Dienstag und Donnerstag
IOV4— 1 ^^^, privatissime, aber unentgeltlich.
Mineralogische Uebungen: Prof. Klein, Sonnab.
10-12 Uhr, öffentlich.
Die in der Geologie Fortgeschritteneren ladet Prof.
von Seebach zu der geologischen Gesellschaft ein, Mitt-
woch Abends 6—8 Uhr.
Petrographische Uebungen im geologischen Institut:
Dr. Geinitz, Dienstag, 10 — 1 Uhr, unentgeltlich.
Experimentalphysik , zweiter Theil, Magnetismus,
Elektricität und Warme : Prof. Stecke , Mont. Dienst.
Donnerst. Freit., 5 Uhr.
Ueber Auge und Mikroskop: Prof. Listing, privatis-
sime, in zwei zu verabredenden Stunden.
Die praktischen Uebungen im physikalischen La-
boratorium leitet Prof. Rieche , in Gemeinschaft mit
den Assistenten Dr. Fromme und Dr. Hoppe (Erste Ab-
theilung: Dienst. Donnerst. Freit. 2—4 Uhr und Sonn-
abend 9 — 1 Uhr; zweite Abtheilung: Dienst, u. Freit.
2-4 Uhr,' Sonnabend 11-1 Uhr).
Physikalisches Colloquium : Prof. Listing , Sonnab.
11—1 Uhr.
Repetitorium über das Gebiet der Experimentalphy-
sik: Dr. Fromme, Dienst, u. Freit. 6 Uhr, privatissime.
Magnetismus und Optik: vgl. Mathematik S. 440.
In dem mathematisch -physikalischen Seminar leitet
physikalische Uebungen Prof. Listing, Mittwoch, um
12 Uhr. Theorie des inducirten Magnetismus und der
dielektrischen Körper: Prof. Rieche, Mittwoch 11 Uhr.
Vgl. Mathematik und Astronomie S. 440.
Allgemeine Chemie: Prof. Hübner, sechs Stund., 9 Uhr.
Grundlehren der Chemie : Prof. Hübner, Freit., 12 Uhr.
443
Organische Chemie : Dr. Post, dreimal wSchentlicli
(Mont. u. Mittw. 12 Uhr, Freit, in passender Stunde).
Organische Chemie für Mediciner: Prof. von Uslar,
in später zu bestimmenden Stunden.
Technische Chemie, speciell für Landwirthe : Prot
ToUens, Mittw. Donnerst, u. Freit. 10 Uhr.
Chemische Technologie (begleitet von Eicursionen):
Dr. Post, Dienst, und Donnerst., 12 Uhr.
Einzelne Zweige der theoretischen Chemie: Dr. Stro-
meyer, privatissime.
Uebungen in chemischen Rechnungen (Stoechiome-
trie): Prof. Tollem, Dienst., 9 Uhr, öffentlich.
Die Vorlesungen über Pharmacie s. unter Mediein
S. 437.
Die praktisch-chemischen Uebungen u. wissenschafl-
lichen Arbeiten im akademischen Laboratorium leiten
die Professoren Wöhler und JSnbner in Gemeinschaft
mit den Assistenten Dr. Jannasch, Dr. Post, Dr. Fre-
richs, Dr. Wiesinger, Dr. Polistorf, Dr. Brückner.
Prof. Boedeker leitet die praktisch - chemischen Ue-
bungen im physiologisch- chemischen Laboratorium, täg-
lich (mit Ausschl. d. Sonnab.) 8—12 und 2—4 Uhr.
Prof. ToUens leitet die praktisch-chemischen Uebun-
gen im agriculturchemischen Laboratorium in Gemein-
schaft mit dem Assistenten Dr. Clemm, Mont. bis Freit,
von 8—12 vmd von 2—4 Uhr.
Historische "Wissenschaften.
Historisch - politische Geographie Europas: Prof.
Pauli:, vier Stunden, 8 Uhr.
Entdeckungsgeschichte und Geographie von Ame-
rika: Prof. Wappäus, Mont. Dienst. Donnerst. Freit.,
11 Uhr.
Methodik und Encyclopädie des Geschichtsstudiums:
Dr. Bernheim, Dienst. Donnerst. Freit. 10 Uhr.
Griechische Geschichte: Prof. Nissen, 4 Stunden,
12 Uhr.
Neuere Geschichte bis zum Westphälischen Frieden:
Prof. Pauli, vier Stunden, 5 Uhr.
Geschichte des Revolutionszeitalters von 1789: Dr.
Höhlbaum, 3 St.
Neueste Geschichte seit 1815: Prof. Weizsäeker, vier
Stunden, 4 Uhr.
444
Deutsche Geschichte vom Interregnum bis zur Re-
formation: Prof. Weizsäcker, 4 Stunden, 9 Uhr.
Greschichte Frankreichs im Mittelalter: Prof. Stein-
dorff, Mittwoch u. Sonnabend, 11 Uhr.
Geschichte Italiens im Mittelalter: Assessor Dr.
Wüstenfeld^ Mont. Dienst, Donn. Freit., 10 Uhr, unent-
geltlich.
Historische Uebungen über Herodot leitet Prof.
Nissen, in einer noch zu bestimmenden Stunde, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Pauli ^ Mittwoch,
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Weizsäcker, Freit.
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Steindorff, Donnerst.
5 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen: Dr. Bernheim, Dienst. 6 — T^/j
Uhr, unentgeltlich.
Kirchengeschichte: s. unter Theologie S. 434,
Staats Wissenschaft und Landwirthschaft.
Nationalökonomie: Dr. Pierstorff, 4 Stunden, 5 Uhr.
Volkswirthschaftspolitik (praktische Nationalökono-
mie): Prof. Haussen, vier Stunden, 12 Uhr.
Finanzwissenschaft, insbesondere die Lehre von den
Steuern: Prof. Hanssen, vier Stunden, 4 Uhr.
Wirthschaftliche Gesetzgebung im Reiche, IV.: Dr.
Pierstorff, Mittw. 6 Uhr, unentgeltlich.
Ueber die wirthschaftliche Entwicklung Deutschlands
in den Jahren 1867 bis 1876: Prof. Soetbeer , Mont. u.
Donnerst., 6 Uhr.
Einleitung in das landwirthschaftliche Studium:
Prof. Drechsler, 1 Stunde, öffentlich.
Allgemeine Ackerbaulehre: Dr. Fesca, Montag,
Dienst. Mittw. Donnerst., 10 Uhr.
Die Ackerbausysteme (Felderwirthschaft , Feldgras-
wirthschaft, Fruchtwechselwirthschaft u. s. w.): Prof.
Griepenkerl, in zwei passenden Stunden, unentgeltlich.
Die allgemeine und specielle landwirthschaftliche
Thierproductionslehre (Lehre von den Nutzungen, Ra^en,
der Züchtung, Ernährung und Pflege des Pferdes,
Rindes, Schafes und Schweines) : Prof Griepenkerl, Mont.
Dienst. Donnerst, und Freit., 5 Uhr. — Im Anschluss
an diese Vorlesungen werden Exkursionen nach benach-
445
barten Landgütern und Fabriken veranstaltet werden.
Landwirthschaftliche Betriebslehre: Prof. Drechsler,
vier Stunden, 4 Uhr.
Die Lehre vom Futter: Prof. Henneberg, Moni.,
Dienst, und Mittwoch, 11 Uhr.
Landwirthschaftliches Praktikum: Prof. Drechsler
und Dr. Fesca (üebungen im landw. Laboratorium
Freit, u. Sonnab. 9 — 1 Uhr; Üebungen in landw. Be-
rechnungen, Dienstag und Donnerst., 12 Uhr).
Exkursionen und Demonstrationen: Prof. Drechsler,
Mittw. Nachmittag.
Technische Chemie u. praktisch-chemische Üebungen
f. Landwirthe s. unter Naturwissenschaften S. 441.
Anatomie, Physiologie und Pathologie der Haus-
thiere s. Median S. 439.
Literärgeschichte.
Geschichte der griechischen Historiographie: Dr.
Gilbert, drei Stunden, 5 Uhr.
Geschichte der deutschen Dichtung seit dem Anfang
des 17. Jahrhunderts: Ass. Dr. Tittmann, fünf Stunden,
11 Uhr.
Ueber die Romantische Schule : Prof. Goedeke, Mittw.
5 Uhr, öffentlich.
Alterthumskunde.
Die Religions- und Kunst- Symbolik der Griechen,
mit Erklärung der wichtigsten Götter- und Heroenbilder
der Griechen: Prof. Wieseler, vier oder fünf Stunden,
10 Uhr.
Im k. archäologischen Seminar wird Prof. Wieseler
ausgewählte Kunstwerke erklären lassen, Sonnabend 10
Uhr, öffentlich. — Die schriftlichen Arbeiten der Mit-
glieder wird er privatissime beurtheilen.
Ueber die deutsche Heldensage: Dr. Tittmann, zwei
Stunden, 5 Uhr, unentgeltlich.
Vgl. Griechische und lateinische Sprache (Tacitus Ger-
mania) S. 446 und Deutsche Sprache (Heldensage) S. 446.
Vergleichende Sprachlehre.
Vergleichende Grammatik der griechischen Sprache:
Prof. Fick, vier Stunden, 10 Uhr.
446
Sprachvergleichende Societät: Prof. JVcä, Mittw.
6 Uhr.
Orientalische Sprachen.
Die Vorlesungen über das A. und N. Testament
siehe unter Theologie S. 433.
Unterricht in der arabischen Sprache : Prof. Bertheau,
Dienst, u. Freit., 2 Uhr.
Ausgewählte Stücke aus Arabischen Schriftstellern
erklärt Prof. Wüstenfeld privatissime.
Die Neupersische Sprache lehrt Prof. de Lagärde zu
gelegener Zeit öffentlich.
Erklärung von Stücken aus seiner Sanskrit-Chresto-
mathie und von vedischen Liedern : Prof. Benfey, Mont.
Dienst, u. Donnerst. 5 Uhr.
? Grundzüge derPräkrit-Grammatik und Erklärung der
^akuntalä : Dr. Bezzenberger, zwei Stunden.
Zendgrammatik und Erklärung des Ya9na: Dr. Bez-
zenberger, zwei Stunden.
Griechische und lateinische Sprache.
Elemente der griechischen und römischen Epigra-
phik: Prof. Sauppe, Mont. Dienst. Donn. Freit. 9 Uhr.
Sophokles Elektra: Prof. von Leutsch, vier Stunden,
12 Uhr.
Theokrits Gedichte : Tvoi. Dilthey, vier Stunden, 5 Uhr.
Aristoteles: vgl. Philosophie S. 439.
Ueber Polybios Leben und Schriften nebst Erklärung
seiner Staatslehre in B. VI, Mittw. u. Sonnab., 12 Uhr,
Prof. Nissen.
Terentius Adelphi und Heautontimorumenos : Prof.
Sauppe, Mont. Dienst. Donn. Freit , 2 Uhr.
Germania des Tacitus : vgl. Deutsche Sprache S. 447.
Geschichte der griech. Historiographie s. Literaturg.
S. 445.
Im K. philologischen Seminar leitet die schriftlichen
Arbeiten und Disputationen Prof. v. Leutsch, Mittw. 11
Uhr ; lässt Aristoteles Rhetorik erklären Prof. Sauppe,
Mont. U.Dienst., 11 Uhr; lässt Propertius erklären Prof.
Dilthey, Donnerst, u. Freit., 11 Uhr, alles öffentlich.
Im philologischen Proseminar leiten die schriftlichen
Arbeiten und Disputationen die Prof. v. Leutsch (Mittw.
447
10 Uhr), Sauppe (Mittw. 2 Uhr) und Düthey (Sonnab.
11 Uhr); lässt Xenophons Symposion Prof. Sauppe Sonn«
11 Uhr, und Juvenalis Prof. Düthey erklären, Sonnab.
11 Uhr, alles öffentlich.
Deutsche Sprache.
Gotische Grammatik und Lektüre der gotischen Bi-
belübersetzung: Dr. Beszenberger, rvurei Stunden.
Altsächsische Grammatik und Erklärung des He-
liand: Prof. W. Müller, Mont. u. Donnerst., 10 Uhr.
Althochdeutsche Grammatik und Lektüre der wich-
tigsten althochdeutschen Sprachdenkmäler; Dr. Wilken,
Mittw. u. Sonnab., 11 Uhr.
Die Germania des Tacitus erklärt Tom Standpunkte
der deutschen Alterthumskunde Dr. Wäken, Mont Dienst.
Donn. 4 Uhr.
Erklärung des Nibelungenliedes nebst einer Einlei-
tung über die deutsche Heldensage: Prot W. Müller^
vier Stunden, 3 Uhr.
Hartmann's von Aue Gregorius erläutert Dr. WWten
Donnerst., 6 Uhr, unentgeltHch. '
Die Uebungen der deutschen Gesellschaft leitet Prot,
Wiüi. MüUer, Dienst. 6 Uhr.
Geschichte der deutschen Literatur: s. Literärge-
tchichte, S. 445.
Neuere Sprachen.
Altenglische Grammatik, mit Erläuterung Ton Chau-
cer's Canterbury-Erzählungen: Prof. Th. Müller, Mont.
Dienst. Donnerst., 4 Uhr.
Uebungen in der französischen und englischen Spra-
che, die ersteren Mont. Dienst. Mittw., die letzteren
Donn. Freit. Sonnabend 12 Uhr: Prof. Th. Müller.
In der romanischen Societät wird Derselbe, Freit. 4
Uhr, öffentlich, ausgewählte altfranzösische Dichtungen
nach Bartsch's Chrestomathie erklären lassen.
Schöne Künste. — Fertigkeiten.
Unterricht im Zeichnen mit besonderer Rücksicht
auf naturhistorische und anatomische Gegenstände :
Zeichenlehrer Peters, Sonnabend Nachm. 2—4 Uhr.
448
Geschichte der Musik von 1500—1830: Prof. Krüger,
vier Stunden.
Harmonie und Kompositionslehre , verbunden mit
praktischen Uebungen: Musikdirector Hilh, in passen-
den Stunden.
Zur Theilnahme an den Uebungen der Singaka-
demie und des Orchesterspielvereins ladet Derselbe ein.
Reitunterricht ertheilt in der K. Universitäts - Reit-
bahn der Univ .-Stallmeister Schweppe, Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag, Sonnabend Morgens von 8—12 und
Nachm. (ausser Sonnabend) von 3 — 4 Uhr.
Fechtkunst lehrt der Universitätsfechtmeister Grüne-
klee, Tanzkunst der Universitätstanzmeister Höltzke.
Oeffentliche Sammlungen.
Die Universitätsbibliothek ist geöffnet Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag von 2 bis 3, Mittwoch und Sonn-
abend von 2 bis 4 Uhr. Zur Ansicht auf der Bibliothek
erhält man jedes Werk, das man in gesetzlicher Weise
verlangt; verliehen werden Bücher nach Abgabe einer
Semesterkarte mit der Bürgschaft eines Professors.
Ueber den Besuch und die Benutzung der theologi-
schen Seminarbibliothek , des Theatrum anatomicum , des
physiologischen Instituts, der pathologischen Sammlung,
der Sammlung von 3Iaschinen und Modellen, des zoolo-
gischen und ethnographischen Museums, des botanischen
Gartens, der Sternwarte, des physikalischen Cabinets,
der mineralogischen und der geognostisch-paläontologischen
Sammlung, der chemischen Laboratorien^ des archäologi-
schen Museums, der Gemäldesammlung , der Bibliothek
des k. philologischen Seminars, des diplomatischen Appa-
rats, der Sammlungen des landwirthschaftlichen Instituts
bestimmen besondere Reglements das Nähere.
Bei dem Logiscommissär, V&dt.Q\\ Bartels (Weender8t.82),
können die , welche Wohnungen suchen , sowohl über
die Preise, als andere Umstände Auskunft erhalten,
und auch im voraus Bestellungen machen.
449
Kachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
1. August. Mx 19. 1877.
Königliche Gesellscliaft der Wissenschaften.
Sitzung am 7. Juli.
(Fortsetzung.)
Ueber einen Tangentenmultiplikator
und über die elektromotorische Kraft
des Grove'schen Elementes.
Von
Eduard Riecke.
In einer in Poggendorfs Annalen Band 145
veröffentlichen Arbeit habe ich den Satz bewiesen.
>Ein spiralförmig von einem galvanischen
Strom umzogenes Ellipsoid übt auf einen in
seinem Inneren befindlichen magnetischen Punkt
eine konstante von der Lage desselben unab-
hängige Wirkung aus. Das Potential dieser
Wirkung hat den Werth:
Sii = wi [ {M~An))nx-\-{P—An) .py^[E-An) . re j
"vo xys die Coordinaten des betrachteten Punk-
tes mit Bezug auf dieHauptaxen des Ellipsoides,
n die Zahl der Windungen, welche auf die
Längeneinheit der Axe kommen, m, p und r die
41
450
Richtungscos. dieser Axe bezeichuen. Endlich
sind M, P und R gewisse von den Dimensionen
des Ellipsoides abhängende Constante.«
Schon in einer vorläufigen Anzeige in den
Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wiss.
vom Jahre 1870 S. 109 habe ich darauf hinge-
wiesen, daß in dem vorstehenden Satz das Prin-
cip für die Construktion eines Multiplikators
liegt , bei welchem die Direktionskraft für be-
liebige Ablenkungen der Nadel konstant bleibt.
Durch wiederholte Bestimmungen der Empfind-
lichkeit von Multiplikatoren mit Nadelablesung,
welche einen Uebungsgegenstand für das hiesige
physikalische Praktikum bildeten, bin ich in-
zwischen auf die außerordentliche Inkonstanz
dieser Empfindlichkeit bei den gebräuchlichen
Construktionen aufmerksam geworden und es
war dieß die Veranlassung zu der Construk-
tion eines Multiplikators nach dem oben ange-
gebenen Princip. Da bei dem nur in pro-
visorischer Weise hergestellten Apparat ein
Mittel zur Vermeidung der Parallaxe nicht vor-
handen war, auch die über der Theilung spielen-
den Zeiger nicht gegen Luftzug geschützt waren,
so bot die Ablesung nicht den Grad von Ge-
nauigkeit dar, wie er bei vollkommener Ein-
richtung leicht zu erreichen ist, trotz dieser Un-
vollkommenheiten ergeben die im Folgenden
mitgetheilten Messungen einen solchen Grad
von üebereinstimmuug der Versuche mit der
Theorie, daß durch dieselben die Anwendbarkeit
des Princips in vollkommen genügender Weise
bewiesen sein dürfte.
Es möge zunächst die aus der Theorie sich
ergebende Formel für die Empfindlichkeit des
Multiplikators augegeben werden. Setzen wir
451
an Stelle eines dreiaxigen EUipsoides ein abge-
plattetes Relation sellipsoid
^' . y * 4. f.' _ 1
und lassen wir die Axe der dasselbe umziehenden
Spirale zusammenfallen mit der ^-Axe des Coor-
dinatensystems , so werden die Richtungscos.
m und p gleich Null, r = 1, und das Poten-
tial der auf das Innere des Ellipsoides ausge-
übten Wirkung wird somit
n. = n{Ii—4n)z.
Setzt man :
so ergiebt sich für E der Werth
R = 27rA(A^-f l)|arctgi-^-|
die auf eine im Inneren des Multiplikators be-
findliche Magnetnadel von der Einheit des mag-
netischen Moments durch die Einheit der Strom-
intensität ausgeübte Direktionskraft d. h. die Em-
pfindlichkeit des Multiplikators erhält den Werth
w(47r— jR).
Bei der Herstellung des Multiplikators wurde
in folgender Weise verfahren. In zwei Scheiben
41*
452
aus Buxbanmholz wurden zwei vollkommen
gleiche kreisförmige "Vertiefungen eingedreht, so
daß, wenn die beiden Scheiben mit diesen Ver-
tiefungen auf einander gelegt wurden , ein zur
Aufnahme der Magnetnadel hinreichender Hohl-
raum entstand. Die beiden Scheiben wurden
dann aufeinander geleimt, so daß die Ränder
der Vertiefungen genau aufeinander paßten,
hierauf zusammen abgedreht, so daß ein abge-
plattetes Rotationsellipsoid entstand, dessen Ro-
tationsaxe mit der Axe des inneren cylindri-
schen Hohlraums, dessen Aequatorialebene mit
der Berührungsfläche der beiden Holzstücke zu-
sammenfiel. Dieses Ellipsoid wurde nach der
Richtung der Rotationsaxe durchschnitten; in
die beiden so entstandenen Hälften wurden in
der Richtung der Rotationsaxe halbkreisförmige
Canäle eingefeilt; wurden dann die beiden
Halbellipsoide wieder zusammengesetzt , so ent-
stand ein kreisrundes Loch, durch welches der
die Magnetnadel tragende Stift frei drehbar in
das Innere des EUipsoides hinabgehen konnte.
An dem über dem Multiplikator befindlichen
Ende dieses Stiftes war ein Bügel befestigt,
welcher .mit einer feinen Stahlspitze in eine ko-
nisch ausgedrehte Stahlpfanne eingesetzt war,
und gleichzeitig die zur Ablesung dienenden
Zeiger trug.
Der in ganze Grade getheilte Kreis, sammt
der den Magnet tragenden Pfanne war mit der
hölzernen Fußplatte des Apparates in fester Ver-
bindung ; in diese letztere konnten die an Schlit-
ten befestigten Halbellipsoide von beiden Seiten
her eingeschoben werden, so daß sich die Schnitt-
flächen fest aneinander legten, und der Suspen-
sionsstift frei durch die in der Richtung der
Axe bleibende Oefi'nung hindurchgieng. Da bei
453
der Wicklung des Multiplikators auf die Län-
geneinheit der Spiralaxe durchweg gleich viel
Windungen kommen mußten, so wurden in der
Peripherie des Aequatorialkreises senkrecht ge-
gen die Richtung der Spiralaxe Messingstiften
eingeschlagen, welche nach der Richtung der
Axe in gleichen Abständen von einander sich
befanden ; beim Wickeln mußten dann zwischen
je zwei aufeinanderfolgende Stifte gleich viel
Windungen gelegt werden.
Die große Axe des Holzellipsoides war gleich
120"™, die kleine Axe gleich 30™"; daraus er-
giebt sich für die Empfindlichkeit der Ausdruck :
— — - = 3,4073. w. 7».
Es wurden im ganzen 5 verschiedene Win-
dungslagen aufgewunden und ihre Empfindlich-
keiten gemessen. Bei der zuerst gewickelten Lage
kamen auf 1 Millimtr. der Axe 1,8505 Win-
dungen; es war also für dieselbe
dn.
-^ = 19,80.
Da der zu dieser ersten Lage gebrauchte
Draht zu dick war und die einzelnen Windun-
gen sich zum Theil überdeckten, so konnte ohne
zu große Unregelmäßigkeit keine zweite Win-
dungslage aufgewickelt werden ; es wurde daher
die ganze Lage wieder abgenommen und von
einem erheblich dünneren Drahte zwei Lagen
von gleicher Windungszahl wie zuvor über ein-
ander aufgewunden; der theoretische Werth der
Empfindlichkeit war demnach ebenfalls
454
%
= 19,80.
Ueber diese beiden Lagen dünnen Drahtes
wurden sodann noch zwei Lagen dickeren Drah-
tes gewickelt, für welche n = 0,4626 und da-
her der theoretische Werth der Empfindlichkeit
' == 4,95
dß
war.
IL
Die Empfindlichkeit der zuerst aufgewunde-
nen und später wieder entfernten Drahtlage
wurde in doppelter Weise gemessen. Bei der
ersten Bestimmung wurde der Strom von 4 Gro-
veschen Elementen zwischen einer Tangenten-
boussole und dem Multiplikator verzweigt, und
die Widerstände so abgeglichen , daß die Ab-
lenkungen beider nahezu gleich waren. Die bei
verschiedeneu in den unverzweigten Theil des
Schließungskreises eingeschalteten Widerständen
beobachteten gleichzeitigen Ablenkungen sind
in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
Ablenkungen
der Tangenten-
boussole.
Ablenkungen
des Multiplikators.
Empfindlichkeit.
54,50
55,0°
18,10
54,7<'
55,3°
18,17
44,1°
44,5"
18,08
34,30
34,8«
18,23
23,2«
23,6°
18,30
14,0»
14,0°
17,98
6,8°
7,0«
18,53
Mittel:
18,20
455
Aus der bekannten Empfindlichkeit derTan-
^entenboussole , sowie ans dem Verhältniß der
Widerstände der beiden Zweige ergaben sich
die in der dritten Columme enthaltenen Werthe
der Empfindlichkeit des Multiplikators. Die
unter den einzelnen Werthen hervortretenden
Abweichnngen werden den Betrag der Beobach-
tnngsfehler nicht übersteigen; die große Ab-
weichung von dem theoretischen Werth der
Empfindlichkeit, 19,80, dürfte ihren Grund zum
Theil in Unregelmäßigkeiten der Windung, zum
Theil in dem Fehler haben, welcher bei dem
geringen in den Zweig der Tangenteuboussole
eingeschalteten Widerstand in dem Verhältniß
der Widerstände beider Zweige wohl eintreten
konnte.
Bei der zweiten Bestimmungsweise der Em-
pfindlichkeit, welche bei den folgenden Messun-
gen stets zur Anwendung kam, wurde aus der
bekannten elektromotorischen Kraft der vier
zur Stromerzeugung dienenden Groveschen Ele-
mente und dem bekannten Wiederstande des
Schließungskreises die Stromstärke berechnet ;
diese gab dann in Verbindung mit der beobach-
teten Ablenkung die Empfindlichkeit des Multi-
plikators.
Die elektromotorische Bj*aft der 4 Groveschen
Elemente wurde zum Zweck der vorliegenden
Messungen wiederholt bestimmt; die Resultate
dieser Bestimmungen sollen am Schlüsse des
Aufsatzes mitgetheilt werden.
Die Werthe der Empfindlichkeit, wie sie
nach der zweiten Methode erhalten wurden, sind in
der folgenden Tabelle zusammengestellt mit den
Widerständen des Schließungskreises und den
Ablenkungen des Multiplikators:
456
Widerstanä.
Ablenkung.
Empfindlichkeit.
505,8
56,15°
18,64
705,8
46,95°
18,68
1005,8
36,90°
18,68
1405,8
28,20°
18,64
2005,8
20,65°
18,67
4005,8
10,50°
18,36
Mittel: 18,61
Es zeigen diese Werthe eine weit größere
Uebereinstimmung als die nach der ersten Me-
thode erhaltenen (zwischen 20° und 60° bis auf
-— des mit Ausschluß der letzten Beobachtung
berechneten Mittelwerthes). Der Grund liegt
ohne Zweifel darin, daß die Fehler, soweit sie
die relativen Werthe der Empfindlichkeit be-
einflussen hier allein herrühren von den Ab-
lesungsfehlern am Multiplikator, während bei
der vorhergehenden Bestimmung die Ablesungs-
fehler au Taugentenboussole und Multiplikator
sich bei jeder einzelnen Messung kombiniren.
Der absolute Unterschied, welcher zwischen den
nach beiden Methoden erhaltenen Mittelwerthen
vorhanden ist, bestätigt die Annahme, daß das
Verhältniß der Widerstände der beiden Zweige
bei der ersten Messung einen Fehler enthält.
Von den 4 Windimgslagen , welche nach
Abnahme der im Vorhergehenden besprochenen
aufgewickelt wurden, besaß die erste einen Wi-
derstand von 14,16, die zweite einen Widerstand
von 13,85 Einheiten ; der Widerstand der beiden
oberen Windungen dicken Drathes zusammen
betrug 0,1 Siemens. In den folgenden Tabellen
457
sind die für diese 4 Windungslageu erhaltenen
Resultate zusammengestellt :
I. Lage.
Widerstand.
Ablenkung.
Empfindlichkeit.
515,7
59,10°
20,09
715,7
50,46°
20,19
1015,7
40,61°
• 20,28
1415,7
31,49° .
20,21
2015,7
23,31°
20,23
4015,7
12,27
22,26
Mittel: 20,21
n. Lage.
Widerstand.
Ablenkung.
Empfindlichkeit.
515,3
58.07°
19,26
715,3
49.13°
19,25
1015,3
39.31°
19,36
1415,3
30,55°
19,46
2015,3
22,43°
19,37
4015,3
11,76°
19,46
Mittel:
19,36
Die größte Abweichung der für die Empfind-
lichkeit sich ergebenden Werthe vom Mittelwerth
beträgt bei beiden Windungslagen 0,6°/o. Der
Ablesuugsfehler dürfte bei der nur provisorisch
ausgeführten Theilung auf 0,2° anzuschlagen
sein. Bezeichnen wir durch C die Empfindlichkeit,
durch /jG den in Folge der üngenauigkeit der
Ablesung entstehenden Fehler, so ist:
JC
= +
2d<p
C ~ sin 2 9
458
also für den kleinsten Ablenkungswinkel von 12°
C
= ± 0,017.
Für den größten Ablesungswiukel von 59°
JC
-— = + 0,008.
Es ergiebt sich hieraus daß die Abweichun-
gen der Empfindlichkeit von dem Mittelwerth
innerhalb der Beobachtungsfehler liegen. Die Ab-
weichungen der aus den Beobachtungen sich
ergebenden Mittelwerthe der Empfindlichkeit
von den theoretischen Werthe 19,80 betragen
bei der ersten Lage 2,1%, bei der zweiten Lage
2,2°/o des letzteren Werthes.
Widerstand.
III. Lage.
Ablenkung.
Empfindlichkeit.
126,6
201,6
301,6
501,6
1001,6
60,22°
47,96°
36,55°
24,39°
12,70°
5,15
5,21
5,21
5,30
5,26
Mittel:
Widerstand.
126,6
201,6
301,6
501,6
1001,6
IV. Lage.
Ablenkung.
5,23
Empfindlichkeit.
59,43°
46,65°
35,33°
23,01°
12,23°
5,00
4,97
4,98
4,96
5,06
Mittel:
4,99.
459
Die Äbweiclitmgen vom Mittelwerth betragen
bei der dritten Lage 1,5%, bei der vierten Lage
1,4% desselben. Die Abweichungen von dem
theoretischen Werth 4,95, bei der dritten Lage
5,67o, bei der vierten 0,8% des letzteren. Die
größeren Abweichungen, welche bei diesen bei-
den Lagen eintreten, haben ihren Grund ohne
Zweifel darin, daß die Windungen derselben die
Fläche des Multiplikators nicht vollständig über-
deckten, sondern von einander durch größere
Lücken getrennt waren.
Es wurden daher die beiden Windungslagen
dicken Drathes verbunden, so daß der Strom
beide nach einander durchfloß und dabei fol-
gende Werthe der Empfindlichkeit erhalten,
welche in der That eine weit bessere Ueberein-
stimmung zeigen.
in. und IV. Lage verbunden.
Empfindlichkeit.
Widerstand. Ablenkung. ! Beobachtet. Berechnet.
251,7
60.17»
10.22
10,15
401,7
47,65°
10,27
10,18
601,7
36,20»
10,26
10,19
1001,7
23,50»
10,15
10,26
2001,7
12,50»
10,32
10,32
Mittel
: 10,24
10,22
Die berechneten Werthe der Empfindlichkeit
sind durch Addition der entsprechenden für
die dritte und vierte Windungslage gesondert
bestimmten Werthe erhalten. Nehmen wir das
Mittel aus den beobachteten und berechneten
Werthen, indem wir den ersteren das doppelte
Gewicht beilegen, so ergeben sich die folgenden
Werthe :
460
10,20
10,24
10,24
10,19
10,32
Mittel: 10,24
Die größte Abweichung von Mittelwerth be-
trugt 0,87o ; die Abweichung von dem theore-
tischen Werth 9,90 beträgt 3% dieses Werthes.
Mit den verbundenen Windungen der dritten
und vierten Lage wurde schließlich noch der
Versuch gemacht, ob die Constanz der Empfind-
lichkeit auch bei Benutzung eines astatischen
Nadelpaares sich erhielte, ob also das zu Grunde
liegende Princip sich auch zur Construktion von
Thermomultiplikatoren verwenden ließe. Wenn
die erlangten Resultate auch nicht vollkommen
befriedigend waren, ohne Zweifel in Folge stö-
render Einflüsse der an dem Apparat befindli-
chen Messingtheile, so dürften sie doch genügen,
um die Anwendbarkeit des Princips zur Con-
struktion von Thermomultiplikatoren nachzu-
weisen.
Das. astatische Paar war mit einem Cokon-
faden an der Decke des Zimmers aufgehängt,
der Abstand der beiden Magnete, von welchen
der untere im Inneren des Multiplikators sich
befand, betrug 200mm., so daß die Wirkung,
welche der obere Magnet von dem Multipli-
kator erlitt, gegen die auf den inneren Magnet
ausgeübte sehr klein und jedenfalls dem Cosinus
des Ablenkungswinkels proportional war. Die
Bedingung für das Gleichgewicht des astatischen
Paars bei irgend einer durch einen Strom i her-
vorgerufenen Ablenkung ist demnach folgende:
461
m,
Ct. cos 9 = (»»,— »0(1 +0—— JTsiny
Hier sind ?}i- und 7n^ die magnetischen Mo-
mente des inneren und äußeren Magnets, C die
Empfindlichkeit des Multiplikators, 0 der Tor-
sionskoefficient und T die Horizontalintensität;
die Gleichung giebt:
»«, / 9 \
.Ch—0- .1 = T.tgtp.
m,- — m^ \ siny/
Als Empfindlichkeit des Multiplikators möge
bezeichnet werden der Ausdruck.
m . / <p \
D = — .C|l-0.-^—
»i, — wifl \ sin y /
Wie man sieht ist wegen der Torsion die
Empfindlichkeit des Multiplikators abhängig von
dem Ablenkungswinkel; da indessen die Torsion
des benutzten Cokonfadens sehr klein war, so
wurde bei den im folgenden mitgetheilten Mes-
sungen keine Rücksicht auf dieselbe genommen.
Bei der zuerst getroffenen Einrichtung waren
die magnetischen Momente der beiden Stäbe:
m. = 2448000
m[ = 2358000
Die Empfindlichkeiten des Multiplikators sind
in der folgenden Tabelle zusammengestellt mit
den eingeschalteten Widerständen, den Ablen-
kungen und den aus den Ablenkungen berech-
neten Ruhelagen des astatischen Systems.
462
Widerstand.
Ablenkung.
Ruhelage.
Empfindlich-
keit.
501
55,70
3,40
117,4
751
44,40
3,00
115,9
1001
36,1°
2,30
115,0
1501
26,4«
1,60
117,1
2501
16,50
1,30
116,2
5001
8,60
1,50
118,5
Es wurde nun der Magnetismus des oberen
Stabes verstärkt, wodurch gleichzeitig der Werth
des Torsionskoefficienten auf 0,01 erhöht wurde.
Die Resultate der Beobachtungen sind in der
folgenden Tabelle zusammengestellt.
Widerstand.
Ablenkung.
Ruhelage.
Empfindlich-
keit.
2001
62,15»
0,60
176,4
3001
50,850
359,70
171,6
4001
42,250
358,1
169,3
6001
30,550
356,1
165,0
9001
21,100
355,1
161,8
18001
10,900
354,7
161,5
Durch die in beiden Beobachtungsreihen
hervortretende Aeuderung der Ruhelage, wie der
Größe der Ablenkung wird die Existenz eines
lokalen Einflusses sehr wahrscheinlich gemacht,
und durch diesen Lokaleinfluß finden auch die
Aenderungen der Empfindlichkeit, wie sie na-
mentlich bei dem stärker astatischen System
sich zeigen, eine genügende Erklärung.
m.
Zur Vergleichung mögen im Folgenden die
Empfindlichkeiten einiger anderen Multiplika-
toren mit Zeigerablesuug mitgetheilt werden.
463
Differentialmulti
Pl
ikator v. Hipp
Ablenkungswinkel.
Empfindlichkeit.
10«
19,73
20°
26,40
30°
25,72
40»
21,90
50°
16,70
60''
13,40.
Hipp'
sches G
ar
yanoskop.
Ablenkungswinkel.
Empfindlichkeit.
10«
8,14
20«
12,16
30«
12,66
40»
10,41
60°
7,91
60°
6,32
70°
5,00.
Melloni'scher Mnltiplikator.
Sehen wir ab von der Torsion des Aufhän-
gnngsfadens , so wird die Bedingung für das
Gleichgewicht des astatischen Paares bei der
Ablenkung (f in folgender Weise sich darstellen :
i.C{m -\~ m')cosy = (m — »«')Tsiny
woraus
t.C— I— , = Ttgy.
Als Empfindlichkeit des Multiplikators be-
zeichnen wir den Ausdruck
m — m*
464
in welchem C die Empfindlichkeit der beiden
Multiplikatoren für die einzelnen Nadeln des
Systems, m und m' die magnetischen Momente
der letzteren bezeichnen. Es ergaben sich theils
durch Vergleichung mit einer Tangentenboussole,
Theils durch direkte Bestimmung mit Hülfe der
bekannten elektromotorischen Kraft eines Gro-'
ve'schen Elementes die folgenden Werthe der
Empfindlichkeit D
Ausschlag.
Empfindlichkeit.
10°
2965
20«
2982
300
2936
40«
2811
50°
2634
60°
2463
70°
2160
80°
1822.
Nervanders Tangentenboussole.
Durch eine ziemliche Constanz der Empfind-
lichkeit zeichnet sich der von Nervander kon-
struirte Multiplikator aus, und zwar ist der
Grund hiefür der, daß Nervander wie es scheint
durch Tatonnement zu einer Form gelangt ist,
welche sich der von mir auf theoretischem Wege
gefundenen nahe anschließt. Nervander wand
nemlich den Drath um einen flachen Kreiscy-
linder, so daß die Windungsebenen der Axe
dieses Cylinders parallel waren. In der That er-
giebt sich so eine Annäherung an die Form
des abgeplatteten Rotationsellipsoides, in welcher
die wahre Ursache für die Constanz der Empfind-
lichkeit zu suchen ist. Ein direktes Urtheil
über diese letztere läßt sich aus den Messungen
von Nervander nicht gewinnen, die von ihm
465
ausgefülirte Prüfang bestand darin , daß er zwei
ganz gleiche Windungslagen neben einander
auf die Trommel aufwickelte und die Ablenkun-
gen bestimmte, welche ein und derselbe Strom
hervorbrachte, je nachdem er nur eine oder
beide Lagen hintereinander durchfloß. Um aus
den mitgetheilten Messungen ein ürtheil über die
Constanz zu gewinnen, möge angenommen wer-
den , daß für die geringeren Ablenkungen , wie
sie bei Anwendung nur einer Windungslage beo-
bachtet wurden, wirklich eine konstante Empfind-
lichkeit vorhanden sei ; man kann dann die Em-
pfindlichkeit, welche beiden hintereinander ein-
geschalteten Windungslagen zukommt als Viel-
faches der Empfindlichkeit jener einen Windungs-
lage berechnen ; es ergeben sich so die folgenden
Werthe der Empfindlichkeit beider Lagen, wenn
die der einen Lage durch C bezeichnet wird :
Ablenkung Empfindlichkeit
S^öl' 2,001 . G
nni' 1,966 . c
28^30' 1,980 . C
36^50' 1,918 . C
42<>30' 1,879 . C
Tangentenboussole mit 24Windungen.
Es ist dieß die Tangentenboussole, auf welche
sich das in Kohlrauschs Leitfaden Seite 152 an-
geführte Beispiel bezieht:
Ablenkung Empfindlichkeit
10» 1,1655
20« 1,1635
30» 1,1604
40» 1,1565
50° 1,1525
eO'' 1,1496
42 '
466
Die Abweichung zwischen den extremen Wer-
then beträgt l,47o.
rv.
Zum Zweck der im Vorhergehenden mitge-
th eilten Empfiudliehkeitsbestimmungen mußte
eine Reihe von Messungen der elektromotori-
schen Kraft der zur Stromerregung benutzten
4 Groveschen Elemente ausgeführt werden ; hier-
bei wurde stets die Ohmsche Methode in An-
wendung gebracht. Für die Bestimmung der
Empfindlichkeit genügte es, die elektromoto-
rische Kraft als Vielfaches der Horizontaliuten-
sität zu ermitteln. Da aber diese relativen Be-
stimmungen mit aller Sorgfalt ausgeführt waren,
so habe ich es nicht für überflüssig gehalten,
durch HinzufüguDg einer Bestimmung der ho-
rizontalen Intensität für den Ort der Beobach-
tungen auch den absoluten Werth der elektro-
motorischen Kraft Grove in den Einheiten von
Siemens und Weber zu bestimmen.
Die Horizontalintensität wurde gemessen mit
einem transportabelen Magnetometer von Meyer-
stein. Das Trägheitsmoment des Hauptmag-
nets war bei einer Temperatur von 17 Graden
gleich 160930000. Für die Schwiugungsdauer
desselben ergaben sich zu Anfang und zum
Schluß der Beobachtungen die Werthe 9,6957 sec.
und 9,6976 sec. Die Ableukungsbeobachtungen
ergaben für eine Entfernung von 450,19mm.
Die Ablenkungswinkel 6° 5' 10", für eine Ent-
fernung von 600,26mm. einen Ablenkungswinkel
von 2° 34' 48". Aus diesen Beobachtungen be-
rechnet sich für die Horizontalintensität der
Werth
T = 1,8304.
467
Um zu nntersuchen , ob dieser "Werth nicht
durch lokale Einflüsse des Messingstatives modi-
ficirt ist, wurden die Ablenkungen eines kom-
pensirten Magnetometers bestimmt, dessen Nadel
an diejenigen Stellen gebracht wurde, welche
bei den Schwingungsbeobachtungen von dem
Nord- und Südpol des Hauptmagnets eingenom-
men worden waren. Es ergab sich iiir die
Stelle des Südpols eine Ablenkung von 50,08^
für die Stelle des Nordpols eine solche von
49,88^ Wurde das Stativ entfernt und die Na-
del in die Mitte zwischen den beiden vorigen
Stellungen gebracht, so war die Ablenkung
49,95*^. Es ergiebt sich hiermit, daß der Lokal-
einfluß des Messigstatives weniger als 0,2 Pro-
ceut betrug.
Die ersten Bestimmungen der elektromotori-
schen Kraft bezogen sich auf 4 Elemente, die
schon mehrmals gebraucht waren. Die Schwefel-
säure derselben besaß bei einer Temperatur von
10° ein spec. Gewicht von 1,129, die Salpeter-
säure ein spec. Gewicht von 1,262. Es ergab
sich für die elektromotorische Kraft eines sol-
chen Elementes
19,24 Siemens Weber.
Bei den folgenden Bestimmungen wurden
die Elemente mit ganz frischer Säure gefüllt,
das specifische Gewicht der Schwefelsäure be-
trug bei einer Temperatur von 10 Graden 1,084,
das der Salpetersäure 1,392.
Die beiden ersten Bestimmungen, welche
unmittelbar nach der Füllung und Zusammen-
setzung der Elemente angestellt wurden, ergaben
1 Grove =
20,67 Siem. Web.
42*
468
und
20,88 Siem. Web.
im Mittel
20.77 Siem. Web.
Zwei weitere Bestimmungen wurden gemacht,
nachdem die Elemente während mehrerer Stun-
den in Thätigkeit gewesen waren; es ergaben
sich: die Werthe
19,86 Siem. Web.
19.78 Siem. Web.
Im Mittel
1 Grove = 19,82 Siem. Web.
Die Temperatur der Elemente betrug 15°.
Eine zweite am folgenden Tag ausgeführte
Beobachtungsreihe ergab die Werthe
19,33
19,46
19,21
19,19.
Im Mittel 1 Grove = 19,30 Siem. Web.
Die Temperatur der Elemente betrug 11,3®
Gels. Die zur Anwendung gebrachten Strom-
stärken schwankten zwischen 2,56 und 0,86 We-
ber. Die Abweichungen zwischen den Werthen,
welche bei verschiedenen Beobachtungsreihen
erhalten wurden, können wie ich glaube ihre
Erklärung nicht durch Beobachtuugsfehler fin-
den, da die Beobachtungen alle mit derselben
Sorgfalt und unter denselben Verhältnissen aus-
geführt wurden, and die zu einer und derselben
Beobachtungsreihe gehörenden Resultate eine
befriedigende üebereinstimmuug zeigen. Es er-
469
glebt sich somit aus den Messungen das Resul-
tat, daß die elektromotorische Kraft der ange-
wandten Groveschen Becher zeitlichen Aende-
rungen ihrer Große unterworfen war. Crova
fand bei seinen Versuchen eine gesetzmäßige
Abhängigkeit der elektromotorischen Kraft von
der Stromstärke so zwar, daß die elektromoto-
rische Kraft wächst mit abnehmender Strom-
stärke; da bei der im Vorhergehenden ange-
wandten Methode immer zwei Beobachtungen
mit verschiedener Stromstärke combinirt wurden,
so konnte ein solcher Einfluß der Stromstärke
aus denselben nicht nachgewiesen werden. Crova
findet nach seiner graphischen Methode
1 Grove = 20,09 Siem. Web.
Die bei seinen Bestimmungen zur Anwendung
gebrachten Stromstärken waren stets größer als
0,2679 Weber. Für eine gegen Xull konver-
girende Stromstärke erhielt er den Werth
1 Grove = 20,90 Siem. Web.
welcher mit dem durch die Compensationsmethode
gefundenen identisch sein müßte.
Kohlrausch findet nach der Compensations-
methode
1 Grove = 19,98 Siem. Web.
nach der Ohm'schen Methode unter Anwendung
von Strömen deren Stärke zwischen 1,7 und 0,9
Weber lag
1 Grove = 19,09 Siem. Web.
Mit Ausschluß der zuerst angeführten Beob-
achtung würde sich aus den von mir mitgetheil-
470
ten Messungen im Mittel ergeben
1 Grove = 19,80 Siem. Web.
Aus der Yergleichung sämmtlicher Beobach-
tungen dürfte sich der Schluß ergeben, daß die
elektromotorische Kraft des Grove'schen Ele-
mentes keine konstante Größe ist, sobald das-
selbe von einem Strom durchflössen wird, sowie
daß die durch die Wirkung des Stromes verur-
sachten Aenderungen sich der Vorherbestimmung
vorerst noch entziehen. Will man also die elek-
tromotorische Kraft des Grove'schen Elementes
unabhängig von der Stromstärke definiren, so
muß man sie definiren als die zwischen den
Polen des Elementes bestehende Potentialdifi'e-
renz, w'enn das Element nicht von einem Strome
durchflössen wird. Es ist von Interesse, daß
sich bei dieser Definition zwei verschiedene Me-
thoden zur Messung der elektromotrischen Kraft
darbieten , einmal die Messung auf elektrostati-
schem Wege, und dann auf galvanischem Wege
mit Hülfe der Poggendorf'schen Compensations-
methode. Die Verbindung beider Methoden ist
aber von besonderer Wichtigkeit deßhalb, weil
sie zu einer Bestimmung der Weber 'sehen Con-
stanten c führt. In der That ist es ein hiemit
verwandtes Princip, auf dem die von Thomson
und Maxwell ausgeführten Bestimmungen von c
beruhen. Um einen Anhaltspunkt für die Aus-
führbarkeit der elektrostatischen Messung zu be-
kommen, habe ich im Folgenden die zwischen
den Polen des Grove'schen Elementes bestehende
Potentialdiffereuz auf Gruud des von Weber
gegebenen Werthes von c berechnet.
Der Werth der elektromotorischen Kraft in
absolutem Maße ist
471
e = 9717. 10«. e^
wenn der Werth in den Einheiten von Siemens
nnd Weber durch e^^^ bezeichnet wird. Wenn
wir hier au Stelle des magnetischen Maßes der
Stromstärke das elektrodynamische Maß einfüh-
ren, so ergiebt sich als Werth der elektromoto-
rischen Kraft in diesem elektrodynamischen Maße
_ 9717 J^
Hieraus ergiebt sich endlich der Werth der
elektromotorischen Kraft in dem allgemeinen
Maße der Mechanik
2 l/f. 9717 . 106
Je = -^ e .
Wenn wir andererseits einen Leiter betrach-
ten, an dessen Enden die Spannung die Werthe
V und Vf^ besitzt, so ist die Summe aller auf
denselben ausgeübten elektromotorischen Kräfte
nach jenem allgemeinen Maße gleich
2 (»'„->'»)•
Durch Gleichsetzung der beiden Ausdrücke
ergiebt sich somit:
Dieselbe Beziehung läßt sich auch in folgen-
der Weise ableiten. Wenn die in absolutem
472
Maße gemessene elektromotorische Kraft e in ei-
nem Leiter den Strom i nach magnetischem
Maaß erzeugt, so ist die dabei geleistete Arbeit
gleich e.i. Ist andererseits F^ — F^ die Poten-
tialdifferenz für die Endpunkte des Leiters, s die
Stromstärke nach Webers absolutem mechani-
schem Maß, so ist dieselbe Arbeit gegeben durch
2(F^ — V^.s. Somit ergiebt sich:
oder da
a "h
C
Substituiren wir für das Grove'sche Element
den Werth e =20, für c den von Weber
gegebenen Werth, so ergiebt sich:
V — ^717.10^.20
«~^ ~ 310756.10«
= 0,625.
Zur Vergleichung möge angeführt werden,
daß sich bei einem Zerstreuungskoefficienten
der Luft von 0,044 für das Potential der inneren
Belegung einer kleinen Leidner Flasche der Werth
1330 ergab.
Würden die beiden Pole eines Grove'schen
Elementes mit zwei Metallkugeln von 10mm.
473
Halbmesser verbunden, so würden die auf diesen
angesammelten Elektricitätsmengen gleich 3,12
nach elektrostatischem Maße sein, würde man
statt 1 Element deren 50 nehmen, so würde
jene Elektricitätsmenge auf 156 elektrostatische
Einheiten anwachsen. Unter diesen Umständen
möge die eine Kugel an den Arm einer Dreh-
wage von der Länge von 150 mm. befestigt sein,
während die andere als feste Standkugel diene.
Wenn die Kugeln nicht geladen sind, so mögen
die nach denselben hingehenden Radien einen
Winkel von 30 Graden mit einander einschließen.
Nach Herstellung der Verbindung mit den Po-
len der Groveschen Batterie möge dieser Winkel
noch 29 Grade betragen. Wir haben dann für
das Gleichgewicht des Wagbalkens die Bedingung
156.156 ,,,, n ^
cos 14,5"^ == — - . D
4.150.sinl4,5o ' 180
wo D die Direktionskraft der Torsion bezeichnet;
es ergiebt sich:
B = 35875.
Nach Beer ist die Direktionskraft eines Sil-
berdrahtes vom Halbmesser r und der Länge l
gleich
TT. 9810. 1410.106. y.
Nehmen wir also den Halbmesser r = 0,1mm.,
so ergiebt sich für l der Werth
l = 1203 mm.,
wenn die Direktionskraft gleich dem oben be-
rechneten Werthe sein soll.
474
Der im Vorhergehenden beschriebene Multi-
plikator ist für den Preiß von 75 Mark aus der
Werkstätte des Herrn Dr. Meyerstein zu be-
ziehen. Bei dem Apparat, wie ich ihn eben
durch Herrn Dr. Meyerstein ausführen lasse,
wird die Theilung zur Vermeidung der Parallel-
axe auf Spiegelglas ausgeführt werden, und wer-
den die Zeiger in gewöhnlicher Weise durch
einen Glasdeckel gegen Luftströmungen ge-
schützt«
Mittheilung über die Pyroelectricität
des Turmalins.
Von
Dr. Edmund Hoppe.
Vorgelegt von Ed. Riecke.
Seit langer Zeit ist das pyroelectrische Ver-
halten des Turmalins bekannt und seit den Ar-
beiten Aepinus' Gegenstand der mannigfachsten
Untersuchungen gewesen. Man fand im Ver-
folge derselben, daß nicht allein der Turmaliu
die Eigenschaft, beim Erwärmen und Abkühlen
electrisch zu werden , besitze , sondern daß die-
selbe einer großen Anzahl von Erystallen, viel-
leicht allen, zukomme. In den letzten Jahrzehn-
ten ist in dieser Richtung ein gewisser Abschluß
erreicht durch die Untersuchungen Hankels ^),
welcher die Vertheilung der Electricität auf der
1) Man sehe die betreffenden Bände der Abhandlung
d. Köuigl. Sachs. Gesell, d. Wissenschaft.
475
Oberfläche der einzelnen Krystallindividuen be-
stimmte und fdr verwandte Arten allgemeine
Regeln fand. Allein es ist dadurch noch keine
Aufklärung über die Entstehung der Electricität
gegeben , ebensowenig wie ein Zusammenhang
zwischen der jeweiligen Temperatur und dem
Auftreten der Electricität nachgewiesen, ein
Umstand, der, wie ich, nachdem diese Unter-
suchung l3ereits begonnen, nachträglich ersehe,
die Fürstl. Jablonovsk/sche Gesellschaft zur
Stellung einer dahin zielenden Preisaufgabe für
das Jahr 1879 veranlaßt hat.
Angeregt wurde ich, mich mit dieser Frage
näher zu beschäftigen, durch Herrn Professor
Riecke, welchem ich hierfür, so wie für die
Erlaubniß zum Gebrauch der Apparat« des hie-
sigen Instituts meinen Dank ausspreche.
Die Erregung der Electricität und ihre Yer-
theilung auf der Oberfläche der Krystalle geht,
wieErman^) sich ausdrückt vom »Inneren« der
Krystalle aus vor sich , hängt also wesentlich
von der Struktur derselben ab; es schien mir
daher rathsam, den Krystall in seinem electri-
schen Zustande nach Art der Magnete aufzu-
fassen als einen aus einzelnen mit Electricität
versehenen Moleciilen bestehenden Stab, deren
je zwei in Bezug auf den Mittelpunkt des Kry-
stalls symmetrisch liegende die gleiche aber ent-
gegengesetzte Electricitätsmenge besitzen. Dann
werden wir uns analog wie bei den Magneten
die Electricitätsmengen concentrirt denken kön-
nen in 2 Punkte, die zum Mittelpunkte sym-
metrisch und in der Kjrystallographischen Haupt-
axe mit gleich entgegengesetzter Electricität be-
haftet liegen. Der Abstand dieser zwei Punkte,
2) Vrgl. auch Brewster. Pogg. Ännal. II. 297.
476
welche ich Pole nennen will , sei gleich &, die
Electricitätsmengen in denselben gleich Hh c,
so soll l . e das electrische Moment des
Krystalls genannt werden. Die Veränderung
dieses electrischen Momentes, welche offenbar
das sicherste Maaß für die vorhandene Electri-
citätsmenge bietet, zu bestimmen während der
Temperatur-Aenderung ist die Aufgabe nachfol-
gender Untersuchung, welche ich hier im Aus-
zuge mittheile, und ich hoffe damit einige inte-
ressante Notizen für die Erklärung der Entste-
hung der Electricität zu liefern. Um die nöthi-
gen numerischen Rechnungen ausführen zu kön-
nen, nahm ich nach dem Vorgange Coulombs bei
seinen Versuchen mit Magnetstäben an, daß der
Abstand der Pole = l annähernd gleich ^^/n
des Abstandes der äußeren Enden des Krystalls
sei; doch ist diese Annahme, da ich nur rela-
tive Messungen machte, unwesentlich. Meiner
Untersuchung diente ein Turmalin, welcher ja
die stärkste Electricitätserregung zeigt, und wenn
so die Untersuchung auch einen ganz speciellen
Character gewinnt, glaube ich doch, daß das-
selbe Verfahren auch bei andern Pyroelectrischen
Krystallen zum Ziele führen wird.
Der mir zu Gebote stehende Turmalin war
ein Exemplar von seltener Schönheit, ein dun-
kelgrüner fast schwarzer Kry stall mit sehr glatten
und ganz reinen Flächen. Das neunseitige Pris-
ma wie auch die Rhomboeder-Flächen waren
vollständig ausgebildet und zwar trat das drei-
seitige Prisma abstumpfend auf am sechsseitigen.
Der Krystall hatte eine Länge von 34™™ und
eine mittlere Dicke von 24"™. Bei der Prüfung
am Goldblattelectrometer zeigte sich eine Di-
vergenz der Blättchen von etwa 40° im Ma-
ximum.
477
Beschreibung des Apparates.
Aus einer feinen Glasröhre bog ich vor dem
Gasgebläse ein Neuneck , welches den Krystall
eng umschloß und oben eine Ausbucht hatte,
in welche ein Hartgummihaken faßte, der
durch Seidenfäden und Schellack fest mit dem
Glasgestell verbunden war. Das Glasgestell
wurde, theils um den Krystall fest einzuschließen,
theils um ihn vollständig zu isoliren mit Seide
übersponnen. Der Hartgummihaken trug an
seinem oberen Ende einen horizontalen Quer-
balken, an welchem die Enden eines hinreichend
starken Coconfadens geknüpft wurden, welcher
in seiner Mitte über eine an der Zimmerwand
befestigte Rolle ging. Dicht unter dem Quer-
balken befand sich ein Spiegel, der durch ein
symmetrisches Uebergewicht aequilibrirt war.
In diese Aufhängevorrichtung schob ich den
Krystall und keilte ihn mit Hartgummikeilen
fest. An dieser Bifillarsuspension schwebte der
Krystall in einem 12,5 Centimeter weiten Glas-
cylinder, welcher durch einen Glasdeckel mit
Hülfe von Wachs fest verschlossen werden
konnte. Jener Deckel hatte, 4 Durchbohrungen,
durch deren Eine , die länglich war , um die
Lage des Krystalls in dem CylLuder verändern
zu können, jener Hartgummistiel ragte, sodaß
der Spiegel sich außerhalb des Cylinders be-
fand; durch die zweite OeflFnung des Deckels,
in der Verlängerung jener ersten gelegen , ging
ein durch Schellack vollständig isolirter, 1,5"^
dicker Kupferdraht, welcher oberhalb des Deckels
in einen Haken gebogen war, und an dessen
unteres Ende, welches in den Glascyliuder hin--
abragte eine massive etwa 15™" dicke Messing-
478
kugel geschraubt war. Durch die beiden andern
OeffnuDgen ragten 2 durch Korkscheiben gehal-
tenen Thermometer in den Raum des Cylinders.
Durch Heben oder Senken des Cylinders konnte
erreicht werden, daß der Mittelpunkt jener Ku-
gel mit der krystallographischen Hauptaxe des
Turmalins in einer Horizontalebne lag, während
durch Drehen desselben bewirkt wurde, daß das
Loth von dem Mittelpunkt der Kugel auf die
krystallographische Hauptaxe im unelectrischen
Zustande des Turmalins den Mittelpunkt dessel-
ben traf; diese Stellung will ich die »normale«
nennen. Die Temperatur der Luft im Cylinder
wurde durch das arithmetische Mittel der Ab-
lesungen an beiden Thermometern bestimmt,
deren Einer etwas oberhalb, der andere etwas
unterhalb des Turmalins endete. Um die
Schwingungsdauer des bifiUar aufgehängten Tur-
malins regelmäßiger zu machen und den Eintritt
der Ruhelage zu beschleunigen, fand ich es für
gut an das Glasgestell unten einen 4™" breiten
Glasstreifen anzuschmelzen , welcher unten in
ein kleines Gefäß mit Oel tauchte. Der ganze
Cylinder wurde dann in eine Papphülle gescho-
ben, welche zur Erde abgeleitet, mit heißem
Sande gefüllt werden konnte und den Cylinder
sowohl unten wie an den Seiten fest umschloß.
Um eine zu schnelle Abkühlung zu vermeiden,
umgab ich dieselbe mit einer dicken Filzhülle,
auch der Deckel des Cylinders ward mit Filz
belegt, sodaß ich ganz langsame Abkühlung er-
zielte, welche in dem unten mitgetheilten Bei-
spiele über 7 Stunden währte. Die Thermo-
meter zeigten fast immer dieselbe Temperatur,
ein Beweis für die gleichmäßige Erwärmung
der Luft in dem Cylinder.
479
BeobachtnDgsmethode.
Um die Electricität des anf diese Weise er-
wärmten Turmalins zu messen, wnrde die Mes-
singkugel vermöge des Zuleitungsdrahtes, welcher
mit der inneren Belegung einer Leydener Flasche
in Verbindung stand, mit einer gewissen Menge
positiver oder negativer Electricität geladen,
dann entstand Wechselwirkung zwischen der
Ladung auf der Kugel und der Electricität des
Krystalls , indem der gleichnamige Pol abge-
stoßen, der ungleichnamige angezogen, also der
Krystall aus der normalen Stellung abgelenkt
wurde. Bezeichnen wir den Ablenkungswinkel
mit y, die Entfernung des Mittelpunktes des
Krystalls von dem der Kugel mit Z, die halbe
Länge der electrischen Axe mit r = Y2 /, die
Electricitätsmengen des Krystalls und der Kugel
mit resp. e und e\ und nehmen endlich an, daß
die Anziehung oder Abstoßung zweier electri-
scher Massen direct proportional ist dem Product
aus den Massen und umgekehrt dem Quadrat
ihrer Entfernung, so findet man analog wie bei
den magnetischen Beobachtungen, das durch
diese Wechselwirkung bedingte Drehungsmo-
ment Jf
1) J = e.e\ L .r.cos(p .
^ -, + '
\'U -{-r^ - 2 Lr sin g))^ [L' -\-r'-^ 2 Lr sin g>f\
Das entgegenstehende Drehungsmoment der
bifillaren Aufhängung ist, wenn B die Directions-
kraft bedeutet, die nebenbei auf 20381 014,2^»«»
berechnet wurde,
480
2) D = JB . sin y.
Ist also derKrystall bei einer Elongation in
Ruhe, so folgt das electrische Moment durch
Gleichsetzung von 1) und 2)
3) E = 2er = 2 -.tangy.
1 {R^ — 4:Ur^sm^(pf
\r^ -2Lrsm (ff -\-{m^2Lr sin cpf
I.
wo E = ]/L'^ + r'^ und A = e' .L gesetzt ist.
Ich bemerke gleich jetzt, daß innerhalb des
Rahmens meiner Untersuchung, wo (f von 0
bis 4*^ 40' schwankte, der Klammerausdruck
nahezu constant war, indem er variirte in den
Grenzen 143558,10 bis 143158,98, es ist daher
mit geringem Fehler
4) E = C . tang . y,
d. h. proportional der Tangente des Ablen-
kungswinkels zu setzen. Die Messung des Ab-
lenkungswinkels geschah mit Fernrohr, Spiegel
und Scala, Die Verbindung der Messingkugel
mit der inneren Belegung der Leydener Flasche
sollte dazu dienen, die Ladung auf der Kugel
möglichst constant zu erhalten, und erreichte
ich dies auch durchgängig, was zu prüfen der
constante oder sich allmälig verkleinernde Ab-
lenkungswinkel des Turmalins gestattete. Um
jedoch auch bei verschiedenen Versuchen die-
selbe Ladung auf der Kugel zu haben, verband
ich die innere Belegung der Flasche mit einem
Micrometerfunkeneutlader, dessen zweite Kugel
481
mit einem besonders constrnirten Commutator,
dessen Beschreibung hier übergangen werden
mag , verbunden war , welcher gestattete bald
positive bald negative Electricität von den ver-
schiedenen Polen einer Holz'schen Influenzma-
schine dem Micrometerfunkenentlader zuzu-
führen. Als passendste Ladung fand ich die,
welche durch 10" langes üeberspringen 2°"*
langer Funken gegeben wurde, während dieser
10 Secunden ließ ich die Curbel der Maschine
nach dem Schlage der Secuudenuhr genau 10-
mal umdrehen, uud glaube so auf der Kugel
eine gleichmäßige Ladung erzielt zu haben.
Selbstverständlich wurde zwischen je 2 Ver-
suchen die Kugel vollständig entladen, und habe
ich stets unmittelbar nach einander positive und
negative Electricität auf der Kugel angesammelt,
um bei möglichst , gleichen Temperaturen des
Krjstalls beide Einwirkungen zu prüfen und
etwa auftretende Anomalien zu corrigiren.
So untersuchte ich die Aenderung des elec-
trischen Momentes während der Erwärmung und
Abkühlung. Zwischen diesen beiden Perioden
wechselt bekanntlich der Turmalin seine Pola-
rität, dabei ist zu bemerken, daß beim Eintritt
der Maximaltemperatur eine Zeitlang kein Aus-
schlag zu bemerken ist, etwa während 5 Minu-
ten , dann aber tritt eine sehr schnelle Electri-
citätserregung auf. Auch bestätigten mir fast
alle Versuche die von Hankel ^) erwähnte Er-
scheinung, daß der analoge Pol seinen Wechsel
etwas eher vollzieht wie der antiloge. War
nun der Wechsel der Polarität eingetreten, so
konnte ich die Temperatur des Krjstalls und die
der Luft als gleich und ihre Abkühlung bis zur
1) Pogg. Annal. 50, p. 241.
43
Zimmertemperatur ebenfalls gleichförmig anneh-
men, da ja auch die Luft sich sehr langsam ab-
kühlte wegen der Filzhüllen; so habe ich denn
unbedenklich die Angaben der Thermometer,
welche sich in nächster Nähe des Turmalins be-
fanden, auf den Krystall selbst bezogen, während
bei der Erwärmungsperiode dies natürlich nicht
erlaubt war.
Beobachtung während einer
Abkühlungsperiode.
Nach vielen Vorversuchen habe ich endlich
5 definitive Beobachtungsreihen für die Abküh-
lung angestellt, deren Resultate ich graphisch
darstellte und deren Uebereinstimmung mir ihre
Richtigkeit verbürgte, von diesen will ich die,
bei welcher die Maximaltemperatur am höchsten
war hier reproduciren. Es wurden in der Regel
alle fünf Minuten 2 Beobachtungen gemacht,
eine mit positiver Ladung auf der Kugel , die
2te mit negativer. Aus dieser größeren Anzahl
von Versuchen stelle ich folgende Tabelle zu-
sammen wo immer eine Beobachtung fortge-
lassen ist. Die erste Columne enthält die Zeit
nach dem Wechsel der Polarität, die 2te die
beobachtete Temperatur (bei ungleichen Able-
sungen an den Thermometern das arithmetische
Mittel aus beiden) , die 3te die Electricitätsart
auf der Kugel, die 4te die zu 5 gehörigen Sca-
lenausschläge , die 5te das Mittel aus den Aus-
schlägen bei positiver und negativer Electricität,
und endlich die 6te die zu 5 gehörende Größe
tang ff. Die graphische Darstellung zeigt Fig. I.
483
CS3
CO
a
B
>
f5
c*-
B
CK}
CO
7«
^
&;
>— •
•€
0'
83,5
+
_
5'
83
±
18
10
10
82,4
±
36 1
20 i
20
81,3
±
50
38
30
80,2
±
75
57
40
78,8
±
92
78
,
50
77,2
±
99
87
l^ 0'
75,3
±
137
93
.;
10'
73,5
±
144
100
20
71,5
±
156
107
30
69,4
±
174
124
40
67,2
±
195
141
50
64,9
±
203
155
■
2^ 0'
62,6
±
239
175
10
60,2
±
260
212
20
57,7
±
297
237
14
28
44
66
85
93
115
122
132
149
168
179
0,0021
42
69
96
0,0120
140
160
180
0,0201
23
49
78
207 I 0,0310
236 50
;267
92
484
tSJ
CD
B
CD
CD
>
QQ
SO
CS
CR
30
55,2
±
341
245
293
0,0436
40
52,6
±
367
283
325
84
50
49,9
±
399
355
377
0,0540
31» 0'
47,1
±
436
370
403
0,0606
10
44
±
507
461
484
0,0700
20
40,5
±
521
477
499
0,0742
30
38,8
±
519
479
499
0,0742
40
37,2
±
499
476
484
0,0700
50
35,8
+
439
415
427
0,0636
4h 0'
84,5
+
393
387
390
0,0578
10
33,4
±
367
363
365
18
20
32,4
'±
309
313
311
0,0462
30
31,5
±
269
283
276
20
40
30,7
±
255
275
265
0,0380
50
30
±
213
239
226
42
485
CS3
Temper.
ET
>
OS
et-
a
h^ 0'
29,4
+
191
219 ;
205
04
10
28,8
+
158
190
174
0,0268
20
28,2
±
149
177
163
32
30
27,7
±
109
153
131
0,0200
40
27,2
±
93
141
117
0,0169
50
26,7
±
70
115
92
39
6h 0'
26,2
±
59
95
77
0,0111
10
25,7
±
43
71
57
0,0088
20
25,2
±
33
53
43
67
30
24,8
±
27
37
32
48
40
24,3
±
21
29
25
33
50
23,9
±
15
21
18
27
7h 0'
23,5
±
11
15
13
0,0020
7H0'
21
±
_
•—
—
Darstellung des electrischen Momentes
als Funktion der Temperatur und Zeit.
Es handelte sich nun darum die Anhängig-
keit der Curve, welche die Aenderung des elec-
trischen Momentes zeigt, von der Temperatur-
curve zu bestimmen, was durch die Angabe Bec-
querels ^), daß die Menge der Electricität nicht
der Temperatur proportional sei, wesentlich er-
schwert wurde; dabei gelangte ich endlich zu
folgendem Raisonnement. Die Aenderung des
electrischen Momentes war offenbar, wie die Cur-
ven zeigten, von der Temperaturänderung
abhängig, diese wird die Einheit des electrischen
Momentes zu vergrößern streben, d. h. wenn
mehr Electricität bereits angesammelt ist, wird
die Aenderung des electrischen Momentes größer
sein. Es wird daher diese Aenderung, bezeichnet
mit dE, proportional sein dem Producte aus der
Temperaturänderung in das schon vorhandene
electrische Moment, für ein kleines Zeittheilchen.
Dies würde nun schon zur Erklärung genügen,
wenn nicht beständig eine gewisse Menge Elec-
tricität an die Luft abgegeben wurde, und diese
Abgabe ist nach Coulomb ^) für das Zeittheilchen
dt gleich b . Edt, wo h ein dem Zerstreuungscoef-
ficienteu in Luft proportionaler Factor ist. Be-
zeichnen also a und h zwei Constante und T die
Temperatur, so wird die Aenderung des electri-
schen Moments dargestellt durch
1) dE = aEdT — lEdt.
Unter Anwendung natürlicher Logarithmen
ist das vollständige Integral
Ig E = aT — It + G.
1) Pogg. Annal. XIII.
2) Hißt, de l'Äcad. des Sciences. 1785. pag. 619.
487
Bezeichnen wir nun für die Zeit ^ = 5 die
zugehörigen E und T mit Eo und To so ist;
log Eo = al'o — hto -f- G^ und für jede andere
Zeit ^1 ergiebt sich
lg E, = Ig E, + a (Ti - To) - t^ih-Q
oder wenn man sich gemeiner Logarithmen be-
dient
2) logiTi = log£'o+0,4343 i a{Ti—To)—b{h—U) \
und analog
log£'2=log^o+0,4343 j a{Ti—Tü)—h{tt—U) j .
Aus 2) ergiebt sich dann
3. _ (^-^o)(log.E2-logJ'o)-(^»-^o)(log£'i-logjE:o)
^ 0,4343 j h[Ti-To)+h[To-Ti)+h[Ti'Tt) \'
Um diese Constante zu berechnen setze ich
E
(5 = tang (f . 10*, sodaß (5 = - . 10* ist, an die
Stelle von E eine Einsetzung, die die Rechnung
sehr vereinfacht, und aus 4 Beobachtungen für a
den Werth ergab a = — 1,64474.
Sollte nun mein Raisonnement richtig sein,
so mußte , diesen Werth von a eingesetzt in 2),
für h stets dieselbe Zahl berechnet werden für
alle Beobachtungen. Dabei ist jedoch zu be-
merken, daß h dem Zerstreuungscoefficienteu für
Luft proportional ist, also nach Coulomb 1. c. und
Rieß ^) nicht streng constant sein kann ; die Art,
wie es in nachstehenden Angaben variirt ist je-
doch mit den von Rieß angegebenen Gründen
für seine Veränderlichkeit vollständig zu erklären,
und stand mir ein solches Verhalten bereits vor
Ausführung der Rechnung als wahrscheinlich
1) ßiess, Reibungselectricität. Bd. I. pag. 117.
488
vor Augen. Noch sei bemerkt, daß zu Anfang
der Beobachtungsreihe keine volle Uebereinstim-
mung der Formelwerthe mit den Beobachtungen
zu erwarten ist aus den von Hankel 1. c. ange-
gebenen Gründen. Die umfassende Erklärung
jener Abweichung darf ich hier wohl übergehen.
Setzte ich für a seinen Werth ein, so ist
^ - 0,4343(^^-^0)
und so fand ich Werthe von 6 zu den Zeiten t
t
b
11^20'
0,222
2^ 0'
0,265
3b 0'
0,294
3'»20'
0,334
4h 0'
0,294
5^ 0'
0,276
eno'
0,251
6M0'
0,241.
Diese Zahlen beweisen die Richtigkeit meiner
Formel, während der Abkühlung: aber auch für
die Erwärmung ist sie gültig.
Verhalten während einerErwärmungs-
periode.
Oben habe ich bereits erwähnt, daß während
der Erwärmung eine Bestimmung der Temperatur
des Krystalls direct nicht wohl möglich war.
Es sind daher die Temperaturen der Luft, welche
stets abgelesen wurden, nur daher nothwendig
um die Temperatur zu den Punkten anzugeben,
wo die Polarität des Turmalins sich ändert.
[Im während der Erwärmung überhaupt beob-
achten zu können , mußte ich dieselbe verlang-
samen, konnte also nicht allen Sand auf einmal
aufschütten, sondern füllte die PappbüUe nach
489
und nach, wobei natürlich nur weniger hohe
Temperaturen erzielt wurden. Im Uebrigen war
die Beobachtungsweise der obigen gleich. Ich
lasse jetzt eine Versuchsreihe folgen, wo von
dem Anfang der Erwärmung bis zur ersten Be-
obachtung etwa 20 Minuten vergangen waren.
Columne 1 enthält die Zeit, natürlich wurde
der Uebereinstimmung mit der obigen Beobach-
tung wegen der 0 Punkt wieder an den Um-
kehrpunkt der Polarität des Turmalins gelegt,
die Zeiten also von da rückwärts gerechnet.
Columne 2 zeigt die Temperatur der Luft, 3
den Scalenausschlag , wo aus dem bei positiver
Ladung auf der Kugel und dem bei negativer
Ladung das Mittel genommen ist In Columne
4 findet sich tang y.
Zeit
Temperat.
Ausschlag
tang q)
— 75
31
139
0,0212
— 71
40
186
82
— Q6
49
220
0,0333
-64
51
232
51
— 60
51,5
245
88
— 55
52
268
0,0410
— 50
52
274'
20
— 47,5
51,8
280
23
— 45
51,5
274
0,0420
— 40
51
263
07
— 35
50
238
0,0361
— 33
49,5
220
0,0333
— 25
46,5
163
0,0244
-20
44,5
120
0,0182
— 15
42,8
76
10
— 10
41,2
32
0,0049
— 5
40.5
15
0,0022
— 0
40,2
0
0
+ 5
39,8
14
0,0020
u
490
Die graphische Darstellung dieser Beobach-
tung findet sich in Fig. 11, wobei zu bemerken,
daß ich wegen der kürzeren Dauer den Maaß-
stab der Zeit doppelt so groß nehmen konnte
wie bei Fig. I. Die übrigen für die Erwär-
mungsperiode gemachten Beobachtungen stimmen
mit dieser sehr gut überein.
Sollte nun meine Formel auch auf die Aen-
derung des electrischen Momentes während einer
Erwärmuugsperiode anwendbar bleiben, so mußte
sich, wenn a und &, für letzteres der entspre-
chende Werth für die jedesmalige Lufttemperatur
aus der im vorigen Paragraphen gegebenen Ta-
belle entnommen und für a der Werth
— 1,64474 , in die Formel 2 eingesetzt werden,
die Temperatur des Krystalls berechnen lassen,
und die auf einanderfolgenden Werthe mußten
eine Curve darstellen, welche annährend dasselbe
Krümmungsmaaß zeigt, wie die Curve, welche
entsteht, wenn man bei Anwendung der Mi-
schungsmethode zur Bestimmung der specifischen
Wärme die Temperaturen des durch den einge-
tauchten warmen Körper erwärmten Wassers
zu' verschiedenen Zeiten graphisch darstellt
und das Krümmungsmaß dieser Curve endlich
im Verhältniß Yößßö' ^^ 0,2669 die specifische
Wärme der Luft im Mittel ist, ändert ^), ich
will eine solche Curve, welche ich für den Tur-
malin 2 mal entwarf „Calorische" nennen. Die
Gleichung 2) des vorigen Paragraphen bietet
mir das Mittel T zu berechnen, es ist.
log (S J^ log @o - «» • 0,4343 {t^ - 1„)
" ''^ a. 0,4343
1) Vergl. hierzu Neumann. Pogg. Annal. XXIII.
pag. 22.
491
__ log(5„- log @„ + 04^5 (^o-g,
wobei zu beachten, daß die Zeiten sämmtlich
negativ also t^ — t^ eine positive Größe war ;
als ^0 wählte ich analog der Abkühlungsperiode
die Zeit — 5', dazu gehörte Tq = 40,5 und
(5o = 0,0022, für b endlich nahm ich einen
Mittel werth. Mit Hülfe dieser Formel berech-
nete ich folgende Tabelle, die in Fig. 2 gra-
phisch als Temperaturcurve abgebildet ist.
Zeit Temperatur Zeit Temperatur
— 5
40,5
— 10
40
— 15
39,5
— 20
38,8
— 25
38
— 30
37,2
— 35
36,3
— 40
35,4
— 45
34,4
— 50
33,4
— 55
32,3
— 60
31,2
— 65
30,1
— 70
28,9
— 75
27,7
— 95
20,4
Der Verlauf dieser Temperaturcurve stimmt so
gut mit einer „calorischen" Curve überein, daß
ich geneigt bin, dies Resultat als einen Beweis
für die Gültigkeit meiner Formel auch für die
Abkühlungsperiode anzusehen. Die Verhältnisse
der Erwärmung des Turmalins durch die warme
Luft sind aber in Folge der verzögerten Abküh-
lung derselben und durch den Umstand, daß
sich der Turmalin schon bei Beginn der Erwär-
mung in der Luft befand, so complicirt, daß ich
vor der Hand kein näheres Eingehen auf die-
selben wage, und ich muß daher bei folgendem
Resultate stehen bleiben:
492
Während die erste Anwendung der Formel 2) :
log^i = log-Eo + 0,4343 \oiTx- T,) - h(ti — t,) \
zur Berechnung der Werthe h aus der ersten
Beobachtungsreihe einen Beweis für die Gültig-
keit der Formel während der Abkühlungsperiode
giebt, liefert mir die 2te Anwendung zur Be-
rechnung der Temperaturen des Turmalins wäh-
rend der Erwärmungsperiode nur eine große
Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der An-
nahmen, auf welchen die Formel beruht, auch
während des Erwärmungszustandes, eine Wahr-
scheinlichkeit, welche noch erhöht wird durch
den Umstand, daß die Formel für die Zeit — 95
Minuten vor dem 0 Punkt, wo noch kein elec-
trisches Moment vorhanden war, und wo die
Erwärmung ihren Anfang nahm, die richtige
Temperatur 20°, 4 liefert, welches die Tempe-
ratur des Zimmers während der Beobachtung
repräsentirt."
Bei der Köiiigl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellsch.
in Wien. Bd. XXVI. 1877.
Sitzungsber. der philos. philol. u. hist. Cl. der k. Akad.
der Wiss. zu München. 1876. 5.
J. V. L a m 0 n t, Meteorologische u. magnetische Beobach-
tungen d. K. Stemw. z. München. Jahrg. 1876. 8.
— Annalend.K. Sternwarte Z.München. Bd. XXI. 1876.
Monumentorum Boicorum coUectio nova. Ed. Acad.
scient. Boica. Vol. XVI. 4.
Abhandlungen des naturwiss. Vereins zu Bremen. Bd. 5.
Hft. 2. 1877.
(Fortsetzung folgt.)
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A
tOGOOi^^v.
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\
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T
1 1 :
60'
J03OO
0
\
50-
./: i\
\
Hoppe. Ueber Pyroelectncität
493
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
15. August. M 20. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften
Sitzung am 4. August.
Grisebach, üeber Weddell's Pflanzengruppe der Hyp-
seocharideen.
Listing, Neue geometrische und dynamische Constanten
des Erdkörpers.
Schering, Analytische Theorie der Determinanten. (Er-
scheint in den Abhandlungen).
Benfey, Die Spaltung einer Sprache in mehrere lautver-
schiedene Sprachen. (Erscheint in den Abhandlungen).
Riecke, Einige Beobachtungen an dem Radiometer von
Crookes.
Fromme, üeber den Einfluß, welchen bei der Magneti-
sierung durch den galvanischen Strom gewisse Modifica-
tionen des Versuchs auf Größe und Zustand des zu er-
zeugenden Magnetismus ausüben. (Vorgelegt von
Riecke).
üeber Weddell's Pflauzengruppe der
Hypseocharideen.
Von
A. Grisebach.
Auf die in der alpinen Region der bolivischen
Anden einheimische Gattung Hypseocharis meinte
Weddell in seinem vortrefflichen Werke über die
Vegetation der CordiUeren Südamerikas eine be-
45
494
sondere Pflanzenfamilie begründen zu können
(Chloris andina in Castelnau's Reisewerk, pag.
288. PI. 81). Wiewohl er den Fruchtbau dieses
Gewächses nicht untersuchen konnte und derselbe
auch bis jetzt unbekannt geblieben ist, hoffte er,
daß man hieraus demnächst neue Gründe für
seine Ansicht würde schöpfen können. In den
reichen Sammlungen, die ich der wichtigen Reise
von Hieronymus und Lorentz nach dem Nord-
westen der Plata-Staaten verdanke, befindet sich
eine zweite, noch unbeschriebene Art von Hyp-
seocharis im Fruchtzustande , welche diese Bo-
taniker auf dem Nevado del Castillo in der ar-
gentinischen Provinz Salta entdeckt haben. Hie-
durch bin ich in den Stand gesetzt, den Cha-
rakter dieser merkwürdigen Gattung zu vervoll-
ständigen und über ihre Stellung im System
urtheilen zu können, wobei ich freilich in Bezug
auf den Bau derBlüthe auf die nicht vollständig
übereinstimmenden Darstellungen Remy's und
Weddells mich beschränkt finde. Der Beschrei-
bung der Frucht lasse ich die Diagnose der neuen
Art nachfolgen, will aber gleich im Voraus auf
die habituelle Aehnlichkeit zwischen Hypseo-
charis und gewissen Arten von Poteutilla hin-
weisen, die so groß ist, daß man die Gattung,
ohne Blüthe und Frucht zu kennen, leicht für
eine Rosacee mit fiedertheiligeu Blättern halten
könnte. So sehr gleichen die Blätter denen von
Potentilla bifurca, die Blättchen wiederholen bei
der neuen Art die terminale Zähuchenbildung
vonP. tridentata und die zwischen den größern
nicht selten eingeschalteten kleinern Blättchen
erinnern an das Blatt von Geum und Agrimonia.
Uypscocharis. Capsula globosa, calyce per*,
sistente 5partito suffulta, in coccos clausos 2 — 3^
»permoB septicide secedeus, styli rudimeutis iiM
495
fra apicem cocci cujusqne insertis, axi centrali
persistente nullo. Semina loculnm fere implen-
tia, angulo centrali cocci supra basin uniseriatim
inserta, e funicnlo brevi suspenso - adscenden-
tia, deltoideo - rotundata , rhaphe brevi ab hilo
infra mediam testara sito ad basin ejus descen-
dente epitropa, testa rugulosa, albnmine tenui
embryonem includente. Embryo cylindrico-
eochlearis, radicula supera cotyledonibns brevior,
bis gyro bis fere completo circinatim inflexis
convexo-planis linearibus.
H. tridentata nov. sp. rbizomate descendeute
perennis, foliis omnibus rosularibus lyrato-pin-
natisectis petiolatis glabris : segmentis 4 — 6-
jugis , lateralibus ovato - oblongis , inferioribus
saepe brerioribus ovatis, accessoriis triplo raino-
ribus ovato - lanceolatis integerrimis , termiuali
majori elliptico , omnibus (praeter accessoria)
apice obtusato tridentatis : deute medio lateralibus
breviori, pedunculis axillaribns foiio brevioribus
nnifloris apice bibracteolatis , Capsula calycem
excedente glandulifera. — Folia 2 — 3", segmenta
lateralia 3—4'", accessoria 1'", terminales — 10"'
longa; pedunculi adseendentes (scapiformes) IV2"
longi; Capsula 2'" diam, — Habitat in monte
Nevado del Castillo pr. Los Potreros, in prov.
argentina Salta.
Keine Gattung zeigt mit Hypseochoris eine
größere Uebereinstimmung , als Biebersteinia.
In den Verwachsungen ist diese bis jetzt nicht
beachtete Verwandtschaft zunächst angedeutet:
die getrennten Kelchblätter vereinigen sich bei
der Fruchtreife in beiden Gattungen zn einer
kurzen Röhre ; die Staminen, welche bei Hypseo-
eharis von Weddell als gesondert bezeichnet
werden, sind nach Remy und Bentham auch
hier, wie bei Biebersteinia, am Grunde ringför-
45*
496
mig verbunden; die reifen Karpelle sind völlig
gesondert, ohne in der Axe den Gewebstrang
der Geraniaceen zurückzulassen, und der Griffel
ist unterhalb der Spitze eingefügt. Der Bau
des Karpells ist ebenfalls übereinstimmend: die
Samen sind weder aufrecht noch hängend, son-
dern in der Nähe des Mittelpunkts ihrer Axen-
seite befestigt und der gekrümmte Embryo liegt,
der Verticalrichtung des Karpells entsprechend,
daher quer gegen den Funiculus, mit der Radi-
cula nach aufwärts gerichtet, und diese wegen der
Kürze der Rhaphe um die halbe Länge des Sa-
mens vom Hilum entfernt; die Albumenschicht
in der harten Testa hat dieselbe Beschaffenheit
und Stärke, der Embryo dieselbe Gestalt, wenn
er gerade gestreckt gedacht wird. Hiezu kommt
die vollkommene Aehnlichkeit des Habitus, der
Blattbildung, der Inflorescenz, der Blüthengestalt
von Hypseocharis pimpinellifolia und Bieber-
steinia odora: selbst die Drüsen der letztern se-
hen wir an dem Pistill der erstem Gattung
wiederkehrend. Die Verschiedenheiten des Baus
sind aus folgendem Schema zu ersehen:
Biebersteinia. Hypseocharis
Corolla imbricativ. Corolla »contorquirt«.
Staminen 10 und zwi- Stamiuen »15, ohne
sehen ihnen 5 Drüsen. Drüsen«.
Karpelle schon zur Zeit Karpelle »zur Zeit der
der Blüthe getrennt Blüthe in der Axenlinie
und nur die Griffel an bis zur Spitze des Grif-
den kopfförmigen Nar- fels und dessen kopf-
ben schwach zusammen- förmiger Narbe verei-
hängend (secundäre Ad- uigt«, aber bei der
haesion). Fruchtreife nach Ver-
lust des Griffels sich
lösend.
497
Biebersteinia. Hypseocharls.
En Ei iu jedem Karpell. »Zwei Reihen von Ei-
ern in jedem Fache«,
von denen nur zwei bis
drei befrachtet werden.
Embryo schwach ge- Embryo schneckenfor-
bogen. mig eingerollt.
Blätter mit zwei dem Blätter mit am Grunde
Blattstiel am Grunde scheidenförmig erwei-
angewachseuen Stipu- tertem Blattstiel ohne
len. Stipulen.
Dem Typus beider Gattungen gegenüber
können diese generischeu Cliaraktere nicht dazu
dienen, sie im System von einander zu entfer-
nen. Weddell's Hypseocharideen werden daher
mit Endlicher's Biebersteinieen zu vereinigen
sein, und Hypseocharis kann als eine vikariirende
Gattung betrachtet werden, welche auf den süd-
amerikanischen Anden die in den alpinen Regio-
nen des Orients und Centralasiens einheimische
Gattung Biebersteinia vertritt.
Die wechselnden Ansichten der Systematiker
über die Verwandtschaften von Biebersteinia
sollen hier nicht näher erörtert werden, um so
weniger als dies schon von Agardh geschehen
ist (Theoria System, p. 167) und als die scharf-
sinnige Aeußeruug de CandoUe's darüber bereits
das Wesentliche enthielt (Prodr. 1. p. 707). Ich
will daher nur bemerken, daß die, wahrschein-
lich auf die Knospenlage der Corolle sich grün-
dende Ansicht Bentham's und Hooker's, nach wel-
cher Hypseocharis neben Osalis, Biebersteinia hin-
gegen zu den Geraniaceen im engern Sinne zu
stellen -wäre (Gen. pl. 1. p. 271. 276), durch den
nun erst bekannt gewordenen Bau der Frucht
■widerlegt wird. Im J. 1854 habe ich die Bie-
498
bersteinieen wegen der apokarpen Karpelle und
der habituellen Aehnlichkeit von Potentilla mit
den Rosaceen verbunden und schließe mich jetzt
der Au£Passung Agardh's an, daß sie ein Verbin-
dungsglied zwischen diesen und den Geraniaceen
bilden. Wie weit der Umfang einer natürlichen
Familie zu fassen sei, ist nicht eine wissenschaft-
liche Frage, sondern eine Angelegenheit der Con-
yenienz und des Herkommens. Es verhält sich
damit nicht anders, wie mit der willkührlichen
Umgrenzung der Sternbilder, die dazu dient, sich
leichter am Firmament zu orientiren. Gegen-
stand der Forschung ist nur, wie die Lage der
einzelnen Sterne, so im Pfianzensystem das mor-
phologische Verhältniß der Gattungen und Arten
zu einander zu bestimmen. Der Orientirung
auf diesem Gebiete ist es nicht förderlich ge-
wesen, die Gattungen, die dem Charakter größerer
Familien nicht entsprechen , als besondere Fa-
milien ihnen gleichzustellen, wodurch deren An-
zahl unübersehbar vervielfältigt werden könnte.
Vielmehr wäre es an der Zeit, zwei Fälle zu unter-
scheiden, die sich mit fortschreitender Pflanzen-
kenntniß immer häufiger in ihrer Eigenart un-
terscheiden lassen. Es giebt nämlich einmal fast
in jeder natürlichen Familie Abweichungen vom
Typus, die für sich bestehend deren Beziehungen
zu andern Typen nicht weiter aufklären, und
solche Gattungen kann man nach gewohnter
Weise als anomale Bestandtheile in ihrer Stellung
belassen. Dann aber häufen sich von Jahr zu
Jahr immer mehr die Beispiele , daß Gruppen
oder einzelne Gattungen zwischen zwei größern
natürlichen Familien in der Mitte stehen, und,
indem sie mit gleichem Recht zu der einen oder
der andern gestellt werden können, die Verwandt-
schaft derselben beurkundqn, wie die Memecyleen
409
zwischen den Myrtaceeu und Melastomaceeu,
oder Trochodeudron zwischen den Magnoliaceen
und Araliaceen (Hedera). In diesem Falle möchte
es zweckmäßig sein, eine besondere Bezeichnungs-
weise einzuführen, nicht einen Namen, nach der
Hauptgattung etwa gewählt, festzuhalten, wo-
durch der Schein entsteht, als wäre die Gruppe
den großen Gliederungen des Systems, dessen
S:ernbildern , gleich werthig, sondern die Namen
der beiden Familien etwa durch eine geeignete
Formel zu combiniren, z. B.
^- I ( Myrtaceae.
^ ( Melastomaceae.
Als ein solches Verbindungsglied zwischen den
Bosaceen und Geraniaceen sind demnach die
Gattungen Biebersteinia und Hypseocharis zu
betrachten, indem sie von den erstem durch hy-
pgyuische Insertion und eine Tendenz zur Ver-
linduug der Karpelle und Staminen, sowie durch
bestimmtere Wirtelgliederung ihrer Blüthe und
enen abweichenden Bau des Samens und Em-
h-yo sich unterscheiden, während sie von den
Geraniaceen durch die Eut^vickelung der Frucht
md des Samens und besonders dadurch abweichen,
(kß die Karpelle nicht durch einen Axenfortsatz,
S)ndern entweder nur unter sich verbunden oder
aanz getrennt sind. Eine andere Frage, die von
lentham uud Hooker aufgeworfen ist, (a. a. 0.
p 263) bezieht sich auf ihr Yerhältniß zu den
Z'gophylleeu, iudem von ihnen Biebersteinia als
eh Verbindungsglied zwischen diesen und den
Graniaceen bezeichnet wird. In dieser Bezie-
hing aber erscheint die Bemerkung R. Brown's,
de die Familie der Zygophylleen zuerst aufge-
stillt hat, noch immer maßgebend, daß ihre
Uiterscheidung wesentlich nur auf ihren Vege-
taiousorgauen , namentlich auf den opponirten
500
Blättern mit interpetiolaren Mittelblätteru be-
ruhe (Verm. Schriften, 4. S. 45), weshalb er
auch im Gegensatz zu neuern Schrifstellern Pe-
ganum davon ausschließt. Die rosulirten Blätter
in Spiralstellung und die ächten Nebenblätter
von Biebersteinia lassen damit ebenso wenig eine
Vergleichung zu, als die Trennung der Ovarien
und Griffel in dieser Gattung und ihre am Grunde
vereinigten Staminen.
Einige Beobachtungen an dem Radio-
meter von Crookes
von
Eduard Eiecke.
Durch die große Zahl neuer und überraschei-
der Erscheinungen, welche in dem kurzen Zei>-
raume seit der Wiederentdeckung der radiome-
trischen Bewegungen durch Crookes bekamt
geworden sind, dürfte nachgewiesen sein, da3
durch diese Erscheinungen der Kreis der phy-
sikalischen Thatsachen eine ebenso unerwartete
wie bedeutungsvolle Erweiterung erfahren ha.
Wenn ich mir erlaube, im Folgenden einige Bi-
obachtungen über die Bewegung des Radiomi-
ters mitzutheilen , so geht meine Absicht nir
dahin, die Aufmerksamkeit kompetenterer Phy-
siker auf eine Methode der Beobachtung zu ria-
ten, welche über einige der wichtigsten Elemeite
dieser Bewegung in sehr einfacher Weise Aif-
sehluß zu geben im Stande ist.
Wir nehmen an, daß die Rotation des la-
diometers durch einen constanten normal gejen
501
die eine Seite der Flügel gerichteten Ueberdruck
hervorgebracht werde, während gleichzeitig eine
der Winkelgeschwindigkeit proportionale Rei-
bung der Bewegung entgegenwirkt. Bezeichnen
wir unter dieser Voraussetzung durch 7> den auf
die Flächeneinheit ausgeübten Druck, durch l
den Abstand, in welchem sich der Mittelpunkt
der Fläche, von der Drehungsaxe befindet, durch
Q die Fläche, durch M das Trägheitsmoment al-
ler Flügel zusammengenommen , so ergiebt sich
für die Bewegung des Radiometerkranzes die
Differentialgleichung
wo q der Coefficient der Reibung.
d(p
Ist für < = 0 sowohl <p als auch ~ gleich
Cl V
Null, so giebt die erste Integration
das zweite Integral wird dann:
9
i'-«'.,_^«li.?(l_e-i')
Q Q Q
woraus durch Differentiation nach t
d<f> p.Q.l p.Q.l -^ t
dt Q Q
Für die von dem Radiometer erreichte con-
stante Endgeschwindigkeit ergiebt sich der
Werth
502
Substituireu wir denselban in der Gleichung
für den Drehungswiukel y, so erhalten wir:
(p = a .t — «.— (1 — e M }'
Q
Die Curve, welche durch diese Gleichung
dargestellt wird, geht in eine gerade Linie über,
sobald die Winkelgeschwindigkeit des Radiome-
ters eine constante geworden ist, die Gleichung
dieser geraden Linie ist, wie man leicht sieht,
M
(p = a , t — a . —
Q
für 9 = 0 giebt dieselbe
Q
Wenn man die Bewegung des Radiometers
von der Ruhelage aus in ihrem zeitlichen Ver-
laufe beobachtet, so sind aus diesen Beobach-
tungen die Werthe von
Q
und
_ M
~ Q
unmittelbar zu entnehmen. Die Berechnung des
auf die Flächeneinheit wirkenden Druckes p und
des ReibuugscoSfficienteu q erfordert dann nur
503
noch die Kenntniß der Masse und der Dimen-
sionen der Radiometerflagel.
Besonders hervorzuheben ist, daß der Werth
von t von der schließlichen Winkelgeschwindig-
keit a unabhängig ist. Wenn wir also für ver-
schiedene Bewegungen eines und desselben Ra-
diometers die Bewegungscurven construiren, so
müssen die geradlinigen den constanten Endge-
schwindigkeiten entsprechenden Theile dieser
Curven die Axe der Zeiten in einem und dem-
selben Punkte schneiden.
Es mögen nun Beobachtungen an zwei Ra-
diometern mitgetheilt werden, welche als Prüf-
steine für die Richtigkeit der bei der vorherge-
henden Entwickelung zn Grunde gelegten Hy-
pothesen dienen köonen.
Bei diesen Beobachtungen wurden die Ra-
diometer in das Innere eines Kastens gesetzt,
welcher in der Höhe des Kreuzes zwei einander
gegenüberliegende Oeffnuugen besaß, durch die
vordere Oeffnung konnten die Strahlen einer
Gaslampe auf das Radiometer geworfen werden,
während die hintere für die Beobachtung frei
gelassen war. Durch zwei über die Mitte der
Oeffuungen herabhängende Senkel wurde eine
vertikale Visirebene hergestellt, in welche die
Drehuugsaxe des Radiometers eingestellt wurde.
Die Anfaugsstellung des Radiometers war immer
so gewählt, daß eines der Flügelpaare gerade
in die Visirebene hineinfiel. Bei einem bestimm-
ten Secundenschlag wurde ein die vordere OefiF-
nung verdeckender Schirm entfernt, und so der
Zutritt des Lichts zu den Radiometer eröffnet,
die aufeinanderfolgenden Durchgänge der Flügel
durch die Visirebene wurden mit Hülfe eines
halbe Secundeu schlagenden Chronometers be-
stimmt. Die Beobachtungen selbst sind in den
504
folgenden Tabellen zusammengestellt, die erste
Columne enthält die Winkel, welche von dem
zuerst in die Visirebene eingestellten Flügel des
Radiometers durchlaufen würden, die zweite Co-
lumne enthält die entsprechenden Zeiten in Se-
kunden. Wurden unter denselben Verhältnissen,
d. h. bei gleichem Abstand gleicher Eelligkeit
der Flamme mehrere Beobachtungsreihen ange-
stellt, so sind diese in einer Tabelle zusammen-
gestellt, und ist aus den gleichen Winkeln ent-
sprechenden Zeiten das Mittel genommen.
Radiometer Nr. L
Der Kranz desselben trug 4 Flügel aus ge-
glühtem Glimmer, welche auf der einen Seite be-
russt waren.
Erste Beobachtungsreihe.
Die Entfernung zwischen Flamme und Ra-
diometer betrug 800 mm.
^
Miltel
n
"2
16,9
19,9
17,5
18,1
• n
24,7
28,1
26,2
26,3
!^
32,7
35,9
35,2
34,6
2n
40,2
44,0
42,5
42,2
a^r
48,5
52,7
50,0
50,4
2>n
55,5
60,4
57,8
57,9
l^
63,0
67,9
66,2
65,7
4n
70,7
75,5
73,4
73,2.
Es ergiebt sich aus diesen Beobachtungen
a = 0,203.
t = 11,2.
505
Zweite Beobachtungsreihe.
Entfernung zwischen Radiometer und Flamme
700 mm.
9 I t I Mittel
n
'2
14,0
12,9
14,3
13,7
n
20,6
19,9
21,5
20,7
^n
27,1
26,1
27,1
26,8
2n
32,2
31,4
32,7
32,1
^n
37,9
37,0
38,2
37,7
371
43,3
42,5
43,7
43,2
In
48,7
47,9
48,5
48,4
In
53,7
52,9
53,7
53,4
\n
59,1
58,3
59,0
58,8
hn
64,6
63,4
64,0
64,0
Vti
70,1
68,6
68,2
69,0
671
75,1
73,5
73,9
74,2.
Es ergiebt sich aus diesen Beobachtungen
a = 0,303
X = 11,8.
Radiometer Nro II.
Die Flügel desselben bestanden aus dünnem
auf einer Seite mit Glimmer bedeckten Messing-
blech und waren gegön die Axe des Radiome-
ters geneigt.
Erste Beobachtungsreihe.
Entfernung zwischen Radiometer und Flamme
400 mm.
9 I t I Mittel
n
n
17,2
28,6
37,0
22,2
30,2
35,4
19,7
29,4
36,2
506
9
Mittel
2n
41,6
39,5
40,5
Itt
45,7
44,1
44,9
3;r
50,1
48,6
49,3
l^
54,9
52,4
53,7
An
58,6
56,1
57,3
l'^
62,2
59,7
60,9-
hn
65,7
63,5
64,6
Vtt
69,9
67,2
68,5
ßn
73,0
70,6
71,8
'in
76,2
73,5
74,8
In
79,7
77,0
78,3
^n
83,0
80,2
81,6
871
86,0
83,2
84,6
a = 0,455
t = 28,6
Zweite ßeobachtungsreihe.
Entfernung zwischen Lampe und Radiometer
400 mm.
y
t
71
"2"
13,0
n
22,2
|7r
31,0
2rr
36,0
|7r
40,2
371
45,0
i^
49,9
47r
53,2
>
56,7
hn
60,1
V^
63,7
67t
66,9
*5i»7r
70,1
507
9
In
8»
72,7
76,2
78,7
a = 0,494
t =
28,9.
Dritte Beobachtiragsreihe.
Entfernung zwischen Radiometer und Flamme
400 mm.
9 i
t
j
Mittel
n
U,2
15,7
14,6
14,8
n
22,0
21,2
21,0
21,4
h"^
28,7
26,7
27,1
27,5
2n
33,2
32,2
32,9
32,8
^n
37,2
37,6
36,5
37,1
dn
40,7
41,5
40,6
40,9
In
45,2
45,1
44,9
45,1
An
48,2
48,9
48,2
48,4
\^
51,2
52,9
51,5
51,9
hn
54,7
56,0
54,9
55,2
IE"
58,2
59,2
58,0
58,5
OTT
60,7
62,0
61,6
61,4
s»^
63,6
65,4
64,7
64,6
771
66,5
68,1
67,5
67,4
V
69,7
71,2
70,6
70,5
a = 0,523
t = 25,0
508
Vierte Beobachtungsreihe.
Entfernung zwischen Radiometer und Flamme
370 mm.
y
^
n
2"
15,5
n
21,1
|7r
25,0
2n
28,4
4«
31,6
Stt
34,7
1^
37,5
4:71
40,1
1^
42,5
hn
45,1
\'7l
47,5
Qn
50,1
y^Tt
52,1
In
54,5
y/r
56,6
Stt
59,0
yTT
61,0
« = 0,720
t = 23,3
Fünfte Beobachtungsreihe.
Entfernung zwischen Radiometer und Flamme
370 mm.
9
t
Mittel
n
2"
12,1
12,1
12.1
n
In
18,0
21,9
17,0
20,6
17,5
21,2
509
9
Mittel
2n
25,0
23,9
24,4
^n
28,0
27,1
27,5
3;r
31,5
29,9
30,7
In
34,4
32,2
33,3
^n
36,6
35,0
35,8
%n
39,1
37,0
38,0
hn
41,6
39,6 !
40,6
V^
44,0
41,7
42,8
Qn
46,0
44,0
45,0
a = 0,690
r = 17,9.
Sechste Beobachtungsreihe.
Entfernung zwischen Radiometer und Flamme
ö70 mm.
9
t
Mittel
n
n
2n
37»
4n
Irr
Stt
6n
"771
Sn
n
11,5
16,2
20,6
23,5
26,6
29,5
32,0
34,8
36,5
39,0
41,1
43,4
45,5
47,5
49,6
51,5
53,5
a =
X =
11,6
16,5
20,6
24,0
26,5
29,6
32,1
34,9
37,5
40,0
42,2
44,5
46,5
48,5
50,5
52,5
54,7
0,770
18,7
11,5
16,3
20,6
23,7
26,5
29,5
32,0
34,8
37,0
39,5
41,6
43,9
46,0
48,0
50,0
52,0
54,1
46
510
Will man zu einer Berechnung des auf die
Flächeneinheit der Flügel wirkenden Druckes
p vorgehen, so ist die Kenntniß der Masse und
der Dimensionen der Radiometerflügel nothwen-
dig; während die letzteren auch bei einem fer-
tigen Radiometer sich mit hinreichender Annä-
herung bestimmen lassen, ist man in Betreff der
Masse auf eine sehr rohe Schätzung angewiesen.
Wenn ich im Folgenden versuche auf Grund
einer solchen Schätzung den Druck p zu bestim-
men, so können die sich ergebenden Zahlen nur
in Betreff der Größenordnung von p einen An-
haltspunkt gewähren, aber in keiner Weise auf
üebereinstimmung mit den wirklichen Wertheu
von p Anspruch machen.
Radiometer I.
Es wurde gemessen:
l = 18,2 mm
Q = eOODmm.
Die Masse der 4 Flügel zusammengenommen
wurde geschätzt = 600 milligramm, woraus
M = 200000.
Es ergeben sich hieraus die folgenden Werthe
von p
1) für « ==: 0,203 p = 0,33
2) für « = 0,303 p = 0,47.
Radiometer II.
Es wurde gemessen:
? = 16 mm
Q = eOODmm.
511
Die Masse der 4 Flügel zusammengenommen
wurde geschätzt = 340 mg. woraus
M == 100000.
Die entsprechenden Werthe von a, q und p
sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt,
hiebei sind die für p unmittelbar sich ergeben-
den Werthe noch dividirt durch cos 45° =
0,707, um aus der zu der Bewegungsrichtung
der geneigten Flügel parallelen Druckcomponente
den gegen die Oberfläche der Flügel senkrechten
Druck zu erhalten.
a 1
Q
P
0,455
3500
0,23
0,494
3460
0,25
0,523
4000
0,31
0,720
4290
0,45
0,690
5590
0,56
0,770
5350
0,61
Wie man sieht, nimmt bei dem zweiten Ra-
diometer der Reibungscoefficient mit der Ge-
schwindigkeit der Umdrehung zu, so daß also
dieses Radiometer nicht ganz den bei der theo-
retischen Entwicklung zu Grunde gelegten Vor-
aussetzungen entspricht. Bei dem ersten Ra-
diometer dagegen erweist sich der Reibungs-
coefficient als constant.
Die Ton 1 cubicmm Wasser in Folge seiner
Schwere ausgeübte Druckkraft ist gleich 9811
mechanischen Krafteinheiten, der kleinste und
größte der Werthe, welche sich im vorherge-
henden für den Druck p ergeben haben , würde
demnach dem Gewichte von 0,00002 und 0,00006
cubicmm Wasser entsprechen. Herr Schuster
fand auf anderem Wege für eine Rotationsge-
schwindigkeit von a = 20 seines Radiometers
46*
512
einen Werth von i?, der gleich dem Gewichte
von 0,0003 cubicmm. Wasser war. l^s war also
die von ihm beobachtete Rotationsgeschwmdig-
keit beiläufig 30 mal , der entsprechende Druck
7 mal größer als bei den von mir angeführten
"VfirsTicliöii«
Es möge schließlich auch auf die Bedeutung
aufmerksam gemacht werden, welche dem im
Vorhergehenden berechneten Druck ^ vom bta^^d-
punkte der Emissionstheorie aus zukommt. V^ir
denken uns das Kreuz des Radiometers für den
Augenblick festgehalten, und auf der zurückge-
stoßenen Fläche irgend eines der Flügel em ^Ja-
chenelement von IDmm Inhalt abgegrenzt. W ir
bilden uns dann die Darstellung, daßjon die-
sem Flächenstückchen aus materielle Iheilchen
nach allen Richtungen des Raumes emittirt wer-
den, deren Reaction den auf das Flachenele-
ment ausgeübten Ueberdruck i^ verursacht. An-
statt eine solche nach allen Richtungen des Rau-
mes vor sich gehende Emission zu untersuchen,
beschränken wir uns im folgenden auf die ein-
fachere Annahme, daß die emittirten Theilchen
nur eine zu der emittirenden Oberflache senk-
rechte Geschwindigkeitscomponente besitzen, ei-
nen Fall auf welchen sich der allgemeinere
leicht reduciren lassen wird.
Wir nehmen an, die emittirten Theilchen
bewegen sich unter der Wirkung einer von der
Oberfläche der Flügel auf sie ausgeübten con-
stanten Kraft, welche wir gleich f*.7r setzen
wollend wo unter ^ die Masse eines einzehien
emittirten Theilchens verstanden ist Die W ir-
kmig dieser Kraft erstrecke sich aber nur bis
zu clier gewissen Entfernung A von der Ober-
fläche des Flügels. Legen wir also i^J der Ent-
fernung A eine Parallelebene zu der Oberflache
513
des Flügels, so werden alle Theilcheu, welche
noch der Wirkung der Flügeloberfläche unter-
liegen , welche also umgekehrt auch eine
Reaction auf den Flügel ausüben, innerhalb je-
ner Parallelebenen sich befinden. Die emittirten
Theilchen mögen in der Oberfläche des Flügels
die Geschwindigkeit Null besitzen, sie mögen
die Parallelebene mit der Endgeschwindigkeit
c verlassen ; die zu der Durchlaufang des zwischen
den beiden Ebenen liegenden Weges l erfor-
derliche Zeit sei t, dann ist
c = n .%.
Alle Theilchen, welche sich in irgend einem
Augenblicke zwischen der Oberfläche des Flügels
und der Parallelebene befinden, werden nach
Verfluß der Zeit x durch die Parallelebene hin-
durchgegangen sein ; bezeichnen wir durch n die
Anzahl der Theilchen, welche in der Zeiteinheit
durch IQmm der Parallelebene hindurchgehn,
so ist die Zahl der in der Zeit x hindurchgehen-
den Theilchen gleich n . i. Ebenso groß muß
aber auch die Anzahl derjenigen Theilchen sein,
welche sich zu jeder Zeit über einem Dmm der
Flügeloberfläche in dem Baume innerhalb der
Parallebene befinden, d. h. die Zahl derjenigen
Theilchen, deren Reaction auf die Oberfläche
des Flügels in Rechnung zu bringen ist. Die von
einem einzelnen Theilchen auf die Oberfläche
des Flügels ausgeübte Kraft ist aber gleich
It.n, somit die gesammte auf IQmm der Ober-
fläche ausgeübte Reaction
2) = n .t . [i .n
oder mit Rücksicht auf den Werth von z
p = n . fji . c
dh der auf iDmm der Flügeloberfläche ausge-
514
übte Druck ist gleich der Bewegungsgröße der
in 1 Secunde emittirten Theilchen; ein Resultat
welches sich aus dem Priucip der Gleichheit der
Bewegungsgröße der emittirten Theilchen mit
der Bewegungsgröße des Flügels ohne weiteres
ergeben hätte.
Nehmen wir für p den im Mittel bei mei-
nen Versuchen vorhandenen Werth 0,4, für c
den Werth 640000 mm wie er etwa den Theil-
chen des Wasserdampfes nach der Gastheorie
zukommen würde, so ergiebt sich
»•'•=1600000'"^
lieber den Einfluss, welchen bei der
Magnetisierung durch den galvani-
schen Strom gewisse Modificatiouen
des Versuchs auf Grösse und Zustand
des zu erzeugenden Magnetismus aus-
üben,
von
Carl Fromme.
Vorgelegt von Eduard Riecko.
In der letzten Mittheilung über meine Unter-
suchungen auf dem Gebiete des Magnetismus
(Sitzung vom 5. Mai d. J.) habe ich überall be-
tont, daß bei der Gewinnung der dort bespro-
chenen Resultate der zu magnetisirende Stab
von weichem Eisen oder von Stahl erst dann in
die Magnetisiruugsspirale eingeschoben wurde,
nachdem der Strom bereits geschlossen war, so-
515
■wie daß er immer vor OeflPnung desselben
ans der Spirale entfernt wurde, daß femer
Ein- sowohl als Ausschieben äußerst langsam
und mit Vermeidung von Erschütterung ge-
schah.
Die Besprechung des Einflusses, welchen diese
Art der Versuchsanordnung gegenüber anderen
auf den zu erzeugenden Magnetismus hat, und
welche ich auf eine spätere Mittheilung ver-
schoben hatte, soll den Gegenstand der heutigen
bilden.
Bevor ich mich jedoch hierzu wende, sei es
mir gestattet, einen Punkt meiner früheren zu
verbessern resp. zu ergänzen.
An das Gesetz, welches ich für die Zunahme
des remanenten Magnetismus mit der Zahl der
Impulse der magnetisirenden Kraft aufstellte,
knüpfte sich die Frage nach der Ursache dieser
Zunahme. Zur Beleuchtung der Erscheinung zog
ich die Wirkung von Erschütterungen herbei,
welche ebenfalls, wenn sie auf den noch der
Kraft unterworfenen Stab einwirken, einen ver-
größernden Einfluß auf das Ganze sowohl wie
auf das remanente Moment ausüben.
Es hatte sich gezeigt, daß die Wiederholung
der Impulse in gewissem Maaße die Erschütte-
rungen ersetzen kann, indem ein auf das (der
angewandten Kraft entsprechende) Sättiguugs-
momeut des rem. Magnetismus gebrachter Stab
gegen schon lebhafte Erschütterungen sich fast
gleichgültig verhielt, d. h. mit Bezug auf den
rem. Magn. Während dieser nur noch unbe-
deutend sich vergrößerte, wuchs dagegen der
ganze ((x3/), also der temporäre Magnetismus
{TJM). Folgte nun einem von Erschütterung
begleiteten Impuls ein weiterer ohne Erschüt-
51Ö
terung, so zeigte sich auch dann noch ein etwas
größeres TM.
Diese Zunahme des TM nun bezeichnete ich
als permanent, und das ist es, was ich als un-
genau zurücknehmen möchte.
Sie ist nämlich nicht permanent im Sinne
dieses Worts, sie zeigt sich freilich noch bei
späteren Impulsen, aber mit stetig abnehmendem
Werth, um nach einer hinreichenden Zahl von
Impulsen ganz zu verschwinden.
Die Zunahme des TJf, welche nach einer
Erschütterung auch bei späteren Impulsen noch
zurückbleibt, ist demnach nicht permanent, son-
dern es verhält sich damit wie mit der Erschei-
nung, welche S. 275 a. E. u. S. 276 a. A. der
früheren Mittheilung besprochen ist. Es äußert
sich eben der Einfluß eines mit Erschütterung
vorgenommenen Impulses auf die folgenden ge-
rade so, wie wenn eine größere Kraft gewirkt
hätte. Denn eine »solche vergrößert die Wir-
kungen ihr folgender kleinerer Kräfte ebenfalls,
aber nicht dauernd (vorausgesetzt, daß der per-
manent magnetische Zustand ungeändert ge-
blieben ist, worüber in der vorhergehenden Mit-
theilung das Nähere): Nach Vornahme einer
hinreichenden Zahl von Impulsen der kleineren
Kraft verschwindet die durch die Wirkung der
vorhergegangenen grösseren hervorgebrachte Er-
höhung des TM der kleineren Kraft vollständig.
Ein Impuls einer Kraft i, welcher von Er-
schütterung begleitet ist, verhielt sich hierbei
also wie ein Impuls einer Kraft J, J'^i.
Fassen wir die Wirkung der Erschütterungen
unter diesem Gesichtspunkte auf, so erklären
sich alle beobachteten Thatsachen aufs Vollstän-
digste.
517
Wenn die Erschütterung beim 1 . Impuls ge-
schieht, so ist sie am wirksamsten, am unwirk-
samsten, wenn sie nach geschehener Sättigung
mit EM ausgeführt wird. In der That, es läßt
sich, — wie schon von Bonty bemerkt — zu jeder
Kraft i eine grössere, J auffinden, welche das-
jenige BM durch einen einzigen Impuls hervor-
bringt, welches durch i erst als Sättigungsmoment
erreicht wird. Eine Erschütterung, mit hinläng-
licher Stärke beim 1. Impuls vorgenommen,
müsste also an die Stelle dieser supponirten
grösseren Kraft treten können.
Wenn man sich der Abnahme des TM bei
wiederholter Einwirkung einer constanten Kraft
erinnert, so ist es klar, daß eine Erschütterung
selbst nach erreichter Sättigung immer noch,
wie beobachtet, eine Steigerung des R3I, wenn
gleich eine geringe, herbeiführen muß, auch
wenn das Erschütterungs - TJIf das beim 1. Im-
puls stattgehabte (größte) TM nicht über-
schreitet.
Ich wende mich nun zu der Mittheilung der
anfangs angedeuteten Untersuchungen.
Bei der Magnetisirung durch den galvanischen
Strom ist wohl von den meisten Beobachtern
das Verfahren gewählt worden, welches auch
ich benutzt und vorhin genannt habe.
Seltener hat man es vorgezogen, den zu
untersuchenden Stab fest in der Spirale liegen
zu lassen , während der magnetisirende Strom
geschlossen und geöffnet wurde.
Nehmen wir nun im Voraus an, daß die
Verschiedenheit des Verfahrens Unterschiede in
den magnetischen Momenten im Gefolge führt,
so ist es gewiß wünschenswerth, die Größe die-
ses Einflusses kennen zu lernen, um die Resul-
tate von Beobachtern, welche das eine oder an-
518
dere Verfahren befolgten, in Vergleich setzen
zu können.
Daß ein solcher Einfluß bereits beobachtet
worden wäre, ist mir bei dem Beginn der be-
züglichen Untersuchungen nicht bekannt gewe-
sen. Erst im Laufe derselben ersah ich aus
einer Arbeit von Ruths, daß eins meiner Re-
sultate, aber eben nur dies eine, nicht neu war.
V. Waltenhofen hat nämlich bemerkt, daß
das remanente Moment sehr weicher Eisenkör-
per geringer ausfällt, wenn man den magneti-
sirenden Strom plötzlich auf Null reducirt,
als wenn man dasselbe allmählich (unter
Einschaltung immer größerer Widerstände in
die Stromleitung) bewirkt. Die Notiz von Wal-
tenhofen findet sich in mehreren Zeitschriften,
nachdem seheint der Gegenstand weiter keine
Bearbeitung gefunden zu haben, — soviel ich
wenigstens habe in Erfahrung bringen höunen.
Die Erklärung, welche Waltenhofen von
der beobachteten Thatsache gibt, drängte sich
auch mir sofort auf, und ich glaube, daß sie
sich einem Jeden zuerst darbieten muß, so na-
türlich erscheint sie nach den jetzt angenomme-
nen Vorstellungen von dem Vorgänge der mag-
netischen Induction. So hat auch Waltenhofen
auf Grund seiner Beobachtung der Hypothese
von den drehbaren Molecularmagneten eine fast
zweifellose Wahrscheinlichkeit beilegen wollen.
Andererseits dagegen hat man bezweifelt,
daß die Erscheinung wirklich für eine Drehung
kleinster Magnete spreche. Gerade aber einer
der Begründer dieser Theorie, uämlich Wiede-
mann, hat sich mehr gegen als für die Zuläs-
sigkeit einer Erklärung auf Grund der theore-
tischen Vorstellungen ausgesprochen und einer
519
Erklärung durch sectmdäre Ursachen den Vor-
zug gegeben.
Indeß schreckte mich das nicht von der wei-
teren Verfolgung meiner Untersuchungen ab,
zumal es eben eine vereinzelte Erscheinung war,
welche Waltenhofen mitgetheilt hatte, und welche
das Fundament aller theoretischen Speculatio-
nen abgab. Zudem war es meine Meinung, wie
schon ausgesprochen, daß die Untersuchung,
selbst wenn sie nur verwickelte und theoretisch
unwichtige Resultate förderte, doch eine Lücke
in der Literatur ausfüllen, eine Vervollständi-
gung der bis dahin erschienenen Arbeiten bil-
den würde.
Diejenige Erscheinung, welche mich auf eine
Verschiedenheit der beiden Beobachtungsverfah-
ren — ob der Stab seinen Platz in der Spirale
unverändert behält oder ob er bei Stromschluß
oder bei der Stromöffnung sich außerhalb der
Spirale befindet — führte, war nicht die von
Waltenhofen beobachtete. Als ich die lang-
wierigen Versuche über die Gültigkeit des 2.
Jamin'schen Gesetzes anstellte (s. die frühere
Mittheilung S. 277 — 279) ließ ich einmal den
Stab fest in der Spirale liegen, während er
sonst immer vor Oeffnung des Stroms aus der-
selben entfernt wurde. Dabei zeigte sich ent-
gegen einem früher (diese Nachr. 1875 Nr. 11
und Poggend. Annal. Ergband VII) von mir
ausgesprochenen und theoretisch sehr wahr-
scheinlichen Gesetz, daß eine kleinere Kraft das
von einer vorangegangenen größeren hinterlas-
sene (Sättigungs-)i?ilf noch vergrößerte.
Das trat aber nicht ein, sobald ich vor Oeff-
nung des stärkeren Stroms den Stab aus der
Spirale entfernte. So ergab sich mir bei wei-
terer Verfolgung die — wie ich nun später
520
fand — von Waltenhofen schon beobachtete
Erscheinung.
Im Folgenden sollen immer die Abkürzun-
gen: Stab fest oder Stab ausgezogen ge-
braucht werden, deren Bedeutung jetzt klar
sein wird.
Wir stellen uns die Frage:
Wie verhält sich ein durch eine gewisse
Kraft J erzeugtes (Sättigungs-)i?illf gegen Kräfte
, Die Frage gliedert sich :
1) UM ist erzeugt bei ausgezogenem
Stab.
a) Wenn auch bei den Kräften % < «7* der
Stab ausgezogen wird, so verändert
sich B,M. nicht, es ist constant.
Es ist dies das früher genauer von mir
formulirte Gesetz.
b) Wenn dagegen die Wirkung der kleine-
ren Kräfte bei festem Stab erfolgt, so
vermindern diese das durch J er-
zeugte B,M und zwar desto mehr, je
größer * ist, je mehr % sich J nähert.
2) Tl~M ist erzeugt bei festliegendem Stab,
es ist also, wie aus l)b) hervorgeht, klei-
ner als das bei ausgezogenem Stab er-
zeugte.
a) Wenn bei Wirkung der kleineren Kräfte
der Stab ausgezogen wird, so nimmt
UM — wir wollen es das deprimirte KM
nenuen — zu, und zwar desto mehr, je
weniger i von J verschieden ist.
Ist i = J, so steigt das deprimirte JIM
zu dem Maximalwerth an, den es bei 1)
besaß. Das Maximum der Zunahme des
deprimirten TXM wird jedoch erst nach
521
wiederholten Impulsen der kleineren
Kraft erreicht,
b) Wenn auch bei Wirkung der kleineren
Kraft der Stab festliegt, so nimmt
zwar JRM ebenfalls zu, aber die Zunahme
wächst nicht continuirlich mit i. Sie
ist gleich Null sowohl wenn i = 0, als
auch wenn i = J und erreicht bei einer
Kraft 0 <, i <. J ein Maximum. Auch
hier nimmt die Erhöhung des deprimir-
ten UM durch die Kraft i mit der Zahl
der Impulse etwas zu.
Fragen wir jetzt weiter, ob auch die Größe
des ganzen Magnetismus {GlSf) von der Ver-
schiedenheit des Beobachtungsverfahrens betrof-
fen wird?
»In der That ist auch der ganze Magnetis-
»mus {GM = BM -{- TM) ein anderer und
»zwar größer, wenn der Stab fest, als wenn
»er ausgezogen.«
Wir haben also allen Grund, die Resultate
derjenigen Beobachter, welche mit festliegenden
Stäben arbeiteten, zu sondern von den Resulta-
ten derer, welche ihre Stäbe vor Schluß und
Oeffnung des Stroms aus der Spirale entfernten.
Die von ersteren beobachteten remanenten
Magnetismen sind kleiner, ihre ganzen Magne-
tismen und in noch höherem Grade ihre tem-
porären sind größer, als die bei gleichen
magnetisireuden Kräften von den letzteren er-
haltenen.
Von kleinsten Kräften au stieg ich allmäh-
lich zu immer größeren auf und beobachtete je-
desmal das der eingetretenen Sättigung ent-
sprechende GM und FiM bei ausgezogenem
Stab. Dann ließ ich den Stab fest in der
Spirale liegen und beobachtete wieder GM und
522
das nach Stromöffnung restirende (deprimirte)
EM. Ich dividirte die Differenzen der jRülf und
der GM, die A b nähme des UM und die Z u-
nahme des GM bei festem Stab gegen die mit
ausgezogenem beobachteten Werthe durch die
Gesammtänderung, welche das magnetische Mo-
ment bei Oeffnung resp. bei Schluß des Stroms
erfuhr.
Wenn man eine Erklärung der Erscheinun-
gen direkt aus der Theorie für statthaft hält,
so haben die so gebildeten Verhäitniß werthe
eine leicht erklärliche Bedeutung.
Indem ich dieselben nun für ein großes Ge-
biet magnetisirender Kräfte bei zahlreichen Stä-
ben bildete, fand ich, daß dieselben mit wach-
sender Kraft von der Null an bis ?u einem
Maximum wachsen und bei weiterer Steigerung
der Bjraft wieder abnehmen. Die auf GM be-
züglichen Werthe sind schon bei schwächeren
Kräften von merklicher Größe, steigen langsam
zum Maximum an und fallen nach Erreichung
desselben rasch ab. Die auf RM bezüglichen
werden erst bei stärkeren Kräften von merkba-
rer Größe, steigen rascher an und fallen nach
stattgehabtem Maximum langsamer ab.
Gegen welche Grenzwerthe die Verhältnisse
convergireu, hat wegen der Schwierigkeit, bei
starken Strömen die Bedingung der Constanz
festzuhalten, nicht mit genügender Sicherheit
entschieden werden können. Die Differenz der
GM nahm jedoch in mehreren Fällen bis zur
Null ab, während eine Abnahme der Differen-
zen der RM nie beobachtet wurde. Die Ver-
hältnißwerthe der GM scheinen demnach rasch
die Null zu erreichen, die der RM dagegen erst
später, wenn sie sich nicht etwa einem endli-
chen Grenzwerthe annähern.
523
Die von den beiderseitigen Verhältnißwerthen
erreichten Maxima treten immer bei nicht sehr
verschiedenen Kräften anf, das der GM wohl
stets etwas früher als das der UM. Ein wirk-
liches Zusammenfallen der Maximalwerthe mit
den Wendepunkten der temporären oder rema-
nenten Magnetisirung wurde nicht beobachtet.
Die Maxima der Verhältnißwerthe liegen zwar
nie weit von den Maximis der Magnetisirungs-
funktion (des temporären oder remanenten Mag-
netismus) entfernt, aber ihr Eintritt erfolgt
theilweis früher als der der letzteren, theils spä-
ter, und soviel meine Versuche, die zur siche-
ren Beantwortung dieser Frage vielleicht immer
noch zu wenige Stäbe umfassen, erkennen lie-
ßen, desto später, je härter der Stab ist.
Was das Großenverhältnlß der Maxima an-
betriflFt, so ist nur bei 2 zur Beobachtung ge-
kommenen Eisenstäben ein größeres Maximum
für GM-, als für B.M gefunden. Sonst verhielt
es sich immer umgekehrt.
Am bedeutendsten ist die Größen Verschieden-
heit der Maxima bei Stahlstäben. Dort ver-
schwindet die Zunahme des GM vom ausgezo-
genem zum festen Stab fast zu Null gegen die
Abnahme des JRM.
Mein Streben war nun darauf gerichtes, die
Abhängigkeit der Erscheinungen von der Form
und der Massenvertheilung der Stäbe fest-
zustellen.
Aus einem weichen Eiseustück wurden drei
cylindrische Stäbe verfertigt, gleich, was innere
Beschaffenheit und Dicke anlangte, verschieden
allein in der Länge. Die Längen waren hier
wie immer nicht so bedeutend, daß die äußeren
magnetisirenden Bj-äfte, welche anf die einzelnen
524
Punkte der Stäbe wirken, als verschieden groß
zu berücksichtigen gewesen wären.
In der Größe der Verhältnißwertbe konnten
nun bei den drei Stäben keine ausgesprochenen
Unterschiede constatirt werden. Dagegen traten
die Maxima derselben bei verschiedenen Wer-
then der magnetisirenden Kraft ein, nämlich bei
einem desto größeren, je weniger gestreckt der
Stab war.
Dagegen scheint das temporäre Moment (na-
türlich auf die Volumeinheit bezogen) , welches
bei dem Eintritt der Maxima stattfindet, ziem-
lich gleich für alle drei Stäbe zu sein.
Sehr ausgesprochen ist der Einfluß der Mas-
senvertheilung. . , , . oi. u
Je größer das specifische Gewicht eines btabs,
desto geringere Werthe erreichen die Verhält-
nisse. Doch wird GM bedeutend stärker davon
berührt als EM. Wie schon gesagt, ist die
Differenz der GM bei festem und ausgezogenem
Stab bei Stahlstäben so gering, daß sie voll-
ständig außer Acht gelassen werden kann. MM
dao-egen ergibt sich noch immer ganz merkbar
verschieden, je nachdem man es bei festem oder
bei ausgezogenem Stab beobachtet, aber es er-
reicht die Differenz beider erst bei starken
Kräften einigermaßen bedeutende Werthe; das
Maximum der Verhältnißwerthe tritt erst mit
viel stärkeren Kräften ein, als bei einem gleich-
crestalteten weichen Eisenstab, und auch bei ei-
nem viel größeren temporären Momente.
Bei kleinen Kräften ist die Differenz zwi-
schen dem BM des ausgezogenen und deni des
festen Stabs aber merkwürdigerweise nicht Wuü,
sondern negativ, dabei freilich so klein, daß sie
schwer wahrzunehmen ist. Doch meine ich,
daß diese negativen Werthe sich in einfacher
525
Weise erklären lassen müssen. Wenn nämlich
das Herausziehen des Stabs aus der Spirale und
das Einschieben in dieselbe noch so vorsichtig
geschieht, geringe Erschütterungen werden sich
nie ganz vermeiden lassen. So wird RM (aus-
gezogen) immer ein wenig zu klein beobachtet
werden. Ist nun thatsächlich bei kleinen Kräf-
ten kein Unterschied zwischen i?J[f (ausgezogen)
und EM (fest) vorhanden, so wird in Folge un-
vermeidlicher Erschütterungen EM (ausgezogen)
kleiner als RM (fest) gefunden, und das dauert
so lange, als der Verlust durch Erschütterung
den durch das Ausziehen des Stabs sonst er-
reichten Gewinn übersteigt.
In welcher Weise der beobachtete Einfluß
der Massenvertheilung (des specifischen Gewichts)
auf die hier beschriebenen Erscheinungen einer
Erklärung derselben, welche sich direct auf die
Vorstellungen der Theorie der drehbaren Mo-
lekularmaguete stützt, zu Hülfe kommen kann,
brauche ich nicht erst zu sagen.
Statt alles Weitern möge es mir nur gestat-
tet sein, eine Reihe von Versuchen zu beschrei-
ben, welche wie ich glaube, zur Beurtheilung
der Erscheinung von Wichtigkeit sein werden.
Ein Stab sei auf das einer Kraft i entspre-
chende Sättigungsmoment gebracht; so können
wir folgende Versuche anstellen:
1. i?iUr (ausgezogen). Impuls der Kraft i
bei ausgezogenem
Stab.
2. EM (au^fe zogen). Impuls der Kraft i bei
festliegendem Stab.
3. EM (fest). Impuls der Kraft i bei ausge-
zogenem Stab.
4. EM (fest). Impuls der Kraft % bei fest-
liegendem Stabe.
56
526
Wir finden dann, daß — wie schon be-
kannt —
ferner GM^ = GM^, also TM^ > TM^,
sodann GM^ > GM^, also TM^ > TM^,
und endlich
GM^ < GM^, aber TM^ > TM^.
Wenn man also von einem deprimirten RM
ausgeht, so erhält man das gleiche GM, wie
wenn man vom Maximal -^il/ ausgegangen
wäre, vorausgesetzt, dass der Stab ausgezogen
wird.
Dagegen erhält man ein kleineres GM,
aber immer noch ein größeres TM nach ei-
nem deprimirten als nach einem Maximal JRM,
wenn man den Stab fest in der Spirale liegend
dem erneuten Impuls aussetzt.
Es wurde dann eine Depression des Maximal-
RM dadurch bewirkt, daß man in entgegenge-
setzter Richtung, wie *, eine (kleinere) Kraft ^'
wirken ließ, von solcher Stärke, daß RM durch
sie gerade um ebensoviel vermindert wurde,
wie wenn der Stab der Wirkung der Kraft {,
aber festliegend ausgesetzt wäre.
Wirkte nach einem so deprimirten UM die
Kraft i bei festliegendem Stab, so ergab sich
GM gerade so groß als wenn EM seinen Ma-
ximalwerth besessen hätte.
Der Unterschied zwischen GM^ und GM^
bestand also nicht mehr, wenn an Stelle des
durch Festlegung des Stabs deprimirten UM ein
durch einen couträren Strom um gleichviel de-
primirtes trat.
527
Es wurde Drittens eine gleich große De-
pression des Maximal - BM durch passende Er-
schütterungen hervorgebracht. Auch jetzt er-
gab sich wieder kein Unterschied des GM^
mochte man von dem so deprimirten oder von
dem Maximal RM ausgehend die Kraft t auf
den festliegenden Stab einwirken lassen.
Weitere Versuche bezweckten die Auffindung
ähnlicher Unterschiede wie für GM^ so auch
für RM.
Wenn durch die eben beschriebenen Ver-
suche schon Unterschiede zwischen scheinbar
gleichen Zuständen des Stabs nachgewiesen sind,
so wird der nämliche Nachweis jetzt noch auf
die Weise geführt , daß man ein auf eine der
drei angeführten Arten deprimirtes RM seinem
früheren, größten Werthe wieder zu nähern
sucht. Ließ man nämlich auf den Stab dann
eine mit i gleichgerichtete, aber schwächere
Kraft einwirken (wobei der Stab immer ausge-
zogen wurde), so war die Erhöhung des durch
Festlegung des Stabs deprimirten RM immer
am kleinsten , die des durch conträren Strom
oder durch Erschütterungen deprimirten bedeu-
tend größer, beide aber ungefähr gleich.
Ferner: W^enu man einen Stab außerhalb
der magnetisirenden Spirale erschüttert, so wird
sein RM verringert. Es wurden nun solche
Erschütterungsversuche einmal an einem Stabe
angestellt, dessen RM den maximalen Werth
besaß, also bei ausgezogenem Stabe erzeugt
war, dann an dem gleichen Stab aber mit de-
primirtem, bei festliegendem Stabe erzeugtem
RM. Als ich diese Versuche bei verschieden
großem RM vornahm, fand ich, daß der Quo-
tient welcher das Verhältuiß des Verlusts zu
dem vor der Erschütterung vorhandenen Mo-
528
ment angibt, immer kleiner ist im Fall des de-
primirteu, durch Magnetisirung bei festliegen-
dem Stab erzeugten BM.
Endlich müssen noch vor allen Dingen Ver-
suche Erwähnung finden , denen ich wohl mit
die größte Bedeutung beilegen zu müssen glaube.
Bei allen Versuchen, welche im Vorherge-
henden beschrieben wurden, habe ich Ströme
von der denkbar größten Constanz benutzt.
Dieselbe war auch bei den stärksten, welche
zur Anwendung kamen, immer gewahrt, Dank
der bedeutenden Dicke meiner Leitungsdräthe
und der geringen Dicke der benutzten Stäbe,
welche die Anwendung allzu intensiver Ströme
unnöthig machten.
Die Zinkplatten der Bunsenschen Elemente
wurden vor jeder Versuchsreihe frisch amalga-
mirt und die Salpetersäure häufig erneuert. Ich
überzeugte mich von der absoluten Constanz
der Ströme sofort von dem Augenblick der
Schließung an, indem ich die Umkehrpunkte
der Schwingungen, welche die Nadel der Tan-
gentenbussole ausführte, gleich nach Stromschluß
zu notiren begann.
Ich ging nun von den constanten Strömen
ab, operirte absichtlich mit incoustanten , die
durch Einfüllung stark desoxydirter Salpeter-
säure in die Elemente leicht erhalten wurden.
Der Strom zeigte wegen der eintretenden Pola-
risation eine anfangs rasche, dann immer lang-
samer fortschreitende Abnahme seiner Intensität.
Nach ungefähr 5 Minuten war ein coustanter
Werth erreicht. Ein Maaß für die Stärke des
Stromes fast von seinem Beginn au, bekam ich
wieder durch sofortige Notirung der Umkehr-
punkte der Schwingungen , welche jedoch nach
etwa 10 Umkehrpunkten auf jeder Seite auf-
529
tiörten, da dann die Bewegung aperiodisch
fvurde.
Wurde der Strom geöffnet, so war die Po-
larisation nach 15 Minuten soweit verschwun-
ien, daß bei wieder vorgenommener Schließung
3ie Intensität fast genau wieder den zuerst be-
obachteten abnehmenden Gang nahm.
Wenn nun der Strom geschlossen und der
3tab, so rasch es eben anging, eingeschoben
war, so nahm auch sein ganzer Magnetismus
ib, ebenso wie die Stromintensität, aber in viel
geringerem Maaße.
Wurde nun gewartet, bis constante Ablen-
kungen am Magnetometer und Bussole eintra-
ten, dann der Stab langsam aus der Spirale
and wieder herein geschoben, bei fortwährend
beschlossenem Strom, so zeigte sich nun das
Moment ganz beträchtlich geringer und zwar
30 groß, als wenn der jetzt die Spirale durch-
fließende constante Strom sofort auf den Stab
gewirkt hätte. In noch stärkerem Maaß tritt
aber diese Abnahme des Moments auf, wenn
man den Strom bei festliegendem Stab ge-
schlossen hat.
Die große Differenz beider GM^ des bei fest-
liegendem und des bei ausgezogenem Stab er-
Beugten, ist auffallend bei Stahlstäben, die einem
cons tauten Strom unterworfen, eine Diffe-
renz gleich Null aufweisen. Der Grund liegt
nur darin, daß die maximale Anfangsintensi-
tät des Stroms bei dem ausgezogenen Stabe
nicht zur Wirkung kommt, wie bei dem fest-
liegenden — wie passende Versuche zeigten.
Wenn man einen in der Spirale der Strom-
wirkuug unterworfenen Stab erschüttert, so
wächst das magnetische Moment Nicht so
in dem besprochenen Fall eines inconstanten
' 530
Stroms, welcher auf den festliegenden Stab
einwirkt. Erschüttert man diesen, nachdem
constante Ablenkungen eingetreten sind , so
nimmt sein Moment ab und zwar sehr bedeu-
tend. Doch ist es mir nicht gelungen , durch
fortgesetzte Erschütterungen das Moment ganz
auf den Werth herabzudrücken, welcher bei von
Anfang an constantem Strom beobachtet wurde.'
Das ist sofort verständlich, denn unter norma-
len Verhältnissen bewirkt die Erschütterung
eine Erhöhung des Moments. Est bei einem
erneuten Impuls des constantem Stroms wurde
dieser Werth ungefähr erreicht. Diese das Mo-
ment vermindernde Wirkung der Erschütterung
hat sich aber, wohl bemerkt, auch nur gezeigt,
wenn der Stab bei Schluß des inconstanten
Stroms fest in der Spirale lag. War er aus-
gezogen, so blieben Erschütterungen erfolg-
los, sie bewirkten weder Erhöhung noch Ernie-
drigung des Moments. Es hielt also hier die
vergrößernde Wirkung der Erschütterungen der
vermindernden, welche nur unter besondern um-
ständen auftritt, vollkommen das Gleichgewicht.
Der Stab besaß eben bei Vornahme der Er-
schütterungen ein Moment, wie es durch diese
selbst wohl erreicht worden wäre. Erst als —
bei geschlossen bleibendem Strom — der Stab
aus- und wieder eingeschoben , also ein zweiter
Impuls erfolgt war, stellte sich der bedeutend
geringere Werth des Moments ein.
Ich unterlasse es, nach Mittheilung dieser
Versuche eine Ansicht über die mögliche theo-
retische Bedeutung derselben zu äußern und
gebe es, bis zur Veröffentlichung der näheren
Beobachtungsdaten einem Jeden anheim, sich
seine Meinung darüber zu bilden, wie viel alle
angeführten Thatsachen zur Entscheidung prin-
531
cipieller Fragen, die man vom Staudpunkte der
Theorie aus stellen kann, beitragen mögen.
Uniyersität
Der bisherige außerordentliche Professor Dr.
Hermann Eichhorst zu Jena ist zum außer-
ordentlichen Professor der medicinischen Klinik
der hiesigen Universität ernannt.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
Mai 1877.
Bulletin de l'Acad. R. des Sciences de Belgique. T. 43.
Nr. 3. 1877.
T. A. B. Spratt, travels and researches in Crete. Vol. I.
u. II. London. 1865.
Abhandlangen der Königl. böhm. Gesellsch. der Wiss.
vom J. 1875 XX, 1876. Sechste Folge. Bd. 8. Prag.
1877. 4.
Sitzungsberichte d. K. böhm. Gesellsch. d. Wiss. in Prag.
Jahrg. 1876.
Jahresbericht derselben. Vom 12. Mai 1876.
Monatsbericht der Beriiner Akademie d. Wiss. Dec. 1876.
Nyt Magazin for Naturvidenskaberne. 21 de Binds. 3 die
og 4 de Hefte. 1875. 22 de Binds 1 — 4 ' de Hefte.
Christiania. 1876 — 77.
Forhandlingar i Videnskabs - Selskabet i Christiania, Aar
1875.
Axel Blytt, Norges Flora. 3 die Del. Ebd. 1876.
Tillaegsheftet.
J. Sp. Schneider, Enumeratio insectorom norvegico-
rum. Fase. HI. IV. Ebd. 1876.
0. J, Broch, Kongeriget Norge og det norske folk.
Ebend. 1876.
Beretning cm Bodsfaengslets Virksomhed i aar 1875.
Ebd. 1876.
532
Det Kong. norske Frederiks üniversitete Aars beretninar
for 1876.
C. R. Unger, Heilagra Mann Sögur. Ebd. 1877.
C. de Seue, Windrosen des südl. Norwegens. Ebd.
1876. 4.
C. M. Guldberg et H. Mohn, :^tudes sur les mouve-
ments de l'atmosphere. Premiere partie. Ebd. 1876. 4.
Norwegens officielle Statistik, herausg. in den Jahren
1873 — 1876. Ebd. 4.
1. Folkemaengdens bewargelse. 1851 — 1870.
2. Den norske Staatstelegraphie 1873.
3. Sundhetstilstanden og Medicinal-forholdene. 1871.
4. Industrielle forholde. 1870 — 1874.
5. Stats Telegraphie 1875.
, 6. Skifteuraesenet i Norge.
7. Indtaegter og udgifter 1874.
8. Sundhetstilstanden og medicinalvaesenet. 1873.
9. Skolvaesenets tilstand 1874.
10. De öflfentliche jernbaner 1874.
11. Skiftenvaesenet i Norige 1873. B. No. 2.
12. Noriges Skebsfart. 1874.
13. Criminalstatistiske Tabeller 1873.
14. Norges fiskerier 1873 og 1874.
15. Kommunale forholde i Norges land-og bykommu-
ner 1869—1871.
16. Skolevaesenets tilstand 1873.
17. Kongeriget Norges indtaegter og udgifter for 1873.
18. Fattigstatistik for 1873.
19. Criminalstatistiske Tabellen for 1872.
20. Norges Handel 1873.
21. Sundheds tilstanden og medicinal forholdene 1872.
22. Tabeller vedkommende folkemaengdens bewargelse
i aaret 1871.
23. Oversigt pver uplysnings fonds intaegter og udgif-
ter i aaret 1874.
24. Norges Handel og Skibefart i aaret 1874.
Den norske Brevpostens Statistik for 1872.
Forklarioger til Statsregnskabet for 1875.
Statistique internationale. Navigation maritime et
Jaugeage des navires. Par A. N. Klaer et T. Sal-
vesen. Christiania 1876.
Nature 393-96.
(Fortsetzung folgt).
533
iVach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
24. August. M 21. 1877.
KöDisHclie Gesellschaft der Wissenschafteo.
Sitzuug am 4. August.
(Fortsetzung).
Die Spaltung einer Sprache in meh-
rere lautverschiedene Sprachen.
Von
Theodor Benfey.
Diese , für die Abhandlungen der Kön. Ges-
bestimmte, Arbeit wird, wie die anderen noch
rückständigen, welche bestimmt sind, die Gram-
matik der vedischeu Sprache zu ergänzen , erst
nach Vollendung derselben veröffentlicht werden.
Doch scheint es mir noth wendig, den Inhalt
und Gedankengang derselben in Folgendem kurz
anzudeuten, da sie auf die Darstellung der Laut-
umwandlungen in der Grammatik von Einfluß
ist. Die Durchführung so wie die umfassen-
deren Belege muß ich dagegen für die spätere
Yeröffentlichung aufsparen.
§. 1. Die Lautumwandlungen, welche uns
in Sprachen, die sich aus einer Grundsprache
durch Spaltung derselben entwickelt haben, ent-
gegen treten, zerfallen zunächst in zwei Eaupt-
classen :
48
534
1. die eine umfaßt diejenigen, welche zu Be-
jTriffsbestimmunffen dienen. Der Art ist z. r».
S demSanskril eigne, in der Indogemams Jen
Grnndsprache aller noch m keinem Beispiele
nacÄbare, Umwandlnng von i ---^^J.^^Jl
%. B. die des % in inira, N. ppr., zu m in am
drä adi. .dem Indra angehörig.; des ersten u
T'PuZütsa, N. ppr., zu au in Paurul■uts^ und
Vaurulmtsvä (so zu sprechen itv. V. öo, 0, ud
g^en Ä^^ Vifl 19 36), Patrony-cum
»chkomme des Purukutsa«. Denn m allen
anaWen Fällen ist absolut kein rem lautlicher
Ä zu erkennen oder nachzuweisen wekher
diese Umwandlung zu erklaren im Stande wäre.
Da aber analoge Umwandlungen im Sanskrit -
vorwaltend dem späteren - - «t'ZbTndung
len — und zwar speciell auch m A'erbindung
'Z analogen begriäichen ^-^-^^^T^^^r-
Basis - vorkommen, so darf mit hoher VVanr
scheinlichkeit angenommen werden daß sie ein
Element sind, welches zur Umwandlung der J3e
dputuns der Basis mitwirkend war;
2 fn solche, welche sich aus rem lauthchen
Yerhältnissen erklären pi«^^,!^;^^7;^^.J?flile;
bindung- mit so verschiedenartigen begnttt cnen
Umwandlungen vor, daß es kemem Zweifel un-
teZrfen werden kann, daß sie von der etwa -
gen Begriffsdifferenz ganz unabhängig und nur
durch lautliche Einflüsse entstanden sind. So
. R pSt sich in dem arischen taras , qner-
^be"; ?ür^?;do^germanisches tarans (vg^ai^inisdi
trans), die Einbuße des n vor s duicti eine dc
Xhlliche Anzahl von Analogien und diese Ab-
^oriition — um uns so auszudrucken -- eine.
Ärgehenden Nasals durch em nachfolgeiid .
« erscheint in so vielen begrifflich ganz Ter
schiedeneu Fällen, daß man unbedenklich be-
535
hanpten — und wenn es bestritten werden
sollte, beweisen — kann, daß sie, von jedem be-
grifflichen Einfluß unabhängig, — wie sieh ja
für diesen einzelnen Fall schon daraus ergiebt,
daß arisch taras völlig dieselbe Bedeutung be-
hält wie indogermanisch tarans — als ein rein
phonetischer Vorgang zu betrachten ist. Das
arische taras wird nun im Sanskrit zu tirds und
auch hier kann man durch eine Fülle von Analogien
beweisen, daß dieser Uebergang des ersten a in i
— wie wiederum in diesem Fall schon dadurch
klar ist, daß tirds dieselbe Bedeutung hat, wie
arisch taras — nicht durch irgend einen begriff-
lichen Einfluß , sondern einzig durch den des
Accents auf der folgenden Silbe herbeigeführt
ist; denn die Silbe, welche einer accentuirteu
vorhergeht, ist die schwächste im Wort und in
Folge davon mancherlei Schwächangen ausge-
setzt.
Freilich hat sich durch tiefer eindringende
Erforschung der in den Indogermanischen Spra-
chen eingetreteneu Lautumwandlungen nicht
selten ergeben, daß manche, welche man früher
der ersten Classe zuschrieb, in Wirklichkeit der
zweiten angehören , und es ist demnach keines-
weges unmöglich, daß auch einige von denen,
welche man jetzt noch zu jener Categoric rech-
net, einst für diese in Anspruch zu nehmen sein
werden. Allein so lange der Beweis dafür noch
nicht erbracht ist , sind wir — alle Umstände
genau erwogen — nicht berechtigt, sie von jener
zu trennen. Dennoch giebt es nicht wenige Er-
scheinungen, welche uns daran mahnen, diese
Möglichkeit stets im Auge zu behalten und auf
deren Verwirklichung gefaßt zu sein.
So giebt es z. B. Fälle , welche auf den er-
sten Anblick — zumal vom beschränkten Stand-
48*
5^6
punkt einer einzelnen Sprache ^us- der ersten
Stegorie anzugehören scheinen konnj, hei ge
Bane?er Einsicht aber -- zumal vom ^^^^^^''^^^
indogermanischen Standpunkt aus " f X^^^!
vpr^leichende Verfahren sich als rem phoneti
lautet der der Feminina auf a, *, *, w, u aoer
iuf ]/ t%r möchte man glauben daß diese
Differenz 'auf der Differenz zwischen Masc und
? m beruM, also der ersten Classe beizu ugen
ir Hier läßt sich aber leicht zeigen T theüs
Z dem Sanskrit selbst theils ^-^h ^^^/f^
aleichung der entsprechenden Bildungen im
roÄtderCL Toeale herbeiführte daß
vornerge ^ i^^^ Consonanten —
Z «dehnl hmortreteu, da»n bald den ge-
wÄhen sanskritischen Auslautgeset.en Re-
Itß der "etrfe Consonant, das s schwand (also
ST von dem nachfolgenden s absorbirt ward (also
'^' £ tßf sTch "aber nnn an nicht wenigen
phonetische Umwandlungen (wie hier n una
537
für ursprünglicheres ns) eine Form in mehrere
gespalten hatten, in der nachfolgenden Zeit eine
dieser Formen sich entweder zur allein herr-
schenden erhebt und die übrigen verdrängt, oder
wenn mehrere, wie hier zwei, sich erhalten, sie
von der Sprache zu grammatischen oder lexica-
lischen Unterscheidungen benutzt werden. Für
diese Thatsache bildet die hier hervortretende
Benutzung des auf rein phonetischem Wege ent-
standenen Unterschieds {n und s für ns) zur
Unterscheidung des Geschlechts einiger Nomi-
nalcategorien eines der vielen Beispiele, durch
welche sie vollständig erhärtet zu werden vermag.
Die lautlichen Umwandlungen der ersten Ca-
tegorie nennen wir grammatische, die der
zweiten phonetische.
§. 2. Diese zweite Categorie zerfällt eben-
falls in zwei Abtheilungen. Die eine umfaßt
diejenigen phonetischen Umwaudlungen , welche
sich durch bestimmte , oder specielle , in dem
Worte oder der Wortverbindung, in welchen
sie vorkommen, hervortretende Erscheinungen
oder Einflüsse erklären ; so z. B. erklärte sich
in §.1. das i für a in tirds durch den Einfluß
des Accents; das erste n in hhinnä , gespalten,
für ursprüngliches d von hhid mit Affix na, er-
klärt sich durch den assimilireuden Einfluß des
folgenden w; das g für ursprüngliches h in ^ag-
dhi, 2 Sing. Imptv. von ^ak, durch den theilweis
assimilireuden des tönenden Consouauten dh auf
den ursprünglich vorhergegangeneu dumpfen (A'),
wodurch dieser zu dem ihm entsprechenden tö-
nenden (g) wird ; im Präsensthema hodha für indo-
germanisches hhaudJia, vom indogermanischen Ver-
bum hhudh, bewußt werden ( 1) seiner selbst, d. i. er-
wachen; 2) eines andern Objects, d.i. erkennen), er-
klärt sich die Einbuße der Aspiration in dem anlau-
538
tenden hh der indogermanisclien Form aus der
Neigung zur Dissimilation, hier speciell aus der,
iedoch keinesweges durchgreifenden Abneigung
des Sskrits zwei aufeinander folgende Silben mit
Aspiraten anlauten, oder überhaupt Aspiratae m
kurzem Zwischenraum auf einander folgen zu
lassen. Auf derselben Neigung zur Dissimila-
tion beruht auch die Widerspiegelung desselben
indogermanischen &ÄaM(l/^a im griechischen 7i€t>^o,
iedoch mit dem Unterschiede, daß m Folge des
m Griechischen vielfach, aber nichts wemger als
immer, eingetretenen üebergangs der mdogerma-
nTsThei töLnden Aspiratae in dumpfe das indo-
germanische bh, nach Einbuße der Aspiration
Lht, wie imSskrit durch &, sondern durch die
dumpfe Nichtaspirata n widergespiegelt wnd.
Durchgreifend hat sich diese Abneigung gel-
tend gemacht in der Bildung reduphcirter Yer-
balformen, daher z. B. das durch Reduplication
gebüdete Präsensthema von Ä,, indogermanisch
&M, imSskrit durch Ä im fnecYnscLeu
durch u^f] widergespiegelt wird. Im Veda er
leidet sie eine Beschränkung, wenn die Redupli-
cation zweisilbig ist, z.B. von hhar im Frequen-
i^Tuari-hhaA doch erscheint sie auch hier n
pampMn von pJian und im spateren Ssknt m
dam-dJwams von dJwams. . hpruht
Auf der Neigung zur Dissimilation berulit
ini Sanskrit auch die Verwandlung von Guttu-
ralen in Palatale in reduplicirten Verbalformen.
So z B entspricht dem Thema des reduplicirten
Pertcfvon L. -achen , welches indoger^^^^^^
Micar lautete, imSskrit caTcar mit Palatalisiruug
d sGutturai; in der ßediiplicationssibe , ^u^^^^^
dieses Verfahren ist ^^ Sanskrit allein herr
sehend; es giebt zwar emige wenige ^f^^ ^"^
denen die Dissimilation auf den ersten Anblick
539
nicht die Reduplicationssilbe sondern die Stamm-
silbe ergriffen zu haben scheint; allein dies ist
nur täuschender Schein, welcher verschwindet,
sobald man auf die indogermanische Form zu-
rückgeht; so lautet im Sskr. das Thema des Pf.
red. von ji 'siegen' nicht jiji , sondern ji^i, so
daß man auf den ersten Anblick meinen könnte,
hier habe der Dissimilationstrieb das zweite j
— das der Stammsilbe — in ^ verwandelt, also
gegen alle Analogie einen Palatal in einen Gut-
tural : gegen alle Analogie; denn alle die
Fälle, in denen man eine Analogie erblicken zu
dürfen glauben könnte, erweisen sich ebenfalls
gleich wie dieser als trügerischer Schein. Abge-
sehen von andern Gründen, deren Anführung
nnnöthig, ergiebt sich die Vermuthung, daß g
für j eingetreten sei, schon dadurch als irrig,
daß die indogermanische Form dieses Verbums
gerade gi lautete. Dessen reduplicirtes Thema
lautete also gigi und im sskr. Reflex jigi ist
also ebenfalls das g der Reduplicationssilbe pa-
latalisirt, während in der Stammsilbe der
Guttural der Grundsprache bewahrt ist.
Auch diese Dissimilation ist vorwaltend auf
die Fälle beschränkt, in denen die Reduplication
nur eine Silbe bildet; so ist in dem vedischen
Intensiv von Jcrand mit zweisilbiger Reduplication,
Jcani-Jcrand, der Guttural auch in der , Redupli-
cationssilbe bewahrt; von //awj ebenso ^a;?* -«7a?«; al-
lein auch hier finden wir — ähnlich wie oben
bei dem vedischen panlphan und nicht- vedischen
damdkvams — in einem Fall, cayii-sliJiand von
sJcand, die Dissimilation auch im Veda in zwei-
silbiger Reduplication durchgedrungen.
Diese und alle aus dem speciellen Lautcomplex
erklärbare rein phonetische Lautumwandlungen
mögen wir von den im folgenden §. anzumer-
540
kenden durcli die Bezeichumig : unselbst-
ständiffe untersdieiden. ^ ^
8 3 Es giebt iiämlicli ferner eine überaus
große Anzahl von rein phonetischen Umwand-
lungen, welche sich von den im vorigen §. be-
sprochenen unterscheiden und zu ihnen m einen
Gegensatz treten dadurch, daß m dem Laut-
complex, in welchem sie auftreten kein spe-
cieller Grund für die eingetretene Umwandlung
zu erkennen ist. So wird z. B indogermanisch
Imr mit der Bedeutung 'thun' im Sanskrit m
derselben Lautform, speciell mit Ä;, bewahrt,
während das gleichlautende indogermamsche Ur
mit der Bedeutung 'gehen, laufen' im Sskrit mit
Palatalisirung des 1^ zu car geworden ist. In
ähnlicher Weise bleibt indogermanisches ^r auch
im Sanskrit in gar 'schlingen', während es m
indogerm. gar 'altern' palatalisirt wird und das
entsprechende sanskritische Verbum^ar lautet.
Freilich treten auch bei den im vorigen b.
besprochenen Umwandlungen Fälle genug auf,
in denen auf den ersten Anbhck ähnliche Dun-
kelheiten herrschen, allein - obgleich es nicht
möglich ist, hier näher auf sie einzugehen -- es
wird dieß in den Abhandlungen über die Laut-
lehre versucht werden - so darf ich mir doch
erlauben zu bemerken, daß ich die Hoffnung
hege, sie so aufzuhellen, daß man erkennt daß
Bie aus jener Classe nicht zu entfernen sind; so
z B kann es auffallen, daß wahrend ä vor n
fast stets zu n wird, es sich in uäna udnas unver-
ändert erhält. Die Abweichung erklart sich aber
dadurch; daß ?«?««, uänäs bekanntlich für ur-
sprüngliches udäna, uddnas stehen und die }hm-
husse des a in der Vedenzeit noch so wenig durch-
gedrungen war, daß es m vf e;j I^^^^^^"' i?^^:J?"
is im überlieferten Texte fehlt (z. B. Rv. VU,
541
86, 5 in damno), wieder herznstellen (hier dSmanO
zu lesen) ist. Die Einbuße war noch in der
vedisehen Zeit arbiträr und demgemäß mußte sich,
im Sprachbewußtsein das Gefühl erhalten, daß
hier d dem n eigentlich nicht unmittelbar vor-
hergehe und die Assimilation hindern; es ist
sogar nicht unmöglich, daß der Vocal sich in der
Aussprache in jener Schwächung erhalten hatte,
welche, von den Indern svarabhakti genannt, der
Regel nach zwar keine Trennung einer Conso-
nantengruppe herbeiführen soll, aber doch oft
herbeizuführen vermochte, zumal wo wie hier
nicht eine Einschiebung, sondern die Schwächung
eines, ursprünglich vollen, Vocals Statt gefunden
hatte.
Gegen die im ersten §. gegebene Erklärung
der Umwandlung des ursprünglichen a zn i in
tirds kann man einwenden, daß Fälle in Menge
vorkommen, in denen « in i übergegangen ist,
ohne daß die folgende Silbe accentuirt erscheint,
in denen vielmehr das i selbst den Accent trägt;
so z. B. kommt von demselben Yerbum tar, von
welchem tircis abstammt, pra-tiram, vi-tire, indo-
germanisch Jcaras = arisch ^aras^ ist im Sskrit
pras geworden, trotzdem daß in allen drei
Fällen der Accent auf .dem i erscheint.
Die eingehende Erörterung dieser und ähn-
licher Fälle muß auf die Abhandlungen ver-
schoben werden ; hier muß ich mich darauf be-
schränken, zu bemerken, daß sie sich durch die
Geschichte des Accents in den Indogermanischen
Sprachen erklären werden, welche in einer der
Abhandlungen zur vedisehen Lautlehre ein-
gehend erörtert werden wird.
Andrerseits kann man gegen diese categorische
Unterscheidung der rein phonetischen Lautum-
wandlung in zwei Classen einwenden, daß Ver-
542
suche gemacht sind, auch die hieher gehörigen
Uebergänge aus dem Lautcomplexe zu erklären.
So hat man angenommen, daß die Palatalisirung
der Gutturale dadurch entstanden sei, daß sich
zunächst ein schmarotzirendes i oder j hinter
ihnen geltend gemacht und dann in sie eindrin-
gend sie in Palatale verwandelt habe.
Ich bin weit entfernt diese Erklärung, welche
in vielen Sprachen unzweifelhaft eingetreten ist
(vgl. z. B. lateinisch coelum, gesprochen lioelum^
italiänisch cielo mit i und gesprochen tschelo),
für unwahrscheinlich zu halten; allein dadurch
wird die eigentliche Erklärung nur zurück-
geschoben ; denn es entsteht nun die Frage, wie
ist es zu erklären, daß dieser Eintritt von i oder
j bei kar 'gehen' Statt fand, bei Jcar 'machen'
aber unterblieb; denn in dem ursprünglich ganz
gleichen Lautcomplex ist wenigstens auf dem
jetzigen Standpunkt der Wissenschaft kein spe-
cieller Grund für diese Differenz zu erkennen.
Ich glaube demnach, daß wir für jetzt be-
rechtigt sind, diesen Unterschied aufzustellen und
werde die Lautumwandlungen dieser zweiten
Categorie im Gegensatz zu denen der ersten als
selbstständige bezeichnen.
§. 4. Die hieher gehörigen Lautumwand-
lungen fallen weniger durch die mehrfach starke
Verschiedenheit der sich vertretenden Laute auf —
z. B. häufig sanskritisch c für indogermanisches
7c, zendisches 0 für indogermanisches gh — als
durch den Wechsel überhaupt, am meisten durch
die gewöhnlich sehr weit reichende, bisweilen
fast durchgreifende Regelmäßigkeit desselben
z. B. in der germanischen sogenannten Laut-
verschiebung.
§. 5. Die Erklärung dieses — des selbst-
ständigou — Lautwechsels bildet — da die des
643
nnselbststäncligen , mit vielleicht wenigen Ans-
aahmen, keine besondere Schwierigkeit darbietet,
— den schwierigsten Theil der Untersuchung,
w^elche in der oben rubricirten Abhandlung zu
verfolgen sein wird, und hier drängt sich uns
3ie üeberzeugung entgegen, daß die Frage, wie
is zugeht oder zugegangen ist, daß eine einheit-
iiche Sprache sich in lautverschiedne spaltet,
flicht vollständig gelöst zu werden vermag, wenn
Qiau eine Grundlage für die Lösung nicht da-
iurch erlangt, daß man zuerst sich klar zu
DQachen sucht, wie eine einheitliche Sprache zu
Staude kömmt.
§. 5. Wer je seine besondere Aufmerksam-
keit auf den Ton der Sprache in seiner Um-
gebung und den näheren und weiteren Kreisen,
in denen er sich bewegt, gerichtet und sich so
weit von den so häufigen Täuschungen der Sinne
durch den Verstand befreit hat, daß er die Laute
äer Wörter an und für sich hört, d. h. völlig
unabhängig von der Bedeutung, welche die
Wörter, in denen sie vorkommen, haben, hat
schwerlich umhin gekonnt, sich zu überzeugen,
laß kein, oder wenigstens fast kein einziger der
Menschen, auf welche er seine Beobachtung aus-
gedehnt hat, wie der andre spricht. Er erkennt,
daß die Annahme einer vollständigen Ueberein-
itimmung in der Aussprache auf einer Sinnen-
itäuschung beruht; man meint, daß die Wörter,
welche mau in dem Sinne versteht, den man
iselbst mit ihnen verbindet, auch eben so aus-
gesprochen seien , wie man sie ausspricht —
oder genauer: wie man sich einbildet sie
auszusprechen: denn diejenigen, welche gelernt
haben orthographisch — d. h. gewissen, theils
anbewußt entwickelten und durch Gebrauch ein-
jgebürgerten, theils mit Bewußtsein aufgestellten
544
und zu mehr oder weniger allgemeiner Gültig-
keit gelangten — Regeln gemäß zu sclireiben,
glauben, oder geben sich auch Mühe, dieser
herrschenden Orthographie gemäß zu sprechen.
Daß aber nicht selten, ja fast gewöhnlich dieser
Glaube ein irriger und diese Mühe eine yergeb- :
liehe ist, davon kann man sich ebenlalls mit
Leichtigkeit überzeugen , wenn man seine Aut-
merksamkeit nur auf die Lautbildung richtet,
wie sie selbst in naher Umgebung hervortritt.
Den Hauptbeweis für die verhältnißmäßig großen
Differenzen, welche in dieser Beziehung herrschen,
liefern aber Briefe und andere schnttliche Ab-
fassungen sonst gebildeter Menschen, so wie ver-
ständiger ungebildeter, welche nicht m der
Jugend orthographisch zu schreiben gelernt
haben und im Allgemeinen wirklich so schreiben,
wie sie sprechen. In Deutschland sind der-
artige, für die Lautlehre höchst wichtige, Docu-
mente immer seltener geworden, _ da hier die
Kunst orthographisch zu schreiben m sehr weiten
Kreisen verbreitet ist; doch liefern die J^ran-
zosen und andere Völker, bei denen der Jugeiid-
unterricht mehr oder weniger weit hinter dem
bei uns herrschenden zurücksteht, noch eine
nicht geringe Anzahl von Documenten dieser
Art deren Benutzung neben dem btudium det
Geschichte der Orthographie bei den jerschie-
denen Völkern denen, welche sich mit der Laut-
lehre zur Erlangung sprachwissenschalthchei
Resultate beschäftigen, nicht warm genug em
pfohlen werden kann. Denn die m bestimintei
Zeiten oder überhaupt zur Geltung gelaugte
Orthographie einer Sprache lehrt uns nur dai
Gröbste in Bezug auf die Pronunciation de.
Laute und dieses reicht für emdringeude lingu
istische Forschungen selten aus, wahrend di
545
feineren Nuancen, wie sie uns in den unortho-
graphischen Erzeugnissen der Schrift entgegen-
treten, nicht selten geeignet sind, über Laut-
umwandlungen und -Vertretungen Aufklärungen
anzubahnen, welche wir sonst nicht zu erlangen
vermögen.
Durch diese, im Verein mit sorgfältiger Be-
obachtung lebendiger Sprachen an allen uns zu-
gänglichen Personen und Kreisen — eigener
und fremder Nationalität — tritt uns eine so
große Verschiedenheit der Sprachlaute, welche
man nur zu geneigt ist für identisch zu halten,
entgegen, daß man nicht selten sich weniger
darüber wnudert, daß die Menschen sich oft ein-
ander mißverstehen, als darüber, daß sie in der
Regel sich zu verstehen im Stande sind. Daß
das Letztere der Fall ist, erklärt sich wesent-
jlich durch die blitzschnelle Thätigkeit des Ver-
standes, welcher, wo er die Mittel hat, alles das-
jenige, was ihm die Sinne — bei der Sprache,
Gehör und Gesicht — nicht liefern, aus sich
selbst ergänzt. Dies ergiebt sich insbesondere
durch zwei Momente, welche nur angedeutet zu
werden brauchen, da sie wohl Niemand ent-
gangen sein werden, welcher lebendiges Sprechen
'und Verstehen je mit Aufmerksamkeit ver-
; folgt hat.
j Das eine dieser Momente bildet die Erfahrung,
daß unbekannte Namen so überaus häufig nicht
verstanden werden. Der Verstand ist hier außer
Staude das, was ihm das Gehör nicht deutlich
zur Kenntniß gebracht hat, zu ergänzen. Das
i zweite Moment bildet die Erfahrung, daß nicht
selten selbst begriffliche Wörter, welche dem
j Verstände ganz geläufig sind, mißverstanden
werden. Richtet man nun seine Aufmerksamkeit
auf den Grund derartiger Mißverständnisse, so
646 I
ergiebt sicli in den meisten Fällen — ich glaube '
bemerkt zu haben: fast in allen — daß das
mißverstandene Wort dieselben oder ähnliche
Vocale enthält, wie das irrig für dieselbe sub-
stituirte. Der Grund ist, weil bekanntlich die
Vocale viel lauter tönen, als die Geräusche,-:
welche man Consonanten nennt ; diese tönen zum
Theil so schwach, daß schon ein feines Ohr dazu
gehört, sie mit voller Schärfe zu erfassen. Ist
nun der Zusammenhang, in welchem das frag-
liche Wort erscheint, der Art, daß sich die
richtige Ergänzung nicht mit logischer Noth-
wendigkeit ergiebt, daß eine andere dieselben
Vocale enthaltende mehr oder weniger eben so
gut möglich ist oder scheint, dann wird der
Verstand leicht zu der letzteren gelenkt.
Doch dieß nur beiläufig! Die Richtigkeit
der Bemerkung, daß fast jeder Mensch anders
spricht, erhält eine schlagende Bestätigung durch
die bekannte Thatsache, daß die Sprache eines
der Hauptmittel ist, Menschen wieder zu er-
kennen, welche man Jahre — ja viele Jahre —
lang nicht wieder gesehen hat, deren Aeußc
in der Zwischenzeit sich bis zu vollständiger l u-
kenntlichkeit verändert hat; trotzdem erkennt
man sie nicht selten augenblicklich, so wie sie
— wie man zu sagen pflegt — nur den Mund
aufthun. Diese so ohrenfällige Eigenthiimlichkeit
beruht aber keinesweges bloß auf der Klangfarbe
der Rede, sondern auch — und vorzugsweise —
auf Besonderheiten der Pronunciation, der Ln
bildung, z. B. Anstoßen der Zunge, Lispeln i, ■
unzähligen anderen Differenzen, welche, oft uii
Einzelnen minimal, durch die im Zusammenhang
eintretende Vervielfältigung, der Sprache ihre
so ausgeprägte Individualität verleihen.
§. 6. Diese Erfahrung machen wir aber
547
nicht bloß mit Individuen, sondern durch alle
naturgemäße Menschencomplexe hindurch, von
den kleinsten bis zu den größten; freilich wird
sie dadurch bedingt sein, daß Gehör und Ge-
dächtniß nicht zu schwach seien ; doch haben
mich meine Erfahrungen überzeugt, daß weder
ein sehr feines Gehör noch ein sehr starkes Ge-
dächtniß für Gehörtes dazu nothwendig ist.
So machen wir die Erfahrung, daß nicht
selten Mitglieder einer Familie in der Sprache
eine so große Aehulichkeit mit einander haben,
daß wir ein uns bis dahin unbekanntes mit einem
bekannten verwechseln, oder an seiner Stimme
erkennen, daß es zu einer uns bekannten Familie
gehört; ebenso erkennen wir an der Sprache
nicht selten, daß Jemand einem Orte angehöre,
dessen eigenthümliche Aussprache uns bekannt
ist; eben so geht es uns mit Angehörigen von
Provinzen. Anerkannt ist ferner die Thatsache,
daß man, wenn man nur wenige Mitglieder eines
fremden Volkes, dessen Sprache man nicht ein-
mal versteht, gehört hat, man im Stande ist,
andre bloß an dem Klang und den Lauten der
Sprache als deren Volksgenossen zu erkennen.
§. 7. Es erheben sich hier nun zwei Fragen,
1) worauf beruht die lautliche Differenz der In-
dividuen ; 2) wie so entsteht trotzdem jene größ-
ere oder geringere Gleichheit in den natur-
gemäß zusammengehörigen Menschencomplexen.
Was die erste Frage betrifft, so führt die
Thatsache der Verschiedenheit einerseits und an-
drerseits die Gewißheit, daß die Organe, durch
welche die Bildung und Aeßerung der Laute
zu Stande kommt — abgesehen von patho-
logischen Differenzen, welche wir hier, als Aus-
nahme von der Regel, unberücksichtigt lassen
dürfen — im Allgemeinen bei allen gesunden
548
Menschen identisch sind - mit Nothwendigkeit
za dem Schluß, oder der Annahme, daß diese
Uebereinstimmung im großen Ganzen Differenzen
im Einzelnen — und zwar sowohl im mu als
in der Wirksamkeit und Benutzung jener Organe
__ keineswegs ausschließt. Und auch dieser
Schluß findet durch anerkannte iüatsacnen
mehrfach seine Bestätigung. Ob die inneren
Organe, welche zur Aeußerung der Laute mit-
wirken, die Respirationsorgane, Differenzen dar-
bieten, wage ich - der Anatomie und Physio-
logie inkundig - nicht einmal zu fragen; daß
aber bei den ins Auge fallenden bedeutende -
für die Bildung der Laute sehr wesenthche -
Verschiedenheiten eintreten, ist allgemein be-
kannt; so z. B. stehen bei den Abiponen die
LippeA so weit auseinander, daß sie sie nur mit
Zwang schließen können und m Folge davon
keine Lippenlaute verwenden; eben so ist das
Maaß deV Zunge verschieden und die größere
oder geringere Länge derselben insbesondere m
Bezuf auf die Aussprache der Zischlaute von
Einfluß. In der Wirksamkeit und Benutzung
der Organe kann man sehr auffallende Ver-
schiedenheiten durchweg nachweisen; so die
stärkere Respiration der Bergbewohner , die
schwächere der Thalbewohner welche die Aus-
sprache überhaupt und insbesondere die dei
Kehllaute beeinflußt; die verschiedne Benutzung
der Nasenhöhle, wodurch die verschiedenartigen
Nasale entstehen; die nur bei eimgen suda n-
canischen Völkern eintretende Benutzung des
Schnalzens der Zunge zur Bildung Jon Woi ern
und anderes der Art. Es kommt 1^ erjioch
manches andere in Betracht, dessen bloße Ei-
wähnung wenig nützen könnte, wahrend eine gt-
rauere Betrachtung zu vielen Raum m Anspruch
k
nehmen würde. Bemerken will ich daher nur
noch, daß die Physiognomie im Ganzen und
Einzelnen für die Bildung der Laute von großem
Einfluß ist. Die Richtigkeit dieser Annahme
tritt uns insbesondere entgegen, wenn wir Men-
schen, welche das Talent, die Sprache anderer
nachzuahmen, in hohem Grade besitzen, davon
Gebrauch machen sehen. Ich bemerkte, daß sie
dann zugleich die Physiognomie der nachge-
ahmten vollständig annahmen, deren Gebärden,
ja deren ganzes Wesen, so daß man diese nicht
bloß zu hören, sondern leibhaftig vor sich zu
sehen glaubte. Mit der Veränderung der äußeren
Erscheinung des Gesichts gehen natürlich ge-
wisse Veränderungen in der gegenseitigen Lage
der zur Hervorbringung der Laute dienenden
Organe Hand in Hand ; in Folge davon wirken
sie durch Kunst und Absicht eine Zeitlang in
ganz gleicher Weise wie bei denen, bei welchen
sie von Natur diese Lage oder Verschiedenheit
haben, dauernd. Bei manchen Besonderheiten
in der Pronunciation, z. B. bei der näselnden,
bedarf es nur einer partiellen Veränderung der
Physiognomie, welcher in diesem Falle eine be-
sondere Verschließung der Nasenhöhle entspricht,
§. 8. Die zweite Frage: wie so sieh, trotz
dieser ursprünglichen Verschiedenheit bezüglich
der Hervorbringung der Laute in den Individuen,
dennoch eine größere oder geringere Gleichheit
derselben in den naturgemäß zusammengehörigen
Menschencomplexen geltend macht, erhält ihre
Beantwortung durch den die Menschheit beherr-
schenden Trieb der An- oder Ausgleichung.
Dieser beruht auf dem socialen — gesellschaft-
lichen — Character derselben {^(äov nohitxöv),
d. h. in letzter Instanz auf dem Bedürfniß ge-
sellschaftlich mit einander zu leben. Daß die
49
550
Mittel dieses BedürfniB zu befriedigen zum Theil
andere sind, oder anders wirken wie die, welche
bei denjenigen Thierarten, die ebenfalls gesell-
schaftlich mit einander leben, hervortreten, be-
ruht auf demjenigen Character der Menschheit,
durch welchen sie sich vor allen Thieren unter-
scheidet: dem geschichtlichen (JCujovIötoqixöv).
Durch diesen ist sie — im Gegensatz zu der sich
gleich bleibenden oder höchstens durch äußere
Umstände veränderbaren Entwickelung der Thiere
— auch zu einer aus ihr selbst — ihrem Inneren
— hervortretenden, sich, wenn auch nicht immer
zu emporsteigenden Stufen erhebenden, doch
stets, wenn auch bisweilen kaum oder ganz un-
merklich, ändernden Entwickelung befähigt.
Diese Mittel aufzuzählen oder genauer zu be-
trachten würde hier zu weit führen. Haupt-
stellen nehmen unter ihnen ein : Vererbung, dann
Gewohnheit und nicht am wenigsten der Trieb
nach dem Richtigen und Schönen, Ausfluß des
Hauptcharacteristicums der Menschheit, des
Strebens nach Idealen. Bezüglich der Sprache
bildet aber das wesentlichste Mittel, die — wenn
auch in größerem oder geringerem Maaße —
fast allgemein verbreitete Fähigkeit jede, auch
die fremdartigste Sprache sich in einem dem
gesellschaftlichen Bedürfniß genügenden Grade
anzueignen, speciell die fremdartigsten Laute —
freilich je nach deren Schwierigkeit für die an-
gebornen Pronunciationsorgane und der ver-
schiedenartigen Anlage zur Nachbildung fremder
Laute mehr oder weniger gut oder richtig —
nachzubilden.
§. 9. Stellen wir uns nun den kleinsten
naturgemäßen Menschencomplex , die Familie,
vor, so dürfen wir annehmen, daß, selbst wenn
durch die geringere oder größere Verschieden-
551
heit der Pronunciationsorgane eine Verschieden-
heit der ProDnnciation den Kindern angeboren
war, doch durch die Gewohnheit des Zusammen-
lebens diese Verschiedenheit — unter Beihülfe
der auch nnbewußt wirkenden Fähigkeit selbst
bei verschiednen Pronunciationsorganen gleiche
Laute hervorzubringen und andrer Momente —
ganz oder fast ganz ihren Einfluß auf die Pro-
nunciation verliert und sich ein wesentlich ge-
meinsamer Prouunciationstypus bildet, welcher
nns in so unendlich vielen Fällen als der einer
Familie besonders eigenthümliche entgegen tritt.
In ähnlicher Weise gleichen sich verschiedene
Familientypen durch die Gewohnheit des ge-
selligen Zusammenlebens in bestimmten Oertlich-
keiten zu einem gemeinsamen Typus von größerem
Complex — zu einer Ortssprache — aus; Orts-
sprachen zu dem einer provinzialen , Provinz-
sprachen endlich zu einer einheitlichen Volks-
sprache.
Bei allen diesen Bildungen sind aber die
in der Menschheit mächtig waltenden Triebe,
daß ihre Schöpfungen richtig und schön sein
vom größten Einfluß. Daß sie nichts absolutes
zu gestalten vermögen, zeigt die Veränderlich-
keit der menschlichen Schöpfungen; allein in
den Gestaltungen, an welche wir einen umfas-
senden Maaßstab zu legen vermögen: einen
ethischen oder intellectuellen, wie an Religion,
Recht, Staat, Wissenschaft, Kunst, zeigt sich,
daß sie das unter bestimmten Cultur-, oder über-
haupt socialen Zuständen einzig richtige oder
einzig mögliche und schöne waren. Wir sind
daher wohl berechtigt, nach diesen Analogien
auch in Bezug auf Sprachen anzunehmen, daß
was in bestimmten Zeiten in ihnen für richtig
49*
552
und schön galt, ebenfalls das unter diesen Um-
ständen einzig mögliche Ergebniß dieser Triebe
war.
Diese Triebe sind auf das Allgemeine —
einem Menschencomplexe Gemeinsame — ge-
richtet ; der größere *€omplex ist in Folge davon
maaßgebeud für die in ihm enthaltenen kleineren.
Was für die Volkssprache als richtig und schön
anerkannt ist, dem unterwirft sich auch — mit,
oder, häufiger noch, ohne Bewußtsein — jedes
Mitglied der kleineren Complexe, welches das
Bedürfniß fühlt in den das ganze Volk umfas-
senden Kreis zu treten, welcher durch das mäch-
ligste gemeinsame Band , das der Sprache, zu-
sammengehalten wird. Specielle Richtungen,
welche in den kleineren Complexen , im Gegen-
satz zu den allgemein für richtig oder schön
geltenden, hervortreten, werden als Fehler ge-
brandmarkt und, wo sie nicht durch den gesel-
ligen Verkehr, oder andre Einwirkung derer,
welche als Vertreter des allgemein als recht und
schön anerkannten gelten, von selbst weichen, wer-
den sie mit Absicht vermieden und gegen das all-
gemein gültige vertauscht. In einfachen Ver-
hältnissen — in denen noch keine Schrift vor-
handen war — werden als solche Vertreter Dich-
ter, Redner und überhaupt diejenigen betrachtet
sein, welche die Gabe besaßen, auf andre durch
entscheidende, ergreifende, oder überhaupt zweck-
mäßige Benutzung des Wortes zu wirken Es
waltete das Gefühl, daß diejenigen, welche durch
die Sprache wichtige oder große Zwecke zu er-
reichen wissen , nicht bloß dem Inhalt , sondern
auch der Form nach Muster von Sprechern seien,
ihre Art die Sprache zu handhaben die einzig
richtige und schöne. So wurden sie Autoritäten,
nach deren Vorbild sich zunächst die nächste
553
ümgebnnpr richtete, welche dann, sich in immer
weitren Kreisen ausdehnend nnd verbreitend
eine in Wort und Lautpronuuciation gemein-
same Sprache in allen kleineren Complexen,
wenn auch nicht zu allgemeiner üebung, doch
zu allgemeiner Anerkennung brachte.
§. 10. Die Spaltung einer einheitlichen
Sprache in mehrere — insbesondre lantverschiedne
dagegen — ist umgekehrt dadurch bedingt, daß
die Herrschaft derselben in Bezug auf einen oder
mehrere Theile des Volkes, welches sie spricht,
ein Ende nimmt. Dieses Ende kann durch ver-
schiedene Umstände veranlaßt werden; am häu-
figsten wohl durch eine räumliche oder politi-
sche Trennung, welche die abgetrennten Theile
bestimmt oder nöthigt, ein Sonderleben zu be-
ginnen. In diesem Sonderleben können besondre
Lautneigungen der abgetrennten Theile — wel-
che während der einheitlichen Verbindung, als
Fehler betrachtet, sich der Herrschaft der all-
gemeinen Sprache gebeugt hatten , aber nicht
ausgestorben waren — wieder anfangen unge-
hemmt und frei zu walten, oder — allein oder
neben jenen — können sich neue entwickeln.
Beides, insbesondre das letztere konnte durch
mancherlei Umstände begünstigt werden ; so
konnten z. B. schon Auswanderung aus dem
ursprünglich gemeinsamen Wohnsitz nnd die
damit verbundenen Beschwerden manches in Ver-
gessenheit bringen ; climatisch und überhaupt phy-
sisch verschiedue Sitze konnten nicht umhin auch
auf die lautbildenden Organe ihren Einfluß zu
üben ; wahrscheinlich auch die feindliche und
freundliche Berührung mit stammverschiedenen
Völkern und anderes. Natürlich war es auch von
großer Bedeutung, ob die getrennten Theile frü-
her oder später zu neuen, festen Sitzen gelang-
554
ten; die, bei denen das erstre der Fall war,
mochten manche Entwickelungen, welche in der
gemeinsamen Sprache bei der Trennung begon-
nen hatten, weiter führen, während die später
fixirten nur ein oder das andre darauf beruhende
Wort bewahrten, die Richtung aber, da sie noch
nicht durch viele Bildungen hinlänglich gekenn-
zeichnet war, nicht weiter verfolgten.
Diese besonderen Entwickelungen dehnen
sich unter der unbewußt wirkenden Herrschaft
der Analogie so weit aus, daß sie fast oder wirk-
lich das ganze Bereich der sprachlichen Gebilde
zu umfassen scheinen, in denen sie ihrer Natur
nach überhaupt zur Geltung zu kommen ver-
mochten, und so jene auf den ersten Anblick,
einen so räthselhaften , ja mysteriösen Eindruck
machende, Regelmäßigkeit hevorrufen, mit wel-
cher in den besonderten Sprachen eines Stammes
nicht selten ein und derselbe Laut der Grund-
sprache in auffallender Consequenz durch sehr
verschiedenartige widergespiegelt wird.
Dieser mysteriöse Schein fällt aber für jeden
dahin, der einerseits die Macht der sprachlichen
Analogie kennt und andrerseits durch erschöp-
fende Untersuchungen die Einsicht gewonnen
hrt, daß diese Regelmäßigkeit keinesweges so
durchgreifend ist, wie man gewöhnlich, durch
unzureichende Beobachtung getäuscht, anzuneh-
men geneigt ist , daß sie vielmehr speciell in
den früher fixirten Sprachen eine Fülle von
AusDahmen erleidet , während in den später
fixirten die Anzahl der Ausnahmen zwar viel
geringer ist, aber doch auch in ihnen deren ge-
nug hervortreten , um die üeberzeugung zu ge-
währen, daß aucli diese Lautumwandlungen hier
wie dort sich nicht mit einem Schlage, sondern
erst nach und nach geltend gemacht und ver-
555
breitet habeu, und daß ihre weitere, ja wenn
auch noch so weite , Verbreitung in den später
fixirten einzig dem Umstand verdankt wird, daß
die späte Fixirung der Macht der Analogie Zeit
genug gewährt hatt«, ihre Herrschaft in viel wei-
terem Umfang auszudehnen, als dieses bei den frü-
her fixirten möglich war. Freilich ist dabei die —
übrigens bekannte — Thatsache zu berücksich-
tigen, daß Lautumwandlung, ja Sprachumwand-
lung überhaupt, in den verschiednen Sprachen
in sehr verschiednen Zeitmaaßen vor sich geht,
daß speciell manche indogermanische Sprachen
Umwandlungen in Jahrhunderten durchgemacht
haben mögen, welche in andren desselben Stam-
mes Jahrtausende in Anspruch genommen ha-
ben; man vgl. z. B. den Uebergang von indo-
germanischem h in die Palatale tscJi, und den
Zischlaut f, welcher uns schon in den ältesten
Phasen des Arischen, Sanskrit und Zend, ent-
gegentritt, im Italischen dagegen erst in den
Töchtersprachen das Latein (z. B. coelum, ita-
liänisch cieh, französisch ciel).
§. IL Was im vorigen §. kurz ausge-
sprochen, bedürfte der Belege durch Beispiele;
es giebt deren in Fülle; ich beschränke mich hier
auf Anführung von zweien, eines für den selbst-
ständigen und eines für den uuselbststäudigen
Lautwechsel. Das erstre entnehme ich dem
Griechischen, das zweite dem Sanskrit.
Im Griechischen hat sich bekanntlich indo-
germanisches s in ziemlich weitem Umfang vor
Vocalen in den Spiritus asper verwandelt, oder
ist ganz eingebüßt; so ist z. B. das s im indo-
germanischen sad, sitzen, durchweg zu ' gewor-
den, iö, indogerm. 5a, eins, ista, z.B. iüä-na^,
oder a- z. B. in d-deX(fdg geworden, indoger-
manisch mdnasas, Genetiv von numas = ftsrog.
556
lautet griech. (iSvsog (für iiiveaog^) , ursprüng-
licheres Tvme-aai ist vermittelst tvmsai, in rvTcrri
zusammengezogen. Wir erklären diese Umwand-
lung nach Obigem dadurch, daß wir annehmen,
daß irgend ein naturgemäßer Menschencomplex
des griechischen Volkes , vielleicht nur ein to-
pischer , bei welchem die Zunge vorwaltend so
gebildet oder gelegen war, daß die Vorwärtsbe-
wegung derselben gegen die Zähne, durch welche
sie sich aus der Lage bei Pronunciation des Spiritus
asper entfernt^), einen gewissen Zwang erfor-
dert hätte , angefangen habe diese Vorwärtsbe-
wegung in mehreren Fällen zu unterlassen, so
daß in ihnen nicht mehr s sondern '' hervortrat.
Diese Aussprache fing an durch Umstände,
welche sich nicht mehr erkennen lassen, Auto-
rität zu erlangen , für richtig und schön zu gel-
ten und ward in Folge davon auch von Indi-
viduen und Complexen angenommen, denen die
Nöthigung, welche sie herbeigeführt hatte, ganz
fremd gewesen sein konnte. So erhielt sie eine
weite Verbreitung; allein als die Sprache sich
fixirte , war in vielen Fällen das ursprüngliche
s noch nicht ganz verdrängt, wie z. B. Gvg ne-
ben vg erscheint, tid^sGat, neben rti?«^; in andern
hatte es sich sogar allein erhalten, wie in ^siq
für öS F £Q für indogermanisches savar, aavö-aqö
von indog. sus u. aa. Man kann daraus erken-
nen , daß dieser Wechsel sich erst nach und
nach verbreitet und mit der Fixirung der Spra-
che nicht weiter ausgedehnt hat.
Die Art, wie er vor sich gegangen ist, zeigt
1) Vgl. die Lage der Zunge bei Bildung des Spiritus
asper und des s in M. Müllers Lectures on the Science
of Language. Second Series. 1864 p. 129 Fig. 12 und
p. 133 Fig. 16.
557
daß die Sprechenden von der Umwandlung gar
kein Bewußtsein hatten. Sie glaubten den Laut
s sicherlich lange Zeit noch zu sprechen, als
er schon längst durch h vertreten, oder ganz
verschwunden war, gerade wie es bei uns viele
Städte giebt , welche Eigenthümlichkeiten der
Aussprache haben, die dort standhaft abgeleug-
net werden ; in denen Laute vollständig ge-
schwunden sind, welche die Bewohner deutlich
auszuprechen meinen , ja mit dem größten Eifer
behaupten.
Was das Beispiel für die allmäliche Verbrei-
tung des unselbständigen Lautwechsels betrifft,
so ist es bekannt, daß im Sskrit ein langes d
durch den Einfluß einer folgenden accentuirten
Silbe sehr oft zu t wird. Dieser Lautwechsel
hat sich in mehreren Categorien in großem Um-
fang geltend gemacht , so z. B. in der dritten
Conjugationsclasse z. B. von pd ^i^ä-na, aber
cip-hi, in der neunten grind'ti, aber grinitäs. mehr-
fach im Ptcp. Pf. z. B. von ^d, trinken, mit Äff.
td: pitd, im Absolutiv von demselben Verbum
pitva und sonst.
Dagegen giebt es unter den vielen Partici-
pien auf and nur ein einziges, nämlich das Ptcp.
Präs. von ds, sitzen, welches das ä in t ver-
wandelt hat und zwar im Yeda nur arbiträr, im
classischeu Sskrit jedoch regemäßig (Pän. TU.
2, 83). Im Rigveda erscheint zweimal äsänd
und siebenmal d'shia. Bemerkenswerth ist bei
letzterem, daß trotz der Umwandlung des d in l der
Accent nicht auf dem auslautenden a sondern
dem anlautenden d erscheint. Der Grund davon
liegt darin, daß sich im Sskrit allmälig das Ge-
setz geltend machte (den Grund sehe mau in
der Behandlung der Geschichte des Accents),
daß Verba, welche nur im Atmanepada ge-
558
braucht werden, den Accent auf der Stammsilbe
haben sollen; für die Veden gilt es noch nicht
durchgreifend und so hat sich auch äsänä mit
der ursprünglichen Accentuation erhalten. Diese
Accentuation rief die Form dsina hervor und
diese, die später allein herrschende, fügte sich
auch dem späteren Accentwechsel ; ob dieser
auch im Veda schon eingetreten war, ist sehr
zu bezweifeln; eben so sehr für die alten Hym-
nen die Form mit i überhaupt.
Dieses Beispiel zeigt daß dieser Laut Wechsel
eben auch die Ptcpia auf änä ergreifen wollte
und das von äs zuerst arbiträr ergriffen und dann,
als die Sprache fixirt ward, sich schon ganz un-
terworfen hatte; in Folge davon ward äsina die
einzig gebräuchliche Form im classischen San-
skrit, blieb aber auch hier das einzige Particip,
in welchen das ä von änä zu i geworden ist.
lieber das Erdbeben von Iquique vom
9. Mai 1877 und die dadurch erzeugte
Fluthbewegung im Großen Ocean.
Von
Dr. E. Geinitz.
Am 9. Mai dieses Jahres wurden die Küsten
von Peru , Bolivia und Chile von einem groß-
artigen Erdbeben heimgesucht , das in seiner
Ausdehnung und seinen Folgen vollkommen dem
Phänomen glich, welches im Jahre 1868 die
gleichen Orte betraf. Wie damals, so wurde
auch von dem diesjährigen Erdbeben eine ge-
559
waltige Fluthwelle hervorgebracht, die sich längs
der Westküste Südamerikas, sowie über die ge-
sammte Fläche des Großen Oceans bis an die
Küsten Australiens und Japans erstreckte. Aus
den Angaben über das Erd- und Seebeben von
18G8 berechnete F. von Hochstetter die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Fluthwellen,
sowie die mittleren Tiefen dieses Oceans. Es
erschien wüuschenswerth , auch das diesjährige
Ereigniß, welches mit dem von 1868 eine so
große Uebereinstimmung zeigte, in dem ange-
deuteten Sinne zu bearbeiten , «umal die inzwi-
schen von den Expeditionen des »Challenger«,
der »Tuscarora« und der »Gazelle« angestellten
Tiefenmessungen im Großen Ocean eine will-
kommene Controle versprachen^).
Die für diesen Zweck gesammelten Nach-
richten ergaben folgende Resultate.
Als ErschütteruDgscentrum ist Iqnique in
Peru (20<> 12' s. Br., 70« 14' westl. L. Greenw.)
oder ein etwas südlich davon gelegener Punkt
anzusehen. (Das Centrum des Erdbebens vom
13. August 1868 war das nordlicher gelegene
Arica). Das Ereigniß fand statt um 8 Uhr 20
Minuten Abends des 9. Mai. In den Orten aus
der Nähe von Iquique , z. B. Pisagua, Pabellon
de Pica, Tocopilla , trat das Erdbeben mit glei-
cher Heftigkeit auf, während es weiterhin all-
mählich an Stärke abnahm. Es wurde nament-
lich in den folgenden Orten beobachtet: Mol-
lendo, Ilo, Arica, Pisagua, Iquique , Pabellon de
Pica, Tocopilla, Cobija, Mejillones de Bolivia,
Antofagasta, Caldera, Chanaral, Copiapo, Coquim-
beo, Valparaiso, Concepcion ; es besaß somit eine
1) Eine ausführliche Behandlung des Gegenstandes wird
in kurzer Zeit in Petermanns Geographischen Mittheilun-
gen folgen.
560
Verbreitung über 20 Breitengrade. An fast allen
Punkten war das Erdbeben von einer unge-
wöhnlich langen Dauer (meist 3—4 Minuten)
und folgten sich meist mehrere Stöße; die Zei-
tungen berichten von dem immensen Schaden,
welchen die Erschütterung in der Mehrzahl der
betroffenen Orte angerichtet hat.
Größer noch als der vom Erdstoße selbst
verursachte Schaden war das Unheil, welches
die von dem Erdbeben erzeugte Fluthbewegung
des Großen Oceans allenthalben anstiftete. Die
hierbei beobachteten Erscheinungen sind die fol-
genden :
An der Küste des Gebietes der stärksten
Erschütterung trat wenige Minuten nach dem
ersten Stoße (in Iquique um 8** 25™ p. m. IX.)
eine Bewegung des Meeres ein , welche als ein
plötzliches Anschwellen und Emporsteigen des
Wassers geschildert wird. Darauf zog sich das
Meer weit zurück, um bald als Welle wieder
zu kehren und mit verheerender Gewalt über
das Ufer- in das Land hereinzubrechen. Diese
Fluthungen wiederholten sich in verschieden
langen Intervallen oft noch den folgenden Tag
über. In den entfernteren Gegenden trat eine
Wellenbewegung ein, welche entweder mit einem
Rückzug des Wassers oder dem Heranrollen
einer Woge begann. Die Fluthbewegung er-
streckte sich auf die ganze Westküste Südame-
rikas und wurde auch in dem mexikanischen
Hafen von Acapuloo beobachtet, so daß sie sich
an der amerikanischen Küste über 60 Grad ver-
breitet hat.
In gleicher Weise, wie im Jahre 1868 pflanzte
sich das Seebeben auch diesmal über die ganze
Fläche des Großen Oceans fort. Folgendes sind
die diesbezüglichen Daten :
561
Auf den Sandwichinseln wurde die Fluthbe-
wegung an mehreren Orten beobachtet. In
Hilo auf Hawaii trat die erste Fluth um 4^4 ühr
Morgens des 10. Mai ein. Diese Zeit ist für
Iquique 10 ühr 24 Min. Vormittags des 10.
(Zeitdifferenz 5 Stunden 39 Min.). Die (berech-
nete) Entfernung zwischen Iquique und Hilo
von 5526 Seemeilen (60 Sm. = 1 Äequatorial-
grad) wurde daher von der Fluthwelle in 14
Stunden zurückgelegt, d. i. mit einer mittleren
Geschwindigkeit von 396 Seemeilen pro Stunde,
oder 670 engl. Fuß pro Secunde. Mit Hilfe
dieser Geschwindigkeit läßt sich nach den For-
meln von Airy oder Rüssel die mittlere Tiefe
des durchlaufenen Theiles des Oceans berechnen.
Diese beiden Formeln lauten resp.: h = (—1
und h = ~; wobei h die Tiefe, v die mittlere
9
Geschwindigkeit, Je die Zahl 5,671, g = 32,
1908 engl. Fuß bedeuten. Die hiernach gewon-
nenen Tiefenwerthe sind resp. 13945 und 13931
engl. Fuß, oder im Durchschnitt 2324 Faden.
Die nach diesen Formeln berechneten Werthe
für die mittlere Tiefe des Oceans sind natürlich
um so genauer, je ungestörter sich die Fluthwelle
in ihrer Richtung fortgepflanzt hat; sie müssen
daher weniger genau sein, wenn die Welle durch
zwischenliegende Inselmassen in ihrer Geschwin-
digkeit verzögert wurde. Daher können wir
uns erklären , daß die Werthe für die Tiefe des
Oceans zwischen Iquique und Honolulu von den
eben (für Hilo) gefundeneu etwas abweichen.
Während nämlich die Welle auf ihrem Wege
von Iquique bis Hilo auf keinerlei ihre Ge-
schwindigkeit erheblich hindernde Inselmassen
562
stieß, muß sie weiterhin, "bis sie zn dem nord-
westlich gelegenen Honolulu gelangt , durch die
zwischenliegenden Massen von Hawaii, Maui etc.
in ihrer Geschwindigkeit beeinträchtigt werden;
unter sonst gleichen Umständen wird demnach
die aus den Hilo'er Daten gewonnene Tiefen-
angabe der Wahrheit am nächsten kommen.
Im Hafen von Honolulu trat die Fluthbewegung
aus den eben erwähnten Gründen erst um
b^ 20™ a. m.X. (= ll'^ ll'" a. m. X. Iquique-
Zeit) ein. Die Entfernung von 5710 Sm. wurde
demnach in lA^ji^ zurückgelegt, d. i. mit einer
mittleren Geschwindigkeit von 654, 5 Fuß pro
Secunde. Dies ergiebt eine durchschnittl. Mee-
jrestiefe von 2219 Faden.
Auf den Sandwichiuseln, wie an den meisten
übrigen Beobachtungspunkten , von denen Nach-
richten vorliegen, fand die Fluthbewegung in
Form mehrerer auf- und absteigender Wellen
statt, von denen die ersten gewöhnlich einander
sehr rasch folgten und sehr bedeutend über das
gewöhnliche Hoch- und Tiefwasser-Niveau hin-
ausgingen; die allmählich an Intensität abneh-
mende Fluthung setzte sich oft einen Tag oder
länger fort.
Der Kürze halber mögen die wichtigsten
Daten, welche von anderen Punkten vorliegen
und die daraus gewonnenen Berechnungen in
Form einer Tabelle folgen:
563
Ankunft der Welle
Ortszeit
Iqniqae-Zeit
Ent-
fer-
nQng
Ton
Iqui-
qae
in
See-
meilen
zurück-
gelegt in
Ge-
Bchirin
digkeit
der
WeUe
Mitt-
lere
Tiefe
des
inFoaBJOceAiui
pro I in
Se- Faden
conde |
Apia 4^30™a.in.XI.
Lyttleton, |
Neuseelandj?^ a.m. XI.
Akaroa,
Neuseeland 7** a. m.XI.
Eamaisbi,
Japan
2M5p.m.X.
gVs^a.m.XI. l6V,''p.m.X.
11^16™a.m.X.5739 uHff° 655.5 2225
2^48"p.m.X. 5631
18^23^
18»'2(r
5560
8835122^
518.4
513^
679
1392
1367
2389
Außer von dieser Orten liegen noch von
mehreren anderen Gegenden Berichte vor, wel-
che aber leider nicht genau genug sind, um An-
haltspunkte für Berechnungen zu geben. So
wurde die Fluth auf der Chataminsel , an der
gesammten Ostküste von Neuseeland, in Sydney
und Newcastle (Australien) wahrgenommen.
Bei einer Yergleichuug der gewonnenen Re-
sultate mit den von Hochstet te r'schen An-
gaben und den directen Tiefseemessungen er-
giebt sich eine verhältnißmäßig befriedigende
Uebereinstimmung ; die Differenzen beruhen
nur auf den verschieden genauen Beobachtungen
und anderen untergeordneten Elementen. Die
vorliegenden Untersuchungen bestätigen auch
im allgemeinen die von Hochstetter ausge-
sprochene Behauptung, daß die Geschwindigkeit
der Erdbebenwelle und der lunaren Fluthwelle
identisch sei.
564
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
Mai 1877.
Verhandlungen des naturhistor. medicin. Vereins zu Hei-
delberg. Neue Folge. Bd. I. Hft. 5. 1877.
F. A. T. Winnecke, Gauss, ein Umriss seines Lebens
u. Wirkens. Braunsch. Iö77.
R. Dedekind, üeber die Anzahl d. Ideal-Classen. Fest-
schrift, z. Gauss Säcularfeier , dargebracht v. CoUeg.
Carl. Ebd. 1877.
Fr, Brioschi, suUa teoria delle forme binarie del serto
ordine e la trisezione delle funzioni iperelittiche me-
moria di Alfr. Clebsch, tradotta ed annotata. Milano
1877. 4.
K. Bruhns Briefe zw. A. v. Humboldt u. Gauss. Leip-
zig 1877.
Monthlynotice8oftheR.Mathem.Soc.Vol.86. No.;6. 1877.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. Bd. 7.
H. 2. Jahrg. 1875.
Neederlandsch Tijdschrift voor de Dierkunde. Deel H.
Amsterdam. 1865. — Deel IlL 1866. - Deel IV. 1874.
Archives Neerlandaises des Sciences exactes et natur.
T. 11. Livr. 4—5. 1876. Tome 12, livr. 1.
Verhandelingen rakende den naturlyken en geopenbaar-
den Godsdienst. Uitgeg. door Teyler's genootshap.
D. V. Harlem. 1876.
Handelingen en Mededeelingen van de Maatschappij der
Neederlandsche Letterkunde te Leiden, over het iaar
1876.
Bihang tot de Handel, van 1876.
Alphabetische List der Leden van deMaatschappj. 1876.
Abhandl. der mathem. — physik. Cl. der K. Bayerischen
Akad. der Wiss. Bd. XII. Abth. 2. u. 3. München.
1876. 4.
R. V. Liliencron, über den Inhalt der allgem. Bil-
dung in der Zeit der Scholastik. Ebd. 1876. 4.
E. Trumpp, Nänak, der Stifter der Sikh-Religion. Ebd.
1876. 4.
Zeitschrift der Deutsch. Morgenland. Geaellsch. Bd. 31.
Hft. 1. 1877.
Fortsetzung folgt.
565
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
7. November. M 22. 1877.
UniTersität.
Bericht über das physikalische Insti-
tut, Abtheilung für Experimental-
physik, aus den Jahren 1871 — 1877
von
Eduard Blecke.
Wie in der Chemie, so zerfällt auch in der
Physik der Unterricht naturgemäss in zwei
Theile, welche sowohl nach ihrem Zwecke, als
nach der Art des Unterrichtes wesentlich von
einander verschieden sind : in Vorlesung und
Praktikum ; beide können erst in ihrer Vereini-
gung dasjenige Maass von physikalischen Kennt-
nissen darbieten, dessen Besitz von dem künfti-
gen Lehrer, dem Chemiker, Mineralogen und
Mediciner verlaugt werden muss. In der das
ganze Gebiet umfassenden Voi-lesung haben sich
die Studirenden die Kenntuiss der physikalischen
Gesetze, ihres inneren Zusammenhanges, der zu
ihrer Begründung dienenden Versuche und Ap-
parate, ihrer Anwendungen auf dem Gebiete
der Wissenschaft und der Technik zu erwerben.
Die Vorlesung kann aber die zahlreichen quan-
titativen Bestimmungen , zu deren praktischer
Ausführung in den eben genannten Disciplinen
50
566
mehr oder weniger häufige Veranlassung sich
darbietet, nur in principieller Weise behandeln
und es ist bekannt, welch großer Schritt von
der principiellen Lösung bis zu der praktischen
Ausführung noch zu machen ist. Als noth-
wendige Ergänzung der Vorlesung tritt daher
das physikalische Praktikum ein, in welchem
der Studirende Gelegenheit findet, sich in der
Anwendung der in der Vorlesung erworbenen
Kenntnisse, in der Ausführung physikalischer
Messungen , dem Gebrauch physikalischer In-
strumente die erforderliche Uebung zu erwerben.
Für den künftigen Lehrer der Physik insbeson-
dere tritt noch die Anforderung hinzu , daß er
in dem Gebrauche physikalischer Apparate so
' weit geübt werden soll, daß ihm die Anstellung
der gewöhnlichen Vorlesuugsversuche keine
Schwierigkeiten bereitet. Dieses Ziel ist nach
meinen Erfahrungen auf direktem Wege, d. h.
dadurch dass man die Ausführung von Vorle-
sungsverauchen zum unmittelbaren Gegenstand
der Uebungen macht, nicht in befriedigender
Weise zn erreichen , da die Studirenden nur zu
geneigt sind, sich mit halben Erfolgen zufrieden
zu geben, und die Uebung leicht in eine ober-
flächliche Spielerei mit den Apparaten ausartet.
Man kann aber den Gebrauch von Apparaten,
deren Kenntniß für den physikalischen Unter-
richt unentbehrlich ist, verbinden mit quantita-
tiven Aufgaben, deren richtige Lösung eine sorg-
fältige Anordnung der Versuche in all ihren
einzelnen Theilen voraussetzt. In demselben
Sinne spricht sich auch Kohlrausch in der Vor-
rede zu seinem Leitfaden der praktischen Physik
aus, in welchem er eine für den praktisch-phy-
sikalischen Unterricht durchaus maßgebende
Grundlage geschaffen hat.
567
Die Theilung des Unterrichts in den theo-
retischen und praktischen Theil ist in der Che-
mie schon längst durchgeführt , während auf
dem Gebiete der Physik erst seit kurzem durch
einen Erlaß des Kgl. Cultministeriums die
Einrichtung physikalischer Praktika an allen
Universitäten angeordnet ist.
In Göttingen wurde ein physikalisches Prak-
tikum schon im Jahre 1867 ins Leben gerufen,
uud hatte sich unter der Leitung von Kohl-
rausch bald in der erfreulichsten Weise ent-
wickelt. Nach halbjähriger Unterbrechung
wurde die Leitung des Praktikums Ostern 1871
von mir übernommen. Ueber die Verhältnisse
des Besuches in dem verflossenen Zeitraum giebt
die folgende Tabelle Auskunft:
Studirende der
tä CD
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Sommer 1871
3
0
3
Winter IS'Vts
9
2
11
Sommer 1872
19
2
21
Winter 18^773
22
1
23
Sommer 1873
19
1
20
Winter 1 8^/74
20
0
20
Sommer 1874
9
6
15
Winter 18^V75
14
6
20
Sommer 1875
16
5
21
Winter 18^^76
16
7
23
Sommer 1876
21
5
26
Winter 18^^/77
27
12
39
Sommer 1877
23
5
28
Zusammen j 218
52
270
568
Die Gesammtzahl derjenigen Stndirenden,
welche sich unter der Leitung von Kohlrausch
an den physikalischen Uebuugen betheiligten
beträgt 104, so dass also das Göttinger physi-
kalische Praktikum seit seinem 10jährigen Be-
stehen von im Ganzen 374 Praktikanten besucht
worden ist. Die rasch wachsende Zahl der
Praktikanten machte eine weitere Unterstützung
in ihrer Beaufsichtigung zu einem dringenden
Bedürfniß, welchem im Sommer 1872 durch
Errichtung einer Hülfsassistentenstelle genügt
wurde. Ich habe die Unterstützung, welche
mir in dieser Eigenschaft von den Herrn Dr.
Neesen, Dr. Fromme, und nachdem der letztere
in eine etatsmäßige Assistentenstelle aufgerückt
war, Herrn Dr. Hoppe geleistet wurde, rüh-
mend hervorzuheben.
Was die Apparatensammlung des Institutes
anbetrifft, so wurde im Laufe der verflossenen
Jahre eine möglichst vollständige Trennung der
für das Praktikum einerseits, für wissenschaft-
liche Arbeiten und Vorlesung andererseits noth-
wendigen Apparate durchgeführt. Hiezu sowie
zu einer nicht unbeträchtlichen Erweiterung der
den verschiedenen Zwecken des Institutes die-
nenden Apparatensammlung wurden die Mittel
geboten durch einen von dem königlichen Cult-
ministerium gewährten Extrazuschuß im Betrage
von 7500 M. Der für sachliche Ausgaben be-
stimmte jährliche Fonds des Instituts hat in
dar verflossenen Periode eine Erhöhung von
1200 M. auf 2200 Mark erfahren.
Obwohl die eigentliche Aufgabe des Prakti-
kums stets im Unterricht durch Uebungsauf-
gaben, wie sie der Leitfaden von Kohlrausch in
trefflicher Auswahl und Anordnung darbietet,
gesucht wurde, so fanden doch einzelne vorge-
569
rücktere Praktikanten anch Gelegenheit zur Aus-
führung selbständiger wisseiischafilicher Arbei-
ten. Folgende Untersuchungen sind bis jetzt
in den «Nachrichten» und in den Annalen der
Physik u. Chemie veröffentlicht worden:
Börnstein: Zur Theorie von Ruhmkorffs In-
duktionsapparat.
Fromme: Die Magnetisirnngsfunktion einer
Kugel aus weichem Eisen.
Dr. Schuster: Ueber einseitige Leitungsfa-
higkeit.
Himstedt: Ueber die Schwingungen eines
Magneten unter dem dämpfenden Einfluß einer
Kupferkugel.
Schrader: Ueber den specifischen Leituugs-
widerstand der Gaskohle.
Dr. Hoppe: Ueber den Leitungswiderstand
der Flammen gegen den galvanischen Strom.
Dr. Hoppe: Ueber die Pyroelektricität des
Turmalins.
Verzeichnis der Promotionen der phi-
losophischen Facultät in dem Deca-
natsjahre IS?«/?.
Dem Hofrath Dr. med. August Grisebach,
ordentlichem Professor der Botanik an unserer
Universität, wurde den 27. November 1876 ho-
noris causa das Diplom der philosophischen
Doctorwürde ertheilt.
570
I. Von den unter dem Decanate des Hofraths
von Leutsch beschlossenen, aber nicht vollzoge-
nen Promotionen ist folgende vollzogen:
Sept. 1876. 0. Kays er aus Offenbach. Dis-
sertation : üeber Parabromtoluol-Amidosulfo-
säure und Parabromtoluol-Nitrosulfosäure.
II. Von den unter dem Decanate des Geh.
Regierungsraths Lotze beschlossenen, aber nicht
vollzogenen Promotionen ist folgende vollzogen:
Juli 1876. Joseph Philipp Rotheimer aus
Düsseldorf, Dissertation : De enunciatis con-
ditionalibus Plautinis.
III. Von den unter dem Decanate des Hofraths
Bertheaa beschlossenen Promotionen sind fol-
gende vollzogen:
1. Juli 1876. Heinrich Kolischer aus Lem-
berg. Dissertation: Rodbertus Ansichten über
den landwirthschaftlichen Hypothekeukredit.
2. Juli. Felix Buka aus Myslowitz. Diss. :
üeber das sphaerische Kurbelgetriebe und
seinen Specialfall, das Hooke'sche Gelenk.
3. Juli. Bernhard Pansch aus Eutin. Diss. :
De Deo Piatonis.
4. Juli. Arthur Fairbanks Taylor aus
Andover, Massachusets. Diss.: üeber das
Verhalten der Bernsteinsäure zu Anilin und
Tolidin und über die Nitrirung der Succiu-'
Anilide.
5. Juli. Friedrich Scheiding aus Hildesheim.
Diss.: üeber Beta-Naphtylamin.
6. Juli Fritz Bechtel aus Durlach. Diss.:
üeber gegenseitige Assimilation und Dissi-
milation der beiden Zitterlaute in den älte-
sten Phasen des liidogermauischeu.
571
7. Juli 1876. Hermann Julins Boettger aus
Bunzlau. Diss.: Die deutsche Apothekerre-
formbewegung der letzten Jahrzehnte.
8. Jnh. Ernst Hoe bei aus Steiniahe. Diss.:
Ueber die Darstellung doppelt-periodischer
l^uuktionen durch uoendliche Produkte
9. December 1 876. Ferdiuaud Sennewald aus
Hamburg. Diss. : Ueber Aethyl- und Amyl-
Auhydrobenzoyl-Diamidobenzol.
10. Januar 1877. Georg Alexander Kästner
aus St. Petersburg. Diss.: Ueber das refun-
dirte Bisthum Reval.
IV. Unter dem Decanate des Professors W
Müller vom 1. Juli 1876 bis zum 30. Jani 1877
sind folgende Promotionen bewilligt und voll-
zogen worden:
13. Juli 1876. Bruno Förster ans Zduui in
Posen. Diss.: Die Plänermulde östlich von
Alfeld.
15. Juli. Edmund Hoppe aus Burgdorf. Diss.:
Ueber verschiedene Formen der canonischen
Substitution und deren Anwendung in der
Mechanik und zur Interpretation der Diffe-
rentialgleichungen erster Ordnung.
18. Juli. Karl Stuckenberg aus Stade.
Diss.: Ueber Paranitrosulphipheuol, Amido-
nitro-, Dianido- und Amidodinitrophenole.
20. Juh. Otto Lücke aus Magdeburg. Diss.:
Absolute Participia im Gotischen und ihr
Verhältnis zum griechischen Original,
21. Juli. Otto Krümmel aus Exin in' Posen.
Diss.: Die äquatorialen Meeresströmungen
des Atlantischen Oceans und das allgemeine
System der Meerescircuiation.
-T. Juli. Arnold Heinrich Kamp aus Oester-
572
wege. Diss. : Schleiermacher's Gotteslehre
kritisch dargestellt.
29. Juli. Hermann von Jhering Dr. med. aus
Göttingen. Diss. : üeber die Ontogenie von
Cyclas und die Homogenie der Keimblätter
bei den Mollusken.
30. Juli. Walther Gröbli aus Oberntzwil im
Canton St. Galleu. Diss. : Specielle Probleme
über die Bewegung geradliniger paralleler
Wirbelfäden.
1 . August. Anton Führer aus Limburg a. d. L .
Diss. : De dialecto Boeotica.
2. August. PVitz G i e s e 1 aus Winzig. Diss. :
üeber Chrysaminsäure und Chrysazin.
4. August. Felix Buch hol tz aus Brandenburg.
Diss,: De aulaeorum velorunique usu et in
vita veterum cotidiana et in anaglyptis eorum
atque picturis.
5. August. Hermann Kasten aus Bremen.
Diss. : Zur Theorie der dreiblättrigen Rie-
mann'schen Fläche,
7. August. Hippolyt Ludwig von Klenze
^aus München, Diss.: Untersuchungen über
die kapillare Wasserleitung im Boden und
die kapillare Sättigungskapacität desselben für
Wasser.
7. August. Heinrich Witte aus' Leer. Diss.:
Geschichte des Wormser Conkordates unter
den Staufern.
9. August. Ernst von Schack aus Basthorst.
Diss. : lieber Nitromesitylene , Nitromesidine
und die Nitrirung von Parabenztoluid.
10. August. August Vinzcnt Tren tepohl aus
Oldenburg. Diss.: Observationes in Aeschinis
usum dicendi.
Fortsetzung folgt.
573
.Vachrlehten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
14. November. M 23. 1877.
KöDgliche desellschaft der Wissenschaften.
Sitzung an 3, NoTember.
Benfey, D statt N.
Wiesel er, Antiken in der südwestlichen Schweiz und
Turin.
ßiecke, Versuch einer Theorie der elektrischen Schei-
dung durch Reibung.
Geinitz, über das Erdbeben von Iquiqae 9. Mai 1877
und die dadurch erzeugte Fluthbewegung im großen
Ocean. (Vorgelegt von v. Seebach).
Lang, Beiträge zur Physiographie der gesteinbildenden
Mineralien. (Vorgelegt von Wohle r).
Ludwig, über den Nebendarm der Echinodeen. (Vor-
gelegt von Ehlers).
Schwarz, Berichterstattung über die vierte Säcular«
feier der Universität üpsala.
D statt N.
Von
Theodor Benfey,
§. 1.
Im Slavischen erscheint bekanntlich in dem
Zahlwort für 'neun' statt des anlautenden in-
dogermanischen w, z. B. in sanskritisch navan
51
.574
ein d, z. B. altslavisch dev^ti, welcliem indoger-
manisch navanti eigentlich 'Nennheit' entspre-
chen würde (vgl. Fick, Vgl. Wtbch I^. 128 und
meine Abhandlung über das Zahlwort Zwei in
den Abhdlungen der Kön. Ges. d. Wiss. Bd. XXI,
S. 21) ; denselben Gegensatz finden wir auch
im Litauischen und Lettischen, devym, deveni
'neun' ; in dem , diesen sonst so nahe stehen-
den, Altpreußischen dagegen erscheint, wie in
den übrigen indogermanischen Sprachen, w: ne-
vint-s 'der neunte' gegenüber von dem bedeu-
tungsgleichen litauischen devinta-s , altslavischen
dev^tü.
Ein zweites Beispiel dieser Art bildet das d
in lit. debesi-s (dehes), lett. debesi-s gegenüber
von iudogerm. ncihhas, Nebel u. s. w. ; wo aber,
wie bei 'neun' im Altpreußischen , so im Slavi-
schen das n der übrigen indogermanischen Spra-
chen erscheint, z. B. altslav. nebo.
Vor einigen Jahren wurde meine Aufmerk-
samkeit durch einen Zufall auf diese Erschei-
nung gelenkt und es ergab sich mir die im Fol-
genden mitzutheilende Erklärung derselben. Sie
schien mir so einfach und natürlich, daß ich
meinte, sie werde schon irgendwo veröfi'entlicht
sein. Doch wurde mir dies vor wenigen Wo-
chen durch die Anmerkung in Bezzeuberger's
Beiträgen zur Geschichte der Litauischen Sprache
S. 41 zweifelhaft. Sollte es dennoch der Fall
sein, so würde sie von Bezzenberger übersehen
sein und was diesem so umsichtigen und fleißi-
gen Gelehrten entging , möchte dann auch an-
dern entgangen sein ; ich selbst bin wegen mei-
ner leidenden Augen und der Beschränktheit meiner
Zeit nicht mehr im Stande, alles zu lesen, was
auf dem sich immer mehr erweiternden Gebiete der
Sprachwissenschaft veröfi'entlicht wird und hofl'e
575
daher Entschuldigung zu finden, wenn meine
Mittheilung nur etwas schon Bekanntes wieder-
holen sollte.
§.2.
Bekanntlich werden die Ciassennasale — z. B.
der dentale, «, so wie der labiale, m — .durch den-
selben Verschluß gebildet, wie die entsprechen-
den tönenden uuaspirirten Consonauteu, also
n wie (?, m wie b. Der wesentliche Unterschied
bei der Bildung liegt nur darin, daß beim Na-
sal die Luft während des Verschlusses durch die
Nase entlassen wird, beim Consonanten dagegen
der Verschluß geöiFnet wird , so daß die Luft
durch den Mund entströmt (vgl. M. Müller,
Lectures on the Science of Language 1864.
II, 145).
Nun muß aber natürlich auch bei Pronun-
ciation des Nasals der Verschluß geöffnet wer-
den , wenn der Nasal das Ende eines Wortes
bildet, oder innerhalb eines Wortes ihm ein
Laut folgt, welcher die Oeffuung bedingt, wie
z. B. ein Vocal, oder ein Consonant, welcher
durch einen auderu Verschluß gebildet wird.
In diesem Fall wird der dem Nasal entsprechende
Cousouant — also d hiuter «, b hinter m —
gewissermaßen angeschlagen und geschieht dies
auch noch so schwach, so ist er doch im Stande
sich für den Sprechenden fühlbar und auch für
den Hörenden mehr oder weuiger hörbar zu ma-
chen. Finden wir diese Erscheinung ja auch
bei andern Lauten, welche man, weil sie dem
ursprünglichen etymologischen Lautcomplexe
nicht angehörten , schmarotzirende zu nennen
pflegt , wie z. B. ;' hinter Gutturalen insbeson-
dre, r hinter ^-Lauten — beide aber auch
sonst — ; bald machen sie sich nur in unortho-
51*
578
durch Hervortritt des hinter (i anklingenden ß zu
fißgoTo ward und dann , wie so häufig bei an-
lautenden Consonantengruppen , den ersten Con-
sonanten einbüßte. Die indogermanische Form
martä hat sich im vedischen Sanskrit erhalten,
aber mit Accentwechsel: märta. Dieser Accent-
wechsel beruht, wie ich schon bei anderen Ge-
legenheiten bemerkt habe, insbesondre auf dem
Uebertritt eines Wortes aus einer Categorie in
eine andre, oder im Allgemeinen: auf Bedeutungs-
wechsel. Das Particip Pf. Pass. drückt im In-
dogermanischen bekanntlich nicht bloß das Voll-
zogenseiia einer Handlung aus, sondern auch die
Vollziehbarkeit derselben; so konnte indoger-
manisch martä nicht bloß 'der gestorbene' son-
dern auch 'der Sterbliche' bedeuten ; letzteres
hat sich , im Gegensatz zu den unsterblichen
Göttern, zu der Bedeutung 'Mensch' specialisirt
und diese Bedeutungsdififerenz , in welcher die
ursprüngliche Bedeutung für das gewöhnliche
Sprachbewußtsein ganz verschwunden ist, prägt
sich auch in dem Accentwechsel aus. In diesem
Fall trat der Bedeutungswechsel im Sanskrit da-
durch sehr stark hervor , daß martä in der Be-
deutung des Participii Perfecti Passivi durch
Eintritt einer andern Lautumwandlung nämlich
mritä aus martä, vermittelst maratä: muratä,
lautlich auch sonst geschieden war. So häufig
übrigens in derartigen Fällen Accentwechsel ein-
trat , so ist er doch keinesweges nothwendig.
Denn der Categorien- oder Bedeutungswechsel
konnte — und das war wohl verwaltend der
Fall — ganz unmerklich eintreten und die neue
Categorie oder Bedeutung in einem Worte schon
fest ausgeprägt sein , ehe die Diflerenz so stark
dem Sprachbewußtsein gegenüber trat, daß die
Unterscheidung durch Accentwechsel eintreten
579
konnte ; dann blieb der alte Accent anch in der
neuen Bedeutung; daher sehen wir im griechi-
schen ßgoto, trotzdem daß die Bedeutung völlig
dieselbe ist wie im sanskritischen vidrta, keinen
Accentwechsel eintreten. Wie im Sanskrit aber
die Spaltung der Particips in *martd und mritd
zum Accentwechsel im ersteren beigetragen ha-
ben mochte, so mochte im Griechischen die Be-
wahrung des ursprünglichen Accents in ßqoio
sowohl als fJiOQxo sich theilweis auch dadurch
erklären , daß der Begriff 'sterben' hier durch
ein ganz anderes Verbum, xfav, bezeichnet ward,
während die alte indogermanische Bezeichnung
durch das Yerbum mar sich nur in wenigen
Ableitungen erhalten hat.
§.3.
Aus dem in vorigen § Besprochenen erklärt
sich die Veränderung, welche uns hier beschäf-
tigt mit Leichtigkeit und, wie mir scheint, vol-
ler Sicherheit. Wie das dem v nachklingende 6
sich in ävÖQÖg u. s. w. in Jemand, Niemand
u. aa. zu vollem Laut und regelmäßigem Be-
staudtheil dieser Wörter erhob, ganz ebenso ge-
schah es mit dem d, welches dem anlautenden n
im indogermanischen ndbhas und navan nach-
klang, im Litauischen, Lettischen und Slavischen :
es wurde einst zu nd. Wie aber im griechi-
schen ßQOio für ixßqoto , aus liQOxö, der erste
Laut der Gruppe im Wortauf ang eingebüßt
ward — ein Vorgang der sich so oft und in
den verschiedensten Sprachen nachweisen läßt —
so wurde dann auch hier das anlautende n ein-
gebüßt, so daß die hieher gehörigen Wörter,
anstatt des ursprünglichen n, nun mit dem —
gewissermaßen schmarotzirend angetretenen —
d anlauten. Der Schmarotzer hat die Pflanze
578
durch Hervortritt des hinter fi anklingenden ß zu
(ißQOTo ward und dann , wie so häufig bei an-
lautenden Cousonantengruppen, den ersten Con-
sonanten einbüßte. Die indogermanische Form
martä hat sich im vedischen Sanskrit erhalten,
aber mit Accentwechsel; märfa. Dieser Accent-
wechsel beruht, wie ich schon bei anderen Ge-
legenheiten bemerkt habe , insbesondre auf dem
Uebertritt eines Wortes aus einer Categorie in
eine andre, oder im Allgemeinen : auf Bedeutungs-
wechsel. Das Particip Pf. Pass. drückt im In-
dogermanischen bekanntlich nicht bloß das Voll-
zogenseia einer Handlung aus, sondern auch die
Vollziehbarkeit derselben; so konnte indoger-
manisch martä nicht bloß 'der gestorbene' son-
dern auch 'der Sterbliche' bedeuten ; letzteres
hat sich , im Gegensatz zu den unsterblichen
Göttern, zu der Bedeutung 'Mensch' specialisirt
und diese Bedeutungsdifi'erenz , in welcher die
ursprüngliche Bedeutung für das gewöhnliche
Sprachbewußtsein ganz verschwunden ist , prägt
sich auch in dem Accentwechsel aus. In diesem
Fall trat der Bedeutungswechsel im Sanskrit da-
durch sehr stark hervor , daß martä in der Be-
deutung des Participii Perfecti Passivi durch
Eintritt einer andern Lautumwandlung nämlich
mxitä aus martä, vermittelst maratä: maratä,
lautlich auch sonst geschieden war. So häufig
übrigens in derartigen Fällen Accentwechsel ein-
trat , so ist er doch keinesweges uothwendig.
Denn der Categorien- oder Bedeutuugswechsel
konnte — und das war wohl verwaltend der
Fall — ganz unmerklich eintreten und die neue
Categorie oder Bedeutung in einem Worte schon
fest ausgeprägt sein , ehe die Differenz so stark
dem Sprachbewußtsein gegenüber trat, daß die
Unterscheidung durch Accentwechsel eintreten
579
konnte ; dann blieb der alte Accent anch in der
neuen Bedeutung; daher sehen wir im griechi-
schen ßQOxo\ trotzdem daß die Bedeutung völlig
dieselbe ist wie im sanskritischen mdrta^ keinen
Accentwechsel eintreten. Wie im Sanskrit aber
die Spaltung der Particips in *niartd und mTitd
zum Accentwechsel im ersteren beig'etragen ha-
ben mochte, so mochte im Griechischen die Be-
wahrung des ursprünglichen Accents in ßqoio
sowohl als (iOQTo sich theilweis auch dadurch
erklären , daß der Begriff 'sterben' hier durch
ein ganz anderes Verbum, ifav, bezeichnet ward,
während die alte indogermanische Bezeichnung
durch das Verbum mar sich nur in wenigen
Ableitungen erhalten hat.
§. 3.
Aus dem in vorigen § Besprochenen erklärt
sich die V^eränderung , welche uns hier beschäf-
tigt mit Leichtigkeit und, wie mir scheint, vol-
ler Sicherheit. Wie das dem v nachklingende 6
sich in clvÖQÖq u. s. w. in Jemand, Niemand
u. aa. zu vollem Laut und regelmäßigem Be-
standtheil dieser Wörter erhob, ganz ebenso ge-
schah es mit dem rf, welches dem anlautenden n
im indogermanischen nahhas und navan nach-
klang, im Litauischen, Lettischen und Slavischen :
es wurde einst zu nä. Wie aber im griechi-
schen ßqojö für [xßQOTÖ, aus liQOxö, der erste
Laut der Gruppe im Wortauiaug eingebüßt
ward — ein Vorgang der sich so oft und in
den verschiedensten Sprachen nachweisen läßt —
so wurde dann auch hier das anlautende n ein-
gebüßt, so daß die hieher gehörigen Wörter,
anstatt des ursprünglichen «, nun mit dem —
gewissermaßen schmarotzirend angetretenen —
d anlauten. Der Schmarotzer hat die Pflanze
580
an welcher er emporgewachsen ist, umrankt,
erstickt und ist an ihre Steile getreten. In Alt-
slavisch devqti, Litauisch devym^ Lettisch devini
mit d statt indogermanisch n in navan, in Li-
tauisch und Lettisch debesis mit d statt indo-
germ. n in nabhas erklärt sich demnach die Um-
wandlung durch Vermittlung von nd für w.
§. 4.
Dieser Eintritt von d statt ursprünglichen
n ist äußerst selten und bezüglich der erwähn-
ten Fälle zeigt die Bewahrung des n von nabhas
im Slavischeu, daß er sich zur Zeit der Lettisch-
Slavischen Einheit in diesem Worte noch nicht
zur Geltung gebracht hatte; ja wenn das n
des indogermanischen navan in dem altpreußi-
schen nevints sich wirklich erhalten hat —
dies wenn wirklich beruht darauf, daß in
Fick's Vgl. Wtbch IP. S. 740 hinter 'nevinta,
der neunte' in Klammern 'oder devintaT folgt
— dann war es auch in indog. navan — trotz
der Uebereinstimmung des Slavischen, Litauischen
und Lettischen bezüglich desselben — zur Zeit
dieser Einheit noch nicht zur Herrschaft gelangt
und wäre vielmehr erst nach der Spaltung bei-
der Zweige, im Slavischen einerseits und Litau-
isch-Lettischen andrerseits, von einander unab-
hängig, entstanden. Bei Umwandlungen, welche
auf der Lautbildung beruhen , ist ein von ein-
ander unabhängiger Eintritt bekanntlich in völ-
lig unverwandten Sprachen möglich und viel-
fach nachgewiesen — konnte also noch viel eher
in so nahe verwandten wie Lit.-Lettisch und
Slavisch eintreten. Ist dagegen devmts auch
für Altpreußisch anzusetzen , dann ist d statt
des anlautenden w im indog. navan ^ wenigstens
mit höchster Wahrscheinlichkeit, schon für die
581
Zeit der Lettisch-Slavischen Einheit anzusetzen.
Ob und wie diese Frage zn entscheiden ist, muß
ich denen überlassen, welche sieh mit der Er-
forschung des Altpreußischen beschäftigen.
Sonst ist mir diese Umwandlung nur noch
einmal in der lebendigen Sprache und zwar in
unsrer Muttersprache begegnet und , da dieser
eine Fall mir die Veranlassung bot, über diese
Erscheinung nachzudenken, so werde ich ihn
sogleich im folgenden § erwähnen. Vorher will
ich jedoch bemerken , daß man daraus, daß ich
weiter keine nachzuweisen im Stande bin, nicht
schließen möge, daß weiter keine der Art be-
stehen. Andre Arbeiten haben mir bloß nicht
Zeit gelassen jetzt speciell nach ihnen zu su-
chen ; bei methodischer Forschung -werden sich
vielleicht noch einige finden lassen ; doch glaube
ich kaum daß die Anzahl erheblich sein wird.
Denn seit drei ein halb Jahren , wo meine Auf-
merksamkeit auf diese Erscheinung gerichtet ist,
ist mir — vielleich in der That nur zufällig —
kein hieher gehöriger Fall weiter aufgestoßen.
Dagegen trat mir noch einiges entgegen , was
noch für meine Erklärung spricht und weiterhin
mitgetheilt werden möge.
§. 5.
Was nun jenen im vorigen § augedenteten
Fall betrifft, so kam er bei einem kleinen Kinde
vor, welches, bei stark hervortretendem Sprech-
talent , sich insbesondre durch eine sehr voll-
kommne, scharf bestimmte Aussprache des Eng-
lischen sowohl als Deutschen auszeichnete. Es
war drei Jahr alt und befand sich in einem Gar-
ten, wo es oft den Ruf 'Kellner!' hörte. Mun-
ter und lebhaft, wie es war, wiederholte es den
Ruf ebenfalls, aber jedesmal kam. nicht Kell-
582
ner, sondern deutlich Kell der heraus. Man
machte das Kind darauf sufmerksam , ließ es n
und d einzeln und in andern Verbindungen aus-
sprechen; das Kind bildete alles genau und ganz
richtig nach, sah uns mit großer Aufmerksam-
keit nach dem Mund, wenn wir ihm dann Kell-
ner vorsprachen, gab sich dann augenschein-
lich große Mühe es genau wie wir auszuspre-
chen, aber für unser Ohr kehrte stets 'Kell-
der' wieder. Längere Wiederholung ermüdete
die Kleine und zwar um so mehr als sie das
entschiedene Bewußtsein zu haben schien , das
Wort ganz so wie wir ausgesprochen zu haben.
Als ich den Grund dieser Umwandlung er-
kannt zu haben glaubte, erklärte ich diese Er-
scheinung dadurch, daß die Lösung des Ver-
schlußes bei l, dann die Festhaltung desselben
bei n und die abermalige Lösung desselben vor
e dem Kinde schwer wurde und daß es in Folge
davon den Verschluß bei n vielleicht zwar bil-
dete, aber nicht so lange festhielt bis die Luft
hinlänglich in der Nase vibrirt hatte, um das
n für uns laut genug erklingen zu lassen, son-
dern ihn so schnell und so stark wieder löste,
daß das sonst dem n fast unmerkbar nachklin-
gende d so laut und deutlich ins Ohr fiel, daß
wir den leisen Ansatz von n nicht wahrzuneh-
men vermochten; vielleicht aber bildete es den
Verschluß für ti gar nicht, sondern benutzte
die Lösung des Verschlusses bei l unmittelbar
zur Production des d. Ob das Kind jenes oder
dieses that, wage ich nicht zu entscheiden ; denn
es war zu ermüdet, um viele Experimente mit
ihm anzustellen; auch hatte ich damals noch
keine Ahnung davon, wie die Erscheinung zu
erklären sein möchte und würde demnach gar
nicht im Stande gewesen sein, methodisch zu
583
experimentiren. Wenn das Kind nach der er-
sten Weise verfuhr d. h. das n leise andeutete
— worauf ich aber gar nicht gefaßt sein konnte,
theils weil ich damals, wie gesagt, diese Erschei-
nung noch nicht zu erklären vermochte, theils
weil wir orthographisch geschulten Leute in
unsrer Muttersprache nur die orthographisch
fixirten Laute zu hören gewohnt sind, die Nüan-
ciruugen derselben aber, wenn sie nicht zu grell
— als Fehler — ins Ohr fallen, gewöhnlich über-
hören — würde ich vielleicht ein nasalirtes l
vor dem d zu hören bekommen haben, einen
Laut, welchen die Indische Grammatik kennt,
ich aber bis jetzt weder gehört habe, noch zu
bilden vermag.
§. 6.
Einen Fall, welcher, außer den in § 2 her-
vorgehobenen, meine Erklärung — daß das d aus
dem Nachklang des n entstanden ist — noch
zu unterstützen geeignet ist, erblicke ich in der
Erscheinung, daß das Neugriechische, welches
die unaspirirten tönenden b, d bekanntlich als
selbststäudige Laute nicht kennt , sie dennoch
in zwei Fällen spricht und zwar L, statt tc und
T, sobald diesen Lauten ein Nasal vorhergeht:
z. B. avfindaxfi) wird gesprochen ssimbascho, dyn
andi, tr^v nohv fim bolin , tov %6nov ton dopon
(Mullach, Grammatik der Griechischen Vulgar-
sprache S. 114). Nach der hergebrachten Weise
kann man zwar sagen , der Nasal , weil tönend,
habe durch theilweise Assimilation die dumpfen
n T in die entsprechenden tönenden verwandelt;
allein einmal ist assimilirende Wirkung auf
einen nachfolgenden Laut eine äußerst seltene
Erscheinung überhaupt und zweitens sehen wir
die Classennasale so ziemlich in allen Sprachen
584
vor allen Lauten ihrer Classe, ohne jeglichen
Einfluß auf sie erscheinen. Mir scheint daher
die wahrscheinlichere Erklärung , daß n t im
Neugriechischen hinter Nasalen gewissermaßen
ihre Selbstständigkeit aufgeben und ganz und
gar identisch werden mit den Nachklängen der
Nasale, wie wir sie im Griechischen äfjißQOTO für
dftqoTOt (xvdQO? für dvgög gefunden haben , so
daß die Aussprache nd statt nt identisch ist mit
der Aussprache des w, welche wir zur Erklärung
des letto - slavischen d für indogermanisches n
angenommen haben.
2. Sprechen die Nengriechen h und d in frem-
den Wörtern , bezeichnen sie aber bzw. durch
fiTC, vr, z. B. [jiiTTayxsQijg Banquier, Mnagfinii
dov Mrtcoxcc^s, Barbier du Bocage, vnßdvt, divan.
Beruht diese Bezeichnungsweise einzig auf der
unter 1. erwähnten Erscheinung, dann tritt die
Verschiedenheit ein, daß in den Fällen unter
1. der dem n, z vorhergehende Nasal deutlich
ausgesprochen wird , hier aber gar nicht er-
klingen soll. Vielleicht beruht sie aber gar nicht
allein auf jener Umwandlung von n, t hinter
Nasalen in h, d, sondern zum Theil darauf, daß
die Griechen in den fremden Lauten J, d wirk-
lich einen leisen Vorklang von bzw. m, n hör-
ten. Denn wenn man sich die Bildung von
&, d vergegenwärtigt, kann man kaum umhin,
zu bemerken , daß dies wirklich der Fall sein
konnte. Durch den bei der Bildung von h, d
eintretenden Verschluß wird nämlich ein Theil
der Luft, die sich in der Mundhöhle befindet,
in die Nase getrieben, so daß sie in ihr, wenn
auch nur leise, vibrirt und also ein — wenn
auch nur leiser — Nasal dem bei Oeffnung
des Verschlusses eintretendem h oder d vorher-
geht. Mag nun die eine oder die andre Erklä-
585
rung dieser Schreibweise die richtige sein , für
das gewöhnliche Ohr war in beiden Fällen —
da sie bzw. das fremde 6, d widerspiegelt —
der Nasal wesentlich in derselben Weise ein-
gebüßt, wie das fi von ursprünglichem fiQOio vor
dem aus ihm hervorgetretenen Nachklang ß
{*(ißQ0T6 ä-fißgoTo) in ßgoxo und nach uusrer
Erklärung das n von ursprünglichem navan,
nahhas vor dem aus ihm hervorgetretenenNach-
klang d {^ndcvyiü , *nd€v^ti *ndebesi-s) in lit.
devyni, altsl. dev^i, lit. debesi-s.
Für meine Erklärung spricht ferner der nicht
seltene Mangel schriftlicher Bezeichnung von
Nasalen, trotz dem , daß sie wahrscheinlich —
wenn auch schwach — intonirt wurden , wie z.
B. in den altpersischen Keilinschriften vor
nachfolgenden Cousouanten. Endlich auch die
nicht seltene Einbuße von n vor T-Lauten —
auch andrer Nasale vor entsprechenden Couso-
uanten, was aber für unseru Zweck gleichgül-
tig — ; so vor d z. B. in griechisch XT^öoöy (vgl.
xTiV in xuig für xisv-g), vor t in griechisch juazo
für fiav-TÖ (in aviöiiaxo GWL. II, 34), gerade
wie im Sanskrit niatd für man-tä. Da die hier
erwähnten Fälle den Acceut auf der folgenden
Silbe haben und gerade bei dieser Acceutuirung
die Einbuße eines Nasals vor Consonanteu über-
aus häufig eintritt, so ist kaum zu bezweifeln,
daß sie eben von mitwirkendem Einfluß war.
Der folgende Accent bewirkte , daß der Ver-
schluß, durch welchen die Vibration der Luft
in der Nase den Nasal produciren sollte, nicht
lange genug festgehalten ward ; er ward — um
rascher zu der accentuirten Silbe zu gelangen —
so früh geöffnet, daß zuerst der Nasal ganz
schwach tönte und endlich ganz eingebüßt wurde.
586
§. 7.
Hiermit könnte unsre Untersucliung zu einem
sicheren Abschluß gekommen und das Resultat
derselben unzweifelhaft festgestellt scheinen.
Dennoch erhebt sich noch eine Frage , welche
auf den ersten Anblick Manchen bestimmen
könnte, eine andre Erklärung zu suchen. Wir
dürfen uns daher nicht erlauben, sie zu umgehen,
glauben jedoch uns auf eine kurze Andeutung
beschränken zu dürfen , da wir zeigen zu kön-
nen hoffen, daß, wie auch diese Frage entschie-
den werden möge, unser Resultat dadurch nicht
beinträchtigt wird.
Es fragt sich nämlich, ob man — in Ueber-
einstimmung mit alter üeberlieferung — 6v6(po-q
und was dazu gehört, zu vscpog^ also grund-
sprachlich nahhas ziehen darf.
Eine Untersuchung darüber würde zu weite
Dimensionen annehmen , als daß ich mich hier
und jetzt darauf einlassen dürfte. Denn es
schließt sich daran unmittelbar die Frage über das
Verhältniß von yvotfo-q u. s, w. zu öv6(fo-g und
an diese dann weiter die über das von xvscfaq
zu yvocpoq. Diese Fragen selbst dürfen wir un-
berücksichtigt lassen ; wohl aber müssen wir in
Betracht ziehen, welche Folgen die Entscheidung
derselben für unser Resultat haben würde.
Entscheidet man sich nun dafür daß dvd(fog
Tl. s. w. nicht zu nahhas zu ziehen sei, so kömmt
es für unsre Untersuchung natürlich gar nicht
in Betracht.
Entscheidet man sich dagegen für einen Zu-
sammenhang von dv6(fo-g mit nahhas — worauf
man dann yv6(fo-g nach Analogie von APIAFNE
für 'AQtaövii u. aa. (s. Gott. Gel. Auz. 1858 S.
1658) daraus und xvi^aq bezüglich des x für ;'
587
nach Analogie von dfiTtXaxtXv und dftßlaxstp
u. aa. aus diesem erklären könnte — dann
könnte man in der That auf den ersten Anblick
auf den Gedanken geratheu , daß du die ur-
sprünglichen Anlaute gewesen und die li-
tauisch-lettischen Formeu durch Einbuße des n,
die übrigen indogermanischen aber durch die
des d aus *dnahhas entstanden seien.
Gegen eine solche Hypothese spricht nun
aber schon mit hoher — ja höchster — Wahr-
scheinlichkeit, daß alle übrigen indogermani-
schen Sprachen — auch das Griechische in dem
sichren Reflex — bloßes n als Anlaut haben.
Aber gesetzt: man wollte trotzdem dn als
ursprüngliche Anlaute aufstellen, dann würde
sich das litauisch -lettische dennoch kaum mit
irgend einer Sicherheit — ja auch nur Wahr-
scheinlichkeit — daraus erklären lassen. Denn
wenn von zwei anlautenden Consonanten einer
eingebüßt wird, dann ist es fast ausnahmslos
der erste, nicht der zweite; es hätte alsdann
gerade im Lit.-Lett. das Wort nicht mit rf,
sondern mit n angelautet.
Endlich gesetzt : man wollte auch daran kei-
nen Anstoß nehmen, so hätte man zwar dadurch
eine aufs äußerste gewagte Erklärung für den
lit.-lett. Reflex von indogerm. nabhas^ aber keine
für die Lett. - Slavischen Reflexe von indogerm.
navan ; denn für dieses läßt sich keine Spur
eines einstigen dnavan nachweisen und doch ist
nicht zu bezweifeln daß die Erklärung der Re-
flexe von navan mit der der Reflexe von nahhas
übereinstimmen müsse.
Es ist demnach schwerlich zu bezweifeln,
daß auch für den Fall , daß övdqo-g u. s. w.
als — dann wohl dialektische — Nebenformen
von vi^og zu betrachten sind, unsere Erklärung
588
des ä, im Gegensatz zu n, dadurch nicht im
Mindesten beeinträchtigt wird.
Wie das Verhältniß von (Jv im öpöcpo-g za
dem V in vsipoq zu deuten sei, haben wir dem-
nach wohl nicht eher nöthig zu untersuchen,
als bis die Zusammengehörigkeit dieser Wörter
durch andre Momente vollständig entschieden ist.
Sollte dies geschehen, dann glaube ich wird man,
wie hier für Lettisch Litauisch und Slavisch,
auch für irgend einen griechischen Dialekt an-
zunehmen haben , daß , wie in dvögög u. s. w.,
auch in vscpog das dem n nachklingende d laut
geworden sei, sich aber im Anlaut — der im
Griechischen nie ein vd zeigt — nicht halten
konnte und sich — vielleicht weil zu stark ge-
worden, um gaaz eingebüßt zu werden — in die
im Anlaut erscheinende und im Inlaut häufige
Gruppe dv umsetzte. Doch darüber eingehend
zu handeln, wird erst dann nothwendig sein,
wenn der Beweis, daß 6vö(fo-s zu vscfog gehört,
wirklich beigebracht sein wird.
Verbesserangen:
S. 533 Z. 10 füge man hinter der Ueberschrift hinzu :
(Auszug) und Z. 13 lese man: Die in der ueber-
schrift bezeichnete, für u. s. w.
ebda. Z. 15 1. m. welche dazu dienen sollen
statt welche bestimmt sind.
S. 546, Z. 4 lese man: dasselbe statt dieselbe.
» 547, * 5 v. u. lese man: Aeußerung.
589
Beiträge zur Physiographie gesteins-
bildender Mineralien
Heiur. Otto Lang.
(Vorgelegt von Wöhler.)
I.
Beobachtungen an ceutralamerikanischen Ge-
steinen, welche Herr Professor Aon Seebach auf
seiner Reise gesammelt hatte und mit deren mi-
kroskopischer Untersuchung er mich freundlichst
betraute, veranlassen mich, im Folgenden zwei
Lehr- oder Erfahrungssätze, welche sich in der
mikroskopischen Diagnostik großer Beliebtheit
und allgemeiner Anwendung erfreuen, dem Miß-
trauen und einer scharfen Kritik der Fachge-
nossen zu empfehlen.
Wer in Betracht zieht, daß dergleichen Lehr-
sätze oft auf Beobachtung von verhältnißmäßig ge-
ringem , näher erforschtem Materiale beruhen,
wird sich allerdings wohl kaum verwundern,
wenn mit fortschreitender Forschung die zuerst
gewonnenen Erfahrungs-Sätze modificirt werden
müssen. Das meiste Material wird ja nur nach
Analogie des Habitus bestimmt, da sich einer
eingehenderen Erforschung gewöhnlich zu große
Schwierigkeiten entgegenstellen. Die bedeutenden
Erfolge, welche die Methode der mikroskopischen
Gesteinsforschung in kurzer Zeit errang, mußte
ferner eine Ueberschätzung ihres Werthes im Ge-
folge haben und zu einer Einseitigkeit der Untersu-
chung führen. Man vernachlässigte die chemischen
Untersuchungen auch da, wo ihrer Ausführung keine
unüberwindlichen Eindernisse durch die Gestein-
structur entgegenstanden; man hielt sich sogar
52
590
berechtigt, wo einfache chemische Reactionen
oder die Werthe der Bausch-Analyse des Gesteins
betrejBfs seines mineralischen Bestandes Winke
gaben, welche mit der mikroskopischen Bestim-
mung des Gesteins-Bestandes nicht übereinstim-
men wollten, der letzteren mehr Vertrauen zu-
zusprechen. Wir dürfen wohl jetzt schon diese
Zeit einseitig mikroskopischer Gesteinsforschung
als vergangen ansehen; die Mehrzahl der For-
scher stimmt darin überein , daß nur die Ver-
bindung mikroskopischer und chemischer Unter-
suchung sichere Resultate bietet. Wohin aber
die chemische Forschung der mikroskopischen
nicht folgen kann, wo man also nur auf die Be-
stimmung nach Analogie der Erscheinungs-Weise,
des physikalisch-krystallographischen Verhaltens
angewiesen ist, da soll man sich der Unsicherheit
der Methode bewußt bleiben. Die durch Analogie-
Schlüsse gewonnenen Regeln der mikroskopischen
Diagnostik sind eben immer nur Erfahrungs-Sä-
tze, bei denen die Gefahr sehr nahe liegt, daß
sie gerade in eingehendere Untersuchung erschwe-
renden Fällen trügen. Sie kleiden sich nicht
selten in Formen festbegründeter Lehrsätze und
ihre gewöhnliche und allgemeine Anwendung
verleiht ihnen ein Gewohnheits-Recht und einen
Nimbus, der zumal Anfänger in der mikrosko-
pischen Untersuchungsmethode blenden muß und
so der Forschung gefährlich werden kann. Es
läßt sich nicht ermessen , wieviele Gesteine
die eine Controle durch chemische Reactionen
nicht zulassen und auch nicht local verknüpfte
Gesteinspartien aufweisen, welche eine für exacte
Forschung vortheilhaftere Structur des Gesteins
und seiner Geraengtheile bieten, auf Grund
jener Erfahrungssätze unsicher und, jedenfalls zum
Theil , unrichtig bestimmt sind , wobei aber doch
591
der Besftimmung, da sie ja schal-richtig war,
apodictiscbe Form gegeben worden ist. Das Eine
möchte ich jedoch besonders betonen , daß ich
hier nicht gegen die Giltigkeit jener Bestimmungs-
Regeln als Erfahrun gs-Sätze zu Felde ziehe,
sondern nur gegen ihre üe her Schätzung als
Lehrsätze. Auch bin ich mir wohl bewußt, daß
ich nicht der Erste bin, der > Ausnahmen zu
jenen Regeln« constatirt; die Bedeutung letzerer
aber rechtfertigt wohl das unternehmen , jeden
widersprechenden Fall zur allgemeineren Kennt-
niß zu bringen, damit auch diejenigen, welche
nicht gern den Glauben an die Allgemeingültig-
keit jener Regeln aufgeben, durch die Menge
des Beweis-Nfaterials dazu bewogen werden.
Eine alltägliche , aber nichts weniger als
leichte Aufgabe des Petrographen ist die, die
FeWspathe eines Gesteines zu bestimmen ; auch
wenn man sich mit der Unterscheidung von
monoklineu und triklinen Feldspathen genügen
läßt, gelingt dieselbe in der Mehrzahl der Fälle
nicht mit derjenigen Sicherheit, welche besonders
schon in Rücksicht der Gesteins- Systematik er-
wünscht ist ; da letzere die protogenen gemengten
Gesteine nach der Art des vorhandenen oder
vorwaltenden feldspathigen Gemengtheils gruppirt,
muß die Lösung jener Aufgabe in erster Linie
und mit der größten Sorgfalt versucht werden. —
Die Regeln der Schule für die mikroskopische
Bestimmung sind folgende: wenn die Feld-
spath-Durchschnitte gleicher Form- und Größen-
Ausbildung in einem Gesteins-SchlifFe sich in der
Mehrzahl einheitlich oder nur in binären Zwil-
lingen polarisirend erweisen, wenn sie überhaupt,
in Berücksichtigung der Ein- und Verwachsungen
mit Plagioklas, in größerer Erstreckung einheit-
lich chromatisch polarisiren , so liegt monokliner
52*
592
Feldspath vor; die triklinen Feldspathe dagegen
charakterisire die lamellare, polysynthetische Zwil-
lings-Polarisation sämmtlicher oder doch der an
Zahl überwiegenden Feldspath - Durchschnitte.
Dem Petrographen decken sich mit den Be-
griffen monoklinen und triklinen Feldspaths die-
jenigen von Kali- und andererseits von Natron-
Kalk-Feldspath ; es ist ihm von größerem Wer-
the , den chemischen Bestand als die krystallo-
graphische Ausbildung des Feldspaths zu er-
mitteln. Nach der Restitution des Breithaupt'
sehen Kali - Plagioklases Mikroklin durch Des
Cloizeaux muß mau sich nun immer schon be-
wußt bleiben, daß Kalifeldspath auch mit lamel-
larer oder gitterförmiger Zwillings -Polarisation
auftreten kann. Diese Gefahr, einen Kalifeld-
spath als einen Natron-Kalkfeldspath zu deuten,
liegt aber dem Petrographen in der Praxis
ferner , als wie der umgekehrte Fall. Selbst
wer als Petrograph dem Nachweise einfacher
Albitkrystalle aus dem Schneeberge in Passeir
(von Joh. Rumpf, Tsch. Miu. Mitth. 1874. 97)
keine Wichtigkeit beilegen möchte, und nur die
als Gesteinsgemengtheile auftretenden Feldspathe
in Betracht zieht, wird doch zugeben müssen, daß a
priori die solitarische (= einsiedlerische) Ausbil-
dung eines Plagioklases ebensogut möglich ist, wie
die eines Orthoklases und daß wir nur erfah-
rungsmäßig eine Viellings-, d.h. polysyntheti-
sche Zwillingsbildung bei jenem erwarten. Würde
für die Mittelglieder der Natron -Kalkfeldspath-
Reihe eine Mengung angenommen und ihre la-
mellare Zwillings-Bildung analog dem Aufbaue
einer Galvanischen Säule aus Zink- und Kupfer-
platten erklärt, so wäre wohl für ein jedes Mit-
telglied dieser Reihe die polysynthetische Zwil-
liugsbildung a priori nothweudig. Die jetzt
593
allgemein verbreitete Annahme isomorpher Mi-
schung jedoch verlangt ebenso wenig wie bei
einem eisenschüssigen Braunspathe a priori eine
solche Ausbildung für die Plagioklase. Wie bei
jeuer Annahme wenigstens für die Endglieder
der Reihe , ist bei dieser für sämratliche Plagio-
klase die Möglichkeit solitarischer Ausbildung
nicht ausgeschlossen. Mag auch die Annahme
von isomorphen Mischungen Manchen noch nicht
hinreichend begründet erscheinen, mag der in der
That nicht so seltene Befund von polysyntheti-
schen Plagioklasen , welche sich in den alterni-
reuden Laraellen von Verwitterung ergriffen, in
den zwischenliegenden aber frisch zeigen , für
eine Mengungs-Theorie sprechen, mögen die Ver-
hältnisse vielleicht gar nicht so einfach liegen,
daß mau zu entscheiden hat, ob Mengung oder
ob Mischung, sondern mag noch die Frage zu
erledigen sein, ob nicht aach IMengungen von
bereits isomorph gemischten und einander im
Bestände ähnlichen Substanzen vorkommen: das
Eine steht jedenfalls fest, daß keineswegs für
alle Plagioklase eine lamellare Vielliugs- Bildung
theoretisch verlangt wird. Es bleibt darnach
nur noch die Erfahrung zu befragen , ob wirk-
lich alle Plagioklase derartige Bildung zeigen
und da ist denn darauf hinzuweisen, daß Aus-
nahmen von solcher Erscheinungsweise schon
constatirt sind. C. W. Gümbel erwähnt (in >die
paläolithischen Eruptivgesteine des Fichtelgebir-
ges« München 1874), daß im Diorit von Feilitz
b. Hof als kalkarmer , natronreicher Labrador
erkannter Plagioklas von Tafelform im pol. Lichte
nur einen Farbenton (einheitlich), keine Zwil-
lings-Streifung zeige. Aehnliche Verhältnisse
sollen nach Gümbel auch sonst häufig beobacht-
bar sein, z. B. bei den Melaphyren der Pfalz,
594
besonders beim »Pechsteinmelaphyr« vom Weis-
selberge b. St. Wendel. — Ferner ist darauf hin-
zuweisen, daß die in den Laven der Insel Sau-
torin enthaltenen und von Zirkel nach ihrer
einheitlich chromatischen Polarisation als Saui-
dine gedeuteten Feldspathe von Fouque (Mem.
de l'academ. d. sc. d. Paris, d. div. savantes,
XXII, 11) durch Sonder-Analysen z. Th. als La-
bradore, z. Th. als Anorthite bestimmt wurden. —
Eine große Unsicherheit für den Gebrauch des
betr. Erfahrungssatzes ergiebt sich aber schon
aus dem Begriffe der lamellaren Vielliugsbildung
selbst, die weder eine bestimmte Zahl der La-
mellen, noch eine bestimmte Breite derselben
normiren kann und erwachsen gerade in dieser
Beziehung am häufigsten Schwierigkeiten. Es
ist jedenfalls eine ganz künstliche Grenze zwi-
schen binärer und polysynthetischer Zwillings-
bildung, wenn man in einem Dünnschliffe Feld-
spathleisten , sobald sie im pol. Lichte nur 2
Farbenstreifen erkennen lassen, dem Orthoklase,
sobald- sie aber 3 solcher Streifen zeigen (von
denen ja einer einem eingewachsenen und nur
als Interposition zu betrachtenden Plagioklase
oder auch einer verdünnten Randpartie entspre-
chen kann) dem Plagioklase zurechnet. Und
wenn nun die Lamellen eines Plagioklas-Vielliugs
an Breite zunehmen, dabei gewöhnlich gleichzei-
tig an Zahl abnehmen, so bieten sich der Beo-
bachtung Feldspathe dar, die »auf größere Er-
streckung einheitlich chromatisch polarisiren«
und dadurch den Orthoklasen ähneln. Der nach
dem Erfahrungssatze der Schule Arbeitende wird
dieselben um so eher mit Orthoklasen verwech-
seln, als ihm noch eine Erscheinung in die Au-
gen fällt , die , sonst auch nur bei den Orthokla-
sen beobachtet, hier nicht selten ist: die in ge-
595
setzmäßiger Lage erfolgte Interponirung verein-
zelter , dünner Lamellen in diesen auf größere
Erstreckuug einheitlich polarisirenden Feldspath-
Leisten; nach den Regeln der Schule liegt hier
eine Einwachsung von Plagioklas in Orthoklas
vor und doch finden sich in Wahrheit diese Er-
scheinungen an den Kalk-Natron Feldspathen an-
desitischer Gesteine sehr schon ausgebildet. Schon
1873 machte C. Dölter (»Zur Kenutniß der qnarz-
führenden Andesite in Siebenbürgen und Un-
garn, c in Tscherm. Min. Mitth.) darauf aufmerk-
sam, daß die Plagioklas-Durchschnitte dieser Ge-
steine oft nur in einer ihrer Hälften Zwillings-
lamellen zeigten, während die andere einfarbig
polarisire. An den untersuchten andesitischen
Gesteinen Central - Amerikas habe ich nun die
obenerwähnten Verhältnisse sehr häufig beobach-
ten können; eine Yiellingsbildung war allerdings
noch vorhanden, indem sich die meisten Pla-
gioklase als Drillinge erwiesen, aber sie polarisir-
ten dabei doch gewöhnlich in breiten Leisten
einfarbig. Manche der untersnchten Gesteine
zeigten allerdings typische Feldspath-Viellinge
mit vielen, schmalen Lamellen, andere Gesteine
aber wiederum (z. B. ein Dacit, sowie ein Ande-
sit von Penna blanca bei S. Ramon) ließen zahl-
reiche, groß ausgebildete, einheitlich polarisirende
Individuen erkennen, welche trotzdem, den
Werthen der Bausch - Analyse , sowie den nach
Szabo's Methode ausgeführten Löthrohr - Reac-
tionen zu Folge nicht als Kali-, sondern als Na-
tron - Kalkfeldspathe angesehen werden mußten.
In diesem letzteren Falle hätte also die schulge-
rechte Bestimmung nach dem Polarisations- Ver-
halten entschieden geirrt. Aber auch in dem
bei Weitem häufigeren und schon erwähnten
Falle, daß die Plagioklase mit verbreiterten La-
596
mellen in Drillingen erschienen, war eine Irrung
auf Grund jenes Erfahrungssatzes leicht möglich.
Hatte man nun gar ein klastisches Aggregat
solcher Gesteinsgemengtheile vor sich, in dem
die Zwillingsverwachsung zum Theil mechanisch
wieder zerstört sein mochte, so polarisirten die
Feldspath- Bruchstücke in der Mehrzahl einheit-
lich chromatisch und schulgerecht mußten sie
für Sanidine gelten. Solche Verhältnisse bot
das erste Gestein , welches ich aus jener Suite
untersuchte, die vulkanische Asche vom Turrialba
in Costarica. Ganz schulgerecht bestimmte ich
(diese Bestimmungen wurden als »vorläufige
Mittheilung« in diesen »Nachrichten« 1875. Nro.
14 veröffentlicht) die Feldspathe und übrigen
Gemengtheile dieses Gesteins und wenn ich spä-
ter erkennen mußte, daß ich in den wichtigsten
Bestimmungen geirrt hatte , so kann ich eben
die Schuld nur jenen Lehrsätzen der Diagnostik
zuschreiben. Betreffs der Natur der Feldspathe
belehrte mich die damals noch ausstehende che-
mische Bausch-Analyse ; doch würde mich auch
die Beobachtung der Verhältnisse der compacten
Gesteine jener Gegend betreffs ihrer Bestimmung
ebenso wie betreffs der eines weiteren wesent-
lichen Gemengtheils nothwendig mißtrauisch ge-
macht haben, aber in Rücksicht auf andere wich-
tige Fragen begann die Reihe der erwähnten Ge-
steins-Untersuchungen gerade mit jener Asche. —
Aus allem Erwähnten ist wohl ersichtlich, wie
berechtigt n^eine Warnung ist, bei der so über-
aus wichtigen Entscheidung über die Natur der
Feldspath -Gemengtheile eines Gesteins, den an-
geführten Erfahrungssätzen der mikroskopischen
Diagnostik nicht zu fest zu vertrauen.
Der andere Erfahrungssatz, von dem ich in
Folgendem einen Ausnahme-Fall constatireu und
597
den schon bekannten znfii gen will, lehrt die mi-
kroskopische ünterscheiduncj von Hornblende
nnd Aücfit nach ihrem Dichroisraus. Die be-
kannte Tschermak'sche Methode der Untersuchung
des Dichroismus bietet nicht aliein ein sehr be-
quemes Mittel, so daß schon daraus die Beliebt-
heit erklärlich wäre, der sie sich erfreut, sondern
sie giebt den Erfahrungen der ersten Autoritäten
zu Folge auch ganz sichere Resultate, F. Zirkel
äußert sich in der »Mikrosk. Besch d. Min. und
Gesteine« S. 169 dahin: »bei dichroskopischer
Untersuchnijg wäre es wohl möglich, eine licht-
grüne Hornblende fälschlich als Augit zu deuten,
während man wohl niemals Gefahr laufen wird,
einen wirklichen Augit für Hornblende zu halten.«
Diese Gefahr liegt aber in der That nicht ferne.
Die von E. Kalkowsky aus den Augit- haltigen
Felsitporphyren bei Leipzig beschriebenen und
nach meinen Praeparaten zwar deutlich , aber
nicht so überaus dichroitischen Augite sind zwar
später (Z. D. g. Ges. 1876. 377) von Rosenbusch
als Enstatite erkannt worden ; Rosenbusch selbst
aber constatirt mehrere Vorkommen von dichro-
itischem Augite (a. a. 0. 1875. 363.), wenn er
auch solchen als besonders auf Nephelin- und
Leucit- Gesteine beschränkt darstellt. Deutlich
dichroitischen Augit, von einer Intensität des
•Dichroismus, wie ich solchen nur bei Hornblen-
den und , entsprechend der Rosenbusch'schen
Beobachtung, einzig noch an Augit aus dem Leu-
cit-Nosean-Phonolith vom Burgberge bei Rieden
beobachtet habe, fand ich nun in mehreren cen-
tralamerikanischen Andesiten. Nach seinem di-
chroitischen Verhalten , welches das vieler Horn-
blende - Torkommen noch übertrifft, müßte man
diesen Augit entschieden für Hornblende halten,
als welche ich ihn auch seiner Zeit in der er-
598
wähnten vulk. Asche bestimmt hatte. Daß hier
aber in Wahrheit Augit vorliege, wird aus der
folgenden eingehenderen Schilderung seiner Ver-
hältnisse ersichtlich sein, die ich bei dem Werthe
obiger Bestimmungs-Regel' für die mikroskopi-
sche Praxis und der davon abhängigen Wichtig-
keit dieses Ausnahme-Falles veröffentlichen zu
müssen glaubte.
Unter den untersuchten Andesiten boten die-
jenigen vom Rio Parita und Rio Virilli die Ver-
hältnisse des Augits der Untersuchung am Deut-
lichsten. Diese mehr oder weniger abgerundeten,
bis 2. mm langen und gegen 0, 5 mm dicken
Augite sind nicht arm an verhältnißmäßig gro-
ßen Einschlüssen von abgerundeten Feldspathen,
opaken Erzkörnern, Glas- und Grundmasse-Par-
tikeln, sowie Dampfporen ; auffallend sind rund-
liche, dichroitische, lederbräunliche Körner (von
gegen 0, 75 mm Drchm.), die nach ihrem ähn-
lichen Verhalten mit den Angit-Kernen der un-
ten erwähnten, zonal aufgebauten Individuen
für eingewachsene Augite gehalten werden
müssen. ' Von den grünlich gelben bis bräunli-
chen Augiten zeigen nun den intensivsten Di-
chroismus (braun bis grün) diejenigen Säulen-
Längsschnitte , welche zwischen gekreuzten Ni-
cols bei Parallel - Stellung ihrer Längs - Axe zu
einer Nicol-Hauptschwingungsrichtung auslöschen,
die darnach parallel ooPoo geschnitten sind;
solche Schnitte weisen nur unregelmäßige, wenig
geradlinige Klüftung auf; am Ehesten noch läßt
sich eine Tendenz zur Qiierklüftung feststellen;
parallel der Längsaxe aber war nur einmal eine
auf verhältnißmäßig größere Erstreckung gerad-
linig verlaufende Kluft zu erkennen. Die Augit-
Dachflächen kann man zuweilen deutlich in ihren
Contureu beobachten (gemessener Winkel 117 7« "
599
in einer oo P oo annähernd parallelen Ebene !).
Ein dergl. Augit-Sehnitt zeigte zonalen Aufbau,
indem ein äußerst dichroitischer Kern von einem
Rande mit anderem Farbentone umschlossen war;
diese Randpartien löschten zwischen gekreuzten
Nicols nicht einheitlich aus, sondern in Körnern
nach einander, zum großen Theile fast zugleich,
mit dem Kerne; diese ziemlich großen Körner
trennten dunkle Klüfte von einander. — Einen je
größeren Winkel (bis gegen 40 ") die Längs- Axe
der Säule mit einer Nicol-Hauptschwingungs-
richtnng bilden muß, damit der betr. Längs-
schnitt bei gekreuzten Nicols auslösche, um so
geringer ist auch der Dichroismus; auch die
Licht - Absorption ist verschwindend. Solche
00 P OD möglichst genäherte Schnitte besitzen
Längs-Klüftung und fällt die Quer-Klüftung da-
gegen weniger in die Augen. Für die Beur-
theilung der Querklüfte war die Beobachtung
eines Längsschnittes interessant, wo sich eine
kleinere, sehr dichroitische Säule mit einer großen
wenig dichroitischen verwachsen zeigte; an der
kleineren konnte manrundlichschalige, zurLängs-
axe senkrechte Absonderungsklüfte beobachten,
die mit ihren äußersten feinen Enden in das
ihr verwachsene große Individuum fortsetzten. —
Die 0,5 — 0,1 mm, gewöhnlich 0,3 — 0,4 mm
im Durchmesser haltenden Querschnitte sind acht-
seitig und zwar anscheinend bei vorwaltender
Ausbildung der Pinakoide. An möglichst vielen
solcher Sseitigen Schnitte ausgeführte Winkel-
messungen ergaben durchweg den Augitwinkeln
mehr oder weniger genäherte Werthe ; der Di-
chroismus dieser Querschnitte ist gering. Aucb
dergleichen Querschnitte besitzen unter ihren
vielen Klüften ziemlich geradlinig und einander
parallel verlaufende; für Spaltbarkeits- Spuren
600
dürften dieselben jedoch nicht zu erklären sein,
da sie in ihrer Richtung constant durch mit
einander verwachsene Zwilliiigsindividuen hin-
durchgehen. Dieser Umstand könnte allerdings
darauf zurückgeführt werden, daß bei der Zwil-
lingsbildung die Spaltbarkeitsrichtungen zusam-
menfielen, etwa bei einer Zwillingsbildung nach
00 P CO die Spaltbarkeit nach oo P oo ihre Richtung
behalte. Letzterer Annahme aber widerspricht
die Beobachtung, daß Kluftrichtung und Zwil-
lings-Grrenze nicht senkrecht auf einander stehen,
sondern immer einen spitzen Winkel von etwa
45° mit einander bilden (entsprechend zwei ih-
nen parallelen und sich unmittelbar schneidenden
Seitenkanten des Querschnitts). Die Sseitigen
Querschnitte löschen in der Mehrzahl zwischen
gekreuzten Nicols aus, ohne daß eine krystal-
lograph. orientirbare Linie (Kluftrichtung, Zwil-
lings-Grenze) zugleich einer der Nicol - Haupt-
schwingungs- Richtungen parallel laufe: welche
Erscheinung nur die schon durch die Winkel-
messungen erkannte Thatsache bestätigt, daß
keiner dieser Querschnitte genau senkrecht zur
Säulen -Axe liegt; es sind alle etwas verzo-
gen. Diejenigen Querschnitte, welche bei voller
oder annähernder Parallelstellung einer Seitenli-
nie zur Nicol- Diagonale auslöschten, zeigten,
wohl nur zufälliger Weise, nicht zugleich gerad-
linige Klüfte oder Zwillings-Bildung.
Die Zwillings-Bildung liefert gewöhnlich das
Bild, daß einem großen Lidividuum ein oder
mehrere Bündel von meist sehr feinen Zwillings-
Lamellen, im pol. Lichte ein fein gestreiftes Band,
eingelagert sind ; die Zahl dieser Lamellen ist
sehr verschieden ; oft ist eine mittlere von ihnen
(bis 0, 1 mm) breit ausgebildet und erscheinen
die anderen feinen dann nur wie raudliche Be-
601
grenzuDgen; doch kommen auch einfach binäre
Zwillinge Tor. Die Zwillings-Verwachsung fin-
det parallel der Säulen-Axe statt; in den Quer-
schnitten bilden Zwillings-Grenze und Kluftrich-
tung mit einander, wie angeführt, einen spitzen
Winkel; dies würde auch der Fall sein, wenn
normaler Weise die Zwillinge nach oo P oo ver-
wachsen von der Spaltrichtung nach oo P getrof-
fen würden; hier jedoch lassen die beobachteten
Verhältnisse ebensogut oder noch besser die um-
gekehrte Annahme zu einer Zwillings - Verwach-
sung nach cc P und Klüftuug nach ex; P öo (wel-
che letztere jedoch nicht im Entferntesten an
die regelmäßige und ieine Spaltung des Diallags
erinnert!). Für diese Annalame spricht nämlich
die Erscheinung, daß eine Auslöschung eines
Querschnittes nie eintrat bei Parallelstellung
der Zwillingsgrenze zu eiuem Nicol-Hauptschnitte
(allerdings manchmal bei nur geringer Abweichung
davon), daß dagegen manchmal Auslöschung
eines Zwillings -Individuums stattfand, wenn die
Kluft-Richtung diesem (Nicol-Hauptschnitte) pa-
rallel war oder senkrecht dazu verlief. Ferner
spricht dafür eine Beobachtung an Längs-Schuitten,
in denen sich Individuen , resp. nur dünne La-
mellen , welche sehr dichroitisch sind und zwi-
schen gekreuzten Nicols bei Parallel - Stellung
der Säulen-Axe zu einer Nicol-Diagonale auslö-
schen, verwachsen zeigen mit wenig dichroiti-
schen , die erst bei einem Winkel jener beiden
Richtungen von gegen 40*^ auslöschen; es schei-
nen demnach die Flächen c» P öo und oo P do der
Zwülings - Individuen da zusammenzufallen. —
Zur Charakteristik der Zwillings-Bildung seien
noch einzelne Fälle der Beobachtung angeführt.
Im Gesteine vom Rio Virilli ließ sich ein Quer-
schnitt beobachten, der ein breit lamellares In-
603
dividuum in Zwillings -Verwachsung mit fein
und bunt gebänderter gerader Zwillingsgrenze
eingeschaltet zeigte. In diesem Querschnitte
löschte das eingeschaltete Individuum aus bei
Parallelstellung der Kluft - Richtung, resp. des
entsprechenden , ihr parallelen Seiteupaares zur
Nicol-Diagonale, während das Haupt- resp. Doppel-
Individuum auslöschte bei einem Winkel von ge-
gen 30 " zwischen jenen Richtungen , also nicht
bei Parallellagerung einer Seite zur Nicol-Diago-
nale. Es stimmt also hier die krystallographisch-
optische Orientirung nicht mit dem umschließen-
den größeren Individuum, sondern mit der ein-
gewachsenen Zwillings - Lamelle. — An einem
arideren großen Querschnitte löschte das Band
feiner, eingeschalteter Zwillings - Lamellen zwi-
schen gekreuzten Nicols zugleich mit dem um-
schließenden Haupt- Individuum aus, während es
in allen anderen Lagen schön und verschieden
chromatisch hervortrat. — Im zerstreuten Lichte
lassen sich nur sehr selten Spuren der Zwillings-
Bildung entdecken.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Zeitschrift der Deutsch. Morgenland. Gesellsch. Register
zu Bd. 21—30. 1877.
Annali della R. Scuola normale super, de Pisa. Della
Serie vol. III. Philos. e Philolog. Vol. II. 1877.
Jahresbericht des physikal. Vereins zu Frankfurt a. M.
1875—1876.
Annual Report of the Trustees of the Museum of Compa-
rative Zoölogy for 1876. Boston.
Atti della R. Accademia del Lincei. Vol. I. Fase. 5.
Roma. 1877. 4.
603
Plateau, Quelques ezemples corieox de discontinuite ea
analyse. 1877.
Annales de l'Observatoire R. de Bruxelles. 13.
ObservatioDS meteorologiques faites aux stations int«mat.
de la Belgique etc. 1877. Fevr.
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sciences de St.-Petersbourg.
T. XXIII. No. 3. 1877.
Bulletin de la Soc. mathero. de France. T. V. No. 3.
Abhandlungen d. k. k. Geolog. Reichsanstalt. Bd. IX. 4.
Jahrbuch derselben. Jahrg. 1877. Bd. XXVII. No. 1.
Mit Tschrmak, Mineralogische Mittheilungen. VI.
Bd. 1. H. Wien 1577.
Mittheilungen der anthropolog. Oesellsch. in Wien. Bd.
VII. No. 1-3.
Verhandlungen ders. No. 1—6. 1877.
Jahresbericht der Lese- und Redehalle der deutschen Stu-
denten in Prag. 1876—1877.
Monatsbericht der Berliner Akad. d. Wiss. Jan. u. Fe-
bruar 1877.
Oversigt over det K. Danske Vidensk. Selskabs Förhand-
lingar. 1877. No. 1. 1876. No. 2.
Tyge Brahes meteorologiska Dagbok 1582—1697. Kjö-
benhavn 1876.
A. Colding, Fremstilling af resultatern e af nogle ünder-
sögelser over de ved Windenskraft fremkaldte Ström-
ningar i Havet, Ebd. 1876.
C. Christransen, Magnetische Undersögelser. Ebd.
1876.
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 53. H. 1. 1877.
Sitzungsber. der mathem. - physik. Cl. der k. Akad. der
Wiss. zu München. 1876. 3.
Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscoa.
Ann. 1876. No. 4.
Die Photographie von Ernst Schulze,
Rozprawy i Sprawozdania z Posiedzeii wydzialu matem.-
przyrodniczcgo Akademie Umiejetnosci. T. III. Kra-
kau 15 76.
historyczno-filozofieznego. T. V. 1876.
filologicznego. T. IV, 1876.
Sprawozdanie komisyi Fizyjografigznei. T. 10. 1876.
Transactions of the Zoological Society of London. Vol.
IX. P. II.
Proceedings of the ZooL Soc. for 1876. London 1877.
Part 4.
604
Atti della R. Accademia dei Lincei anno CCLXXI. Ser. 2.
Vol. I. 1873-74. Roma 1875. 4.
Atti, anno CCLXXII. Ser. 2. Vol. II. 1874-75.
Atti, anno CCLXXIII. 1875—76. Vol. III. Parte prima.
Transunti e Bulletino bibliografico.
Idem, parte secunda. Memoria delle classe fisiche, ma-
tematiche e naturali 1875-76.'
Atti, anno CCLXXIV 1876-77. Serie 3. Transunti
. Vol. I. Fase. 1. 2. 6.
Nuovo Statuto della R. Accademia dei Lincei. Roma 1875.
Leopoldina H. XIII. No. 9—12. Mai-Juni 1877.
Proceed. of the London mathemat. Society No. 106 - 111.
Vierteljahrsschrift der astronom. Gesellschaft. 12. Jahrg.
H. i. 1877.
Monthly notes of the R. Astronomical Society. Vol. 37
No. 7.
A. S. Ulrich, XX. Jahresbericht des schwedischen heil-
gymnastischen Instituts in Bremen. 1877.
Nature 297—401.
Jahresbericht XI der naturforsch. Gesellschaft in Bam-
berg 1876.
C. H. Davis, Astronomical and meteorolog. Observations
during the year 1874, at the United. States naval Ob-
servatory. Washington 1877. 4.
Proceedings of the American philosoph. Society at Phila-
delphia. Vol. XV. No. 96. Vol. VVI. No. !18. .
Proceed. of the American pharmaceutical association, held
in Philadelphia, September 1876. Philadelphia 1877.
Meteorol. Beobachtungen in Dorpat im J. 1875. 10.
Jahrg. II. Bd. 5. H.
Abhandlungen der philos. - philolog. Classe der K. Akad.
der Wissenschaften zu München. Bd. XIV. Abth. 1.
1877. 4.
C. V. PrantI, Verstehen und Beurtheilen. München
1877. 4.
C. W. Gümbel, Die geognost. Durchforschung Bayerns.
München 1877. 4.
Astronomisch-geodätische Arbeiten im Jahre 1876. Ber-
lin 1877. 4.
Verhandlungen der physik. - medic. Gesellschaft zu Würz-
burg. X. 3-4.
(Fortsetzung folgt.)
605
i\aeh richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
21. November. j\ä 24. 1877.
Köuiviiche (leselischaft der Hissenschafteii.
Sitzung am 3. November.
(Fortsetzung.)
Antiken in der südwestlichen Schweiz
und Turin.
Von
Friedrich Wieseler.
Schon längere Zeit fühlte ich das Bedürfniß,
mich über den Bestand der Autikensammluugen
in der südwestlichen Schweiz und in Turin zu
belehren, welche fast alle nur ungenügend oder
gar nicht bekannt sind. Eine in den jetzt zu
Ende gehenden Michaelisferien nach den betref-
fenden Gegenden unternommene Rei?e war zum
Theil dazu bestimmt, jenes Bedürfniß zu befrie-
digen. Ich kann keinesweges sagen, daß ich
dort Alles gesehen habe , was für mich sehens-
würdig war, nicht einmal, daß ich das von mir
Gesehene alles zur Genüge betrachten konnte.
Wenn es mir nicht möglich war, in der Schweiz
Avenches zu besuchen, so tröstete ich mich schon
früher dadurch , daß wir gerade über diesen Ort
und die Ergebnisse der an ihm vorgenommenen
Ausgrabungen durch ältere Schritten und na-
mentlich durch die fünf Abhandlungen Bursian's
53
606
vorzugsweise gut unterrichtet sind ^) , und hatte
später, als ich auf der Rückkehr die Philologen-
versammlung zu Wiesbaden besuchte, Gelegen-
heit in der archäologischen Section einem Vor-
trage Professor Hagen's aus Bern beizuwohnen,
der in Verbindung mit der Vorlage eines großen
auf der Berner Bibliothek aufbewahrten Wer-
kes mit Abbildungen von Ritter und zahlrei-
cher Photographien mannigfache Belehrung bot.
Aber schmerzlich war es mir, als ich, bei
Orbe vorbeigefahren , in Yverdon durch Herrn
Rochat erfuhr, daß ich dort ein neuentdecktes
Mosaik hätte sehen können, welches die früher
dort ausgegrabenen weit übertreffe^). Ein Miß-
1) Aventicura Helvetiorum in den Mittheilungen der
antiquar. Gesellschaft in Zürich, Bd. XVI, Abth. 1, Heft
1—5, 1867—1870, wo auf S. 4 auch die früheren Schriften
angeführt sind. Gelegentlich sei hier bemerkt, daß die
von Bursian Taf. XVI nach einer stilistisch untreuen
Zeichnung herausgegebene Bronzegruppe des mit dem
Löwen kämpfenden Hercules , die er als »eine seither
verschwundene« bezeichnet , von dem Baron von Bon-
stetten, in dem Suppl. au recueil d'Antiquites Suisses,
1860, pl'. XX , n. 1 nach dem laut des Textes p. 26 im
Chäteau des Villars befindlichen Originale herausgegeben
ist, wo sich unter n. 3 auch die Abbildung einer eben-
falls aus Aventicum herrührenden und im Chateau de
Villars befindlichen 21 cent. hohen Bronzest. einer auf
der unten abgeplatteten Kugel stehenden »Victoria« fin-
det, rücksichtlich deren im Text p. 27 wohl hätte ange-
geben werden können, ob sie wirklich flügellos ist, oder
ob nicht Spuren angesetzter Flügel auf den Schultern zu
gewahren sind, wie bei der Bronzestatuette aus Ilercu-
laneum (Denkra. d. a. Kunst II, 73, 294.) Ueber em
Mosaikbild, welches nach Bursian aus Avenches stammt,
wird unten bei der Besprechung des Orpheusmosaiks in
Turin in einer Anmerkung die Rede sein. (S. 656 fg.)
2) Von Mosaiks aus Orbe kenne ich durch Abbildun-
gen und Beschreibungen außer dem obenerwähnten vier
Stücke: das von L. Vulliemin »Der Canton Waat« Bd. I,
S. 64, der Deutschen Uebers. von Wehrli-Boisot, St. Gal-
607
stand war es, daß ich an den Schweizerischen
Orten, deren Samrahingen ich besuchen konnte,
die Vorsteher dieser meist nicht anweseud fand,
so daß ich die in Glasschränken aufbewahrten
kleinereu Gegenstände in vielen Fällen nur nn-
genügend betrachten uud prüfen konnte und
mir jene mündliche Unterweisung fehlte, welche
bei Sammlungen , von denen es keinen Catalog
giebt , so nöthig ist. Selbst für Turin , wo ich
mich am längsten aufhielt, habe ich diesen Um-
stand zu beklagen ; denn wenn auch der Vorste-
her des dortigen Museums trotz seiner stark an-
gegriflFenen Gesundheit, sich meinetwegen länger,
als es seine Absicht gewesen, in der drückend
heißen Stadt aufhielt, so mochte ich ihn doch
nicht übermäßig bemühen, hatte aber keinen
Anderen, von dem ich zuverlässige Kunde hätte
erhalten können, da auffallenderweise bei dem
so umfangreichen Museum nur e i n wissenschaft-
lich gebildeter Mann angestellt ist.
Nichtsdestoweniger glaube ich mich auch
über die von mir besuchten Schweizerischen
Sammlungen so weit unterrichtet zu haben, daß
ich mir über deren Bestand im Allgemeinen
ein Urtheil erlauben uud über manche Werke
len a. Bern 1847, in höchst nngenägender Weise erwähnte,
1758 aufgefandene und zerstörte; ein auch nicht mehr
vorhandenes, von welchem ich durch Hm. Rochat's Güte
eine Abbildung sah, vermuthlich eins von den beiden,
welche der Baron von Bonstetten in dem Reo. d' Antiq. Suisses,
1855, p. 40 zu pl. XIX, als 1845 von ihm entdeckt erwähnt
(das Hauptbild bezieht sich auf den Neptunischen Kreis) ;
das zuerst von Bonstetten a.a. 0., dann von Bursian in den
Mittheil, der Züricher antiquar. Gesellsch. Bd. XVI, 1862
herausgegeben; das von Klügmann in dem Bullett. d.
Inst. arch. 1863, p. 193 fg. nach einer Zeichnung be-
schriebene, von welchem es früher hieß, daß es von Bon-
stetten herausgegeben werden werde, was aber meines
Wissens bis jetzt nicht geschehen ist.
53*
608
im Besonderen Auskunft geben darf; und dieses
zu thun, und zwar umgehend zu thun, halte ich
für meine Pflicht, um für die Schweiz dort ein-
heimische archäologisch gebildete Gelehrte, für
Turin jüngere diesen Ort besuchende Fachgenos-
sen, welche auf die nöthigen Detailstudien län-
gere Zeit und angestrengtere Arbeit verwenden kön-
nen, zu weiteren, genaueren Untersuchungen und
Berichterstattungen zu veranlassen. Mein Bericht
soll sich eigentlich nur auf Griechische, Italische und
Griechisch-Römische Alterthümer und Kunstwerke
beziehen ; doch wird aus ihm auch erhellen, wo
Werke anderer Culturvölker des Alterthums vor-
handen sind.
I.
Schweiz.
Die von mir in der südwestlichen Schweiz
Französischer Zunge besuchten Sammlungen sind
die zu Neufchatel, Yverdon, Lausanne,
Genf. Sie sind meistens Bestandtheile allgemein
ethnographischer Sammlungen und enthalten
ganz vorzugsweise oder allein Werke Römischer
Arheit aus der Nähe ; einige, wie das Cantonal-
museum zu Lausanne und das Musee archeolo-
gique de la ville zu Genf, auch aus Ländern
Asiens und Südeuropas mit Griechischer und
Römischer Cultur in einer Anzahl, die jenen ge-
genüber in Betracht kommen kann. Nur eine
größere Sammlung macht eine vollständige Aus-
nahme: das in neuerer Zeit gegründete Musee
Fol zu Genf, da es fast nur aus Werken fremder
Herkunft besteht.
1. I
Die archäologische Sammlung zu Neufcha-'
tel befindet sich, mit der ethnographischen ver-
609
eint, in dem stattlichen Gymnase nahe an dem
See, Es fehlt in ihr selbst nicht an Aegypti-
schen Sachen. Die Griechische Kunst ist durch
einige unbedeutende bemalte Vasen, anscheinend
aus Italien, vertreten. Unter den verschiedenen,
ebenfalls uubedeutenden Werken Römischer Ar-
beit, zeichnet sich ein gewöhnliches Thongefäß aus
Yeudon nur durch seine Größe aus, während
zwei weibliche Büsten aus der Kaiserzeit die
Marmorsculptur repräsentiren. Die eine dersel-
ben stammt laut des angeklebten Zettels aus
Avenches. Die andere entbehrt eines gleichen
Certificates ihrer Herkunft. Unt^r den oben er-
wähnten Photographien von Werken aus Aven-
ches fand ich nur die erste berücksichtigt.
Die kleine Sammlung zu Yverdon, welche
in dem Schlosse aufbewahrt wird , enthält nur
Gegenstände aus dem Römischen Eburodunum
und seiner nächsten Umgebung; an figürlichen
Bildwerken nur eine trotz ihrer Beschädigung
recht artige Bronzestatuette der Minerva und
einen in einem goldnen Ring gefaßten vertieft
geschnittenen Stein mit einer freilich roh ausge-
führten, aber in gegenständlicher Hinsicht inte-
ressanten Darstellung, beide abgebildet in L. Ro-
chat's Recherches sur les Antiquites d'Yverdon
(Mittheil, der antiquar, Gesellsch. in Zürich Bd.
XIV, H. 3, 1862), dieses pl. I, n. 20, jenes pl.
II, n. 2, auf welche Schrift wir über die sonsti-
gen Römischen Alterthümer der Sammlung ver-
weisen, die seitdem keinen erheblichen Zuwachs
erhalten zu haben scheinen, obgleich es an Nach-
grabungen nicht gefehlt hat, s. Rochat im An-
zeiger für Schweizer. Alterthumskunde Jahrg.
V, 1872, S. 379 fg. Interessant war es mir —
610
um das noch hinzuzufügen — , eine Anzahl jener
in den verschiedensten Gegenden gefundenen
oben quer durchbohrten Terracotta - Kegel oder
Pyramiden, welche zuletzt von Conze und H.
L. Ahrens eingehend besprochen sind, mit der
Etiquette : Poids employes par les tisserands pour
tendte les fils de la chaine, bezeichnet zu finden
und zu hören, daß diese Ansicht über die Be-
stimmung jener Thonsachen in Yverdon schon
seit etwa fünfzehn Jahren als die erweißlich
richtige gelte.
Das Museum zu Lausanne befindet sich
in einigen Räumen des College, welche sehr
zu wünschen übrig lassen, Ueber dieses »Musee
cantonal d'histoire naturelle, d'antiquite« etc. er-
fahren wie durch Vulliemin Waat Bd. II, S.
241 fg. der Deutsch, üebers. aus dem Jahre 1849,
daß es 1818 eröjffnet wurde und daß es — um
nur die Abtheilungen zu erwähnen, die uns hier
angehen — enthalte »eine archäologische Samm-
lung, bestehend aus einer gewissen Anzahl vor-
römischer, einer weit größeren römischer Alter-
thümer (Darstellung eines Stieropfers ^) , Stand-
1) Mit diesem Bildwerke ist sicherlich nicht das eine
der unten zu erwähnenden Friesi-eliefs gemeint, sondern
das auf »zwei kreisförmigen Schilden, die ungefähr 8" im
Durchmesser haben« befindliche, welche Vulliemin, nach
dessen Angabe sie aus dem Boden der alten Lousonna
stammen, Bd. I, S.61 so beschreibt: sie »stellen in halb-
erhabener Arbeit ein Steinopfer dar. Der Priester, der
hinter dem Stiere steht, ist in ein langes Gewand gehüllt,
von dem eine Falte (so !) sein Haupt bedeckt, doch sind die
Arme frei und entblößt. Mit der einen Hand stützt er sich
auf die linke Seite des Thieres , während er mit der an-
deren das Weihwasser zwischen die Hörner des Opferthie-
res gießt«. Mir sind diese »Schilde« entgangen. Das
611
bildchen. Lampen, Tasen, Töpferarbeit) nnd aas
einigen aus dem Mittelalter,« und eine ethnolo-
gische Sammlung, bestehend aus ägyptischen AI-
terthümern (Mumien, einem schönen Tische aus
morgenländischem Porphyr) ; aus römischen, ans
den Ausgrabungen Ton Herkulannm, Pompeji
und STräkus herkommend), ein(em) Geschenk
des Hrn. Begre von Iflferten, schweizerischen
Konsuls in Rom; aus ostindischen, amerikani-
schen, chinesischen und türkischen.« Griechi-
sche, Römische und Italische Alterthümer ver-
schiedenen Fundortes sind jetzt mit Äegyptischen,
Mexikanischen und einigen, zum Theil interes-
santen Stücken ans Asien in einem mäßig gro-
ßen Zimmer vereinigt, wo sie in Glaßschränken
an den Wänden und auf den Gla&schränken ih-
ren Platz gefunden haben. Schon hieraus erhellt,
daß es sich wesentlich um Werke geringerer Di-
mensionen handelt , unter denen mehrere Römi-
sche Thongefaße und vier Etruskische sehr kleine
Aschen kisten durch ihre Dimensionen hervorra-
gen. Zuweilen ist auf den spärlichen Etiquetten
die Herkunft bezeichnet. Ganz besonders zahl-
reich (im Verhältnis zu dem Gresammtbestande
der Sammlung) sind die aus der Fremde bezoge-
nen bemalten oder mit Reliefs versehenen Vasen
und Thonfiguren. Unter jenen ragt eine Reihe
älterer asiatisirender hervor, von denen einige
laut den Etiquetten aus den Salzmann 'sehen Aus-
grabungen zu Kameiros stammen (unter ihnen
eine Schale mit der ringsherumlaufenden Dar-
stellung von Sirenen als Vögeln mit Menschen-
kopf). Auch an Italischen bemalten Vasen fehlt
es nicht; doch erinnere ich mich nicht, unter
Material wird vtm Y. oidit anfegeben. M eme YuM-
thang eriaabt. ao würde idi rififhrt an BraaBermde
denken, die etwa den Deckel vcm Getithen aamadbiai.
612
diesen ein Stück von Belang bemerkt zu haben.
Noch stärker sind die in zwei Schränke ver-
theilten poteries Etrusques de päte noire ver-
treten. Besonders reich aber ist die Sammlung
an Griechischen Terracottafigureu , unter denen
es auch an solchen größeren Dimeosionen und
an sehr wohl ausgeführten nicht fehlt. Manche
erregen auch in Betreff des Dargestellten Inte-
resse. Ich war überrascht, eine vollständige Re-
plik der von Gerhard Arch. Ztg. 1849, Taf. II,
n. 1 als »Eros und Agon« herausgegebenen Gruppe
des Berliner Museums vorzufinden , die vielmehr
einen größeren Eros sein Brüderchen in einem
Rollwagen fahrend darstellt. Von besonde-
rem Interesse war mir auch das kleine Stück,
welches auf der Etiquette im Wesentlichen
richtig bezeichnet ist als acteur comique tenant
des deux mains un lecythos. Die mit dem kur-
zen Chiton der älteren Komödie angethane Fi-
gur hat eine Art von Modius oder Kalathos auf
dem Kopfe. Verhältnißmäßig zahlreich sind die
Vasen in der Form von Thieren, z. B. eines
Hasen und eines sitzenden Affen. Gefäße, wie das
letztere aus Italien stammend , signalisirt schon
0. Jahn Arch. Beitr. S. 435, A. 7. Wir werden
weiter unten zwei ebenfalls Italische Exemplare
kennen lernen. Von einem Griechischen habe
ich in dem Arch. Bericht über meine Reise nach
Griechenland S. 63 Kunde gegeben. Auch Masken
von Terracotta sind zu erwähnen. Desgleichen
sind die bekannten Friesplatteureliefs Griechisch-
Römischer Arbeit durch mehrere Exemplare ver-
treten. Das eine von diesen zeigt einen zum Opfer
geführten Stier und zwei verhüllte Männer.
Anf einem anderen sind zwei Hören, die des
Winters und die des Herbstes, dargestellt, vgl.
Taylor Combe Terrae, in the Brit. Mus. pl. 27,
613
51. Beachtenswerther sind zwei andere Platten.
Auf der einen gewahrt der Beschauer zumeist
nach rechts Paris, sitzend, und im Hintergründe
Mercur, stehend; dann nach links hin, vor Paris
stehend, Venus, Juno und, als die hinterste, Mi-
nerva. Die Darstellung des Parisurtheils findet
sich, so viel ich mich erinnere, auf diesen Terra-
cottareliefs sonst jedenfalls nur höchst selten.
W-lcker hat in seiner umfassenden üebersicht
der betreffenden Bildwerke, A. Denkm. Th. V,
S. 424, genau genommen, nur ein sicheres Bei-
spiel beibringen können. Dieses n. 89, a, hat
die größte Aehnlichkeit mit dem in Rede ste-
henden. Ob es gar dasselbe ist ? Das andere
Relief zeigt Ulysses an dem Mastbaume seines
Schiffes angebunden und zu diesem hinanschwim-
mend eine mit halbem Leibe aus dem Wasser
hervorragende Sirene. Eine Darstellung dessel-
ben Gegenstandes habe ich als auf einem Relief
des Etruskischen Museums in Florenz vorkom-
mend in diesen Nachrichten 1874, S. 574, sig-
nalisirt. Ob beide Reliefs aus einer gleichen
Form hervorgegangen sind oder nicht , ist mir
nicht mehr erinnerlich. Daß es an Thonlampen
schon 1849 nicht fehlte, ist aus Vulliemin's An-
gabe ersichtlich. Sonst giebt's noch Poleries an-
tiques trouvees dans le canton Vaud und Bei-
spiele de Ceramique Gauloise.
Auch die Abtheilung der Gegenstände aus
Bronze ist nicht übel vertreten. Sie sind, soviel
ich habe sehen können , alle im Canton Waat
gefunden, und fast alle Römischer Arbeit.
Zunächst von den Statuetten ! Von diesen
sind nur einige von etwas bedeutenderen Dimen-
sionen ; besonders der Mercur von ürsins, abge-
bildet bei Rochat Antiquit. d'Yverdon pl. II, n.
3, welcher eine Höhe 'von 9 Zoll hat (die ge-
614
nauere Angabe der Höhe bei dieser und anderen,
gleich zu erwähnenden Bronzefiguren verdanke
ich Zeichnungen im Museum zu Yverdon, auf
denen dieselbe beigeschrieben war) ; dann der be-
harnischte hahnenköpfige und in Schlangen aus-
laufende Gott der Gnostiker , eine als Rundbild
seltene Darstellung , welche aus Aveuticum
stammt; auch noch eine kopflose männliche Sta-
tuette, an welcher der rechte Arm fast ganz ab-
gebrochen und auch der linke etwas beschädigt
ist. Von den anderen Statuetten mögen zuvör-
derst einige, den Mercur darstellende genannt
werden , welche , wie die erst erwähnten , aus
Yverdon und seiner Umgegend stammen (wo
noch andere Mercurstatuetten gefunden sind,
eine im Castrum von Yverdon , welche, wie Ro-
chat a. a. 0. p. 68 bemerkt, in die Troyon'sche
Sammlung zu Eclepends gekommen ist , eine
andere zu Nonfous, einem etwa zwei lieues von
Yverdon entfernten Orte, von welcher der Baron
von Bonstetten Rec. d'Antiq. Suisses pl. XIII,
n. 2 eine Abbildung gegeben hat, alle vermuth-
lich aus der Zeit von den Flaviern bis zu den
Antoninen. Jene Mercurstatuetten findet man
ebenfalls bei Rochat abgebildet, die eine, ohne
die fehlenden Unterbeine vier Zoll hohe, mit
silbernen Augen, aus den Trümmern im bois des
tours bei Vuiteboeuf, pl. II, n. 5, die andere nur
bis unter der Brust erhaltene, welche mit einem als
Exomis angeordneten Gewände versehen ist, pl. II,
n. 4, Außer diesen Mercurstatuetten stammt noch
eine andere Bronzefignr des Cantonalrauseums aus
der Umgegend von Yverdon (aus Yvonand , wie
auf der Etiquette und bei Vulliemin a. a. 0. I,
S. 69 angegeben ist, aus Mordagne nach der
Angabe bei der im Museum zu Yverdon befind-
Jichen Zeichnung) : die bei Rochat pi. 11, n. 1 ab-
615
gebildete Votoria von 3" 6'" Höhe. Eine Ve-
nusstatuette mit dünnem Untergewande und
um die Scham geknüpften Obergewande, deren
linke Hand abgebrochen ist, wurde zu Vernex
ausgegraben. An der Statuette eines verhüllten
unbärtigen Mannes in der Toga, welcher in der
Linken eine Rolle hält uud die Rechte wie re-
dend vorstreckt, fehlt die Angabe der Her-
kunft (ähnliche Figuren finden sich unter den
kleinen Bronzen öfter , eine auch in der Samm-
lung des Archäol. Instituts zu Göttingen). Auch
den Arm von der Bildsäule eines Kindes , wel-
chen Vulliemin a. a. 0. als zu Yvonand aufge-
funden erwähnt , glaube ich unter den Bronzen
gesehen zu haben. Diesen Römischen Bildwerken
ist das Gallo-Römische des sogenannten Hercule
Gaulois aus Lausaune zugesellt, über den jetzt
ganz besonders zu vergleichen ist K. Dilthey im
Anzeiger für Schweizer. Altherthumskunde , Zü-
rich 1875, S. 634 fg., wo auch S. 637, n' XII
u. XIU, jenes Bild und ein zweites im Museum
von Lausaune aufbewahrtes (das ich wohl
übersehen habe) verzeichnet ist. Unter den
Brouzestatuetten von Thieren findet sich die
einer Pauthere femelle tr. ä St. Prex, don de Mr.
le Syndic. Laurent - Duclos ; außerdem der bei
Rochat pl. U, n. 6 nebst der dazugehörenden
Inschrift (6, a) abgebildete schöne Votivbock von
Valeyres bei Yverdon (die Inschrift auch bei
Th. Mommseu Inscript. coufoederat. Helvet. lat.
(Mitth. d. antiquar. Gesellsch. in Zürich, Bd. X)
p. 23, 23, 51, n. 137, welcher keinen Verdacht
an der Echtheit äußert, während Rochat mir
sagte, daß die Echtheit sowohl des Bockes als der
Inschrift ihm sehr zweifelhaft sei).
In der Abtheilung der Gefäße und Geräthe
befinden sich z. B. eine Schale mit zwei Heu-
616
kein, ein plat vou Morp^es, ein ansehnliches
Küchengeräth, eine große Lampe aus Nyon, eine
Spiegelkapseldecke (?) mit erhabenen Figuren,
und zwei Spiegel Ich bedauere sehr, diese bei-
den letzteren nicht genauer haben untersuchen
zu können. Der eine ist jedenfalls der wieder-
holt abgebildete, am besten nach der von Ger-
hard's Zeichner vorgenommenen Reinigung in
den Mittheil, der antiquar. Gesellsch. in Zürich
Bd. VII zu A. Jahn's Aufsatz »Etrusk. Alterth.
gef. in der Schweiz,« Taf. IV, dann in vollstän-
diger Wiederholung in ders. Ztschr. Bd. XIV
zu Bursian's Aventicum H. 3, Taf. XXII, endlich
auch in Gerhard's Etruskischen Spiegeln Taf.
CCCLXX (wiederum nach derselben Zeichnung,
ohne daß angegeben wird, daß die von Gerhard
früher gewünschte Revision des Originals wirk-
lich vorgenommen sei). Wir können uns hier
auf die durch die letzte Besprechung, die bei
Gerhard a. a. 0. Bd. IV, S. 12 fg., nicht ab-
geschlossene Deutung des Dargestellten nicht
genauer einlassen , wollen inzwischen nicht ver-
fehlen zu bemerken , daß , wenn Bursian's An-
nahme eines »Rrieftäfelchens« in der Linken
Mercurs das Richtige trifft, wie es ganz den An-
schein hat, der in Rede stehende Spiegel ein
neues Beispiel des in den Götting. Nachrichten
1874, S. 595 fg. von uns erwiesenen Vorkom-
mens des Dixtychon bei Mercur liefert.
Auch an Glassachen ist Manches vorhanden;
doch schienen mir dieselben sämmtlich Römisch
und ohne besondere Erheblichkeit.
Unter den objets antiqnes en os, ivoire, ambre
zog eine »tessera theatralis« meine besondere
Aufmerksamkeit auf sich, von welcher ich leider
nur eine Seite betrachten konnte. Auf dieser
ist ein oben abgeplatteter viereckiger Thurm
6U
und, nach der Rechten des Beschaaeus hin da-
ranstoßend, ein viersäuliger Tempel dargestellt.
Da Vulliemin angiebt, daß das Museum auch
Sachen aus Herculaneum und Pompeji enthält,
so wird mau wohl anzunehmen haben , daß das
in Rede stehende Stück zu diesen gehöre. Ich
weiß überall nicht, ob in der Schweiz, wo es ja im
Alterthum zu Aventicum und Augusta Rauracorum
Theater gab, dergleichen Tesseren gefunden
sind. Zwei Exemplare , welche ich auf meiner
Rückkehr in der Antikensammluug des Museums
zu Basel fand, sind, so viel ich mich erinnere,
aus Italien eingeführt ^).
Endlich noch eine Angabe verschiedener
Werke, die entweder in gegenständlicher Hin-
sicht oder wegen ihrer Herkunft aus weiterer
Ferne oder in beiden Beziehungen namentlich
in einem kleineren Museum von Interesse sind.
Es giebt cachets d'oculistes (woher und ob
noch unbekannt, weiß ich nicht); uue brique
provenant de Kasr, ä Babyloue, mit der legende
1) Bei dieser Gelegenheit mag ich den Wunsch nicht
unterdrückea , daß doch auch von dieser Sammlung zu
Nutz und Frommen der, wenn auch nicht zahlreichen,
Besucher und der Wissenschaft ein genaues Verzeichniß
des Bestandes erscheinen möge. Die (übrigens dem Raum
nach getrennten, in der Bildergalerie aufgestellten) Köpfe
des Apollon und des Herakles, früher im Besitz des Bild-
hauers Steinhäuser, sind freilich zur Genüge bekannt;
eben so manches von den kleinen, aber wichtigen Stücken,
welche von dem verewigten W. Vischer der Sammlung
zu Gute gekommen sind; aber es giebt selbst noch Mar-
morwerke, welche genauer bekannt zu werden verdienen,
z. B. ein »alterthümlicher Athleteukopf aus Rom« und
ein fragmentirtes Griechisches Votivrelief , welches den
Asklepios darstellt, stehend, sich mit der rechten Achsel
auf den Schlangenstab stützend, das rechte Bein über das
linke schlagend, den linken Arm an die linke Hüfte legend,
und rechts von ihm einen Altar.
618
Royale de Nabuchodonosor en caracteres ounei-
formes babyloniens, nebst einigen Cylindern ; ein
poids asiatique, en niarbre blanc, en forme de
brique surmonte de deux mamelles, entre les-
quelles est une anse, pesant 2 Kilogr. 324 gr.,
auf der Auction der Sammlung Raife erstan-
den *) ; ein poids pheuicien , aus der Sammlung
des Prinzen Napoleon , auch aus Marmor und
von ähnlicher Form , nur daß der Henkel zwi-
schen den beiden Brüsten fehlt ; tesseres de
Palrayre (wie sie jetzt zur Genüge bekannt sind);
endlich die gelegentlich schon erwähnten Etrus-
kischen Aschenkisten , denen einige mehr oder
weniger rohe Köpfe, vermuthlich derselben Her-
kunft, beigestellt sind. Von den Aschenkisten-
reliefs stellt das eine den so oft wiederholten
Kampf zwischen Eteokles und Polyneikes im
Beisein von zwei Dämonen , das andere , dessen
Bemalung sehr wohl erhalten ist, einen beflü-
gelten Kopf, mit Phrygischer Mütze, den der
Meduse, ganz ähnlich wie der auf der Terracotta-
kiste bei L. J. L. Janssen De Etrurische Graf-
reliefs uit het Mus. van Oudheden te Leyden,
Taf. n, n. 5, a, das dritte Dionysos auf dem
Panther mit Schale in der Linken dar.
4.
Wenden wir uns jetzt nach Genf, so finden
wir hier zwei öffentliche Sammlungen von Al-
terthümern, das Musee archeologique de la
ville und das Musee Fol.
1) Daß es sich bei Werken wie das in Rede stehende
um Gewichte handele, erkannten bekanntlich Ch. Newton
Halicarnassus Cnidus and Hranchildae T. II, p. 387 u. 8ü4 fg.
und J. Brandis Münz- Maaß- und Gewichtswesen in Vor-
derasien bis auf Alexander d. Gr. S. 599 fg.
619
A.
Jenes befindet sich im rechten Flagel des im
Jahre 1871 vollendeten neuen Akademiegebäudes
an der Promenade des Bastions , wo ein statt-
licher Saal im Erdgeschoß eine archäologische
und ethnologische Sammlung birgt. Unter den
Culturvölkern des Alterthums sind die Aegypter,
Etrusker , Griechen und Römer vertreten , diese
fast durchaus durch Werke, welche diesseits der
Alpen gefunden sind. Die Gegenstände, welche
der Kunst und dem Handwerk der drei letztge-
nannten Volker angehören , sind durchweg von
so geringen Dimensionen, daß sie in Glasschrän-
ken untergebracht werden konnten. Der Inhalt
des Schrankes, welcher sich auf »Etrurie, Grece,
Grande Grece« bezieht, ist qualitativ sehr dürf-
tig. Es verlohnt sich nicht , auf das Eiuzelne
einzugehen ; das ansehnlichste Stück ist ein tre-
pied trouve dans un tombeau a Orvieto par Mr.
Staindl , doune par Gustave R^villiod.
Aus der epoque Romaine sind vorhanden:
ein rohes Mosaikstück, ziemlich zahlreiche Glae-
gefäße , darunter auch größere , uoch mehrere
Gegenstände aus Thon (Lampen, Gefäße, jene
schon oben S. 610 besprochenen durchlöcherten
Pyramidien, Ziegel u. s. w.), Werke aus Stein
und aus Metall.
Wir begnügen uns damit einige Stucke ans
den beiden letzten Kategorien hervorzuheben.
Unter den Sculpturen ans Marmor haben die
größten Dimensionen die Büste eines Mannes
(an welcher die Pupille und das Weiße der Au-
gen angegeben ist) und die eines Weibes, deren
Brusttheil aus farbigem Steine besteht: an ihm
gewahrt man das Frauzengewand der Isis, aber
das Gesicht ist Porträt. Die der Große nach
620
dann folgende Büste ist die eines Römischen
Kaisers im Harnisch und mit dem Paludamen-
tum. Dann kommt eine beachtenswerthe Satyr-
büste. Von geringereu Dimensionen ist die tete
de statue en marbre blaue, trouvee a Nismes
(Lauguedoc), Venus mit nach links hin etwas
übergebogeuem Kopf, an welchem die Augen-
sterne angegeben sind. Ein gewöhnliches Relief
zeigt den Kopf der SABINA. AVGVSTA, wie
die Inschrift besagt; ein anderes, in der Form
eines kleinen Medaillons, den nach links hin ge-
richteten Kopf eines bärtigen Mannes, am Rande
vor dem Gesichte die Inschrift METTIVS. Eine
Prüfung der Echtheit konnte ich nicht vornehmen.
Von den viel zahlreicheren Gegenständen aus
Metall besprechen wir zunächst die aus Bronze.
Unter diesen giebt es Gefäße und Geräthe
und namentlich Statuetten.
Von jenen mögen zuvörderst die dem gerin-
.gerem Theile nach auch in Thonsacheu, welche
mit denen aus Bronze mit Recht zusammenge-
stellt sind , bestehenden Utensiles et meuage du
II ou III siecle, decouverts ä Martigny, avril
1874, erwähnt werden. Staramt dieser Fund aus
einem Grabe, so bietet er ein neues und zwar
sehr interessantes Beispiel aus Gräbern hervor-
gezogenen Kücheugeräthes , worüber zu verglei-
chen C. Friedericlis , Berlins ant. Bildw. , II,
Geräthe und Bronzen im alten Mus., S. 138 fg.
Dann gehört hieher ein couvercle de miroir
nebst dem miroir, trouve a Bonvaud, ein Geschenk
des Dr. Coindet. Interessant ist auch ein Ge-
fäß mit je einem Schlangenhalse zum Ausgießen
und je einem Kopfe au den entgegengesetzten
Seiten; ein Candelaber in Form eines Baums,
mit einem Teller oben ; der trepied trouve a
Pyaud (hte Savoie), Geschenk von Mr. Griolet.
621
Die Zahl der Glocken ans Bronze ist nicht nn-
bedeutend.
Zu den Statuetten übergehend erwähnen wir
an erster Stelle das, als don de la Bibliotheque
bezeichnete, runde wohlgearbeitete Postament
mit der Inschrift:
LIBERO PATRI
COCLIEXSI
P. SEVERIVS
LVCANVS
V. S. L. M. ,
welche C. Orelli in den Inscript. Helvetiae, Tu-
rici MDCCCXLIV, p. 158, n. 134 herausgegeben
hat, mit der Bemerkung: referunt ad vicum CuUy
entre Lausanne etVevey; dummodo non sit
titulus commenticius. Gerte Troyon hunc non
vidit. Das konnte derselbe auch nicht, wenn er
ihn zu Lausanne oder Yevey suchte. Die In-
schrift ist ohne Zweifel ebensowohl antik wie
das Postament, welches, wie schon Vnlliemin
Waat Bd. I, S. 67 der Dtsch. üebers. angiebt,
aus St. Prex stammt. Hier, wo nach demselben II,
2, S. 167 ein Bacchus und ein Mercur aus Bronze
gefunden worden ist, außerdem wie wir oben S.
615 sahen, ein Panther, wird noch jetzt der Wein-
bau besonders betrieben, wie auch zu Cully, wo
nach Vulliemin I, S. 68 das Standbild einer
Bacchantin entdeckt wurde. Schade , daß Vulli-
emin nicht auch den damaligen Aufenthaltsort
des Bacchusbildes von St. Prex bezeichnet hat,
welches inzwischen allem Anschein nach nicht
dasjenige war, das einst auf jenem Postamente
stand. Unter den erhaltenen Statuetten des
Mnsee archeol. findet sich die eines stehenden
nackten Knaben, welcher, den linken Fuß vor-
setzend , mit beiden höher als der Kopf gehal-
tenen Händen eine wie zur Bekränzung zurecht
54
622
gemachte Tänia emporhält, und ein ebenfalls
stehender »Gauymede« mit der Trinkschale in
der Linken, beide Stücke Geschenke eines Mr.
Duval; ferner ein komischer Schauspieler, der
stehend den Kopf nach rechts hin etwas senkt,
indem er den linken Fuß etwas vorsetzt und dia
Arme vor dem Bauche zusammenschlägt, gefun-
den zu St. Genis, geschenkt von J. Du Par;
»Hercule,« der eben geschossen hat; kauernde
Venus, nach links sich umblickend, mit der Linken
einen Gestus des Schreckens machend , mit der
Rechten die Scham verhüllend ; Venus in der Hal-
tung der Mediceischen, aus Palmyra, Geschenk von
H. J. Gosse ; eine fragmentirte Maske ; endlich ein
stehender »Apollo« oder, wie mir schien, Bacchus
mit Augen von Silber, die schönste Statuette
der ganzen Sammlung, die einer Bekanntmachung
durch Abbildung werth ist (sie ist geformt und
in Gipsabguß zu haben).
Wir kommen nun zu den Silbersachen und
zu dem wenigen Schmuckgeräthe.
Durch Abbildung in Baron von Bonstetten's
Antiq. Suisses pl. XIII, fig. 1 ist seit 1855 be-
kannt eine silberne Patere du Musee de Geneve
aus Pregny pres de Geneve, mit vergoldeten
Reliefs am Henkel, welche eine Cybelebüste
zwischen zwei Bocksköpfen, darunter »Fortuna«
(oder vielleicht genauer: Fortuna Nemesis oder
Pax) mit einem belaubten Zweig in der rechten
Hand und dem Füllhorn in dem linken Arm,
und zu Unterst als hauptsächlichsten Gegenstand
Opfer von Seiten eines am Oberleibe nackten
Weibes darstellen. Dieses Stück ist mir nicht
zu Gesicht gekommen (woraus aber keinesweges
gefolgert werden darf, daß es nicht vorhanden
ist). Dagegen gewahrte ich, außer zwei silbernen
Kasseroleu (patinae, patellae), deren Fundort ich
623
nicht angeben kann, objets enfonis pres du
moulin de St. Genis, darunter eine silberne
Schale ohne figürliches Bildwerk, nud einen petit
tresor trouve ä Cinverte Mai 1857 mit silbernen
Schmucksachen, unter denen sich auch Ringe
mit geschnittenen Steinen befinden. Außer
jener Schale fand ich noch zwei andere ähnliche
vor, auch ohne figürliches Bildwerk, außerdem
zwei interessante Ohrgehänge. Das wichtigste
Silberstück ist aber die unter den Werken der
epoque Romaine chretieune aufgestellte Vaisselle
faisant partie d'une largitas de Valentiuianus,
welche, im Jahre 1724 in der Arve bei Genf
gefunden , schon im vierten Supplementbande
von Montfaucon's Ant. expl. pl. 28 abbildlich
mitgetheilt ist , nicht ohne die oben über den
dargestellten Figuren herumlaufende Inschrift
LARGITAS. D. N. VALENTINIANI. AVGVSTP).
Endlich noch die Bemerkung, daß in dem
Gefach mit der Aufschrift >Age de Fer« die bei-
den im Anz. für Schweizer. Alterthumskunde
1874, S. 576 u. 577 abgebildeten Statuetten
des vermeintlichen Helvetischen Hercules, deren
größere von Dilthey ebenda S. 635 gründlich be-
schrieben ist, aufgestellt sind (beide sind in Ab-
güssen zu haben), und daß in einem Gefache
daneben sich Terracotten, Gallo-Römische denk'
ich, befinden, unter denen eine Telesphorosfigur
1) Sinner, der in den Yoy. dans la Soisse occid., T.
II, p. 79 fg. dieses Werk nach Montfaucon bespricht,
erwähnt gelegentlich, daß nach dieses Gelehrten Zeit noch
ein silberner »bouclier« gefunden sei und zwar in der
Dauphine, aussi grand qae celni de Scipion (wie man be-
kanntlich damals den Boden der berühmten Silberschale
in der Sammlung bei der Bibliothek zu Paris nannte),
mit der Darstellung eines Löwen bei einem Palmbaum.
Wo befindet sich dieses Werk, über welches mir jede an-
dere Kunde fehlt, jetzt ?
54*
624
und drei weibliche Büsten innerhalb einer Grotte
Beachtung verdienen.
B.
Das Musee Fol ist in mehreren Zimmern
des Erdgeschosses eines in der Grande Rue n.
11 im Hof liegenden Gebäudes aufgestellt. Es
ist eine ganz neue Schöpfung, die dem großarti-
gen Patriotismus eines Mannes, des Genfer
Bürgers Walther Fol verdankt wird ^). Dieser
schenkte alle seine während mehr als zehn Jahren
emsiger Nachforschungen vorzugsweise in Ita-
lien erworbenen Kunstwerke und Alterthümer
der Stadt Genf, die ihrerseits für ein angemes-
senes Local sorgte und einen Conservator be-
stellte. Das Museum ist also nichts weniger
als eine Schweizerische Localsammlung — von
Schweizerischem Boden befinden sich nur einige
wenige Städte in demselben^) — , sondern eine
1) Nur den Inhalt eines Glasschrankes, mehrere Bron-
zesachen und ein großes bemaltes Thongefäß, dem sogen.
Asiatischön Stil angehörend, mit Tänzern und Thierfiguren
in zwei Reihen übereinander, fand ich als don de M. J.
Simond, 1874, bezeichnet.
2) Von Gegenständen, welche in der Schweiz gefunden
sind, giebt es, soviel ich sehe, nur drei Beispiele, eine
Form zur Herstellung von Reliefvasen aus Moosseedorf im
Canton Bern (P. I, p. 161, n. 768), ein Thonrelief aus
Vindonissa (P. I, p. 177 fg., n. 837) und eine plaque
de decoration von Bronze aus Burgdorf (P. I, p. 245, n.
1127). Das Thonrelief aus V. zeigt Vulcan in der ge-
wöhnlichen Tracht (nur daß er braies ou pantalons trägt)
und mit dem Hammer in der Rechten , zwischen Mercur
und Minerva , nach welcher er hinblickt , einerseits und
einer weiblichen Figur mit langer Tunica und Palla, der
Corona muralis auf dem Haupte und dem Füllhorn in der
linken Hand, so wie einer jene an der Rechten fassenden
jugendlichen männlichen Figur mit Binden um das Haupt,
die hinter demselben im Winde flattern. Hr. Fol bezieht
die weibliche Figur auf Cybele, die männliche auf Apollo
625
Sammlung von den verschiedenartigsten Gegen-
ständen, welche durch die Ausgrabnnoren haupt-
sächlich in Italien und Sicilien zu Tage geför-
dert und in dem dortigen (etwa auch dem Pari-
ser) Kunsthandel käuflich waren. Es ist selbst-
verständlich , daß es sich hauptsächlich nur um
Gegenstände geringerer Dimensionen handelt;
doch fehlt es keinesweges ganz an Werken der
höheren Kunst , wie man sie in einer solchen
Schöpfung eines bloßen Privaten nicht voraus-
gesetzt. Ein wesentlicher Vorzug der Sammlung
ist der, daß so gut vne alle Gattungen der Kunst-
übung vertreten sind, ausgenommen die Münzen,
von denen nur je ein Exemplar des As, Semis,
Triens, Quadrans, Septans und der Uucia in der
Abtheilung der Bronzesachen unter den Gewichten
stehen. Für das Kunsthandwerk ist sie außer-
ordentlich wichtig. Herr Fol, der nicht abläßt
für die Vergrößerung der Sammlung zu wirken
— wie er denn auch zur Zeit meiner Anwesen-
heit in Genf sich in Italien aufliielt — , hat auch
das Verdienst, gleich von Anfang an für Ver-
zeichnisse gesorgt zu haben. Der Catalogue du
Musee Fol ist in drei Theilen erschienen, von
denen die beiden ersten die Antiquites betreffen,
und zwar Thl. I (1874) die Ceramique und die
Plastique , Thl. II (1875) die Glyptiqae und die
Verrerie, Thl. III (1876") die Peinture artistique
et industrielle, (dieser Theil bezieht sich, wie das
auch mit dem noch zu erwartenden vierten das
Mobilier betreffenden der Fall sein wird, wesent-
oder Atys. Letzterer kann gar nicht gemeint sein. Ersterer
kommt allerdings bei Cybele vor, aber wer beweis't, daß
diese gemeint ist , zumal da das Füllhorn gegen sie Be-
denken erregt ? Sollten die jedenfalls beachtenswerthen
Figuren etwa Fortuna und Bonus Eventus .darstellen?
Leider erinnere ich mich des Originals nicht.
626
lieh auf die modernen Zeiten vom Anfange des
fünfzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahr-
hunderts — denn auch diese sind in der Samm-
lung vertreten , — ist aber auch dem Aegypti-
schen und Römischen Alterthum der classischen
Zeit nicht ganz fremd, da die Fol'sche Samm-
lung selbst von Malereien , welche diesem ange-
hören, nicht bloß Facsimile's, sondern auch Ori-
ginale, freilich meist Bruchstücke, besitzt, welche
eben in dem dritten Theile berücksichtigt werden,
wie anderseits der zweite Theil hinsichtlich der
Verrerie etwas über die Grenzen des eigentlichen
Alterthums herabgeht. Der erste Theil ist mit
Abbildungen im Text, der zweite mit 15 colo-
rirten, die Verres antiques und Ivoire et os an-
tiques betreffenden Tafeln, der dritte mit Abbil-
dungen im Text und 9 colorirten Tafeln verse-
hen. Außerdem ist ein Theil der Terracotten-
gegenstände und der geschnittenen Steine und
Pasten in zwei besonderen Bänden herausgegeben.
Freilich wird der Archäolog an diesen Schriften
gar Manches auszusetzen haben; auch sind nicht
alle Abbildungen ganz getreu und gut gerathen ;
selbst hinsichtlich der Echtheit der Originale
drängen sich hie und da Bedenken auf.
Wenn ich nichtsdestoweniger für die Kunde
des Bestandes des Museums recht wohl auf diese
Schriften verweisen könnte, so will ich doch
nicht verfehlen noch Folgendes zu bemerken.
Die Sammlung enthält Werke Aegyptischer,
Asiatischer (wenigstens aus dem Gebiete der
Glyptik), vielleicht auch Punischer, dann Grie-
chischer (ganz vorzugsweise Großgriechischer
und Sicilischer), mittelitalischer (hauptsächlich
Etruskischer) , (Griechisch- Römischer (Gallo-Rö-
mischer nur in vereinzelten Exemplaren) Kuust-
und Handwerksthätigkeit.
627
Unter den Vasen aus Thon , die , soviel wir
sehen, mit Ausnahme von einem Paar aus Grie-
chenland und Sicilien , aus Italien stammen, fin-
den sich die hier vorkommenden Arten ziemlich
vollständig vertreten. Doch fehlt es an Stücken,
Vielehe in künstlerischer Beziehung hervorragen.
Ein seltenerer Besitz sind einige zu Alhano ge-
fundene Gefäße von brauner Erde vgl. P. I,
p. 12 fg. , namentlich n. 1 u. 3. Auf einem
bemalten Gefäße mit schwarzen Figuren auf
gelblichem Grunde erblickt man nach P. I, p.
37, n. 140 d'un cote Mercure portant un kylix
de chaque main et poursuivant Eos et Kephalos
qui de l'autre cote sont represeutes fuyant. Der
Kenner merkt bald, daß die Darstellungen der
beiden Seiten nicht zusammengehören, daß viel-
mehr auf der einen Seite etwa die Verfolgung
des Kephalos durch Eos dargestellt ist, auf der
anderen aber Hermes aller Wahrscheinlichkeit nach
eher als Diener der Götter bei oder auch nach dem
Gastgelage, vgl. Sappho Fr. 51 Bergk. und Lu-
cian Deor. Dial. 24 (1 5) , denn als Genosse des
Bacchischen Thiasos, Trifft jene Deutung das
Wahre, so gehört die Darstellung zu den selten-
sten. Unter den Vasen desselben Stils giebt es
zwei Panathenäische Amphoren mit den ge-
wöhnlichen Inschriften (n. 150 u. 151). Des-
gleichen eine Amphore mit zwei fein ausgeführten
Gemälden, welche sich auf die Geburt derAthena
beziehen (auf der Vorderseite geht diese eben
aus dem Kopfe des Zeus hervor , auf der Rück-
seite steht sie auf den Knieen des Gottes, n. 154).
Noch stärker sind die Werke der Thonpla-
stik vertreten. Sie sind nach folgenden Classen
geordnet: a, Terres cuites etrusques ou latines,
profanes, religieuses ou funeraires. b, T. c. fune-
bres grecques, c, Sarcophages, lampes, autels,
628
bijoux, d, Marques de fabrique, moules, modeles,
poids , e , T. c. se rapportant ä rornementation
de la maison antique. Die Terracotten unter b
stammen aus Campanien und Apulien, und haupt-
sächlich aus Sicilieu , zudem auch aus Präueste
und besonders aus Corneto; eine Stadt des Grie-
chischen Mutterlandes ist, so viel ich sehe, nicht
vertreten (ein paar Terracottafiguren , deren
es mehrere der Publication werthe giebt, hat
jüngst Leon Fivel in J. de Witte's u. Fr. Lenor-
mant's Gazette archeol. II, 1876, p. 90 fg. her-
ausgegeben , eine sehr interessante , zu Syrakus
erworbene Figur eines Schauspielers der älteren
Komödie soeben in derselben Gaz. archeol. A. III,
1877 , p. 39. Die Sarcophages unter c. be-
stehen in einer Etruskischen Aschenkiste mit
der Darstellung von Eteokles und Polyneikes und
einer Urne cineraire cylindrique mit zum Theil
wohl ausgeführten Relieffiguren, welche beson-
ders gearbeitet und vor dem Brennen auf den
Körper der Urne aufgesetzt sind , während die
Ornamente der Urne mit dem Bossirholz, Mo-
dellirstecken , gemacht zu sein scheinen. Unter
den Lampen befindet sich keine besonders
beachtenswerthe , man möchte denn eine Rö-
mische Hängelampe für elf Dochte dahin rech-
nen wollen; auch die Fabrikantennamen sind
meist die bekannten Lateinischen, ein Griechi-
scher oder auch nur mit Griechischen Buchsta-
ben eingestempelter findet sich überall nicht
darunter. Interessant ist ein " Autel circulaire,
trouve dans un tombeau grec ä Cornetto, p. 153
fg., n. 743. Er ist auch mit figürlicher Orna-
mentation versehen: les trois supports figurent
exterieurement des creneaux et presentent k
rinterieur , en bas-reliefs, des tetes d'Atys ä lon-
gue barbe coifi'ees du bonnet phrygieu et qui
629
paraissent souffler le feu. Daß an Atys nicht
gedacht werden kann, erhellt schon aus dem
Barte. Auch ist die Kopfbedeckung nicht die
angegebene, sondern ein nlXog , der oben etwas
spitz zuläuft. Die Masken gleichen sehr jenen an
aus Athen stammenden GriflFbruchstücken von
Kohlenbecken befindlichen , welche ich nach
Conze in den Verhandl. der 24. Versammlung
der deutschen Philologen und Schulmänner,
Leipg. 1866, S. 139 fg., zu Taf. I u. II, und
Dumont Inscr. ceram. de Grece p. 410 fg. in
dem Archäol. Bericht über meine Reise nach
Griechenland S. 63 berührt habe. Das von
Conze Taf. II , la u. b abbildlich mitgetheilte
Exemplar zeigt zudem dieselbe spitze Mütze,
welche an dem Forschen >autel« vorkommt,
welcher sich auch wohl mit dem bescheidenen
Namen eines Kohlenbeckens zu begnügen hat.
Ich brauche kaum besonders zu bemerken , daß
diese üebereinstimmung des vermuthlich nicht
hloß decorativen Bildwerks an Athenischen und
einem Coruetanischen Thougeräth von wesent-
lich derselben Bestimmung etwas recht Beach-
tenswerthes ist. Die Bijoux bestehen in ver-
goldeten Terracottastücken und einer Corona
sutilis in Silberfiligran und vergoldeten Blumen
u. 8. w. , welche sämmtlich aus der Nekropole
der alten Kyrene stammen. Die Classe d ent-
hält unter Anderem auch vier jener thönernen
Formen für Römische Münzen, wie sie zu Lyon,
Cöln, Äugst und anderswo gefunden sind. Der
Fundort der in Rede stehenden ist nicht ange-
geben. Aus Classe e wollen wir außer dem schon
oben S. 624 fg. Anm. besprochenen nur zwei Stücke
hervorheben. Zuerst das p. 169, n. 787 ver-
zeichnete : Antefixe, fragment, un Pan nu, sur la
chevelure luxuriante on voit le modins, qui etait
630
peut-etre garni de fleurs , ä en juger par
le trou qui y est pratique; de chaque cote de
ses epaules on voit les points d'attache d'ailes
maintenant cassees ; il joue du syrinx — . Also
der Pan der späteren Orphiker und Neu-Pla-
toniker, dessen Flügel aus Damascius de priucip.
p. 254 bekannt sind. Ließe sich etwa auch an-
nehmen, daß das Loch zu einer Anfügung einer
Sphära diente, wie ja dieser Pan nach Eusebius
Praepar. evang 3 mit einer goldnen Sphära auf
dem Haupte dargestellt wurde ? Dann das in
Holzschnitt mitgetheilte Friesfragment p. 183,
n. 867, welches nicht allein durch seinen Fund- ,
ort, die Villa der Kaiserin Livia zu Prima-Porta
bei Rom interessant, sondern auch von sehr
schöner Arbeit ist und eine unter den Werken
aus Terracotta nur sehr selten vorkommene Dar-
stellung betrifft, welche Herr Fol durchaus ver-
kannt hat. Sicherlich ist Actäon im Kampf mit
seinen Hunden gemeint.
Dann ist die Zahl der verschiedenartigen klei-
nen Metallsachen (deren Material bis auf wenige
Stücke aus Silber, Blei, Eisen, Bronze ist) bedeutend.
Auch befindet sich unter ihnen manches interessante
Stück. Die Sammlung enthält 1 8 Bronzespiegel und
5 Fragmente solcher. Unter jenen stammt einer
sicher aus Griechenland, die meisten anderen aus
Corneto und Palestrina, einer aus Vulci. Einige
Spiegelzeichnungen verdienen in gegenständlicher
Hinsicht Beachtung. So stellt die P. L, p. 195,
n. 911 verzeichnete eine unbekannte Sage von
der Thetis dar. Diese, nicht un genie aux ailes
deployees, wie die Ueberschrift THETIS zeigt
— Nereiden kommen ja auch sonst beflügelt vor
und zwar auf nahestehenden Bildwerken — , a
les -pieds dans la mer indiquee par des vagues
en volutes et cherche ä eutrainer uu homme
631
coiffe du bonnet phrygien , Tamictus anar les
epanies, et qui lui resiste de tontes ses forces ;
devant son profil se voit rinscription ; REIEA,
du reste iuconiprehensible. An die Aufnahme
des Dionysos oder des Hephästos durch Thetis
kann natürlich nicht gedacht werden. Von ei-
sten, deren zwei aus Palestrina stammen, die aus-
drücklich bezeichnet werden , sind fünf Stück
vorhanden, darunter zwei aus Korbweide, salix
viminalis, und mehrere Bruchstücke; ein Cisten-
griff besteht in zwei Statuen des Hercules von
Campanischem Stil. Der Griff einer Strigilis aus
Capua (P. L p. 202, n. 929) ist wegen des Fa-
brikstempels beachtenswerth. Ein noch seltene-
res Stück ist das p. 204 , n. 934 beschriebene
und abbildlich mitgetheilte Rasirinstrument,
von welchem leider die Herkunft nicht angege-
ben ist. Neben den mehrfach vorkommenden
Fibulae aus Bronze findet sich auch eine aus
Silber mit der Inschrift SEPV - LLAS (in zwei
Reihen). Ist diese wirklich ä cause de la forme
des caracteres als dem Ende de l'empire romain
angehörend zu betrachten (P. I, p. 208, n.
957) ? Ein Candelaber zeigt oben eine Statuette
der Minerva im alterthümlichen Stil. Zu Cau-
delabern gehörten auch mehrere kleine Rundwerke,
die jetzt getrennt sind , z. B. ein Eichhörnchen,
das eine Nuß, eine Maus, welche eine Frucht,
die sie zwischen dem Vorderpfoten hält, benagt.
Ein Fragment eines Vasenhenkels von Bronze
aus Ostia zeigt den Medusenkopf mit einer oben
mit Perlen verzierten tiare entouree de raeches
de cheveux (vgl. oben S. 618) ein ebendaher
stammendes Stück, welches zu den ornements de
meubles gerechnet wird, die Büste de Jupiter
Ammon, la tiare sur la tete, porte par l'aigle,
aux ailes deployees. In künstlerischer und tech-
632
nischer Beziehung ist unter jenen ornements beson-
ders hervorzuheben ein bronzener Eberkopf von sehr
feiner Arbeit im alterthümlichen Stile , dessen
Hauzähne von Silber waren. Ein auf der Stätte
der Villa Julius Cäsar's gefundener Arm , wel-
cher einer großen Bronzestatue angehörte, wird
einem Griechischen Künstler »peut-etre Scopas
ou Praxitele« zugeschrieben. Unter den selbstän-
digen Bronzestatuetten, welche der Kunssthätig-
keit verschiedener Völker angehören, findet sich
eine archaische Griechische (mit fehlenden Ar-
men) ; auch eine Statuette grecque eginetique, de
Mars ou d'Ajax (?) ; die gleiche Beziehung wird
einer vortrefflich gearbeiteten Statuette der aus-
gebildeten Kunst gegeben ; die schönste Bronze-
statuette aus der Blüthezeit ist eine auf Venus
bezügliche mit zwei goldnen Haarnadeln und
Ohrringen, welche im Feiner See gefunden
wurde. Die einzige silberne Statuette, eine thro-
nende Göttin darstellend, wird trotz des »Pan-
thers« , der ihr zur Seite am Boden sitzt, auf
Cybele bezogen Leider erinnere ich mich nicht
an das Stück, weiß deshalb nicht, ob man an
eine Asiatische Artemis denken darf.
Von Steinsculpturen zählt der Catalog 16, von
Marmorsculpturen 47 Stück auf, unter welchen gar
manche nur Bruchstücke sind. In der ersten
Kategorie sind die Aegyptischen Sculpturen die
zahlreichsten; die Griechische, Etruskische, Rö-
mische Bildhauerarbeit ist nur durch je ein Stück
vertreten, unter welchen sich das aus der ersten
Kategorie, ein Kopf, der einem liegenden Weibe
angehörte , künstlerisch besonders auszeichnet.
Unter den Rundwerken aus Marmor überraschte
mich höchlichst eine Replik des Apolloii Sauro-
ktonos, die in der rue de Serpenti zu Rom, 51
Fuß unter dem Boden aufgefunden ist. Der
633
obere Theil depuis le milieu du torse ist nach
dem Exemplar des Yatican ergänzt. Der Um-
stand, daß die Beine an keinem anderen der erhal-
tenen Marmorexemplare vollständig erhalten
sind, giebt dem in Rede stehenden noch einen
besonderen Werth, Auch ein Kopf, welchen man
für den des älteren Sohns des Laokoon hält,
ist vorhanden. Er ist von Griechischem Mar-
mor, wurde zu Rom aufgefunden und war in
Besitz Tenerani's, der ihn sehr hoch hielt. Man
findet jetzt eine Abbildung in J. de Witte's und
Fr. Lenormant's Gaz. archeol. A. II, 1876, mit
eingehender Besprechung von Leon Fivet p.
100 fg.; ich zweifele weniger an seiner Echt-
heit als an der Sicherheit der Beziehung auf ei-
nen Sohn des Laokoon. In künstlerischer Be-
ziehung ist ferner beachteus werth das auf ein
Original der zweiten Attischen Kunstschule zu-
rückzuführende Bruchstück eines jugendlichen
Dionysos, der ursprünglich zu einer Statue ge-
hörende Kopf eines Hermes, auch der weibliche
blnmenbekränzte Kopf, welcher P. I, p. 290, n.
1329 abgebildet ist. In gegenständlicher Hin-
sicht erregt besonders Interesse die fragmentirte
Statue eines Schäfers mit einem Schäfchen in
der rechten Hand, in geringerem Grade auch
die Statuette eines Priapus, die p. 288, n. 1319
irrthümlich auf Yertumuus bezogen wird. Eine
Doppelherme des bärtigen Bacchus und seiner weib-
lichen Genossin trägt die Inschrift ^FÄ'OrprOG,
die natürlich unecht ist. Unter den Marmor-
reliefs befindet sich eins , welches im Catal. P.
I, p. 295, n. 1352 so beschrieben wird: Un
Amour, le haut du corps cache dans un masque
de satyre , passe une de ses mains dans la bouche
du masque et cherche ä efi'rayer deux autres
Amours debout devant lui. Aehnliche Darstel-
634
luugen haben 0. Jahn »lieber ein ant. Gemälde
im Besitz des Malers Chr. Roß in München«,
bes. abgedr. aus der Kieler Monatsschrift Jahrg.
1853, S. 7 fg., und der Verfasser dieses Berichts
in »Sammlungen des arch. - numism. Instituts
der Georg-Augusts- Universität«, Götting. 1859,
S. 25, Anm. 19, besprochen, vgl. auch Denkm.
d. a. Kunst II, 52, 659. Dem in Rede stehenden
Relief entsprechen zunächst die Sarkophagreliefs
in Galer. Giustin. II, 128 oder Zoega's Bassir.
ant. II, 90 und Monum. Matthae. 111,47, 1, und,
hinsichtlich des durch den Mund der Maske ge-
steckten Arms die von Zoega a. a. 0. im Text
p. 192 angeführten. Lucian erwähnt quom.histscr.
X.^ill"EQ(aia naitflvia TiQOßconeTov'HQaxksovg ndfi-
fieya ri Tnävog ntQixetfiSPOV. Hier nimmt Jahn an
Tnävog Anstoß : bei der Maske eines Titanen
lasse sich schwerlich etwas denken , da dafür
weder im Schauspiel noch in der bildenden
Kunst eine bestimmte Form ausgebildet gewesen
sei, und glaubt daher, daß die Aenderung '^
IJccvog .ebenso leicht als ansprechend sei. Ich
erinnere mich nicht mehr daran, ob die Maske
auf dem in Rede stehenden Relief die eines
Satyrs oder eines Pan ist. Aber selbst, wenn
Letzteres der Fall sein sollte, würde dadurch
jene Aenderung keinen Schein gewinnen. Die
Worte, mit denen Jahn die Maske eines Ti-
tanen zurückweist , enthalten auffallende Irr-
thümer. Zudem liegt auf der Hand , daß der
Ausdruck ngoacanslov 7tdiJ>fiey a viel besser zu
der Maske eines Titanen als zu einer Pansmaske
paßt. Uebrigens bleibt auch so die Frage, ob
nicht ein Fehler in der Stelle Luciun's steckt.
Wollte dieser sich mit genügender Schärfe und
Genauigkeit ausdrücken, so mußte er zu Tnävog
hinzufügen tivög, welches Wort außerordentlich
635
leicht ausfallen konnte. Doch dies nebenbei !
unter den Marmorreliefs der Sammlnng Fol sind
noch zwei, die wohl Erwähnung verdienen. Das
eine , in sehr schlechtem Zustande befindliche,
welches an der vorderen Langseite eines Sarko-
phags augebracht ist, stellt Amoren dar, die mit
dem Schmieden von "Waffen beschäftigt sind,
hat also ein ähnliches Interesse wie die von
Jahn in den Berichten der histor. -philol. Classe
d. K. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. 1861, Taf.
YIII, n. 2 u. 3 herausgegebenen und S. 317 fg.
besproehenen Sarkophagreliefs und das von W.
Fröhner Mus. Imper. du Louvre , Notice de la
sculpt. ant. Vol. I, p. 321 fg. , n. 341 verzeich-
nete. Das Relief der Sammlung Fol zeigt zu-
erst nach links dem Beschauer zwei Amoren um
einen zum Schmelzen oder Erweichen des Me-
talls dienenden Ofen mit innerhalb einer Halb-
kuppel brennendem Feuer, vgl. Denkm. d. a. Kunst
II, 65, 839. Besser erhalten ist das andere durch
die Einfachheit, die Ruhe und den Frieden, wel-
cher in der ganzen Composition herrscht, das
Gemüth ansprechende Relief mit der Darstellung
von Amoren , welche Früchte auf einem Korb-
wagen einbringeu, abgebilJet P. I, p. 299, n.l362.
Dagegen sind durch eine außerordentlich große
Zahl , freilich meist kleiner Stücke und resp.
Bruchstücke vertreten die Gebiete der Glyptik ^)
und der Glasarbeiten , welche namentlich auch
dadurch , daß sie mannigfach verschiedene Arten
der Technik repräsentiren , Belehrung bieten
1) Gelegentlich die Frage, ob wohl der Intaglio »Rö-
mischen Stils« mit der Darstellung eines Raben und der
Inschrift OJECTOC. P. II. p. 273, 2640, mit Recht unter
den >Gnostiques proprement dit8< aufgeführt ist. Uns
scheint die Inschrift den bekannten Namen {MjädKnog
enthalten zu sollen.
636
(einige haben auch Inschriften ; so steht auf ei-
nem Trinkgefäße von bläulicher Farbe
KATAXAIPE KAIEYOPAINOY
und auf zwei Fragmenten
APTJG , ABTAS
CEUüü "°^ SWON
vgl. P. n, p. 486, n. 3529 und p. 489, n. 3542, a,
ein auch sonst bekannter Künstlername, s. Hef-
ner Rom. Bayern S. 295, DXCI, und Brunn
Gesch. d. Gr. Künstler II, S. 743).
Daß endlich die Sachen aus Elfenbein und
Knochen nur gering an Zahl und Dimensionen
sind, wird Niemanden Wunder nehmen. Sie
bestehen aber nicht bloß in den Geräthen, welche
uns unter den kleinen Sachen aus jenen Mate-
rialen häufig entgegentreten (von den Haarna-
deln sind einige oben mit figürlichem Bildwerk
verziert), sondern es kommt unter ihnen auch
vor ein Vasenfragment in der Form eines dick-
bäuchigen Mannes, der eine Flasche in der einen
Hand hält (T. II, pl. XV, n. 12), eine kleine
oblonge Platte mit der Darstellung gelagerter
Frauen, welche wohl als Möbelverzierung diente
(»style assyrien«? pl. XIV, 3), und verschiedene
Tesseren, abgebildet im Text T. II, p. 555 und
auf Taf. XIV. Eine von diesen, n. 3778, be-
zeichnet Hr. Fol selbst als verdächtig. Auch
die tessera consularis P. IV, p. 554 fg., n. 3776
u. pl. XIV, n. 4, und die »Tessere de distribu-
tion« P. II, p. 555, n. 3777, sind gewiß nicht
antik. Zu den zwei Tesseren aus Knochen in Ge-
stalt eines Fisches auf Taf. XIV, u. 7. u. 8, die
übrigens durchaus nicht allein den Christen zu-
zuweisen sind, gesellt sich eine aus Glas (P. II,
p. 276, n. 2651). Auch eine petite boule en
cristal de röche, sur laquelle est grave la chiflfre
637
XII (T. II, p. 540, n. 3728) diente gewiß alg
Tessera.
Außerdem fand ich nnerwarteterweise noch
in einem dritten öfiFentlichen Museum der Stadt
Genf, in dem Mosee Rath, welches eine Samm-
lung von Gemälden und Gypsabgüssen enthält,
unter den letzteren zwei antike Marmorreliefs,
welche aus Italien stammen und von M. Etienne
Duval-Marget geschenkt sind. Beide sind von
demselben weißen Italiänischen Marmor, dem-
selben archaisirenden Stil und entsprechen sich
auch der Form nach. Das eine, von welchem
nur die Ecke oben rechts vom Beschauer abge-
brochen , die bildliche Darstellung aber vollstän-
dig erhalten ist, betrifft den auch sonst von Re-
liefs her bekannten (Welcker A. Denkm. 11,
S. 299 fg.) Streit des Apollo und des Hercules
um den Dreifuß. Zumeist nach liuks gewahrt
man den Lorbeerbaum mit der um ihn sich win-
denden Schlange. Außer den Figuren der bei-
den Kämpfer erscheint, wie regelmäßig (Welcker
a. a. 0. in, S. 268, A. 1), keine andere. Das
andere Relief, welches gebrochen gewesen ist,
aber vollständig wieder zusammengesetzt werden
konnte, stellt einen Aufzug von drei Figuren
nach rechts hin vor. Voran der Zwergsilen, auf
der Doppelflöte blasend, dann zwei Weiber, al-
terthümlich drapirt, von denen das erste in der
Rechten einen sichelförmigen Gegenstand hält und,
sich umdrehend , an der Linken von dem anderen
gefaßt wird, welches einen Hund nach sich zieht.
Dieses Stück überraschte mich sehr. Es ent-
spricht nämlich in den Figuren durchaus dem
aus der Villa Mattei zu Rom in die Villa Albani
übergegangenen Relief, welches in Amaduzzi's
55
638
Monum. Matthae. T. III, t. XXI, fig. 2 und in
Zoega's Bassir. ant. tav. CII herausgegeben ist.
Dagegen weicht das Genfer Relief von dem Rö-
mischen, nach den Abbildungen dieses zu schlie-
ßen, dadurch ab, daß es weniger oblong ist. Im
Zoega'schen Text, der T. II, p. 258 auch den
cercio grandicello in der Rechten des vorderen
Weibes berührt , werden die weiblichen Figuren
als Nymphen der Diana gefaßt, während Ama-
duzzi dieselben für Bacchantinnen hielt (doch
wohl mit mehr Recht, da auch der Hund, wie
ich schon in den Götting. gel. Anz. 1852, n.
150 nachgewiesen habe, bei Dionysos vorkommt).
Zugleich wird dort ein Zweifel an der Echtheit
des Römischen Exemplares geäußert, aber nach-
her durch den Umstand , daß dasselbe schon in
der Sammlung Mattei gewesen sei, beschwichtigt^).
n.
Turin.
Den Marmorwerken des Museums der König-
lichen Universität zu Turin, welches mit Unrecht
dann und wann als Königliches Museum bezeich-
1) Leider habe ich in Genf die Sammlungen des Hrn.
Gustave Revilliod nicht besichtigt, wegen Mangels an
Zeit und weil ich glaubte , daß in ihnen nichts aus dem
classischen Alterthume zu suchen sei. Indessen sehe ich
aus einer Bemerkung Fol's Catal. P. I, p. 109, A. 1, daß
dem doch nicht so ist. Auch die Sammlung des Herrn
F. Thioly , aus deren Bestand Benndorf ein interessantes
Gorgoneion vom großen St. Bernhard im Anz. für Schweizer.
Alterthumskunde , Jahrg. III, 1870. Taf. XIX, F. 2 in
Abbildung gegeben hat, ist mir nicht weiter bekannt ge-
worden. Dagegen hatte ich Gelegenheit, eine andere Pri-
vatsammlung von bemalten Vasen, die aus Bari und Taret
stammen, zum Theil auch wohl in Neapel erstanden
sind , zu besuchen , ohne inzwischen in derselben etwas
besonders Beachtenswerthes zu finden.
639
net worden ist ^) , siad schon vor der Mitte des
vergangenen Jahrhunderts zwei besondere Werke
gewidmet worden, welche allgemeine Verbreitung
gefunden haben , Rivaatella's und Ricolvi's Mar-
mora Taurinensia, welche in zwei Bänden er-
schienen, und Maffei's Museum Taurinense sive
antiquarum iuscriptionum veterumque anagly-
phorum in regiae Academiae porticibus circum-
quaque infixa collectio, welches als appendix zu
dem Museum Veronense, p. 209 — 235, herausge-
geben wurde.
Die neuere Literatur über das Antikenmuseum
zu Turin ist, was die Griechisch-Römischen Gegen-
stände der Kunst und des Knnsthandwerks be-
trifft, sehr arm. Den »gesamniten Inhalt«
im Juli 1823 hat Sehern in C. A. Böttiger's
Amalthea Bd. III, S. 456 fg. verzeichnet, zu wel-
cher Zeit sich das Museum noch ganz im üniver-
sitätsgebäude befand; mit Ausnahme des Lapi-
darium im Hofe, soweit dessen Bestand durch die
Werke von Maffei und von Rivauteila und Ri-
colvi bekannt geworden war. Zum Schluß er-
wähnt er auch vier Statuen, die damals in der
1) Im eigentlichen unmittelbaren Königlichen Besitz
sind in Piemont von antiken Marmorwerken, so viel ich
weiß , nur noch die auf dem Schlosse Aglie von König
Carl Felix zusammengebrachten , von denen die durch
Ganina Descriz. dell' ant. Tusculo bekanntgewordenen
aus der Villa Ruffinella bei Frascati einen großen Theil
ausmachen und zu denen auch der von Albert de laMar-
mora Voyage en Sardaigne , P. II, Ant., p. 518 fg. be-
sprochene und im Atlas pl. XXXV, n. 33 abbildlich mit-
getheilte Sarkophag gehört , von welchem sich eine grö-
ßere, durch denselben veranlaß te Abbildung in den Memor.
dell' Accad. di Torino T. XXXV, cl. di sc. mor., istor. e
filol., t. II findet. Auch ein aus Frascati stammendes bei
Canina a. a. 0. abbildlich mitgetheiltes Terracottarelief
und die dort entdeckten Wandmalereien befinden sich
meines Wissens in Aglie.
55*
640
Halle des Königlichen Schlosses in Nischen auf-
gestellt waren, nachher aber an das Museum ab-
getreten sind^). Nach dem Jahre 1823 ist das
Museum, um nicht von der Aegyptischen Ab-
theilung zu sprechen, auch an Werken der Grie-
chisch - Römischen Kunst quantitativ und quali-
tativ bedeutend gewachsen. Im Frühjahre 1866
besuchte es Conze und erstattete danach in Ger-
hard's Archäol. Anzeiger, Mai 1867, S. 71* fg.
einen kurzen Bericht, der über schon vorlängst
Bekanntes genauere Angaben und richtigere Ur-
theile und auch über einige der bis dahin
noch nicht in weiteren Kreisen bekannten
Werke Kunde bringt, aber keineswegs eine Ge-
sammtübersicht giebt, oder die bedeutendsten
Stücke sämmtlich hervorhebt, da gerade der
wichtigste Theil der Sammlung, der damals
schon im Palazzo dell' Accademia delle scienze
war , sich in einem entsetzlichen Zustande der
Unordnung befand. Außerdem hat kein Deut-
scher, überhaupt kein außerhalb Turins lebender
Gelehrter über den gesammten Autikenbestand
des Museums geschrieben. Einige Bildwerke sind
seit den ersten Jahren des laufenden Jahrhun-
derts in den Schriften der Turiner Akademie
nicht allein besprochen, sondern auch abbildlich
mitgetheilt, was aber bei der geringen Verbrei-
tung dieser auch nicht das Mindeste zur allge-
meineren Bekanntwerdung jener beigetragen hat.
Wir werden es um so mehr nicht unterlassen
auf die betreffenden Abhandlungen und Abbil-
dungen im Einzelnen, mit Ausnahme der auf
Münzen und Inschriften bezüglichen, aufmerksam
1) Wenigstens habe ich eine dieser Statuen mit Si-
cherherheit und eine zweite mit Wahrscheinlichkeit in
dem Museum aufgestellt gefunden. Die beiden anderen
mögen noch nicht aufgestellt sein.
641
zn machen. Kürze Beschreibungen, auch Grie-
chisch-Römischer Werke, sollen sich in den
Calendarii generali degli Stati Sardi für die Jahre
1828, 1829, 1834 finden. Besonders aber ist in
historisch -statistischer Beziehung zu erwähnen
die übersichtliche Schrift des jetzigen Directors
des Museums: II Museo di Antichitä della E,
Üniversitä di Torino, Notizie raccolte ed ordinale
da Ariodante Fabretti, Torino, staraperia Reale,
1872, in Octav , welche aber nur in 140 Exem-
plaren abgezogen und nicht in den Buchhandel
gekommen ist, außerdem vorzugsweise die Aegyp-
tische Sammlung und die Manuscripte sowie
das Münzcabinet berücksichtigt. Ein eigentlicher
Detail-Catalog der Griechisch -Römischen Werke
ist nicht vorhanden und wird auch vorraussicht-
lich noch lange nicht erscheinen.
Die Antiken werden an zwei verschiedenen
Stellen aufbewahrt, ein kleiner Theil im Säulen-
hofe des Universitätsgebäudes, hauptsächlich Re-
lief- und Inschrift-Steine umfassend, die meist ein-
gemauert sind, der Hauptbestandtheil in dem
Gebäude der K. Akademie der Wissenschaften.
Die Sammlung der Alterthümer wurde im
Jahre 1720 dadurch begründet, daß König Vic-
tor Amadeus IL das in früheren Zeiten Erwor-
bene, auch den Privatbesitz der Herzöge von Sa-
voyen an die Universität zu Turin abtrat.
Die erste Aufstellung leitete Scipio Maffei , der
im Jahre 1723 nach Turin kam.
Zu dem ältesten Bestände der bildlichen
Denkmäler gehören, abgesehen von den schon
angedeuteten Reliefs, von den noch jetzt vor-
räthigeu Stücken verschiedene Statuen, darunter
der unten an zweiter Stelle genauer zu erwäh-
nende schlafende Amor, und verschiedene Büsten
von Beimischen Kaisern und historisch berühmten
642
Personen, wahrscheinlich auch einige Bronzeidole
von der Insel Sardinien und die berühmte Ta-
bula Isiaca, sowie andere Bronzen und eine
Münzsammlung, von der wir durch einen Führer
aus dem Jahre 1753 erfahren, daß sie mehr als
30000 Stücke enthielt (wobei ohne Zweifel auch
nicht antike Münzen mit eingerechnet sind). In
der Zeit darauf erhielt die Sammlung Zuwachs
durch den Ertrag neuer Ausgrabungen auf der
Insel Sardinien und in Piemont, namentlich auf
dem Boden der alten Industria, durch Ankäufe
von anderswo in Italien aufgefundenen Antiken,
endlich durch die von Vittaliano Donati auf
seiner Reise nach dem Orient in Aegypten ge-
sammelten Alterthümer, unter denen zwei Statuen
aus Granit," die eine Ramses II, die andere die
Göttin Pascht darstellend, besonders hervorragten.
Durch diesen Zuwachs, namentlich die Sachen
von Aegypten und von Industria her, erhielt die
Sammlung einen vergrößerten Ruf und so kam
es, daß sie seit 1799 wiederholt der Kunsträu-
berei der Französischen Republik ausgesetzt war,
durch welche schließlich im J. 1803 auch die
beiden im vorhergegangenen Jahre 1802 zu Susa
ausgegrabenen Torsen mit Harnischen, auf deren
Schönheit das Journal Le Citoyen Fran^ois in
einem Artikel vom 13 Thermidor des J. X (1
August 1802) aufmerksam gemacht hatte, nach
Paris entführt wurden.
Diese kamen nach dem Sturze Napoleons I.
im J. 1815 vollständig restaurirt wieder nach
Turin zurück, zugleich mit den anderen geraubten
Aegyptischen und Römischen Denkmälern , mit
Ausnahme derjenigen, welche in den Catalogen
nicht genau genug verzeichnet waren, und zwei
Basreliefs, welche im Louvre so stark befestigt
waren , daß sie nicht ohne Gefahr der Beschädi-
643
gang hätten abgenommen werden können*).
Zam Ersatz dafür erhielt das Turiner Mosenm
1) Die beiden Reliefs sind das mit der Inschrift
DIÄDYMENI (Overbeck Gall. Her. Büdw. Taf. XVI,
n. 12 nnd Brunn Troische Miscellen. Manchen 1868,
S. 86 fg.) und das noch öfter besprochene und abgebil-
dete (auch in den Denkm. d. a. Kunst II, 54, 568), welchee
Fröhner Mus. de France p. 74 zu der besten Abbildung
pl. 27 mit Wahrscheinlichkeit für ein modernes Werk
erklärt. Mit jenem Relief haben Rivauteila nnd Ricolvi
P. I, p. 70 ein Bildwerk zusammengestellt, welches sie
auch für ein Marmorwerk hielten , während es vielmehr
eine Gemmenpaste ist , nämlich die aus MafFei's Gemme
ant. fig. P. III, t. 56 in Montfaucon's Antiq. expliq.
T. I, pl. CLXV, n. 3 wiederholte pasta di topazio dal
Museo d. Commendatore di Pozzo. Diese Paste entspricht
der Darstellung nach vollständig dem Cameol der Gem-
mensammlang bei der Pariser Nationalbibliothek, von
welchem Mariette in dem Traite des pierres grav. T. 11,
pl. XLI. und Gravelle Recueil T. II, pl. 51 . eine Abbil-
dung, Lippert in der Daktylioth. Scrin. II , P. I , n. 195
einen Abdruck gab , nach welchem das Werk zu Ger-
hard's Abhandl. >Ceber die Minervanidoleu Taf. IV (Ges.
Abhandl. Taf. XXV) n. 10, und in unseren Denkm. d. a.
Kunst II, 54, n. 569 abbildlich mitgetheilt ist. Weder
Mariette, noch Gravelle, noch K. 0. Müller im Handb. d.
Archäol. §. 388, A. 3, noch Gerhard hegten einen Zweifel
an der Echtheit des Steines , bezüglich dessen wir durch
Mariette erfahren, daß er Heinrich IV. von Frankreich
von dem sieur Bagarris geschenkt sei, welcher notorisch
gefälschte geschnittene Steine in seiner Sammlung hatte.
Daß auch der in Rede stehende in diese Kategorie gehöre,
bemerkte schon Miliin Voy. T. I, p. 256, mit der Angabe,
daß es sich um ein Werk des sechszehnten Jahrhunderts
handele; vgl. jetzt auch Chabouillet Catal. gen. et rais.
des camees et pierres grav. de la Bibl. Imper. p. 325 fg.,
n. 2354. Schon hienach wird man auch die Paste Pozzo
schwerlich für antik halten wollen. Dasselbe grilt ohne
Zweifel von den geschnittenen Steinen oder Pasten mit
identischen Darsteil angen bei Lippert Scrin. I , P. 1,
n. 194 u. 195 und Suppl. 1, n.277, über deren Herkunft
wir keine Nachricht erhalten, bezüglich der beiden ersten
auch nicht über das Material, so daß möglicherweise die
644
eine Büste mit einem antiken Kopf, welchen
man als passende Ergänzung für den einen jener
Torsen von Susa betrachtete.
Nicht lange nachher, im J. 1824, erhielt das
Museum den bedeutendsten Zuwachs, der ihm je
zu Theil wurde, die weltberühmte Drovetti'sche,
schon 1822 angekaufte Sammlung von Aegyp-
tischen Alterthümern. Die Sammlung der Aegyp-
tischen Altorthümer vergrößerte sich von 1832
— 1869 durch wiederholte Ankäufe und Schen-
kungen.
Auch andere Abtheilungen des Museums er-
hielten mehr oder minder bedeutenden Zuwachs
Paste Pozzo darunter ist ; klärlich auch von dem rück-
sichtlich der Nebenfigur eine auffallende Variation ent-
haltenden Sardonyx der früheren Brühl'schen Sammlung
bei Lippert a. a, 0. Supplem. 1 , n. 242. Andere ge-
schnittene Steine und Pasten stehen dem früher in Turin
befindlichen Marmorrelief noch näher , indem sie nur
die auf dem Altar knieende Mänade mit dem Idol in den
Händen und eine Herme oder einen Cippus oder Bacchi-
sche Attribute oder gar nichts zeigen. So der Chalcedon
unbekannten Besitzes bei Lippert I, 1, 196, das von Ger-
hard a. a. 0. n. 8 ohne Angabe der Herkunft und des
Stoffes abbildlich mitgetheilte und in den Denkm. d. a.
Kunst a. a. 0. n. 570 wiederholt gegebene Werk, die
»violette antike Paste« aus der Stosch'schen Sammlung,
welche neben der Bacchantin »zwei verschlungene Schlan-
gen« zeigt (Toelken Erkl. Verzeichn. Kl. HI , Abth. 3,
n. 1077), das schon an sich auffallende Werk, auf wel-
chem man neben der Bacchantin links eine Schlange und
rechts ein Gefäß mit Blumen (?) gewahrt , bei Lippert I,
1, 197, die in Gori's Mus. Florent. P. I, t. LXXXVHI,
n. 7. u. 9. herausgegebenen geschn. Steine, endlich der
bei der Pariser Nationalbibliothek aufbewahrte Carneol,
von welchem sich bei Lippert HI, 1, 166 ein Abdruck
findet. Der letzte ist nach Chabouillet a. a. 0. p. 356,
n. 2355 wiederum ein Werk des sechszehnten Jahrhun-
derts ; daß auch die anderen theils verdächtig theils si-
cher modern seien, wird man , selbst ohne die Originale
prüfen zu können, wohl aussprechen dürfen.
645
oder wurden überall erst gebildet. Mebr darüber
unten ! Hier wollen wir nur darauf aufmerksam
machen, daß ein besonders interessanter Bestand-
theil der Monumente, die Römischen aus Pieraont,
nicht bloß durch zufällige Funde, sondern noch
mehr durch planmäßig ausgeführte Ausgrabungen
schon bis jetzt bedeutenden Zuwachs erhalten
hat und gewiß in Zukunft noch erhalten wird,
da sich seit dem Jahre 1874 zu Turin eine So-
cietä di Archeologia e Belle Arti per la Provincia
di Torino gebildet hat, die nicht allein für die
Erklärung und Herausgabe von Piemontischen
Kunstwerken und Alterthümern , das Mittelalter
mit einbegriffen , sondern auch für die Auffin-
dung derselben thätig sein will und schon ge-
wesen ist. Von den Atti dieser Societä ist bis
jetzt der erste Band in vier Heften in den Jahren
1875, 1876, 1877 erschienen (Roma, Torino,
Firenze bei den fratelli Bocca). Man findet hier
außer mehreren Besprechungen Römischer Bild-
werke und Inschriften (auch solcher, die nicht
im Turiner üniversitätsmuseum aufbewahrt
werden) Berichte über Ausgrabungen, die in der
bezeichneten Zeit statt gehabt haben (unter
denen der von A. Fabretti herrührende über die
scavi di Avigliano, p. 19 fg., deren Ausbeute
dem Turiner Museum zu Theil ward, besonders
hervorzuheben ist) und erfährt von neuen Un-
ternehmungen, welche vorbereitet worden, unter
denen die auf Susa bezüglichen, von Fabretti p.
85 fg. signalisirten besonderes Interesse in An-
spruch nehmen und außer ihnen die beabsich-
tigte neue Durchforschung des Bodens von In-
dustria. Von den bisher noch nicht vollkom-
men getreu publicirten Reliefs und Inschriften
an dem Bogen zu Susa sind schon jetzt neue
Gypsabgüsse im Museum zu Turin zu sehen, die
646
nach einiger Zeit 7011 A. Fabretti in den Atti
herausgegeben und erklärt werden sollen.
Als die einzelnen Bestandtheile des Museo
di antichitä bezeichnet Fabretti in der angeführ-
ten Schrift vom J. 1872 folgende: 1, Antichitä
assire, 2, Ant. egiziane, 3, Ant. greche, 4, Ant.
etrusche ed italo - greche , 5 , Ant. romane , 6,
Raccolte nuniismatiche, 7, Papiri egiziani, 8, Co-
dici cofti , 9 , Epigrafia romana. Auch von an-
tichitä primitive und monumenti cosi detti
preistorici , an welchen das Museo civico di To-
rino (das zur Zeit meines Aufenthalts in Turin
leider geschlossen war) reich sei, besitze da3
Mus. di ant. einiges nicht Unwichtige, aber nicht
tanta copia da formare una classe importante.
Auch an Monumenti scritti , mit welchem Ge-
sammtnamen die Abtheilungen 7, 8 und 9 von
Fabretti bezeichnet werden, giebt es vereinzelte
Stücke, die in jener Classification nicht besonders
angedeutet sind. Wir erwähnen in dieser Be-
ziehung nur die mehrfach besprochene interes-
sante Aramäische Papyrushandschrift, um gele-
gentlich die Bemerkung zu machen, daß der bei
Gesenius Scripturae linguaeque Phoeniciae Mo-
numenta p. 233, tab. XXX, a, b nach zwei ver-
schiedenen Abschriften mitgetheilte Text viel
genauer, ja durchaus getreu, in einem Facsimile
des Papyrus auf einer Fabretti's Schrift beigefügten
Tafel gegeben ist. Befremden hat es mir erregt,
daß ich weder bei Fabretti eine Andeutung von
geschnittenen Steinen fand, noch dergleichen,
abgesehen von den Aegyptischen , in einem der
Zimmer des Museums erblickte, obgleich doch
Gaspare Craveri in seinem 1753 herausgegebenen
Guida — per la Real Cittä di Torino bemerkt,
daß sich in dem Mus. delle antichitä außer der
Münzsammlung auch statue, idoli, pietre, cammei
647
ed altre simili cose befänden. Die Cameen
scheinen demnach modern gewesen zu sein, wie
denn alle modernen Werke, die einst dem Üni-
versitätsninseum gehörten , bis auf zwei Werke
Simon Troger's aus Elfenbein und Holz (Schorn
S. 462 fl.) schon vor 1872 an Königliche oder
öffentliche Sammlungen abgetreten sind.
Der Antikenbestand wurde ursprünglich in
dem üniversitätsgebäude aufbewahrt, theils im
Hofe , theils in einigen feuchten und dunkelen
Sälen des Erdgeschosses. Nach der Erwerbung
der Sammlung Drovetti brachte man das neue
Museo egizio im Palaste der Akademie der Wis-
senschaften unter. Seit 1832 wurde auch das
Museo di antichitä greco-romane in diesen Palast
übergesiedelt, nur daß die im Hofe des üniver-
sitätsgebäudes befindlichen, meist eingemauerten
Stücke hier zurückblieben. Das nun sogenannte
Museo egizio e di antichitä greco - romane hat
seit Kurzem mehr Raum und eine neue Aufstel-
lung erhalten, die aber jetzt noch nicht ganz
vollendet ist, so daß ich einige Stücke, welche
ich suchte, nicht finden konnte ^), während viele,
1) Es wird zweckmäßig sein, aaf eine Anzahl der
von mir nicht gesehenen , aber von Anderen als im Mu-
seum befindlich bezeichneten Stücke aufmerksam zu ma-
chen. Clarac hat im Mus. de sc. außer pl. 973, n. 2509
(worüber S. 651 unten die Rede sein wird) noch drei
in jene Kategorie gehörende Statuen herausgegeben,
pl. 707, n. 1679 u. 1682, und pl. 751, n. 1829. Da in-
zwischen diese Statuen auch von Schorn nicht vorgefun-
den sind , so neige ich mich entschieden zur Annahme
eines Irrthums von Seiten Clarac's. Anders verhält es
sich mit den von mir im Verlaufe dieser Abhandlung be-
zeichneten Stücken, welche von Schom verzeichnet , von
mir aber nicht angetroffen sind. Man darf wohl anneh-
men, daß dieselben noch nicht aufgestellt sind. Außerdem
erinnere ich mich nicht , einige in Baedeker's Nordita-
lien aufgeführte Terracotten gesehen zu haben , über
648
welche früheren Beschauern unsichtbar blieben,
aus ihren Verließen hervorgezogen sind. Eine
durchgreifende, in wissenschaftlicher Beziehung
genügende UmstelluDg konnte jedoch nicht er-
zielt werden, zumal da einige Stücke keine Ver-
setzung zuließen.
Die Sammlung zerfällt räumlich in zwei Ab-
theilungen, von denen die eine sich zu ebener
Erde, die andere im zweiten Stockwerk befindet.
Jene dient vorzugsweise zur Aufbewahrung der
Monumente von größeren Dimensionen und von
Stein, Aegyptischer und Griechisch -Römischer.
In den beiden Sälen, welche den eigentlichen
Aegyptischen Sculpturen gewidmet sind, befinden
sich aber auch Griechische und Römische Werke,
und zwar nicht bloß solche, welche in Aegypten
gefunden worden sind , sondern auch solche die
anderswoher stammen , wenigstens eins , das
zugleich auch andersartig ist, nämlich das in den
Fußboden des zweiten Saales eingelassene große
Mosaik, Orpheus den Thierbezähmer darstellend,
das im J. 1766 auf der Insel Sardinien (zu Stara-
pace, einer Vorstadt von Cagliari) gefunden ist.
Auch unter den Aegyptischen Alterthümern, die
im zweiten Stockwerk aufgestellt sind, trifft man
Griechische und Griechisch-Römische von gerin-
geren Dimensionen , welche aus Aegypten stam-
men, namentlich bemalte Vasen geringeren Um-
fangs, vorzugsweise Lekythvi, darunter auch
solche mit weißer Deckfarbe , Terracotten und
welche mir andersweitige Kunde fehlt: eine als besonders
schön hervorgehobene Medusenmaske , eine Gruppe von
Mercur und einem Jüngling , Olympos aus der Gruppe
mit Pan , anmuthig tanzende Nymphen. Diese Werke
sind entweder auch noch nicht aufgestellt oder — was
ich wenigstens von Allen kaum glauben möchte — von
mir übersehen.
649
Bronzen, unter welchen letztere, anßer einigen
Statuetten der Aphrodite mit dem Spiegel, na-
mentlich eine etwas fragmentirte Schauspielerfi-
gur in dem Costüm der neuen Komödie meine
Aufmerksamkeit auf sich zog. Von noch bedeu-
tenderem Interesse ist ein Bronzehelm Griechi-
scher Arbeit unter den Aegyptischen Waffen,
der mit einer Inschrift versehen ist, aus welcher
hervorgeht, daß er einem Makedonischen Solda-
ten, Alexander, Sohn Nikanor's, angehörte. An-
derseitig ist auch die unter Papst Paul III. zu
Rom in der Villa Caffarelli aufgefundene Tabula
Isiaca aas Bronze mit Aegyptischen Figuren und
Hieroglyphen, die zum großen Theil mit Silber
eingelegt sind, unter den wirklich Aegyptischen
älteren Bildwerken in dem zweiten Stockwerk
ausgestellt, obgleich es jetzt schon geraume Zeit
ausgemacht ist, daß es sich vielmehr um ein zu
Rom in der Zeit Hadrians gearbeitetes Werk
handelt.
Die Aegyptische Abtheilung der Sammlungen
überragt alle übrigen zusammen in quantitativer
und qualitativer Hinsicht. Durch sie sind zu
ebener Erde zwei große Säle und im zweiten
Stock drei in Beschlag genommen. Sie hat die
meisten wissenschaftlichen Besprechungen hervor-
gerufen und ist die einzige, welche sich eines
Catalogo illustrativo (von dem vorletzten Conser-
vator Pier Camillo Orcurti) erfreut, der in den
Jahren 1852 und 1855 in zwei Bänden erschie-
nen, jetzt aber meines Wissens vergriffen ist.
Sie enthält — um nur dieses zu erwähnen —
das größte Meisterwerk der Aegyptischen Sculp-
tur, die sitzende Statue des großen Ramses IL
aus schwarzem Stein.
Dagegen sind die Assyrischen Alterthümer
an Zahl und Bedeutsamkeit sehr geringfügig,
650
sieben fragmentirte Stücke, darunter m künst-
lerischer Hinsicht die hervorragendsten ein h.o-
nigs- und ein Eunuchenkopf von den großen
Assyrischen Reliefs (ersterer mit starken Spuren
rother Farbe), wie sie zur Genüge bekannt sind.
Beträchtlicher ist die Anzahl der Cypnschen,
verschiedenen Perioden und Ausgrabungsstatten
angehörenden Alterthümer, welche mit den Assy-
Tischen in einem kleinen Zimmer, einem Durch-
gangsraume, zusammen aufgestellt sind. Zwei
und neunzig Stück, davon 37 in Terracotta und
55 in Stein, aus dem alten Idahum sind im J.
1874 von MarcelloCerrutti geschenkt; eine grolSe
Anzahl, mehr als 150 Stück, nebst einigen Gegen-
ständen von Alabaster und Eisen sowie Vasen der
mannigfaltigsten Formen außerdem 38 Terracot^
tenfragmente aus dem alten Golgoi im J. 1870
von Luigi Palma di Cesnola. Uebrigens handelt
es sich durchweg ^"^ ^^ S^^^^-^T ^S^ v^^^^
Dimensionen. Ueber den im Frühjahr 186b vor-
todenen Theil hat Conze S. 75* fg, über die
Sachen aus Golgoi in Kürze Fabretti m den
BuS. d. Inst. arch. 1870, p. 202 gesprochen.
Vier Kisten mit Cyprischen Alterthümern, eine
neue Gabe Palma di Cesnola's, waren so eben ange-
langt, aber noch nicht ausgepackt In einem der
Glasschränke mit Cyprischen Alterthümern ge-
wahrte ich auch jene 38 zu Golgoi gefundenen Am-
phorenhenkel von Rhodos mit Griechischen Stera-
Sschriften, welche einen Bestandtheil des Ge-
^henkes von Palma di Cesnola aus dem J. 1870
ausmachen und von Fabretti aa. 0 p. 202 u.
203, was die Inschriften betrifft, bekannt ge-
"'^tnde'm'^ich mich jetzt zur genaueren Betrach-
tung der Griechisch-Römischen ^^^l'}^''^t^^^
Alterthümer im Besitz der Universität zu Turm
651
wende, kann ich die im Hofe des Ünirersitatsge-
bäudes befindlichen als längst bekannt übergehen,
etwa mit Ausnahme des doch sicher ächten Reliefs
mit der Darstellung des Kairos nnd der beiden
schon oben erwähnten während ihres Aufenthalts
in Paris vollständig restaurirten Torsen von Susa.
Hinsichtlich des Reliefs bedarf es bloß der Be-
merkung, daß dasselbe in der Arch. Ztg. 1875,
Taf. I nach einer Photographie von einem Gyps-
abgusse neu bekannt gemacht ist, und der Hin-
weisung auf den Text von E. Curtius S. 5 fg.
Was die Torsen betrifft, so gab der Französische
Ergänzer, Cartellier , dem einen einen nicht za-
gehörigen Kopf des jüngeren Drusus, Sohnes
des Tiberius, dem anderen den Kopf Napoleons,
welcher, nachdem die beiden Werke nach Turin
zurückgebracht waren, mit einem anderen, antiken
Kopf vertauscht ist. Beide sind schon im J.
1805 ausführlich besprochen von Franchi-Pont
in den Memoires de TAcaderaie Imperiale des
sciences, literature et beaux-arts de Turin pour
les aunees XII et XIII, Literat, et beaux-arts,
Turin, an X1II=1805, p. 434—510, 537—542,
der auch auf zwei Tafeln gute Abbildungen der
antiken Bestandtheile mitt heilte. Eine Abbil-
dung des Torso, welchem man den Drususkopf
aufgesetzt hat, auch bei Mongez Iconographie
Romaine pl. XXIII, n. 1. Clarac hat im Slus.
de sculpt. pl. 919, n. 2326 und pl. 924, n. 2354A
die beiden Statuen nach einer der Ergänzun-
gen als Augustus und Tiberius gegeben. Auf
pl. 973 bringt er unter n. 2509 noch eine na-
menlose Statue imperiale des Mus. Royal zu Turin,
an welcher nur der linke Unterarm und am
rechten die Hand fehlt, wozu im Text T. V, p.
267 angegeben wird, daß die Statue nicht ergänzt
sei, ein verschiedenes Werk, das ich im Museum
652
zu Turin nicht gesehen habe. Auch die Ahhildun-
gen des .Augustus. und des .Tiberms« smd m Be-
freff des anlken Theils nicht getreu und die M.-
aaben über die Restaurationen T. V p. 193 sowie p.
|05 undanden Abbildungen keineswegs durchaus
richtig. An beiden Torsen fehlen Kopt und
Hals der rechte Arm ganz, der linke Arm, so
weit er nicht von dem Paudamentum bedeckt
fs (von welchem bei dem Augustus nur sehr
weir bei dem Tiberius dagegen Alles bis über
las linke Knie hinab erhalten ist); von den beiden
Oberbeinen ist unterhalb der Tunica bei jenem nur
wenig bei diesem, wenigstens was das linke be-
Sf'etwas mehr'erhalten Bei ^^^^^^^^^
giebt Clarac's Abbildung das (seltene) Bandeiier
fiwie den Medusenkopf darüber im We^^f ^^^^^
richtig, nur daß der letztere viel breiter ist Das
Rehetbld unterhalb des Bandeliers zeigt Minerva
fn de Vorderansicht von zwei Tänzermnen mnge-
ifpr ähnUch wie in den Denkm. d. a. Kunst 11,
20 214 a und sonst. Die wammsähnliche Aegis
und das runde Schild sind mit dem Medusenkopf
glhmückt. Auf dem Helme dessen Schirm m
die Höbe geschlagen ist, sitzt die Eule mit aus
gebraten Flügefn.. Die ol3erste Darstenuug an
dem Torso des Tiberius zeigt eine gerade ^uk^?^^^^^
stehende Figur auf einem mit vier Rossen be
frlrfr^ten Wagen, welche sich aus den angedeu-
teten Meereswogen erheben, allem Anscheine
nach eher Auro?a als Sol; die darunter befind-
Hohe tei einander den Rücken zukehrende An-
masneir von denen je einer einem Greifen eine
?nS hinreicht Ueber die Beziehung der bei-
d n Tonnlnoch andere Ansichten laut ge-
worden und ebenso hat man über den Ursprüng-
en Platz der Statuen verschieden geurthet
Franch -Pont suchte darzuthun, daß der eine
653
Torso eine Statue des Agrippa, der andere eine
Statue des M. Julius regis Donni f(ilius) Cottins
praefectus civitatium, quae subscriptae sunt,
wie er sieh an dem von ihm zu Eliren August's
errichteten Bogen zu Susa nennt , oder seines
Vaters Donuus augehört uud daß dieses Statuen-
paar auf dem erwähnten Bogen gestanden habe.
Gegen Franchi-Pont sprach schon Rosa L'Arco
di Susa p. 74 fg. und jüngst Ermanno Ferrero
in den Atti della Societä di archeol. e belle arti
per la Prov. di Torino, Vol. I, fasc. 4, p. 324
fg., der mit Recht die Unmöglichkeit hervorhebt,
die Torsen mit Sicherheit auf bestimmte Personen
zurückzuführen, und es für viel wahrscheinlicher
hält, daß die betreffenden Statuen auf nicht sehr
hohen Postamenten an einem öffentlichen Platze,
vielleicht dem Forum, das dem Bogen ganz nahe
lag, aufgestellt waren. Auch so bleiben die
beiden Werke wegen der ausgezeichneten Arbeit,
die selbst Cauova'a Bewunderung erregte, sehr
beachteuswerth.
Von den Werken im Palaste der Akademie
der Wissenschaften berücksichtigen wir zunächst
die zur ebenen Erde in den beiden Aegyptischen
Sälen uud in einem dritten, der nur Griechisch-
Römische Steiuarbeiten enthält, befindlichen.
Von den hauptsächlich für Aegyptische Sculp-
turen bestimmten Sälen enthält der zweite die
meisten der hieher gehörenden Stücke. Unter
denen Aegyptischen Fundorts nimmt in künst-
lerischer Hinsicht den ersten Platz ein der nackte
köpf- arm- und beinlose Torso einer kolos-
salen männlichen Statue von Marmor. Die
Figur senkte den rechten Arm und hob den
linken. Man denkt wohl zunächst an einen
Zeus oder au einen als Zeus aufgefaßten Herr-
scher. — Des Materials wegen ist beachteuswerth
56
654
die kleine Statue eines Römischen Kriegers aus
Porphyr, welcher Kopf und Arme fehlen, "wäh-
rend die rechte Hand, welche den Griff des an
der linken Seite hängenden Schwertes faßt, er-
halten ist. — Besondere Beachtung verdienen
einige Werke, in denen sich eine Mischung Ae-
gyptischer und Griechischer Religionen bei we-
sentlich Griechisch-Römischer Kunstübung findet.
Dahin gehört eine Votivgruppe (wie aus der
Griechischen Inschrift hervorgeht) rappresentaute
Esculapio, il cinocefalo col disco lunare et una
divinitä di cui non rimangouo che i piedi. Von
dem Asklepios fehlt der Kopf, seine linke Hand
ist abgebrochen , die rechte auf den Schooß ge-
legt, zu beiden Seiten gewahrt man eine Art
von Säule , um welche sich eine Schlange win-
det. — Noch beachtenswerther ist eine weit
besser ausgeführte Gruppe aus Oberägypten, mit
der schon durch Raoul-Rochette bekannt ge-
machten und in das Corp. Inscr. Gr. HI, 4968
aufgenommenen, aber sowohl von Brunn als von
Overbeck übersehenen in zwei Reihen vertheilten
Inschrift nPcoTTTOC T^^XNH | ^PrACTHPI-
APXOY. Unseres Wissens ist der hier genannte
ÜQMTvg oder TlQiaTvq noch jetzt der einzige Grie-
chische Künstler Aegyptens, dessen Namen wir
durch ein Bildwerk kennen lernen. Raoul-Ro-
chette besaß nach Mon. iued. p. 326, Anm. 1
auch eine Zeichnung des Monuments, welche er
herausgeben wollte, was aber, so viel mir be-
kannt, nicht geschehen ist. Man gewahrt vier
mit der Rückseite an einander gelehnte weibliche
Figuren, an der vorderen Seite eine im langem
Chiton und Schleiergewand, ohne Attribute, vor
ihrem linken Beine eine kleine, wie es scheint
männliche Figur; an der Hinterseite ein geflü-
geltes Weib mit aufgeschürztem Gewände, das
655
die Linke auf ein kleines, auf einem Cippus,
an welchen eine kleine, wie es scheint männ-
liche Figur in sitzender Stellung den Rücken
lehnt, stehendes Rad legt ; auf den Nebenseiten
je eine geflügelte weibliche Figur in langem
Chiton, mit einem Palmzweig im linken Arme,
welche mit der Rechten einen Kranz nach dem
Kopfe einer der größeren Figuren der Vorder-
und Hinterseite hin hält, die auf der Nebenseite
rechts vom Beschauer nach dem der verhüllten
Figur der Vorderseite , die an der Nebenseite
links vom Beschauer nach dem Kopfe der grö-
ßeren Figur der Hinterseite. Daß es sich bei
den beiden größeren Figuren der Nebeuseiten
um Niken handelt, bedarf kaum der Bemerkung.
Auch hinsichtlich der weiblichen Figur an der
Hinterseite steht es wohl sicher, daß sie Nemesis
darstellen soll. Dagegen ist die Deutung des
Weibes an der Vorderseite sehr schwierig. —
Interessant ist ferner ein selbständiges Werk
ans Marmor, welches einen großen Fuß mit
Schlaugen daran darstellt, an dessen beiden Lang-
seiten man Schlangen gewahrt, von deren dem
Beschauer in der Vorderansicht zugekehrten
menschlichen Köpfen der allein erhaltene zur
Rechten bärtig ist, während hinter dem Hacken
des Fußes eine kleine männliche mit der Chla-
mys bekleidete Figur mit einem Füllhorn in der
Linken zum Vorschein kommt. Die beiden
schlangenköpfigen Wesen stellen nach früherer
Annahme Serapis und Isis dar, vgl. etwa Guiguiaut
Reliq. de Tantiq. pl. XLIII, n. 180; die kleine
Figur Horos-Harpokrates. Gewiß ein Votivfuß;
vgl. auch Gerhard Text zu den ant. Bildwerken
S. 146, Anm. 8. — Minderes Interesse bietet
ein Basrelief mit der auch sonst zum Theil selbst
durch Münzen (Zoega Num. Aegypt. imper. II,
56*
65ß
7= Guigniaut Rel. de l'Antiq. pl. LIII, n. 180,
a, Zoeofa a. a. a. II, 9= Gerhard Ges. Abhandl.
Taf. XLVI, n. 7) bekannten Darstellung zweier
Schlangen, die anf eine in ihrer Mitte stehende
kleine, mit einem Pinienkonos besetzte Ära zu
kriechen und von welchen die links vom Be-
schauer Aehren und Mohnköpfe hinter sich hat.
Jene und diese Darstellung hat jüngst Fr. Le-
normant in der Gazette archeol. A. III, 1877,
p. 149 besprochen, der für beide an Agathodä-
mon und Buto denkt.
Zu den nicht aus Aegypten stammenden Bild-
werken dieses Saales gehört das schon oben er-
wähnte ansehnliche Mosaik von Stampace, welches
in vier Stücken in den Boden eingelegt ist. Das
größte Stück zeigt den in Mosaikbildern der
Römischen Zeit bekanntlich auch sonst noch
dargestellten^) Orpheus überlebensgroß, sitzend,
1) Einige von den betreffenden Mosaiks sind jetzt
verloren gegangen und nur durch Beschreibungen oder
Abbildungen aus früherer Zeit bekannt. So die Schwei-
zerischen von Yverdon, Yvonand oder Cheyres und Aven-
ches oder >Grandson< , welches letzte von Laborde Voy.
pittor. de la Suisse n. l97 und danach von Miliin Gal.
myth. pl. CVII, n. 423 oder Guigniaut Rel. de l'ant.
pl. CLII , n. 645 , sowie von Bursian Aventicum Helveti-
cum V (Mittheil, der antiquar. Gesellsch. in Zürich,
Bd. XVI , Abth. 1 , Heft 5) Taf. XXIII abbildlich mitge-
theilt ist, während man über die beiden ersten Nach-
richten findet in Levade's (aus nicht zugänglichem)
Dictionn. geogr. du Canton de Vaud, Vevey 1824, und
über das von Yverdon nach Levade auch bei L. Rochat
Rech, sur les antiq. d'Yverdon (Mitth. der Zürich, ant.
Ges. Bd. XIV, H. 3) p. 76, so wie bei VuUiemin Waat
Bd. I, S. 64 der Deutsch. Uebers. Das Mosaik, welches
Einige, wie Rochat a. a. 0., das von Yvonand, andere
das von Cheyres nennen, ist doch gewiß dasselbe, obgleich
ein und derselbe Schriftsteller VuUiomiu a. a. 0. Bd. I,
S. 64, Anm. 2 und S. 69 von dem »Musivboden vonl
Cheyres« spricht (an letzterer Stelle mit der Angabe,
657
mit der sogenannten Phrygischen Mütze auf dem
besser als der übrige Körper ausgeführten Kopfe
daß er im letzten Jahrhnndert zerstört worden und seine
Oberfläche 246 Quadratfuß betrug), und Bd. II, S. 225
u. d.W. Ivonand berichtet: »ein anderer. 1778 von Bau-
ern entdeckter (Musivboden), dessen Oberfläche 264 Qdt F.
maß und den Orpheus darstellte, ist in einer Nacht auch
von ihnen zerstört worden». Die erste Kunde von die-
sem Mosaik, welches jedenfalls die größte Aehnlichkeit
mit dem, welches von Bursian dem benachbarten Aven-
ches zugeschrieben wird, hinsichtlich der Darstellung der
Orpheussage gehabt haben muß , gab meines Wissens
Sinner Voy. histor. et litetr. dans la Suisse occidentale
T. II, p. 269 und p. 271 fg., wo er berichtet, im Jahre
1778 sei sur le penchant d'une colline au dessus du village
de Cheyres, situe entre Payeme et Yverdon, ein Mosaik
in vollkommener Erhaltung aufeeiunden oder vielmehr
wiederausgegraben und dasselbe nach une tres-jolie
estampe eines graveur Frangois also beschreibt: II est
de figure quarree parfaite; chaque cote a seize pieds et
demi de roi. — Le lion qui est couche aux pieds d'Or-
phee , est le seul animal etranger ä la Suisse qu'on y
remarque. Un bouc et une chevre, un cerf et une biche
occupent les quatre coins du quarre inferieur, qui est
renferme en trois bordures d'un tr^s bon goüt. Un che-
val et un ours sont places anx deux cötes du tableau
du milieu, oü l'on voit Orphee assis au pied d'un arbre.
Ou reconnait dans sa main droite le plectrum. Dann
hören wir durch Vulliemin nach Levade über das Mo-
saikbild: es »stellte Orpheus unter einem Baume sitzend
dar ; zu seinen Füßen lagen ein Löwe und ein Eichhorn,
und rings um ihn her flogen Vögel und setzten sich so-
gar auf seine Leiere. Von den anderen Thieren ist gar
nicht die Rede. Ja bei genauerer Betrachtung muß es
für uns durchaus den Anschein haben , als handele es
sich bei den Mosaiks, die nach Ivonand oder Cheyres
und nach Avenches oder Grandson verlegt werden (letz-
teres von Laborde , aber ohne Zweifel irrthümlich) um
ein und dasselbe Werk, das am wahrscheinlichsten bei
Cheyres vorhanden war. Es wäre sehr wünschenswerth,
daß Schweizerische Archäologen hierüber genauere Aus-
kunft gäben. — Besonders hervorzuheben ist dann auch
das Mosaik von ßottweü (von welchem sich im Carlsru-
658
wie Himation, welches den Oberleib vorn nackt
läßt und über den linken Arm des Trägers hin
den Untertheil seines Körpers mit Ausnahme
des rechten Unterbeins bedeckt. Orpheus greift
nach links hin blickend von hinten mit der Linken
in das siebenfarbige Kothar. Von den drei klei-
neren Mosaikstücken stellt das bestgearbeitete
einen Löwen, das zweite einen Steinbock, das
dritte einen Esel dar. Der Grund, warum man
das Mosaik getrennt und nicht wie es aufge-
funden wurde, vollständig und im Zusammenhang
in den Boden eingelassen hat, entzieht sich un-
serer Beurtheilung. Es giebt nur eine, mangel-
hafte Abbildung, welche Tarin in den Mem. der
Turiner Akademie pour les ann. X et XI, Litt,
et beaux-Arts, 1863, zu p. 53 fg. herausgegeben
hat. Hier erblickt man zwölf vierfüßige Thiere,
unter denen der Löwe zweimal vorkommt, und
einen Vogel, der auf dem Baume rechts von Or-
pheus sitzt. Schorn (S. 461 fg.), der auch Eini-
ges über die Farben berichtet, sah außer Orpheus
noch ■ vier Vierecke jedes mit einem Thiere. — Au-
ßerdem findet man in demselben Saale , dicht
neben dem Ausgange zu dem ersten Aegyptischen
Saale, die ansehnliche Statue einer Minerva aus
weißem Marmor aufgestellt, von der mir der
dienstthuende Custode sagte, daß sie in Italien
gefunden und zu 4000 Lire angekauft sei, wäh-
rend in dem Gsell-Fels'schem Reisehandbuch an-
her Museum eine moderne Nachbildung findet) , abgebil-
det und besprochen in Rom. Alterth. in der Umgegend
von R., Stuttgart 1836, S. 62 fg. Ein Mosaik aus der
Villa zu Newton St. Loe bei Bath in England giebt St..
M. Scarth Aquae Solls or notice of Roman Bath, 1864,
pl. LVII in Abbildung. Ein zu Palermo gefundenes Mo-
saik beschreibt Heydemann in der Arch. Ztg. 1869,
S. 40.
659
gegeben ist, daß sie aus Aegypten stamme. Der
Kopf des mehr als lebensgroßen Werks ist frei-
lich aufgesetzt, aber zugehörig. Das Gesicht
hat einen weichen Ausdruck , der rechte Arm
fehlt, vom linken der untere Theil.
Eine andere Minervastatue an der nicht bloß
die Füße, sondern auch Kopf und Hals fehlen,
ist im ersten Aegyptischen Saale aufgestellt.
Das ursprünglich etwa lebensgroße Werk gehörte,
was die Haltung anbetrifft , ohne Zweifel in die
Kategorie der Pallas Rospigliosi (Denkra. d. a.
K. n, 21, 233). Es wird doch auch wohl aus
Aegypten herrühren. Die von Schorn a. a. 0.
S. 469 an zweiter Stelle als im J. 1823 in
der Halle des K. Schlosses aufgestellt erwähnte
Minerva ist offenbar ein anderes Werk.
Dem Ausgang aus dem zweiten Aegyptischen
Saale gegenüber führt aus 3em ersten Aegypti-
schen Saale ein doppelter Eingang in einen für
Griechisch-Römische Sculptnren bestimmten Saal,
welcher in zwei Ahtheilungen zerfällt, in deren
erster schon eine bedeutende Anzahl von Rund-
werken und einige Reliefs aufgestellt sind, wäh-
rend eine geringere Anzahl von mehr oder we-
niger fragmentirten Rundwerken noch am Boden
stand oder lag. Letztere sollen erst kürzlich
aus den Magazinen hervorgeholt sein. Die hier
befindlichen Werke stammen wie die weiter unten
zu erwähnenden, in einem Zimmer des oberen
Stockes vereinigten , dem Vernehmen nach aus
dem früheren Besitze des Königlichen Hauses
der an verschiedenen Orten, hauptsächlich wohl
in Rom, zusammengekauft ist, aber sicherlich
auch gar manches aus dem Boden Piemonts her-
vorgegangene Stück enthielt- Viele unter diesen
Werken machen einen sehr bedenklichen Ein-
druck, da sie nicht bloß mehr oder minder stark
660
restaurirt, sondern aucli überarbeitet und polirt
zTi sein scheinen. Ich habe in dieser Beziehung
selbst keine genaueren Untersuchungen anstellen
können, muß mich also in sofern begnügen, auf
Schorn zu verweisen , soweit dieser dieselben
Werke erwähnt, glaube inzwischen, daß das im
Folgenden Mitgetheilte von einigem Interesse sein
wird.
Die Rundwerke sind in zwei Reihen neben
einander aufgestellt. In der die Mitte des Rau-
mes einnehmenden stehen (von den Eingängen
aus dem ersten Aegyptischen Saale gerechnet)
1) die Statue eines nackten Jünf];lings, hinsichtlich
deren wir nicht anstehen anzunehmen, daß sie den
mirator Narcissus (»Narkissos« S. 36) darstellt, ob-
gleich die Hand des linken, ausgestreckten Armes
abgebrochen und von den Fingern der Hand
des ebenfalls ausgestreckten rechten Armes nur
der Daumen erhalten ist, wobei deutlich erhellt,
daß alle Finger gespreizt waren (in Turin bezieht
man das Werk auf Apollo); 2) eine Statuette der
Venus in der Haltung der Mediceischen mit dem
Delphin zur linken Seite (ob dieß oder das unten
unter n. 9 aufgeführte Werk das von Schorn
S. 463 verzeichnete ist, muß dahin gestellt blei-
ben); 3) die überlebensgroße Gruppe eines schlan-
genwürgenden Herculesknaben , eins der besten
Marmorwerke der Sammlung, besprochen von
Schorn S. 463 fg. , abgebildet bei Clarac Mus.
de sc. pl. 782, n. 1958 (der dicke Kopf des
Knaben zeigt weder Bangigkeit noch Freude,
nur Gleichgültigkeit) ; 4) die gleichfalls treffliche
und durch ihre Erhaltung ausgezeichnete Sta-
tuette eines auf der Löwenhaut liegenden schla-
fenden Eros im Kindesalter, der Kopftheil des
Löwenfells bedeckt den Hinterkopf des Schläfers,
die rechte Hand faßt lose die kurze Keule, der
661
linke von einem Theile des Fells umwickelte
Unterarm dient als Stütze des Kopfes , hinter
welchem der Köcher liegt (Schorn S. 466. n. 4);
5) eine ansehnliche Statue der Höre des Winters
als eines lang und vollständig bekleideten Weibes,
dessen Obergewand den Kopf bedeckt, mit zwei
Vögeln in der etwas gehobenen linken und einem
Hasen in der gesenkten rechten Hand, zu Schorn's
Zeit, der auch Ergänzungen angiebt (S. 469 n.
3), in der Halle des Königl. Schlosses ; 6) Ephebe
als Gymnast, ohne Zweifel in der Handlung der
Salbung des Körpers dargestellt (auf ein Grie-
chisches Original zurückgehend (Schorn S. 461,
n. 15, Conze S. 77*); 7) kleine Gruppe eines
unbärtigen, baarhauptigen Reiters auf spren-
gendem, mit einer Schabracke aus Thierfell ver-
sehenen Rosse (eine Darstellung, wie sie in der
Zeit des Bas-Empire öfters vorkommen, vgl. u.
A. den Commodus bei Claras Mus. de sc. pl. 962,
n. 2475); 8) Diana mit Mondsichel über der
Stirn , in kurzem Gewände , welches die linke
Brust entblößt läßt, mit der Hand des rechten
hochgehobenen Armes wohl den Bogen halten
sollend, die linke Hand auf einen Baumstamm le-
gend, an welchem der geöffnete Köcher nebst
dem dazu gehörigen Bande aufgehängt ist, wäh-
rend der umgekehrte Köcherdeckel, wie es
scheint, zwischen dem linken Oberschenkel der
Figur und dem Baumstämme zum Vorschein
kommt (das interessante Werk aus schwarzem
Piemontesischera Marmor wird von Schorn S. 464
n. 11 , welcher angiebt, daß Kopf, Arme und
Beine, vom Gewand an, neu seien, als Amazone
gefaßt) ; 9) größere Statue der Venus in der
Weise der Mediceischen, auch mit dem Delphin
zur Seite; 10) größerer auf der Löwenhaut lie-
gender schlafender Amor, ohne weitere Attribute
662
(zu dem ältesten Bestände gehörend, während
der schönere Amor erst nach Millin's Besuch von
Turin in die Sammlung gekommen zu sein scheint,
besprochen von Schorn S. 495, n. 1, wo C. A.
Böttiger bemerkt, daß ein Abguß sich im Mengs'-
schen Cabinet zu Dresden befinde^)); 11) Mercur
mit Kopflügeln, in der Rechten den Beutel, in
der gesenkten Linken den Caduceus haltend, die
Chlamys von der linken Achsel herab fallen las-
send ; 12) Venus mit um die Mitte des Körpers
zusammengeknotetem Himation , das Haar mit
der Rechten zurecht machend (Schorn S. 463,
n. 2) ; 1 3) weibliche Figur in etwas alterthüm-
licher Tracht, etwa mit Nebris, linke Brust an-
scheinend entblößt, auf der linken Seite liegt
dem Körper etwa in der Mitte ein Kranz von
Früchten an (vielleicht das von Schorn S. 469,
n. 4 erwähnte Werk aus dem K. Schlosse, ein
Bacchisches Weib, etwa eine Hora als Dionysi-
sche Genossin, wie ja Opora auf Vasen als solche
vorkommt und eine Figur, welche sich durchaus
als die Höre des Sommers ausnimmt, unter den
Bacchantinnen des Turiner Reliefs bei Rivautella
u. Ricolvi T. I, p. 29, Maffei CCXVIH, gefunden
wird); 13) ansehnliche Figur eines ganz nackten
Mercurs mit Kopffliigeln , welcher den Kopf
mit dem Blick nach oben stark nach rechts ge-
wendet hat, in der Hand des herabhängenden
rechten Armes den Caduceus hielt und mit der
1) Gerhard erwähnt in dem Texte zu den ant, Bild-
werken S. 260, Anm. 67 die Turiner Statue eines schla-
fenden Flügelknaben mit Eidechse und Fackel. Allem An-
schein nach muß er eine von jenen beiden Statuen ge-
raeint haben — wenigstens erinnere ich mich nicht, in
dem Turiner Museum eine dritte ähnliche gesehen zu
haben — , dann ist er aber in Betreff der Attribute im
Irrtbum.
663
Hand des erhobenen linken Arms eine redneri-
sche Geberde (mit hervorragendem gekrümmten
Zeigefinger) macht (doch sind Kopf und Arme
nach Schorn S. 461. n. 13 restaurirt).
An der der Fensterwand des Saales gegen-
überliegenden Rückwand findet man, von hinten
beginnend, aufgestellt: 1) die Statue eines ste-
henden (mit linkem Spielbein) Amor im Jüng-
lingsalter, welcher den Kopf (mit langem Haar)
nach rechts hin wendet, den rechten Arm wie
in Aufmerksamkeit hält, mit der linken Hand
den Köcher faßt, der, geöffnet, nebst dem Bogen
an dem Baumstamme neben der Figur hängt
Czu vergleichen mit Clarac pl. 281, n. i486);
2) eine Büste des Antinous ; 3) die Statue eines
nackten bekränzten Bacchus, der, das rechte Un-
terbein über das linke schlagend , den linken,
von dem shawlartigen Gewände umschlungenen
Arm in die Hüfte stemmend, mit der Rechten
ein trauben gefülltes Fell hält, das auf dem zur
rechten Seite der Figur befindlichen Tronc liegt,
um welchen sich ein Weinstock schlingt (wohl
die Statue bei Schorn S. 460, n.6); 4) ein Frag-
ment von einem Candelaber, wie es scheint; 5)
die Büste eines Jünglings, wie Adonis oder
Narcissus mit trübem, etwas nach rechts gewen-
deten Gesichte ; 6) eine stehende (mit linkem
Spielbein) jugendliche männliche mit der Chla-
mys versehene Figur , mit kurzhaarigem , etwas
nach links gewendeten Porträtkopfe, in der vor-
gestreckten linken Hand ein Parazouium, in der
Hand des gesenkten rechten Armes etwas Stab-
ähnliches haltend (Schorn S. 461, n. 18 bezieht
den Tr.onc auf Mercur, Kopf, Arme und Beine
seien schlecht restaurirt ; der Restaurator dachte
an einen Römischen Großen , vgl. Denkm. d. a.
Kunst I, 87, 356, Clarac Mus. de sc. pl. 917,
664
n. 2353 A, pl. 934, n. 2377); 7) eine Büste der
Minerva mit etwas nach links gewendetem Kopfe,
das Weiße der Augen und die Pupille im Mar-
mor angedeutet, Helm oben mit einer Sphinx,
auf dem Visir mit Gesicht, Aegis mit Medusen-
haupt wie eine schmale Pellerine sich ausneh-
mend ; 8) überlebensgroße Statue des Claudius
in militärischer Tracht, gefunden zu Susa, treu
abgebildet und genau besprochen von Erm. Fer-
rero in den Atti della Soc. arch. u. s. w. Vol.
I, fasc. 4, tav. XVIII und p. 319 fg. ; 9) Büste
des Antinous als Bacchus mit auf der linken
Achsel zusammengeknoteten Nebris, den Kopf,
dessen Haar das dem Antinous eigenthümliche
ist, nach rechts, etwas nach oben hin, wendend
(s. Schorn S. 461, n. 14); 10) Gruppe von Fan
und Olympus (oder, nach Stephani Compte rend.
de la comm. arch. de St. Petersb. 1862, p. 89
fg., Daphnis), an jenem der rechte Arm bis auf
einen kleinen Theil fehlend, an diesem, der je-
nem zuhört, aber das Gesicht nicht nach ihm
hinwendet, der größte Theil des rechten Armes
und der linke ganz (nach Schorn S. 460, n. 11
der Kopf des »Apollo« neu); 11) Büste der jün-
geren Faustina (?) als Diana, mit entblößter
rechter Brust ; 1 2) ansehnliche Statue des ste-
henden Jupiter, in weitem Himation, das die
rechte Brust frei läßt, in der erhobenen rechten
Hand den Blitz haltend, in der Hand des linken
Armes, dessen unterer Theil vorgestreckt ist,
etwa ein Scepter (Schorn S. 460, n, 2); 13) in-
teressante Statue der Diana mit Mondsichel über
der Stirn, minder als lebensgroß, Kopf und Hals,
Arme, Füße aus weißlichem Marmor, das lange,
etwas vom Winde bewegte Gewand mit Ueber-
schlag aus grünlichem, schwarzgefleckten Mar-
mor, den Kopf nach links, anscheinend in die
665
Höhe richtend, in der Hand des ausgestreckten
linken Armes ein Stück vom Bogen haltend, den
rechten Arm erhebend mit ausgestrecktem Zei-
gefinger; 14) stehender Bacchus, nackt bis auf
die Kothurne (ein Pautherfell fällt vom linken
Unterarm herab), in der gesenkten Rechten eine
Traube haltend, mit der Linken eine andere he-
bend und danach emporblickend (ob etwa das
»schlechte Pasticcio« bei Schorn S. 460, n. 8,
vermag ich nicht zu sagen; 15) abgebrochener
behelmter Kopf eines Sterbenden , an den sogen,
sterbenden Alexander erinnernd, ein sehr be-
achtenswerthes Werk, wenn es echt ist (sicher-
lich das von Schorn S. 462 als »verstümmelte
Büste eines sterbenden behelmten Kriegers von
guter Arbeit« bezeichnete).
Die Reliefs findet mau an dem breiten Pfei-
ler zwischen den beiden Eingängen vom ersten
Aegyptischen Saal her : 1) Amor als Todesgenius,
mit der Linken die umgekehrte Fackel auf den
Boden setzend, die Rechte auf die linke Achsel
legend, den Kopf mit betrübtem Gesichte nach
rechts hin wendend; 2) kleines unbedeutendes
Grabrelief: sitzendes Weib links vom Beschauer,
stehender Mann, in Chiton und Himation ihr die
Rechte reichend, ÖAAAIQN KAI H TYNH i:Ar-
GAYBAITI2 (Conze S. 77*); 3) kräftiger Jüng-
ling vor einem Altar stehend, nackt, aber mit
einer haubeuähnlichen Kopfbedeckung, an der
sich Spuren schwärzlicher ßemalung erhalten zu
haben scheinen , die linke Hand vorstreckend,
rechter Unterarm abgebrochen, auch in der Höhe
nach rechts Etwas abgebrochen, was äußerlich (wie
ein Loch zum Befestigen zeigt) angefügt war, an-
scheinend Griechische Arbeit von geringen Di-
mensionen, wohl eiuen opfernden Athleten dar-
stellend, gewiss nicht einen Apollon, wie Conze
666
S. 77* meinte, der übrigens das betreflfende Werk
in künstlerischer Hinsicht mit Recht hervorhebt;
4) drei auf einem mit zwei Pferden bespannten
Wagen sitzende Personen, den Pferden voran-
schreitend ein sich nmblickender Mann ; 5) knie-
endes Knäbchen, einen Panzer mit beiden Armen
nach links hin haltend, indem es sich nach rechts
hin umblickt (also ein Theil einer größeren Com-
position).
Von den noch nicht gehörg aufgestellten Rund-
werken stehen zwei an der Rückwand des Saales
zwischen dem Jupiter und der Artmiis Solene,
beide ohne Kopf, eine geflügelte Victoria mit um-
fangreicher Chlamys und ein Bacchus mit Pan-
therfell, das vom linken Unterarm herabhängt.
Beachteuswerther sind zwei Statueufragmente an
den Seiten des erwähnten Pfeilers: ein knieender,
des Kopfes entbehrender Jüngling mit Schlauch
im rechten Arme (das rechte Bein trefflich ge-
arbeitet, vom linken der untere Theil verloren
gegangen , gewiß zu einer Fontaine gehörend)
und ein todt daliegender Jüngling, ein Krieger,
wie man annimmt, ob nicht vielmehr ein Nio-
bide ? Unter den an der Feusterwand stehenden
Statuen mag nur die eines fragmentirten (auch
der Kopf fehlt) Priapus mit Knäbchen im Schurze
(Conze S. 77*) erwähnt werden. Abgesondert
steht in der Ecke zumeist nach links ein flügel-
loser Amor, der in der Linken wohl einen Bo-
gen hielt, während der geöfi'nete Köcher am Trone
links hängt. •
Auf diesen Raum folgt noch ein ähnlicher,
der aber jetzt den Eindruck einer Rumpelkam-
mer macht. Auch hier findet man an der Fen-
sterwand mehrere Sculpturen geringer Dimensi-
onen und untergeordneter Arbeit ohne Ordnung
hingestellt: eine Fontana, aus Libarnia, zu ver-
667
gleichen mit einem Werke im Vaticanischen
Museum*); einen roh gearbeiteten sitzenden
Panisken mit menschlichen Ohren. Der
mit der rechten Hand die Geberde des crnro-
cxomifftv macht, ein sehr spätes Werk, \ne der
übermäßige Gebrauch des Bohrers zeigt, Ter-
muthlich das von Schom S. 4G6, n. 5 erwähnte;
einen stehenden Satyr mit Schlauch auf der rechten
Achsel und Pedum im linken Arm ; eine stehende
verschleierte weibliche Gewandstatue mit Kopf
aus schwarzem Marmor ; eine stehende mit Füll-
horn und eine sitzende verschleierte auch mit
Füllhorn im linken Arme, die zwei letzteren
^'erke weit unter Lebensgröße.
Steigen wir nun zum zweiten Stockwerk hin-
aur, so gelangen wir zuerst in den mittleren der
drei großen, reichbesetzten Aegyptischen Säle, in
welchem sich die oben S. 648 erwähnten Grie-
chischen bemalten Vasen und Terracotten befin-
•den, während die Bronzesachen Griechisch-Römi-
scher Kunstübung in dem Saale rechts von dem
Eintretenden aufbewahrt werden, wo auch die
Tabula Isiaca aufgestellt ist. Wir wenden uns
dann zu dem Aegyptischen Saale links, ans wel-
chem der Gang, welcher die Assyrischen und
Cyprischen Alterthümer enthält, zu den Räumen
für die Griechisch-Römischen Werke führt.
Noch innerhalb dieses Durchganges, gerade
wo links und rechts je eine Thür in die verschie-
denen einander gegenüberliegenden Räume mit
1) Aehnliche Brannenanfeitoe rind anch ans Pomp€Ji
bekannt. Ein entspreeheode« unter den Fanden vonAven-
ticom Torkonmieiides Geräth (Barsian Avent. Helvet. HL,
S. 40 a. Taf. XII, n. 9) ist, weil die in verticaler Bich-
tong gehende Aashöhlocg nicht bis so dem unteren Elnde
binabreicbt, wohl mit Recht als Untetsats für eine Am>
pfaora gelafii.
668
\
Griecliisch-Römisclien Werken fübrt, findet man
die Griechischen und Römischen Glassachen auf-
gestellt, von denen natürlich diese weitaus die
zahlreichsten sind.
Unter den Glassachen finden sich, abgesehen
von dem zu Millin's Zeit vorhandenen und von
ihm wegen des Interesses für sepulcrale Alter-
thümer p. 264 hervorgehobenen Stücke, zwei in
kunsthistorischer und technischer Hinsicht beson- m
ders beachtenswerthe , welche dem Museum erst H
in neuester Zeit zu Theil geworden sind: ein
Gefäß mit der Inschrift QNNICVN £noiQl und
ein anderes mit Deckel versehenes ohne den Na-
men des Verfertigers , welches durch die selte-
nere Technik sich auszeichnet, indem es gegos-
sen und dann gedreht ist, Beide sind in der
Atti der Turiner archäol. Gesellsch. abbildlich
mitgetheilt und besprochen, tav. V und p. 101
fg. und tav. X, n. 2, u. p. 199 fg. Das an erster
Stelle erwähnte Gefäß (tassenförmig , mit sehr
eleganten Henkeln, von azurblauer Farbe) ist im
Jahre 1873 gescheukweise in das Museum zu
Turin gekommen. Es wurde zu Caresana im
Gebiete von "Vercelli gefunden, zugleich mit ei*
ner Münze des Kaisers Claudius, und ist zuerst
vom Padre Bruzza Iscrizioni ant. Vercellesi, Roma
1814, p. 375 besprochen. Schon früher waren
zwei Gefäße , die durch Inschrift als Werke des
Ennion bezeichnet waren, aus oberitalischen Fun-
den bekannt, das von Bagnolo im Brescianischen,
im Museum zu Modena, welches von Cavedoni in
den Ann. d. Inst, di corr. arch. Vol. XVI , 1874,
besprochen und tav. d'agg. G, abbildlich mitge-
getheilt ist, und das von Borgo S. Douniuo, wel-
ches durch Geschenk in das Museum zu Parma
kam^). Jüngst, im Herbst 1875, ist ein viertes
1) Ueber das Geiäßstück von Borgo S. Doimioo be-
669
zu Refrancore gefnnden, welches in den Besitz
Maggiora-Vergano's kam nnd von diesem in den
Atti a. a. 0. des Textes und tav. X, n. 1 be-
handelt und herausgegeben ist, auf welcher Tafel
auch Abbildungen der beiden anderen Gefäße
Eunion's aus Oberitalien gegeben sind. Das Ge-
fäß von Refrancore gleicht, was Form und Di-
mensionen anbetrifft, wesentlich dem von Care-
sana, ist aber von meergrüner Farbe und weicht
auch in Betreff der Inschrift ab. Auf der einen
Seite steht nämlich mit dem Stempel eingedrückt:
QNNICUN^nOIHCQN.SiufdeT anderen: iy.\H&H
O ArOPAZa^iS, also wie auf dem Gefäß von
Bagnolo, nur daß hier die beiden letzten Buchsta-
ben des letzten Wortes versetzt sind. QUOIHC^N
findet sich auch auf dem Gefäß von Borgo S. Donnino,
QnOIQI auf dem aus derKrimm in der Petersbur-
ger Ermitage (Antiq. du Bosph. Cimmer. pl. 88). Die
zweite Inschrift kommt auch auf einem auf Ky-
pros gefundenen Glasgefäße vor (nur daß statt des
Z des dritten Wortes ein S steht), dessen andere
Inschrift QNNICUN QüO 6 lautet. Eine ganz
ähnliche Inschrift, MNHC&H O ArOPACAG,
zeigt sich auf einem auch auf Kypros gefundenen
Glasgefäße, dessen andere Inschrift einen Meges
als Verfertiger nennt: MEFHC ^DOIHC^N.
Vgl. Colonna Ceccaldi in der Rev. archeol. Fr.,
N. S., XXIX, p. 99 fg. Bekanntlich hat Cave-
doni a. a. 0. die Inschrift des Gefäßes von Bag-
nolo gedeutet: .uviyff^^ o ayogä^cäv , »emens me-
minerit«, was Brunn Gesch. d. Griech. Künstler
n, S. 744 ohne Bedenken annimmt. Das C ist
als vierter Buchstabe des ersten Wortes jetzt
richtet G. Mariotti an Fabretti, che il frammento presenta
nn aspetto opalizzante e iridescente , variando dal color
rosso al giallo d'oro : rigoardato contro la luce ofire un
bellijBsimo colore azzarro.
57
670
bestätigt. Inzwischen befremdet der Conjunctiv.
Man erwartete vielmehr: fjtvijad^tjtci).
Wendet man sich von dem Durchgang aus
nach links, so gelangt man in einen Saal, welcher
für die kleineren Marmorsculpturen bestimmt, aber
noch nicht vollständig eingerichtet ist. An der
Fensterwand stehen Büsten Römischer Kaiser,
unter ihnen auch die eines Vitellius, welche
ebenso wenig echt zu sein scheint wie andere
in oberitalischen Museen befindliche, obgleich
Schorn S. 461 an der Echtheit nicht zweifelt. In
der Ecke links vom Eingange ist ein höchst in-
teressanter, im Jahre 1839 zu Alba Pompeja aufge-
fundener und seit 1841 durch Schenkung König
Carl Alberts dem Museum gehörender überlebens-
großer weiblicher Kopf aufgestellt, den man frü-
her für den einer Venus hielt und weil er in-
wendig hohl und nach hinten in der Mitte von
oben bis unten ein wenig geöfi'uet ist und einen
stark geöffneten Mund hat, als an einem Was-
serwerke angebracht betrachtete, während Erm.
Ferrero, der ihn in den obenerwähnten Atti tav.
XVII in guter Abbildung herausgegeben und p.
315 fg. eingehend besprochen hat, gewiß mit
Recht der Ansicht ist , daß er zur Decoration
eines Bauwerkes diente, und annimmt, daß er
der einer Niobe sein solle. Obgleich diese An-
nahme schon von Carlo Promis gehegt und mir
selbstständig von einem Mitbeschauer geäußert
wurde, wage ich doch nicht, mich für dieselbe
zu entscheiden. Vielleicht spricht selbst der
äußerliche Umstand , daß der Kopf mit einer
Stephane geschmückt ist, gegen Niobe ^). Ein
1) Nachträglich sehe ich aus H. Hettner's Verzeichn.
äes K. Mus. der Gypsabpüsse zu Dresden , dritte Aufl.,
1872, S. 98, D. 118, d&ß sich zu Dr. ein Abgoß des in
671
anderer, schon länger bekannter größerer Kopf
ist provisorisch nebst anderen in der Mitte des
Saales aufgestellt, wo auch die Kachbildung eines
Sardinischen Nuraghen Platz gefunden hat. Es
ist die Rede von jenem Kopfe des Cyclopen
Polyphem, welchen schon Schorn S. 467 kurz
beschrieben hat , zu dessen Bemerkungen noch
hinzugefügt werden kann, daß der Hinterkopf er-
gänzt, das Haar über der Stirn aufgesträubt und
die Nase, welche an der linken Seite und vorn
etwas gelitten hat, stumpf ist, die Ohren spitz
sind, auch die Bekränzung anscheinend Bacchisch
ist.
An den beiden Schmalseiten und an der einen
Langseite des Saales sind in Glasschränken zahl-
reiche kleinere Rundwerke und Reliefs zusam-
mengestellt, unter denen sich gar manches ver-
dächtige oder offenbar unechte Stück findet.
Unter den Rundwerken befinden sich zwei durch
Vortrefflichkeit der Arbeit ausgezeichnete: eine
kleine Wiederholung des bekannten Eros von
Centocelle (Mus. Pio-Clement. I. 12, Denkm. d.
a. Kunst, I, 35, 144), und die Statuette einer
Minerva, an welcher das Nackte aus schwarzem
Stein, das Gewand und die Aegis aus Alabaster
gearbeitet ist. Auch Schorn hebt S. 467 beide
Stücke hervor. Ist das erstgenannte Werk
antik, wie es scheint, so verdient es alle Beach-
tung. Zu den in gegenständlicher Hinsicht interes-
santen Rundwerken gehört eine kleine Darstellung
der dreiförmigen Hekate, mit abgebrochenen
Köpfen und ohne Attribute, und ein kleiner
Kopf mit Stierhörnern , der mit Epheu und
Weintrauben bekränzt ist, außerdem oben an
Rede stehenden Kopfes befindet nnd daß Hettner diesen
mit hinzugefügtem Fragezeichen auf Niobe bezog.
57*
672
der Stirn eine Binde sehen läßt und hinten am
Unterkopf einen Haarknauf, entweder Bacchus
oder — was vielleicht noch wahrscheinlicher —
eine Bacchantin darstellend. Unter den Reliefs
heben wir vier hervor : eins mit Bacchischen
Masken, ein anderes mit zwei Bacchantinnen,
welche, die eine mit dem Vordertheil, die andere
mit dem Hintertheil eines Rehes nach entgegen-
gesetzten Seiten hin sich bewegen, ein drittes
mit einem nackten jungen Manu, der die Rosse
einer von rechts heran sprengenden Quadriga
vor einer Säule , auf welcher ein Gefäß steht,
anzuhalten bestrebt ist, endlich ein viertes,
ganz besonders interessantes, welches in land-
schaftlicher Umgebung eine Liebesscene zwischen
Polyphem und Galathea darstellt. Die beiden
ersten Reliefs sind schon vorlängst abbildlich
bekannt gemacht, das erste bei Rivautella und
Ricolvi I, 83, bei Maffei CCXXIII, das zweite
bei jenem I, 75, bei diesem CCXV, 5. Das
dritte Relief erregte auch Conze's Aufmerksam-
keit, dessen kurzer Besprechung auf S. 76* fg.
ich im Wesentlichen nur beistimmen kann. Für
das vierte darf ich ganz auf die eingehende Be-
handlung durch Heibig in dem Bullett. d. Inst.
arch. 1873, p. 138 fg. verweisen. Beachtung
verdient etwa auch ein zwischen zweien der
Glasschränke an die Wand angelehntes fragmen-
tirtes Relief von etwas größeren Dimensionen,
einen bärtigen Satyr, der auf einer (sehr dünnen)
Doppelflöte bläst, darstellend.
Zu den übrigen Räumen mit Griechisch-Rö-
mischen Bildwerken gelangt man, wenn man in
den erwähnten Gang sich zurück begiebt und
die entgegengesetzte Richtung einschlägt.
Der erste Saal dieser Seite ist der hauptsäch-
lich für die Vasen, bemalte und unbemalte Etrus-
I
673
kische und Römische (unter denen einige von
Pollenza besonders beachtensn'erth sind und
mehrere, namentlich zu Turin ausgegrabene durch
die Namensinschriften Interesse bieten, welche Ar.
Pabretti in den Mem. dell' Accad. di Torino,
Ser. II, T. XXVII, 1873, sc. mor. istor. e filol.,
p. 381 fg., n. 3 — 12 u. tav. 1 herausgegeben
hat), auch für andere Thonsachen bestimmte.
Von den letzten sei hier nur ein eigenthüm-
liches Stück, ein Ikosaeder aus smaltirter Terra-
cotta erwähnt, auf dessen zwanzig Flächen eben
so viele verschiedene Buchstaben des Griechi-
schen Alphabet in Majuskelschrift stehen.
Sollte das Stück etwa beim Unterricht gedient
haben?
Der numerisch bedeutendste Theil der be-
malten Thongefäße (mehr als 900), zugleich der-
jenige, welcher die durch ihre Dimensionen her-
vorragenden Stücke enthält, ist durch Ankauf
von dem Sardinischen Capitain Moschini im J.
1828 erworben, der in Unteritalien sammelte.
Mehrere dieser Vasen erregen betreffs der Echt-
heit Verdacht. Einige hat Gerhard besprochen
und herausgegeben, ohne von der Unzuverlässig-
keit des durch Moschini Zusammengebrachten
eine Ahnung zu haben (zu dem auch jenes von
Couze a. a. 0. S. 76* mit vollstem Rechte ver-
dammte Thonrelief gehört); vgl. Gerhard's Rap-
porto Volcente in den Annali d. Inst. arch. Vol.
III, p. 139, n. 213, und Text zu den ant. Bildw.
S. 202, Anm. 13, ferner Vases Grecs rela-
•tivs aux Mysteres, pl.V u. VI, und Text zu den
ant. Bildw. S. 379 fg. , endlich Ges. Abhandlun-
gen S. 228 u. Taf. XXI, n. 1—3. Andere be-
malte oder mit Reliefs geschmückte Vasen aus
Etruskischen Fundorten (Corneto, Vulci, Bomarzo,
Chiusi), wurden etwa zwanzig Jahre nachher und
074
später durch Kauf orworben. Die jünj^sto grö-
IJoro lOrworbuiif^ bostcjht in hundert schwarzen
ChiuHinischen Vasen von den yerschiedensten
Kornion (uiicli zwei Kanopon sind darunter), die
meist mit Iu^HoIh vcn-Hohen sind. Zudem besaß,
wie aus Schorn's IJericht S. 402 hervorgeht, das
Muscuim Hchou vor 1 828 b(Hnaltü Vasen, worunter
viehi ausNoapcd, aberinoist rohe und unbedeutende.
Die grölSoren bernaitfui Vasen sind auf be-
Bonderen Postamenten aufgestellt, die kleineren
in (ilass(!hrilnlcen, welche an den beiden schmalen
Wänden und der der Fonsterwand gegenüberlie-
g(Mi(l(Mi langen stehen, eine Auswahl in einem
besonderen Glasschranke.
Unter den in Glasschränken an der langen
Wand befindlichen bemalten Vasen zeichnet sich
ein Krat(?r mit der Darstellung von Dionysos
und seinen Thiasoten in röthlichon Figuren hin-
sichtlich seiner künstlerichen Ausführung aus.
Im demselben Schranke befindet sich ein Krater
mit blaliröthlichen Figuren von geringerem
künsthiriseheu Werth, aber von gegenständlichem
Interesse. In der Mitte der bildlichen Darstel-
lung gewahrt man eine Ära mit Giebel und
horabhängenden Wollenbinden, etwas tiefer si-
tzend rechts Athena mit Lanzo und Schild in
den Händen und einen Helm auf dem Haupte,
welcher mit zwei Federn geschmückt ist, und
links ihr gegenüber eine weibliche Göttin in
Chiton mit IJeborschlag und im Himation mit
einem Kalathos auf dem, wie es scheint, hinten
mit einer Haube bedeckten Kopfe , in der ge-
senkton Rechten einen Kranz, in der Linken ein
Sceptor haltend, Hera oder wohl eher Aphrodite.
Kranz, Scepter , Federn , Binden und einige De-
tails an der Ära haben weiße Befärbung. Dann
ist noch eine Kelebe mit gelblichen Figuren un«
675
tergeordneter Aaafnhrnng wegen des dargegtellten
Gegengtandes beachtenswerth : Herakles und
ApoUon um den Dreifuß streitend. Jener, auf
dessen Rücken die Löwenhaut, deren Kopftheil
auf seinem Kopfe liegt, herabfallt, hebt mit der
Rechten die Keule, indem er den Dreifuß an
dem ihm zugewendeten Fuße faßt; auch der ver-
hältnißmäflig kurzhaarige Apollon hält den Drei-
fuß, setzt sich aber nicht zur Wehre, sondern
hält mit der gesenkten Hand des linken Armes
um den ein shawlähnliches Gewand geschlungen
ist, den Bogen. Die Vase fehlt unter denen mit
der Darstellung des Dreifußraubes in rothen oder
gelben Figuren, welche Welcker A. Deukm. III,
Ö. 282 fg. verzeichnet hat.
Unter den Thongefäßen in dem nicht an ei-
ner der Wände aufgestellten Glasschranke be-
findet sich jenes durch seine Form und seine In-
schriften merkwürdige aas Bomarzo stammende mit
dem Namen des Vasenmalers Euthymides, welches
früher im Besitz eines Hrn Bazzichelli zu Viterbo
war und von Klügmann in den Annal. d. Inst,
di corresp. arch. Vol. XLII, tav. d'agg. 0, P
herausgegeben und p. 267 fg. besprochen ist.
Eine andere, aus Vulci stammende bemalte Vase,
eine Trinkschale, wird bald von Fabretti veröf-
fentlicht werden. Sie i^t auch in gegenständli-
cher Hinsicht von besonderem Interesse durch
Darstellungen aus dem Kreise der Gymnastik an
ihrer Außenseite, unter denen namentlich zwei
Beachtung verdienen, deren eine zwei Agonisten
zeigt, welche den Rücken an einander gestemmt
haben , während die andere an vom ßacchischen
Kreise her bekannte Schlauchtänze erinnert.
Ein drittes Geföß aus einem dritten Etruskischen
Fundorte, Chiusi , wiederum eine Schale, aber
von geringere» Dimensionen als die eben er-
676
wähnte, zeigt als Innenbild mit gelblicheren Fi-
guren Semele den kleineren Dionysos küssend.
Dieser, der fast in der Vorderansicht dargestellt
ist, hält in der Rechten den Thyrsos und das
hinabgefallene Gewand; sein linker Arm liegt
nebst der Hand hinter dem Kopfe der Semele,
deren Arme vor dem Leibe des Sohnes mit über-
geschlagenen Händen erscheinen. Rechts von
Dionysos (links vom Beschauer) steht ApoUon,
mit einem um den Unterkörper geschlagenen
Himation angethan, das linke Bein auf einen
hohen Stein setzend, auf das Knie dieses Beines
den linken Unterarm stützend , auf dessen Hand
die linke Backe des etwas geneigten Hauptes
ruht. Rechts vom Beschauer auf der Seite der
Semele steht ein von dem um den linken Arm
geschlungenen Gewände entblößtes, mit einem
Halsband geschmücktes und mit Schuhen (welche
man auch an den Figuren des Dionysos und
der Semele gewahrt) bekleidetes Weib, welches
in der Linken ein Gefäß von der Form des Ala-
bastron hält und die Rechte gegen den Kopf
der (ihm übrigens den Rücken zukehrenden) Se-
mele gehoben hat, indem es auch den Blick
auf diese richtet. Ich brauche nicht zu sagen,
daß dieses interessante Bild zunächst mit dem
des berühmten Spiegels in den Denkm. d. a. K.
I, 61, 308 zusammenzustellen ist. Sollte die
an letzter Stelle besprochene weibliche Figur
etwa eine Charis darstellen ?
An der Fensterwand des in Rede stehenden
Saales sind einige Vasen ohne Firniss und Male-
rei von Cascinetta und die Ausbeute an gleich-
falls nicht bemalten Vasen und anderen Gegen-
ständen aus den Ausgrabungen von Castelletto
in Schränken aufgestellt, zwischen welchen sich
zwei Nachbildungen von Gräbern aus diesem
677
Orte befinden. Unter den hier ausgegrabenen
Gegenständen nimmt besonderes Interesse in An-
spruch ein mit einem Henkel versehener hori-
zontal geriefelter Bronzekübel derselben Art,
welche von einigen Gelehrten der Römischen
oder nachrömischen Epoche zugeschrieben wird,
aber auch in den Malereien unteritalischer Va-
senbilder bei Bacchischen Scenen vorkommt.
Oben auf den Schränken dieses Saales ste-
hen größere Wein- und- Oel- Gefäße Römischer
Arbeit.
In den Fußboden desselben Saales sind die
vor einiger Zeit zu Acqui gefundenen Mosaiks
eingelegt, von denen ein Theil dem Mittelalter
angehört, ein anderer aber, wenigstens nach Fa-
bretti's Ansicht, dem zweiten oder dritten Jahr-
hundert unserer Aera. Die Arbeit auch dieses
Mosaiks ist roh, mit schwarzen Figuren auf weißem
Grunde. In gegenständlicher Hinsicht ist es sehr
eigeuthümlich. Der Beschauer gewahrt zumeist
nach links einen sich umblickenden geflügelten
bärtigen Mann, der einigermaßen an den Etrus-
kischen Charun erinnert, dann einen Bogenschü-
tzen, welcher abgeschossen hat; der Pfeil sitzt
im Höcker des darauf folgenden Dromedars, wel-
cher von einem Manne geführt wird , der eine
Lanze in der Linken hält; zumeist nach rechts
ein nach links hingewendeter Drache.
Der nun folgende Saal ist bis auf einen
Schrank mit Etruskischen Todtenköpfen den Me-
tallsachen gewidmet.
Die Aufstellung entspricht der im Yasensaal
insofern, als die wenigen besonders hervorragen-
den Stücke von etwas bedeutenderen Dimensio-
nen , wie die in dem Sturzbach Versa bei Stra-
della gefundene, bis auf den kleinen Finger der
linken Hand vollständig erhaltene Minerva
678
(Clarac Mus. de sc. pl. 469, E, n. 848 , em
etwa lebensgroßer schöner Br<?f f ^^^Pf.^^^f. ^";^:
gula, die meisterhaft gearbeiete Statuette des
Silen aus Industria (Clarac. pl. 719 n. 1751)
und der ausgezeichnete, 1745 gefundene von
Miliin S. 269 kurz erwähnte, ^«n Barucchi m
den Mem. dell' Accad. di Torino Tom. XXXIII,
182Q Gl di sc. mor., stör, e hlol., p. iöö ig.
ausführlich besprochene und ^^l^i??! j.«! »j ff;
theilte Stabdreifuß von Bronze (m>t 4™ bidli-
cheu Schmucke eines Pan einer Sphin^, einer
auf der Kueel stehenden Victona, endlich, zu
Oberst S epheubekränzten Hermenfigur des
Barhüs an jede'm der drei Füße) auf besonderen
Postamenten stehen, die übrigen Gege°ätande
aber in Glaschränken an den vier Wanden des
Saales untergebracht sind. Man hat ,n diesem
alle verschiedenen Gegenstände aus MeU Ter
einifft auch die Inschrift -Tafeln und Tafelchen
aus Bronze, unter denen sich bekanntlich sehr
Ltereslte' befinden. Daß unter den Metallen
die Bronze durchaas dominirt, versteht s.ch von
selbst Doch sind auch mehrere eegenstande
lussliber vorhanden. Ebenso selbstverstandlidi
ist es, daß der überwiegend größte 1 heil der
Werke dem Griechisch - Römischen Kunst- und
Handwerksbereiche anheimfallt, wenn es auch
"n ienen rohen Idolen von der Insel Sardinien und
«ntirden nicht figürlichen Werken au solcheu
Stechen, namentlich Etruskischen Kunstteß
nicht fehlt, wie denn aus der letzten Kategorie
üne pater; etrusque eu .t™uzeven,i schon
Zr Zeit der ersten Französischen Republik der
üeberftthrung nach Paris «' '™;<^|S f-'f ^'1
wurde die später wieder zurückerstattet ist, und
Tm Mnseum^lOch im Jahre 1871 außer anderen
Sen aus Vulci z.B. ein Dreifuß «nd ein Sieb
679
{rid-fi6<;) Ton trefflicher Arbeit und vollkommener
Erhaltung zu Theil geworden ist.
Um zunächst die Werke von Silber zu be-
rühren, 80 erwähnt Schorn S. 467 eine »schöne
Büste der Octavia« , die mir entgangen ist, wo-
gegen eine niedliche Statuette des Bonus Even-
tus mit den gewöhnlichen Attributen meine
Aufmerksamkeit auf sich zog. Belangreicher ist
eine Anzahl von silbernen, mit figürlichen Dar-
stellungen am GriflF und mit Inschriften, welche
den Namen des Besitzers enthalten , versehener
Casserolen *). An dem Griffe findet sich wiederholt
die ganze Figur oder die Büste Mercurs, meist
in Relief, einmal aber, und zwar in besonders
wohl gelungener Ausführung der ganzen Figur,
in eingegrabener Zeichnung. Einmal gewahrt
man neben Mercur ein Knäbchen anf einem
säulenähnlichen Cippus, darunter Masken und
Thiere , also doch wohl Bacchus. Ein paar
Male erscheint bei Mercur der sonst nicht eben
häufig vorkommende Bock. Auf dem Griffe
einer Caseerole ist der nackte stehende Jupiter
mit Scepter in der Rechten und Blitz in
der Linken als Relieffigur zu sehen, darüber
der Adler , zwei arae und der Blitz. Auch
die Büste der Fortuna mit Füllhorn kommt
als Reliefschmuck des Griffes einer Casserole vor.
Ein silberner Trinkbecher von rundlicher Form
ist mit einem Amazonenkampf in Relief verziert.
Er wurde nicht, wie Miliin angiebt, auf dem
1) Diese Inschriften , welche Fabretti in den Mem.
dell' Accad. di Torino a. a. 0. p. 382 fg., n. 18—21
nndtav. 1 u. 2 bekannt gemacht hat, werden nebst anderen
des Turiner Museums wohl von Th. Mommsen in dem
letzten Bande des Corp. Inscr. lat. herausgegeben sein,
der zu meinem Bedauern noch nicht nach Göttingen ge-
langt ist.
680
Boden des alten Industria, sondern zwischen die-
sem und dem des alten Veruea im Po gefunden
und ist von Tarin in den Mem. de l'Ac. de Tu-
rin pour les ann. XII et XIII, Litt, et beaux-
Arts, An. XIII, 1805, besprochen und abbildlich
mitgetheilt. Die Composition besteht in zwei
symmetrischen Gruppen: Hercules mit Löwenhaut
und Keule, rechts von einer tempelähulichen
Baulichkeit auf einer kleinen Anhöhe, an deren
Front man nur drei Säulen gewahrt, doch wohl
zur Andeutung von Themiskyra, dem Beschauer
den Rücken zukehrend, in siegreichem Kampfe
gegen eine Amazone (Hippolyte), der eine andere
zu Hülfe eilt, und ein uu bärtiger behelmter
Grieche, auch im Kampfe mit einer Amazone,
dem ein unbärtiger Mann zu Roß (mit eigenthüm-
lichem Helm und bis auf ein den Körper bloß
lassendes Gewand unbekleidet) Unterstützung
bringt. Auf dem Rande einer kleinen, ovalen
Schüssel sind Thiere, Masken und Bacchische
Instrumente als Reliefverzierung angebracht.
Wenden wir uns nun zu den Bronzesachen,
unter denen es außer den schon erwähnten
manche Geräthe und Gefäße giebt und in tech-
nischer Hinsicht die eingelegte Arbeit an Waf-
fenstücken aus Industria besonders beachtenswerth
ist, so wollen wir nur noch einige figürliche
Darstellungen etwas genauer besprechen. Unter
diesen nehmen die schon erwähnte Minerva und
mehrere Sachen aus Industria das Interesse ganz
besonders in Anspruch.
Jene, obgleich nur ein Werk von geringen
Dimensionen (0,70 Meter Höhe), der Römischen
Kunstepoche angehörig, durch Oxydation stark
beeinträchtigt, hat doch bedeutenden Belnng als
eine der vollkommensten Nachbildungen der Par-
thenos des Pheidias, abgesehen von dem Helm-
681
sclimuck und der Form der Acgis. Die Äbbil-
dimg bei Clarac a. a. 0. ist nicht ganz getren.
So sieht man z. B. von den beiden auf dieser
deutlich dargestellten Fußspitzen nichts , wohl
aber ist an der linken Seite der Figur unt^n
in der Gegend des linken Beines das Gewand in
einer Weise gehoben, die man sich zunächst aus
dem Umstände erklären wird, daß dasselbe an der
betreffenden Stelle auf dem linken Fnße liege.
Arme und Hände werden so gehalten, daß man
nicht wohl umhin kann anzunehmen , auf der
rechten Hand habe die Nike gestanden und die
linke sei anf den oberen Schildrand gelegt ge-
wesen. Dennoch gewahrt man auf der inneren
Fläche der rechten Hand keine Spur eine« von
dieser getragenen Gegenstandes und ebensowenig
läßt sich an der linken Hand oder an dem Po-
stamente eine Spur von dem Schilde bemerken,
das zudem offenbar auf dem Postamente gar
keinen Platz haben konnte. So scheint es in
der That, als habe der Künstler sich begnügt,
Nike und Schild nur durch die Haltung der
Hände anzudeuten.
Von den Werken aus Industria mag an er-
ster Stelle der ebenfalls schon erwähnte Silen
berücksichtigt werden. Die Abbildung bei Cla-
rac a. a. 0. zeigt diese nicht die halbe natür-
liche Grösse erreichende Statuette in dem Zu-
stande, in welchem sie aufgefunden wurde; spä-
ter sind die beiden Arme nach einander durch
Zufall entdeckt und angesetzt, nachdem sie dem
Museum von dem Britischen Gesandten Hudson
und von A. Castellani überlassen waren. So
fehlt der knieenden Figur nur das rechte Bein
und ein Theil des Schwänzchens hinten. Die
Angen sind ganz hohl, auch in dem ziemlich
weit geöffneten Munde gewahrt man keine Spur
682
^«. Zahnfleisch, Zähnen, Znnge Die rechte
Hand faßt einen Gegenstand, welchen Co nze b. 1
^4* gewiß mit Unrecht als >Zweig« bezeichnet.
Man prüfe einmal genauer, ob sich an ein in-
strument znm Einerndten Yon Baumfruchten
namentlich, ob sich an eine Sichel denken laßt
Ser linke Arm der Figur streckt sich ^ach dem
Gegenstande aus, welchen di^se, wie deutliche
Süuren zeigen, auf dem Rucken trug. Die-
serOegensLd war. aber sicherlich entweder
ein Schlauch oder ein Ranzen aus Fell. Wer
den Gegenstand in der Linken des Silen as Ei-
chel gelten läßt, wird sich wohl eher die letztere
Annahme gefallen lassen, wonach man sich den
tanzen als mit Trauben gefüllt zu denken ha-
ben würde. Daß aber Silen und die Silene als
Winzer gedacht wurden, ist zur Genüge bekannt.
Ihnen steht also die Sichel eben so gut zu, wie
dem Pan und den Panisken (s. die Comment
de Pane et Paniscis atque Satyris cornutis im
Ind schol. in Acad. Georgia Augusta per sem.
aest MDCCLXXV habend., p. 21 sq., adn. 8).
Auch fehlt es hierfür nicht an Beispielen aut
Bildwerken. Wir wollen hier nur auf ein s aut-
merksam machen. In meinen Denkm d. a^ K
II 35, 409 ist eine Bronzemunze von Laodikeia
in'Phrygien nach Eckhel Vet. num. anecd. t. XiV,
^12 wiederholt, in deren Typus man früher
den kleinen Dionysos auf dem Arme des Zeus
erkennen zu können vermeinte. Aber schon Ste-
phani bemerkte im Compte rendu de la com-
Lss. Imper. arch. de St..Petersbourg Q^^^^
ann 1861 p. 18, daß kein alter Schrittsteliei
dem Könii der Götter die Pflege des Dionysos
beUege und wollte deshalb anstatt Zeus Silei
erkann wessen. Diese Deutung trifft ohne Zwei-
Li das Richtige. Freilich hält J. Fnedlaendei
083
Ml Sallet's Zeitschrift für Nnmismatik Bd. II,
S. 108, da eine andere Münze derselben Stadt
mit dem gleichen Typus deutlich zeigt, daß »der
Manu in der Rechten eine Harpe hält«, es
für ausgemacht, daß >Saturn mit dem kleinen
Zeus€ dargestellt sei. Daß aber jener nicht ge-
meint sein kann , wird einem jeden Kenner der
Kunstmythologie einleuchten. Die Sichel bestä-
tigt vielmehr die Deutung auf den Silen.
Von den in Glasschränken aufgestellten Sta-
tuetten erwähnen wir zuerst die sehr schöne, zu
den größeren Werken gehörende Figur einer ver-
hüllten Tänzerin, die lebhaft au jüngst bekannt
gewordene ähnliche Figuren auf einem Griechi-
schen Spiegel und einem Relief aus dem Theater
des Dionysos zu Athen erinnert. Da dieses Werk
kürzlich photographirt worden ist und vermuth-
lich bald veröffentlicht werden wird, so begnügen
wir uns mit dieser Hindeutung auf dassselbe.
Eine andere etwas größere Statuette stellt
ein Knäbchen dar, welches mit der gehobenen
linken Hand etwas darreichen oder zeigen zu
wollen scheint und auch in der Rechten etwas
gehalten haben muß. Die Figur tritt mit den
Zehen des rechten Fußes auf den Boden und
hält den linken Fuß rückwärts; sie entspricht
also fast vollständig der Brunnenfigur aus No-
cera dei Pagani bei Clarac Mus. de sc. pl. 7G1,
C, n. 1849 B, deren Haartracht sie auch theilL
Von zwei Statuetten sehr geringer Dimensio-
nen stellt die eine die Antiochia (ohne den Oron-
tes, wie auch sonst, s. Götting. Nachricht. 1874,
S. 570), die andere die vollständig gewandete
Venus mit Amor hinter der linken Schulter dar.
Letztere, die etwa aus der Zeit Trajans oder Ha-
drians stammt und im Jahre 1837 noch im Pri-
vatbesitz König Carl Alberts war, ist von Cla-
684
raP a a 0. pl. 632D, n. 1293A, und, in dreifa-
L Ansicht Non Gazzera Mem. dell' Accad^ dx
Torino Ser. IL T.I, 1839 «- -«-, -tor e filo^^
mit ausführlicher Besprechung p. 129 tg. heraus
^'^Ganz vortrefflich gearbeitet ist die Statuette
eines Stiers mit schöner grüner Patina, die sonst
an den Bronzen aus Industria -^h /ben vor:
Vnmmt von srößeren Dimensionen als die L> res-
SVekhe^H. Meyer auf ein Werk des Stron-
evlion bezog, und als die Münchener.
^^ Erwähnung verdient auch ein runder Medu-
aenkoüf ein fragmentirter Blitz, (der, wenn er
S'etwa ein Votiv war, zu eiiier Colossalsta-
tue Jupiters gehört haben muß) und ein Fuß-
fragment, beide vergoldet, beide einst nach Pa-
''^ Unter "^ den kleinen Bronzestatuetten anderer
Herkunft nennen wir, ohne damit sagen zu wol-
len, daß nicht auch andere hervorgehoben wer-
den könnten, als uns in gegenstandhcher Bezie-
Sunginteressirend, zwei der Minerva mit der Eule
aufLnand, einmalauf der linken das andereMal
auf der Rechten (s. Denkm. da. Kunst, 1 ext zu
Bd II n.219, Stephani, Compte rendu de la com-
^;s/lmp. arch. de St. Petersbourg pour 1 ann.
1867, p. 160, KMe Ballett^ d,Iust. arch. 1868,
TD 50, n. 2, Schöne Griech. Reliefs, S. 46 U.A.),
Le Herm'e des Priap mit Kalathos auf dem
Kopfe; endlich eine Gruppe: eme auf einem Po-
stamente stehende weibliche Figur mit goldenem
(vergoldetem) Kranze auf dem Haapte, zwei gol-
denen Bändern an beiden Armen, am Oberleibe
nackt, das Gewand (Himation) mit der Linken
fassend, wie es scheint in der Rechten emen Apfel
haltend, vor ihr ein Tritt mit einigen Stufen
und daneben zwei kleine Harpokratesfiguren.
685
Das Weib ist sicherlich Venus, bei der sich auch
sonst in Bronzen der Schmuck aus Gold oder
vergoldet findet, vgl. oben S. 632 und Göttiug.
Nachr. 1874, S. 606, sowie Friedrichs Berlins
ant. Bildw. II, n. 1928. Daß Harpokrates At-
tribute von Amor angenommen hat, ist bekannt.
Hier würde man aber, wenn es sich bei den un-
geflügelten Figuren um Amoreu handelte, anneh-
men müßeu, daß der habituelle Gestus des Har-
pokrates auf diese übertragen sei. Clarac hat
nun freilich Mus. de sc. T. IV, p. 144, zu pl.
641, n. 1455 in einer Statuette der Sammlung
Giustiniani einen Amour en Harpocrate erkennen
wollen, aber ohne allen Grund. Ich weiß keine
andere Erklärung für die Bronzegruppe zu fin-
den, als die, daß die Venus die Libitiua sein
soll (als welche Welcker Griech. Götterlehre H,
S. 716 auch die nach Plutarch Quaest. Rom.
XXIII zu Delphi verehrte ^yiqQoöitrj *Entivfißia
faßt) und das Paar von Knabeufigureu, welches
die Hand auf den Mnud legt, Repräsentanten
der Todesstille, welche zunächst zusammenzustel-
len sind mit jener Marmorstatuette zu Oxford,
welche einen ungeflügelten Knaben darstellt, der
die linke Achsel auf eine umgestürzte Fackel
stützt und den Zeigefinger der rechten Hand ge-
gen den Mund hinhält, vgl Clarac Mus. de sc.
pl. 763, n. 1876A.
Ganz besonders aber verdient hervorgehoben
zu werden ein etwa 3*/2 oncie hohes und, wo
es den größten Durchmesser hat, 2^2 oncie breites
Bronzegefäßchen unbekannter Herkunft, um
welches in breiten Zwischenräumen die Buch-
staben ITASIR herumlaufen und darunter, am
Bauche, ein höchstbeachtenswerthes, auf den In-
dischen Krieg des Bacchus bezügliches Relief.
Schon Miliin, der dieses Stück a. a. 0. S. 263
58
fe. ganz kurz erwähnt, besaß eme Zeichnung da-
von- abbildlich mitgetheilt ist es auf zwei Ta-
feln von Franchi-Pont in den Mem. dell Accad.
di Torino, T. XXIII, 1818, Gl. disc.mor., istor.
e filoT Bin genaueres Eingehen auf die einer
rnuerten Abbildung und Besprechung sehr
werthe Darstellung würde uns hier zu weit fuhren
An den Saal mit den Metallsachen schließt
.ich ein A beitszimmer des Directors des Muse-
ums ^ welchem zugleich die diesem gehörenden
Szen aufbewahrt werden. In Turm befinden
S iMich drei öffentliche Münzsammlmigen
die in Rede stehende, die ^^^ königlichen Palate
und die im Museo Civico aufbewahrte. Diese
beschränkt sich dem Vernehmen nach auf Me-
daillen und Münzen den Regierungen und Ge-
meinden Italiens. Auch die an zweiter Stelle
^nannte enthält mittelaltrige und moderne
Szen Die Sammlung des Universitatsmuseums
st der classischen Numismatik gewidmet. Sie
!+ im Tahre 1866 durch die Einverleibung
der n'cht tittelaltrigen oder modernen Münzen
der durch Carlo Cornaglia's Beschreibung bekann-
Z Sammlung Lavy (Museo n^--'. ^avy ^J
+pnPTite alla R. Accademia di Tonno , i Voll.,
ToHno 1839-1840) bedeutend vergrößert , und
LtSt im Jahre 1872 nach Angabe Fabretti's m
der erwähnten Schrift über das Museo di Antich
beläufiT 24000 Münzen. Besonders stark sind
veÄißmäßig die Consularmünzen ver re^eu,
etwa 5000 Stück (vgl. über f . *^^^[^f^^J^^'^
rnlti numism. del Mus. di Antich. in iorino,
rSTerdarh die Alexandriner, über welche
Ol oi'g di San Quintino Descriz. delle med im-
;:Si Alessandrini ined. del reg^ Mus. E^^^^^^^^^
Ai Tnrino T. 1824, geschrieben hat. An Selten
heiten ?ehU es nicht Schon früher ist Manches
687
davon in den Schriften der Turiner Akademie
herausgegeben und besprochen. Einige andere
seltene Stücke signalisirt Fabretti Mus. di Ant.
p. 39 fg. , darunter auch eine Brouzemünze, die
unter Gordianus Pius von den Bewohnern der
aus Stephanus Byzant, und Corp. Inscr. Gr.
n. 4315 bekannten Lykischen Stadt Akalessos
oder Akalisses geprägt ist (die Aufschrift bietet die
Form mit I: AKAAICC^ÜN). Außerdem hat
Fabretti a. a 0. p. 41 und 44 zwei Stücke in
guten Abbildungen veröffentlicht : das besterhal-
tene Exemplar eines zudem wegen seines Ge-
wichtes, 352 Gramm, besonders beachtenswerthen
As von Tarquinii mit Eberkopf auf der einen
und Lanzenspitze auf der anderen Seite, und
ein bis dahin ganz unbekanntes, ja noch kürzlich
der großen Kunde J. de Witte's, der in der
Gazette archeologique , II, 1876, p. 26 fg. die
auf Herakles mit der Hindin bezüglichen Bild-
werke zusammengestellt hat, entgangenes Stück,
eine Bronzemünze mit schöner Patina, von Gr.
23, 29 Gewicht, welche über dem Carapanischen
Quadrans, von dem Cohen Med. consul. pl. LXXI,
n. 5 ein Exemplar herausgegeben hat, vermuth-
lich in den letzten Jahren des fünften Jahrhun-
derts der Stadt Rom geprägt ist, so zwar, daß
auf beiden Seiten mehr oder weniger starke
Spuren des früheren Gepräges zurückgeblieben
sind. Der Avers zeigt den Kopf der Ceres , der
Revers Hercules mit dem linken Beine auf dem
zusammengebrochenen Hindin kniend , deren Ge-
weih er mit beiden Händen gefaßt hat ; hinter
ihm die Keule, unt«n im Abschnitt: ROMA.
Es handelt sich hier also um eine verhält niß-
mäßig alte Wiederholung der auf ein berühmtes
Original zurückgehenden Darstellung.
Wir wollen schließlich nicht verfehlen zu
58»
688
bemerken, daß sieli in einer anderen, ganz an-
dersartigen Sammlung Turins noch einzelne
Werke aus dem classischen Alterthum befinden,
in der glänzenden Armeria Reale. Hier trifft
man nämlich nebenbei auch einige Proben von
sogenannten praehistorischenundvon Griechischen
und Römischen Waffen (darunter zwei Griechi-
sche Helme), denen ein besonders seltenes Stück
aus Römischer Zeit hinzugefügt ist, nämlich ein
hohles, vorn mit einem Eberkopf versehenes
bronzenes nQOSfißöhov (B. Graser Arch. Ztg. 1873,
S. 50, Anm). Wir irren ohne Zweifel nicht,
wenn wir annehmen, daß dieses das früher in
der Armeria zu Genua aufbewahrte ist, dessen
Abbildung man aus der Description des Beautes
de Genes (ä Genes 1778) p. 35 in Welcker's A.
Denkm. Th. V, Taf. XHI wiederholt findet.
Üeber- den Nebendarm der Echinoideen.
Von
Dr. Hubert Ludwig.
(Vorgelegt von Ehlers.)
Die folgenden Zeilen bezwecken einer irr-
thümlichen Ansicht, welche bezüglich des Ent-
deckers des bei Echinoideen vorkommenden Ne-
bendarmes sich in die Literatur einzuschleichen
begonnen hat, entgegenzutreten.
Zur Orientirung sei bemerkt, daß sich bei
den Echinen und Spatangen am Darme ein eigen-
tbümliches Anhangsgebilde befindet, dessen mor-
phologische und physiologische Bedeutung noch
nicht zu Genüge aufgeklärt ist. Dasselbe stellt
689
einen Kanal dar, welcher an beiden Enden in
offener Kommunikation mit dem Darmlumen
steht. Ich nenne dieses Organ den Neben-
darm.
Die Entdeckung des Nebendarms wird nun
wie es scheint allgemein C. K. Hoffmann zuge-
schrieben. Dieser Forscher beschrieb nämlich
im Jahre 1871 in seiner Abhandlung: Zur »Ana-
tomie der Echinen und Spatangen«') bei Spatan-
gus purpareus »ein sehr merkwürdiges Organ,
dessen Homologie im ganzen Thierreich nicht
bekannt ist. Es ist ein ziemlich langes mehr
oder weniger gewundenes, theil weise an der
großen , ventralen Mesenterialplatte verlaufendes,
mit zwei Oeffnungen in den Darm einmündendes
Organ« und er nannte dasselbe »das gewundene
Organ.« Hoffmann hält sich selbst für den Ent-
decker des Nebendarmes, seines »gewundenen
Organes«, wie aus der beigefügten Bemerkung
hervorgeht: »Weder von Job. Müller noch von
Delle Chiaje wird das Organ erwähnt. Nur
Milne Edwards ^) hat dieses Organ gesehen , ob-
gleich aus dem Namen , welchen er demselben
beilegt, hervorgeht, daß er es nur sehr ober-
flächlich betrachtet haben muß. Er nennt das-
selbe: »le vaisseau ä parois epaisses ayant l'ap-
parence d'un coeur.« Er scheint dieses Organ
also mit dem Blutgefäß (Bauchgefäß) , welches
unmittelbar daneben, verläuft, in Zusammenhang
gebracht zu haben was aber durchaus falsch
ist. In der ganzen Literatur habe ich weiter
keine Angaben über dieses Organ auffinden
können«.
Bei der Bestimmtheit der eben angeführten
1) Niederländisches Archiv für Zoologie I. p. 41.
2) Cuvier. Regne animal. Zoophytea PI. 11 bis.
Fig. 1. i, j.
690
Behauptung ist es erklärlich, daß von verschie-
denen Seiten Hofifmann die Entdeckung des Ne-
bendarraes zugeschrieben wird. So geschieht
dies von R Leuckart^), E. Perrier'^), A. Giard^)
und R. Teuscher*). Perrier ist sogar der Mei-
nung, Hoffmann habe den Nebendarm nicht nur
bei Spatangiden, sondern auch bei Echiniden
aufgefunden, was indessen nicht der Fall ist.
Nirgends beschreibt Hoffmann den Nebendarm
bei Echiniden; seine Abbildungen sowohl als
seine Schilderung im Texte beziehen sich nur
auf Spatangus.
ajjjjjj'-|j'(yen wir nun einmal die von Hoffmann
DpMo nu'^^'""^^- sulla storia e notomia degli
Ch^L "^f "^^^' ■^- del regno di Napoli von
uSii-f^""? ^"" Neb^mann behauptet Delle
BeuTL- - ^^^^ ^^' ^o W°i ^^^^^- ^^ Wirk-
wL.-t^-^^ ^wohlbekannt, er^ stehende Organ
2ten,^tlh:f^^«/- Entdecke ^T T'
Memorie eto tI V ^^^^«^iiieneuen^g- ^^ ^em
^ou öpatangus mit h bezeichl* ^^^ ^^'
'let, seine
1872 n®''"'"«^^^ ^ür 1870-71 au-.
oC T,"- P- 198. ^"^"^'^ ^- Natu
, ^) Kecherches qnr i>„v, ., Tgesch.
Arch, de ZoolVZiLZ"l%' ^'^''^^^'oire des ou. .
Duthiere T. IV ^oyl ^'^„Sfener p. p. jj ■, "^' rsins.
<t,
691
ürsprungsstelle am Vorderdarm ist genau ange-
geben und in der Tafelerklärung (p. 380) ist h
erklärt: »canale che dal termiue dell' esofago
finisce uell' intestiuo.« Das Ende des Organes
ist allerdings in der Zeichnung nicht deutlich.
Im Texte aber gibt Delle Chiaje die Endmün-
dung des Nebeudarmes in den Darm mit klaren
Worten an; an der Uebergangsstelle des Oeso-
phagus in das Duodenum (ich nenne die Darm-
abschnitte nach der Terminologie Delle Chiaje's,
die Stelle entspricht der Uebergangsstelle des
Magens in den Dünndarm nach HoflFmanu) ent-
springt (p. 332): >uu canale abbastanza ristretto
e traversalmente diretto verso Tincomincikmento
del digiuno, ove si apre.«
Hoffmaun sagt ferner, er habe in der ganzen
Literatur weiter keine Angaben über dieses
Organ auffinden können. Er hätte aber an drei
verschiedeneu Orten und zwar in Werken, die
in Aller Händen sind, Andeutungen über Delle
Chiaje's Entdeckung finden können.
In den Icones zootomicae von Kud. Wagner,
Leipzig 1841, ist die oben angeführte Original-
abbildung Delle Chiaje's mit Angabe der Quelle
copirt auf Taf. XXXII, Fig. YIII; freilich ist in
dieser Copie der Nebeudarm ohne Erläuterung
geblieben, indessen deutlich eingezeichnet.
In dem Lehrbuch der vergleichenden Anatomie
von Siebold u. Staunius, Band I, 1848, findet sich
p. 92, Anm. 8 die Notiz: »Die Bedeutung des von
Delle Chiaje abgebildeten Kauais, welcher vom
Anfang des Darms zum mittleren Theile dessel-
ben hinüberläuft, konnte bis jetzt nicht ent-
räthselt werden.«
In den Icones zootomicae von J. Y. Carus,
Leipzig 1857, Tab. VI, Fig. 3 wird wiederum
eine Copie der Delle Chiaje'schen Figur mit
692
Angabe der Quelle gegeben; der Nebendarm ist
auch hier in die Zeichnung eingetragen, aber
ohne Erläuterung.
Aber auch bei den Echinen hat weder Hoff-
mann, wie Perrier meint, noch auch Teuscher,
wie er selbst zu glauben scheint, den Nebendarm
entdeckt, sondern auch hier gebührt das Ver-
dienst Delle Chiaje. Auf der Tav. XXIV seines
oben angeführten Werkes hat derselbe in Fig. 3
den Nebendarm von Echinus abgebildet. Er ist
in der Figur mit d bezeichnet; d entspringt am
Oesophagus und verläuft am inneren Darmrande
bis zum Uebergang der ersten in die zweite
Darmwindung. In Delle Chiaje's Tafelerklärung
heißt es (p. 378) : »d, canale che costeggia tutto
l'interno lato del duodeno (= erste Darmwin-
dung) e termina nell' incominciamento dell' ul-
timo tratto del canale degli alimenti (= letzte
Darm Windung).« Ferner im Texte: »il duodeno
e nel margine interno libero costeggiato da un
canale rotondo avente longitudiuali e poco pro-
fonde rughe, che incomincia dal termine dell'
esofago e finisce al principio dell' intestino tenue ;
stabilendosi in tal modo una communicazion e
diretta tra questo budello e Fesofago.«
Göttingen 24. Octob. 1877.
693
llniyersität.
Die Universität hat wiederum zwei Verluste
zu beklacren. Am 17. Sept. starb im kräftigsten
Mannesalter und aus erfolgreichstem Wirken ab-
gerufen der Geheime Justiz-Rath und ordentliche
Professor der Rechte, Dr. jur. Hart mann, und
ihm folgte 2. Octbr. hoch betagt, aber bis zu
seiner letzten Krankheit körperlich rüstig und
wissenschaftlich thätig, der Hofrath und ordent-
liche Professor der Medicin, Dr. med. Marx.
Ernst Joachim Otto Hartmann war am
30. Sept. 1822 zu Lüneburg geboren und er-
hielt seine wissenschaftliche Vorbildung auf dem
Johanneum seiner Vaterstadt unter dem Director
Hagen , der den talentvollen Schüler mit beson-
derer Liebe geleitet hatte und demselben auch
noch nach seinem Abgange von der Schule in
der Wahl seiner Studien und seines Berufes ein
liebevoller Berather geblieben ist. Zu Ostern
1841 bezog Hartmann die Universität Göttingen,
um dort zuerst Philologie zu studieren , von der
er aber bald zum Rechtsstudium überging, wel-
ches er, nachdem er Michaelis 1843 nach Berlin
gegangen und von da Ostern 1844 nach Göttin-
gen zurückgekehrt war, auf dieser Universität
Michaelis dieses Jahres beendigte, auf welcher
er auch bei der akademischen Preisvertheilung
im J. 1844 den juristischen Preis erworben hatte.
Nach abgelegtem Staatsexamen wurde er 1845 als
Auditor bei der Justiz-Kanzlei zu Göttingen ange-
stellt, und habilitierte sich im Juli desselben Jahrs,
nachdem er hier den juristischen Doctorgrad erwor-
ben hatte, als Privatdocent in der juristischen
Facultät. Das Jahr darauf trat Qr von der Justiz-
Kanzlei zurück, um sich ganz dem akademischen
Berufe zu widmen und ward am 24. Sept. 1851
694
zum ausserordentlichen Professor ernannt. Im
Herbste 1859 folgte er einem I^J^f«,^ ^^^^iJX
lieber Professor derRecbtswisseuscbaft nach Halle,
von wo er zu Ostern 1862 in gleicher Eigen-
schaft nach Göttingen zurückkehrte, ^^l^'^^^
dieser Universität treu zu bleiben. I^ach Ab
lehnung eines Rufes als Director des Appella-
iionsge'richts zu Jena im Mai 1866 -rd« f^^^
mann zum Hofrath, und nachdem er 1875 das
Ordinariat des Spruch - CoUegmms übernommen
hatte, zum Geheimen Justiz -Rath ernannt.
Einer sehr kräftigen Constitution sich erfreu-
end und der akademischen Lehrthathigkeit mit
grosser Liebe ergeben, unterbrach er dieselbe auch
nicht als in Folge eines zu Anfang des Jahrs 18 / b
anscheinend als'' Zahnfistel auftretenden Leidens
während des Sommersemesters schon wiederholt
kltnere chirurgische Operationen nothwendig
wurden. Nachdem das beiden aber immer zu-
genommen und dann eine Geschwulst des Ober
kiefe^s eingetreten war, mußte er sich zu An-
Wdieses Jahres einer schweren lebensgefahr-
liehen Operation unterwerfen, die geschickt aus-
Geführt seine kräftige Constitution so glücklich
|wtd,Tß er in? darauf folgenden "^^^
Semester das Katheder ^^^J^er besteigen komie.
Die Hoffnung, daß durch die ^V^'f^J'Ja^l
derkehr des Leidens wenigstens auf e ne längere
Zeit abgewendet worden, hat sich aber leider nicht
ermilt.^ Schon zu Anfang Juni mußte eine neue
a t noch tiefer eingreifende Operation ^o^^^^^^
nommen werden, welche er auch |l^^f ^^ f ^^^
stand durch welche aber seine Kratt doch ge
brolen wurde. Dennoch gelang es semer^ selte-
nen Willenskraft die Vorlesungen nach f aut Wo
chen wieder fortzusetzen und auch ohne Un er-
brechung zum Schluße zu bringen, und nicht
695
weniger anzuerkennen, sowie auch ein Beweis da-
für, was die Universität an Hartmann verloren
hat, ist es wohl, daß eine verhältnißmäßig sehr
große Zahl Zuhörer dem geliebten Lehrer bis
zur letzten Stunde treu blieb, obgleich in Folge
der wiederholten Operationen seine Sprache sehr
schwer verständlich geworden und es die ange-
strengteste Aufmerksamkeit erforderte, seinem
Vortrage zu folgen. Nach dem Schlüsse der
Vorlesungen hatte das Leiden schon wieder so
um sich gegriffen, daß eine abermalige Opera-
tion nicht mehr möglich war und dasselbe nun
seinem natürlichen Verlaufe überlassen werden
mußte. Doch erfolgte ein sanfter Tod an einer
hinzugetretenen Lungenentzündung.
Carl Friedrich Heinrich Marx, geboren an
Carlsruhe 10. März 1796, besuchte das Lyceum
daselbst und studierte von 1813 an Medicin zu
Heidelberg, woselbst er im J. 1817 auch den
medicinischen Preis erhielt. Im October 1818
machte er zu Carlsruhe sein Staatsexamen , und
trat daselbst die ärztliche Praxis an, begab sich
aber bald zur weiteren wissenschaftlichen Aus-
bildung auf eine größere Reise durch das süd-
liche und nördliche Deutschland , die Schweiz
und Oberitalien, nach welcher er im J. 1820 zn
Jena den medicinischen Doctorgrad erwarb und
zu Ostern 1822 zu Göttingen sich als Privatdo-
cent habilitierte, nachdem er das Jahr zuvor da-
selbst Accessist an der Bibliothek geworden,
welche Stelle er nach seiner Ernennung zum
außerordentlichen Professor in der medicinischen
Facultät aufgab, welche am 5. Januar 1826 er-
folgte. Am 1. Januar 1831 wurde er zum or-
deutlichen Professor befördert und 1840 zum
Hofrath ernannt. — Auch die Königliche Gesell-
schaft der Wissenschaften, welcher Marx seit dem
696
Jahr 1833 als ordentliches Mitglied der physi-
kalischen Classe angehörte, hat an ihm ein sehr
thätiges Mitglied verloren. Noch in seiner letz-
ten Krankheit beendigte er für dieselbe eine
Abhandlung, unter dem Titel: »Uebersichtliche
Anordnung der die Medicin betrejßfeuden Aus-
sprüche des Philosophen Lucius Annaeus Seneca.«
Bis zum Jahre 1863 ist Marx auch ein sehr flei-
ßiger Mitarbeiter au den Göttingischen gelehrten
Anzeigen gewesen.
Für das Jahr vom 1. Sept. 1877 bis dahin
1878 ist der Geheime Regierungsrath Professor
Dr. Lotze zum Prorector erwählt und bestätigt.
Am 1. Sept. schied aus dem Verwaltungsaus-
schusse der Universität: der Professor Dr. Eb-
stein; dafür trat Professor Dr. König ein,
gewählt auf die Zeit vom 1. Sept. 1877 bis 1.
März 1880.
Am 1. Sept. 1877 erlosch das Mandat des
Geh. Justiz-Raths Professor Dr. John als Mit-
glied des Rechtspflegeausschusses, derselbe ist
aber für die Zeit vom 1. Sept. 1877 bis 1. März
1879 wiedergewählt.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Bulletin de la Soc. mathetaatique de France. T. V.
No. 4.
Miltheilunpren der antiquarischen Gesellschaft in Zürich.
XL. XLI. 1876-77. 4.
697
Schriften der naturforschenden Gesellschaft za Danzig.
Bd. IV. H. 1. 1876.
Astron. u. meteorol. Beobacht. a. d. K. K. SterD^arte za
Prag im J. 1876. 4.
The 5. ann. Report of the board of Directors of the zoo-
logical Society of Philadelphia 1877.
The Transactions of the R. Irish Academy. Vol. XXV.
20. 1875. Vol. XXVI. 1—5. 1876. 4. Dubün.
Proceedings of the R. Ir. Acad. Vol. II. Ser. II. 4—6.
List of the Council etc. of the R. Ir. Acad. 1876.
Memoires de l'Acad. des sciences etc. de Montpellier. Sec-
tion des sciences. T. VIII. 3 Fase. 1875. Montp.
1876. 4.
Sitzungsberichte der philosophisch, etc. Classe der Akad.
d. Wiss. zu München. 1877. 1.
Desgl. der mathem.-physik. Classe. 1877. 1.
A. Ecker, üeber den queren Hinterhauptswulst am Schä-
del verschiedener aussereuropäischer Völker. Freibarg.
1877. 4.
Zur Kenntniss des Körperbaues früherer Einwohner der
Halbinsel Florida. Freib. 1877. 4.
G. Struever, Studi petrografici sul Lazio. Roma 1877. 4,
— Studi minerali del Lazio. Parte seconda. Roma
1877. 4.
Bulletin de l'Acad. R. des sciences de Belgique. T. 43.
No. 4. 1877.
Annais meteorologiques de TObservatoire R. de Broxel«
les. Fol. 2. 1877.
Observations meteorologiques faites aux stations Internat.
de la Belgique. Mars 1877. 4.
Herrm. Franz von Rinecker, Festschrift der med. Fa-
cuUät in Würzburg. 1877. 4.
Bulletin et Memoires de l'Cniversite Imp. de Kasan.
1676. No. 1—6.
Memoires de l'Acad. Imp. des sciences de St-Petera«
bourg. 4.
T. XXn. No. 11. A. Boettcher, Neue Untersu-
chungen über die rothen Blutkörperchen.
No. 12. 0. Heer, Zur Jura-Flora Ostsibiriens und
des Amurlandes.
T. XXllI. No. 2. W. Grub er, Monographie über
das Corpusculnm triticcum und über die accidentelle
Musculatur der ligamenta hyothyreoidea laterealie.
No. 3. M. Nyren, Das Aequinoctium für 1865.
No. 4. M. A. Boutlerow, Condensation des hy-
drocarbures de la serie ethylenique. — Sar l'isodibuty-
Ifene.
No. 5. L. Masing, Die Hauptformen des serbisch-
chorwatischen Accents etc.
No. 6. Zach, von Lingenthal, Zur Kritik und
Restitution der Basiliken.
No. 7. Ders., Die griechischen Nomokanones.
No. 8. H. Wild, Meteorologische Studien,
T. XXIV. No. 1. A. Harkavy, Altjüdische Denk-
mäler der Krim.
No. 2. J. Schmalhausen, zur Kenntniss der
Milchsaftbehälter der Pflanzen.
No. 3. W. Grub er, Ueber den Infraorbitalrand
bei Ausschliessung des Maxillare Superius.
Tidschrift voor Indische taal- land- en volkenkunde. D.
XIII. No. 5—6. D. XIV. No. 1-3. Batavia 1877.
Notulen van de algem. en bestuurs. vergaderingen van
het Bataviaasch. Genootschap. D. XIV. No. 2—4.
1877.
Verslag van eene Verzameling Maleische, Arabische, Ja-
vaansche en andere Handschriften. Batavia 1877.
Catalogus der ethnologische Afdeeling van het Museum
van het Bataviaasch Genootschap van Künsten en We-
tensch. Batavia 1877.
F. S. A; de Clercq, Het Maleisch der Molukken. Ba-
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Memoires de la Societe des Sciences de Bordeaux. T. II.
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J. Roulez, trois medaillons de poteries romaines. Pa-
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Verhandlungen der in Brüssel 1876 vereinigten perma-
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Redig. von C. Bruhns. A, Hirsch. Berlin 1877. 4,
Nature. 402. 403. 404.
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sick and wounded by pac animals. Washington 1877. 4.
Magister Lorenz Fries, die Geschichte des Bauern-
krieges in Ostfranken. Lief. 1. Bogen 1 — 10. Würz-
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699
Archiv des histor. Vereins von ünterfiranken und Aschaf-
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Archiv des Vereins f. siebenbarg. Landeskunde. XIII.
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Programm des Gymnasiums zu Hennannstadt. 1876.
Jahresbericht des Vereins für siebenbürg. Landeskunde f.
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MonthlyNoticesoftheR. Astron. Society. XXXVII. No. 8.
N. Nicolai des, Änalectes sur les divers parties de ma-
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Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Bd. VI.
No. 3. 1877.
Transactions of the Zoolog. Soc. of London. Vol. X. P.
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Proceedings of the scientific meetings of the Zoolog. So-
ciety of London for 1877. Part 1.
Atü della R. Accad. dei Lincei anno CCLXXHI. 1875
—76. Seria seconda. Vol. HI. Parte terzia. Roma
1876. 4.
Compte rendu de la Commission Imp. Archeologique pour
les annees 1872—74. 4. Avec 3 Atlas. St. Petersbourg
1875—77. Fol
J. Ericsson, Contributions to the centennial exhibition.
New York. 1876. 4.
Jahrbuch über die Fortschritte d. Mathematik. Bd. VII.
H. 3. Jahrg. 1875.
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No. 5. 1877.
F. Pasquale, sopra alcone monstrosita dei fiore della
Viola odorata etc. 4.
Verhandlungen der physik. -medic. Gesellschaft in Wün-
burg. Bd. XI. 1-2. 1877.
E. Betti , sopra e sistemi tripli di superficie isoterme e
ortogonali. Pisa 1877. 4.
Instruments and publications of the ü. S. Naval Observa-
tory. Washington. 1845—76. 4.
Bulletin de la Soc. mathem. d. France. T. V. No. 5.
1877.
C. Marignac, sur les equivalents chimiques etc. Geneve
1877.
H. J. Bidermann, die Romanen und ihre Verbreitong
in Oesterreich. Graz 1877*
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sciences de St. Petersbotu-g.
T. XXIU. No. 4. 1877. 4.
700
Nature. 405—417.
Leopoldina. XIII. No. 13-14. 15-16. 17—18.
R. Lipschitz, Lehrbuch der Analysis. Bd. I. Bonn
1877.
XVI. Bericht der Oberhess. Gesellsch. für Natur- u. Heil-
kunde.
Monatsbericht der K. Akademie d. Wiss. zu Berlin. Mai
Juni, .Juli 1877.
Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou.
1877. No. 1—2.
F. V. Müller, Select Plants for Industrial Culture in
Victoria. 1876.
I. Verwaltungsbericht der Akad. Lesehalle in Czernowitz.
1877.
J. W. Glaesher, 7 mathem. Abhandlungen.
Jahrbuch der K. K. geolog. Reichsanstalt. Bd. XXVII.
No. 1. Mit Tschermak Mineralogische Mitth. Bd.
VI. H. 2. 1877.
Verhandlungen der K. K. geolog. Reichsanstalt. 1877.
No. 7—10.
Bidrag tili Kännedom af Finlands natur och folk. Heft
.. 20. 25. 26.
Öfversigt af Finska Vetensk. Societetens Förhandlingar.
XVIII. 1875-76.
Observations meteorologiques. Par la Soc. de Finlande
1874.. Helsingfors.
Memoires de la Societe des Antiquaires de Picardie. Do-
cuments inedits concernant la Province. T. 7 — 8.
Amiens 1869 — 1871. 4.
Memoires de la Soc. des Antiq. de Picardie. T. V. 1876.
Bulletin de la Soc. des Antiq. de Picardie. T. XII.
1874-76.
Bulletin de l'Acad. R. de Belgique. T. 43. No. 6. T. 44.
No. 7-8.
Amtliches Plagiat? oder: Was? Ein Circular von W«
Schlötel. 1877.
Donders u. Engelmann, Onderzoekningen eto. Bd.
IV. Aufl. 2. Utrecht 1877.
R. Wolf, Astronom. Mittheilungen XLIV.
R. Born st ein, der Einfluß des Lichts auf die electrische
Spannung in Metallen.
Atti della R. Accad. dei Lincei. Transunti Vol. I. Fase.
7. 1877.
(Fortsetzung folgt.)
(
701
IVach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
28. November. M 25. 1877.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaffen.
Sitzung am 3. November.
(Fortsetzung.)
Versuch einer Theorie der elektri sehen
Scheidung durch Reibung.
Von
Eduard Blecke.
Der Yersach für die mannigfach verwickelten
Erscheinungen der elektrischen Scheidung durch
Reibung einen theoretischen Leitfaden zu ent-
wickeln konnte so lange als überflüssig und dem
Bedürfnisse der Wissenschaft nicht entsprechend
bezeichnet werden, als es an dem Beobachtungs-
material zur Prüfung der Brauchbarkeit dieses
Leitfadens vollkommen fehlte. Nun ist es aber
Rieß gelungen, auch auf dem Gebiete der durch
Reibung bewirkten elektrischen Scheidung zu
quantitativer Messung der geschiedenen Elektri-
citäten fortzuschreiten , und wenn auch bei der
Schwierigkeit solcher Messungen die Resultate
noch nicht als endgültige zu betrachten sind,
so genügen sie doch zu einer vorläufigen Prü-
fung der auf theoretischem Wege zu entwickeln-
den Gesetze. Zu den Messungen von Rieß
59
702
kommen aber noch hinzu die Beobachtungen von
Zoellner über gewisse bei der Reibung zweier
Körper auftretende elektrische Strömungen.
Zöllner hat gezeigt, daß Ströme von ganz der-
selben Art, wie sie Quincke bei dem Strömen
von Wasser und von anderen schlecht leitenden
Flüssigkeiten durch Diaphragmen beobachtet
hatte, auch bei der Reibung zweier fester Kör-
per auftreten. Sollte sich nun ergeben, daß die
theoretischen Betrachtungen auch für die Er-
klärung dieser Erscheinungen eine Möglichkeit
offen lassen , so darf man wohl erwarten , daß
dieselben für die weitere experimentelle For-
schung auf dem Gebiete der ReibuDgselektricität
einen nützlichen Leitfaden zu bilden im Stande
sind. Ich erlaube mir daher, die folgenden theo-
retischen Betrachtungen über den Vorgang der
elektrischen Scheidung durch Reibung vorzule-
gen, zu deren weiterer experimenteller Prüfung
ich einen meiner Schüler veranlaßt habe.
I.
Aufgabe: Gegeben sei die unbegrenzte
ebene Oberfläche eines Isolators, von dem ange-
nommen werden soll, daß er durch Reibung ne-
gativ elektrisch werde. Diese Oberfläche sei in
irgend einer gegebenen Weise bedeckt mit elek-
trischem Fluid um. Der Reiber sei gegeben
durch einen unendlich schmalen Streifen eines
zweiten bei der Reibung positiv elektrisch wer-
denden Körpers , der in einer zu seiner Längs-
richtung normalen Richtung mit gegebener kon-
stanter Geschwindigkeit über die isolireude Ober-
fläche weggeführt werde. Es soll die elektri-
sche Dichtigkeit auf der Oberfläche des Reibers
und die Aenderung der elektrischen Dichtigkeit
auf der isolirenden Oberfläche bestimmt werden.
7D3
Wir gehen bei der Lösung dieser Aufgabe
aus von folgenden Hypothesen.
1. Die in der Zeiteinheit durch den Vor-
gang der Reibung auf der Oberfläche des Rei-
bers entwickelte Elektricitätsmenge ist propor-
tional mit dieser Oberfläche.
2. Die Menge der geschiedenen Elektricität
ist proportional der Geschwindigkeit, mit welcher
der Reiber über die Oberfläche des Isolators
weggeführt wird.
3. Der scheidenden Kraft der Reibung wir-
ken entgegen die von der schon geschiedenen
elektrischen Flüssigkeit ausgeübten Kräfte. Es
wird angenommen, daß durch diese Kräfte eine
fortdauernde Wiedervereinigung der geschiedenen
Elektricitäten bedingt wird , und daß die Elek-
tricitätsverluste , welche in Folge hievon sowohl
der Reiber wie der geriebene Isolator in jedem
Augenblicke erleiden, durch ein Gesetz bestimmt
werden, welches formell mit dem für die Zer-
streuung geschiedener Elektricität in der Luft
geltenden Gesetze vollkommen analog ist.
Ist also in irgend einem Momente die elek-
trische Dichtigkeit des Reibers gleich «, die des
Isolators gleich ^, so wird der Reiber in der
kleinen Zeit dt einen Elektricitätsverlust erleiden,
der gegeben ist durch einen Ausdruck von fol-
gender Form
o.q.(€ — ij).cU.
Hier bezeichnet o die Fläche des Reibers,
und ist q eine von der Natur der beiden an
einander geriebenen Körper abhängende Con-
stante. Gleichzeitig muß natürlich auch die
Oberfläche des Isolators einen Elektricitätsver-
lust erleiden , der dem Verlust des Reibers ge-
59*
704
rade entgegengesetzt ist, und daher gegeben
wird durch den Ausdruck
o.q. {ri — s) .dt.
Auf der Richtung, in welcher der Reiber
auf der Oberfläche des Isolators verschoben wird,
werde ein beliebiger Punkt als Ausgangspunkt
angenommen. Die Breite des reibenden Streifens
sei gleich d^ seine Länge werde gleich 1 ge-
setzt; die Entfernung der vorderen Kante des
Reibers von dem auf der Richtung der Verschie-
bung angenommenen Anfangspunkt sei 5, die
Geschwindigkeit der Vershiebung
ds
Während der kleinen Zeit dt ist die in Folge
der Reibung auf der Oberfläche des Reibers ent-
wickelte Elektricitätsmenge gleich
x.d.udt
wo X eine von der Natur der beiden reibenden
Oberflächen abhängende Constante; gleichzeitig
findet aber ein Elektricitätsverlust statt, der
gegeben ist durch
— q. d . (« — ij) dt.
Somit ergiebt sich für den ganzen Zuwachs,
welchen die elektrische Dichtigkeit des Reibers
während der Zeit dt erleidet die Gleichung
I. ds =^ xudt — q (fi — tj) dt.
Gleichzeitig wird auf die Oberfläche des ge-
riebeneu Isolators eine Elektricitätsmenge
705
— X . d . f / f7^
übergehen, während der Elekiricitätsverlnst der-
selben gegeben ist durch
g d (tj — s) dt.
Die an der Oberfläche des Isolators vorhandene
Elektricitätsmenge erleidet also im Ganzen einen
Zuwachs
— xdudt — qS (17—«) dt.
Aber dieser Zuwachs vertheilt sich auf dem
Isolator über eine größere Fläche vom Inhalt
d + udt.
Machen wir nun die Annahme, daß die Zeit
dt so groß genommen werden könne , daß d ge-
gen u dt verschwindend klein ist, so ergiebt sich
für die Zunahme , welche die elektrische Dich-
tigkeit der Isolatorfläche erleidet die Gleichung
u
wo dann Jfi ein unendlich Kleines zweiter Ord-
nung im Vergleich mit d€ ist.
Führen wir an Stelle von t mit Hülfe der
Beziehung
^5 = 11 dt
s als unabhängige Veränderliche in den beiden
Difi'erentialgleichungen ein, und bestimmen wir
die Constante der Integration so, daß für 5 = 0
auch f = 0 wird , so führt die Integration der
706
Gl. I zu folgenden Ausdrücken für die elektri-
schen Dichtigkeiten:
III. € = x.-(l-e «*l + ^.e «ie" .^-äs.
lY. Jf} = —xde »'^a.dii4-^Je ''Ae'* tjds.
Ehe wir zu der Vergleichung der für die
elektrische Dichtigkeit des Reibers gefundenen
Formel mit den Versuchen von Rieß übergehen,
möge die Gleichung IV noch der folgenden Prü-
fung unterworfen werden. Die in irgend einem
Augenblicke auf der Oberfläche des Reibers an-
gesammelte Elektricitätsmenge ist
sd = x^6—x-de " 4- -de « le^^'nds.
q q U }
0
Eine dieser gleiche aber entgegengesetzte
Elektricitätsmenge muß somit bis zu dem be- m
trachteten Augenblick auf die geriebene Ober- ■
fläche übergegangen sein. Die gesammte Elek-
tricitätsmenge , welche bis zu einer beliebigen
Entfernung 5 vom Anfangspunkte an auf die
geriebene Oberfläche übergegangen ist, wird
aber gegeben durch das Integral
8
XJtjds
0
707
und es muß somit der Werth dieses lutegrals
gleich
— ed
sein.
Setzen wir fiir //<y seinen Werth, so ergiebt
sich :
ll ^.
+ S^Xdse » \e« .tida.
Hierbei ist in dem letzten Doppelintegral an
Stelle von s das einemal gesetzt (T, um für die
zwei verschiedeneu Terme, durch deren Multi-
plikation und Addition das Doppelintegral sich
aufbaut verschiedene Bezeichnungen zu erhalten.
Das erste der in der vorhergehenden Gleichung
auftretenden Integrale hat den Werth:
0
" ds
=
U
2
u -
e
9
u
das
Doppelini
begral
s
\dse~
9
— i
u
s
708
ist zunächst in folgender Weise zu bilden ; für
jede Stelle der Axe s zwischen s = 0 und s =
s werden die Ausdrücke aufgestellt.
1. äse
Ss
2. e" .rida.
Es wird sodann jeder der Terme 1 multipli-
cirt mit allen unter ihm liegenden Termen 2 und
die so erhalteneu Produkte werden addirt. Man
kann nun offenbar bei der Bildung des Integrals
auch umgekehrt ausgehen von einem der Aus-
drücke 2 , diesen multipliciven mit allen über
ihm liegenden Termen 1 und schließlich die auf
diese Weise erhalteneu Produkte addiren. Es
ergiebt sich hieraus die Gleichheit der beiden
Doppelintegrale :
«'s SS
\dse « le" rid(S und le" lydale « ds.
0 0 Off
Führen wir in dem letzteren Integral dir
Integration aus, so ergiebt sich:
SS s
\dse " \e" vdcf = —-e « Ic« .ijda
0
s
H {t]d(f.
709
Snbstituiren wir die gefundenen Werthe in
der Gleichung für
i z/iy rfs,
0
80 ergiebt sich in der That
\Jrjds = — sd.
Zur Prüfung der für die elektrische Dichtig-
keit des Reibers gegebenen Formel III kann
die erste der von Rieß ausgeführten Beobach-
tnngsreihen benutzt werden , welche er mit fol-
genden Worten beschreibt:
»Das unbeschwerte Reibzeug wurde auf eine
(27 X 12 Zoll) große Tafel aus Hartkautschuk
mit glänzender Oberfläche gestellt und am Glas-
stile in gerader Linie um einen Zoll behutsam
fortgeführt. Die dadurch geriebene Fläche
des Kautschuks beträgt (1 X Durchmesser des
Reibers x Reiberfläche 3,267 Quadratzoll und
die dabei stattgefundene Reibung wird zur Ein-
heit der Reibun g sme nge genommen. Dann
wurde das Reibzeng behutsam abgehoben , auf
eine frische Stelle der Platte gestellt, wiederum
einen Zoll weit fortgeführt u. s. f. Die An-
zahl dieser Operationen bestimmt den Werth
der Reibungsmenge. War die gewünschte
Menge erreicht, so wurde- mit dem Reiber der
Knopf des von mir angegebenen Sinuselektro-
meters berührt, und die erregte Elektricitäts-
menge gemessen.«
»Folgende sind die Mittel aus 3 Beobach-
710
tungen und die aus ihnen berechneten Verhält-
uisse der erregten Elektricitätsmengen :
Reibungsmenge. Erregte Elektricitätsmenge.
1 1
2 1,45
4 1,67
8 1,93.
Um die Resultate dieser Beobachtungen mit
unserer theoretischen Formel zu vergleichen,
haben wir die schon vor der Reibung auf der
Oberfläche des Isolators vorhandene elektrische
Dichtigkeit «y gleich Null zu setzen. Die Glei-
chung III kommt dann auf die einfachere Ge-
stalt
u
\l — e «7.
Der- Reibungsmenge 1 entspricht eine Fort-
führung des Reibers um etwa 27 mm, und wir
werden demnach die dem Werthe s = 27 ent-
sprechende Dichtigkeit « = 1 zu setzen haben,
um Uebereinstimmung zwischen den auf theore-
tischem Wege berechneten Werthen der elektri-
schen Dichtigkeit und den von Rieß beobachte-
ten Elektricitätsmengen herzustellen. Es zeigt
sich daß den Beobachtungen von Rieß am besten
entsprochen wird durch die Annahme
1 = -1
u 36*
Die mit Hülfe dieses Werthes berechneten
Werthe der elektrischen Dichtigkeit sind im
711
Folgenden mit den von Rieß beobachteten Elek-
tricitätsmeugen zusammengestellt.
Berechnete elektrische
Beobachtete
s. Dichtigkeit.
Elektricitätsmenge.
27 1
1
54 1,47
1,45
108 1,80
1,67
216 1,89
1,93.
n.
Aufgabe. Ueber eine ebene, unbegrenzte
und von Anfang an uuelektrische Isolatorfläche
werde ein Reibzeug von endlicher Breite in
einer dieser Breite parallelen Richtung fortge-
führt. Die Oberfläche des Reibzeuges möge eine
80 geringe Leitungsfähigkeit besitzen, daß von
einer während der Reibung stattfindenden Aus-
gleichung der elektrischen Dichtigkeit abge-
sehen werden kann. Es soll unter dieser Vor-
aussetzung die elektrische Dichtigkeit an der
Oberfläche des Reibzeuges und des Isolators be-
stimmt werden.
Wir betrachten das Reibzeug zunächst in
derjenigen Stellung, welche es vor Beginn der
Bewegung einnimmt; auf der Linie, längs wel-
cher die vordere Kante desselben die Isolator-
fläche berührt, nehmen wir in der letzteren
einen Punkt 0, ; durch Oj ziehen wir eine Linie
parallel zu der Bewegungsrichtuug des Reibzeugs.
Die Entfernung irgend eines Punktes dieser
Linie von dem Punkt Oj werde bezeichnet durch
Sj. Derjenige Punkt der Reibzeugfläche, wel-
cher in der Aufangsstellung dem Punkt 0, ge-
rade gegenüber liegt, werde bezeichnet durch
Ä; an der Oberfläche des Reibzeuges ziehen
712
wir durch i2 eine Axe 5, parallel mit der Breite
des Reibzeuges. Es wird dann die Richtung $
der Richtung Sj gerade entgegengesetzt sein.
Durch Linien senkrecht zu § theilen wir die
Oberfläche des Reibzeugs in lauter unendlich
schmale Streifen ; die Breite der aufeinander
folgenden Streifen werde bezeichnet durch d^^,
d'^11 ^?3 • • • Dem Anfangspunkt des Streifens
(^$j liegt in der Oberfläche des Isolators gegen-
über der Punkt 0^ ; der dem Anfangspunkt von
^?2 gegenüberstehende Punkt der Isolatorfläche
sei O^, der dem Anfangspunkt von d^^ gegen-
überliegende Og, u. s. f. Durch diese Punkte Oj,
O21 O3 . . ., welche auf derselben der Oberfläche
des Isolators angehörenden Linie liegen , ist auf
dieser eine Reihe verschiedener Co or diu aten Sy-
steme gegeben , zwischen welchen offenbar die
folgenden Beziehungen existiren :
«2 = *i + «'^i
Sg = Si, -\- (1^2
54 = 53 -|- «^3
S„ = «1 + ^?i + ^^2 + • • • + «^'n-i
Außer diesen auf der Oberfläche des Isola-
tors festliegenden Systemen haben wir dann
noch das System §, dessen Anfangspunkt S2 in
der vorderen Kante des Reibzeuges liegt, und
welches wir als mit dem Reibzeug fest verbun-
den betrachten werden.
Um nun die im vorhergehenden Abschnitt
entwickelten Formeln au f das jetzt vorliegende
713
Problem anwenden, um also mit Hülfe derselben
die elektrischen Dichtigkeiten auf dem Reibzeug
und dem Isolator berechnen zu können, wenn
das erstere an einer beliebigen Stelle seiner
Bahn angekommen ist , ersetzen wir den wirk-
lich stattfindenden Vorgang durch folgenden ge-
dachten. Wir zerlegen das Reibzeug in seine
einzelnen Streifen ; führen zunächst den ersten
derselben in die der späteren Lage des Reib-
zeuges entsprechende Stellung über und berech-
nen mit Hülfe der Formeln des vorhergehenden
Abschnittes die durch die Reibung hervorge-
rufenen elektrischen Dichtigkeiten. Wir lassen
sodann den zweiten Streifen nachrücken und
berechnen die elektrische Dichtigkeit dieses zwei-
ten Streifens, sowie die Aeuderung der elektri-
schen Dichtigkeit der Isolatorfläche ; dasselbe
wiederholt sich bei einen dritten, vierten Streifen
u. s. f. bis endlich sämmtliche Streifen des Reib-
zeugs in die betrachtete neue Stellung überge-
gangen sind.
Es mögen nun im Folgenden die Resultate
dieser aufeinanderfolgenden Operationen ent-
wickelt werden.
1. Bewegung des Streifens {f^j.
Für die Dichtigkeit auf rf|, ergiebt sich:
1) .. = X. « (i-r»')
für die Dichtigkeit auf der Isolatorfläche:
714
2. Bewegung des Streifens d^^'
Es ergiebt sicli:
-^s.
0
Wir betrachten zuuächst das Integral
In diesem Integral ist Jri^ gleich Null von
s = 0 bis «2 = <??j so daß wir erhalten:
'2
So
r 1, r 1,
le« 'Jtj^ds^ = le« 'Jiiids.^
0 d?i
oder wenn wir für Jtji seinen Werth substi-
tuiren :
8,
.s,.
I
'1"
ö
Mit Hülfe dieses Werthes ergiebt sich :
715
9
9
Die erste dieser beiden Gleichungen giebt
für «2 = 0 nicht wie es der Fall sein sollte
«2=0, sondern
Es erledigt sich dieser Widerspruch in einfacher
Weise dadurch daß die Funktion
für alle negativen Werthe von 5, gleich Null
zu setzen ist, und daß daher gleiches auch von
dem zweiten Term des für s^ gefundenen Aus-
druckes gilt. Es mag gleich au dieser Stelle
bemerkt werden, daß auch die für spätere Strei-
fen aufzustellenden Formeln zu ganz analogen
Bemerkungen Veranlassung geben; daß also alle
Fälle, in welchen negative Werthe der Coordi-
naten 5j, s^ ... in Betracht kommen, einer
gesonderten Betrachtung bedürfen, oder daß man
sich bei der Anwendung der resultirenden For-
meln auf Fälle zu beschränken hat, in denen
solche negative Werthe nicht eintreten, d. h.
in welchen das Reibzeug mindestens um seine
ganze Breite verschoben wird.
716
3. Verschiebung des Streifens d^^.
Es ergiebt sich:
^3 = x.^-(i-r^^')
r 1
+ fe u'y»\Jfl,-\-Jr],)ds,
u
0
*» q
+ !'^?8ß «''je"''(^^,+J^,)^53.
f. 2
Ebenso wie bei der vorhergehenden Rech-
nung ergiebt sich:
\ e"''" J»?i (^53 = 1 e" ' ^jyi ^^53
0 dSA<ih
i:id^t-^ds,)
717
und durch Substitution dieser Werthe in den
Gleichungen für «, und Jij^
u I — — »sl Q — — «,
9.
— x.^d^^e « .Sa
30 z/i?« = -x^^,e «•
s
+ x^^t?|,cZ$,e «\(i_^5j
q
u. s. w.
Verschiebung des Streifens d^-.
Es ergiebt sich :
„ / _1,\ .»-1 _?,
60
718
4. Die elektrisclie Die. ,,.,., , r\,
fläche des Rei^^lgk«^^ ^^ ^^^ ^^^'-
bzeuges.
Um den im Vorhergehendb , „.. ,. , ,
irische Dichtigkeit e. gegebe^^. ^^^ ^/^ f C
° 1 & ö ,Qjj Ausdruck
weiter entwickeln zu können, bem^ ,
daß die in demselben auftretenden Coc'^^*^®,^ ^^^'
s. und s^. die Coordinaten eines und de ""^"^^f ''^^
* ' »sselben
Punktes der Richtung s mit Bezug auf die
schiedenen auf ihr angenommenenen AnfaL
punkte sind. Setzen wir nun: ^^^
^r = ^?l + ^^2 + ... + ^l,_l
so ist:
Substituiren wir diesen Werth in der vor-
hergehenden Gleichung für s und ersetzen wir
gleichzeitig die auf der rechten Seite derselben
stehenden Summen durch die entsprechenden
Integrale, so ergiebt sich durch Ausführung der
Integration
6 . = x.-\l — e « /
« ll-e « 7
_ 1
X .5, e
u — -
— X.- e
719
Auf der Oberfläche des Reibzeuges ist die
Stelle, deren Dichtigkeit durch die vorstehende
Formel dargestellt wird, gegeben durch ihre
Coordiuate ^- mit Bezug auf den der Vorder-
kante des Reibzeuges angehörenden Punkt i2.
Dagegen ist die Entfernung des Streifens d'^^
von seiner ursprünglichen Stellung, in welcher
die Dichtigkeit den obigen Werth erreicht
hat, gegeben durch den Abstaud Sy des Strei-
fens d$j. von dem Punkte Oj. Es ist nun zweck-
mäßiger als unabhängige Veränderliche neben
den Coordinaten |- die Entfernung s der vorde-
ren Kante des Reibzeuges von ihrem Ausgangs-
punkt Oj d. h. die ganze Verschiebungsgröße
des Reibzeuges einzuführen. Wir haben dann
in der vorhergehenden Formel zu setzen:
«1 = s — ^.
und erhalten
q q_^
— x(s — ^)e «*(e" —1) (V
— x.-e « (e« -1—^5).
q M
Hier ist der Index bei $ weggelassen und
durch die Klammer (§, s) angedeutet, daß durch
diese Formel e als Funktion der beiden unab-
hängigen Veränderlichen $ und s bestimmt ist.
Für die gesammte Elektricitätsmenge, welche
CO*
720
sich auf der Oberfläche des Reibzeugs von der
vorderen Kante, d. h. von 5 = 0 an bis zu
einer beliebigen Entfernung ? nach irgend einer
Verschiebung 5 angesammelt hat ergiebt sich:
I
0
Die Ausführung der Integration giebt:
q^ ^ u 11^ l
Die im Vorhergehenden gemachten Annah-
men entsprechen einigermaßen den Verhältnissen
der zweiten von Rieß mitgetheilten Beobach-
tungsreibe, bei der das Reibzeug in einem Zuge
um Strecken von 27, 54, 108 u. 216 mm. über
die Kautschukfläche fortgeführt wurde. Auf die
erste dieser Verschiebungen ist jedoch die For-
mel VI auf keinen Fall anwendbar, da dieselbe
weniger als die ganze Breite des Reibzeuges
beträgt. Auch bei den übrigen Verschiebungen
kann aber eine genaue Uebereinstimmuug zwi-
schen den von Rieß beobachteten und den nach
der obigen Gleichung berechneten Elektricitäts-
mengeu nicht stattfinden, da das Reibzeug von
Rieß mit einer dünnen Amalgamschicht über-
zogen war, während unsere Entwicklungen auf
der Voraussetzung einer sehr schlechten Leitungs-
fähigkeit der Reibzeugfläche beruhen. Ferner
beziehen sich die Versuche von Rieß auf ein
721
ßeibzeug von kreisförmiger Gestalt, während
•wir eine rechteckige Form desselben angenom-
men haben. Diese Verschiedeaheit dürfte sich
dadurch ausgleichen lassen , daß wir an Stelle
des Kreises ein Quadrat von gleichem Inhalt
setzen. Für die Seite dieses Quadrats ergiebt
sich mit Rücksicht auf die Dimensionen des von
Rieß benützten Reibzeugs eine Länge von 35 mm.
Wir haben also in der obigen Formel für ? den
Werth 35, für s der Reihe nach die Werthe
54, 108 und 216 zu substituiren, um die diesen
Verschiebungsgrößen entsprechenden Elektrici-
tätsmengen zu erhalten. Es ergiebt sich, daß
den Beobachtungen von Rieß genügt wird durch
die Annahme
- = 20.
Die hiermit berechneten Werthe der Elek-
tricitätsmengen sind im folgenden mit den von
Rieß beobachteten zusammengestellt.
Berechnete Beobachtete
s. Elektricitätsmenge. Elektricitätsmenge.
54mm. 134 134
108"™- 1,82 1,60
216«>°'- 1,89. 1,92.
in.
Ueber Reibnngsströme.
Die im vorhergehenden Abschnitt für die
elektrische Dichtigkeit au der Oberfläche des
Reibzeuges gegebene Gleichung Y soll nun dazu
benützt werden, den Werth dieser Dichtigkeit an
der vorderen und hinteren Kante des Reibzeugs zu
722
berechnen. Hiebei setzen wir entsprechend den Ver-
suchen vonRieß die Breite des Reibzeuges gleich
35"""-, den Werth der Constanten - gleich 20. Es
ergiebt sich dann für die einer beliebigen Ver-
schiebung s des Reibzeuges entsprechende Dich-
tigkeit:
An der vorderen Kante d. h. für ^ = 0.
*o = x.2o(l — e 2ö)
An der hinteren Kante d. h. für | = 35
?i = x.20.(l~e 2o)
s
— X. 4,76.56 ^
+ x. 106,4.6
20
In der folgenden Tabelle sind die hieraus
für einige Verschiebungen s sich ergebenden
Werthe von e^ und s^ zusammengestellt.
40
80
120
160
Der konstante Endwerth 20x, welchem sich
die elektrische Dichtigkeit an der vorderen Kante
sehr schnell, an der hinteren langsam nähert,
kann zu einer Bestimmung des numerischen
^0
17,3.x
6,0
X
19,6.x
14,6.
X
19,9.x
18,7
X
20,0.x
19,8.
X.
723
Werthes von x benützt werden. Zollner hat
»die Zahl von elektrostatischen Einheiten, welche
sich auf jedem Qaadratinm. einer auf trockenem
Tuche kräftig geriebenen Sigellackstange be-
finden«, bestimmt, und fand als Maximum 08
elektrostatische Einheiten ; nehmen wir hiernach
70 als Maximalwerth der zu erreichenden elek-
trischen Dichtigkeit, so ergiebt sich
X = 3,5.
Die Vergleichung der in der vorstehenden
Tabelle zusammengestellten Werthe der elektri-
schen Dichtigkeiten zeigt, daß namentlich im
Anfange der Reibung die elektrische Dichtig-
keit der vorderen Kante des Reibzeugs sehr
beträchtlich größer ist, als die der hinteren
Kante; würde man also in irgend einem Mo-
mente plötzlich durch einen Schließungsdraht
die vordere Kante mit der hinteren verbinden,
80 würde eine Ausgleichung der elektrischen
Dichtigkeiten stattfinden, und es würde die Elek-
tricität des Reibzeuges in dem Schließungsdrahte
von der vorderen Kante nach der hinteren ab-
strömen. Ist also das Reibzeug positiv
elektrisch, so erhält man einen Strom,
der von der vorderen Kante desselben
nach der hinteren gerichtet ist, um-
gekehrt, wenn da s R eibzeug negati v
elektrisch ist, so geht der positive
Strom von der hinteren Kante nach
der vorderen. Dieser Strom wurde, wie sich
aus den numerischen Wertheu von f „ und £^ er-
giebt, zu Anfang der Reibung eine Stärke be-
sitzen, welche sehr wohl vergleichbar wäre mit
der Stärke des Stromes, welcher durch Vereini-
gung der Elektricität des Reibzeages mit der
des Isolators entstände.
724
Zöllner hat Beobachtungen angestellt,
durch welche die Existenz von elektrischen Strö-
mungen im Inneren des Reibzeugs während der
Dauer der Reibung nachgewiesen wird. Er
spricht die Resultate dieser Beobachtungen in
folgenden Sätzen aus.
»Werden zwei verschiedene Körper, von de-
nen der eine ein Isolator (Dielectricum) der an-
dere ein sogenannter Halbleiter ist, mittelst
gleitender Reibung aneinander verschoben, so
entstehen in dem Halbleiter elektrische Ströme,
deren Richtung von der Natur und Bewegung
des Isolators in folgender Weise abhängt.
Wird der geriebene Isolator positiv
elektrisch, so entstehen an der Berüh-
rungsfläche oder im Inneren desReib-
zeugs elektrische Ströme, welche pa-
rallel aber entgegengesetzt der rela-
tiven Bewegung des Isolators sind;
wird dagegen letzterer negativ elek-
trisch, so sind die erwähnten Ströme
parallel und gleichgerichtet der rela-
tiven Bewegung des Isolators«.
Es handelt sich ferner bei den Versuchen
von Zöllner
»um die Ausgleichung von Elektricitätsmen-
gen , welche keineswegs unbedeutend , sondern
vollkommen von der Ordnung derjenigen sind,
welche überhaupt nur durch Reilsung an der
Oberfläche zweier heterogenen Körper entwickelt
werden können«.
Wie man sieht, stimmen die von Zöllner
beobachteten Ströme der Richtung nach voll-
kommen mit denjenigen Strömen überein , auf
deren Existenz wir durch unsere theoretischen
Betrachtungen geführt worden sind. Ob aber
in der nach unserer Theorie zwischen der vor-
725
deren und hinteren Kaute des Reibzeugs auf-
tretenden Spannungsdiffereuz der wahre Grund
der von Zöllner beobachteten Reibnngsströrae,
und ebenso der von Quincke und Zöllner unter-
suchten Kapillarströme gefunden ist, darüber
wird erst durch weitere experimentelle Unter-
suchungen entschieden werden können.
IV. üeber die Natur der Scheidungs-
kräfte der Reibung.
In einem in dem Jubelbande von Poggen-
dorfs Annalen enthaltenen Aufsatze »zur Theo-
rie der dielektrischen Mittel« habe ich
eine genauere Analyse der von einem Ampere-
schen Molekularstrome ausgehenden elektrischen
Wirkungen ausgeführt. Die dabei zu Grunde
gelegte Anschauung über die Constitution dieser
Molekularströme war die, daß eine mit einem
ponderabelen Moleküle fest verbundene Masse
negativer Elektricität, der Kern des Molekular-
stromes, umkreist werde von einem Ringe, über
welchen eine gleich große Masse positiver Elek-
tricität gleichförmig vertheilt ist. Ich habe da-
bei insbesondere auf eine eigenthümliche elek-
trodynamische Wirkung aufmerksam gemacht,
welche von dem Ringe des Molekularstromes
ausgeht und deren Componenten sich darstellen
1 asseu durch die negativen Differentialquotienten
des Potentiales
Hier bezeichnet da ein Element des Ringes,
g' die Geschwindigkeit, mit w elcher die Elektri-
726
cität sich in dem Ringe bewegt, s die auf die
Längeneinheit des Rings kommende Menge po-
sitiver Elektricität ; r die Entfernung des Ele-
mentes du von dem Punkte , für welchen das
Potential des Ringes bestimmt werden soll. Es
mag bemerkt werden, daß dieses Potential das-
selbe ist, dessen Existenz ich in einem Aufsatze,
der in den Nachrichten der Gott. Ges. d. Wiss.
1873 Nr. 19 veröffentlicht ist , bewiesen habe,
und auf welches durch ganz dieselbe Entwick-
lung und unabhängig von mir auch Clausius
geführt worden ist.
Die Kräfte, deren Componenten durch das
obige Potential bestimmt werden sind insbeson-
dere durch die folgenden Eigenschaften ausge-
zeichnet-
1. Der positive Ring des Molekularstromes
übt eine abstoßende Wirkung auf gleichnamige,
eine anziehende Wirkung auf ungleichnamige
elektrische Theilchen aus.
2. Diese Wirkungen sind proportional dem
Quadrat der Geschwindigkeit, mit welcher die
positive Elektricität in dem Ringe sich bewegt,
sie sind also unabhängig von der Richtung, in
welcher diese Strömung erfolgt.
3. Die von dem Ringe ansgeübte Kraft ist
proportional mit der Summe seiner einzelnen
Elemente, jedes derselben multiplicirt mit dem
Quadrate des cosinus desjenigen Winkels, wel-
chen das Element mit der Richtung vom Mittel-
punkt des Stromes nach dem abgestoßenen odeT
angezogenen elektrischen Theilchen einschließt*
Schon in dem angeführten Aufsatze habe icl
darauf hingewiesen , daß diese Kräfte vielleicht
eine Rolle spielen dürften bei dem Vorgange
der elektrischen Scheidung durch Reibung oder
Berührung. Ich erlaube mir, diese damals ge-
i'H
machte AndentuDg jetzt etwas näher zu begrün-
den. Zunächst wird es zweckmäßicr sein, die. in
dem früheren Aufsatze in Betreff der Arapere-
schen Molekularströme gemachten Annahmen
mit etwas allgemeineren zu vertauschen. Wir
werden mit demselben Rechte, mit welchem wir
uns bisher die negative elektrische Flüssigkeit
mit ponderabeler Masse verbunden gedacht ha-
ben, auch die positiv elektrischen Theilchen als
mit ponderabeler Masse behaftet denken können.
Die beiden elektrischen Massen, aus welchen
der Molekularstrom besteht, werden dann in
Doppelsternbewegung um einander begriffen sein,
und es wird je nach dem Ueberwiegen der einen
oder oder der anderen der beiden ponderabelen
Massen die Bahn des positiven Theilchens die
des negativen umschließen oder umgekehrt. Um
nun in diesem Falle die elektrischen Wirkungen
des Molekularstromes ermitteln zu können, möge
folgende Hypothese eingeführt werden : die Wir-
kung eines elektrischen Theilchens, das eine ge-
schlossene Curve mit großer Geschwindigkeit
durchläuft, kann ersetzt werden durch die Wir-
kung einer über die ganze Curve stetig ausge-
breiteten elektrischen A'ertheilung , wenn deren
Gesammtmasse gleich ist jener einzelnen elek-
trischen Masse und wenn die ganze über die
Curve vertheilte Masse in dieser mit derselben
Geschwindigkeit dahinströmt , mit welcher sie
von jenem einzelnen elektrischen Theilchen
durchlaufen wird. Läßt man diese Hypothese zu,
so kann die Wirkung eines elektrischen Dop-
pelatomes auf einen elektrischen Punkt in der-
selben Weise gefunden werden, in welcher die
Wirkungen des Ampereschen Molekularstromes
von mir in dem augeführten Aufsatze entwi-
ckelt worden sind. Es ergiebt sich also, daß
728
auch in diesem Falle jene statischen Wirkungen
existiren , welche wir im Vorhergehenden be-
trachtet haben ; die Art dieser Wirkungen wird
bei einem elektrischen Doppelatome durch fol-
genden Satz bestimmt;
Ein elektrisches Doppelatom übt
auf ein positiv elektrisches Theilchen
eine abstoßende Wirkung aus, wenn
die Bahn des positiven Atoms die des
negativen umschließt; wenn dagegen
umgekehrt die Bahn des negativen
Atomes die umschließendeist, so fin-
det eine anziehende Wirkung statt.
Diese Wirkung ist unabhängig von
der Richtung, in welcher sich die bei-
den Atome um einander drehen und
proportional dem Quadrate der Dre-
hungsgeschwindigkeit.
Die von irgend einem Körper ausgehenden
Wirkungen elektrischen Ursprungs können ihren
Grund haben in einer Vertheilung freier Elek-
tricität an seiner Oberfläche, in einer dielektri-
schen oder diamagnetischen Polarisation; aber
selbst wenn alle diese Wirkungen ausgeschlossen
sind, kann derselbe noch der Sitz elektrischer
Kräfte sein , die ihreu Grund in der Verschie-
denheit der Bahnen haben, welche von den
Theilchen eines und desselben elektrischen Dop-
pelatomes durchlaufen werden. Wenn die Ober-
flächen zweier Körper in innige Berührung ge-
bracht werden, so werden dieselben Wechsel- j
seitig Kräfte auf einander ausüben, durch welche ;
eine Zersetzung der elektrischen Atorasysteme
angestrebt wird. Sind diese Kräfte stark ge-i
nug um den Zusammenhang der Atomsysteme|
zu lösen, so wird derjenige Körper, von welchem
die stärkeren Kräfte ausgehen, mit einer elek
729
trischen Ladung ans der Berührung hervorgehen,
welche der von ihm angezogenen Elektricitätsart
entspricht. Diese Ladung würde natürlich von
einer solchen Größe sein, daß die von ihr aus-
geübten Wirkungen von derselben Ordnung wä-
ren, wie die Kräfte durch welche sie erzeugt
wurde. Jene Kräfte enthalten nun aber den
Faktor -^, wo c die Weber sehe Constante; es
ergiebt sich hieraus, daß die Kräfte, um welche
es sich handelt, äußerst schwach sind, so daß
zu ihrem experimentellen Nachweis besonders
günstige Verhältnisse und die feinsten Hülfs-
mittel erforderlich sein dürften. Daraus ergiebt
sich aber weiter, daß wir durch die vorherge-
henden Betrachtungen für die Erklärung der
elektrischen Scheidung durch Reibung oder Be-
rührung unmittelbar noch nichts gewonnen ha-
ben, sondern daß wir die weitere Annahme hin-
zufügen müssen, daß das Webersche Gesetz für
molekulare Distanzen ebenso modificirt werden
muß wie das Newtonsche, Auf diese Forderung
ist aber von ganz anderer Seite her auch Neu-
manu geführt worden in seiner Theorie der
elektromagnetischen Drehung der Polarisations-
ebene des Lichtes. In der That, wenn wir die
von ihm für molekulare Distanzen vorgeschla-
gene Form des Weberscheu Gesetzes benützen
so haben wir in dem Ausdrucke für das Poten-
tial der von uns betrachteten Kräfte an Stelle
von Vr eine andere unbekannte Funktion der
Entfernung zu setzen , und gelangen im Uebri-
gen zu genau denselben Resultaten. Es ergiebt
sich also, daß die Scheidungskräfte der Berüh-
rung oder Reibung in der That reducirt werden
können auf rein elektrische Wirkungen.
730
Es erscheint nicht noth wendig, darauf ein-
zugehen, wie sich aus den im Vorhergehenden
entwickelten Principien die Existenz einer Span-
nungsreihe mit Nothwendigkeit ergiebt, wie die
elektromotorischen Kräfte, welche aus der rela-
tiven Bewegung zweier sich berührender Körper
bei der gleitenden Reibung hervorgehen, geeig-
net erscheinen, den specifischen Einfluß der
Reibung zu erklären; nur auf einen Punkt er-
laube ich mir zum Schluß hinzuweisen. Man
pflegt die elektrischen Scheiduugskräfte durch
Reibung oder Berührung aufzufassen als Kräfte
von der Art der chemischen Affinitätskräfte.
Wenn sich nun gezeigt hat, daß das Webersche
Gesetz mit der für molekulare Distanzen noth-
wendigen Modifikation auch diese Wirkungen
zu umfassen vermag, so kann man daran die
Aussicht knüpfen, daß Kräfte von der Art des
Weber'schen Grundgesetzes im weitereu Fort-
schritte der Wissenschaft auch das Gebiet der
chemischen Erscheinungen der Anwendung me-
chanischer Principien zu unterwerfen im Stande
sind. Auf eine ganz andere Beziehung zwischen
seinem Gesetz und den Erscheinungen der Che-
mie hat Weber selbst in der sechsten Abhand-
lung über elektromagnetische Maßbestimmungen
aufmerksam gemacht; durch Anwendung seines
Gesetzes auf ein System zweier gleichartiger
elektrischer Theilcheu gelangt er zu der Unter-
scheidung zweier verschiedener Aggregatzustände
dieses Systems, einem Vorbild für die bald be-
harrlichen , bald nicht beharrlichen chemischen
Atomverbindungen.
731
Zusatz. Es giebt gewisse Fälle der Rei-
bung zweier Körper auf welche die in den bei-
den ersten Abschnitten entwickelten Principien
nicht unmittelbar anwendbar sind. Ein solcher
Fall ist z. B. die Reibung eines kreisförmigen
Reibzeuges auf ebener Unterlage durch Drehung
um den Mittelpunkt des Kreises. Aehnliche
Verhältnisse treten aber schon dann ein, wenn
bei der Bewegung des Reibzeuges ein Theil der
von demselben ursprünglich eingenommenen
Fläche von dem Reibzeug überdeckt bleibt.
Auch aus diesem Grunde ist also die Anwendung
der Formeln auf Fälle in denen das Reibzeug
nicht um seine ganze Breite verschoben wird zu
vermeiden.
Bei der Königl. Gesellschaft der ^Vis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Vierteljahrsschrifl d. Astron. Gesellsch. Jahrg. 12. H. 2.
Proceedings of the London Xluthem. Society. No. 112
—114.
Annales de l'Observatoire R. de Bruxelles. Fol. 3. 4.
M. V a z e k über österreichische Mastodonten. Wien. 1877.
Fol.
Monumenta medii uevi historica res gestas Poloniae illastr.
T. II. Krakau 1876.
Rozprawy i Sprawozdania z. posiedzen etc T. VI— VIT.
Ebd. 1877.
Zbior wiadomosci do Antropologii Krajowej. T. I. Fbd.
1877.
Rocznik ^arzadu Akademii umiejetnosci wKrakowie. Rok
1876.
H. G. V. de Sande Bakhoyzen, Catalogus van de
boeken op 1 Jan. 1877 aanwezig in de bibliotheek der
Sterrenwacht te Leiden. 1877.
732
Sitzungsbericlite der philos., philol. u. histor. Gl. der K.
B. Akad. d. Wiss. zu München. H. IL 1877.
Bericht der Budapester Handels - und Gewerbekammer
über Gewerbe u. Industrie des Budapester Kammerdi-
strictes für die Jahre 1870-1875. Budapest 1875.
Zeitschrift der deutsch. Morgenl. Gesellsch. Bd. 31. H.
2-3. 1877.
Mittheilungen d. histor. Vereins f. Steiermark. H. XXV.
1877. ^
Beiträge zur Kunde Steiermark. Geschichtsquellen. Jahrg.
14. 1877.
E. Heis, Resultate der in 43 Jahren 1833 — 1875 ange-
stellten Sternschnuppen-Beobachtungen. Münster 1877. 4.
Transactions of the Zoological See. of London. Vol. X.
P. 2. 1877. 4.
Proceedings of the Scientific Meetings of the Zool. Soc.
for 1877. P. IL
J. K ö r ö 8 i , Publicationen des statistischen Bureaus der
köu. Freistadt Pest. V--VIII. Pest 1872—73.
J. von Puscaria, das Stereometer. Budapest 1877.
C. Seil, die actio de.'-rupitiis sarciendis der 12 Tafeln etc.
Bonn 1877. 4.
32. Jahresbericht der naturf. Gesellsch. zu Emden. 1876.
Verhandlungen des naturhist. media. Vereins zu Heidel-
berg. Bd. IL 1. 1877.
J. B ö c k h , Bemerkungen zu der »Neue Daten zur geo-
log. u. palaeont. Kenntniß d. südlichen Bakony«. No.
3. Budapest 1877.
C. A. Peters, Bestimmung des Längenunterschiedes zwi-
schen den Sternwarten von Kopenhagen und Altona.
Kopenhagen 1877. 4.
F. C. NoU, der zoologische Garten. Jahrg. XVIII. No.
1. 2. 3. 1877.
Kongl. Svenska Vetenskabs-Akademiens Handlingar. Ny
Följd. Bd. Xm. Bd. XIV. Haft 1. Stockholm 1874.
75. 4.
Bihang tili K. Sv. Vetensk. Akad. Handlingar. Bd. III.
H. 2. 1875. 0
Ofversigt af K. Sv. Vetensk. Akad. Förhandlingar. 33 Ar-
gangen. 1876.
Meteorolo gisk Jakttagelser i Sverige. Bd. XVL 1874. 4.
C. Fr. Waern, Minuesteckning öfver A. Ehrensvärd.
1876.
(Fortsetzung folgt.)
733
Vacliricliteii
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
5. December. M 26. 1877.
Köuiuliche Gesellschaft der >Yisseuscliaf(cn.
Oeffentliche Sitzung am 1. December.
Jahresbericht des Secretärs.
Meissner,! ^um Andenken an Karl Ernst v o n B a e r.
Grise Dach,/
von See b ach, Ueber den Bau des Volcan de Faego in
Guatemala und eine Besteigung desselben.
Benfey, Einige Worte über den Ursprung der Sprache.
Die K. Gesellschaft der Wissenschaften fei-
erte in der heutigen Sitzung ihren Stiftungstag
zum sechsundzwanzigsten Mal im zweiten Jahr-
hundert ihres Bestehens. Sie erneute damit
zugleich das Andenken an ihren Gründer und
ersten lebenslänglichen Präsidenten Albrecht
von H aller. Mit Recht konnte er als der
wahre Gründer bezeichnet werden, da er es
war, der die Statuten in der Fassung entwor-
fen hat, wie sie nachher von dem K. Curatorium
genehmigt worden sind. Und wer hätte zur Lö-
sung dieser Aufgabe befähigter sein können, als
dieser außerordentliche Mann, der fast alle Ge-
biete des menschlichen Wissens umfaßte , der,
wie ein geistreicher Biograph von ihm sagt,
61
734
eine gauze Akademie in sich vereinte, dessen
wichtige Forschungen und Entdeckungen von so
großem Einfluß auf die Entwickelung der Ana-
tomie, der Physiologie und der Botanik gewesen
sind, und der durch sein vielseitiges Wirken und
die große Anzahl seiner Schriften so wesentlich
zum Rufe der neu gestifteten Universität beigetra-
gen hatte. Es wurde ferner der öflPentlichen Feier
gedacht, die von Haller's Vaterstadt Bern
zum Gedächtniß an die hundertjährige Wieder-
kehr seines Todestags (am 12. d. M.) beschlossen
sei, und daß auch unsere Universität, eingedenk
der hohen Bedeutung, die Hall er für sie ge-
habt hat, sich an dieser Feier betheiligen werde.
Nachdem Hr. Professor von Seebach einen
Vortrag über den Volcan de Fuego in Guate-
mala und dessen Besteigung gehalten und Hr.
Professor Benfey einige Bemerkungen über den
Ursprung der Sprache mitgetheilt hatte, erstattete
der Secretär den folgenden ordnungsmäßigen
Jahresbericht :
In den 10 Sitzungen, welche die K. Societät
in diesem Jahre gehalten hat , sind 6 ausführli-
chere und 35 kürzere Abhandlungen oder Mit-
theilungen vorgetragen oder vorgelegt worden.
Die ersteren machen den Inhalt des in Kurzem
erscheinenden XXII. Bandes der »Abhandlungen
der K. Gesellschaft der Wissenschaften« aus, die
letzteren sind in den »Nachrichten« vom J. 1877
veröfl'entlicht.
Die für den November d. J. von der histo-
risch-philologische n Classe gestellte Preis-
frage hat einen Bearbeiter nicht gefunden ; sie
wird für das J. 1880 von Neuem aufgegeben.
735
Für die nächsten drei Jahre werden von der
K. Societät folgende Preisaufgaben gestellt:
Für den November 1878 von der physika-
lischen Classe :
Die Fragen, ob und uelche hesotidere Wir-
hingen auf den thierischen Organismus das
Athmen in reinem Sauerstoffgase von der deni
geuöJmlichen Luftdrucl: entsprechenden Dichtig-
keit hat , sind durch die bisher hierüber ange-
stellten Untersuchungen nicht mit befriedigender
üebereinstimmung beantwortet; es icerden daJier
neue Untersuchungen, sowohl an homoiothermen,
als auch, so weit thunlich, an poikilothermen
Tiiieren gewünscht, bei detien neben etwa äu-
ßerlich am Thier waJirnehmbaren Erscheinun-
gen gam besonders die Beschaffenheit des
Blutes und des Stoffwechsels ( Kohlensäure- Aus-
scJieidung, Beschaffenheit des Harns) in's Auge
zu fassen sind; mit Rücksicht auf gewisse
Angaben wird die Beinheit des anzuwendenden
Sauerstoffgases von allen bei dessen Bereitimg
etwa zugleich auftretoiden fremdartigen Stoffen
sorgfältig zu beachten sein, während eine viel-
leicht kaum zu vermeidende, iw etigen Grenzen
zu haltende Beimengung von atmosphärischem
Stickstoff dem Sinn der Aufgabe nicht entgegen-
treten würde.
Für den November 1879 von der mathe-
mathischen Classe:
WäJirend in der heutigen Undidationstheorie
des Lichtes neben der Voraussetzung transver-
saler Oscillationen der Aetherfheilchen das me-
chanische Princip der Coexistenz kleiner Beice-
guiigen zur Erklärung der Bolarisaiions- und
der Interferenz - Erscheinungen genügt, reichen
diese Unterlagen nicht mehr aus, wenn es sich
um die Natur des unpolarisirten oder natürli-
61*
736
dien Lichtes, oder aber um den Conflict zwi-
sclien Wellenzügen handelt , ivelche nicht aus
derselben Lichtquelle stammen. Man hat dem
Mangel durch die Voratissetzung einer sogenann-
ten großen Periode von innerhalb gewisser Gren-
zen regelloser Bauer abzuhelfen gesucht, ohne
nähere erfahrungsmäßige Begründung dieser
Hülfsvor Stellung. Die Königliche Gesellschaft
wünscht die Anstellung neuer auf die Natur
des unpolarisirten Lichtstrahls gerich-
teter Untersuchungen, ivelche geeignet seien, die
auf natürliches Licht von beliebiger Äbhinft
bezüglichen Vorstellungen hinsichtlich ihrer Be-
stimmtheit denen nahe zu bringen, welche die
Theorie mit den verschiedenen Arten polarisirten
Lichtes verbindet.
Für den November 1 880 von der historisch-
philologischen Classe (wiederholt):
Die K. Societät verlangt, daß gezeigt zverdc,
ivas die bildenden und zeichnenden Künste
bei den Griechen und Italern den Künsten
der Nichtgriechen und Nichtitaler verdanken,
und hin wiederum, wo sie außerhalb der Grie-
chischen und Italischen Länder Wurzel getrie-
ben und wiefern sie einen Einfluß auf die Ent-
wicJcelung der Künste bei Nichtgriechen und
Nichtitalern gehabt haben.
Die Concurrenzschriften müssen vor Ablauf
des Septembers der bestimmten Jahre an die
K. Gesellschaft der Wissenschaften portofrei
eingesandt sein, begleitet von einem versiegelten
Umschlag, welcher den Namen und Wohnort
des Verfassers enthält , und auswendig mit dem
Motto zu versehen ist, welches auf dem Titel
der Schrift steht.
737
Das Directorium der Societät ist zu Michaelis
d. J. von Herrn Wüstenfeld in der historisch-
philologischen auf Herrn Grisebach in der
physikalischen Classe übergegangen.
Die Societät hat in diesem Jahre zwei ihrer
ältesten Mitglieder durch den Tod verloren: den
Oberbibliothekar Hofrath Carl Friedrich Chri-
stian Hoeck, er starb am 10. Januar im 84.
Lebensjahre; und der Professor der Medicin Hof-
rath Carl Friedrich Heinrich Marx, er starb am
2. October im 82. Lebensjahre.
Von ihren auswärtigen Mitgliedern und Cor-
respondenten verlor sie durch den Tod :
Den Staatsrath Carl Ernst von Baer in
Dorpat , gestorben am 28. November 1876 im
84. Jahr;
Den langjährigen Herausgeber der Annalen
der Physik Professor Johann Christian P o g g e n-
dorff in Berlin, gestorben am 24. Januar d. J.
im 80. Jahr ;
Den Professor der Botanik und Director des
botanischen Gartens Geheimen Regierungsrath
Alexander Braun in Berlin, gestorben am 29.
März im 72. Jahr ;
Den Director der Sternwarte in Paris Urbain
Jean Joseph Le Verrier, gestorben am 23.
September im Q6. Jahr;
Den Professor der Anatomie Geheimen Me-
dicinalrath Alfred Wilhelm Volkmann in
Halle, gest. am 23. April im 76. Jahr ;
Den Professor der Botanik Wilhelm Hof-
meister in Tübingen, gest. am 12. Januar
im 53. Jahr;
Den Mathematiker Hermann Graßmann
in Stettin, gest. am 26. September im 69. Jahr ;
738
Den Professor der Zoologie Staatsrath Carl
Eduard von Eiehwald in Petersburg am 16.
November 1876.
Von der K. Societät neu erwählt wurden.
Zu hiesigen ordentlichen Mitgliedern:
Hr. Wilhelm Henne berg, seith. Asses. ) ■, p^
Hr. Carl Klein. j pnys.i.i.
Zu auswärtigen Mitgliedern:
Hr. John Couch Adams in Cambridge,
Hr. Rudolph Julius Emmanuel Clausius in Bonn,
Hr. A. L. Descloizeaux in Paris,
Hr. Carl von Nägeli in München,
Hr. Charles Newton in London.
Zu Cor r espondenten :
Hr. Wilhelm Waldeyer in Straßburg,
Hr. Lawrence Smith in Louisville, V. St.
Hr. Edmond Boissier in Genf,
Hr. Theodor Reye in Straßburg,
Hr. Pierre Ossian Bonn et in Paris,
Hr. Franz Carl Joseph Mertens in Krakau,
Hr. Feiice Casorati in Pavia.
739
Zum Gedächtniß an
Karl Ernst von Baer.
Am 28. Nov. 1876 erreichte Karl Ernst von
Baer im Alter von 84 Jahren zu Dorpat das
Ende seines ruhmvollen , an wissenschaftlichen
Thaten reichen Lebens.
Das Andenken dieses großen Naturforschers
dankbar zu ehren ist die Pflicht nicht eines
einzelnen, sondern vieler der weiten Gebiete der
Wissenschaft, in denen allen er die unvergäng-
lichen Spuren des Wirkens eines universellen,
in der Gedankenfülle rastlos bis zum Ende thä-
tigen Geistes, eines nicht minder weit schauen-
den als in die Tiefe durchdringenden Forscher-
blicks, einer unvergleichlichen Schärfe und Fein-
heit der Beobachtung hinterließ. Glänzt ja
doch der Name des Einen Karl Ernst von Baer
so wie in der Biologie, Anthropologie, verglei-
chenden Anatomie und Zoologie, so auch auf
den Gebieten der Palaeontologie und Geologie
der Botanik und physischen Geographie.
Vor allen aber groß und hervorragend sind
die Verdienste , welche Baer sich auf dem Ge-
biete der Biologie erwarb, als »Vater der Ent-
wicklungsgeschichte der Thiere« , wie man ihn
mit Recht genannt hat, denn sein Werk ist es,
daß die Bildungsgeschichte des Menschen und
der Thiere, auf der von ihm geschaffenen Grund-
lage weitergeführt von Vielen, die alle in Baer
ihren Meister verehren, heute als große Wissen-
schaft selbstständig inmitten der Anatomie, Phy-
siologie , Zoologie dasteht und diesen , wie Baer
es wollte und voraussah, ein »wahrer Lichtträ-
gerc geworden ist, die vor seiner schöpferischen
Thätigkeit nur gleichsam einzelne ungefügte
Stücke zu dem großen Bau, ihres wahren Wer-
740
thes noch unbewußt, zu sammeln und zu bewah-
ren gehabt hatten.
Nicht auf gradem, kürzesten Wege wurde
Baer an diese größte Aufgabe seines Lebens
herangeführt: seine Neigung zur Naturbeobach-
tung hatte zuerst in botanischen Studien Aus-
druck gefunden, und diese, die zu Guusten eines
mit größtem Ernst unternommenen medicinischen
Universitäts-Studiums gewaltsam zurückgedrängt
werden mußten, waren es auch, zu denen er
sich , um wieder sichern Boden zn gewinnen,
rettete, als er unter dem ihn entmuthigenden
Eindruck der damals in Wien herrschenden Schule
die praktische Medicin, für die er sich bestimmt
geglaubt hatte , aufgab. Aber wenn er auch
der Beobachtung des Pfianzenlebens fortan und
namentlich in späteren Jahren zugewendet blieb,
so mußte die Botanik doch zunächst dazu die-
nen, ihn auf andere , neue Bahnen und zu dem
wichtigsten Wendepunkte seines Lebens zu len-
ken: einer Begegnung mit dem Botaniker von
Martins verdankte Baer die Aufnahme bei Döl-
linger in Würzburg, und hier war es, wo er,
beschäftigt mit zootomischen Untersuchungen,
zuerst auf die Entwicklungsgeschichte hingewie-
sen wurde und derselben den ersten großen Dienst
in indirecter Weise leistete, indem er es veran-
laßte, daß der Freund und Studiengeuosse Bän-
der die von Döllinger geleiteten Untersuchungen
am bebrüteten Hühnerei zur Ausführung brachte,
die, noch nicht genügend Licht ihm gewährend,
bald darauf der Ausgangspunkt für die eigene^
bahnbr-jchende Thätigkeit wurden.
Ef galt nach der siegreichen Bekämpfung]
der sogenannten Evolutions- oder Präformationsr
theorie durch C. F. Wolf den leitenden Gedan-]
ken, den Flau zu erkennen, nach welchem don
741
so Zusammengesetzte Organismus besonders der
höheren Thiere und des Menschen am Ei ange-
legt und durch allmähliche Umformung und Aus-
gestaltung einfachster Anfänge herangebildet wird;
dies war den beiden großen Vorgängern Baer's
in der Begründung einer wissenschaftlichen Em-
bryologie, Wolf und Pander. noch nicht gelungen,
nicht so weit gelungen, daß das, was namentlich
Wolf wohl schon erblickt, berührt hatte, in die
volle Klarheit der Anschauung gehoben gewe-
sen wäre. Baer erkannte und durchschauete,
gestützt auf die von ihm in's Leben gerufenen
vergleichend - embryologischeu Untersuchungen,
diese einfachen Gesetze, welche in der verwir-
renden Fülle und Manchfaltigkeit der zugleich
und in raschem Ablauf sich vollziehenden Bil-
dungs- und Gestaltungsprocesse herrschen , und
wußte sie zum allgemeinen Verständniß zu brin-
gen , so daß er sagen konnte , man werde nun
freilich finden, da sich der Bildungsgang so un-
endlich einfach zeige , daß sich das Alles von
selbst so verstehe und kaum der Bestätigung
durch die Untersuchung bedurft hätte, es habe
sich da einmal wieder die Geschichte vom Ei
des Columbus wiederholt.
Unter den zahlreichen Entdeckungen im Ge-
biete der Entwicklungsgeschichte, welche Baer's
Namen schmücken, pflegt man als die glänzendste
und als die, welche die Bedeutung seiner For-
schungen am prägnantesten zum Ausdruck
bringt, die Aufsuchung und Auffindung des Eier-
stockseies des Menscheu und der Säugethiere
überhaupt zu bezeichnen: mußte ja doch auch
in derThat diese wichtige, folgenreiche Entdeck-
ung, als Sieg über eine festgewurzelte Irrlehre,
voraufgehen , bevor nur das oberste und allge-
meinste für die Fortpflanzung und Erzeugung
742
der thierischen Organismen gültige Princip er-
kannt werden konnte. An der Aufhellung des
Dunkels, welches dort so lange schwebte, freu-
digen Autheil zu nehmen, hatte unsere Societät
der Wissenschaften noch besondere Veranlassung,
denn auf die Lösung dieser Aufgabe hatte sie
schon ein erstes Mal mit Haller in der ersten
dieser öffentlichen Sitzungen und 70 Jahre später,
1821, wenige Jahre vor Baer's Entdeckung, mit
Blumenbach zum zweiten Male einen Preis ge-
setzt: die Erkenntniß der Wahrheit aber war
dadurch nicht gefördert worden. —
Der Thätigkeit Baer's auf dem Gebiete der
Entwicklungsgeschichte wurde mit der definitiven
Uebersiedelung von Königsberg nach St. Peters-
burg (1834) ein vorzeitiges Ziel gesetzt, indem hier
äußere Umstände hemmend wirkten und Aufgaben
anderer Art sich herandrängten. Zahlreiche
große Reisen , deren Beschwerden ihn selbst im
Greisenalter nicht schreckten, führten ihn, der
für Alles, was die Natur ihm bot, das Auge
offen, den Geist gerüstet hatte, zu geographischen,
meteorologischen, geologischen, ethnographischen
Problemen , denen sich selbst archäologische
Fragen ihm anknüpften, leiteten seine Thätigkeit
wiederholt auch auf volkswirthschaftliches Ge-
biet, während er zugleich mit zoologischen und
anatomischen Untersuchungen nach wie vor fast
ununterbrochen beschäftigt war, auch zu ent-
wicklungsgeschichtlichen Arbeiten noch ein Mal
zurückkehrte , von welcher reichen, vielseitigen,
stets tiefe Furchen einschneidenden Thätigkeit
zahlreiche Schriften Zeugniß ablegen.
Der Anthropologie hatte Baer schon frühzeitig
im Beginn seiner akademischen Laufbahn in Kö-
nigsberg seine Aufmerksamkeit zugewendet, sich
eingebend auch literarisch damit beschäftigt, und
743
als er in späteren Jahren in kraniologische Untersu-
chungen sich vertiefte, neue Gesichtspunkte, neue
Ziele der Forschuncr sich ihm enthüllten, wirkte
er auch auf diesem Gebiete wiederum mit schöpfe-
rischer Kraft, denn vornehmlich von ihm ging
zu Anfang der 60ger Jahre die Anregung zu
der in kurzer Zeit so groß und mächtig gewor-
denen Bewegung aus, und die Wege, welche die
neu belebten anthropologischen Bestrebungen
eingeschlagen haben , hatte Baer gewiesen , der
selbst bis an sein Lebensende dabei mit emsigen
Fleiße thätig blieb. —
Eine andere gewaltige Strömung sah um
dieselbe Zeit Baer die Geister erfassen, die nicht
nach seinem Sinne war, der er sich entgegen-
stellen wollte, deren Bekämpfung in einigen
seiner letzten Schriften er gleichsam wie ein
Vermächtniß, wie einen Mahnruf hinterließ: es
galt dem in Darwin's Lehre entsprungenen
Strome, dem Strome, der, nach Baer's Ausdruck,
keine Ziele, sondern nur blinde Noth wendigkeit
anerkennt.
Zwar für so sonderlich gefährlich hielt Baer
in seiner ruhigen , besonnenen Weise die , wenn
auch maßlose Ueberschätzung und die keine
Gränzen kennenden üebertreibungen der Lamarck-
Darwin'schen Hypothese nicht, hatten ihn doch
die Erfahrungen eines langen Lebens gelehrt,
daß auch solche, \ie\ Köpfe verwirrende Stürme
austoben und nur das zurücklassen, was der an-
stiftende Gedanke Wahres enthielt. Aber er
konnte nicht schweigend zuschauen, wie die
Lehren der Entwicklungsgeschichte, die Früchte
der eigenen Arbeit, raisbraucht wurden, er mußte
es aussprechen, daß er sich fremd fühle in dem
neuen Baue, den man aufzurichten versuchte,
und den ihm wohl zugemutheten Theil nicht
744
haben wolle an dieser Verwendung dessen, was
er geschaffen, er, der so vorsichtig und maßvoll
Beobachtetes und Gedachtes scharf getrennt zu
halten verstanden hatte, durfte die Warnung
nicht unausgesprochen lassen , daß Hypothesen,
die als ferne Zielpunkte strenger Untersuchung
wohl ihren Werth haben , nicht als erreichte
Errungenschaften verkündigt werden dürfen.
Baer war kein Gegner des alten Grundge-
dankens einer Wandelbarkeit der organischen
Formen ; zu der Hypothese des thatsächlichen
allmählichen Werdens verwandter Thierformen
aus einer Grundform, besonders für frühere Zeit-
perioden gültig und durchaus als planmcäßige
innerhalb eines Organisaiions-Typus sich vollzie-
hende Entwicklung gedacht, hatten die eigenen
Untersuchungen auch ihn geführt. Aber eben
mit der ganz bestimmten, engen Begränzung,
innerhalb deren er diesen Gedanken für statthaft
hielt, unterscheidet sich Baer's Ansicht von Grund
aus und nicht etwa nur dem Grade oder der
Ausdehnung nach von der Darwiu'schen Lehre,
und Baer durfte es ablehnen, mit jenem Gedan-
ken als Vorläufer Darwin's gezählt zu werden,
denn zum Wesen der Darwin'schen Hypothese
als solcher gehört, was sie über die Art und
Weise lehren möchte, wie die ohne Gränzen
statuirte Transmutation bedingt und eingeleitet
sein soll , und eben damit hielt sie Baer schon
in ihrer ersten Grundlage für irrig. Baer konnte
dem Gedanken keine Berechtigung zugestehen,
der die »Zielstrebigkeiten«, die Entelechieu do^
Aristoteles, aus den Vorgängen in der Natur
möglichst zu eliminiren versuchte, er verlangte
die Anerkennung planmäßiger, auf bestimmte
Ziele gerichteter Entwicklung für alle AVirk-
samkeiten der Natur. Die organische Entwicklung
745
ist durch und durch zielstrebig, sagte er, denn
die Nachkommen sollen die Organisation der
Erzeuger erreichen, das Resultat der Entwicklung
ist vorher bestimmt. Eine Natur, die nur Noth-
■wendigkeiten , mechanischen Zwang ohne Ziele
kennen sollte, Weltbildung ohne vernünftigen
Plan schien ihm eine dürftige, trostlose, im
Grunde wohl eine für den Menschen unmögliche
Yorstelluug, eine Selbsttäuschung derer, welche
glauben sich gegen die Verw^echselung der Begriffe
von Ursache und Zweck, Mittel und Ziel in der
Natur durch Leugnen des Zweiten am sicher-
sten schützen zu können.
Größer auch und menschenwürdiger solle
man von sich und seiner Bestimmung denken,
rief Baer den vom Beifall des großen Haufens
umjubelten Verküudereu der neuen, zum Niedri-
gen strebenden Lehren zu, nicht groß genug
könne, wie Kant gesagt hatte , der Mensch vom
Menschen denken, und das solle auch bedeuten,
daß die Menschheit große Aufgaben sich zu stel-
len habe.
So hinterließ Karl Ernst von Baer auf allen
Gebieten, die er betrat, das leuchtende Bild ei-
nes bewunderungswürdigen Forschers, mit wel-
chem für Alle, die in Berührung mit ihm kamen
uud auch den Menschen kennen lernten, das
Andenken an einen wahren, edlen, hochherzigen
Mann verbunden ist, ein Bild ruhiger und er-
habener Größe.
Meissner.
Um Baer als Naturforscher in seiner viel-
seitigen Wirksamkeit zu würdigen, müssen nach
der schöpferischen Thätigkeit seiner Jugend-
periode auch diejenigen Arbeiten und Erfolge
berücksichtigt werden , die seine Stellung als
746
Akademiker in Petersburg vorzugsweise bezeichnet
haben, und, wenn auch berührt von patrioti-
scher Hingabe, die natürlichen Hülfsquellen Ruß-
lands zu erweitern, durch seine geistvolle Auf-
fassung zugleich sein Andenken mit den Fort-
schritten der physischen Geographie für immer
verknüpfen werden. Es reizte ihn, in den
weiten Ebenen umherzuwaudern, die, seine Hei-
math einschließend, von den Steppen Asiens bis
zur Polarwüste sich ausdehnen, und aus eigener
Anschauung die Mannigfaltigkeit klimatischer
Einflüsse auf das organische Leben kennen zu
lernen. So begegnen wir ihm gleich Anfangs
auf einer denkwürdigen Forschungsreise nach
Nowaja Zembla: in einer klassischen Darstellung
hat er hier zum ersten Male nachgewiesen, mit
welchen Mitteln dafür gesorgt ist, unter den ein-
fachsten Bedingungen die Keime einer anzie-
henden Vegetation auszustreuen und sie einer
feindlichen Natur gegenüber dauernd zu erhalten.
Seine umfassenden Studien sodann über die Säu-
gethiere, von deren Verbreitungsweise der sibi-
rische Pelzhandel bedingt ist, und über den,
Fischreichthum der südrussischen Ströme, zu]
dessen Erhaltung er die wissenschaftliche Grund-i
läge legte, zeigen ihn uns bemüht, seine For-J
schungen mit der Interessen des nationalen Wohl-
stands zu verknüpfen. Die Reihe von Bänden,]
welche er als Beiträge zur Kunde des russischen!
Reichs mit Helmersen herausgab, werden immer]
zu den wichtigsten geographischen Quellenschrif--
ten über diesen großen Theil der Erde gezählt]
werden. Aber die eigenen, wiederholten Reisen]
iu die Steppen am kaspischen Meere, welche]
Baer im Auftrage der Regierung und nament-
lich wegen der Fischereien unternahm, hattenl
eine weit allgemeinere, wissenschaftliche Tragweite.
747
In seineu kaspischen Studien wurde die Frage
über den Ursprung des Salzgehalts der Steppen
von neuen Gesichtspunkten aus behandelt. Beob-
achtungen am östlichen Gestade des kaspischen
Meers lieferten den Beweis, daß unbedeutende
Yeränderuugen der Küstencoufiguration., wie sie
etwa bei der Dünenbildung vorkommen , genü-
gend sind, aus dem Seewasser die Natriumsalze
krystalliuisch auszuscheiden. Aber auch übrigens
enthält diese Publikation einen Schatz von ei-
genthümlichen Anschauungen , welche für die
Geologie der Steppen von dauernder Bedeutung
sind.
Die merkwürdigste und die vielleicht am
meisten bewunderte Theorie Baer's aber bezieht
sich auf die sogenaunte Wiesen- uud Bergseite
der russischen Flüsse, auf die Erscheinung, daß
das rechte Ufer derselben höher liegt, als das
linke, das erstere steil abstürzt, das letztere
ziemlich im Niveau des Wassers liegt. Dies
ist bekanntlich nach ihm die Wirkung der Erd-
rotation, zu vergleichen mit der Ablenkung der
Windesrichtung von Polar- und Aequatorial-
strömen in der Atmosphäre in Folge der nach
den Breitengraden veränderten Rotationsgeschwin-
digkeit des Planeten. Obgleich es dieser Baer'-
schen Theorie nicht an Widerspruch gefehlt
hat, so darf man doch behaupten, daß sie unter
Berücksichtigung anderweitiger Störungen durch
entsprechende Beobachtungen in den verschie-
densten Gegenden beider Hemisphären bestätigt
und Eigeuthum der physikalischen Wissenschaften
I geworden ist.
I Blicken wir auf die so Mannigfaltiges um-
', fassende Wirksamkeit des edlen Mannes zurück,
so kann der Eindruck entstehen , als hätten in
seinem Geiste verschiedene Richtungen unvereint
748
neben einander bestanden. In diesem Sinne er-
zählt man sich, als Baer in hohem Alter einer
Sitzmig der Royal society in London beiwohnte,
deren auswärtiges Mitglied er seit vielen Jahren
gewesen war, es hätten anwesende Gelehrte ge-
fragt, ob dieser Fremde der Schöpfer der Entwicke-
lungsgeschichte oder ob es der berühmte Geo-
graph gleiches Namens sei. So wenig hielten
sie für denkbar , daß er den doppelten Ruhm
in seiner Person vereinigte. Im Wahrheit aber
herrschte vollkommene Harmonie in seinen Be-
strebungen und nie hat er, ebenso wie es im vo-
rigen Jahrhundert bei unserm Haller der Fall
war, niit einem bestimmten Gegenstände be-
schäftigt, das Interesse für die übrigen aus dem
Auge verloren. Ihm war die zwiefache Gabe
zu Theil geworden , nicht bloß in den Tiefen
eines Problems durch scharfe Beobachtung die
Wahrheit zu finden, sondern auch den Zusam-
menhang der Erscheinungen mit umfassendem
Blick zum Verständuiß zu bringen. So ent-
sprang aus der Fülle und Genauigkeit sei-
nes Wissens jene willkürlichen Deutungen
abffewandte , den Zwecken und Zielen der
Natur ehrfurchtsvoll nachsinnende Weltbetrach-
tung, die seinen spätem Schriften eigen ist und
die im persönlichen Umgange mit ihm so an-
ziehend hervortrat. Einige unter uns erinnern
sich noch des Einflusses, den er hiedurch aus-
übte, als er zum Zweck seiner anthropologischen
Forschungen wiederholt in unserm Kreise ver-
weilte; unvergeßlich bleibt ihnen das Andenken
an die mit ihm verlebten Abende, an denen der
bereits Hoch betagte beredt und mit jugendli-
cher Frische die damaligen Phasen der Natur-
erkeuutniß im Spiegel seines Geistes beleuchtete.
Grisebach.
749
.\ach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
26. December. M 27. 1877.
Königliche Gesellschaft der >!issenschafteB.
'8
Neue geometrische und dynamische
Constanten des Erdkörpers.
Von
J. B. Listing.
In einer früheren Mittheilang »üeber unsere
jetzige Kenntniss der Gestalt und Grösse der
Erde ^) habe ich diese Frage hauptsächlich von
der Seite der Gradmessungen einer eingehenden
Besprechung unterzogen und schliesslich unter
der Beueunung »Typus« ein zur Zeit plausibelstes
RotatioDS-Ellipsoid für den Erdkörper aufgestellt.
Die Grösse des terrestrischen EUipsoides
wird am füglichsten durch den Halbmesser jR
einer Kugel festgestellt, welche mit dem EUip-
soid gleiches Volumen besitzt, die Gestalt da-
gegen durch die AbplattungszifiFer w ausgedrückt,
welche gleich ist dem Aequatorial- Halbmesser
dividirt durch die lineare Abplattung, d. h. durch
den Unterschied zwischen der äquatorialen und
1) B. »Nachrichten« 1873 Feb. 5, auch in besonderem
Abdruck in der Dieterich'Bchen Verlagsbuchhandlung 1872
erschienen.
62
750
der polaren Halbaxe, so dass w das Reciprok der
sog. Abplattung ist. Diese beiden Grössen waren
für das erwähnte typische Ellipsoid
n == 6370000'"
« = 289
Die Grösse dieses Ellipsoides weicht aus
Gründen, die sich in der früheren Arbeit darge-
legt finden, auffallend und beispielsweise von dem
letzten Clarke 'sehen Ellipsoid (18) um 990°», von
dem Fischer'schen (19) um 960"» in Minus ab.
Hinsichtlich der Abplattung, welche bei sämmt-
licheu dort besprochenen lediglich auf den Grad-
messungen beruhenden mathematischen Erdge-
stalten den Werth von « nicht unter 294 herab-
gehen lassen , kommt das typische Ellipsoid,
unter wesentlicher Berücksichtigung der zeithe-
rigen Ergebnisse der Pendelmessungen nahe mit
dem Fischer'schen Sphäroid überein, für welches
<a = 288.5 ist.
In der gegenwärtigen, als Nachtrag und Fort-
setzung zu jener früheren Mittheilung dienenden
Untersuchung soll nun in zweiter Approximation
das typische Sphäroid in seinen Constanten der-
jenigen kleinen Modification unterzogen werden,
welche aus der genaueren Berücksichtigung der
Verhältnisse und Beträge der Schwerkraft an
der Erdoberfläche, im Einklang mit dem Clai-
raut'schen Satze, folgt. Diese Modification soll
bloss die Gestalt, nicht die Grösse, also bloss die
Zahl CO berühren und , unter Beibehaltung des
obigen Werthes von R, in geringem Masse die
beiden Halbaxen der Meridian -Ellipse sowie die
Beträge der linearen Abplattung c = a — 6, des
mittleren Meridiangrades G (in Toisen) und der
geographischen Meile M (in Metern).
Indem wir hier auf die beiden wesentlich
751
Ton einander zu unterscheidenden geometrischen
Oberflächen des Erdkörpers zurückweisen, wie
sie in der früheren Mittheilung unter der Be-
nennung Sphäroid und Geoid eingehend
erörtert worden, erinnern wir hinsichtlich des
durch einen geschlossenen Ausdruck darzustel-
lenden Sphäroids, dass wir für dasselbe lediglich
die Gestalt eines (abgeplatteten) Rotations -Elli-
psoides beibehalten und zum Grunde legen werden,
indem wir die mannigfachen Versuche, welchs
mit den Annahmen sei es nicht ellipsoidischer
Rotations-Sphäroide oder dreiaxiger Ellipsoide*)
gemacht worden, wovon im Früheren einige Bei-
spiele zur Sprache gekommen sind, als erste aber
rohe Schritte der Annäherung betrachten, welche
sich die günstigen Falls erst in ferner Zukunft
zu erwartende Darstellung des Geoids mittelst
discoutinuirlicher und interpolirender Ausdrücke
als ihr Ziel wird zu wählen haben.
Nachdem bereits von Newton und von
Huygheus aus theoretischen Betrachtungen auf
eine an den Polen abgeplattete ellipsoidische
Form des Erdkörpers geschlossen worden, wurde
diese Theorie um die Mitte des vorigen Jahr-
hunderts durch Clairaut wesentlich gefördert.
Ausser dem Nachweise, dass die Rotationsellipsoid-
Form den Gleichgewichts-Bedingungen einer an-
fänglich flüjisigen und um eine Axe rotirenden
Masse der Erde Genüge leiste und dass die Cen-
trifugal kraft an der Oberfläche nach dem Quadrat
des Cosinus der geographischen Breite variire,
fand er den wichtigen, vorzugsweise nach ihm
1) Mit nicht rotativen, nicht ellipsoidischen Sphäroiden
oder etwa mit solchen, in welchen entweder nur die
Meridiane oder nur der Aequator eammt den Parallel-
kreisen von der Ellipse abweichen, ist zur Zeit noch kein
Versuch gemacht worden.
62*
752
benannten Satz, dass die Summe der Ab-
plattung und des Verhältnisses zwi-
schen Zunahme der Schwere vom Ae-
quatorbis zum Pol und der äquatorialen
Schwere gleich ist dem fünfhalbf achen
Verhältniss der Schwungkraft am A e-
quator zur Schwere daselbst, gültigeiner-
seits, wenn man sich mit der Berücksichtigung
der ersten Potenz der (im Falle der Natur nur
einen Bruchtheil eines Procents betragenden)
Abplattung begnügt, andererseits aber sowohl
für den Fall gleichförmiger Dichtigkeit als für
den Fall ungleicher Vertheilung verschieden
dichter Bestaudtheile , bei welcher der Schwer-
punkt mit dem geometrischen Mittelpunkt coin-
cidirt ^).
Dieses für die Theorie der Gestalt der Pla-
neten fundamentale Theorem stellt sich in Zei-
chen einfach so dar
«+<? = 4y (1)
wo a die Abplattung, 6 das Verhältniss der Zu-
nahme der Schwere vom Aequator bis zum Pol
zu der Schwere am Aequator, und y das Verhält-
niss der Schwungkraft am Aequator zur Schwere
am Aequator bezeichnet.
1) Erweiterungen des Clairaut'schen Theorems mit
Berücksichtigung höherer Potenzen der Abplattung, sowie
der alsdann in Betracht kommenden Vertheilungsart der
Dichtigkeit im Erdinnern sind gegeben von G, B. Airy
in Phil. Trans, for 1826 part. 3. pag. 548, und von G.
M. von Paucker in sieben Artikeln über die Gestalt der
Erde im Bulletin de ia classe physico - matbematique de
l'Acad. des sc. de St. Petersbourg tome XIII n" lö. 16.
Diese Erweiterungen, sofern sie folgerichtig auf Sphäroide
von nicht mehr einfach ellipsoidischer Form führen,
bleiben hier aus dem oben hervorgehobenen Gründe
ausser Betracht.
753
Die ferneren demnächst anzuwendenden Be-
zeichnungen mögen folgende sein. Die Schwung-
kraft am Aequator, welche aus der Rotation der
Erde entspringend daselbst der Schwere entgegen
in der Lothlinie von unten nach oben wirkt,
heisse f, die Schwere am Aequator der rotiren-
den Erde g'^, am Pol ^', unter 45" der Breite
^*, allgemein für irgend einen Ort der Ober-
fläche g, und ebenso die Länge des Secundenpen-
dels am Aequator /", am Pol V, unter 45° Breite
?* und allgemein l. Die Umdrehungszeit der
Erde, d. i. die Daner des Sterntages, werde durch
T bezeichnet. Dann stellen sich die drei Con-
stanten des Clairaut'schen Satzes so dar
a—h 1
a>
(2)
f 4m^
Die Verhältnisse der beiden Grössen a und
S zn Y bewegen sich je nach den über die Dich-
tigkeit des Erdkörpers zum Grunde zu legenden
Voraussetzungen innerhalb weiter Grenzen, welche
den von Newton einerseits und von Huyghens
andrerseits ihren Bestimmungen der Sphäroidici-
tät der Erde untergelegten Annahmen entspre-
chen. Clairaut's Satz besagt, dass sich a und 6
gemessen durch y in die Zahl 2^ theilen müssen.
Diese Theilung kann in einem Falle so gesche-
hen, dass a = 6 wird. Dieser Fall entspricht
der Newton'schen Theorie, in welcher der Erde
eine gleichförmige Dichtigkeit beigelegt wird.
Abplattung und Schwerezuwachs sind also beide
I des Schwungkraftverhältnisses. Newton fand
754
et = -jlr^ , Laplace ^) in genauerer Analyse auf
gleicher Voraussetzung „^--s. In einem zweiten
der Huyghens'schen Abplattungsbestimmung ent-
sprechenden Falle der Theilung übernimmt ß
vier und a einen Theil von % y^ d. h. es wird
a = ^ y , 6=2)'. Huyghens nahm die ge-
sammte Gravitationswirkung im Centrum des
Ellipsoids an, so dass also die Dichtigkeit eines
kleinen centralen Kerns unendlich gross, der übrige
Raum mit einer Substanz von verschwindend klei-
ner Dichtigkeit erfüllt gedacht wurde. Er fand
somit, das Schwungkraftsverhältnigs ;' = tj^ vor-
ausgesetzt, die Abplattung des Ellipsoids a = -^1^,
sowie die Rate der Schwerezunahme vom Aequa-
tor bis zum Pol 6 = ^-rr^. Zwischen diese
144.5
beiden extremen, dem Falle der Natur nicht ent-
sprechenden Fälle fallen als üebergänge alle übri-
gen möglichen Fälle, für welche a zwischen den
äussersten Grenzen ^ y und ^ y, und somit 6 zwi-
schen den Grenzen ^ y und 2;' enthalten ist. Der
Zusammenhang der drei fraglichen Verhältnisse
möge in der folgenden numerischen Darstellung
a 6
simultaner Werthe von — und — , so wie unter
r r
Zugrundelegung des Werthes — = 288.4 die zu-
sammengehörigen genäherten Werthe der Reci-
proca von a und 6 vor Augen treten:
1) Mec. Gel. III. üi. 19.
755
r
Y
a
6'
1.25
1.25
230.7
230.7
1.20
1.30
240.3
221.8
1.15
1.35
250.8
213.6
1.10
1.40
262.2
206.0
1.05
1.45
274.7
198.9
1
1.50
288.4
192.3
0.95
1.55
303.6
186.1
0.9
1.6
320.4
180.3
0.8
1.7
360.5
169.6
0.7
1.8
412.0
160.2
0.6
1.9
480.7
151.8
0.5
2.0
576.8
144.2
(5)
Der Werth des Reciproks von y, der hier des
schematischen Ueberblicks wegen durchweg zu
288.4 angenommen ist, mag je nach den für a
und ^° in (4) anzunehmenden Werthen variiren
und meistens zwischen 288 und 289 liegen. Der
dargelegte Zusammenhang führt für jeden ange-
nommenen Werth von — mittelst der dem con-
r
creten Falle entsprechenden Yerhältnisszahlen
zur Auswerthung der Reciproca von a und 6^
welche demnach meistens nur in den Decimalen
von den Ziffern des vorstehenden Schema's ab-
weichen werden.
Sind wir nun hinsichtlich der Vertheilung
der Dichtigkeit im Innern der Erde, wovon of-
fenbar das zwischen die Grenzen -1 und ^ fal-
a
lende Verhältniss — abhängig ist, in Unkennt-
r
niss, so geben uns doch die angestellten Unter-
suchungen einen hinreichend genäherten Werth
der mittleren Dichtigkeit der Erde, um erkennen
756
zu lassen, dass von der Oberfläche bis zum Cen-
trum eine entschiedene Zunahme der Dichtigkeit
stattfinden muss. Und da die Dichtigkeit der
oberflächlichen Massen bestandtheile der Erde kaum
die Hälfte der mittleren Dichtigkeit erreicht, so
cc
sieht man leicht, dass das Verhältniss — von der
r
oberen wie von der unteren jener beiden Gren-
zen vreitab liegen müsse. In der That ist es
das einfachste Verhältniss zwischen a und y, näm-
lich das der Gleichheit dieser beiden Grössen, dem
die meisten der bisherigen sowohl aus Gradmes-
sungen, wie aus der Messung des Secundenpen-
dels hervorgegangenen Resultate bis auf wenige
Procente nahe liegen. Man darf annehmen, dass
diese Ergebnisse etwa zwischen die Grenzen 285
und 300 im Werthe von w fallen, nämlich bei
den Gradmessungen etwa zwischen 300 und 294,
bei den Pendelmessungen zwischen 295 und 285,
so dass also unter Beibehaltung des vorhin für
das Reciprok von y angenommeneu Werthes 288.4
der hier in Betracht kommende, in etwas enge-
ren Intervallen ausgeführte Theil des obigen
Tableaus (5) etwa folgende Zifl"ern darbietet:
757.
Y
r
a
tf
1.015
1.485
284.1
194.2
1.010
1.490
285.6
193.6
1.005
1.495
287.0
192.9
1.003
1.497
287.5
192.7
1.002
1.498
287.8
192.5
1.001
1.499
288.1
192.4
1
1.5
288.4
192.3
1.999
1.501
288.7
192.1
1.998
1.502
289.0
192.0
1.997
1.503
289.2
191.9
1.996
1.504
289.5
191.8
1.995
1.505
289.8
191.6
1.990
1.510
291.3
191.0
1.985
1.515
292.8
190.4
1.980
1.520
294.3
189.7
1.975
1.525
295.8
189.1
1.970
1.530
297.3
188.5
1.965
1.535
298.9
187.9
1.960
1.540
300.4
187.3
(6)
Von den drei Verhältnisszahlen des Clai-
raut'schen Satzes ist y diejenige, welche inmitten
der Terschiedenen Gestaltbestimmnngen des ter-
restrischen Sphäroides und den verschiedenen
Beträgen welche mau der Schwere am Aequator
beigelegt hat, am wenigsten variirt. Halten wir
uns an das Reciprok von y, so können wir, in-
dem wir g^ durch nnl^ ersetzen, ans (4) ent-
nehmen
- = 4 TT.~ (7)
y 4 a ^ ^
Die von vielen Autoren für dies Reciprok von
758
y gewohnheitsmässig angenommene Ziffer 289,
das Quadrat von 17, ist entschieden zu gross.
Nehmen wir aus den verschiedenen Werthen, die
wir seit geraumer Zeit einerseits dem Halbmesser
des Aequators , andererseits der Pendelläuge am
Aequator beigelegt sehen, hinreichend von ein-
ander abweichende Zahlen , beispielsweise für a
die Grössen aus den EUipsoiden von Walbeck
(1819) 6376869» und von Clarke (1858) 6378294°»,
für Z° die Extreme aus den weiter unten durch
A bis F bezeichneten Berechnungen , nämlich
990.9780 (nach Schmidt) und 991.0250 (nach
Borenius) und führen einmal den grössten Werth
von a und den kleinsten von F in (7) ein , das
anderemal umgekehrt den kleinsten Werth von
a und den grössten von Z°, so ergeben sich für
— gleichsam als Grenzen die Ziffern 288.372 und
r
288.455, so dass man nicht leicht Werthen klei-
ner als die erste und grösser als die zweite Zahl
begegnen wird. Alle plausibelen Werthe müssen
zwischen diese Grenzen fallen , wie es z. B. der
Fall ist , wenn wir einmal für a und l^ beide
Maxima, das andremal beide Minima anwenden,
wodurch sich die Ziffern auf 288.385 und 288.435
stellen. Das Mittel jenes Paares ist 288.414,
dieses 288.410, wodurch sich der in unseren
Tableaus (5) und (6) angenommene abgerundete
Werth 288.4 rechtfertigt. Die Correctionen,
welchen man in den drei Elementen «, 6 und y
begegnet, bewegen sich also in wesentlich un-
gleichen Spielräumen , gross für a und 6', klein
für y , und werden sonach für a und 6 zumeist
entgegengesetzes Zeichen haben.
Nach dieser vorbereitenden Orieutirung haben
wir uns zunächst mit den wichtigsten Erfah-
J
759
rangen, welche auf dem Wege der Messungen
des einfachen Secundenpendels gewonnen worden,
zu befassen und die verschiedenen darauf ge-
gründeten Berechnungen zu besprechen.
Vorerst mag erwähnt werden, dass Laplace
im 3. Buch der Mecanique Celeste eine Berech-
nung der Schwere -Verhältnisse auf der ellipsoi-
dischen Erde auf Grund älterer Messungen des
Secundenpendels gegeben hat. Die Messungen
sind gemacht von Bouguer in Paris , in Peru
unter dem Aequator, zu Porto Bello und Petit
Goave ; von Le Geutil zu Pondichery ; von
Campbell zu London und zu Jamaica; von La-
caille am Cap d. g. H.; von Darquier zu Tou-
louse ; von Liesganig zu Wien ; von Zach zu
Gotha ; von Graham zu London ; von Mallet zu
Petersburg und Ponoi; von Grischow zu Arens-
burg; von Maupertuis und Clairaut zu Pello in
Lapland. Die 15, mit Ausnahme des Caps, der
nördlichen Hemisphäre angehörenden Oerter ver-
theilen sich auf die Breite von 0 bis 67 Grad.
Das Ergebniss ist eine Abplattung von ca =
315 ^). Bei späteren Berechnungen hat man je-
doch diese älteren, hinsichtlich ihrer Genauigkeit
mit den späteren nicht mehr auf gleichem Range
stehenden Messungen beiseite gelegt.
1) Im Original der Mec. Cel. war gefunden (o = 335.78
in Folge eines von Nathaniel Bowditch entdeckten Ver-
sehens beim Aufschlagen des Log. Sin. der Breite von
Gotha , welcher Ort dadurch irrthümlich um 23-, geogr.
Meilen (etwa nach Regensburg) südlich gerückt ist.
Bowditch hat in der amerikanischen (mit trefflichem Com-
mentar versehenen) Ausgabe der M. C. die Rechnung
redressirt. Noch ein anderes, von Bowditch nicht ver-
bessertes Veraehen in der Laplace'schen Aufzählung der
Beobachtungen besteht in der Vertauschung der geogr.
Breiten von Petersburg und Arensburg (nicht Arengsberg)
auf der Ostsee • Insel Oesel. Diese Vertauschung bleibt
indess ohne nachtheiligen Einfluss auf die Rechnung.
760
Neuere Berechnungen liegen vor von J. C.
E. Schmidt, von Bowditch, von Sabine, von
Foster, von Baily, von Borenius und von Pau-
cker, von welchen im Nachstehenden das Wich-
tigste erwähnt werden soll.
Ed. Schmidt^) gründet seine nach der
Methode der kleinsten Quadrate geführte Aus-
gleichungsrechnung auf sechs Beobachtungsreihen
aus den ersten dritthalb Jahrzehndeu dieses
Jahrhunderts. Es sind
1) Die vorzugsweise werthvoUen Pendelmes-
sungen von Capt. Edw. Sabine auf seiner
grossen Reise, umfassend die 13 folgenden Sta-
tionen, mit beigefügter Breite, wo das Minus-
zeichen südliche Breiten bezeichnet *)
Bahia -12° 59' 21''
Ascension — 7 55 48
Maranham — 2 31 43
St. Thomas 0 24 41
Sierra Leone 8 29 28
. Trinidad 10 38 56
Jamaica 17 56 7
New-York 40 42 43
London 51 31 8
Drontheim 63 25 54
Hammerfest 70 40 5
Grönland 74 32 19
Spitzbergen 79 49 58
Diese einen Breitenumfang von 92 Grad um-
fassenden Beobachtungen sind angestellt mittelst
zweier invariabeler Pendel (n° 3 und 4) durch
1) Lehrbuch der mathematischen und physischen
Geographie. 1. Bd. S. 365—437.
2) An Account of Experiments to determine the
figure of the Earth by Edward Sabine. London 1826.
761
Bestimmung der auf 24 Stunden (86400 Secun-
den) mittlerer Sonnenzeit kommenden Anzahl
von Schwingungen an jeder Station.
2) Die bereits früher auf der ersten Reise
von Parry durch Sabine angestellten Messun-
gen ^) in 3 Stationen:
Brassa 60» 9' 42"
Hare Island 70 26 17
Melville 74 47 12
3) Die Messungen von Capt. Henry Kater
in England *) von Cornwall bis Unst, der nörd-
lichsten der Shetlands Inseln, ausser London, an
6 Stationen:
Shanklin Farm 50° 37' 24-
Arbury Hill 52 12 55
Clifton
53
27
43
Fort Leith
55
58
41
Portsoy
57
40
59
ünst
60
45
28
Kater hat für London (im Hause von Mr.
Browne, Portland Place) als Normalstation, auf
welche alle comparative Bestimmungen mittelst
Schwiugungszählung bezogen und auf Peudel-
längen in englischen Zollen, deren 39.13929
oder (mit dem 1866 neu bestimmten Verhältniss,
dessen Logarithmus 1.4048298, reducirt) 994.1288
Millimeter auf die Länge des auf die Meeres-
fläche reducirten Secundeupendels daselbst gehen,
zurückgeführt werden.
4) Die Messungen verschiedener anderer eng-
lischer Reisenden an folgenden 8 Stationen vor-
zugsweise der tropischen Region:
1) Phil. Trans, for 1821, II. p. 189,
2) Phil. Trans, for 1819. p. 416.
762
Paramatta
- SS^
48'
43"
Rio Janeiro
- 22
55
22
Galopagos Ins.
0
32
19
Madras
13
4
9
St. Blas
21
32
24
wobei Paramatta, Rio Janeiro und St. Blas dop-
pelt zählen. Die Beobachter sind Basil Hall
auf den Galopagos Inseln, zu Rio Janeiro und
zu St. Blas, Foster zu Rio Janeiro und St.
Blas, Brisbane zu Paramatta, Dunlop zu
Paramatta, und Goldingham zu Madras.
5) Beobachtungen von Louis deFreyci-
uet auf seiner Reise um die Welt *) an 9 Sta-
tionen zwischen 5IV2 Grad südlicher bis 49
Grad nördlicher Breite:
Malvinen Ins.
—51"
35'
18"
Gap d. g. H.
—33
55
15
Port Jackson
—33
51
34
Rio Janeiro
-22
55
13
Isle de France
—20
9
56
Rawak
— 0
1
34
Guam
13
27
51
Mowi
20
52
7
Paris
48
50
14
Die von Freycinet gegebenen Verhältniss-
zahlen sind mittelst der von Borda bestimmten
Länge des Secundenpendels für Paris von Schmidt
auf englische Zoll reducirt, welche Länge, nach
dem späteren genaueren Anschluss an London,
nahe um ^^ Millimeter zu klein gewesen.
6) Beobachtungen der französischen Physiker
Biet, Arago^), Mathieu und C h a i x in uörd-
1) Voyage autour du monde par L. de Freycinet.
Obeervations du pendule. p. 26.
2) Recueil d'observations geodesique, aBtroDomiqDe6
et physiques par Biot et Arago.
763
liehen Breiten der gemässigten Zone an 8 Sta-
tionen :
Formentera 38° 39' 56"
Figeac
44
36
45
Bordeaux
44
50
26
Clermont
45
46
48
Paris
48
50
14
Düukirchen
51
2
10
Fort Leith
55
58
37
Unst
60
45
25
Die in Metern ausgedrückten Längen des
Secundeupendels für die decimale Zeit-Theilung
sind mittels Division durch (0.864)- auf Sexa-
gesimal-Secuuden und alsdann auf englische Zoll
reducirt.
Unter Anwendung unserer oben gewählten
Bezeichnung , wonach die Pendellänge für einen
Ort der geographischen Breite (p auf dem Ro-
tations-Ellipsoid ausgedrückt wird durch
? = Zo (1 -f ^ sin 9«) (8)
sowie die Intensität der beschleunigenden Kraft
der Schwere g , welche sich aas l durch Multi-
plation mit dem Quadrat der Zahl n ergibt,
durch
5r = ^« (1 + ffsiny«) (9)
lässt sich nun das Ergebniss der Berechnung der
47 Beobachtungsdata wie folgt darstellen.
Schmidt findet die Pendellängen, in Milli-
metern ausgedrückt,
?o = 990.9780 A (Schmidt)
Z* = 993.5548
V = 996.1315
?' — Z° = 5.1535
764
e = 0.005200480 = ^^^^^
Y = 0.003466926 = ^
288.44
und findet die Abplattungsziffer ca = 288,20, sie
ergibt sich indessen nach dem Clariaut'schen
Satze aus den vorstehenden Werthen von 6* und
Y fast ebenso gross, wie das Reciprok von y,
nämlich
ö) = 288.4475.
Die nahe üebereinstimmung der hier her-
vortretenden numerischen Werthe der Schwung-
krafts-Rate und der Abplattung würde durch
eine Modification von wenigen Einheiten der
dritten Decimale in den Reciproken von 6 oder
von Y oder beiden zugleich eine vollkommene
sein. Auch die weiterhin zu besprechenden
auf z. Th. nach genaueren Daten beruhenden
Berechnungen werden meist einen sehr kleinen
bald in Plus, bald in Minus ausfallenden Unter-
schied zwischen a und y herausstellen.
Wir wenden uns zur zweiten von Bowditch
in der amerikanischen Ausgabe der Mäcanique
Celeste ^) geführten Berechnung auf Grund von
52 auserlesenen Peudelbeobachtungen.
Es sind zunächst die bereits von Schmidt be-
nutzten Messungen , deren Anzahl hier dadurch
um 3 vermindert ist, dass für Paris statt der
beiden Messungen von Freycinet und von Biot
nur die eine Messung von Duperrey aufgenom-
men, und dass neben den beiden Messungen für
Rio Janeiro von Hall und von Foster die von
1) Vol. II. p. 480. Note (1606).
765
Freycinet weggelassen worden. Zu den bleiben-
den 44 bereits unter A (Schmidt) nebst den Pol-
höhen aufgeführten Stationen sind nun noch 6
Messungen von Capt. Duperrey, welcher von
den drei von Freycinet benutzten invariabelen
Pendeln w° 1, 2, 3 auf seiner zehn Jahre später
unternommenen Reise *) die beiden n° 1 und 3
benutzt hat, hinzugefügt:
Falklands Ins. -51° 31' 44"
Port Jackson —33 51 40
Isle de France —20 9 23
Ascension — 7 55 48
Toulon 43 7 20
Paris 48 50 14
Ferner ist von den älteren Messungen Fo-
ster's noch
Port Bowen 73° 13' 39"
und die Messung von Svanberg in
Stockholm 59° 20' 34*
hinzugenommen, wonach im Ganzen 52 Daten
der Berechnung von ßowditch znm Grunde ge-
legt sind.
Bowditch führt successive drei Rechnungen
aus, die beiden ersten nach der Methode der kl.
Quadrate, die dritte nach einer älteren von Bos-
covich empfohlenen einfacheren aber minder
strengen Behandlung der Abweichungen. Die
erste beruht auf den erwähnten 52 Beobachtun-
gen , die zweite und dritte nach Ausscheidung
von 8 mit grösseren Differenzen behafteten Be-
obachtungen (nach Ivory's Vorgange) auf 44
Beobachtungen. Die 8 verworfenen Daten sind
die zu St, Thomas und Ascension von Sabine,
1) In Connaissance des Temps poor 1830
63
766
die auf den Galopagos von Hall, die auf Ascen-
sion und Isle de France von Duperrey, die auf
Isle de France, Guam und Mowi von Freycinet,
über welches Verfahren wir uus weiterhin miss-
billigend werden auszusprechen haben.
Die zweite Rechnung liefert 6 = 0.00529
und « == 297, die dritte 6 = 0.00533 und
ö) = 301.
Die erste Berechnung aber, welche wir hier
allein berücksichtigen, trotzdem dass der durch-
schnittliche Betrag der Differenzen zwischen
Beobachtung und Rechnung bei der dritten
Rechnung fast nur halb so gross ausfällt, als
bei der ersten, ergibt
e = 0.0051794 = ^^
und unter der meist üblichen Annahme von —
Y
= 289 die Abplattungsziffer
(o = 288
sowie den Ausdruck für die Pendellänge in engl.
Zoll
l — 39.01612 + 0.20208 sin y«
woraus sich in Millimetern (1 engl. Zoll =
25.39977222 Millimeter) für die Peudelläuge am
Aequator, unter 45" Breite und am Pol ergeben
10 = 991.0002 B (Bowditch)
l* = 993.5667
l' = 996.1332
V — lo = 5.1330
Die durchschnittliche Abweichung der beob-
achteten von der berechneten Peudellänge (erste
Rechnung) findet Bowditch für die einzelne der
767
52 Beobachtungen = 0.00227 Zoll = 0.0577
Millim. Nach Beseitigung jener 8 mit grossen,
z. Th. über 0.007 Zoll reichenden Abweichun-
gen behafteten Messungen kann es nicht be-
fremden, dass die durchschnittliche Abweichung
in den beiden anderen Rechnungen auf nahe
den halben Betrag herabgeht.
Betrachten wir jetzt die von den beiden eng-
lischen Beobachtern Sabine und Foster auf ihren
grossen Reisen gewonnenen, mit invariabelen
Pendeln angestellten Messungen, deren Resultate
wegen der einheitlichen Methode, sowie wegen
der grossen Sorgfalt in den Berichtigungen be-
sondere Beachtung verdienen.
Es hat zunächst Edw. Sabine seine in den
20er Jahren angestellten, oben aufgeführten 13
Messungen , die sich auf einen Breitenumfang
von über 92 Grad erstrecken, in seiner bereits
erwähnten Schrift berechnet und in dem Aus-
druck für die Pendellänge in engl. Zoll
l = 39.01568 + 0.20213 sin y«
dargestellt und damit
6 = 0.00518074 = f,r^ri;rK;=
193.0227
sowie die AbplattungsziflFer
CO = 288.4
gefunden. Wir erhalten hieraus in Millimetern:
;o ^ 990.9890 C (Sabine)
l* = 993.5561
V = 996.1232
V—l^ = 5.1342
Die von Capt, Foster auf seiner fünf Jahre
späteren Reise gemachten Pendelmessungen sind
63 ♦
768
mit zwei invariabelen Pendeln aus Messing (w°
10, 11) und zwei convertibelen oder Kater'sehen
Pendeln, das eine aus Eisen, das andere aus Ku-
pfer, angestellt. Diese gleichfalls sehr sorgfäl-
tigen und umsichtigen Beobachtungen an den
folgenden 14 Stationen:
South Shetland —62° 56' 11"
Cap Hörn —55 51 20
Staten Island —54 46 23
Monta Video —34 54 26
Cap g. H. —33 54 37
St. Helena —15 56 7
Ascension — 7 55 23
Fernando da Noronha — 3 49 59
Maranham — 2 31 35
Para _ 1 27 0
Porto Bello 9 32 30
Trinidad 10 38 55
Green wich 51 28 40
London 51 31 8
bilden insofern das ergänzende Seitenstück zu
der Sabine'schen Reihe, als sie sich neben eini-
gen Orten niedriger nördlicher Breite vorzugs-
weise auf vStationen der Siidhemisphäre bis nahe
63 Grad erstrecken. Seine Beobachtungen ^) sind
von Francis Baily durch die Schluss-Messungen
in London mit den vier Pendeln ergänzt und
vollständig bearbeitet und bilden den Inhalt des
7. Bandes der Memoirs of the R. Astronomical
1) Leider war es Foster nicht vergönnt, «eine ausge-
zeichneten Messungen mit der Station London , mit der
er begonnen , nach der Rückkehr abzuschliessen und das
gewonnene Material zu bearbeiten und zu veröffentlichen.
Auf einer Excursionsfahrt auf dem Flusse Chagres in der
Nähe der Station Porto Bello am Ißthmus von Panama
kam er durch einen Unglücksfall, 86 Jahre alt, ums Leben.
769
Society^). la dieser Bearbeitung zählt die Sta-
tion London doppelt — vor der Abreise: Foster,
nach der Rückkunft der Foster'schen Instrumente:
Baily, so dass der Berechnung 15 Beobachtungen
zum Grunde liegen. Die Rechnung ergab nun
« = 0.00519605 = ^-g
und mit y = ^^ die Abplattungsziffer
(o = 289.48
und femer die Pendellänge in Millimetern:
l" = 991.0057 D (Foster)
l* = 993.5804
Z' = 996.1552
l'—io = 5.1495
Baily hat mit dem Berichte über Foster's
Pendelbeobachtungen und der ausschliesslich auf
diese gegründeten Berechnung zugleich eine Be-
rechnung einer vollständigen Reihe von Messun-
gen gegeben, welche mit invariabelen Pendeln
von den bewährtesten Experimentatoren bis da-
hin (1833) angestellt wurden.
Es werden der Rechnung (Methode der kl.
Quadrate) im Ganzen 79 Daten zum Grunde ge-
legt, welche sich auf 51 Stationen beziehen, an
denen zu verschiedenen Zeiten von mehreren Beob-
achtern oder auch von demselben Beobachter wie-
derholentlich Messungen angestellt worden. Es
erscheint auf diese Weise London 1 Imal, Green-
wich 5mal, Paris, Ascension und das Cap d. g.
H. je dreimal , Marauham , Trinidad , Guam , St.
1) Mit dem Specialtitel : Report on the pendulum ex-
periments made by the late Captain Henry Foster, R. N.
in his scientifie voyage in the years 1828—31 with a view
to detennine the figure o£ the Earth. Drawn up by Fran-
cis Baily, Eeq. y. P. ß. S., P, R. A. S. &c. London 1834.
770
Helena, Isle de France, Rio Janeiro, Port Jack-
son und Falklands-Insel je 2mal. Die aufgenom-
menen Messungen rühren her von folgenden Be-
obachtern :
1. Henry Kater, die bereits oben unter A
(Schmidt) aufgeführten sechs Oerter, nebst der
Normal-Station London ; zusammen 7 Stationen ').
2. Goldingham, die bereits oben erwähnte
Station Madras ^) und später auf Veranlassung
der Ostindischen Compagnie auf der unter dem
Aequator bei Sumatra liegenden kleinen Insel')
Pulo Gaunsah Lout 0° 1' 49"
Einschliesslich London 3 Stationen.
3. Basil Hall, die. drei oben erwähnten
Stationen Galopagos Inseln, San Blas und Rio
Janeiro*). Mit London 4 Stationen.
4. Brisbane, die oben erwähnte Messung zu
Paramatta^). Mit London 2 Stationen.
5. Edw. Sabine, die oben erwähnten auf
seiner grossen Reise berührten 13 Stationen.
6. Henry Foster auf der dritten Parry-
schen Reise in die arktischen Regionen ^). Vor
und nach der Reise bestimmte Foster mit dem
einen (w° 3) der beiden von Sabine benutzten
Pendel die Schwingungszahl zu Greenwich und
London, auf der Reise aber zu
Port Bowen 73° 13' 39"
Mit Greenwich und London 3 Stationen.
7. Fallows, Astronom des Observatorium
am Cap d. g. H. , beobachtete mit dem zweiten
(m°4) der beiden Sabine'schen Pendel, welches
1) Phil. Trans, for 1819.
2) Phil. Trans, for 1822.
3) In einem bloss zur Privatmittheilung bestimmten,
von der Ostind. Comp, ausgegebenen Foliohefte.
4) Phil. Trans, for 1828.
6) Phil. Trans, for 1823.
6) Phil. Trans, for 1826.
771
ihm von London, wo Capt. Ronald mit demselben
eine Bestimmung vornahm, zu diesem Behuf zu-
gesendet wurde ^)
Cap d. g. H. —33» 55' 56"
Mit London 2 Stationen.
8. Edw. Sabine unternahm 1827 eine be-
sondere Expedition zur comparativen Verknü-
pfung von Paris mit London *) mittelst zweier
Pendel (n° 7 und 8)
Paris observatoire 48° 50' 14"
Mit London 2 Stationen.
9. Edw. Sabine beobachtete zu gleichem
Zwecke in Greenwich und London ')
Greenwich 51" 28' 40"
2 Stationen.
10. Edw. Sabine verband ebenso Altona
(Prof. Schumacher's Sternwarte) mittelst des
Pendels w° 12, nach vorgängiger Revision der
Schneide, mit Greenwich und London*)
Altona 530 33' 45"
Mit Greenwich und London 3 Stationen.
11. L. de Freycinet, die bereits oben auf-
geführten 9 Stationen.
12. Duperrey, die oben aufgeführten 6
Stationen.
13. Capit. Lütke beobachtete im Anftrag
der E. Russischen Regierung an folgenden Sta-
tionen mit dem bereits von Hall benutzten
Pendel ^)
1) Phil. Trans, for 1830.
2) Phil. Trans, for 1828.
3) Phil. Trans, for 1829.
4) Phil. Trans, for 1829. 1830.
5) Bulletin scientifique (Beiblatt zu den Memoires) de
l'Acad. J. des sc. de St. Petersbourg. 6. serie vol. I.
1830. Uebers. in Philos. Mag. for Dec. 1832.
—330
2'
30"
—15
54
59
5
21
16
13
26
21
27
4
12
51
28
40
53
0
53
57
2
58
59
56
31
772
Valparaiso
St. Helena
Ualan
Guam
Bonin Inseln
Green wich
Petropaulowsk
Sitka
Petersburg
9 Stationen.
14. Hierzu kommen nun noch die oben auf-
geführten Foster'sehen Messungen in der tropi-
schen und antarktischen Region, wovon das se-
parate Resultat aus der Baily'schen Bearbeitung
unter D hervorgegangen ist. Mit London (ein-
fach genommen) 14 Stationen.
Die in diesen vierzehn Beobachtungsgruppen
enthaltenen 79 Daten bilden nun die Grundlage
der Baily'schen Berechnung. Es ergibt sich
e = 0.00514491 = ^^
sowie unter der gewohnten Annahme y = ^^^
die Abplattungsziffer
<ö = 285.26
und die Pendellängen in Millimetern
P = 991.0217 E (Baily)
l* = 993.5710
V = 996.1204
?'— P == 5.0987
Gleichwie Baily hat auch, neun Jahre spä-
ter (1843) H. G. Bore ui US eine allgemeine Be-
rechnung der Pendelbeobachtuugen vorgenom-
men ^). Borenius legt eine Auswahl aus den 79
1) Bulletin de la classe phyeico-mathdmatique de
l'Acad. J. des eo.de St. Petersbourg. T. I. p. 1. (1848).
773
von Baily der Rechnung unterworfenen Daten
mit Hinzunahme einiger später bekannt gemach-
ten , in der Baily'schen Reihe nicht enthaltenen
Messungen zum Grunde, wobei jede Station nur
mit Einem Datum auftritt, um möglichst ver-
schiedenen Gegenden der Erde das Stimmrecht
einzuräumen, sind in England nur London, Fort
Leith und ünst aufgenommnn. Hinzugezogen
sind die Messung von Reinecke ^) in
Kandalaks 67<» 7' 43"
und von Sabine eine ältere Messung*) auf der
Insel
Melville 74° 47' 12-
Hiernach besteht die Reihe von Daten aus
3 Messungen von Kater an den drei eben
genannten englischen Stationen (statt der Baily'-
schen 7),
12 von Sabine Bahia, St. Thomas, Serra
Leone, Jamaica, New York, Paris, Altona, Dront-
heim, Hammerfest, Grönland, Melville und Spitz-
bergen (statt 20),
2 von Goldingham: Pulo Gaunsah Lout
und Madras (statt 3),
8 von Basil Hall: Rio Janeiro, Galopagos
Inseln und St. Blas (statt 4),
13 von Foster: Port Bowen, South Shet-
land, Cap Hörn, Staten Island, Montevideo, Cap
d. g. H, , St. Helena, Ascension , Fernando da
Noronha, Maranham, Para, Porto Bello und Tri-
nidad (statt 17),
1 von Brisbane zu Paramatta (statt 2),
2 von Freycinet: Rawak und Mo wi (statt 9),
3 von Duperrey: Isle de France, Toulon
und Falklands Inseln (statt 6),
1) Mem. presentes ä l'Acad. J. des «c. de St. P^ters-
bourg. T. III.
2) Phil. Trans, for 1821 part IL p. 177.
774
7 \rou Lütke: Ualau, Guam, Bonin Inseln,
Valparaiso, Petropaulowsk, Sitka und St. Peters-
burg ^) (statt 9),
1 von Reineke zu Kandalaks,
also zusammen 47 Stationen.
Bei der nach der Methode der kl. Quadrate
geführten Rechnung werden zwei Formeln für
die Abhängigkeit der Peudellängen von der geogr.
Breite benutzt, von denen wir aus oben er-
wähntem Grunde bloss die erste berücksichtigen,
indem die zweite, welche ausser dem Quadrat des
Sinus der Breite noch ein dem Biquadrat pro-
portionales Glied enthält , sich auf ein nicht elli-
psoidisches Sphäroid bezieht.
Für den auf das Rotations-Ellipsoid bezügli-
chen gewohnten Ausdruck (8) ergibt sich nun
e = 0.005162366 = ^^^
und mit y = -j^^^ die Abplattungsziffer
w = 286.1
sowie die Pendellängen in Millimetern ■
?o = 991.0250 F (Borenius) \
l* = 993.5830 \
V = 996.1410 i
V—l^ = 5.1160
Die zweite Formel würde für « den "Werth
293.4 ergeben. Borenius bemerkt hierbei »da
es unentschieden ist, welcher von beiden Wer-
then (286.1 und 293.4) den Vorzug verdiene,
so wird mau mit hinlänglicher Genauigkeit als
mittleren Werth a = y = ^^ annehmen kön-
1) Die Messungen von Lütke sind nach dessen spä-
terer Mittheilung im III. Bande der Petersburger Memoi-
ren verbessert.
775
nen.« Von einer für die Kenutnis3 der Gravita-
tionsverhältnisse des Erdkörpers so werthvollen
A.rbeit hätte man freilich eine minder vagre Be-
stimmung von dessen Gestalt erwarten mögen.
Ausser den im Bishericren besprochenen Be-
rechnungen A von Schmidt, B von Bowditch,
C von Sabine, D von Foster, E von Baily, F
von Borenius darf noch in Kürze der Arbeit von
Paucker^) gedacht werden, worin sowohl die
Gradmessungen als die Pendelbeobachtungen ei-
ner besonderen Berechnung unterzogen werden.
Es wird indess dem terrestrischen Sphäroid durch
Mitberücksichtigung eines von dem Quadrat der
doppelten Breite abhängigen Gliedes in dem allge-
meinen Ausdruck für die Pendellänge eine nicht
elliptische Gestalt ertheilt. Aus diesem Grunde
genügt es die beiden Resultate hinsichtlich der
Dimensionen und der Abplattung der Erde nur
summarisch zu erwähnen , zumal wir auch der
getroffenen Auswahl der aus Borenius' Arbeit
entnommenen Pendelmessungen den Beifall ver-
sagen müssen.
Der Berechnung der Gradmessungen legt
Paucker 11 Messungen zum Grunde, nämlich die
Peruanische Messung mit 2 Stationen, die erste
Ostindische mit 2, die zweite Ostindische mit 7, die
Französische mit 7 , die Englische mit 5 , die
Hannoversche mit 2, die Dänische mit 2, die
Preussische mit 3, die Russische mit 6, die Schwe-
dische mit 2 und die Messung am Cap mit 4
Stationen. Es ergibt sich für das nicht elli-
ptische Sphäroid, dessen Meridian sich zwischen
1) Bulletin de la classe physico - mathematique de
l'Acad. J. des sc. de St. Petersbourg T. III. n° 15. 16
in 8 Artikeln über »die Gestalt der Erde«.
776
Aequator und Pol über das Ellipsoid von glei-
chen Axen-Dimensionen erhebt,
a = 6378324°»
b = 6356323
c = 22001
« = 289.9256
y/^Töö = 6370983
Der letzte dieser Werthe, der Radius einer
Kugel, welche mit dem entsprechenden Ellipsoid
gleiches Volumen besitzt, liegt zwischen den
Werthen von B, des Ellipsoides (18) von Clarke i
und (19) von Fischer unserer früheren Aufzäh-
lung und der Radius einer mit dem Paucker'schen
Sphäroid gleich grossen Kugel würde also den
Betrag von 6370983™ noch überschreiten und
nahezu die Grösse wie bei den Clarke'schen El-
lipsoid (18) erreichen.
Bei der Berechnung der Pendelmessungen
legt Paucker aus dem Complex der 47 Bore-
nius'schen Daten, nach Ausscheidung aller Be-
obachtungen , deren Abweichung von den von
Borenius berechneten Werthen 8 Oscillationen
pro Tag überschreiten, 28 Pendelbeobachtungen
zum Grunde, nämlich von Pulo, Galopagos,
Ascension, Serra Leone, Porto Bello, Jamaica, Val-
paraiso , Paramatta, Cap, New York, Toulon,
Paris, London, Falkland, Petropaulowsk, Altona,
Staten Island, Cap Hörn, Fort Leith, Sitka, Pe-
tersburg, Unst, Kandalaks, Hammerfest, Port
Bowen, Grönland, Melville und Spitzbergen. Es
werden somit gerade die wichtigen allein auf
dem Wege der Pendelmessung zu erlangenden
Werthe der Schwerkraft an Orten auf weiten
oceanischen Flächen , wie namentlich die Inseln,
wo vorzugsweise die Schwere wegen der merk-
777
liehen Depressionen des Geoids unter die EUi-
psoidfläche grössere Werthe zeigt, als sie auf dem
EUipsoid besitzen würde.
Die für das nicht elliptische Sphäroid gel-
tenden Werthe der drei Verhältnisse a, 6', r sind
1
r = 0.003467619 =
e = 0.005203447 =
a = 0.003465601 =
288.3824
1
192.1804
1
288.5503
wo wir H aus \y — a bestimmt haben. Der
Werth von y involvirt in der Paucker'schen
Rechnung den obigen offenbar zu grossen Werth
von a und damit geht die erste Decimale im
Reciprok von y unter 4 herab.
Bei den unserer Zustimmung entbehrenden
Unterlagen der vorstehenden Ergebnisse der in
analytischer Hinsicht so bedeutsamen Arbeit von
Paucker dürfen wir weder auf die Kleinheit der
Differenz zwischen den Werthen von y und a,.
noch auf die nahe Uebereinstimmung des Wer-
thes von o mit dem weiter unten von uns ge-
fundenen Werth der Abplattung Gewicht legen
und bemerken nur dass bei der grossen Annähe-
rung von a au y das Verhältniss von a zw. y
eiu Geringes unter 1 bleibt.
Um nun nach der auf dem Gebiete der Pen-
delmessungen gewonnenen Orientirung unserer
Aufgabe näher zu treten, fragen wir zunächst
nach dem Werthe der Länge des Secundenpen-
dels unter der mittleren Breite 45° , die wir mit
Z* bezeichnet haben. Wir entnehmen zu diesem
Behuf aus den Berechnungen A. B. C. D. E. F
778
die Werthe von ?*, wobei noch keins der drei
Verhältnisse des Clairaut'schen Satzes in Frage
kommt. Diese tVeiihe waren
l* = 993.5548 A
993.5667 B
993.5561 C
993.5803 D
993.5710 E
993.5830 F
Wir sehen hier eine mit hohem Grad von
Präcision bestimmte Constante für die Schwere
an der Erdoberfläche mitten zwischen ihren
Extremen am Pol und am Aequator, als Ergeb-
niss von sechs mehr oder minder umfassenden
Rechnungen, beruhend auf zumeist neueren und
umsichtig corrigirten Pendelmessnngen. Bei so
grosser Uebereinstimmung obiger 6 Zahlen würde
schon das einfache Mittel 993.56865 der Wahr-
heit sehr nahe kommen. Wir glauben aber
einen noch plausibeleren Werth zu gewinnen,
wenn wir den sechs Daten statt gleicher un-
gleiche Gewichte beilegen.
Dem Werthe A , der auf z. Th. nach der
älteren Borda'schen Methode angestellten Mes-
sungen beruht, geben wir das Gewicht 1, der
Bestimmung B von Bowditch wegen der grösseren
Anzahl aufgenommener Stationen und vorwie-
genderer Zahl mit iuvariabelen Pendeln gewonnener
Messungen das Gewicht 2. Den beiden Resul-
taten C und D von Sabine und Foster dürften
nahe gleiche Gewichte gebühren. Obwohl jede
nur wenig über ein Dutzend Stationen umfasst,
so ist doch jeseitig die Gleichförmigkeit der Me-
thode und die Einheit des Beobachters hoch
anzuschlagen, wie nicht minder die Erstreckung
auf die extremsten Breiten, im Norden bei C, im
779
Süden bei D. Die von Baily 1833 geführte Be-
rechnung dürfte der Zahl D vor der von Sabine
bereits 1825 gegebenen, in den nächst folgenden
Jahren in untergeordneten Punkten verbesserten
Berechnung C ein wenn auch geringes Vorrecht
geben. Wir legen C das Gewicht 3, D das
Gewicht 4 bei. Dem Baily'schen Resultat E
aber gebührt ohne Zweifel unter allen weitaus
das grösste Gewicht nicht sowohl wegen Zulas-
sung von lediglich mit invariabelen Pendeln an-
gestellten Beobachtungen — hierin stehen C und
D mit E auf gleichem Range — als vielmehr
wegen der weit überwiegenden Zahl von Beobach-
tnngsdaten , in umsichtigster Kritik gehandhabt
und berechnet. Wir glauben der Zahl E billig
das Gewicht 10, so viel als A, B, C und D zu-
sammengenommen, beilegen zu müssen. F fusst
mit E fast durchweg auf gleichen, nur in ihrer
Zahl beträchtlich verminderten Daten. Wir ge-
ben ihr das halbe Gewicht von E, d. h. 5.
Diese auf möglichst kleine Zahlen beschränkte
Abwägung unserer in Rede stehenden Angaben
für Z*, deren Motive wir in ihren wesentlichsten
Momenten nur kurz angedeutet haben, kann der
Einwurf der Willkür in kaum nennenswerthem
Masse trefiFen, insofern sie nur auf ein Markten
um kleine Grössen hinausläuft, die unter einem
Fünfzigtausendstel des Ganzen bleiben.
Die Rechnung kann auf die zweite und die
folgenden Decimalen des Millimeters beschränkt
werden, indem wir mit Zehntausendt^ln des Mil-
limeters rechnen, um die zu 993.5 noch anzu-
fügenden Decimalen für den plausibelsten Werth
von l* zu finden. Die bekannten Vorschriften
der Wahrscheinlichkeitsrechnung ergeben dann:
780
pz f es pet
A
I
548
548
— 173
29929
29929
±91.30
B
2
667
1334
— 54
2916
583*
6456
C
3
561
1683
—160
25600
76800
5271
D
4
803
3212
+ 81
6724
26896
45.65
E
10
710
7100
— II
IZI
1210
28. 90
F
5
830
4150
+ 109
11881
59405
40.83
WO die verabredeten Gewichte unter p, die zu
behandelnden Ziffern unter 2 stehen. Die Summe
[pz] = 18027 getheilt durch [p] = 25 gibt als
plausibelsten Werth 721.08. Die Abweichungen
der 2 von diesem Mittelwerth bilden die unter
e aufgeführten Fehler; ihre Quadrate stehen
unter es und die ^fachen Quadrate unter pss.
In . der Quadratwurzel aus der durch 25 — 1 ge-
theilten Summe [pes] finden wir dann den sog.
mittleren Fehler einer einzelnen der sechs An-
gaben für den Fall des Gewichts 1 , wie z. B.
der ersten A. Die mittleren Fehler der übrigen
Angaben mit andern Gewichten als 1 finden sich
mittelst Division durch Vp. Diese mittleren
Fehler oder Unsicherheiten stehen oben in letzter
Columne unter m. Den mittleren Fehler des
gefundenen Mittels 721.08 finden wir durch Di-
vision von +91-30 durch V[p] = 5. Derselbe
ergibt sich = +^\S.2Q. Der*" sog. wahrschein-
liche Fehler der Ziffer 721.08 wäre dann + 12.18,
d. h. man dürfte — hinsichtlich der Gewichts-
vertheilung Einverständniss vorausgesetzt — al
pari wetten, dass die Abweichung von dem wah-
ren Werth ebenso oft unter als über 12.18 falle*).
Unser Ergebniss ist also
Z* = 993.572108 (10)
1) Diese Grösse 12. 18 oder 1^ Mikrum liegt nahezu
auf der Grenze der heutigen Leistung directer mikrosko-
pischer Messung.
781
mit der mittleren Unsicherheit von +0.00182Ö
Millimeter, wonach sich die Genauigkeit, mit
welcher wir die Länge des Secuudenpendels unter
dem 45. Grad der Breite zu keunen glauben
dürfen, auf 3^(,ö des Ganzen stellt. Beiläufig
bemerkt, muss die Genauigkeit in unserer heu-
tigen Kenntniss des zehnmillionten Theils des
Erdmeridians mindestens 12mal geringer veran-
schlagt werden.
Durch Multiplication von l* mit nn erhalten
wir sofort den plausibelsten Werth der Schwere
unter 45 Grad Breite
g* = 9"'806165 (11)
mit der mittleren Unsicherheit von +^'"^^018
und der gleichen Genauigkeit von ^xiVöü*
Die Pendellänge (10) und die Schwere (11)
wie wir sie so oben bestimmt haben , müssen
auf Grund der Ausgleichuugsrechnungen Ä....F
auf das jeweilige Ellipsoid und auf diesem auf
den Parallel des 45. Grades der Breite bezogen
werden , während die aus den unmittelbaren
Messungen gewonnenen Pendelläugen, bei welchen
durchweg die Reduction auf deu Meeresspiegel
angebracht ist , dem Geoid angehören. Die aus
den Rechnungen resultirenden sog. Fehler, d. h.
die Differenzen der beobachteten und der be-
rechneten Pendellängen sind als wesentlich aus
zwei Theilen bestehend zu betrachten, nämlich
aus dem jeder Messung unvermeidlich anhaftenden
wirklichen Beobachtungsfehler und aus derjenigen
Differenz, welche wesentlich auf Rechnung des
am Beobachtungsorte stattfindenden Höhenunter-
schieds zwischen dem Geoid uud dem bei der
Berechnung supponirteu Ellipsoid gesetzt werden
muss, so wie in zweiter Linie auf Rechnung geo-
64
782
gnostischer Verhältnisse in der Nähe des Be-
obachtungsortes, welche bald eine Verstärkung
bald eine Verringerung der Intensität bewirken
können. Der erste Theil darf bei den besseren und
zumal den neueren in unserer Discussion zu
Rathe gezogenen Beobachtungen durchweg als
klein vorausgesetzt werden, so dass, wofür die
namentlich in niederen Breiten beider Hemi-
sphären und besonders auf weit von den Conti-
nenten entlegenen Inselstationen nach Ausweis
ebensowohl verschiedener Ausgleichungs - Rech-
nungen als verschiedener Beobachter an derselben
Station sprechen, grosse positive Differenzen durch
ihren beträchtlichen zweiten Theil als Zeugniss
für eine adäquate Vertiefung der Geoid- oder
Meeresfläche unter dem regelmässigen Ellipsoid,
grosse negative Differenzen, die zumeist an Con-
tinental-Stationen hervortreten, als die Wirkung
geoidischer Erhebungen über dem Ellipsoid
gelten können ^). Der erste Theil , nämlich der
mittlere zu befürchtende Beobachtuugsfehler bei
neuerer Methode mit invariabelen Pendeln und
bei bewährten Beobachtern darf auf kaum drei
Fünftel einer Schwingung per diem, oder etwa
^^ eines Millimeters in der Pendellänge veran-
schlagt werden ^). Der zweite reale Theil der
1) Dieser Sachverhalt ist bereits von Ph. Fischer in
der früher genannten Schrift >Untersuchungen über die
Gestalt der Erde.« Darmstadt 1868. in ausführlicher
Discussion zur Evidenz gebracht.
2) Entnehmen wir aus dem Verzeichniss Baily's von
79 Daten eine Anzahl mehrfach beobachteter Stationen,
nämlich 7 doppelte: Maranham, Trinidad, Guam, St. He-
lena , Isle de P'rance , Rio Janeiro und Port Jackson ;
3 dreifache: Asconsion , Cap und Paris; endlich die fünf-
fache: Greonwich, so lässt sich die jeder Station zukom-
mende constante Abweichung als jener zweite oftmals
•7QO
Abweichuugeu, der zwischen Null und fast ein
Dutzend Oscillationen ganz regellose, sporadische
Beträge in Plus und Minus ausweist, darf als
ein genähertes Mass lothrechter Coordinat^n des
Geoids unter oder über dem Ellipsoid angesehen
werden, obwohl ein Theil — auf Inseln weiter
oceanischer Flächen indess wahrscheinlich nur
ein kleiner — auf Rechnung von geologischen
weit grössere Theil abscheiden und ein genäherter Werth
für den mittleren za befürchtenden Fehler einer einzelnen
Pendelmessnng der hier in Betracht kommenden Art er-
mitteln. Die Rechnung ergibt denselben aas den ge-
nannten 28 Messungen gleich
±0.558 Oscillationen
d. h. (da hierbei Einer Oscillation nahe 0.232 Millimeter
entsprechen) eine Unsicherheit in der Länge des Secun-
denpendels von
±0.0129 Millim.
welches eine Genauigkeit heutiger Pendelmessungen von
Tbia?7 bedeutet, während die ganze Abweichung einschliess-
lich des realen Theils, welche man unpassend schlechthin
Fehler genannt hat , nach der Rechnung A (Schmidt) in
ihrem mittleren Betrag = ± 0.0697 Millimeter, also über
fünfmal grösser ist. Die bei der gegenwärtigen Rechnung
hervorgetretenen Beträge des zweiten oder realen Theils
der Abweichung für die genannten 11 Stationen sind
Oscill.
MilUm.
Maranham
—6.34
—0.1470
Trinidad
—5.41
—0.1254
Guam
+4.94
+0.1141
St. Helena
+6.75
+0.1565
Isle de France +6.63
+0.1537
Rio Janeiro
-4.33
—0.1004
Port Jackson
—0.18
—0.0042
Ascension
+8.22
+0.0746
Cap d. g. H.
—2.12
—0.0491
Paris
—2.25
—0.0522
Greenwich
—0.78
—0.0181
Die hierbei betheiligten Beobachter sind Foster mit
7 Messungen , Sabine und Freycinet mit je 6 , Duperrey
mit 4, Lütke mit 3. Hall und Fallows mit je einer Meesong.
64*
784
Ungleichförmigkeiten in der Intensität der
Schwere kommen mögen. Auf das im allge-
meinen Ueberschlag der topischen Verhältnisse
des Geoids bereits in dem ersten Theil dieser
Untersuchung Erörterte hinweisend, begnügen
wir uns hier, wo von den Depressionen und Ela-
tionen des Geoids nur gelegentlich die Rede ist,
für ein paar extreme Vorkommnisse ins numerische
Detail einzugehen , um daran die Art der Aus-
werthung der fraglichen örtlichen Tiefe oder
Höhe der Geoidfläche zu erläutern, wovon wir
weiterhin einige Anwendungen auf das hier zu
ermittelnde Ellipsoid zu machen beabsichtigen.
Bei den nach der comparativen Methode der
Schwingungszählung augestellten Pendelbeobach-
tungen ist die übliche Correction zur Reduction
auf die Meeresfläche, welche sofern die Station
in der Regel über der Meeresfläche liegt, der
beobachteten Anzahl von Schwingungen — nach
geschehener Verbesserung wegen des astronomisch
controllirten Ganges der Uhr, wegen endlicher
Schwinguugsbogen, wegen Temperatur des Pen-
dels und wegen Temperatur und Druck der um-
gebenden Luft (buoyancy) — hinzuzufügen ist
= ^'^'h (12)
wo N die Zahl der Schwingungen per diem*),
H der Erdradius, A die Höhe des schwingenden
Pendels über dem Meere und s eine Constante
ist, welche von den Dichtigkeitsverhältuissen der
Erde abhängt und gewöhnlich = ^ gesetzt Avird.
Es leuchtet ein, dass derselbe Ausdruck sich be-
nutzen lässt, ans dem durch die Ausgleichuugs-
Rechnung für die EUipsoidflächen gefundenen
1) Baily fand es bei Berechnung der Foster'schen Be-
obachtungen ausreichend, N durchweg — 66100 zu setzen.
785
Werthe von N und dem anf die Meeres-, also
die Geoidfläche reducirteu Werthe die Höhendif-
ferenz zwischen Geoid und Ellipsoid zu finden.
Es sei die in der Rechnung gefundene Abwei-
chung JN oder v die Zahl von Schwingungen,
um welche die anf die Meeresfläche reducirte
Schwingungszahl grösser ist als die durch Aus-
gleichung für das Ellipsoid gefundene Schwin-
gungszahl, und C die Höhe des Geoids über dem
Ellipsoid, so findet sich
C = -|E.^ (13)
Es genügt, R constant = 6370000, also |iJ =
9555000 zu setzen, wenn C in Metern gefunden
werden soll. Für N ist der berechnete, ausge-
glichene Werth zu setzen.
Den extremsten Fall bietet bis jetzt die auf
den Bonin-Inseln, im westlichen Pacific zwischen
Neu -Guinea und Japan, von Capt. Lütke ge-
machte Beobachtung, wo N über 1 1 Oscillationen
grösser gefunden ist als der berechnete Werth.
Nach Baily's Rechnung (E) ist diese Abweichung
11.25, nach ßorenius (F) 11.04. Das Mittel als
Werth für v und 86310.8 für N gesetzt, gibt
f = — 1234™ als Depression der Meeresfläche
daselbst unter dem Ellipsoid ^). Bei unserer im
ersten Theil dieser Arbeit versuchten ganz rohen
Ueberschlagsrechnung fand sich die durchschnitt-
liche Depression der grossen Oceanflächen nur
— 120 Meter. Hiernach erscheint die locale
Eintiefung der Meeresfläche in der Gegend der
Boniu - Inseln vollauf zehnmal so gross als die
durchschnittliche Depression der oceanischen
1) Etwa die Höhe des Vesuv , oder halbe Höhe des
Berges Sinai, oder etwa | der höchsten Gipfel des Hi-
malaja.
786
Theile der Erdoberfläche, sofern nicht ein Theil
jener 11 Oscillationen zugleich auf Rechnung
einer Vergrösserung der Intensität der Schwere
in Folge grösserer localer Dichtigkeit der an und
unter dem, gerade in dortiger Region sehr tiefen
Meeresgrunde vorhandenen festen Massen kommen
sollte. Diese Depression vergrössert die Pendel-
länge um 0.258 Millimeter und die Beschleuni-
gung der Schwere um etwa 2S Millimeter. Eine
Wiederholung der Messung wäre indess dringend
wünschenswerth.
Als zweites Beispiel diene Maranham. Ob-
gleich ebenfalls auf einer Insel ganz nahe der
Nordküste Südamerika's gelegen , wird dieser
Punkt durch die nahen Reliefmassen des Conti-
nents auf einen elatorischeu Theil des Geoids
erhoben, so dass daselbst die Abweichung in der
beobachteten Schwinguugszahl negativ ausfällt.
Der Werth von — v findet sich in E aus Sa-
bine's Messung 6.11, aus Foster's 6.51, in F aus
Foster's Messung 6.71. Setzen wir v = —6.5
und N = 86265.37, so findet sich die Elation
^ = 720™ und damit eine Verkürzung der Pen-
dellänge von 0.15 und eine Verminderung der
Schwere um 1^ Millimeter.
Fälle der betrachteten Art liefern sehr werth-
volles Material für die künftige Kenutniss der
Irregularitäten der Geoidfläche. Ihre zur Zeit
noch sehr geringe Zahl wird hoffentlich durch
eifrige Wiederaufnahme der Pendelmessungen
demnächst ansehnlich vermehrt werden. Ihnen
aber gebührt bei Feststellung des regelmässigen
Ellipsoides das gleiche Stimmrecht , wie den
übrigen, für welche die Ausgleichsrechnung nur
kleine Abweichungen herausstellt. Das Motiv,
eine Ausmerzung solcher Messungen, bei welchen
die Abweichung v drei Einheiten übersteigt, zu
787
missbilligen, dürfte im Vorsteheudeu hinreichend
gerechtfertigt sein.
Nach Auffindung des plausibelsten Werthes
von l* = 993.5721 mit der mittleren Unsicher-
heit von +0.0018 kommen die Pendellängen am
Aequator und am Pol in Betracht, deren Werthe
aus den sechs Berechnungen A bis F mit Be-
trägen von merklich grösseren Discordanzen her-
vorgingen , als bei der Pendellänge unter der
Breite 45^' der Fall war. Die Werthe von l*
bewegten sich so zu sagen zwischen den Extre-
men innerhalb 282 Einheiten der vierten Deci-
male des Millimeters , bei P zeigt sich dieser
Spielraum (A uud F) = 470, bei V (E und D)
= 348. Der Sachverhalt lässt sich bildlich etwa
so veranschaulichen. Sechs Stäbe von nahezu,
aber nicht vollkommen gleicher Länge werden
aufeinander liegend mit ihren Halbirunj^spunkten
vorerst zur Coincidenz gebracht, dann werden an
beiden Enden die Nichtcoincidenzen der End-
punkte symmetrisch sein ; sobald nun aber die
Stäbe der Länge nach gegenseitig etwas verscho-
ben werden, so dass ihre Mitten nicht mehr ge-
nau zusammenfallen, wird die Symmetrie der
Nichtcoincidenz an beiden Enden verloren gehen
und zugleich der Gesammt betrag derselben auf
beiden Seiten ungleich werden. Es stellt l* an
jedem Stabe seine Mitte, l^ und ?' stellen seine
Enden vor.
Bei der nunmehr bloss vorläufigen numeri-
schen Behandlung der aus dem Bisherigen für
jede der sechs Berechnungen hervorgegangenen
Werthe von ?•* uud V halten wir uns wiederum
bloss an die letzten Decimalen. Wir haben also
788
^0
£
f£
A
9780
—253
64009
B
10002
— 31
961
C
9890
—143
20449
D
10057
+ 24
576
E
10217
+ 184
33856
F
10250
+217
47089
Der grösseren Discordanzen sowie der nachgehend
vorzunehmenden kleinen Verschiebung wegen
verzichten wir auf eine scrupulöse Abwägung,
wie wir sie bei dem wichtigeren Werthe l* an-
gewandt haben, und nehmen (also ohne Gewichts-
unterschiede) zunächst das einfache arithmetische
Mittel 10033, für welches sich die Abweichungen
oben unter « und ihre Quadrate unter ss beige-
fügt finden. Die Summe [«sj getheilt durch 6 — 1
gibt in ihrer Quadratwurzel die den einzelnen
sechs Werthen von l^ beizumessende mittlere
Unsicherheit +183.
Die analoge Behandlung der auf ?' bezügli-
chen Daten ergiebt
€ SB
—. 26 676
— 9 81
—109 11881
+211 44521
—137 18769
.+ 69 4761
woraus das vorläufige arithmetische Mittel = 341
und die mittlere Unsicherheit = +127').
1) Efl kann nicht befremden, dass die Unsicherheit in
V jferinger befunden wird , als in P, trotzdem Beobach-
tungen, am Aequator selbst und in grosser Nähe angestellt
(Rawak, Pulo Gaunsah Lout, St. Thomas, Galopagos) zu
Gebote stehen , was am Pol nicht der Fall ist , von wel-
chem die nördlichsten ßeobachtungsörter (Spitzbergen,
V
A
315
B
332
C
232
D
552
E
204
F
410
789
Die beiden erhaltenen Mittel werthe 991.0033
und 996.1341 liegen aber, wie nicht anders zu
erwarten, noch ungleich weit von l* = 993.5721
ab. Erst durch die kleine Verschiebung von
4-0.0034 gehen aus ihnen Mittelwerthe hervor,
deren Mittel mit l* coineidirt. Wir betrachten
also P = 991.0067 und /' = 996.1375 als Er-
gebnisse einer Beobachtung von dem durchschnitt-
lichen Gewicht der zum Grunde liegenden Daten,
behaftet l^ mit der mittleren Unsicherheit
+ 0.0183, l' mit +0.0127 und gewinnen nun-
mehr einen präciseren Ausdruck für den Spiel-
raum, in welchem sich zur Zeit die aus Berech-
nungen, wie unsere sechs, hervortretenden Werthe
für l^ und ?' bewegen. Es schwankt, in diesem
Sinne betrachtet,
Z° zwischen 990.9884 (14)
und 991.0250
V zwischen 996.1248
und 996.1502
und wir fordern von den den beiden extremen Pen-
dellängen für das zu ermittelnde Ellipsoid bei-
zulegenden Werthen , dass sie nicht ausserhalb
der hier gefundenen Grenzen fallen. In Betreff
der Schwere am Aequator und am Pol stellen
sich diese Grenzen (in Metern)
Grönland) zehn Grade und mehr entfernt bleiben, wenn
man berücksichtigt, dass die realen, von den Unregelmä-
ssigkeiten des Geoids herrührenden Discordaczen in der
äqaatorischen Region merklich grösser sind, als in der
polaren. Die verschiedenen EUipsoide der einzelnen Aus-
gleichsrechniingen oscnliren so zu sagen in mittleren
Breiten nahezu , weichen aber an den Polen merklicher,
und noch mehr in der Tropenregion aus dem besagten
Grunde unter einander ab.
790
(/ zwischen 9.780663 (15)
und 9.781022
g' zwischen 9.831364
und 9.831607
Um nun die beabsichtigte Modification des im
ersten Theil dieser Untersuchung aufgestellten
typischen EUipsoides in Angriff zu nehmen , so
dass die Aenderuug nur die Abplattung, nicht
die Grösse tangirt , zugleich aber möglichst ge-
naue und neben den Gradraessungen zugleich den
Pendelmessungen Genüge leistende Coucinnität
zwischen den durch den Clairaut'schen Satz unter
einander verknüpften Verhältnissen a, 6', y und
den Werthen der Schwerkraft hergestellt werde,
blicken wir noch einmal auf das oben aufge-
führte Tableau (6) simultaner Werthe von
a, 6', y zurück, aus welchem wir hier nur die
wenigen Ziffern reproduciren, welche der jetzt in
Betracht kommenden Region dieser Werthe an-
gehören :
« tf 11
a 1.001 1.499 288.1 192.4 (16)
h 1 1.500 288.4 192.3
c 0.999 1.501 288.7 192.1
d 0.998 1.502 289.0 192.0
e 0.997 1.503 289.2 191.9
Wir erinnern uns, dass diese Ziffern nur scheraa-
tisch und für einen bestimmten genäherten Werth
von — , nämlich 288.4 , gültig sind. Die Zahlen
der Ziffernreihen h und d sind es speciell , in
denen sich unsere kleine Verbesserung wird zu
bewegen haben. Unser bisheriges typisches El-
791
lipsoid steht in der Linie ti, wo - = w = 289,
1 a"
-- etwa 192.0, das Verhältuiss - also um 0.002
6 r f}
unter 1 , und das Verhältniss - nahe 0.002
f
über 4 liegt. Mit der ganzzahligen Abplattungs-
ziffer ist, wie bereits bei seiner Aufstellung her-
vorgehoben wurde, wesentlich auf das Votum
der Pendelmessuugen Rücksicht genommen , in-
dem wir diesem Zeugniss ohne das der Grad-
messuugen ganz aus den Augen zu lassen , das
größere Vertrauen glaubten schenken zu sollen.
Von ganzen Zahlen für den Werth von w konn-
ten nur 288 und 289 in Betracht kommen, von
welchen wir, im Hinblick auf die entschieden
größeren Ziffern der Gradmessungen, der letzteren
den Vorzug gaben. Jetzt, wo wir eine genauere
Feststellung nicht nur der Gestalt des Ellipsoides
sondern auch seiner dynamischen Constanten
versuchen, werden wir im Wertbe von « um
Bruchtheile einer Einheit von 289 in der Rich-
tung nach 288 geführt werden , und die Noth-
wendigkeit hierzu liegt in kleinen Discordanzen,
zu welchen uns die abgerundeten Ziffern des ty-
pischen Ellipsoides führen würden, wenn man
sie als scharfe Zahleuwerthe in die Berechnung
der Grössen a, 6'. y einschliesslich der Constanten
der Schwere einführte, sofern letztere mit 0 und
Y verwachsen sind. Kürze halber unterlassen
wir ins numerische Detail dieses Punktes einzu-
gehen und erwähnen nur, dass für cö = 289.00
und R = 6370000«" an der Hand des gefundenen
Werthes für ?* eine Ziffer für das Reciprok von
6 nahe wie in der Linie d des Tableaus (16),
nämlich 192.0 erwächst, aus welcher Werthe
von /*^ und V hervorgehen würden, die noch
792
merklich ausserhalb der Grenzen (14) fallen und
zwar im Sinne eines zu grossen Werthes von 6.
Diese Andeutung ist hinreichend zu erkennen,
in welcher Richtung wir uns bei der erforderli-
chen Verbesserung in den obigen Zahlenreihen
in (16) zu bewegen haben ; wieviel, hat die Rech-
nung zu ergeben. Wir haben von d gegen h
hin aufwärts zu steigen, um 6 auf eine statt-
hafte Rate herabzubringen. Hiermit wird vor-
aussichtlich in der Abplattung a eine kleine
Verstärkung Hand in Hand gehen, der wir aber
immer im Rückblick auf die Gradmessungen
Einhalt thun, sobald das kleiner werdende 6' jene
Grenzen innezuhalten gestattet. Es wird sich
zeigen, dass wir der Linie h in (16) , d. h. der
Gleichheit von a und y sehr nahe gebracht wer-
den, ohne sie zu überschreiten. Unsere Ziffern
lehren uns durch den blossen Anblick das zu
erwartende Resultat in genäherter Form zu an-
ticipiren. Das Reciprok von 6* muss von 192.0
bis zwischen 192.2 und 192.3 steigen, w wird
von 289 nahe gegen 288.4 zurückgehen , y wird
um weniger als 1 Tansendtel in seinem Verhält-
niss zu a überlegen bleiben, und wird sehr
Y
wenig über ^ betragen.
Nach der in diesen übersichtlichen Andeutun-
gen enthaltenen Richtschnur hat nun behufs der
zu erzielenden Concordanz die Rechnung die
geeigneten Wege einzuschlagen, welche, wie sich
zeigt, nur indirect sein können und durch ange-
messene Wiederholung in schrittweise gesteigerter
Approximation zum Ziele führen.
Man kann beginnen mit einem roh genäher-
ten Werthe von 6', z. B. 0.00518, um aus ihm
provisorische Werthe von /° und // so abzuleiten,
793
dass der oben gefuudeue uud durch die ganze
Berechuuug fest zu haltende Werth (11) von l*
die Mitte hält zwischen /" und /'. Man könnte
zu diesem Ende nach der Regula talsi verfahren
uud mit einem genäherten Werthe von ^", der
sich leicht aus den früheren Daten (A . . . F)
entnehmen lässt, z. B. 991.0 den zugehörigen
Werth von l' = l'^ -\- b'P aufsuchen. Das Mittel
aus Z° uud r zeigt nuu iu seiner Differenz gegen
993.5721, welche Redressur l^ und /' erheischen,
um von diesem Werthe nach beideu Seiten
gleiche Abstände zu ergeben '). Indess kann
auch der gerade Weg eingeschlagen werden, um
von l* mittelst 6' zu Z" uud l' zu gelangen. Man
findet nämlich aus (8)
also l = l*—^P-]-6'Psm(f^
= Z*_A;o(i_2giny»)
= 1*--I0cos2<p
= l* — l* cos 2 a>
1 + 1
oder l = l*(l — 6' cos 2(f) (17)
f RR
wo 6' = — - — , demmau bei schärferer Rech-
2 4
nung der letzten Schritte, um die 8. und 9. De-
1) Es verschlägt bei diesem ersten Schritte wenig,
dass der in dieser Weise corrigirte Werth von /' nicht
mit Schärfe um das Product aus 6 und dem corrigirten
l^ grösser als dieses l^ ist.
794
ciniale im Coefficieuteu von cos 2 y genau zu er-
halteuj noch -j- .hinzufügen kann,
ö
Man findet also l^ = V^ — 6'V und kann
l' ^0
vorerst — es sei denn zur ControUe & =
— die Berechnung von V == l*-\-6'V^ noch un-
terlassen, da es sich zunächst behufs Feststellung
von ;' nur um die Kenntniss von g^ handelt,
welches man aus nnl^ findet, wobei auch der
kleine Umweg über ^" vermieden werden kann,
4 a
wenn man statt (4) schreibt y = -yfrm • 7^1 O'^er
0, 4 JL 1 t
=^ Ä . —, wo Z; = -TfTrf,' In dem constanten
Factor Iz bedeutet T die in Secunden mittlerer
Sonnenzeit, die allen Messungen des Secunden-
pendels zum Grund liegt, ausgedrückte Rotations-
dauer der Erde , d. i. den Sterntag , wonach
T = 86164"0906 , log TT = 8.8706527 und
log k = 1.7314073.
Die äquatoriale Halbaxe a hängt nun aber
von der Abplattung et ab, die wir erst suchen,
und mit « oder « muss aus unserem constanten
Kugelradius R == 6370000'" die Grösse a, so wie
nachgehends auch />, bestimmt werden. Die
hierzu erforderliche Vorschrift findet sich leicht
a = M.[^^ (18)
ebenso 6 = i2.(^llj^ (19)
oder h^'^.a (20)
Auch hier wenden wir vorerst einen genä-.
795
herteu Werth von «, etwa 288.5 au und fiuden
einen genäherten Werth von a, der einige Meter
grösser ausfallen wird als der dem typischen El-
lipsoid angehörige 6377365™. Mit den genä-
herten Werthen von l^ und a fiuden wir danu
a
in Je. -^ einen ersten genäherten Werth von y,
V
dessen Fünfhalbfaches nach dem Clairaut'schen
Satze der Summe a -\- 6 gleichkommen soll. Die
Controlle a = ^y — fj wird sofort zu erkennen
geben, dass bei den beispielsweise vorgeschlagenen
Näherungswerthen 6' = 0.00518 und w = 288.5,
die Abplattung noch zu klein, «a noch zu gross
sei. Die dem 6' entsprechenden Werthe von l^
und P liegen aber noch entschieden innerhalb
der in (14) vorbehaltenen Grenzen. Wir befinden
uns indess hinsichtlich der gleichzeitigen Verän-
derlichkeit der drei Grössen a, 6', y *) in demje-
nigen Stadium, wo alle drei zugleich wachsen,
*) In den sechs Bearbeituncren A...F der Pendelmes-
sungen, deren Hauptinteresse für uns in den berechneten
Werthen der Schwerkraft lag, haben wir nicht unterlassen,
auch die Auswerthung von w anzuführen, wie sie von
den betreffenden Autoren in ihren Arbeiten gegeben
worden sind, ohne jedoch darauf Werth zu legen, oder
davon Gebrauch zu machen. Bei A allein, der wir aus
angeführten Gründen gerade das kleinste Gewicht bei
Ermittelung des wahrscheinlichsten Werthes von /* bei-
legten, ist auf genauere Auswerthung von y Bedacht ge-
nommen , bei allen übrigen ist — wie bereits oben da-
rauf aufmerksam gemacht — nach ungenauer Gewohnheit
der entschieden zu grosse ganzzahlige Werth 289 für
dasReciprok von y angenommen, wonach also y zu klein
ist. Paucker berechnet mit a = 6378324" das ßeciprok
von y zu 288.3824 und Ph. Fischer mit a = 6378221"
(117m kleiner als a seines unter (19) unserer früheren
Zusammenstellung aufgeführten EUipsoides) zu 288.39
— beide Ziffern zu klein (y zu gross) wegen zu grosser
Werthe von a. Pa hierbei lo bezw. 288.55 und 288.5
796
ein Stadium jedoch, welches nach unserer frü-
heren Bemerkung, dass sich u und 6 in den Be-
trag I Y theileu müssen, bei der vorzugsweise
langsamen Veränderung von y, ein sehr be-
schränktes ist.
Ein zweiter Schritt von 6 über y zu a, wo-
bei in Y <^er Aequatorialradius und das provi-
sorische w wie im ersten Schritte beibehalten
und bloss l^ gemäss dem etwa auf 0.0052 ver-
grösserten 6 angewandt werden mag, führt zu
etwas grösseren Werthen von y und «, wobei
in a sich grosse Annäherung an y zeigen wird.
Bei den folgenden Schritten ziehen wir vor,
die Rechnung im umgekehrten Sinn von a über
Y nach 0 zu führen, und dabei in der Abplat-
tuugsziffer uns bloss in Einheiten der zweiten
Decimale zu bewegen , nachdem in den bereits
betretenen Werthen die üebereiustimmung von
288.4 für die Reciproca von y und a vorliegt.
Die letzten Schritte führen uns dahin, in w
bei der Ziffer 288.48 stehen zu bleiben, was für
6' den Werth 0.005201555 mit sich führt, nach-
dem zuletzt in ;' die Rechnung (18) für a mit
w = 288.48, für l^ mit 990.9948 geführt worden,
wie es sich mittelst (17) für Z* und den eben
genannten Werth von 6 ergibt. Die Pendellän-
gen fallen alsdann eben in den durch die Gren-
zen (14) bezeichneten Spielraum, ohne sie selbst
ganz zu erreichen, während dies für o» = 288.49
nicht der Fall sein würde. Es bleibt nämlich
Zo = 990.9948 um 64 Einheiten der vierten
Decimale über der unteren Grenze 990.9884 und
V = 996.1495 um 7 Einheiten unter der oberen
angenommen wird, so bleibt auch hier beidemal wiederum
— um ein Geringes unter der Einheit.
y
797
Grenze 996.1502 entfernt^). Beide Werthe ste-
hen zu beiden Seiten von dem geforderten l* =
993.5721 gleichweit ab, und a:y oder 288.4179
: 288.4800 stellt sich dabei auf 0.999785, also um
0.000215 oder um fz^r unter die Einheit.
Wir geben nun in der nachstehenden Zu-
sammenstellung die gewonnenen Resultate für
das modificirte typische Ellipsoid in seinen
geometrischen und dynamischen Con-
stanten sowie in den Zahlenwerthen der drei
Verhältnisse des Clairaut'schen Satzes und den
Vorschriften zur Berechnung der Pendellängen
und der Schwerkraft für jede gegebene Breite.
Die linearen geometrischen Constanten sind in
Metern, nur G nach Gewohnheit in Toisen aus-
gedrückt. Bei den dynamischen Constanten sind
die Pendellängeu in Millimetern, die Beträge der
Schwerkraft in Metern gegeben. In Klammern
sind die Logarithmen beigelügt.
Geometrische Constanten.
a = 6 377377 [6-8046421] (21)
h = 6 355270 [6.8031340]
c = 22107 [4.3445298]
o) = 288.4800 [2.4601157]
B = 6 370000 [6.8041394]
Q" = 10 017560 [7.0007620]
M = 7420.415 [3.8704282]
Q = 10 000205 [7.0000089]
G = 57009.41 [4.7559465]
1) Begreiflich liegt der Grund der Ungleichheit dieser
geringen Abstände von den betreffenden Grenzwert.hen
; (14) in der ungleichen Weite der Grenzen für die Pen-
; dellängen am Aequator und am Pol, welche für /*" 0.0366,
■ für i' 0.0254 beträgt.
65
798
10 =
l* =
V =
9*
9'
9'-9'
r
6
a
r
1
Dynamische
990.9948
993.5721
996.1495
5.1547
9.780728
9.806165
9.831603
0.050875
(O-
l ==
0.003467199
0.005201555
0.003466445
288.4179
192.2502
288.4800
Constanten.
[2.9960714] (22)
[2.9971994]
[2.9983245]
[0.7122047]
[0.9903711] (28)
[0.9914991]
[^.9926242]
[8.7065044]
[T.5399778] (24)
[7.7161333]
[7,5398843]
[2.4600222]
[2.2838667]
[2.4601157]
990.9948 (1 + 0.005201555. sin y*) (25)
= 990.9948 + 5.1547.sin9)2
l = 993.5721(1— 0.002594024. cos 2 y)
= 993.5721 —2.57735. cos 2 9
g = 9.780728 (1 +0.005201555. sin y») (26)
= 9.780728 + 0.050875. sin y*
g = 9.806165 (1-0.002594024. cos 2 y)
t= 9.806165 — 0.0254375. cos 29)
Die Centrifugalkraft am Aequator findet sich
/ = 33.9117 Millim. [1.5303490] (27)
Die vorstehenden Ergebnisse für das neue
799
EUlipsoid (21) wenden wir nun auf die Berech-
Qung der Pendellänge für mehrere wichtige
Oerter an, um sie mit den auf die Geoidfläche
zu beziehenden beobachteten Pendellängen zu
vergleichen.
1. Für London, welches bei den neueren
Pendel-Beobachtungen als Normalort gilt, findet
äich mit der Breite tp = 51° 31' 8'' des Beob-
achtungsplatzes in Mr. Browne's Hause (Portland
Place) auf dem EUipsoid
London l = 994.1536
Nach Kater's Bestimmung ist die dortige auf die
Meeres- oder Geoidfläche reducirte Pendellänge
=^ 994.1288, wonach die Abweichung Jl = —
0.0248 Millim, entsprechend einer in Oscillatio-
nen ausgedrückten Abweichung JN = — 1,07.
Abgesehen von dem eigentlichen Beobachtungs-
fehler (den wir oben in einer Anmerkung in
seinem mittleren Betrage für eine einmalige
Messung +0.0128 fanden, der aber für diesen
Kater'schen oftmals bestimmten Werth wesent-
lich geringer veranschlagt werden darf) läge
unsere EUipsoidfläche bei London zwischen den
Ellipsoiden von Baily und von Borenius (nach
den Berechnungen E und F), indem die Abwei-
chung nach Baily = —0.74 Ose. {Jl =^ —
0.0172), nach Borenius = —1.28 Ose. (= —
0.0297) beträgt. Die Höhe ^ des Geoids über
dem EUipsoid (21) findet sich für die Gegend
von London nach (13) :
C = HS"»
während diese Grösse aus E gleich 82°, aus F
gleich 142'» folgt. Der Beobachtungsplatz (nach
Sabine's genauerer Ermittelung 28™ über dem
Meere) würde also nach unserer Rechnung 146
iMeter über dem EUipsoid (21) liegen.
1 65*
800
2. Für Paris ist die beachtete Zahl N im
Verzeichniss E nach Freycinet 86388.01, nach
Sabine 86388.30, nach Duperrey 86388.56, und
im Verzeichniss F das runde Mittel 86388.30.
Aus dieser letzten Zahl folgt die auf die Mee-
resfläche bezogene Pendelläage zu Paris l =
993.8600. Aus unserer Vorschrift (25) findet
sich mit (f ==480 50'! 4''
Paris l = 993.9162
und somit Jl = — 0.0562, entsprechend JN
= — 2.42, und die Höhe des Geoids über unserm
Ellipsoid für die Gegend von Paris nach der
Regel (13)
C = 268»
Nach Baily ist (Mittel aus dreien) JN = — 2.25,
nach Borenius = — 2.74. Die Abweichung nach
Baily ergibt ^ = 249", nach Borenius = 303"».
Auch hier, bei Paris, liegt unsere Ellipsoidfläche
zwischen den Ellipsoiden von Baily und von
Borenius. Die Elatiou aber ist bei Paris 2^ mal
so gross als bei London, während am Ellipsoid
von Baily dies Verhältniss 3, am Ellipsoid von
Borenius 2^ sein würde.
3. Maranham, ein Küstenort oder viel-
mehr eine kleine der Küste nahe gelegene Insel
des nordbrasilischen Litorals, als Station der
Beobachtungen von Sabine und von Foster, zeigt
eine bedeutende negative Abweichung, Foster's
Station ist 8 Secunden im Bogen , etwa -^ Kilo-
meter südlicher gelegen, als Sabine's. Baily
findet für Sabine jN == —6.11, für Foster
= — 6.51. Berechnen wir für die beobachteten
Zahlen N = 86259.19 (Sabine), und 86258.74
(Foster), im Mittel 86258.97, und die mittlere
Breite y = —2" 31' 39" die Pendellänge für
801
das ElHpsoid (21) und für das Geoid, so finden
wir aus (25)
Maranham l = 991.0048
und die beobachtete, durch das Mittel aus beiden
Beobachtungen annähernd vom Beobachtungs-
fehler befreite Pendelläuge auf dem Geoid l =
990.8860, woraus Jl = —0.1188 und JN =
— 5.12. Dies ergiebt eine Elation des Geoids
über dem Ellipsoid (21) in dortiger Gegend von
Das Mittel aus den von Baily gefundenen Ab-
weichungen würde eine Erhöhung C = 702™,
also noch 135" grösser ergeben. Borenius nimmt
bloss Foster's Messung auf. Hier ist die Rech-
nung mit der Breite — 20 31'35", mit der Fo-
ster'schen Zahl N = 86258.74 allein und mit
der von Borenius gefundenen noch grosseren
Abweichung z/^ = — 6.71 zu führen. Es findet
sich dann für das Ellipsoid (21) l = 991.0048
(wie vorhin), für das Geoid l = 990.8810, Jl
= —0.1238, JN = —5.34, die Elation C =
591°' für unser Ellipsoid und := 743^" für das
von Borenius. Wenn wir aber, um uns des
Vortheils zweier Beobachtungen statt einer für
dieselbe Station nicht, wie Borenius gethan , zu
begeben, mit denselben Mittelzahlen, wie vorhin
bei Baily's Sphäroid , verfahren , so ergibt sich
iV = 86258.97 gegen 86265.45 als den für das
Ellipsoid von Borenius berechneten Werth, die
Abweichung JN = — 6.48 statt — 6.71, und
hieraus die Elation C = 718™, während diese
Grösse unseren vorigen Werth 567™ beibehält.
Unsere Ellipsoidfläche liegt also diesmal höher
als die Ellipsoide E und F, nämlich bzw. um
35 und 51 Meter. Es ist kaum nöthig auch
hier noch einmal daran zu erinnern, dass diese
802
Auswerthungen geoidischer Erhöhungen und
Vertiefungen nur als provisorische Orientirungen
hinsichtlich der Irregularitäten des Geoid's zu
betrachten sind, sofern hierbei von dem Theil
der Abweichungen JJV abgesehen ist, der von
localen, aus geologischen Verhältnissen entsprin-
genden Ursachen herrührt, und in Betrefi" dessen
wir uns in diesem Falle, wo eine locale Verrin-
gerung der Schwere vermuthet werden müsste,
wie fast durchweg noch in Unwissenheit befin-
den. Dass aber der Spiegel des Caraibischen
Meeres sowie der atlantische Ocean in der Ge-
gend der Nordküste Südamerika's etwa ein hal-
bes Kilometer über der der Erde im Oanzeu zu-
kommenden regelmässigen Sphäroidfläche em-
porragt, dafür zeugen auch die Beobachtungen
in Trinidad und Para, woselbst gleichfalls grosse
negative Abweichungen auftreten, was auch noch
in Bahia , Rio Janeiro , Montevideo und ebenso
an der Westküste in Valparaiso, sowie in bedeu-
tendem Maas^e in San Blas an der pacifischeji
Küste von Mexico der Fall ist, so dass wir darin
den erhöhenden Einfloss der amerikanischen Con-
tinentalmassen mit ihrem bedeutenden Anden-Re-
lief erkennen. Einen analogen Eiufluss der pro-
minenten Himalaya-Masse bekundet Madras , wo
JN am EUipsoid von Baily = — 3.83, von Bo-
renius = — 4.03 ist.
4. Die Bon in -Insel, das bereits oben be-
sprochene extremste Beispiel positiver Abwei-
chung, soll nun auch mit unserm EUipsoid (21)
zusammengehalten werden. Mit der (bei Bore-
nius um 3" verbesserten) Polhöhe 27°4'9" finden
wir die dortige Pendellänge für die Ellipsoidfläche
aus (25)
Bonin Ins. l = 992.0G23
803
während die Beobachtung von Lütke N =
86322.10 die Pendellänge auf der Meeresfläche
= 992.3368 ergibt, wonach die Meeres- oder
Geoidfläche für ^/ = 0.2745 nüdJN= + 11.83
eine Depression herausstellt von
^ = - 1309»
also noch 75 Meter mehr als oben im Mittel für
die Ellipsoide E und F gefunden wurde, welche
sich dort einander bis auf etwa 23 Meter nahe
liegen, so dass die Ellipsoidfläche von ßorenius
l^SS™, von Baily 1246 und die unsrige noch
weitere 63™ über der dortigen Meeresfläche ge-
legen ist — immer unter der mehrfach erwähn-
ten Voraussetzung, dass von einer etwaigen Mit-
wirkung geologischer Ursachen abgesehen werde ^).
5. Für St. Helena stimmen die Beobach-
tungen von Foster und Lütke genau überein,
woraus zu präsumiren ist, dass der eigentliche
Beobachtungsfehler (jener erste Theil der Abwei-
chung) unbedeutend klein sei. Mit der Breite
y = — 15° 55' 13" (als Mittel für die Beob-
achtungsplätze Foster's und Lütke's, von welchen
der letztere 1' 8" im Bogen, etwa 2070"» nördli-
cher liegt) erhalten wir aus (25) die Pendellänge
für das Ellipsoid (21)
St. Helena I = 991.3829
Aus Foster's und Lütke 's beobachteter Zahl N
= 86288.29 finden wir für die Meeresfläche die
Pendellänge = 991.5602 also M = -{- 0.1773,
und jy = 4- 7.684, und hiermit aus (13) eine
geoidische Depression von
t = -847«°
1) Die obige Depression kommt etwa mit der Höhe
von Briangon (Dep. des Haates-Alpes) oder der Höhe des
mexicanischen Yulcaüs Jorullo über dem Meere überein.
804
Für das Ellipsoid in E (Baily) ergibt sich aus
der Abweichung -f- 6.75 die Depression C = — 747™
und für das Ellipsoid F (Borenius) aus -\- 6.55
die Depression — 725™. Beide Ellipsoide liegen
also in dortiger Gegend des südlichen Atlantic
über 700™ über der Meeresfläche, das Ellipsoid
(21) aber noch 100™ über beiden.
Ein ähnliches Resultat würde die Discussion
der beiden von Freycinet und Duperrey auf Isla
de France angestellten Beobachtungen ergeben.
In den vorstehenden Beispiele haben wir Orte
mit hervorragend grossen Abweichungen sowohl
in Minus als in Plus ausgewählt, bei welchen
sich — vorbehaltlich der eventuellen geognosti-
schen Einflüsse — bedeutende Elationen oder De-
pressionen der irregulären Geoidfläche herausstel-
len, um von dem mitunter unerwartet grossen
Betrag dieser Unregelmässigkeiten substantiirtere
Vorstellungen zu gewinnen.
6. Für Spitzbergen, der dem Pole am
nächsten gelegenen Station und zwar der Nord-
hemisphäre, wo in der Breite von 79° 49' 58"
von Sabine N = 86483.28 gefunden wurde, er-
gibt sich für unser Ellipsoid
Spitzbergen l = 995.9889
Die Sabine'sche Beobachtung gibt für die
Meeresfläche die Pendellänge = 996.0462, woraus
Jl = -\- 0.0573 und J N =- 1.96 und somit
C = —217™
Diese Depression findet sich mit JN= -{• 3.70
am Ellipsoid von Baily = — 409™, mit -j- 2.83
am Ellipsoid von Borenius = — 313™. Mit JN
= 3.24 und 3.06 stellt sich bzw. bei Schmidt
(A) und Bowditch (B) die Depression = —385™
und — 338™ heraus. Die Abweichung fällt in-
805
dessen wahrscheinlich z. Th. auf Rechnung der
localen Vergrösserung der Schwere, da nach Sa-
bine's Angabe der Boden aus dichtem Quarzfels
besteht.
8. Für Berlin und K ön igsbe rg besitzen
wir die bekannten vorzüglichen Messungen Bes-
ser s, welche in absoluter Bestimmung ausgeführt
für die Länge des einfachen Secundenpendels,
reducirt auf die Meeresfläche, zu Berlin {(p =
52« 30' 16"7) und Königsberg (y = 54^42' 50-6)
ergeben haben
Berlin l = 994.3217
Königsberg l = 994.4100
Für unser Ellipsoid (21) ergibt die Vorschrift
(25) die berechneten Pendellängen
Berlin l = 994.2396
Königsberg l = 994.4294
und somit die Abweichungen für Berlin Jl =
— 0.0079, JN = —0.3408, für Königsberg Jl
= —0.0194 JN = —0.837, so dass sich für
beide Orte eine massige Elation der Meeresfläche
über der regelmässigen Ellipsoidfläche ergibt,
nämlich
Berlin ^ = 37"'7
Königsberg t = 92.6
9. Für Göttingen möge schliesslich die
für unser Ellipsoid gültige Pendellänge erwähnt
werden, so wie die Intensität der Schwere. Es
findet sich für (f = 51°31'48" (Sternwarte) aus
(25) und (26)
Göttingen l = 994.1546
g = 9.811912
Eine directe Messung der Pendellänge ist zur
Zeit in Göttingen nicht ausgeführt, und die von
806
Gauss gelegentlich^) erwähnte Zahl 9811. G3 als
Betrag der Schwere in Millimetern, welcher die
Pendellänge 994.1260 entspricht, ist nur über-
schlägliches Rechnungsresultat, welches als für
die Sternwarte gültig, nicht auf die nahe 150"*
tiefer liegende Meeresfläche bezogen werde dürfte,
so dass sich hieran nicht füglich eine Bestim-
mung der Elation knüpfen lässt ^).
Die Unregelmässigkeiten des Geoids welche
sich nicht bloss durch die bei den Gradmessun-
gen hervortretenden Discordanzen zwischen be-
obachteten und berechneten Polhöhen und Bo-
genlängen , sondern auch , und zwar noch in
weitergehenden Einzelnheiten , bei den Pendel-
messungen durch Abweichungen beobachteter
von berechneten Beträgen der Schwere bemerk-
lich machen, sind Veranlassung gewesen zu den
Versuchen , die allgemeine regelmässige Gestalt
der Erde durch andere Flächen darzustellen, als
das abgeplattete Rotations-Ellipsoid. Rotations-
Sphäroide mit Meridianen, welche die durch Ae-
quatorial- und Polaraxe bestimmte Ellipse sei
es innen , sei es aussen osculiren , sollten einen
engeren Anschluss dieser Sphäroidflächen an
1) Intensitas vis magn. art. 26. Gauss' Werke V S. 117.
2) Gesetzt indess , man wollte die Zabl 994.1260 als
scbarfes Resultat einer sorgfältigen Pendelmessung auf
der hiesigen Sternwarte betrachten, welches für die Höhe
von 150°» auf die Meeresfläche reducirt, 994.1565 heissen
würde, so ergäbe die Vergleichung mit 994.1546 eine
positive Abweichung Jl = 0.019 oder JN — 0.08 und
eine ganz geringe Depression f = ~ 9"" , so dass die |
Sternwarte etwa 140"» über der Ellipsoid- und 150'" über
der Meeresfläche läge. Uebrigens deutet die starke auf]
dem Brocken stattfindende Localablenkung des LothesJ
auf erhebliche Irregularitäten des Geoids in hiesigerj
Gegend.
807
das irreoruläre Geoid herstelleu. Oder aber man
suchte EUipsoidflächen mit drei Axen zu gleichem
Behufe zu ermitteln , an welchen Aequator und
Parallelen sämmtlich elliptisch statt kreisförmig
sind und die, verschiedenen geographischen Län-
gen entsprechenden Meridiane verschiedene Axen-
verhältuisse besitzen. Beide Verfahrungsweisen
sind nur mangelhafte Versuche einer Annäherung
an die regellos gekrümmte Geoidfläche, als welche
sie sich nach den in den wenigen aufgeführten
Beispielen gewonnenen numerischen Details mit
hinreichender Evidenz herausgestellt hat, und es
bleibt unseres Erachtens der allein haltbare Weg
zur Darstellung der regelmässigen allgemeinen
Gestalt der Erde das bloss mit zwei Constaoten
R und ö) versehene Rotations-Ellipsoid, insofern
alle jene Versuche in Bezug auf Erreichung ih-
res Zieles, nämlich einer möglichst vollständigen
Kenntniss der unregelmässigen Geoidfläche, aus-
sichtslos erscheinen. Jede hinzukommende Grad-
messung, jede neue Pendelmessung würde in den
die Zahl Zwei immer weiter übersteigenden Con-
stanten erhebliche Eingriffe oder Abänderungen
veranlassen . während die durch sie etwa nöthig
werdenden Modificationen in den zwei Constanten
des Rotations-Ellipsoides, je weiterhin, desto un-
erheblichere Correctionen herbeiführen werden.
Insonderheit die im ersten Theil dieser Un-
tersuchung zur Sprache gebrachten dreiaxigen
Ellipsoide betreffend , wie sie in den dort unter
(11) von Schubert, unter (12) und (17) von
Clarke aufgeführten Ellipsoiden dieser Art vor-
liegen, zeigen dieselben, abgesehen von den Di-
mensionsverhältuissen, so starke Unterschiede in
der Lage der extremen Durchmesser des ellipti-
tischen Aequators , dass sich darin schon die
Mangelhaftigkeit einer Approximation auf diesem
808
Wege genugsam kund gibt. Nicht unerwähnt
darf bei dieser Gelegenheit bleiben , dass in der
oben unter F besprochenen, so werthvollen Be-
rechnung der Pendelmessungen — gegenüber je-
nen auf die Gradmessungen gegründeten dreiaxi-
gen Ellipsoiden — anhangsweise auch ein auf
den Pendelmessungen beruhender Versuch ent-
halten ist, extreme Meridiane und eine ellipti-
sche Abweichung des Aequators vom Kreise zu
bestimmen. Nicht nur, dass hierbei die geogra-
phische Länge dieser Extreme auch nicht ange-
nähert mit denen jener anderen dreiaxigen El-
lipsoide übereinkommt, liegen jene Extreme, die
geometrisch nothwendig einen Längenunterschied
von 90 Grad besitzen müssen , dadurch dass das
Maximum über Südamerika (Maranham , Bahia,
Rio Janeiro) und das Minimum über den austra-
lischen oder östlichen Theil des stillen Meeres
(Bonin -Inseln, Ualan, Guam) verlaufen soll, in
Meridianen, die sich unter Winkeln von etwa
164 und 16 Grad, statt rechtwinklich kreuzen,
und die am Aequator eine Ellipticität von ^jVt
bewirken sollen, — eine geometrische Unge-
reimtheit.
Zum Schlüsse werfen wir noch in Kürze
einen Blick auf die Dichtigkeitsverhältnisse des
Erdkörpers, welche im Eingang der vorliegenden
Untersuchung zur Sprache gekommen sind, wo
darauf hingewiesen worden , dass die Dichtigkeit
der Erde keine gleichförmige sei , sondern im
Allgemeinen von der Oberfläche aus mit wach-
sender Tiefe zunehme. Wir denken uns den
Erdkörper aus concentrischeu Schichten beste-
hend , jede von gleicher Dichte , von Schicht zu
Schicht mit zunehmender Tiefe wachsende Dich-
tigkeiten besitzend. Durch Versuche, namentlich
809
mit der von Cavendish zuerst zu diesem Behufe
angewandten Dreh wage, kennen wir mit einer
Genauigkeit von etwa 2 Procent die mittlere
Dichtigkeit (gegen Wasser) des ganzen Erdkör-
pers, und die Geognosie gibt uns Auskunft über
die Dichte der verschiedenen festen Bestandtheile
an der Erdoberfläche, woraus wir für die ober-
flächliche Schicht von etwa 1 Kilometer Dicke
der festen Erdrinde einen ungefähren durch-
schnittlichen Werth der Dichtigkeit entnehmen
können. Aus den sorgfältigsten Untersuchungen
von Reich in Sachsen und von Baily in England
hat sich für die mittlere Dichtigkeit q* der Erde,
indem wir aus der Zahl von Reich 5.583 und
der von Baily 5.67 das abgerundete Mittel neh-
men, ergeben
Q = 5.63
Für die durchschnittliche Dichtigkeit ^' der festen
Oberflächenschicht setzen wir
q' = 2.60
Im Hinblick auf den massigen Grad der Ge-
nauigkeit der vorstehenden beiden Zahlen ge-
nügt es von der abgeplatteten Gestalt des terre-
strischen Sphäroids zu abstrahiren und die Erde
als eine Kugel von dem Radius jR = 6370 Ki-
lometer zu betrachten. Die Entfernung irgend
eines Punktes im Innern der Erde von dem
Centrum bezeichnen wir durch r, die daselbst
stattfindende Dichtigkeit mit q, sowie die Dich-
tigkeit im Centrum, wo r = 0, durch q^.
Für das Gesetz der Zunahme der Dichtigkeit
von der Oberfläche bis zum Erdmittelpunkt,
welches uns weder durch Versuche noch durch
Beobachtung bekannt ist, müssen wir zur Hypo-
these greifen. Man hat verschiedene Functionen
der Abhängigkeit der Dichtigkeit von der Tiefe
810
oder von der Entfernung r vom Mittelpunkt
aufgestellt, nach denen mit stetig wachsender
Tiefe eine stetig bis zum Centrum wachsende
Dichtigkeit stattfinden soll. Ein mit der Tiefe
JB — r zugleich linear wachsendes q ist unstatt-
haft, indem hierbei im Durchgang durch das
Centrum die Stetigkeit der Dichtigkeitsänderung
bei / = 0 unterbrochen würde.
Die gebräuchlichste Form , welche dem Ge-
setze der Abhängigkeit der Dichtigkeit einer der
concentrischen Schichten von ihrem Radius gegeben
wird , ist
wo A und H aus den Beobachtungen zu bestim-
mende Constanten und der Exponent "k gewöhn-
lich = 2 angenommen wird. Es ist alsdann
A = q^ die maximale Dichtigkeit am Erdmit-
telpunkt, 5 = e^ — ^' oder der Unterschied der
extremen Dichtigkeiten an der Oberfläche und
im Cent'rura. In diesem Falle, wo A = 2, findet
man aus den beiden Daten der Beobachtung ^*
und q' den Werth
und somit für unsere obigen Werthe von ^* und g'
pO = 10.175
so dass die Gleichung (27), d. h.
jetzt die Gestalt annimmt
811
Q = 10.175-7.575.^ (28)
= 10.175(1-0.7445.^1
oder durch Vergleich mit der mittleren Dichtig-
keit Q*
Q = 1.8073.C* (1-0.7445.^1 (29)
Roche hat in einem Memoire sar la fignre
de la terre ^) einen Ausdruck gleicher Form
gegeben
€ = ^(l-|aa) (30)
wo Q das Verhältniss der Dichtigkeit zur mitt-
le
leren Dichtigkeit und a das Verhältniss -^ be-
deutet. Die beiden numerischen Constanten
13
oder 1.923 und 0.8 stimmen nicht genügend
mit den erfahrungsmässigen Daten für q* und q\
Der von Sartoriusvon Waltershaus en
gegebene Ausdruck^) involvirt für q^ den Werth
2.66, der weiterhin auf 2.G43 vermindert wird,
und nimmt q* nach Reich's früheren Versuchen
zu 5.43 an. Die centrale Dichtigkeit wird hier
9.585. In der Form von (29) hiesse die Gleichung
Q= 1.765^* (l -0.7225. ^y
und für den corrigirten Werth von q'
1) 1848 geschrieben und mitgetheilt in Comptes Ren-
dus 1854 Dec. 26.
2) Ueber die vulkanischen Gesteine in Sicüien und Is-
land und ihre submarine Umbildung. Göttingen 1853.
S. 315.
812
Q = 1.765 Q* (l - 0.7243 . -^j (31)
In einer tiefer gehenden analytischen Unter-
suchung^) im Anschluss an die älteren Arbeiten
von Clairaut, Legendre und Laplace entwickelt
Lipschitz eine Gleichung von der allgemeinen
Form (27) , in welcher die drei Constanteu Ä,
B und X, yfo A und B Funktionen von X sind
und für X nur positive Werthe zugelassen wer-
den, in einer an Kunstgriffen reichen Analyse
zugleich mit der verallgemeinerten Unterstellung
behandelt werden, dass auf die Rotation des Pla-
neten und auf die Sphäroidicität seiner Schich-
ten Rücksicht genommen wird. In der Gleichung
von der Form
Q{b) = D~Eb^ (32)
f
nimmt demzufolge h anstatt - die Bedeutung
des Radius einer Kugel an, welche mit der sphä-
roidischen Schicht, auf die es sich bezieht, glei-
chen Oberflächeninhalt hat, den Werth von b
für die äusserste Schicht als Einheit betrachtet.
Behufs Anwendung auf die Erde entnimmt Lip-
schitz die numerischen Daten für die Dimensio-
nen und Pendellängen aus Schmidt's Lehrbuch
der math. und phys. Geographie und setzt für q'
nach Naumann 2.5, für q* nach Reich 5.5832,
Die Auswerthung der Constanten führt alsdann
auf X = 2.39, D = q"" = 9.453, E = q^—q'
= 6.953. Indem b ersetzt wird durch ~, wo c
c
1) Versuch zur Herleitung eines Gesetzes, das die Dich-
tigkeit für die Schichten im Innern der Erde annähernd
darstellt, aus den gegebenen Beobachtungen. (1663)
Journal f. d. r. u. a. Math. Bd. 62. S. 1.
813
jener Kugelradius für die Erdoberfläche und 6
dieser Radius für die Schicht im Innern, welche
die Dichtigkeit q (b) besitzt, nimmt die Gleichung
jetzt die aaf die Erde bezügliche numerische Ge-
stalt an
/^>\2.39 (33)
Q{b) = 9.453 — 6.953 (-j ^ '
oder in der mit (29), (30) und (31) analogen
Gestalt
Q{b) = 1.694 e* jl - 0.7356 (-) j (34)
Die wenigen hier aufgeführten Versuche einer
Darstellung der Dichtigkeitsverhältuisse des Erd-
körpers zeigen durch die bedeutenden Verschie-
denheiten in den numerischen Werthen der Con-
stanten, wie unsicher iu dieser Frage noch heute
und gewiss für eine lange Zukunft unsere Kennt-
nis ist. Die qualitative Verschiedenheit der ße-
standtheile unseres Planeten im Innern, die von
aussen nach innen zunehmende Temperatur, der
Unterschied im Aggregatzustande, der mit der
Tiefe bis zu vielen Zehntausenden von Atmos-
phären zunehmende Druck, die mit diesem enor-
men Druck wahrscheinlich verbundene Erhöhung
der Schmelzpunkte in der grossen Metallmasse
des Erdinnern sind Fragen, welche mit der Dich-
tigkeit und ihrer Zunahme mit der Tiefe unter
der Oberfläche in engem Zusammenhange stehen,
für welche aber den Boden directer Beobachtung
zu betreten uns zur Zeit noch völlig versagt ist.
Unter den vielen Fragen der Physik des Erd-
körpers ist dessen erstaunlich grosses magneti-
sches Moment eins der grössten Räthsel, sofern
sowohl der flüssige Zustand als die hohe Tem-
peratur des ponderabelen Trägers wie sie ihm noch
heute die Geologie zuschreibt , mit beharrlichem
Co
814
Magnetismus schwer vereinbar scheinen. Wo
der inductive Weg noch uneröffnet, müssen Hy-
pothese und Deduction der Forschung dienen.
Die erwähnten physischen Elemente Druck, Dich-
tigkeit und Temperatur mögen vom Centrum
der Erde bis zur Oberfläche von einem grössten
bis zu einem bestimmten kleinsten Werthe ab-
nehmen, das Gesetz der Abnahme mag für
alle drei sehr verschieden sein, im Allgemeinen
aber darf diese Abnahme vom Centrum aus bis
zur Oberfläche als beschleunigt, d. h. anfänglich
langsam, weiterhin immer schneller, gelten. Die
Vertheilung nun zwischen Schnell und Langsam
des Ueberganges von der einen zur anderen
Grenze wird bestimmt durch den Exponenten X
der Gleichung (27), während die Grenzen selbst
in den beiden anderen Constanten Ä und B
enthalten sind. Der grössere Exponent, wie in
(34), verlegt die Beschleunigung der Abnahme
mehr gegen die Oberfläche als der kleinere in
(28) bis (31). Für einen flüssigen centralen
Theit von grossem Volumen dürfte für die Tem-
peraturvertheilung ein grosser Werth von X ge-
genüber kleinen die Wahrscheinlichkeit für sich
haben , wobei die Temperatur der grossen flüs-
sigen Masse sich einem constanten Werthe nä-
hert und die schleunigere Verringerung der Tem-
peratur mehr der Oberfläche nahe rückt. Aehn-
lich dürfte es sich mit der Dichtigkeit verhalten
für welche, von aussen nach innen, durch frühere
Verlangsamung der Zunahme ein grösseres Vo-
lumen centraler Masse nahe constante Dichtig-
keit erreicht bei höhereu Werthen von X, als
für das Quadrat der Fall wäre. Zugleich wird
für einen gegebenen Durchschuittswerth, wie
z. B. die mittlere Dichtigkeit der Erde q* die
centrale Grenze der Oberflächen-Grenze genähert.
815
In (33) liegt der Werth von Ä der Dichtigkeit
des Eisens merklich näher als z. B. in (30), wo
dieser Werth, für p* = 5.63, auf 10.82 kommen,
d. h. die Dichtigkeit des geprägten Silbers über-
steigen würde. — Eine weitere Ausführung die-
ser Gedanken muss jedoch einer anderen Gele-
genheit vorbehalten bleiben.
Gottingen im August 1877.
Berichtigung
zu dem Aufsatze des Verfassers in Nr. 4. 1877
Febr. 11. dieser Nachrichten »Ein Beitrag zur
Theorie der Beugungserscheinungen«
von Moritz Rethy.
Zu der dort angegebenen Bedingung für das
Verschwinden des in der letzten Gleichung der
Seite 76 stehenden Integrals ist noch die Bedin-
gung hinzuzufügen , daß für keinen endlichen
Flächentheil B -\- r = const. werde. Sind alle
Bedingungen erfüllt, so verschwindet das Integral
auch für ein Flächenstück.
Auf den weiteren Verlauf des Aufsatzes hat
jene ünvollständigkeit keinen Einfluß.
Nachtrag zu S. 686, Mitte.
Die Münzsammlung im K. Palaste zu Turin ent-
hält späterem Vernehmen nach auch antike Mün-
zen, unter denen namentlich die Griechischen her-
vorzuheben sind.
lliii?ersitätf
Se. Majestät der König haben Allergnädigst
geruht , dem Professor , Hofrath Dr. Hermann
Sauppe den Charakter als Geheimer Regierungs-
Rath zu verleihen.
ei6
Verzeichniß der Promotionen der phi-
losophischen Pacultät in dem Deca-
natsjahre 187777.
(Schluß.)
11. August. Theodor Huth aus Wiesbaden.
Diss. : Ueber die Einwirkung des Phosphor-
pentachlorid auf Amide der Sulfonsäure.
11. August. Oscar Emmerling aus Bendele-
ben. Diss. : Beiträge zur Kenntnis der Pa-
rachlorbeuzoesäure und über einige neue De-
rivate der Oxyuvitinsäure.
14. August. Leverett Mears aus Essex in Mas-
sachussetts. Diss. : Ueber das Verhalten der
Salpetersäure zu Benzanilid und Nitrobenza-
niliden und über die Einwirkung des Jod-
cyans auf Orthodiamidobenzol.
14. August. Willie Freuch Smith aus Boston.
Diss. : Ueber Lauthara und Didym.
14. August. Edgar Fahs Smith aus York in
Pensylvanien. Diss.: Ueber trisubstituirte
Benzolverbindungen und über die Einwir-
kungen von Chlor auf Benzyltrichlorid.
15. August. Gottlieb Krause aus Pieskeim.
Diss.: Die Beziehungen zwischen Habsburg
und Burgund bis zum Ausgang der Trierer
Zusammenkunft den 25. November 1473.
16. August. Hermann Grau er t aus Pritzwalk.
Diss.: Die Herzogsgewalt in Westfalen seit
dem Sturze Heinrichs des Löwen.
17. August. Alfred Raab aus Wetzlar. Diss.:
Untersuchungen über Derivate des Cuminal-
dehyds und Cuminalkohols.
17. August. Max Pauly aus Halle. Diss.:
Ueber Amidoderivate des BenzophenoDS unci
Acetons.
817
4. Oktober. Adolf Heu ermann aus Osnabrück.
Diss.: Die Bedeutung der Statistik für die
Ethik.
29. Oktober. Wilhelm Grethen aus Freden.
Diss. : Ueber Orthonitroacetanilid und Ab-
kömmlinge desselben.
29. Oktober. Johannes Neurdenburg aus
Rotterdam. Diss. : Ueber das Verhalten von
Bernsteinsäure, Sebacinsäure und Metanitro-
benzoesäure zu Anilin und über die Nitri-
rung und Amidirung der dabei entstandenen
Anilide.
18. November. Emanuel Gl atze 1 aus Neustadt
in Oberschlesien. Diss.: Ueber einige neue
Verbindungen des Titans.
19. November. Ernst von S c h w a r*t z aus Sor-
rento in Italien. Diss. : Ueber Nitrirung der
Nitrobenzanilide.
28. November. Albert Barth aus Bösewig.
Diss. : De Jubae öfioio'ti^ffiv a Plutarcho ex-
pressis in quaestionibus Romanis et in vitis
Romnli Numaeque.
18. December. Heinrich Kaiser aus Enten-
fang bei Ziegenhain. Diss.: Ueber Constanz
der Rasse und Individual-Potenz bei Verer-
bung der Thiere.
22. December. Carl Jacob K r i c k a u aus Esch-
wege. Diss. : Der Accnsativ mit dem Infinitiv
in der englischen Sprache, besonders im Zeit-
alter der Elisabeth.
31. December. Eduard Rössler aus Hildes-
heim. Diss.: De Duride Diodori, Hieronymo
Duridis in rebus a successoribus Alexandri
magni gestis auctore.
1877.
7. Januar. Wilhelm Thorner aus Osnabrück.
818
Diss. : Ueber einige Derivate des Para-Tolyl-
phenylketous, besonders die bei der tleduction
daraus entstehenden isomeren Pinakoline.
11. Januar. Eduard Aander H e y d e n aus Calcar.
Diss. : Res ab Antiocho III magao, Syriae
rege, praeclare gestae ad regnum Syriae re-
ficiendum, donec in Graeciaui exercitum
trajecit.
14. Januar. Oscar Peucker aus Brieg. Diss.:
Läßt sieh die Steuerfreiheit einer gewissen
Klasse von Staatsbürgern bei der Einkommen-
steuer rechtfertigen ?
27. Januar. Emil Nerger aus Königshain bei
Görlitz. Diss. : Die goldene Bulle nach ihrem
Ursprung und reichsrechtlichen Inhalt.
17. Februar. Hieronyraus van Alphen aus
Leiden. Diss. : lieber die Bildung von Nitro-
benzoesäure aus Nitrosalicylsäure.
17. Februar. Johann Heinrich Rabe aus Ham-
burg. Diss. : Ueber das Verhalten von Anilin,
Benzanilid und Parauitroanilin und Metani-
troanilin.
17. Februar. Ludwig Hanemann aus Celle.
Diss. : Ueber die Einwirkung von Bersteinsäure
auf Nephtylamin und über das Verhalten der
Toluylsäure zu Orthonitroanilin.
1. März. Carl Schmidt aus Melgershausen.
Diss. : Die mycotischen Erkrankungen der
Respirationsorgane der Hausthiere und spe-
ciell der Kaninchen.
24. März. Dietrich Plate aus Hamburg. Diss.:
Ueber Anhydrotoluyldiamidotolüol und über
ein Orthohydroxymetauitrobenzamid.
24. März. Karl Buchka aus Rostock. Diss.:
Ueber einige Nitroderivate des Acetophenous
und über Phenoxylsäure.
25. März. Wilhelm F r i c k e aus Borgloh, Diss. :
819
üeber die Einwirkung von Paratoluylsäure-
chlorid auf Xylidin und über einige Selen-
verbiadungen.
29. März. Maximilian Busse aus Berlin. Diss. :
Die Mark zwischen Neustadt Ebw. , Freien-
walde , Oderberg und Joachimsthal geogno-
stisch bearbeitet.
29. April. Heinrich Vollbrecht aus Dorste.
Diss.: üeber Tribromamido- und Tribrom-
benzoesäuren und zwei Sulfibeiizoesäuren.
17. Mai. Carl Peter Baerthlein aus Barmen.
Diss.: üeber Orthonitro- und Ortho-amido-
benzonitrile und zur Kenntnis der Cumole.
17. Mai. Benno Mendelssohn aus Posen.
Diss. : Beiträge zur Kenntnis des Buchen-
holztheerkreosots und seiner Derivate.
Ein Candidat wurde nach der mündlichen
Prüfung zurückgewiesen, ihm jedoch gestattet
sich nach einem halben Jahre einer zweiten
Prüfung zu unterziehen.
Ein Candidat wurde nach der zweiten Prüfung
zurückgewiesen.
Zwölf Caudidaten sind abgewiesen, weil die
von ihnen eingereichten Dissertationen den An-
forderungen der Facultät nicht genügten.
Ein Candidat zog seine Bewerbung zurück,
ehe über die von ihm eingereichte Dissertation
berichtet war.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
H. Scheffler, d. Naturgesetze in ihrem Zusammenhange
mit den Principien der abstracten Wissenschaften. Th.
I — II. Braunschweig.
Flora Batava. Aflev. 237—238. Leyden. 4.
H. 0. Lang, Grundriß d. Gesteinskunde. Leipzig 1877.
VII. Jahresber. der akad. Lesehalle in Wien. 1876—77.
020
Monthly Notices of. the R. Astron. Soc. Vol. XXXVII.
No. 9.
A. A gas siz, Nord AmericanStarfishes. Cambridge 1877. 4.
Memoires de la Soc. de Physique etc. de Genäve. T.XXV.
1 Part. 1876-77.
Journal of the American geographical Society of New
York. Vol. III -VI. 1872—1874.
Journal of the American geographical and Statistical So
ciety. Vol. II. No. 1. 1860. Vol. II. Part 2. 1870
New York.
F. V. Hayden, Preliininary Report of the ü. States geo
logical survey of Wyoming etc. Washington 1871.
W. Matthews, Ethnographie and Philologie of the Hi
datsa Indians. Washington 1877.
Memoirs of the Boston Soc. of natural history. Vol. II
Part 4. No. 5. Boston 1877. 4.
Proceedings. Vol. XXVIII. P. 3-4.
The Canadian Journal of Science, Literature and History
Vol. XV. No. 5. Toronto 1674.
Bulletin of the Essex Institute. Vol. 8. No. 1— 12. 1876
Bulletin of the Buffalo Soc. of Nat. Science. Vol. III
No. 4. 1877.
Proceedings of the American Academy. New Ser. Vol
IV. 1877.
Bulletin of the American Geographical Society. No. 1 — 3
New York.
Proceedings of the Akad. of Nat. Sciences of Philadel
phia. Part I— III. 1876-77.
Bulletin of the U. S. entoraological Commission. No. 2
Wash. 1877.
H. G a n n e t , Lists of elevations principally in that per
tion ofthe ü. S. west of the Mississippi river. Ebd. 1877
Proceedings of the American philos. Society. Vol. XVI
No. 99. 1877.
Memorie dell' Accad. delle Scienze dell' Istituto di Bo
logna. T. VII. 1876. 4 fasc.
Rendiconto dell' Accad. 1876-77.
Memorie del Reale Istituto Lombardo. Classe di Lettere
etc. Vol. Xlll. IV della Seria III. Cl. di sc. mathem.
Vol. XIII. -IV. Serie III.
R. Istituto Lombardo. Rendiconti. Vol. IX. Milano 1876.
Xlll. und XIV. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde
zu Dresden. 1877.
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sciences de St. Petersbourg.
T. XXIV. No. 1.
(Fortsetzung folgt.) SchluB des Jahrgangs 1877.
Register
über
die Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der
Wissenschaften und der Georg- Augusts-Univer>ität
aus dem Jahre 1877.
John Couch Adams in Cambridge zum aus-
wärtigen Mitgliede der k. Gesellschaft der
Wissenschaften erwählt 738.
Hieronymus von A 1 p h e n , zum Dr. phil.
prom. 817.
Bruno Arnold, z. Dr. phil. prom. 94.
Oscar Bela Asboth, z. Dr. phil. prom. 93.
Joh. Aspriotis, z. Dr. phil. prom. 94.
Carl Assmus, z. Dr. med. prom. 339.
Werner H. Beruh. Augustin, z. Dr. phil.
prom. 92.
Ehme Aukes, z. Dr. med. prom. 339.
Carl Ernst von B a e r , Anzeige seines Todes
737. Zum Gedächtniß desselben 739.
Carl Peter Baerthlein, z. Dr. phil. prom.
817.
Albert Barth, z. Dr. phil. prom. 817.
Fritz Bechtel, z. D. phil, prom. 570.
Martin Beer lein, z. Dr. med. prom. 339.
Oscar Beermann, z. Dr. med. prom. 339.
Ben eke- Preisstiftung, s. Göttingen. Univer-
sität. B. c.
1*
Theodor Benfey, Zsvg FsXiMv 1. — Kariara,
oder Karvara 'gefleckt, scheckig': Indoger-
manische Bezeichnung der dem Beherrscher
der Todten gehörigen Hunde 8. — Hermes,
Minos, Tartaros 65. — Nachtrag zu den
»Nachrichten« 1876 No. 13 und 1877 No. 1
65. — Wahrung seines Rechts 66. — svävas
(zu lesen suävas) und svätavas 341. — Die
Spaltung einer Sprache in mehrere lautver-
schiedene Sprachen 588. — D statt N 573.
— Einige Worte über den Ursprung der
Sprache 733.
Bessel, Briefe an Gauss 145.
Adalbert Bezzenberger, Eine neugefundene
litauische Urkunde vom Jahre 1578. 241.
W. Binde, s. Beneke-Preisstiftung.
Carl Anton Bjerknes, Zusatz zu dem Aufsatz
von Schiötz über die scheinbare Anziehung
und Abstoßung zwischen Körpern, welche sich
in Wasser bewegen 310.
Otto Boeddicker, z. Dr. phil. prom. 94.
Hermann Jul. Boettger, z. Dr. phil. prom,
571.
Edmond Boissier in Genf, zum Correspon-
denten der k. Gesellschaft der Wissenschaftei
erwählt 738.
Pierre Ossiau Bonn et in Paris, zum Correspoi
denten der k. Gesellschaft der Wissenschaft«
erwählt 738.
Borchardt, s. Göttingen I. C.
Carl Friedr. Wilh. Borchers, z. Dr. phil|
prom. 95.
Gerh. Borchers, z. Dr. med. prom. 338.
Alexander Braun, Anzeige seines Todes 737|
Francesco Brioschi, s. Göttingen I. C.
H. Brugsch, Königs Darius Lobgesang i^
Tempel der großen Oase von El-Khargeh 1 1 9
— Erhält die nachgesuchte Dienstentlassung
132.
Felix Buchholtz, z. Dr. phil. prom. 572.
Wilh. Buchholz, z. Dr. med. prom. 339.
Karl ßuchka, z. Dr. phil. prom. 817.
Felix Buka, z. Dr. phil. prom. 570.
Maximilian Busse, z. Dr. phil. prom. 817.
Feiice Casorati, in Pavia. zum Corresponden-
ten der k. Gesellschaft der Wissenschaften er-
wählt 738.
Rudolph Julius Emmanuel Clausius in Bonn,
zum auswärtigen Mitgliede der k. Gesellschaft
der Wissenschaften erwählt 738.
David M'' Creath; z. Dr. phil. prom. 94.
Friedr. C. Hermann von Dechend, z. Dr. phil.
prom. 93.
Jul. Degenhardt, z. Dr. med. prom. 338.
A. L. Descloizeaux in Paris, zum auswär-
tigen Mitgliede der k. Gesellschaft der Wis-
senschaften erwählt 738.
Karl Dilthey. zum ordentlichen Professor in
der philosophischen Facultät ernannt 432.
0. Drude, Ueber den Bau und die systemati-
sche Stellung der Gattung Carludovica 426.
Bernhard Duhm, zum außerordentlichen Pro-
fessor in der philosophischen Facultät er-
nannt 228.
Du bring, Erklärung der philosophischen Fa-
cultät dessen Geschichte der Principien der
Mechanik betreffend 133.
E. Wilh. Udo Eggert, z. Dr. phil. prom. 94.
Hermann Eicbhorst, als außerordentlicher
Professor in der medicinischen Facultät be-
rufen 531.
Carl Eduarrl von Eichwald, Anzeige seine>!
Todes 738.
Oscar Eramerling, z. Dr. phil. prom 816.
A. Etineper, Bemerkungen über einige Trans-
formationen von Flächen 369.
Bruno Förster, z. Dr. phil. prom. 571. ■
C. Fromme, Ueber die gegenseitige Abhängig-"iJ
keit von raagnetisirender Kraft, temporärem
und remanentem Magnetismus 264. — üeber
den Einfluß, welchen bei der Magnetisierung
durch den galvanischen Strom gewisse Modi-
ficationen des Versuchs auf Größe und Zu-
stand des zu erzeugenden Magnetismus aus-
üben 514.
Anton Führer, z. Dr. phil! prom. 572.
Gauss, Feier der hundertsten Wiederkehr sei- J
nes Geburtstags 229. — Mittheilung über die
Herausgnbe seiner Werke (278) 282. — Ueber
die Gauss-Denkmünze (279) 283. — Ueber
Briefe desselben 432.
E. Geinitz, üeber das Erdbeben von Iquique
vom 9. Mai 1877 und die dadurch erzeugte
Fluthbewegung im Großen Ocean 558.
Fritz Giesel, z. Dr. phü. prom. 572.
Eberhard Gieseler, z. Dr. phil. prom. 93.
Emanuel Glatzel. z. Dr. phil. prom. 817.
Göttingen:
I. Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
A. Feier des Stiftungstages 733.
B. Jahresbeiicht. erstattet vom Secretär Herrn
Geheimen Oberraedicinalrath Wöhler 733.
a. das Directorium der Societät ist zu
Michaelis d. J. von Herrn Wüsten-
feld in der historisch-philologischen
Classe auf Herrn Grisebach in der
physikalischen Classe übergegangen 737.
b. Bericht üher die 1877 dnrch Abgang
von hier und durch den Tod verlorenen
Mitglieder und Correspondenten 737.
c. Verzeichnis der neu erwählten Mit-
glieder und Correspondenten 738.
C. Feier der hundertsten Wiederkehr von
Gauss' Geburtstage 229.
D. Verzeichniß der gehaltenen Vorträge und
vorgelegten Abhandlungen: Theodor Ben-
fey, Zfvg rsUaty 1. — Derselbe. Kar-
bara oder Karvara 'gefleckt, scheckig':
Indogermanische Rezeichnungr der dem
Beherrscher der Todten gehörigen Hunde
S. — Friedrich Wieseler, Archäologi-
sche Miscellen 25. — Th. Benfey, Her-
mes, Minos. Tartaros 65 (in den Abhand-
lungen gedruckt). — Nachtrag zu den
»Nachrichten« 1876 No. 13 und 1877 No.
1. 65. — Wahrung spines Rechts 66. —
Moritz Rethy, Ein Beitrag zur Theorie
der Beugungserscheinungen 73. — H.
Brugsch. Königs Darius Lobgesang im
Tempel der großen Oase von El-Kliargeh
133. — A. Schaumann. Das Testa-
ment des Herzogs Georg von Braun-
schweiff-Lüneburg. 1641.. i45. — Wöh-
1er, Trennung des Arsens von Nickel
und Kobalt 178. — F. Kohlrausch,
lieber das elektrische Leitungsvermögen
wässriger Lösungen u. s. w. 181. — Ju-
lius Oppert. Die Daten der Genesis
201. — J. Thomae, Zu seiner Mono-
graphie »Ueber eine specielle Classe Abel-
scher Functionen« 223. — Ernst Sche-
ring, Zur Feier der hundertsten Wieder-
kehr von Gauss' Geburtstage 229. —
Wüstenfeld, Die üebersetzungen Ära-
8
bischer Werke in das Lateinische seit
dem elften Jahrhundert 241 (in den Ab-
handlungen gedruckt). — De Lagard e,
Armenische Studien, L 241 (in den Abhand-
lungen gedruckt). — Adalbert Bezzen-
b erger, Eine neugefundene litauische
Urkunde vom Jahr 1578, 241. — C.
Fromme, lieber die gegenseitige Ab-
hängigkeit von magnetisirender Kraft,
temporärem und remanentem Magnetis-
mus 264. — 0. E, Schiötz, Versuche
über die scheinbare Anziehung und Ab-
stoßung zwischen Körpern, welche sich in
Wasser bewegen 291. — Carl Anton
Bjerknes, Zusatz zu dem Aufsatz von
Schiötz 310. — Edmund Hoppe, Mit-
theilung aus einer Experimentalunter-
suchung betreffend den Leitungswider-
stand der Flammen gegen den galvani-
schen Strom 313. — Conrad Trieb er.
Die spartanische und korinthische Königs-
liste 319. — Th, Benfey, svävas (zu
lesen suävas) und svdtavas 341. — W li-
sten fei d , Die Uebersetzungen Arabischer
Werke in das Lateinische seit dem XI.
Jahrhundert, IL Abtheilung 369 (in den
Abhandlungen gedruckt). — De Lagard e,
Armenische Studien, IL Abtheilung 369
(in den Abhandlungen gedruckt). — A.
E n n e p e r , Bemerkungen über einige
Transformationen von Flächen 369.
G. Quincke, Ueber den Randwinkel und
die Ausbreitung von Flüssigkeiten auf
festen Körpern 396. — H. Schubert,
Ueber geometrische Erweiterungen des
Bezoutschen Fundamentalsatzes 401. —
Oscar Drude, Ueber den Bau und die
systematische Stellung der Gattonp: Car-
ludovica 426. — Eduard Riecke. üeber
einen Tangentenmultiplicator und über die
elektromotorische Kraft des Grove'schen
Elementes 449. — Edmund Hoppe,
Mittheilung über die Pyroelektricität des
Turmalins' 474. — A. Grisebach.
üeber Weddell's Pflanzengruppe der
Hypseocharideen 493. — J. B. Listing,
Neue geometrische und dynamische Con-
stanten des Erdkörpers 493. 749. —
Schering, Analytische Theorie der De-
terminanten 493 (in den Abhandlungen
gedruckt). — Benfey, Die Spaltung
einer Sprache in mehrere lautverschiedene
Sprachen 493 , (in den Abhandlungen
gedruckt), s. auch 533. — E. Riecke,
Einige Beobachtungen an dem Radiome-
ter von Crookes 500. — Carl Fromme,
üeber den Einfluß, welchen bei der
Magnetisierung durch den galvanischen
Strom gewisse Modificationen des Ver-
suchs auf Große und Zustand des zu er-
zeugenden Magnetismus ausüben nl4. —
E. Geinitz. üeber das Erdbeben von
Iquique vom 9. Mai 1877 und die da-
durch erzeugte Fluthbewegung im Großen
Ocean 558. — Theod. Benfey, D statt
N. 573. — Schwarz, Berichterstattung
tlber die vierte Säcularfeier der Universi-
tät Upsala 573. — H. Otto Lang, Bei-
träge zur Physiographie gesteinbildender
Mineralien 589. — Friedrich W i e s e 1 e r,
Antiken in der südwestlichen Schweiz
und Turin 605. — Hubert Ludwig,
üeber den . Nebendarm der Echinoideen
688. — Ed. Riecke, Versuch einer
10
Theorie der elektrischen Scheidung durch
Reibung 701. — von Seebach, Ueber
den Bau des Volcan de Fuego in Guate-
mala und eine Besteigung desselben 734. —
Meissner und Grisebach, Zum Ge-
dächtniß an Karl Ernst von Baer 739.
E. Preisanfgaben :
a. der kgl. Gesellschaft der Wissenschaf-
ten: Die für den November d. J. von
der historisch-philosophischen Classe ge-
stellte Preisaufgabe hat einen Bear-
beiter nicht gefunden 734.
Für den November 1878 von der phy-
sikalischen Classe gestellte Preisauf-
gabe 735.
Für den November 1879 von der ma-
thematischen Classe 735.
Für den November 1880 von der hi-
storisch-philologischen Classe 736.
b. Wedekind' sehe Preisstiftung für
Deutsche Geschichte : Neue Preisauf-
gaben 137. — Preisertheilung 237.
F. Verzeichniß der bei der kgl. "Gesellschaft
der Wissenschaften eingegangenen Druck-
schriften 23, 72, 96, 133, 178, 200, 240,
(279) 283, 339, 368, 400, 492, 531, 564,
602, 696, 732, 819.
Göttin gen :
II. Universität.
A. Verzeichniß der während des Sommer-
semesters 1877 gehaltenen Vorlesungen 97.
— der während des Wintersemesters 18^778
gehaltenen 433.
B. a. Preisvertheilung an die Studierenden,
eingeleitet durch eine Rede von Prof.
Wie sei er über den Apollon von
Belvedere 285.
u
b. Neue Preisauf^ahen 289.
c. Be n eke'sche Prpi<^fififtnng. Preiser-
theilung 17^. 199. — Neue Preis-
flufsrahe 280.
C. Oeffentliche Institute.
a. Botanische Institute: Grisehach,
Bericht üb^r die botanischen Insti-
tute der Universität Göttingen im J.
1876. 58.
b. Phy<?ikalische8 Institut : Riecke, Be-
richt über das physikalische Institut.
Abtheilung für Experimentalphysik,
aus den Jahren 1871 — 1877. .565.
D. Promotionen in der medicinischen Facul-
tät 338. — In der philosophischen Fa-
cultät 92, 569. 816.
E. Personalbestand der akademischen Be-
hörden 696.
Hermann G r a ßman n , Anzeige seines Todes 737.
Wilhelm Grethen, z. Dr. phil. prom. 817.
A. Grisebach. Bericht über die botanischen
Institute der Universität im J. 1876. 58. —
Ueber "WeddeH's Pflanzengruppe der ITypseocha-
rideen 493. — Zum Dr. phil. honoris causa
promoviert 569. — Zum Gedächtniß an Karl
Ernst von Baer 739.
Walther Gröbli. z. Dr. phil, prom. 572.
Hermann Grunert, z. Dr. phil. prom. 816.
Emil Günther, z. Dr. med. prom. 339.
Albrecht von Hall er, s. Göttingen I. A.
Ludwig Hanemann, z. Dr. phil. prom. 817.
Ernst Joachim Otto Hartmann, Anzeige sei-
nes Todes 693.
Ulrich Hausmann, z. Dr. phil. prom. 9.3.
Friedrich Heeren, Doctordiplom erneuert 95.
E.L. H.A. Hein tzjnann, z. Dr. phil. prom. 95.
12
Hermann Heller, z Dr. med. prom. 339.
Herrn. Hempel, z. Dr. med. prom. 338.
Wilhelm Henne berg, zum ordentlichen Mit-
gliede der k. Gesellschaft der Wissenschaften
erwählt 738.
Coelestin Hermanauz, z. Dr. phil. prom. 94.
Adolf Hesse, z. Dr. med. prom. 338.
Hermann Hesse, z. Dr. med. prom. 339.
Adolf Heuermann , z. Dr. phil. prom. 817.
Eduard Aander Hey den, z. Dr. phil. prom.
817.
Ernst Ho e bei, z. Dr. phil. prom. 571.
Carl Friedr. Christian Hoeck, Anzeige seines
Todes 90. 737.
Carl Aug. Otto Hoff mann, z. Dr. phil.
prom. 93.
Meinhard Ho ff mann, z. Dr. phil. prom. 94.
Wilhelm Hoffraeister, Anzeige seines Todes
737.
Edmund Hoppe, Mittheilung aus einer Ex-
perimentaluntersuchung betreifend den Leitungs-
widerstand der Flammen gegen den galvani-
schen Strom 313. — Mittheilung über die
Pyroelektricität des Turmalins 474. — Zum
Dr. phil. prom. 571.
Theodor Huth, z. Dr. phil. prom. 816.
Herm. von Jhering, z. Dr. phil. prom. 572.
Herbert M. Johnson, z. Dr. phil. prom. 95.
Heinrich Kaiser, z. Dr. phil. prom. 817.
Arnold Kamp, z. Dr. phil. prom. 571.
Herm. Kasten, z. Dr. phil. prom. 572.
Georg Alexander Kästner, z. Dr. phil. prom.
571.
0. Kayser, z. Dr. phil. prom. 570.
Cai 1 Klein, zum orUeutlicht^u Profeäsor iu dtir
13
philosophischen Facultät ernannt 200. — Zum
ordentlichen Mitgliede der k. (iesellschaft der
Wissenschaften erwählt 738.
Ludw. von Klenze, z. Dr. phil. prom. 572.
F. Kohlrausch, (Jeher das elektrische Lei-
tungsvermögen "wässriger Lösungen insbe-
sondere von den Salzen der Alkalien und al-
kalischen P>den , den Aetz- Alkalien sowie
einigen Säuren 181.
Heinrich Kolischer, z. Dr. phil. prom. 570.
Gottheb Krause, z. Dr. phil. prom. 816.
Carl Jacob Krickau, z. Dr. phil. prom. 817.
Aug. Kropf, z. Dr. med. prom. 338.
Paul Krüger, z. Dr. phil. prom. 94.
Otto Krümmel, z. Dr. phil. prom. 571.
Paul de Lagarde, Armenische Studien l. 241.
— II. Abth. 369.
Heinr. Otto Lang, Beiträge zur Physiographie
gesteinbildender Mineralien 589.
Friedr. Laupus, z. Dr. med. prom. 338.
Andrew D. Lawrie, z. Dr. phil. prom. 95.
Urbain Jean Joseph Le Verrier, Anzeige sei-
nes Todes 737.
Felix Lieberraann, z. Dr. phil. prom. 93.
J. B. Listing, Neue geometrische und dyna-
mische Constanten des Erdkörpers 749.
Herm. L o t z e , Zum Prorector erwählt und be-
stätigt 696.
Ludw. Lotze, z. Dr. med. prom. 338.
Rud. Lubrecht, z. Dr. med. prom. 339.
Otto Lücke, z. Dr. phil. prom. 571.
Hubert Ludwig, lieber den Nebendarm der
Echinoideen 688.
Rud. Lüning, z. Dr. med. prom. 338,
Carl Friedrich Heinrich Marx, Anzeige seines
Todes 695. 737.
14
Leverett Mears, z. Dr. phil. proin. 816.
Meissner, Zum Gedächtniß an Karl Ernst
von Baer 739.
Benno Mendelssohn, z. Dr. phil. prom. 817.
Friedr. Meinicke, z. Dr. phil. prora. 93.
Franz Carl Joseph Mertens in Krakau, zum
Correspondenten der k. Gesellschaft der Wis-
senschaften erwählt 738.
Friedr. Mügge, z. Dr. med. prom. 338.
Job. Gust. Theodor Müller, z. Dr. phil.
prom. 93.
Carl von N ä g e 1 i in München , zum auswärti-
gen Mitglied der k. Gesellschaft der Wissen-
schaften erwählt 738.
Emil N erger, z. Dr. phil. prom. 817.
Ernst Aug. Niemann, z. Dr. med. prom. 338.
Johannes Neurdenburg, z. Dr. phil. prom.
817.
Charles Newton in London, zum auswärtigen
Mitglied der k. Gesellschaft der Wissenschaf-
ten erwählt 738.
H. Nissen, als ordentlicher Professor in der
philosophischen Facultät von Marburg nach
Göttingen versetzt 432.
Hermann Oesterley erhält den Wedekind'-
schen Preis 237.
Julius Oppert, die Daten der Genesis 201.
Bernhard Pansch, z. Dr. phil. prom. 570.
Oskar Pauker, z. Dr. phil. prom. 817.
Max Paujy, z. Dr. phil. prom. 816.
Fr. Picht, z. Dr. med. prom. 338.
Dietrich Plate, z. Dr. phil. prom. 817.
Fr. Chr' Plath, z. Dr. phil. prom. 94.
Johann Christian Poggendorff, Anzeige sei-
nes Todes 737.
15
Alessandro Portis, erhält den Preis der philo-
sophischen Facultät 289.
Preisaufgabe n: Für die Studierenden 289. —
der Beneke-Stiftung 280. — der Wedekind'schen
Stiftung 137. — der königl. Gesellschaft der
Wissenschaften 734.
G. Quincke, üeber den Randwinkel und die
Ausbreitung von Flüssigkeiten auf festen Kör-
pern 396.
Alfred Raab, z. Dr. phil. prom. 816.
Joh. Heinr. Rabe, z. Dr. phil. prom. 817.
Moritz Rethy, Ein Beitrag zur Theorie der
Beugungserscheinuugen 73.
Friedrich Reuter, z. Dr. phil. prom. 93.
Theodor Reye in Straßburg, zum Correspon-
denten der k. Gesellschaft der Wissenschaften
erwählt 738.
Ed. Riecke, Demonstration eiues nach einem
neuen Principe construii ten Tangentenmultipli-
cators 341. — Ueber einen Tangentenmulti-
plicator und über die elektromotorische Kraft
des Grove'schen Elementes 449. — Einige
Beobachtungen an dem Radiometer von Croo-
kes 500. — Bericht über das physikalische
Institut, Abtheilung für Experimentalphysik,
aus den Jahren 1871 — 1877. 565. — Versuch
einer Theorie der elektrischen Scheidung durch
Reibung 701.
Carl Riehn, z. Dr. med. prom. 338.
Wilh. Ritterbusch, z. Dr. med. prom. 338.
Roch oll, erhält den zweiten Beneke-Preis 176.
Maximilian Roggatz, z. Dr. phil. prom. 94.
Julius Rosenbach, zum außerordentlichen
Professor in der medicinischeu Facultät er-
nannt 228.
16
Eduard Rö ssler, z. Dr. phil. prom. 817.
Joseph Philipp Rotheimer, z. Dr. phil. prom.
570.
Wilh. Rusack, z. Dr. med. prom. 339.
Hermann Sauppe, Bericht über die Bearbei-
tung der Chronik Hermann Korner's 237. —
Zum Geheimen Regierun gs-Rath ernannt 815.
Ernst von Schack, z. Dr. phil. prom. 572.
A. Schaumann, Das Testament des Herzogs
Georg von Braunschweig-Lüneburg. 1641. Aus
Akten und Urkunden des Archivs zu Hanno-
ver 145.
Friedr. Scheiding, z. Dr. phil. prom. 570.
E. Schering, Gedächtnißrede auf Gauss 232.
— Nachricht über Briefe von Gauss 432, s.
auch Gauss. — Analytische Theorie der Deter-
minanten 493.
0. E. Schiötz, Versuche über die scheinbare
Anziehung und Abstoßung zwischen Körpern,
welche sich in Wasser bewegen 291.
Carl Schmidt, z. Dr. phil. prom. 817.
"Wilh. Schorse, z. Dr. med. prom. 334.
Adolf Schreiber, z. Dr. med. prom. 339.
H. Schubert, Ueber geometrische Erweiterun-
gen des Bezoutschen Fundamentalsatzes 401.
Carl Adolf Curt Schur ig, z. Dr. phil. prom. 92.
Ernst von Schwartz, z. Dr. phil. prom. 817.
Schwarz, erstattet Bericht über die vierte Sä-
cularfeier der Universität Upsala 573.
Heinr. Schweninger, z. Dr. med. prom. 338.
von Seebach, Ueber den Bau des Volcan de
Fuego in Guatemala und eine Besteigung deg-
selben 734.
Julius Bernh. Otto Seemann, z. Dr. phil.
prom. 93.
Ferdinand Sennewald, z. Dr. phil. prom. 571.
17
Wilhelm Sickel, z. Dr. phil. prom. 94.
Edgar Fahs Smith, z. Dr. phil. prom. 816.
Wilhe French Smith, z. Dr. phil. prom. 816.
Ad. Stapelfeld, Zum Dr. phil. prom. 92.
Carl Heinr. Just. Stein, z. Dr. med. prom. 338.
Stern, Festrede bei der Gauss-Feier 237.
Wilhelm Stetzer, z. Dr. phil prom. 95.
Hemr. Stilling, z. Dr. med. prom. 334.
Karl Stuckenberg, z. Dr. phil. prom. 571.
Carl Freiherr von Tautphoeus, z. Dr. phil.
prom. 94.
Arthur Fairbanks Taylor, z. Dr. phil.
prom. 570.
S. Thomae, üeber die Identität
f 3
(VV-l dz
iV{z-k) (s-A>) (z-f)»(=-fi)>
' 3.
yk'—k dz
+
22
k]/(z-f)(z-f ») {z-ky (z-/t»)«
= 0
o.
Wilhelm Thörner, z. Dr. phil. prom. 817
Aug Vmzent Trentepohl, z. Dr. phil prom.
0 I A.
Conrad Tri eher, Die spartanische und korin-
thische Königsliste 319.
Friedr. Wilhehn ü n g e r , Anzeige seines Todes 88.
Jesus Valverde, z. Dr. med. prom. 338.
Äf/"",- i^?,!^^^^^^*' 2- I>r. phil. prom. 817.
des 7^7 "" ^°^^°^a°°' Ai^zeige seines To-
18
Otto Wachsmuth, z. Dr. med. proni. 338.
Wilhelm Waldeyer hi Straßburg, zum Cor-
respondenten der k. Gesellschaft der Wissen-
schaften erwählt 738.
Herrn. Wattenberg, z. Dr. phil. prora. 93.
Adolf Weber, z. Dr. med. prom, 339.
W edelfeind'sche Preisstiftung s. Göttingen
I. E. b.
Friedr. Wieseler, Archäologische Miscellen.
I. Zu den vasa diatreta 25. — 11. Zu ver-
schiedenen Stellen in Pausanias' Buch V. 26.
— III. Ueber den Typus einer Münze von
Kyme in der Aeolis und einige Darstellungen
an der Puteolanischen Basis 33. — IV; Zur
Kunstmythologie Poseidons 42. — V. Dio
drei Göttinnen des Parisurtheils als die drei
Chariten 51. — Antiken in der südwestlichen
Schweiz und Turin 605.
Heinr. Witte, z. Dr. phil. prom. 572.
Wo hier, Trennung des Arsens von Nickel und
Kobalt 178. — Jahresbericht 733.
Wüstenfeld, Die üebersetzungen Arabischer
Werke in das Lateinische seit dem elften
Jahrhundert 241. — II. Abth. 369. s. auch
• Göttingen I. C.
Zahn, zum ordentlichen Professor in der phi-
losophischen Facultät der Universität Kiel er-
nannt 132.
Friedr. Ziller, z. Dr. phil. prom. 93.
Berichtiguug.
Bogen 26 ist stÄtt 277—280 281—284 zu paginieren.
Nachrichten
von der
K. (jesellscliaft der Wissenschaften
und der
Georg - Augusts - üniTersität
aus dem Jahre 1878.
Göttingen.
In Commission in der Dieterich'schen Buchhandlung.
1878.
Man bittet die Verzeichnisse der Accessionen
zugleich als Empfangsanzeigen für die der kgl.
Societät übersandten Werke betrachten zu wollen.
\achrlchten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
16. Januar. M 1. 1878.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Sitzang am 5. Januar.
Wüstenfeld, Die Familie el-Zubeir. Erste Abtheilang,
(Erscheint in den Abhandlungen.)
Pauli, Karolingische Geschichte in altenglischen Annalen.
P. de Lagarde, Tertullianea.
Dedekind, auswärt. Mitglied. lieber den Zusammen-
hang zwischen der Theorie der Ideale und der Theorie
der höhern Congruenzen. (Erscheint in den Abhand-
lungen).
^ achs, auswärt. Mitglied, üeber eine Classe von Diffe-
rentialgleichungen, welche durch Abelsche oder ellipti-
sche Functionen integrirbar sind.
Drude, lieber die Verwandtschaft und systematische Be-
deutung von Ceroxylon Andicola. (Vorgelegt von Gri-
sebach).
Karolingische Geschichte in alteng-
lischen Annalen.
Von
Eeinhold Pauli.
Wiederholte Beschäftigung mit den älteren
Aunalen Englands uöthigt mich früher veröffent-
lichte Bemerkungen durch weitere Ergebnisse
zu vervollständigen. Aus ihnen geht nunmehr
hervor, daß die Nachrichten über die festländische
1
Geschichte während der Epoche der Karolinger
auf drei räumlich und zeitlich verschiedenen
Wegen zu der Insel hinüber drangen.
Die älteste Verbindung, die mit Northum-
"brien, insbesondere mit York, wurzelt in der
von Baeda dem Ehrwürdigen ausgehenden, gerade
die Pflege der Jahrbücher im christlichen Abend-
lande unmittelbar beeinflussenden Schule und in
der aus denselben Gegenden lebhaft betriebenen
Mission unter Franken, Friesen und Sachsen.
Zu dem, was nach dieser Richtung hin zuerst
Stubbs in seiner vorzüglichen Ausgabe der
Chronik des Roger von Hoveden Vol. I, p.
XXVIII. XXIX vom Jahre 1868 anregte und
was ich in den Forschungen zur Deutschen Ge-
schichte XII, 139 und 441 weiter ausgeführt
habe*), ist materiell nichts Neues hinzugekommen.
Nur läßt sich das Urtheil über die in des Si-
meon von Durham Compilation De Regibus
Anglorum et Dacorum zwischen den Jahren
731 und 803 steckenden, vielfach ihre ursprüng-
liche Form bewahrenden northumbrischeu An-
nalen formell noch präciser fassen und ihre Sub-
stanz noch strenger von fremdartigen Bestand-
theileu scheiden. Diese Gesta veterum Nor-
thanhumbrorum oder Gesta Anglorum,
als welche sie noch distinct anderen mittelalter-
lichen Autoren bekannt gewesen sein müssen,
sind aufs engste verwandt mit den kurzen von
731 bis 766 reichenden Jahrbüchern, welche,
bald nach Baedas Tode entstanden , dem Ms.
Phillipps 1089 , sowie der Ausgabe seiner Hist.
eccles. gentis Anglorum in den Mon, Hist. Brit.
I, 288 — 289 angehängt sind. Beide Reihen sind
handschriftlich zwar nur aus dem zwölften Jahr-
1) Vgl. auch Wattenbach, Deutschlands Geschieh ta-
quellen 1*. 199.
hundert überliefert, allein die Prüfung der ein-
zelnen Jahre, namentlich auch mit Rücksicht
auf die astronomischen Erscheinungen, ergibt,
daß beide gleichzeitig oder doch unmittelbar
nach den kosmischen und politischen Ereignis-
sen, die sie verzeichnen, und nur in Nordengland
an der Kirche von Lindisfarne, York oder Hex-
ham verfaßt sein können. Beide sind gleich
aufmerksam auf die Dinge des Festlands ge-
richtet. Wie die kürzere bis 766 reichende
Reihe zu 741 den Tod Karl Martells und die
Nachfolge seiner Sohne notiert und wie es in
beiden unter 754 von Bonifacius heißt: qui et
Winfridus, martyrio corouatus est cum quinqua-
ginta tribus (cum quinquagiuta tribus martyrio
coronatur), so bewahren die bei Simeon von
Durham erhaltenen und später auch in die Chro-
nik des Roger von Hoveden so wie theilweise
in die des Roger von Wendover und die Chronik
von Melrose eingeflossenen etwas längeren Jahr-
bücher unter 768 die Nachricht vom Tode Pip-
pins des Kleinen und bis 800 inhaltreiche An-
gaben über Karl den Großen. Ich bin nunmehr
geneigt die Provenienz der letzteren im Einzelnen
noch näher zu bestimmen, als in dem Aufsatz
in den Forschungen geschehen ist. Die Nach-
richten zu 771 Karlmanns Tod und Karls Allein-
herrschaft, 772 Sachsenkrieg, 774 Unterwerfung
des Langobardenreichs, 775 Sachseukrieg sind,
wie kaum zu bezweifeln , jenem Aluberht zuzu-
weisen, der nach der Angabe unter 767 vom
Erzbischof Aethelberht von York zum Missions-
bischof geweiht wurde — ad Ealdsexos ordi-
natus est episcopus — als solcher von Ut-
recht aus wirkte und den jungen Liadger nach
dessen Vita, SS. II, 407 auf ein Jahr zunächst
zu Alcuin auf die Schule nach York brachte.
Auch Aluberht kam noch einmal herüber um
unter Friesen und Sachsen thätig zu sein. Was
andererseits die Jahre 786 die Sendung Papst
Hadrians I, nach England, 792 die Uebersendung
des Liber synodalis durch König Karl eben dort-
hin, 794 Tod und Bestattung Papst Hadrians,
795 den großen Sieg über die Avaren und 800
die Kaiserkrönung betrifft, so dürften diese Ein-
tragungen bis auf Alcuin selber zurückgehen.
Die Notiz zu 799 dagegen über die Mißhandlung
Papst Leos III. durch die Römer begegnet, wie
gleich hernach gezeigt werden soll, auch in Süd-
england und beruht auf allgemeiner Verbreitung.
Eine zweite Leitung zwischen dem karolin-
gischen Festlande und der Lisel ergibt sich aus
den ältesten Annalen von Winchester, wie man
sie nach Earle ^) fortan getrost wird nennen
dürfen. Sie sind bekanntlich noch völlig er-
kennbar überliefert in dem bis 891 von einer
Hand redigierten ältesten Stück der sogenannten
angelsächsischen Chronik, jenem ehrwürdigen
und frühsten Erzeugniß der Geschichtsschreibung
in germanischer Prosa, die im Wiederspruche
mit der in England noch immer üblichen Be-
zeichnung thatsächlich aus verschiedenen Reihen
von Jahrbüchern besteht. An verschiedenen
Orten und, über mindestens vier Jahrhunderte
hin verfaßt, schon durch die Sprache wesentlich
von den, so viel wir wissen, nur lateinisch ab-
gefaßten Annalen Northumbrieus verschieden,
stammen die sechs erhalteneu vernacularen Jahr-
bücher (A bis F) nebst dem Fragment eines
siebenten (G) sämmtlich aus Süd- und Mittel-
england, wodurch freilich eine Gemeinsamkeit
mit uordenglischen Quellen in Stoff und Inhalt
l) Two of the SaxoD Cbronicles p. XI.
iiiclit ausgeschlossen wird, wie denu ein Aus-
tausch desselben sich gerade mit Hilfe des Si-
meon von üurham für den Anfang des zwölften
Jahrhunderts nachweisen läßt. A stammt nun
der Hauptsache nach aus Winchester und hat
erst später in Canterbury Zuthaten und Abän-
derungen bis 1070 erfahren. B ist eine bis 977
reichende im St. Augustin Kloster zu Canterbury
angefertigte Reinschrift aus der ersten Hälfte
des eilften Jahrhunderts. Bei C, das bis 1066
reicht, weisen unverkennbare Zeichen auf das
Kloster Abingdon in der Nähe von Oxford hin.
D, dessen letzte Notiz uuter 1079 steht, ist eine
in Worcester unternommene abermalige Bear-
beitung mit wichtigen, die Landesgeschichte be-
treffenden Fortsetzungen. Was indeß die Karo-
lingischen Daten betrifft, so sind B. C. D von
A. oder seiner ursprünglichen Vorlage völlig ab-
hängig, so daß sie, von Orthographie und Dia-
lekt abgesehen, kaum nennenswerthe Abwei-
chungen bieten. E dagegen, eine im Kloster
Peterborough in Northamptoushire zu Anfang
des zwölften Jahrhunderts unternommene Re-
daction, die zwar vielfach auf Worcester zurück-
weist, aber von 1121 bis zum Schluß in meh-
reren Absätzen selbständig ist, und F, eine gleich-
falls im zwölften Jahrhundert in Canterbury
ausgeführte, bis 1058 erhaltene Bearbeitung,
englisch mit Jahr für Jahr lateinischer üeber-
setzung, im Original vorhanden, weichen, was
die Karolinger betrifft, in gewissen Notizen wie
in dem Idiom von A. B. C. D höchst augenfällig
ab und kommen erst für die streng abzuson-
dernde dritte Gruppe in Betracht.
Die zweite Gruppe festländischer Nachrichten,
die also in Winchester, dem Mittelpunkt von
Kirche und Staat der Westsachsen, gesammelt
wurden, wird zunächst repräsentiert durch eine
einsame Notiz über Karls Sachsenkriege zu 780
(779 D, aus ihm E): Her Aid Seaxe and
Francan gefuhton. Sie hat Nichts mit den
ausführlichen Notizen der Northumbrier unter
772 und 775 oder, wie wir noch sehen werden,
mit den stets auf Karl selber Rücksicht neh-
menden Anmerkungen der dritten Gruppe zwi-
schen den Jahren 771 und 780 gemein. Aus
Winchester stammt ferner die Nachricht über
den von A bis E unter 812, von F unter 814
verzeichneten Tod Karls: Her Carl cyning
foröferde. And he ricsode 45 wintra.
Viel bedeutsamer jedoch sind die eben dort ein-
getragenen folgenden Nachrichten, welche einen
dynastischen Zusammenhang erschließen und
nicht nur yon genealogischem Interesse, sondern
von Aufmerksamkeit auf die Geschichte der zer-
fallenden Karolingischen Reiche eingegeben wur-
den : 855 die Vermählung König Aethelwulfs von
Wessex mit Judith, der Tochter Karls des Kah-
len; 885 bei Gelegenheit des Todes des west-
fränkischen Karlmann (irrig Karl genannt, f Dec.
12. 884) dessen Genealogie bis zurück auf Karl
den Kahlen, so wie fernerhin die Vereinigung
des westfräukischen mit dem ostfränkischen
Reich unter Karl HI, woran sich abermals ein
Stammbaum bis auf Karl den Großen und selbst
Pippin den Kleinen schließt; Nachricht vom
Tode Karls HI, den sein Neffe Arnulf ausge-
trieben, worüber indeß das Reich in fünf Theile,
deren Grenzen augegeben werden, auseiuander
bricht, die seither aber alle in Unfrieden leben;
891 König Arnulfs Sieg über die Nordmänner,
wie der Annalist versichert, das gemeinsame
Werk der Ostfranken, Sachsen und Bayern. Die
Kaiserwürde berücksichtigt er niemals. Als ein
Spätling solcher dynastisch-politischeu luteressen
ist unter 982 in die Jahrbücher von Abiugdon
(C) die merkwürdige Mittheilung über Ottos II.
unglücklichen Feldzug in Süditalien und den
Tod seines Neffen Otto, eines Sohns Liudolfs
und daher Enkels Ottos des Großen und der
angelsächsischen Eadgyth, eingedrungen. Unbe-
rücksichtigt lasse ich die zahlreichen Einzeich-
nungen der Winchester Jahrbücher (880. 881.
=^32. 883. 884. 886. 887. 890. 893) über die Be-
egungeu der zu Wasser und zu Lande verhee-
renden Scandinaven zwischen England und den
Gebieten der Westfranken und der Flandrer,
über welche der gleichzeitige Annalist angstvoll
genaue Erkundigungen einzog, obwohl sie für
die Belagerung von Paris durch die Nordmänner
geradezu den unmittelbaren Quellen beigezählt
werden müssen. Ferner sei bemerkt, daß alles
Karoliugische , was zwischen 855 und 887 fällt
aus den Jahrbüchern , die auf Winchester zu-
rückgehn, in mehrere lateinische Bearbeitungen,
nämlich die Gesta Aelfredi Assers, die Chronik
Aethelwards, die Chronik des Florenz von Wor-
cester, die Historien des Heinrich von Huntingdon
übergegangen ist, wobei bisweilen noch eigene
Znthaten begegnen. In zweiter Linie erst schö-
pfen daraus wieder der northumbrische Simeon
von Durham und als Vertreter der späteren
Chronistik Roger von Hoveden und Roger von
Wendover (Matthaeus Paris).
Nur unter 799, in der Nachricht von der
Mißhandlung Papst Leos IH. und dem an ihm
-,'eschehenen Wunder findet sich ein Einklang
zwischen, den northumbrischen Annaleu und
denen von Winchester:
799
Her Romane Leone ^gam
papan his tungan for-
curfon and his eagan
astungon and hiene of his
setle afliemdon. And \> a
sona eft, Gode fultunai-
endum, he meahte ge-
seon and sprecan, and
eft wses papa swa he ser
WKS.
Romani . . . Leonem papam
sanctissimum apprehende-
runt ligaveruntque , cuius
lingua inter maxillas duri-
ter protracta et in gutture
crudeliter extensa p r ae ci sa
est ab ipsis. Eruerunt
et oculos praedicti ponti-
ficis radicitus ... Dominus
postpauci temporis in-
ter stitium sie eum salu-
tifero s a n a V i t antidoto,
ut postmodum videre
clare et loqui posset...
Von dem Eindrucke dieser Unthat zeigen
sich , wie kaum anders zu erwarten , die ver-
schiedensten Annalen drinnen und draußen noch
auf lange hin erfüllt. Man vergleiche unter den
festländischen nur Ann. Einhardi 799 SS. I,
187, die von erutis oculis und lingua am-
putata sprechen, und die Jahrbücher von Lund
(Esrom), Usiuger, die dänischen Annalen S. 42,
wo es zu 799 heißt: Hoc anno Romani lin-
guam Leonis papae amputaverunt et
oculos eius eruerunt et expulerunt eum.
Die durch die gemeinsamen kirchlichen Canäle
erwirkte Gleichmäßigkeit der Schreckenskunde
und des Wunders erhellt noch aus dem wohl
kaum gleichzeitigen, sondern von Simeon her-
rührenden Zusatz der northumbrischen Annalen:
hoc miraculum repeute diffusum est per c ar-
din es quadrati orbis.
Ganz anderer, aber, wie wir sehen werden,
nicht der uninteressantesten Herkunft sind die
in der dritten Gruppe erhaltenen Karolingischen
Notizen, welche in einer fern abliegenden Be-
zugsquelle wurzeln. Sie tauchen auf in den
jüngsten Exemplaren der angelsächsischen Jahr-
9
bücher (E. F), die erst im zwölften Jahrhundert
zu Stande kamen, und zwar bemerkenswerth,
stets in lateinischer Fassung, und pflanzen sich
noch über ein Jahrhundert in einer beträcht-
lichen Anzahl in England verfaßter Annalen
fort , die dort bisher zum großen Theil weder
untersucht noch herausgegeben sind, wie sehr
sie beides auch aus anderen, als ans hier be-
schäftigenden Gründen verdienen.
Zwar steht mir vollständiges Material noch
lange nicht zur Verfügung, doch glaube ich aus
dem, was vorliegt, zu nachstehenden Schlaßfol-
geruugen bereits hinreichend berechtigt zu sein.
Während die frühsten Jahrbücher der Franken,
Alamanneu und Bayern gewisse nordbritische
imen an der Spitze tragen und dadurch an-
ueuten , wie einst die Annalistik von England
aus zu den Germanen des Festlands herüber kam,
so sind umgekehrt mit der normannischen Er-
oberung Englands die Jahrbücher des Continents
in altbestehende , nun aber mehr romanisierte
Benedictiner Klöster, darunter auch Winchester,
Canterbury, Worcester u. a. m. so wie in die
Häuser der Clnniaceuser und Cistercienser einge-
drungen. Folgende Beispiele mögen genügen.
Ms. E der angelsächsischen Annalen, also
die zu Peterborough um 1121 compilierte und
bis 1154 fortgeführte Bodleische Handschrift
Land 636, hat mitten im angelsächsischen Text :
769 Initium regni Karoli regis.
778 Karolus in Hispanias intravit. Karolus
Saxoniam venit. Karolus Pampileniam urbem
destruxit atque Cesar Augustam exercitum suum
eouiunxitet acceptis obsidibus subiugatis Sara-
cenis per Narbonam Wasconiam Franciam rediit.
788 Karolus per Aleraanniam venit ad iines
Banuarie.
10
800 Karolus rex Imperator factus est et a
Romanis appellatus Augustus, qui illos, qui Leo-
nem papam dehouestaverant, morte dampnavit,
sed precibus pape morte indulta exilio retrusit.
Ipse enim papa Leo imperatorem eum sacraverat.
810 Karolus cum Niceforo imperatore Cou-
stantiuopolitano pacem fecit.
812 Cireneius Karolo imperatori legatos suos
cum pace mittit. Karolus Imperator obiit.
Viel dürftiger ist Ms. F, wo unter 767 ver-
einzelt und verwirrt die Notiz : Hie Carlomaguus
obiit begegnet. Dagegen ist 814 Rex Carolus
obiit, regnavit autem 45 annos lediglich latei-
nische Version der Annalen von Winchester zu
812. Offenbar ist aber auch in den eigenthüm-
lichen Einschaltungen zu E viel verschoben und
verdorben, unter 778 aus einer sehr alten Vor-
lage der Zug nach Spanien mit dem Sachsen-
zuge von 779 zusammengeworfen und aus einer
anderen Quelle dann wieder Näheres über die
spanische Expedition hinzugefügt. Indeß der
Wortlaut dieser Auszüge sowohl wie die Zeit
der Compilation um 1121 spricht gegen die Be-
nutzung des Sigebert, wie sie etwa die Cistercienser
von Waverley durchgeführt haben ^). Dagegen
helfen auf der Fährte weiter die Annalen von
Dore, einem während der Regierung König Ste-
phans (1135 — 1154) in Hereford shire errichteten
Cistercienserkloster, erhalten in Ms. Phillipps 12200
und von einer Hand bis 1320 geschrieben mit
flüchtigen Fortsetzungen bis 1362. Als ich im
letzten Sommer gemeinsam mit Herrn Geh. Reg.
Waitz in Cheltenham arbeitete, habe ich die
Handschrift näher untersucht und für die Mo-
1) Annales de Waverleia bei Luard, Annales Mona«
Btici II, 155 ff.
11
numente abgeschrieben. Sauber in zwei Colamnen
zu beiden Seiten der Ostertafel eingetragen fin-
den sich links Im per ato res et Reges, rechts
Pape, ArchiepiscopietSancti. Folgende
Eintragungen kommen hier in Betracht:
687 Pipinus maior domus efficitur.
717 Karolus filias Pipini maior domus fit.
718 Pugna in Vinciaco.
752 Pipinus rex efficitur.
756 Benedictus est Pipinus a S. Stephano
papa Parisius et filius eius Karolus et Karolo-
mannus et filia Sigila inter sacra missarum so-
lempnia precipiente s. Petro et s. Paulo et beato
Dionisio.
769 Obiit Pipinus rex 8 Kai. Octobris. Ini-
tium regni Karoli regis.
771 Obiit Karolomannus frater Karoli Nono
Decembris.
774 Karolus Romam vadit. Inde reversus
Papiam cepit cum rege Desiderio captis civita-
tibus Italie et direptis universis.
777 Conversio Saxonum.
778 Karolus Hispauiam intravit. Karolus
Papiloniam urbem destruxit apud Cesar Augustam
exercitum coniunxit et acceptis obsidibus subiu-
gatisque Saracenis per Narbonam et Vasconiam
Franciam rediit.
780 Karolus Saxoniam venit et Saxonia capta
est.
782 Karolus Romam vadit.
786 Signum crucis in vestibus apparuit.
787 Iterum Karolus Romam perrexit, deinde
^d s. Benedictum et Capuam.
789 Karolus per Alemanniam venit ad fines
Havarie.
791 Bassilo (sie) dux venit in Franciam et
Bauuaria capta est.
12
793 Karolus pergit in Sclavos, qui dicüntur
Uulti.
794 Karolus rex Hungrorum regnum vastat.
799 Karolus rex Imperator factus est et a
ßomanis appellatus Augustus, qui illos, qui Leo-
nem papam dehonestaverant, morte dampnavit,
sed precibus pape morte indulta exilio retrusit.
Ipse enim papa Leo imperatorem eum sacraverat.
810 Karolus cum Niceforo imperatore Cou-
stautinopolitano pacera fecit.
814 Karolus imperator gloriosus moritur etc.
nach Sigebert, wie schon Einiges vorher und
manches nachher, das ich übergehe.
Das Vorstehende nun begegnet mit nur ge-
ringen Abweichungen in den Worten, aber chro-
nologisch weniger verschoben in den von Delisle
in den Beilagen zu Le Prevosts Ausgabe des
Ordericus Vitalis V, 139 flF. Paris 1855 abge-
druckten Annales Uticenses, den Jahrbüchern
von St. Evroult im Bisthum Lisieux, die bis
gegen Ausgang des eilften Jahrhunderts von
einer Hand an den Seiten der Ostertafel ge-
schrieben und wesentlich den ältesten Annalen
von Ronen entlehnt (V, p. LXVIII. LXIX) besser
die ursprüngliche Form der in der Normandie
entworfenen Jahrbücher repräsentieren, als was
für die Zwecke gegenwärtiger Untersuchung un-
genügend Duchesne in den SS. Norm, heraus-
gegeben hat. Es leuchtet auf den ersten Blick
ein, daß die trümmerhaften lateinischen Ein-;
Schaltungen in den altenglischen Jahrbüchern |
von Peterborough denselben Ursprung haben, j
Ein ähnlicher Zusammenhang ergibt sich ferner |
bei den Annalen der seit 1106 eingesetzten re-
gulierten Chorherren von S. Maria in Sonthwark,
der City von London gegenüber (heute S. Mary
Overy, auch St. Saviour), die in Ms. Cotton,
13
Faustina A. VIII erhalten und von mehreren
Händen, zuletzt gleichzeitig bis 1239 herabgefdhrt
sind 1).
In ihnen heißt es:
752 Pipiuus rex efficitur.
767 8 Kai. Octobris obiit Pipiuus rex Fran-
corum. Successit filius eins Karolus Magnus.
781 Karolus Romam vadit. Inde reversus
Papiam cepit cum rege Desiderio captis universis
civitatibus Italie et direptis.
784 Karolus magnus ex rege Fraucorum fac-
tu3 est imperator et a Romanis appellatus est
Augustus, qui illos, qui Leonem papam dehone-
stati erant, morte dampnavit , sed precibus pape
morte indulta exilio retrusit. Ipse enim Papa
Leo imperatorem eum cousecravit.
813 Karolus imperator obiit.
Auch an weiteren, zum Verdruß der Wissen-
schaft bisher nur handschriftlich zugänglichen
Beispielen fehlt es nicht. Allein die vorstehenden
genügen schon um das Einströmen karolingischer
Notizen auf einem dritten Wege, im Anschluß
nämlich au die normannische Eroberung zu veran-
schaulichen. Wie spät und iudirect es aber auch
eintritt, wie sehr es auch namentlich für die ka-
rolingische Epoche nach 814 mit der Benutzung
der Chronik des Sigebert zusammenfließt, so wird
es doch überaus interessant dadurch, daß den
Annalisten von Rouen und St. Evroult, welche
die Vermittler mit dem eroberten Inselreiche
wurden, alte, echte , bisher in England unbe-
kannte Substanz zu Gebote stand, die, wie eine
Vergleichung ergibt, bis zu den ehrwürdigen
Annales Sangalleuses Breves aus dem Beginn
1) Im vergangenem Sommer hat sie Herr Dr. Lieber-
mann für die Monumente abgeschrieben.
14
des neunten Jahrhunderts SS. I, 64 zurückreicht.
Aus ihnen aber kommt in Betracht :
752 Pippinus in regem elevatur.
767 Pippinus rex moritur.
771 Karolomannus rex obiit.
772 Karolus rex in Saxoniam.
773 Karolus rex in Italiam.
774 Capta est Italia a Francis et Karolus
rex Romam pervenit.
778 Karolus rex Spaniam ingreditur,
779 Iterum Karolus in Saxonia.
780 Saxonia capta est.
781 Karolus Romara vadit.
786 Iterum Karolus rex ad Romam perrexit,
deinde ad Sancti Beuedicti et ad Capuam. Crucis
in vestibus apparuerunt.
787 Karolus per Alemanniam venit ad fines
Baiowaria.
788 Tassilo venit in Franciam , et Baiowaria
capta est.
789 Karolus rex pergit in Sclavos, qui di-
cuntur Wilzi.
791 Karolus rex Hunorum vastat regnum.
801 Karolus ad imperatorem elevatur ad Roma.
814 Karolus Imperator obiit.
Auch nach den Bindegliedern zwischen diesen
alten alamannischen Aufzeichnungen und dem
Grundstock der Annalen der Normandie, die sich
räumlich über Lothringen und Burguud erstreck-
ten und bald nach Christianisierung der Nord-
männer an der Seine Mündung zur Geltung ge-
kommen zu sein scheinen , braucht man nicht
lange zu suchen. Es sind die Anuales Coloni-
enses von 776 bis 1028 SS. I, 97 und das erste
Stück der Annales S. Benigni Divionensis SS.
V, 38. In beide sind jene kurzen Jahrbücher
von Sangallen eingeflossen , die also in dritter,
15
vierter Descendenz bis ins vierzehnte Jahrhundert
keineswegs zur Unkenntlichkeit verstummelt in
der Annalistik der Engländer fortleben.
Tertullianea.
von
Faul de Lagarde.
TertuUian ist ein schwer zu verstehender
Schriftsteller, da er mitten aus einem reichen
Leben heraus schreibend , die Kenntnis der Zu-
stände seiner Zeit und seiner Provinz voraus-
setzt, da er sich eines Styles bedient, für dessen
Studium wenig Hilfsmittel zur Verfügung stehn,
da endlich die Manuscripte, in welchen uns
seine Werke vorliegen, weder sonderlich gut
noch zahlreich noch auch nur genügend ver-
glichen sind. Grund genug , sogar mir einen
Versuch zu gestatten , ob ich seinem Texte we-
nigstens hier und da helfen kann. Was ich in
den Symmicta 99 ff. geboten, ist nicht viel: dort
101, 1 habe ich perinde schreiben wollen, und
auch vermutlich geschrieben: der Fehler des er-
sten Drucks durfte im zweiten nicht verbessert
werden , und ist in den Nachträgen vergessen
worden. Ich citiere nach der dreibändigen Aus-
gabe Franz Oehlers, nicht daß ich sie irgendwie
für empfehlenswert erachtete (ihre Mängel liegen
80 auf der Hand, daß sogar Leute, welche nicht
besser sind als Oehler, sie haben rügen können),
] sondern weil sie weit verbreitet ist : ihre Seiten-
nnd Zeilenzahlen gebe ich in Klammern nach
der Kapitelnummer. Was ich nicht bespreche
gilt mir darum noch nicht für richtig.
16
'I. De spectaculis.
Die erste Zeile des Buchs de spectaculis läßt
erwarten, daß der Verfasser seine Arbeit in drei
Theile theileu werde : aber die Erwartung wird ge-
täuscht. Nach den einleitenden Worten beschäf-
tigt sich Tertullian mit den opiniones ethnicoruni
über die von ihm zur Behandlung gestellte Frage:
dieser Abschnitt reicht von ad utrumque 1 bis
Ende von Kapitel 2: 3 Anfang läßt Tertullian
merken, daß er ein Neues anhebt. Unterabthei-
lungen bemerke ich drei:
a) nihil obstrepere u. s. w.: 1 (17,9)
b) sunt qui existimant u. s. w. : 1 (18,5)
c) iani vero u. s. w. : 2 (18,14).
Es ergibt sich^ daß 2 (18, 14) für iam vero
nemo est, qui non hoc quoque praetendat geschrie-
ben werden muß iam vero non nemo est, qui
hoc quoque praetendat. In 2 ist außer dem frü-
her von mir gebesserten Oehlers datam 19,11
(die Handschriften tatitam) in trihutam'^ zu än-
dern : licitam wäre ein bequemerer Ausdruck für
den Gegensatz von debitam , allein graphisch
liegt licitam von tantam zu weit ab, wenn
wir nicht die Entstehung des Fehlers erst ins
achte Jahrhundert verlegen wollen, und 29
redet Tertullian selbst von voluptates a deo con-
tributae. Weiter^ muß 19, 19 minus ein e mehr
haben : cminus nosse wird dasselbe sein , was
Tertullian kurz vorher e longinquo nosse genannt
hat: man vergleiche Plinius 11,240 Romae om-
nium gentium bona comminus iudicantur. In
der zweiten Hälfte des Kapitels bemerke man
die drei Glieder vides (20, 7 mit Junius, wo Deh-
ler vis), proinde (20, 11), ipse honio (20, IC), und
in dem dritten dieser drei die Auseiuanderhaltuug
von corpus (20,19) und Spiritus (20, 22).
17
Die eigeutliche Behandlung des Gegenstandes
beginnt mit Kapitel 3.
I. de scripturis audoritas 3 (22, 2):
II. audoritas ipsius signaculi nostri 4 (24, 3):
III. ex abundanti 14 (44, 1).
In Kapitel 3 hat man 23. Ö die Ueberlieferung
cum quid aliter etiam special iter interpretari capU
oder gar ohne aliter. Es muß* natürlich dem
specialiter nicht aliter^ sondern generaliter ge-
genüberstehn. TertuUian schließt, da die Bibel
ganz allgemein concilium impionim u. s. w. ver-
biete, verbiete sie im genus auch die species,
also auch die Theater u. dgl. m. Aus 14 (44,
6 ff.) wird man sich überzeugen, daß die Aende-
ruDg im Sinne Tertullians ist.
Kapitel 4 — 13 verlaufen fünftheilig, und der
Schriftsteller gibt am Ende des vierten Kapitels
seine Disposition selbst an , wie er zu Anfang
des dreizehnten Kapitels unter ausdrücklicher
Aufzählung seiner Leistungen sich über die Durch-
führung seines Planes selbst beglückwünscht.
Das Schema ist, der Reihe nach für ludi, scaC'
nicae res, agones, munera,
origines 4 (24, 14) 5 (25, 6) 10 (36, 8) 11 (40, 6)
12(41,11) 13(43,1)
tituli 4 (25, 1) 6 (28, 10) 10 (36, 9) 11 (40, 8)
12(41,17) 13(43,1)
apparatus 4(25,2)7(29,11) 10(36,11)11(40,11)
12(42,V2) 13(43,V2)
loca 4 (25, 2) 8 (31, 3) 10 (37, 4) 11 (40,13)
12(42,6) 13(43,2)
artes 4 (25, 3) 9 (34, 5) 10 (39, 4) 1 1 (40, 1 7)
12(42,9) 13(43,2).
Wenn man die Behandlung der einzelnen
Theile miteinander vergleicht, ergibt sich, daß
zu Anfang des fünften Kapitels, wo jetzt Reif-
ferscheid aus dem Agobardinus eine Lücke meldet,
2
18
die Anfangsperiode des ersten Abschnitts , das
heißt nicht eine Rubrik , sondern ein Satz des
Schlages fehlt, wie der Kapitel 6 eröffnende : es ist
mithin^ zu Anfang von Kapitel 5 eine Zeile Punkte
in den Text zu setzen. Weiter ergibt sich, daß
in Kapitel 13 (43, 2) Franz du Jon und La Gerda
das sacrificiis der Ueberlieferung mit gutem
Grunde in artificiis verändert haben: nur eine
knabenhafte Gedankenlosigkeit vermag sacrificiis
an dieser Stelle im Texte zu lassen. 8 (31, 15)
ist parent zu Roensch Itala und Vulgata^ 374
nachzutragen. 16 (46,13) zweifle ich an der Rich-
tigkeit des überlieferten gula und fi^ura: das
weiße Tuch, mit welchem der Praetor das Zei-
chen zum Anfange der Spiele gab, konnte man
doch kaum Kehle oder gar Figur des Teufels
nennen : ich neme ti von praecipitati zu gula
hinzu, und schreibe^ diaboli ab alto praecipitati
ligula: der Satan züngelt nach den Seelen der
Besucher des Circus. Ebenda (47, 2) ist'' hinter
onaledicta das Zeichen der Lücke zu setzen: da
die parallelen Wörter convicia und suffragia die
Zusätze sine iustitia odii und sine merito amoris
bei sich füren, wird auch maledicta ein derartiges
sine gehabt haben. Kläglich ist es , wenn Ri-
galt 17 (48, 12) ertihescant wünscht und druckt,
wo erubescunt das allein richtige ist : Senat und
alle Stände mögen roth werden, da sogar die
meretriccs wirklich roth werden. 27 (59, 21)
muß es für proinde natürlich^ ^)m«(?c heißen :
was Geßner im thesaurus IV 1106 gibt, kenne
ich : aber da die je erste Sylbe von proinde und
perinde in den Handschriften durch ein ver-
schieden gehaktes^) ausgedrückt wird, halte ich
bis auf weiteres au allen Stelleu , in denen ^>ro-
inde in der Bedeutung von petitide vorkommt,
einen Lesefehler für wahrscheinlich.
Leber eine Classe von Dif f e renzial-
gleichungen, welche durch Abelsche
oder elliptische Functionen iutegrir-
bar sind.
Von
L. Fuchs in Heidelberg.
Die Differenzialgleichung
A) -— = [n(n-f- l) k* sin* atn X -]-h]y
durch welche bekanntlich die Lameschen Fnnc-
tiouen definirt werden, ist nach Lame insbeson-
dere von Herrn Heine zum Gegenstande ein-
gehender Untersuchungen gemacht worden.
Während man sich jedoch bis dahin darauf be-
schränkte, nur solche Werthe von h in Betracht
zu ziehen, für welche die Differenzialgleichung
durch doppeltperiodische Functionen integrirbar
ist, hat in neuerer Zeit Herr Hermite es unter-
nommen , dieselbe Differenzialgleichung für be-
liebige Werthe von h zu integriren (sur quelques
applications des fonctions elliptiqaes in den
Comptes Rendus de lacademie des scieuces de
Paris 15. Octobre 1877, sqq.). Unter diesen
Umständen scheint es nicht ohne Interesse,
auf eine Classe von linearen DiSerenzialgleichun-
gen zweiter Ordnung hinzuweisen , welche ich
in meiner Arbeit (Borchardt's Journal Band
81 p. 116—118 Nr. 13) durch Abelsche oder
elliptische Funktionen integrirt habe, und wo-
von nicht nur die Lamesche Differenzialglei-
chung (A), sondern auch diejenigen Difierenzial-
gleichungen, welche Herr Heine (Borchardts Jour-
2*
20
nal Band 60 p. 252) den Lameschen Functionen
höherer Ordnung zu Grunde gelegt hat, beson-
dere Fälle sind.
1.
Wir resumiren zuerst die Resultate der Nr. 13,
p. 116 — 118 meiner Arbeit in Borehardt's Jour-
nal B, 81.
Die nothwendige und hinreichende Bedingung
dafür, daß eine Differenzialgleichung:
ein Integral der Form
1) y = (p(^f e 4:)<f>{z)
habe, wo (f{^y eine rationale Function von
ß und k eine Constante, ist die, daß P die Form
habe :
1) Ist X von Null verschieden, so hat Gl. (B)
das Fundamentalsystem von Integralen : _
.V~~icJl. ,-^IIfA i
2) Ist /l = 0, so sind
E) 2/, = y(^)*, 2/2 = y(^)*J-(^) ^
ein Fuudamentalsystem.
21
Für die Werthe von z^ für welche (p[z\ nn-
endlich wird, ist P ebenfalls unendlich, für die
Nullwerthe h von if{z), dagegen ist P nur dann
nicht unendlich, wenn
F) if'hY = - ;i, wo y'(ir) = ^^^^^
2.
Wir betrachten nunmehr den speciellen Fall :
G) P(^)^^H-li2'(^)|* + ^(^).„ = 0,
wo B.{z\ H{z) ganze rationale Functionen resp.
vom Grade m und m— 2 sind und It'(z) = — ,
dz
und außerdem P(^) nur ungleiche Lienarfacto-
reu hat.
Wendet man die Substitution
1) u = Ii{z) '.y (s. meine oben citirte Ab-
handlung p. 102) an, setzt
2) <f = G.R^
und berücksichtigt, daß die zu den singulären
Punkten der Gleicliuug G) gehörigen deteruiini-
renden Fundamentalgleichungen die Wurzeln 0, \
haben, so folgt aus Nr. 1, daß die Gleichung
G^)dann und nur dann ein Integral der Form
y—xtJL^
3) u = G^e V^VR
hat, wenn G eine ganze rationale Function ist
I
24
chungen J) noch eine Gleichung hinzu, welche
ausdrückt, daß G{0) durch einen quadratischen
Factor theilbar wird. Oder man substituire nach
Nr. 2 in Gleichung G)
VG = (c'o + c\^+..-\-&^^)y-R[{^)
wo i?j(^) eine ganze rationale Function vten
Grades , welche nur für die Wurzeln der Glei-
chung JR(^) = 0 und für diese nur erster
Ordnung verschwindet, und stelle die Bediugungs-
gleichungen für die Coefficienten c'q, c', , . , c' ,
J.Q, J.J . . Ä^^^_2 auf. Nach der einen oder der
anderen Methode ergiebt sich eine algebraische
Gleichung für den im allgemeinen Falle will-
kürlich verbleibenden Coefficienten Aq.
4.
Ist G(z) durch keinen quadratischen Factor
theilbar, und für die Wurzeln der Gleichung
B{^) = 0 von Null verschieden , so ist nach
Nr. 2 X von Null verschieden , und man erhält
als Fundamentalsystem von Integralen der Glei-
chung G)
r ^^3 . dz
K) w =G^e 3 gVr , u^G-'e ^Wr'
1 u
Bezeichnen wir mit ftj, &2» • • ^2« ^^® Wurzeln
der Gleichung G{z) = 0 und setzen
1)
G^'(6.)Fi2(6^ = *.l/-A, I
25
. dz
so ist nach Nr. 2 « = 4- 1 uud i ]/ — X \ —
ein Abelches Integral dritter Gattung uud für
z = b^ unendlich wie \s- log {z — b^). Durch
Einführung der A heischen Functionen lassen sich
daher yi, yi durch Thetafunctioiien mit q Ar-
gumenten darstellen, wenn m = 2 q -\- 1 oder
2^4-2 ist.
Indem wir uns die Ausführung dieser Rech-
nung, so wie die eingehendere Untersuchung^ des
Falles A = 0, welcher sich auf die von Herrn
Heine den Lameschen Functionen höherer Ord-
nung zu Grunde gelegten Differenzialgleichungen
bezieht, vorbehalten, beschränken wir uns gegen-
wärtig auf den specielleu Fall der Lameschen
Differenzialgleichung.
5.
Transformirt man die Gleichung A) durch
die Substitution
dz
1) - = l/i2(4 B{z) = (1— ^^,(l-x«^*),
80 erhält man als besonderen Fall der Glei-
chung G)
Cr') R{z)^^ + iR{z)~-[n[n -|- l]u^z' + ä]u = 0.
Für diesen Fall genügt der Gleichung H)
für jeden Werth von h eine ganze rationale
Function von z, G{z) , 2wten Grades, der Form
2) G(^) = Co + Ci^2_^C2^* + .. + C„
z'\
24
chungen J) noch eine Gleichung hinzu , welche
ausdrückt, daß G{^) durch einen quadratischen
Factor theilbar wird. Oder man substituire nach
Nr. 2 in Gleichung G)
VG = (c'o + c\^+,. + c^^zf')yE^{,)
wo ^j(^) eine ganze rationale Function »'ten
Grades , welche nur für die Wurzeln der Glei-
chung R{^) = 0 und für diese nur erster
Ordnung verschwindet, und stelle die Bedingungs-
gleichungen für die Coefficienten c'q, c',, . . c' ,
-4q, J-j . . Ä^^_2 auf. Nach der einen oder der
anderen Methode ergiebt sich eine algebraische
Gleichung für den im allgemeinen Falle will-
kürlich verbleibenden Coefficienten Aq.
4.
Ist G(^) durch keinen quadratischen Factor
theilbar, und für die Wurzeln der Gleichung
Ii{s) = 0 von Null verschieden , so ist nach
Nr. 2 X von Null verschieden, und man erhält
als Fundamentalsystem von Integralen der Glei-
chung G)
K) w =ö^e 3 gVr , w =G'e yWR\
1 a
Bezeichnen wir mit 6 p h^-, ■ ■ h^^^ die Wurzeh
der Gleichung G{s) = 0 und setzen
1) G\h.)VB^) = e.y-=rx,
25
ds
so ist nach Nr. 2 « = + 1 uud AI/ — X\ —
ein Abelches Integral dritter Gattung uud für
2 = b^ unendlich wie \s- log (z—h). Durch
Einführung der Abelschen Functionen lassen sich
daher f/i, 1/2 durch Thetafuuctionen mit q Ar-
gumenten darstellen, wenn m = 2 q -\- 1 oder
2q -\- 2 ist.
Indem wir uns die Ausführung dieser Rech-
nung, so wie die eingehendere Untersuchunj^ des
Falles A = 0, welcher sich auf die von Herrn
Heine den Lameschen Functionen höherer Ord-
nung zu Grunde gelegten Differenzialgleicliuiigen
bezieht, vorbehalten, beschränken wir uns gegen-
wärtig auf den speciellen Fall der Lameschen
Differenzialgleichung.
5.
Transformirt man die Gleichung A) durch
die Substitution
de
1) - = yR(e\ R{z) = [\-z',[l-x''z%
so erhält man als besonderen Fall der Glei-
chung G)
&) R{z)^, + ^R'{,)~-[n[n -f 1)« V -f h]u = 0.
Für diesen Fall genügt der Gleichung H)
für jeden Werth von h eine ganze rationale
Function von ^, 6r(^) , 2wten Grades, der Form
2) (?(^) = Co + Ci/ + C2/ + .. + C„^
.2«
26
Das System der Gleichungen J) reducirt sich
nämlich in diesem Falle auf die n folgenden:
JO (2Z + 4)(2Z + 3)(2Z + 2)c^^2-
{ß + 2) [(4?^ -f- 8Z + 4) (x2 + 1) + 4Ä] c^^i
+ (2? + l)(2?— 2w)(2?+2w+2)x«c^ =^ 0
für Z = 0, 1, 2, . . ., n — 1, während die An-
zahl der Unbekannten Cn^ Cj, ^2, . . c gleich
w + 1.
Setzen wir
4) z = sin am a;, h^ = sin aw? /S^-,
und drücken das Integral dritter Gattung
. dz
Äl/r— AI — durch Thetafunktionen aus, so
erhält man unter Berücksichtigung der Glei-
chung 1) Nr. 4 nach Gleichung K) das folgende
Fundamentalsystem der Gleichung A)
yx =
p=l " 0(.r)"
1=1 e{xf
27
6.
Eine Ausnahme tritt nach Nr. 2 dann und
nur dann ein, wenn die Gleichung G') ein
Integral von einer der Formen
besitzt, worin F^g eine ganze rationale Function
von ^r vom Grade n — a — ß bedeutet.
Setzen wir
SO liefert die Substitution der Functionen a) in
die Gleichung G') zur Bestimmung der Größen
Cq, Cj, Co, . . c _„_ß das System von Glei-
chungen
+ x« (Z4-«^-/J+w-l) (/-f a+/S-«-2) r^_2 = 0
für 7 = 0, 1, 2, . . . n—a—ß-\-2
worin a, ß resp. durch die Combinationen 0, 0 ;
1, 0; 0, 1; 1, 1 zu ersetzen sind. Je nachdem
n — a—ß gerade oder ungerade, kann man die
Coefficienten von c mit ungeradem oder geradem
Index gleich Null wählen , und es verbleiben
zur Bestimmung der übrigen \- 1, resp.
H ^ R I \
Größen c ebenso viele Gleichungen.
Setzt man die Derminante derselben gleich Null,
28
so erhält mau eine algebraische Gleichung für h
M) iP{h) = 0,
welche im Wesentlichen mit derjenigen über-
einstimmt, welche Lame und Herr Heine als
Bedingung für die Existenz ganzer Lösungen
der Lameschen Differenzialgleichung aufgestellt
haben.
Es sei
0 . . . {e'-h^')
2
1)
n — a—ß =
so ist
2) F.-
= i,^-b^'x,^-b^
oder
2a) F^ß = ^(^^-b^'){0'-b.^')...{^'-^h^ 1^),
~2"
je nachdem fi gerade oder ungerade ist, worin
die Größen h- von den Wnrzein der Gleichung
JR(^) = 0 verschieden sind.
Reducirt man das Integral \ _ auf die
Normalform, was am zweckmäßigsten durch das
bekannte Verfahren des Herrn Weierstraß ge-
schieht (s. meine Arbeit B. 71 des Borchardt-
schen Journals Nr. 9), so ergiebt sich unter
Berücksichtigung der Gleichuug : 7?(& .)/'"(?>.) -j-
h ^V^i)faß('^i) = 0' ^^^ die Integrale dritter
Gattung herausfallen (vergl. Heine Handb. der
Kugelf unctionen p. 241).
Setzen wir nach geschehener Reduction
29
z ■=■ %\Viamx^ h- = siu «»</?.,
so ergeben die Gleichungen E), Gl. 1 in Nr. 2
das folgende Fnndamentalsystem von Integralen
der Gleichung A)
f^l = faß =
M—t
(cosama:)''(^/am:rf(sinamj-)* /7 ^ ' ^^'
r^[(rf-r^)x 4- |/ «/i> log H{x+ßi) B{x-ß,l
— sD\ogH{x) + arDhgHiix) -f /?di)log0i(a:)]
wo « = 0 oder 1 , je nachdem /t* gerade oder
ungerade,
^'«VO' .^.(1)^..([)
1 2
T/7r;^'* = 2 ^/Ca/-« + ay + /J<J
^(%/(^/) 1
30
Mau hat für a, ß die CombiDationen 0, 0 ;
1, 0 ; 0, 1 ; 1, 1 zu setzen. Natürlicli ist die letzte
nur für « > 2 möglich:
Ist z. B. w = 1,
so ergeben die Gl. I')
Giß) = sin^ am a — ^^
wenn man mit Herrn Hermite
h = — 1 — x^ -}- x^sin^ awa
setzt. Die Gleichungen K') werden:
Q'(a) „. , . 0'(a) TT/ \
^' ^ ' Q{x) '^^ 0{x)
Nach Gleichung L) ist
1) für « = 0, ß = 0, die Gl. M) h =— 1— x«
f, = 1,6 = h foo = Kö = ^. die Gl. N):
2/1 = sin aw ä;, 2/2 = sin am a; f- x — JD log J?(a;)
2) für a == 1, /? = 0 die Gl. ilf) : Ä = — 1,
1 x" 1
Die Gl. N):
31
1 rJ—Kx
cos am X
x"
,'»
3) a = 0, ß = h die Gl. (M) Ä = — x«, /t* = 0,
* = 0, d = l,a,=^^x,%= ^,. Die Gl. (N):
t/1 =; ^a7?jj;,ya= — j^a»u:l — ^-a;i-2)log0i(j;)j,
Resultate, welche mit denen des Herrn Hermite
1. c. p. 826 übereinstimmen.
Während für ein willkürliches h die Glei-
chung Ä] durch ein Fundamentalsystem von
Integralen K') befriedigt wird , deren logarith-
mische Ableitung doppelt periodisch ist, fiudet
dieses für diejenigen besonderen Werthe von
Ä, für welche die Gleichung G') durch eine
Function der Form f^ßi'^) befriedigt wird,
nicht mehr statt, wie die Gl. N) zeigen. Man
kann dieses aber auch a priori ohne Zuhülfe-
nahme der Integrale N) erkennen. Es sei näm-
c ^^
lieh «1 = /" „ (^), so kann zunächst Ui = wiV ^ ,_
nicht algebraisch sein. Denn da die zu den
siugulären Punkten der Gleichung G') gehörigen
determinireudeu Fundamentalgleichungen die
Wurzeln 0, ^ haben, so würde sich ein Inte-
gral 2(2 ergeben der Form «2 = /„'a (-S")» (s. meine
Abh. B. C6 des Borchardtscheu Journals Nr. 6
II), worin die Combination a ß' von der Com-
bination a ß verschieden wäre. Dieses ist aber
nicht möglich, denn da die zum Punkte 2- = CQ
32
gehörige determiuireiide Fnndainentalgleichuiig
der Gleichung G') die Wurzeln — n und n-\-l
hat, und Z'^«, f^,^, beide für ^ = CO unendlich nter
Ordnung werden, so müßte f^,oi = Const. / ^ sein.
Es seien nunmehr a a' zwei beliebige sin-
gulare Punkte der Gleichung G'), so gehört
Wi = f^^J<ß) ziu einer der Wurzeln 0, ^ der zu
a gehörigen determinirenden Fundamentalglei-
chung, und es gehöre ein Integral ui resp. zu
\ oder 0. Ferner sei lyi, 1^2 ein zu 0, ^ resp.
gehöriges auf a' bezügliches Fundamentalsystem,
so ist
Wl = Cll tlX -j- C12 ^2, W2 = C2I 171 -f- C22 1^2, ^
wo entweder cii = 0 oder C12 = 0, weil mi =
f Jz). Es sind aber wenigstens für irgend ein
a' die Größen C21, (^22 von Null verschieden, weil
W2 nicht algebraisch ist. Nach eine-m Umlaufe
um a und a' gehen ui^ 11% resp. über in
CixCii-\-cnCn 2ciiCi2W2 ^cndtüi C2iCu-\-CiiC2i
- .wi - — ^ , -^^- I - .
wo z/ = fii C22 — C12C21 von Null verschieden
ist. Da C21, C22 nicht verschwinden , so ist M2
nicht in sich selbst multiplicirt mit einer Con- j
stauten übergegangen, oder, was auf dasselbe
hinaus kommt, es ist, wenn man W2 = f{x)
setzt, D \ogf{x) nicht periodisch, da ein Umlauf
von z um zwei singulare Punkte der Gl. G')
einer Vermehrung von x um eine der Perioden
gleichkommt.
Heidelberg 15. December 1877.
33
üeber die Verwandtschaft und syste-
matische Bedeutung von Ceroxylon
Andicola.
Von
Dr. Oscar Drude.
Wie ich in meiner letzten Mittheilang über
Carludovica eine weit verbreitete und auffallende
Pflanzengattung des tropischen Amerikas behan-
delte , welche trotzdem in Bau und Verwandt-
schaft sehr unklar geblieben war, so möchte ich
jetzt eine noch viel berühmtere Palme der bota-
nischen Analyse unterwerten, die, in denselben
Ländern wachsend, durch ihre äußere Erschei-
nung und Lebensbedingungen seit lange die Auf-
merksamkeit auf sich gelenkt hat, ohne daß bis-
her ihr Charakter und ihre Bedeutung für das
natürliche Palmensystem bekannt geworden wäre.
Ceroxylon Andicola eröffnet in den >Plantae
I aequinoctialesc die Reihe neuer Pflanzen, welche
j Humboldt uud Bonpland als Früchte ihrer Reise
1 publicirten ; sie hatten diese bis zu öO"' hohe
! Palme, deren mit dicker Wachsschicht bedeckter
I Stamm eine Krone von nur zehn (5 — 7™ langen
i Fiederblättern trägt, in einer Höhe von 1750 —
i 2800™ auf den Anden Neu-Granadas gesammelt,
] nur 800"° unter jenem Niveau, in welchem schon
I Schneefälle den Boden bedecken ; ihrer Beschrei-
1 bung und Abbildung verdankt man bisher Alles,
was man über diese Palme wußte. Sie wurde
;, demgemäß Iriartea beigesellt; aber gerade diese
' Stellung machte eine erneute Prüfung sehr wün-
i schenswerth, weil die Tribus der Iriarteen einen
i vortrefflichen vegetativen Charakter in den brei-
ten strahlig - nervigen Blattsegmenten besitzt,
während dieselben bei Ceroxylon von einem star-
34
len FiedTrpalmeu uur in de. Arecmeen »nd den
,och zweifelhaft; Humboldt ""* B°¥^"\^;,.
schreiben sie als P°lyg^»'^'''^ ",the nnd hemä-
ben nur weibliche, andere ".^'?°>"^'''* "°^,^:™ h
phroditisch blühende, aber mcht ™>^F™;'^' ;^*
■ '^entwickelnde Blüthen e--«- ^ » ' ^Xhe
Geschlechtstheiles an je ^"^\^;,^^^^^Vrrthum der
ans der Thatsacbe hervor , dali rtiebemen ^
aus aer |" Kuuthia die manuhcbeii Blu-
r nd'w t «n ern^:der e.^fernt^.ehe^, ^o
ännert die I"flo--n. selbs^ .„nacM an d,e
Hyophorbe.n »-' .-'^^^^ nl &en Areci-
der ''««'«>S^'lt"|ufthe„ daliegen stimmen mit
r" rattut so s'hriiber°ei,Tals mitWettin.a,
keiner faattung so m-i" ,, . u„„„e„ Spruce's
welche wir nach den V-^l^f2^ZJ\e Iri-
[Jonrn. Lmn. Soc. l, P;^ •'^„„uehen Blüther
artee kennen-, "" '»' ";^^,'; It» wohl bewahr
Td erJÄsÄXent entwickelt, dage
35
gen hat auch diese Palme in den weiblichen
Blüthen den aoffaileuden Charakter, von den
drei Ovarien nur eins zu entwickeln, so daß
dieses eine fruchtbare einen langen Stylus mit
drei ausgebreiteten Stigmen seitlich trägt und
von den beiden abortirenden Ovarien schon zur
Blüthezeit nur die verkümmerten, knopfartigen
Reste an seiner Basis aufweist. Dennoch wächst
wiederum eine der Wettinia sehr unähnliche
Frucht aus diesem Ovarium heran : eine blau-
schwarze Beere . deren kugiiger Samen mit sei-
nen zarten Rapheästen und basilarem Embryo
ebenso gut mit Arecineen und Hyophorbeen als
mit Iriarteeu verglichen werden kann.
Wie stark daher nun die wichtigsten Merk-
male, deren man sich bei der Bestimmung der
Palmeutribus bedienen muß , in unserer Gattung
schwanken, mag aus folgender Zusammenstellung
hervorgehen:
Habitus der ausgewachsenen Pflanze : soll im
Gesamratansehen hohen Iriarteeu ähnlich sein ;
Blatt: sehr ähnlich den Cocoineen.
Form und Nervatur der Segmente: Cocoineen,
weniger Arecineen und Hyophorbeen.
Blüthenscheide : Cocoineen.
Kolbenverzweigung : Arecineen und Hyophor-
been.
Geschlechtsvertheilung : Hyophorbeen. außerdem
Wettinia unter den Iriarteeu und Attalea nebst
Orbignia unter den Cocoineen.
Blüthenstellung: Hyophorbeen.
Blöthenbau: Wettinia auter den Iriarteen ; Ent-
wicklung des Ovarium zugleich Geonoma ver-
wandt.
Frucht : Geonomeeu, Hyophorbeen und Iriarteen.
Samen: Arecineen und Hyophorbeen [Kunthia],
dann Geouomeen und Iriarteen.
36
Die verwandtschaftlichen Beziehungen erstre-
cken sich daher über fünf Tribus und da sie
ilsehr die Wage halten, so -r^e -^^^^^
die Stellung von Ceroxylon sehr zweifelhaft blei-
ben müssen, wenn nicht einige verwand eAHen,
deren interessanter Bau bisher gleichfalls unbe-
kannt war oder unbeachtet blieb, zur Losung
der gestellten Frage beitragen konnten.
In den Hochgebirgen von Venezue a und
Neu-Gi-anada sammelte Karsten ^^«^^ Arten von
Wachspalmen, ohne die Hum^^l^ttn ef bt
species wiederum beobachtet zu haben er be
;?SltlxYni ; 251] we.ce.be. sowohl
Ion Martins [Bist. nat. Palm. III. p. 3'*1 *'^
IZ Wendlaali in dessen b't.sch» Bemerknngen
flher Ceroxvlon [Bonplandia VIII p. b^J "'cnt
anerkannt inrde da in der That nnter den von
Karsten anf^stellten Charakteren nnr die große
Z^h ™n Bffithenscheiden erheblich von Ceroxy-
Ion abwich. Erst jetzt bei sorgfältiger Blnthen-
nntetsnchunc bin ich znr Kenntniß der wahren
Unterschiede" gelangt, welche die Seite and.gke,
der Gattung Klopstockia beweisen; die torolle
der mtanlifhen Blüthen bildet '»letzterer einen
kurzen Tubns nnd ist mit dem Androecenm anf
Shümiiche Art ^^^'^^^riJ:::,:^.
SreTd^'^nreie^sLtalkre. dedonbl^^^^^^
„„d sechs Filamente P-™-\ ^j-^pS^rnfg^^^
rnTeret^v«:: el- tn^e" weiblicLn Blüthen
aber bildet das sterile Androecenm einen strah-
Wn Kranz mit sehr rudimentären Antheren,
E-b wie bei Iriartea pubescens Karst., wel-
che von wid [1. c. l 104] zu der Gattung
37
Catoblastus sehr richtig erhoben ist und ohne
Zweifel der anomalen Wettinia sehr nahe kommt;
das Gynaeceum endlich besteht hier aus drei
syncarpen Ovarien , von denen nicht nur jedes
ein Ei enthält sondern dasselbe sogar zum Sa-
men entwickeln kann, da ausnahmsweise Früchte
aus je drei apocarpen Beeren gebildet beobachtet
sind. Diese Unterschiede , welche zur Aufrecht-
haltnng der Gattung Klopstockia zwingen, ver-
mehren zugleich für das verwandte Ceroxylon
die Verwandtschaft mit den Palmentribus, deren
Scheidenzahl eine größere ist, also mit den
Hyophorbeen und Iriarteen, und zeigen, daß sich
in Bezug auf den Fruchtkuotenbau Ceroxylon zu
Klopstockia verhält, wie Wettinia zu Catoblastus
und Iriartea. Die Scheiden werden von Karsten
sehr zahlreich angegeben und die fünf oberen
vollständigen sollen nach einander abfallen : die-
ser Charakter scheint zu schwanken , da Engel
[Linnaea v. XXXIII. p. 673] einige Species ge-
funden hat , welche nur drei Scheiden besitzen ;
zwei Scheiden schreibt derselbe einer neuen
Wachspalme aus Neu-Granada zu, auf welche er
die ungenügend charakterisirte Gattung Beetho-
venia stützt, welche bei genauerer Prüfung viel-
leicht eine innige Verwandtschaft zu Klopstockia
zeigen dürfte, wenn nicht gar mit letzterer zu-
sammenfällt.
Noch eine letzte Palme bleibt aber zu unter-
suchen übrig: die »Chonta« der Insel Juan Fer-
nandez, von Bertero entdeckt, von Philippi für
eine Morenia (also eine Hyophorbee) gehalten,
Ton Martins dagegen als Ceroxylon anstrale zu
unserer Gattung gebracht, deren Blüthenbau bis-
her gleichfalls völlig unbekannt war und in Be-
zug auf die männlichen Blütheu auch noch fer-
BereH Untersuchungen überlassen bleibt.
38
Die weiblichen Blüthen allein zeigen aber
schon eine so große Verschiedenheit von Ce-
roxylon , dass an der Selbständigkeit der Juan
Fernandez-Palme auch nicht der geringste Zwei-
fel bleiben kann; das aus breit sich deckenden
eirunden Sepaleu und Fetalen gebildete Perian-
thium schließt an Stelle der vielstrahligen An-
dröceumscheibe von Ceroxylon und Klopstockia
nur sechs sehr zarte , einzeln inserirte Stamino-
dien ein, welche sich fast der Beobachtung ent-
ziehen, und wird von einem langcylindrischen
Gynäceura überragt, dessen abgerundeten Gipfel
drei sitzende Stigmen krönen ; die Blüthe hat
somit das Ansehen einer Hyophorbee, und that-
sächlich fanden sich im Innern der drei innig
syncarpen Ovarien drei an der Mittelaxe inserirte
hemitrope Samenknospen [wie bei Chamaedorea] ;
da Philippi nur durch habituelle Rücksichten
bewogen diese Palme zu Morenia brachte, so läßt
sich erwarten, daß der Habitus gleichfalls den
Hyophorbeen entspricht, doch zeigten mir junge
Samenpflanzen in Kew noch mehr Aehnlichkeit
mit Cocoineen, denen ja auch Ceroxylon, ihre
nächste Verwandte , so sehr gleicht. Jedenfalls
muß aber diese Palme eine eigene Gattung bil-
den, welche ich nach ihrem Wohnorte Juania
benenne ; sie bewohnt hier die feuchten Berg-
wälder bis zu beträchtlicher Höhe und vervoll-
ständigt den pflanzengeographischen Charakter
des kleinen Eilandes, indem sie seinen vier en-
demischen Gattungen eine fünfte hinzufügt. Auf
der gegenüberliegenden Küste von Chile bildet
eine Cocoiuee (Jubaea) die Südgrenze der Pal-
menverbreitung, und 80 zeigt sich auch hier die
Selbständigkeit des Inselgebietes in hervorragen-
der Weise durch die Palmen bestätigt, ähnlich,
wie die Gattung Grisebachia <lie Selbständigkeit
39
der Flora der Lord Howe's Inseln Australiens
Küste gegenüber bekräftigt ; die Palmen haben
bei ihrer in engen Grenzen gezogenen Verbrei-
tung viele Eudemismen geliefert.
Es mögen hier nun die Blüthencharaktere
der drei besprochenen Gattungen folgen:
Ceroxylon. »Spatha 1 completa in ventre
aperta demum caduca«. Fl. d: Petala usque ad
basin fere libera disco androecei aequali con-
juncta, aequilonga; stamina 12 (raro plures) in
discum basalem centrum floris occnpantem nn-
dique filamenta exserentem connata ; germinis
rudimentum breve trifidum. Fl. i : Calyx bre-
vissimus; petala inaequilonga brevissime imbri-
cata anguste-lanceolata. tertium ab axi remotum
l)nge euspidatum; androeceum corollä brevius
f stiiminodiis 12 antheras effoetas gerentibus in
patellam radiatam germinis basin cingentem
connatum ; germen corollä brevius globosum;
Stylus longus in stigniata tria excurrens ovario
fertili lateraliter insertus. ovariis duobus steri-
libus minutis appendiculatus.
Spec. 1 ; Ecuador, Nova Granata, Venezuela.
Klopstockia. »Spathae 3-3C , inferiores incom-
pletae , superiores inflorescentiam includentes in
ventre dehisceutes deuium deciduaec Fl. 5:
Petala in tubum brevem ad basiu connata inae-
quilonga cuspidata; stamina 9 vel 12, tria cum
petalis alteruantia libera, reliqua 6 vel 9 binatim
vel ternatim petalis opposita iisque alte adnata ;
I germinis rudimentum breve trifidum. Fl. q :
I Calyx brevissimus ; petala inaequilonga e tubo
' basali brevi acumiuato-lanceolata, tertium ab axi
i remotum Jongius; audroeceum corollä multo bre-
i vius e stamiuodiis 9 — 12 antheras miuutas ge-
j rentibus in patellam germinis basin cingentem
I connatum ; germen globosum corollä dimidio
40
brevius ex ovariis tribus syncarpis trilobum in
centro depresso stigmatibus tribus sessilibus co-
ronatum, ovario solitario plerumque majore in
fructum apocarpum excrescente.
Spec. 7 ; Nova Granata, Venezuela.
Juania. »Spatha 1 aut 2, utraque completa».
Fl d : — Fl. Q. : Calyx garaosepalus tripartitus corol-
lam dimidiam aequaus; petala e basi brevissime
sympetalä augustata eordato-ovata acuta late im-
bricata ; staminodia 6 vel pauciora tenerrima pe-
talis 3 — 4plo breviora distincta corollae tubo
inserta; germen cylindricum e corollä longe ex-
sertum in apice rotundato stigmatibus tribus
crassis reflexis coronatum triloculare, loculis an-
gustiis aequalibus Ovulum axi iusertum foventibus.
Spec. 1 ; Juan Fernandez.
Wir haben nun durch Hinzuziehung der bei-
den Verwandten von Ceroxylon den Vortheil
gewonnen , die systematische Stellung derselben
leichter feststellen zu köuuen: Klopstockia reiht
sich den Iriarteen leichter an als irgend einer
anderen Tribus, wenngleich als anomale Gattung;
Juania dagegen kann nur mit den Hyophorbeen
verbunden werden, und bis auf genauere Kennt-
niß von ihr entspricht einstweilen nur ihre ge-
ringe Scheidenzahl nicht den Charakteren dieser
Tribus; Ceroxylon selbst steht zwischen beiden
Gattungen, die beiden ohne dies sehr nahe ver-
wandten Tribus verbindend, so daß wir folgende
Reihe als natürliche Verwandschafts kette anneh-
men können : Moreuia ■ — Kunthia — Juania —
Ceroxylon — Klopstockia — Wettinia — Ca-
toblastus. Ceroxylon selbst müßte nach der von
Herrii Hofrath Grisebach vorgeschlagenen Be-
zeichnungsweise in folgender Weise gestellt werden :
r\ 1 jHyophorbeae.
Ceroxylon i^/^eae.
41
Es darf aber nicht uuberücksichtigt bleiben,
daß Ceroxylon und seine nächsten Verwandten
nicht so einfache Mittelstellungen zeigen, wie
wir sie sonst bei verbindenden Gliedern zu sehen
gewohnt sind , sondern wichtige Beziehungen zu
einer Reihe von Tribus außerdem besitzen. Alle
genannten fünf Tribus, denen ich als sechste
die bisher unerwähnt gebliebenen Caryotineen
Ostindiens hinzufügen will, zeigen nun in allen
Organen so viel Aehnlichkeit und Gleichheit der
Charaktere, daß mir die Nothwendigkeit einleuch-
tete, dieselben in eine engere Beziehung den
übrigen Palnientribus gegenüber zu bringen.
Unter letzteren sind die verwandtschaftlichen
Beziehungen viel leichter zu erkennen und durch
Martins schon vortreflFlich verwerthet, der die
drei Gruppen Lepidocaryinae, Borassinae flabelli-
frondes und Coryphinae daraus bildete, die ich
in meinem Palmensystem als drei Unterordnun-
gen mit zusammen sechs Tribus adoptirt habe;
die vierte Unterordnung nun kann ich mit kei-
ner passenderen Gattung als mit Ceroxylon be-
zeichnen, da sie von den vielen in ihr zusam-
mengefaßten Tribus viele Charaktere gemein-
schaftlich besitzt; ich bemerke, daß die Bildung
dieser großen Gruppe Ceroxylinae, deren viel-
seitigste Begründung mir lange klar geworden
war, ehe ich den Bau von Ceroxylon selbst ken-
nen gelernt hatte , das Palmensystem natürlich
zu machen bestimmt ist und den wichtigsten
Unterschied meiner Anordnung der Palmentribus
gegenüber der von Martins gewählten ausmacht,
der nach seinem eigenen Ausspruch in diesen
Studien nicht zu Ende gelaugt war.
Die Eigenthümlichkeit von Ceroxylon, durch
die Vielseitigkeit seiner Beziehungen als Reprä-
sentant einer großen Gruppe dienen zu ködnen,
4
42
maclit aber diese Gattung interessant für allge-
meine Probleme der natürlichen Systematik; denn
man hat hier ein klares Beispiel vor Augen, wie
eine Pflanze , welche sich nur schwer in nähere
Beziehung zu einer scharf präcisirten Gruppe
bringen läßt, durch seine Abweichungen eine
größere Zahl von verwandten Gruppen gleich-
mäßig berührt; vermuthlich werden sich manche
schwer zu erklärende Pflanzen besser unterbrin-
gen lassen , wenn man sich nicht nur bemüht,
sie in eine Zwischenstelluog zu bringen, sondern
wenn man zugleich die sich ergebenden Abwei-
chungen als auf einen größeren Verwaudtschafts-
kreis hinzeigend betrachtet, dessen Charaktere
die abweichende Pflanze in bunter Auswahl zur
Schau trägt. —
Verbesserungen
in der letzten Nummer des vorigen Jahrganges
der Nachrichten.
S. 764 Zeile 4 v. o. statt Clariaut lies Clairaut
Teil » 5 V. o. » ^if^o » -^Tf^jss
— » 8 V. o. > 12mal » 17mfcl
805 > 12 V. 0. » 994.3217 » 994.2317
809 » 17 v. o. > p > e*
i
Bei der Königl. (iesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Nature. 418—422.
R. C 1 a u 8 i u 8 , die Potentialfunctionen u. das Podential.
1877.
K. Weihrauch, Zehnjährige Mittelwerthe für Dorpat.
1877.
Bulletin de k Societe Mathem. de France. T. V Vn. P,.
et demier. 1877.
J. Barrande, Cephalopodes. Stades generales. Prag.
1877.
H. V. Schlagintweit-Sakünlünski, klimatischer Cba-
racter der pflanzeogeoprapbischen Regionen Hochasiens.
München. 1676. 4.
Leopoldina. Hft. XIII. Nr. 19—20.
Proceedingsof the London Mathem. Society. Nr. 115— 118.
Jahrbücher der K. Akad. gemeinnütziger Wiss. zn Er-
furt. H. 8-9. 1877.
Mittheilnngen der deutschen Gesellsch. für Nator- nnd
Völkerkunde Ostasiens. Hft. 11. 1876.
Schweizerisches ürkundenregister. Bd. 11. H. 5. Bern.
1877.
Nova Acta Reg. Societatis Scient. Upsaliensi«. Volamen
extra ordinum editum. 1877. 4.
Rules and list of meinbera of the R. See. of New-South-
Wales. 1877.
Transactions of the Casibridge philos. See. Vol. Xi, P. S.
1871. 4.
- Dieselben. Vol. XII. P. 1—2. 1873—77. 4.
Proceedings of the Cambridge philos Soc Vol. III. P. 1—2.
Monatsbericht der Berliner Akad. d. Wies. Ao^st 1877.
J. G. Droysen u. M. Duncker, Preußische Staats-
schriften. Bd. I. Berlin. 1877.
A. E. Jendrassik, Das neue physiol. Institut an der
Universität zu Budapest. 1877. 4.
•Der königl. Ungarischen Budapester Univeraität Lehr-
ordnung für das Schuljahr 1876— 1877. 1 u. 2. Halbjahr.
*Feier zur 97 jährigen Reorganisirung der Budapester Uni-
versität. 1877.
*Almanach derselben. 1876—77.
*Reden bei dem Antritt von Rector n. Senat für das J.
1876-77.
*Rede zur Eröffnung des Schuljahrs 1876—77.
Bulletin de la Societe Ouralienne d'aroateurs des science«
naturelles. T. III. Nr. 2. Ekaterinenburg. 1876. 4,
(Russisch).
Sitzungrsberichte der physik. medic. Societät zur Erlangen.
Hft. 9. 1876 - 77.
H. Kun drat, die Selbstverdauungsproceese der Magen-
schleimhaut.
• Die mit * in ungar. Sprache.
44
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sc. de St. Petersbourg. T.
XXIV. Nr. 2.
Leopoldina. H. XIII. Nr. 21. 2?.
Geologische Karte des Großh. Luxemburg nebat Weg-
weiser. 1877.
Nature. 423-426.
The London Mathem. Soc. 8. Nov- 1877.
ßivista Europea. Vol. IV. Fase. 2. 6. 6.
Neaee Lausitzieches Magazin. Bd. 53. H. 2. 1877.
Jahresbericht 45 der Schlee. Gesellsch. für vaterländ.
Gultur. 1877.
T. V. Ilayden, Ninth Annual Report of the U. S. Geo-
logical and Geographica! öurvey of the Territoreis.
For 1875,
Annual Report of the Board of Regents of the Smith-
souian Institution. Washington. 1877.
E. Cüues, Fur-bearing animals a monograph of North
American Muatelidae. Ebd. 1877.
The Canadian Journal of Science etc. Vol. XV. No. 6.
Toponto. 1877.
Monthiy Notices of the R. Astronomioal Society. Vol.
38. Nr. 1.
Drei Gedenktafeln (v. Haller, Gauss, Germ. Museum.)
Abhandl. der K. Akademie d. Wiss. zu Berlin. Jahrg.
1876. 4.
Sitzungsber. d. mathem. physik. Cl. der Akad. d. Wiss. zu
München. 1877. 2.
Atti della Soci^»tä Toscana di Scienze nat. Vol. III. fasc.
1. Pisa. 1877.
Sitzungsberichte der K. Akad. der Wiss. zu Wien. 1876.
Philosoph. - histor. Classe. Bd. 82. H. 3. Bd. 83. H.
1—4. Mathem.-naturwiss. Classe. Erste Abth. Bd. 73.
H. 1—5. Bd. 74. H. 1—2. Zweite Abth. Bd. 73.
H. 4—5. Bd. 74. H. 1-2. Dritte Abth. Bd. 73
H. 1-5.
Fontes rerum Austriacarum. Bd. 39. Wien. 1876.
Archiv für Oesterreichische Geschichte. Bd. 64. H. 2.
Wien. 1876.
Publiqations de l'Institut R. de Luxembourg. T. XVI.
Vierteljahrsfchrift der Astronom. Gesellsch. Jahrg. 12.
-fl. 8.
Bulletin de l'Acftd. R. des Sciences de Belgique. T. 44.
Nr. 9-10,
Fortsetzung folgt.
i
45
.\ach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
30. Januar. Aä 2. 1878.
Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Einige Worte über den Ursprung der
Sprache.
Von
Theodor Benfey.
Alle meine Gebeine sol-
len sprechen.
(Psalm. XXXV. 10.)
Schon seit ziemlich langer Zeit ist der Vf.
iu Bezug auf das in der Ueberschrift bezeich-
nete Problem zu Ueberzeugungen gelangt, welche
von den ihm bekannten Darstellungen desselben
wesentlich abweichen und auch durch das Stu-
dium der neueren darauf bezüglichen Schriften
viel eher verstärkt als geschwächt wurden.
Pietät gegen anerkannt bedeutende Männer,
welche sich mit der Lösuug desselben seit mehr
als zwei Jahrtausenden in umfassender oder frag-
mentarischer Weise beschäftigt haben, und eben-
so sehr da? Gefühl mit seinen — er möchte fast
sagen — Ketzereien vielleicht, ja höchst wahr-
scheinlich, sehr vereinsamt dazustehen, hielten
ihn nicht bloß von der Veröffentlichung der-
46
selben ab, sondern legten ihm aucb das Bedürf-
niß, ja die Noth wendigkeit nabe, sie wiederholt
der sorgsamsten Prüfung zu unterwerfen. Er
darf mit gutem Gewissen die Versicherung aus-
sprechen, daß er sich alle Mühe gegeben hat,
diese Prüfung mit allen ihm zu Gebote stehen-
den Mitteln und Kräften, mit strengster Unpar-
theilichkeit , mit Zweifeln, — ja den ungünstig-
sten Voraussetzungen bezüglich seiner Berechti-
gung , oder gar Befähigung , dieser Frage auch
nur nahe zu treten — zu vollziehen. Aber auch
diese Prüfungen haben nicht vermocht , ihn von
seinen üeberzeugungen abzubringen. Dennoch ist
er weit davon entfernt zu verkennen, daß die
große Schwierigkeit des Problems auch ihn in
die Irre geführt haben könne und würde dem-
gemäß auch jetzt noch nicht wagen, seine üeber-
zeugungen in Bezug auf dasselbe zu veröffent-
lichen, wenn er es nicht für eine unabweisliche
Pflicht gegen die Wissenschaft hielte, Resultate,
zu denen gewissenhafte und sorgliche Erwägung
geführt haben , mögen sie von hergebrachten
Ansichten auch noch so sehr abweichen, dem
öffentlichen ürtheil zugänglich zu machen.
§. 1.
Bei der menschlichen Sprache treten uns
vor allem zwei characteristische Erscheinungen
entgegen : einerseits werden Laute und Laut-
complexe hervorgebracht, andrerseits werden
diese verstanden.
Fragt man nun nach dem Ursprung der er-
sten Erscheinung, oder Thätigkeit: der Aeuße-
rung von Lauten, so scheint mir diese Frage
wesentlich auf derselben Stufe zu stehen , wie
etwa die Frage nach dem Ursprung des Gehens*
d. h. wie das Gehen entstanden sei, oder wie
47
der Mensch, oder überhaupt die Wesen, welche
gehen, dazu gekommen seien, diese Art der Be-
wegung zu vollziehen.
Wollte man z. B. wissen, wie es komme,
daß die dem Menschen nächststehenden vier-
füßigen und vierhäudigen Säugethiere gehen, so
glaube ich würde mau keine andre Antwort zu
erwarten haben, als : der im Organ des Intellects
unbewußt oder bewußt entstehende Wille wirkt
auf die motorischen Nerven , welche in Folge
davon die Bewegungsorgaue bestimmen , oder
nöthigen die gewollte Bewegung auszuführen.
Fragt mau nun nach dem Ursprung des
menschlichen Gehens, dann wird man dieselbe
Autwort erhalten ; will man aber wissen, Avarum
das Gehen des Menschen von dem der vierfüßi-
geu und vierhäudigen Thiere verschieden ist,
dann wird der Befragte die Verschiedenheit der
;schlichen Bewegungsorgane von denen jener
ere erläutern, wird hervorheben, daß der
Mensch von jenen vier Extremitäten sich in der
Regel nur zweier zur Fortbewegung bedient,
der andern beiden dagegen zum Greifen, daß
jene beiden einen Bau haben, durch welchen die
aufrechte Stellung und Bewegung derselben be-
dingt ist u. s. w., würde jedoch zu allem Ueber-
fluß hinzufügen, daß aber, trotz dieser Verschie-
denheit der Bewegung, der Ursprung oder die
^ ^«ache derselben völlig dieselbe sei wie bei
verglicheneu Thieren; dies würde er — wenn
hig — dadurch zu erhärten im Stande sein,
er nachweist, daß auch bei den Thieren
1 schiedenheiten der Bewegung bestehen, welche
/.ig auf den Verschiedenheiten im Bau der
vv egungsorgane derselben beruhen.
Diese Antwort würde wesentlich gleichartig
ausfallen, mag mau den Standpunkt der Lamarck-
48
Darwinschen Theorie : die Entwicklung der Arten
durch Umbildung aus einer oder wenigen ursprüng-
lichen, einnehmen, oder eine schon ursprünglich
verschiedne Vielheit von Arten festhalten. In
jenem Fall würde man aber dann sagen : es
giebt gar keinen menschlichen Ursprung des
Gehens, sondern das menschliche Gehen ist nur
eine Modification des thierischeu, herbeigeführt
durch die Veränderungen der Bewegungsorgane,
welche mit der Umbildung eines menschenähn-
lichen Thieres zu einem Menschen verknüpft
waren. In diesem dagegen : es giebt zwar einen
menschlichen Ursprung des Gehens , er beruht
aber wesentlich auf denselben Ursachen , d. h.
ist identisch mit dem Ursprung des Gehens der
Thiere; von diesem ist er nur insofern verschie-
den, als die Bewegungsorgane der Menschen von
denen der Thiere schon ursprünglich verschie-
den waren.
§. 2.
Es darf jetzt als anerkannt verausgesetzt
werden, daß Sprache im weitesten Sinn, d. h.
die Fähigkeit sich einander verständliche Mit-
theilungen zu machen , auch einer großen An-
zahl von Thieren zuzusprechen ist. Die Zei-
chen, durch welche diese Mittheilungsfähigkeit
bei den Wesen, welche sie besitzen, verwirklicht
wird, sind noch nicht vollständig erkannt; da
jedoch, so viel man bis jetzt annehmen darf,
alle Vermittlung mit dem, was sich außer einem
Individum befindet, nur durch die Sinne ermög-
licht wird, so werden auch diese Zeichen zunächst
durch Sinnen Werkzeuge erfaßbar sein. Nehmen
wir an, daß alle Thiere, welche verständlichei
Mittheilung fähig sind, nur dieselben Sinne ha-
ben, wie die den Menschen näher stehenden
49
Thiere uud der Meusch selbst, dann würden
jene Zeichen hörbare, sichtbare, fühlbare, riech-
bare, vielleicht sogar schmeckbare sein können.
Allein die erst jüngst begonnenen Untersuchun-
gen über die Aufgabe der Fühlhörner bei den
Schmetterlingen machen auch diese Annahme
unsicher und bei manchen Thieren — bei denen
man nur dieselben Sinne wie bei den Menschen
voraussetzt — mag es noch zweifelhaft sein,
durch welchen Sinn sie die ihnen verständlichen
Mittheilungen aufnehmen. So z. B. haben Lub-
bock's Untersuchungen über die Gewohnheiten der
Ameisen (im Fortnightly Review 1877, 1 March,
p. 287 ff.) den Beweis geliefert, daß diese, mit
einem auffallend hohen Intellect begabten,
Thierchen, wie er sich ausdrückt, simple ideas
einander mitzutheilen fähig sind, welche jedoch,
wie mir scheint, auf ziemlich complicirten Beo-
bachtungen und Schlüssen beruhen; allein durch
welche Zeichen diese Mittheilung Statt findet,
ist, soviel mir bekannt, bis jetzt noch nicht mit
Sicherheit ermittelt worden ; sind es hörbare,
dann sind die Laute , deren sie sich bedienen,
für ein menschliches Gehör bis jetzt unvernehm-
bar; ob der Mangel eines Lautapparats bei ihnen
nachgewiesen sei — wodurch diese Möglichkeit
natürlich ausgeschlossen sein würde — ist mir
nicht bekannt.
Doch für unsere Zwecke ist dies von keinem
Belang, da es unzweifelhaft ist, daß bei den
Thieren, welche dem Menschen nahe ste-
hen, die Mittheilung, wie bei diesem, in der
Regel durch hörbare Zeichen Statt findet.
Wenn nun Jemand nach dem Ursprung der
Sprache dieser Thiere fragt , so wird die Ant-
wort wesentlich dieselbe sein , wie in Bezug auf
den Ursprung des Gehens : der im Intellect oder
50
dessen Orgau, dem Centralorgaii , bewußt oder
unbewußt entstandene Wille zur Mittheilung
setzt durch Nervenleitung die Organe in Thätig-
keit, welche zur Ausführung dieser Mittheilung
dienen , also, wo hörbare Zeichen allein oder
vorwallend dazu bestimmt sind, die Werkzeuge,
durch welche Laute hervorgebracht werden.
Diese Erklärurg gilt natürlich in demselben
Maaße, wie für die Thiere, welche eine Laut-
sprache haben , auch für den Menschen.
§. 3.
Jetzt aber erhebt sich eine große Schwierig-
keit. Die Erklärung, welche für den Ursprung
des Gehens ganz genügte , genügt für den der
Sprache, und zwar sowohl der der Thiere als Men-
schen, gewissermaßen nur zur Hälfte ; sie er-
klärt die — um mich so auszudrücken — active
Seite derselben: den Ursprung des Sprechens,
nicht aber die andere, so zu sagen, passive: den
Ursprung des Verstehens, d. h. wie es zuging,
möglich war, oder möglich wurde, daß einer die
Laute oder Lautcomplexe , welche ein andrer
hervorbrachte, in demselben Sinn auffaßte, in
welchem dieser sie aufgefaßt wissen wollte.
Diese letztere Seite ist aber augenscheinlich für
die Erklärung des Ursprungs der Sprache die
wichtigste: denn wie hätte alle Bilduug von
Lauten oder Lautcomplexen, oder anderen Zeichen
der Mittheilung den Ursprung der Sprache zu
Stande zu bringen vermocht, wenn diese Zei-
chen nicht verstanden wären ? Sie ist aber auch
am schwierigsten zu begreifen; denn auf den
ersten Anblick scheint es fast unmöglich, eine
Lösung der Frage zu finden, wie so es zugieng,
daß Dinge und Zeichen, zwischen denen gar
kein natürliches Verhältniß besteht, durch wel-
chea sie sich als eiuauder deckeud unmittelbar
hervortreten konnten (wie z. B. das Wort
'Wald' als Zeichen für eine größere, einen grö-
ßeren Ranm bedeckende, Anzahl von Bäumen),
in eine so innige Verbindung mit einander ge-
rietheu, daß der Sinn, welchen der Sprechende
oder überhaupt der das Zeichen Gebrauchende
damit verbindet, bei dem Hörenden, oder über-
haupt bei dem das Zeichen gewahrenden, ge-
weckt wird, das Zeichen bei ihm das damit ge-
meinte Ding zum Bewußtsein bringt.
So schwierig aber auch die Lösung dieser
Frage scheint, so ist doch die Aufgabe selbst
schon seit undenklicher Zeit gelöst und zwar
nicht bloß von den Menschen, sondern, wie be-
merkt, auch von einer großen Anzahl von Thier-
gattungen, vielleicht von allen lebenden Wesen.
Stellen wir uns nun auf den Darwin'schen
Standpunkt, so fällt dadurch die Frage nach
dem Ursprung der menschlichen Sprache in
specie ganz weg. Der aus einem verwandten
Thier durch Umbildung entwickelte Mensch hat
schon von diesem den Anfang oder gar die An-
fänge der Sprache in die neue Ent Wickelung,
durch welche er Mensch geworden ist, hinüber-
genommen und all die Steigerungen, Vermeh-
rungen und Umwandlungen — gewissermaaßen
quantitativer und qualitativer Art — der phy-
sischen und intellectuellen Basen der Sprache,
deren er im Verhältniß zu den Thieren theil-
haft geworden ist, dienen nur dazu, die über-
kommenen Anfänge der Sprache zu vermehren
und sie bei den verschiedenen naturgemäßen
Menschencomplexen zu Systemen von bezeich-
neuden Lauten und Lautcomplexen zu entwickeln,
welche, trotz ihrer oft sehr großen Verschieden-
heiten, doch alle darin übereinstimmen, daß sie
52
die zu demselben Menschencomplex gehörigen
in den Stand setzen, durch diese Zeichen alle
Gefühle, Empfindungen, Wahrnehmungen, Vor-
stellungen, Begriffe, Absichten, kurz alles, was
sie sich zum Bewußtsein gebracht, mag es außer
oder in ihnen vorgehen , einander auf gegen-
seitig verständliche Weise mitzutheilen.
Anders gestaltet sich die Lage , wenn man
eine schon ursprünglich gesonderte Entstehung
der Arten, speciell des Menschen annimmt ; dann
ist natürlich auch ein besonderer Ursprung der
menschlichen Sprache anzunehmen. Im Allge-
meinen ist dieser noch leichter denkbar, als der
der Thiersprachen; denn einerseits stehen den
Menschen, wie schon angedeutet, viel mehr Mit-
tel der Lautunterscheidung zu Gebot, als den
Thieren, so die verschiedensten Grade der Laut-
Intensivität - — die sich vom hohen Schrei bis zum
leisesten Geflüster abstuft — die mannigfachste
Modulation , endlich die Articulation ; ebenso
verfügen sie über Mittel den Sinn, oder die Be-
deutung der lautlichen Bezeichnungen genauer
zu bestimmen , welche den Thieren , wie es
scheint, theils ganz theils fast ganz abgehen und
in dem kleinen Aufsatz, welcher in den Göttin-
ger Nachrichten 1873 S. 408 veröffentlicht ist,
als Accessorien der Rede bezeichnet sind, näm-
lich Augensprache, Mienenspiel und Gebärden.
Anderseits setzt der höhere Intellect der Men-
schen sie in den Stand die zu bezeichnenden
Dinge bestimmter zu erkennen, zum Bewußtsein
zu bringen, zu unterscheiden und überhaupt zu
bezeichnen.
Allein wenn wir erwägen , daß die Thiere
die Anfänge der Lautaprache gewonnen haben,
ohne der Mittel zu bedürfen , welche die Men-
schen vor ihnen voraus haben , so können wir
53
uns der Vermutliuug nicht enthalten, daß auch
ein besonderer Urspmng der menschlichen Spra-
che einzig den sprachlichen Mitteln verdankt
wird, welche die Menschen mit den Thieren ge-
meinsam besitzen, so daß, in Bezug auf den
Ursprung der menschlichen Sprache dessen Er-
klärung vom Darwin'schen Standpunkt aus
auch bei Auffassung des Menschen als eine
schon ursprünglich besondre Gattung kaum mo-
difieirt wird. Bei beiden Annahmen sind es die
thierischen Eigenschaften oder Anlagen , welche
den Ursprung der Sprache zu Stande gebracht
haben und für den Ursprung selbst macht der
Umstand, daß sie dort — nach der Darwin'-
schen Auffassung — schon außer dem Men-
sehen , hier, jedoch in gleicher Weise, i n dem
Menschen wirkten , keinen Unterschied. Die
Vermuthung, daß es auch in letzterem Fall nur
die dem Menschen mit den ihm nächst verwand-
ten Thieren gemeinsamen Anlagen waren , wel-
che den Ursprung der Sprache zu Wege brach-
ten, erhält aber auch dadurch eine gewisse Be-
stätigung, daß die erwähnten physischen Mittel
der Sprachbildung, welche der Mensch vor den
Thieren voraus hat — wie Intensivität und Mo-
dulation der Stimme — schon die Bezeichnung
von Dingen durch Laute — d. h. den Ursprung,
oder ersten Anfang der Lautsprache voraussetzen.
Ja in Bezug auf die Articulation — durch wel-
che die menschliche Sprache sich am stärksten
von der der Thiere unterscheidet — ist es von
schwer in's Gewicht fallender Bedeutung, daß
mehrere Thiere, z. B. die Papagayen u. s. w.
auch dieser mächtig sind. Freilich bedienen sie
sich derselben nicht unter einander zur Mit-
theilung, lernen sogar erst durch Nachahmung
der Menschen articulirte Wörter aussprechen ;
54
dies eriunevt aber fast an Verhältnisse, welche
auch unter den Menschen vorkommen ; wie %. B.
an den Gebrauch der Schnalzlaute, deren sich
nur einige afrikanische Völker zu sprachlichen
Bezeichnungen bedienen , während die übrigen
Menschen sie zwar bilden können, aber nie als
begriffdifferenziirende Elemente in ihren Spra-
chen verwenden.
Ist aber der Ursprung der Lautsprache bei
Thieren und Menschen aus denselben Basen zu
erklären, dann wird eine Erklärung desselben
möglich werden, wenn wir Erscheinungen nach-
zuweisen im Stande sind, welche beiden gemein-
sam sind; in Bezug auf die bloß den Menschen
eigenthümliche Benutzung articulirter Laute
aber werden wir nur eine Analogie mit jenen
Erscheinungen aufzuzeigen haben.
§. 4.
Die ganze Menschheit , seit manchen, wohl
vielen , Jahrtausenden , und jeder einzelne seit
frühester Jugend an Sprachen gewöhnt, welche
einen Schatz von Lauten und Lautcomplexen
besitzen , deren Bedeutung den Mitgliedern der
Völker, welchen diese Sprachen angehören, be-
kannt sind, so daß der Hörende im Allgemeinen
mit jedem ihrer Laute und Lautcomplexe den-
selben Sinn verbindet, wie der, welcher sie aus-
spricht , kann sich kaum eine Zeit vorstellen,
in welcher ein Sprechender Laute und Laut-
complexe äußerte, deren Sinn er nicht kannte
und welche dennoch von einem Hörenden in
dem Sinn verstanden wurden, welchen er —
wenn auch unbewußt — damit verband. Und
dennoch muß Jeder, welcher annimmt, daß die
Sprache einen Ursprung hat — eine Annahme,
deren Berechtigung zu beweisen wohl kaum
55
noch uöthig seiu möchte — auch eine solche
Zeit annehmen , mag er ihr gleich eine wenn
auch noch so kurze Dauer zusprechen: denn in
dem Augenblick , in welchem dem Sprechenden
und Hörenden auch nur ein Laut oder Laut-
complex als Zeichen für ein und dasselbe Ding
oder einen und denselben Begriff zu bewußtem
geistigen Besitz geworden war, war das erste
Wort geschaffen und damit auch der Ursprung
der Sprache vollendet. Das zweite wie jedes
folgende Wort gehört dem Stadium der Sprach-
entwickelung an, auf welche die Aufgabe dieses
Aufsatzes nicht einzugehen hat. Dafür aber,
daß es eine Zeit geben konnte, in welcher we-
der der Sprechende noch der Hörende einen
bestimmten Sinn mit den benutzten Lauten ver-
band und beide sich dennoch einander verstan-
den, d. h. eine Zeit, in welcher die für die Mög-
lichkeit eines Ursprungs der Sprache nothwen-
digen Bedingungen sich vorfanden, sprechen
schon Erscheinungen , welche uns Tag für Tag
in den höchst ausgebildeten Sprachen begegnen :
wie oft drückt sich einer unklar aus, braucht
ein Wort, welches dem von ihm gewollten Sinn
nicht entspricht , verspricht sich u. s. w,, wird
aber von dem Hörenden durch Wirkung des
Zusammenhangs der Rede, der Umstände, unter
denen sie gesprochen wird, oder auf welche sie
sich bezieht und anderes dennoch ganz richtig
verstanden — und zwar nicht selten , ohne daß
der Sprecher oder der Angeredete die Mängel in
der Form der Mittheilnng erkennen oder auch
nur ahnen.
Wie man sich den Vorgang vorstellen könne,
durch welchen Laute und Lautcomplexe, die ur-
sprünglich ohne jedes Bewußtsein eines begriff-
lichen Werthes geäußert, dennoch von den Hö-
56
rendeu verstanden und dadurch Elemente der
Sprache wurden, d. h. mit Bewußtsein ihres be-
grifflichen Werthes vollzogene und verstandene
Laute und Lautcomplexe, will ich mir an einem
Beispiel zu erläutern versuchen, welches dem
gemeinsamen Thier- und Menschenleben entlehnt
werden möge und an zweien aus dem mensch-
lichen Leben.
Das dem Ei entschlüpfte Vögelchen piept,
eben geborene Kätzchen und Hündchen winseln,
des Menschen Kinder wimmern, schreien, weinen.
Alle diese Laute sind von dem Bedürfniß aus-
gespreßt Nahrung zu erhalten ; zuerst und wohl
noch einige Zeit lang , am längsten bei dem
Menschen , unzweifelhaft einzig in Folge des
durch den Mangel hervorgerufenen Unbehagens,
ohne bewußte Verbindung irgend eines Sinnes,
einer Bedeutung oder gar eines begrifflichen
Werthes mit diesen Tönen. Dennoch werden
sie von den Eltern des Vögelchen, der Mutter
des Kätzchen, Hündchen, des Säuglings verstan-
den, möglicherweise von den ersten der Gattung
nicht sogleich, aber unter Beihülfe der Umstände,
des Naturtriebes, des Intellects doch sicherlich
in kurzer Zeit. In dem Augenblick, wo dies
der Fall ist, sind diese Töne Elemente — wenn
auch noch nicht vollkomrane — der thierischen so-
Avohl als der menschlichen Sprache : sie sind hör-
bare Zeichen, welche ein Verlangen ausdrücken
und verstanden werden. Zu vollkommnen werden
sie durch das — wenn auch nicht in gleichen
Graden — den Menschen und Thieren gemein-
same Erinnerungsvermögen oder überhaupt ihren
Intellect. Mit dem Erstarken desselben merkt
der Sproß, daß sein Piepen, Winseln, Wimmern,
Schreien, Weinen verursacht, daß sein Bedürfniß
befriedigt wird, die Mutter, daß das Vögelchen,
57
Kätzchen, Hüudcheu, Kindchen, wenn es Nah-
rnng erhalten hat, dadurch beruhigt wird. Bei-
derseits prägt sich die Erfahrung dem Gedächt-
niß ein; Sproß, Eltern und die ganze etwaige
Umgebung lernen die Bedeutung- dieser Töne
vollständig kennen; für beide erhalten sie die
gleiche Bedeutung: lautliche Zeichen des Be-
dürfnisses nach Nahrung zu sein; die kleinen
äußern sie um ihr Bedürfniß durch diese Laute
knnd zu thun , die Mütter u. s. w. verstehen
den Sinn dieser Laute : Sprecher und Hörer ver-
binden denselben Sinn mit ihnen; es sind voU-
kommne Elemente der Sprache, wenn auch nicht
der articulirten. Freilich ist das Weinen, Win-
seln u. s. w. nicht bloß ein Zeichen des Hun-
gers, sondern auch anderen Ungemachs und an-
deren Begehrens. Dadurch hört es aber eben
so wenig auf ein echt sprachliches Element zu
sein, als Wörter der ausgebildetsten menschli-
chen Sprachen dadurch , daß sie sehr viele Be-
deutungen haben oder haben können, aufhören,
echte Wörter zu sein. Wie der Hörer die ge-
wollte Bedeutung eines vieldeutigen Wortes aus
dem Zusammenhange oder begleitenden Umstän-
den erkennt, z. B. die von 'Schärfe' durch die
Verbindung mit 'des Schwerdtes', 'der Augen'
'des Verstandes' 'der Haut', oder indem ein Spre-
chender bei den Worten: 'siehe die Schärfe' dem
Hörenden ein Messer zeigt u. s. w., so suchen
die Eltern auch aus den begleitenden Umständen
die specielle Bedeutung des Weinens zu erschlie-
ßen; wenn des Kindes Hunger z. B. eben erst
gestillt ist, folgern sie, daß in dem gegebenen
Moment nicht dieser die Bedeutung des Weinens
sein könne ; sie werden auf anderes rathen, an-
dere Versuche machen, das Kind zu beruhigen
und wenn ihnen dieses gelingt, annehmen, daß
#
das Weinen aucli anderes Ungemach des phy-
sischen Lebens bedeuten könne, gerade wie
Schärfe sehr verschiedene Eigenschafteu concre-
ter und abstracter Objecte ausdrückt, die man
sich durch mancherlei geistige Thätigkeiten klar
zu machen genöthigt ist. Sollte aber das Kind
in Folge der Erfahrung , daß ihm Weinen und
Schreien in sehr vielen und sehr verschiedenen
Fällen Befreiung von Ungemach und Gewinn
von Annehmlichkeiten verschafft haben, kraft
des menschlichen Abstractionsvermögens die Be-
deutung dieser Lautzeichen zum Ausdruck des
entschiedensten, keine Verweigerung zulassenden,
Willens erweitern, dann werden vernünftige El-
tern auch diese Bedeutung verstehen, den Ver-
such aber dazu benutzen, dem Kinde den Un-
terschied zwischen vernünftigem und unvernünf-
tigem Willen beizubringen.
Ein Beispiel , wie man sich den Ursprung
eines articulirten Wortes vorzustellen vermöge,
entnehme ich meiner eignen Erfahrung ; es leben
aber noch mehrere glaubwürdige Personen, wel-
che deren Wahrheit bezeugen können; auch bin
ich überzeugt, daß analoge Erscheinungen in
vielen Häusern vorkommen , aber wenig beach-
tet, oder wieder vergessen werden, obgleich deren
Veröffentlichung für manche sprachliche Fragen
nicht werthlos sein würde.
Ich kannte ein Kind, welches etwa im sech-
sten Monat seines Lebens, wenn ihm Nahrung
angeboten wurde, die es nicht mochte, seinen
Kopf zurückwarf und mit den energischsten
Zeichen des Unwillens 'räch' schrie. Ich war
damals noch sehr jung — 12 — 13 Jahr alt —
so daß ich nicht genau weiß , wie diese Laute
zuerst auftraten ; ich vernmthe jetzt , daß sie
ursprünglich nur eine Verbindung von r und
59
ch wären, etwa in der Weise, wie diese, im
Verein mit einer starken Verziehung des Ge-
sichts, beim Eintritt von Ekel von selbst sich
geltend machen und gewissermaßen einen Ansatz
znm Erbrechen bilden. Ist das richtig — wofür
ich aber nicht einstehen will — so waren sie
gewissermaßen zuerst eine unwillkührliche Inter-
jectiou des Ekels. Allein schon sehr früh fing
der Knabe an, diese Laute nicht mehr — we-
nigstens nicht immer — mit der energischen
oder characteristischen Eigenthümlichkeit , wie
Interjectiouen hervorzubrechen pflegen — gleich-
sam als wären sie ungewollte Ausbrüche des
Gefühls, im Gegensatz zu den gewoJlt€n Aeuße-
rungen des Intellects — zu äußeren, sondern
oft ganz ruhig, ganz wie ein Begriffswort, ge-
rade als wenn es ruhig sagen wollte: 'das mag
ich nicht', oder, wenn bewegter, 'das will ich
nicht'. Wie es gewöhnlich mit der Umgebung
von Kindern geht, daß sie mit ihnen ihre Spra-
che spricht, so geschah es auch in Bezug auf
diesen Lautcomplex; er wurde zuerst dem Kinde
gegenüber gebraucht; wollte man daß dasselbe
etwas nicht berühre, so brauchte man nur zu
sagen 'räch' und man konnte sicher sein, daß
es von ihm nicht berührt, geschweige in den
Mund gesteckt wurde; als es die Bedeutung der
Negation kannte, brauchte man umgekehrt nur
begütigend zu sagen 'nicht räch' und konnte
wenigstens in vielen Fällen dadurch den Ab-
scheu , welchen es vor manchen Dingen hatte,
entfernen. Dieser ursprünglich ohne jedes Be-
wußtseiu eines begrifflichen Werthes hervorge-
stoßene Laut war also nach und nach und zwar
ziemlich rasch zu einem echten sprachlichen
Element geworden, von dem Sprechenden in
einem ganz bestimmten Sinn gebraucht, von den
60
Hörenden in demselben Sinn verstanden und
sogar, oft nicht bloß dem Kinde gegenüber, son-
dern auch in der Familie untereinander ange-
wendet. Bis zu seinem fünften Jahre — wo
der Knabe mir für einige Jahre aus den Augen
kam — brauchte er 'räch' in den Bedeutungen
von 'unangenehm' bis 'abscheulich' und wurde
darin nicht wenig dadurch bestärkt, daß das
Wort, wie gesagt, auch in der Familie in diesen
Bedeutungen gebraucht wurde. Später als er
in seiner Muttersprache einen reichen Schatz
von Wörtern für alle Auf- und Abstufungen des
'mißfälligen' fand, verschwand das Wort natür-
lich aus seijiem Particularlexicon, wie es selbst-
verständlich noch weniger in der Familie seine
Existenz lauge zu fristen vermochte.
Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden,
daß nach dieser Analogie recht gut ein erstes
Wort der menschlichen Sprache entstehen und
sich von der Familie aus , in welcher es sich
eingebürgert hatte, über immer mehr sich er-
weiternde Kreise ausdehnen konnte. Dagegen
erlaube ich darauf aufmerksam zu machen, daß
es auch ganz dazu geeignet gewesen wäre, die
Basis reicher Eutwickelungen zu bilden; es läßt
sich in phonetischer Beziehung ganz gut auf
eine Stufe mit der größten Anzahl der soge-
nannten indogermanischen Wurzeln stellen —
nämlich mit denjenigen , welche aus einem zwi-
schen zwei Consonanten gesprochenen Vocal
bestehen — und hätte ganz wie diese eine Fülle
von verbalen und nominalen Bildungen aus
sich zu erzeugen vermocht. Dies wird um so
unzweifelhafter erscheinen, wenn ich Recht habe,
ihm eine Art interjectiouellen Ursprungs zuzu-
schreiben. Denn es ist bekannt , daß die luter-
jectionen die Grundlage für eine Fülle von ech-
61
teil Sprachbilduugeu abgegeben habeu , z. B.
im Griechischen von aT, Interjectiou des Schmer-
zes, aid^oa n. s. w. , von o* in gleichem Sinn
oi^v u. s. w., wie von unserm ach: ächzen;
sogar von o» (iot 'weh mir', als ein Wort ge-
faßt , das Verbum oi'/icö'C« 'wehklagen' mit einer
nicht unbeträchtlichen Zahl von Derivaten.
Dies führt mich auf das zweite Beispiel aus der
menschlichen Sprache, durch welches ich die Vor-
stellung, welche ich mir von der Entstehung der
Sprache, und speciell der menschlichen, mache,
einigermaßen veranschaulichen wollte. Ich will
dazu unsre deutsche Interjectiou des Absehens 'pfui'
benutzen. Zwar ist die Entstehung derselben, wel-
che ich erwähnen werde, obgleich sie auch von
andern angenommen wird und unzweifelhaft
höchst wahrscheinlich ist, keinesweges ganz si-
cher, eben so wenig die Vermuthung, welche sich,
ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit . daran
knüpfen lassen wird , allein für unsren Zweck
würde dieses Beispiel auch dann gebraucht wer-
den dürfen , wenn diese Annahmen bloße Mög-
lichkeiten wären. Daneben bildet es aber ein
sichres Beispiel wiederum für den Uebergaug
von Interjectionen in Begriffswörter, worüber
man die Wörterbücher der deutschen Sprache,
insbesondre das von Sanders unter 'pfui' ver-
gleichen möge ; so erscheint es wie eine Präpo-
sition mit dem Genetiv , Dativ, Accusativ con-
struirt , wie ein Adverb mit den Präpositionen
'über', 'auf verbunden, wird behandelt als wäre
es ein Substantiv, ein Verbum und erscheint
als zusammengesetztes Verbum (anpfujen) ').
1) Beiläufig bemerke ich, daß dem von Sanders ange-
führten 'Pfui dich an' ein plattdeutscher Reflex gegen-
über tritt, welcher in meiner Jugend und noch später,
aber in einem Wort — nämlich Fudekan — gcspro-
6
G2
Der Lautcomplex 'Pfui' wird wesentlich
durch dieselbe Muudstellung und dieselbe ge-
waltsame Ausstoßung des Luftstromes hervor-
gebracht, welche die Ausspritzung von Speichel
herbeiführt, und da bei außerordentlich vielen
Völkern das Ausspeien das stärkste Zeichen des
Abscheus ist, auch bei unerzogenen Menschen
die Interjection sogar von einem Ausspeien be-
gleitet wird, scheint kaum bezweifelt werden zu
dürfen, daß sie den Ansatz zum Ausspeien bil-
det, gerade wie uns oben 'räch' ursprünglich
ein Ansatz zum Erbrechen schien. Ist diese
Annahme richtig , so sehen wir auch hier eine
beabsichtigte Handlung zu einer Interjection
werden und die Interjection den Character von
Begriffswörtern annehmen.
Allein folgende Betrachtung macht es wahr-
scheinlich , daß entweder aus einem nahen Ver-
wandten dieser Interjection, gerade wie aus den
oben angeführten, z. B. al: ala^ca — oder sogar
aus einer Laut- Nachahmung der Handlung, de-
ren Ansatz die Interjection ausdrückte und zwar
in verhältnißmäßig früher Zeit — ebenfalls Be-
chen , als eines der stärksten Schimpfwörter galt ; ob
es jetzt noch im Gebrauch ist, weiß ich nicht. Man
sagte z. B. 'du Fudekan' , 'solch ein Fudekau'. Nach
Analogie des in Münden gebrauchten 'Sidekum' = hoch-
deutsch 'Sieh dich um' als Bezeichnung kleiner Häus-
chen, von denen aus man eine schöne Aussicht genießt,
nahm ich Fu im Sinn einer zweiten Person Singularis
des Imperativs und — da 'Pfui' Verabscheuung ausdrückt,
ursprünglich aber, wie im Text (S. 62) bemerkt ist, höchst
wahrscheinlich aus der Handlung des Ausspeiens entstand — ,
die Zusammensetzung entweder im Sinne 'speie dich an',
oder 'rufe dir Pfui zu'. Der Geschimpfte wurde demnach
durch das Schimpfwort als ein solcher bezeichnet, der
sich anspeien, selbst vor sich den tiefsten Abscheu füh-
len müßte.
63
griffswölter in außerordentlich großer Anzahl
hervorgegangen sind.
Wesentlich gleiche Bedeutung mit 'Pfui' ha-
ben nämlich bekanntlich die fast lautgleichen
Interjectionen : lateinisch phui, griechisch yr.
Danach dürfen wir wohl vermuthen, daß diese
Interjectiou, wenigstens in den indogermanischen
Sprachen Europas, schon zur Zeit, in welcher
diese noch eine Einheit bildeten, gebraucht ward.
Da nun aber Verschärfung des Luftstroms den
Zischlaut herbeiführt, so ist es gar nicht un-
möglich, daß lateinisch spuo, sammt den ihm
entsprechenden Wörtern mit der Bedeutung
speien (vgl. Fick, P, 835 und Pott. Etym.
Fschgen, 2te Aufl., I. 2 [1867], S. 1367) die
Reflexe und Derivate eines ihnen zu Grunde lie-
genden Verbums sind, welches entweder aus
jener luterjection hervorgegangen war, oder,
wie diese selbst , ebenfalls aus der im Ansatz
zum Speien stehen gebliebenen Nachahmung
dieser Handlung.
Was die letztere Auffassung betrifft, so läßt
sich wenigstens nicht in Abrede stellen, daß
diese Weise, die Handlung zu bezeichnen, eine
sehr nahe liegende war, daß sie sich wenigstens
nach und nach unwillkürlich von selbst ergeben
und von dem Hörenden unmittelbar verstanden
werden konnte. Stellen wir uns z. B. vor, daß
Jemand etwas im Munde hatte und ein andrer
wünschte — etwa weil er es für nachtheilig für
ihn hielt — daß er es ausspeie , dann mochte
er ihm zuerst wohl die Handlung des Aus-
speiens vormachen : kam es aber mehrmal vor,
dann durfte der eine wohl mit Sicherheit erwar-
ten , daß schon die gewaltsame Aeußerung der
beim Ausspeien eintretenden Laute (sphu oder
64
spu) genügen würde, den andern zum Vollzug
dieser Handlung zu bestimmen.
§. 5.
Doch diese Beispiele, so gering auch ihre
Anzahl ist, mögen für den beabsichtigten Zweck
genügen ; ich könnte sie mehren ; allein ich
fühle eine gewisse Scheu , mich einem Problem,
dessen vollständige Lösung, seiner ganzen Natur
nach, wohl in alle Ewigkeit eine Unmöglichkeit
bleiben wird , zu sehr zu näheren. Auch hat
jeder Versuch weiter vorzudringen, den Ursprung
der Sprache sogar, wie er thatsäclilich, historisch
vor sich gegangen sei , schildern zu wollen, als
ob man dabei gewesen wäre , — geradezu und
unumwunden gesprochen — fast immer zu wahr-
haft lächerlichen Absurditäten geführt; und
zwar keines weges bloß unbedeutende, sondern
selbst solche Männer, vor deren geistigen An-
lagen man die höchste Achtung haben muß ;
sie ließen sich von Phantastereien gefangen neh-
men, zogen aus Voraussetzungen, deren Berech-
tigung sie nicht hinlänglich geprüft hatten, un-
berechtigte Folgerungen, oft mit großem Scharf-
sinn , aber zugleich ohne besonnenes Urtheil.
Ich wage es nicht, weder das erste menschliche
Wort, noch die Veranlassung des ersten Schreis,
errathen oder ergründen zu wollen ; ich möchte
es nicht einmal über mich nehmen zu bestim-
men, welcher Categorie jenes angehörte, ob der
der Interjectionen, oder der Schalhiachahraungen,
ob es, durch einen mächtigen Eindruck hervor-
gerufen, gleichsam als dessen Reflex, oder Echo
ertönte, oder ob es aus der bloßen Lust an den
mannigfachen Lauten , deren der Mensch sich
mächtig fühlte, hervorbrach und, unter Beihülfe
der erwähnton Accessorien der Lautspracho, zu
65
einem, mit dereu Hülfe leicht verstäudliclieD, Be-
griflfwerth gelangte. Unter diesen nnd andern
Möglichkeiten wage ich nra so weniger eine
Wahl zn treffen, als ich glaube überzeugt sein
zu dürfen , daß unter dem mächtigen und un-
widerstehlichen Druck des Bedürfnisses gegen-
seitig verständlicher Mittheilung, welcher in den
Anfängen der Sprache herrschte — denn was
man kann, das muß man — aTle physi-
schen und geistigen Kräfte sich au dem ersten
Wort ebenso wohl wie an den ersten bethei-
ligen konnten nnd daß, um jenem Bedürfniß
zu genügen, mehrere derselben — vielleicht zu-
gleich — thätig waren , etwa so wie es der
große Königliche Sänger in den Worten, welche
ich an die Spitze dieses Aufsatzes gestellt habe,
beim Preise Gottes von sich selbst verlangt.
Freilich möchte ich mir dann erlauben in der
üebersetzung dieses Mottos statt 'Gebeine' ein
anderes Wort zu unterstellen und die hebräi-
schen Worte zu übertragen: 'Alle meine
Kräfte (die der Seele wie die des Leibes)
sollen sprechen'. Doch dies droht uns schon
in die Entwickelung der Sprache hinüber zu
führen, der wir für jetzt fern zu bleiben beab-
sichtigen.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung).
Ännales de l'Observatoire R. des Sciences de Bel^que.
T. XXIII-XXV. 1874—77. 4.
Annuaire de l'Observatoire R. 1877. 44e annee.
Notices extraites de TAnnuaire pour 1875. Idem pour 1876.
7
66
E. Mailly, Essai sur la vie et les ouvrages de L. A.
J. Qaetelet.
Les Perseides en 1874. Aurores boreales du moie d'Oc-
tobre. 1874.
M. M eisen s, de l'application du Rhe-Electrometre aux
paratonneres des telegraphes.
Ern. Quetelet, memoire sur la temperature de l'air
ä Bruxelles. 1833-1872. 4.
The Transactions of the Linnean Society. Ser. II. Zoo-
logy. Vel. I. P. 4. 4.
Idem. Botany. Serie II. Vol. I. P. 4. 4.
The Journal of the Linnean Soc. Botany. Vol. XV. Nr.
85-88. Vol. XVL Nr. 89-92.
Idem Zoology. Vol. XII. Nr. 64. Vol. XIII. Nr. 65- 7L
List of the Linnean Society. 1876.
Bulletin de la Soc. mathem. T. VI. Nr. 1.
Jahresbericht 7 des naturwiss. Vereins zu Magdeburg.
1877.
Verhandlungen des naturwiss. Vereins von Hamburg. —
Altena. Neue Folge. 1.
Bulletin of the American Geographical Society. Session
of 1876-1877. Nr. 4. New York. 1877. 8.
Monatsbericht der Königl. Pr. Akademie der Wiss. zu
Berlin. Sept. October. 1877.
(37
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
20. Februar. M. 8. 1878.
Königliche (lesellschaft der Wissfnschaften.
Sitzung vom 2. Februar.
Wüfltenfeld, Die Familie el Zubeir. Abth. 2. Tod
des Mag'ab ben el-Zubeir. Arabisch und Deutsch. (Er-
scheint in den Abhandlungüo).
Benfey, Altpersjsch Mazdäh, Zendisch Mazdäonh,
Sanskritisch Medhä's. Eine grammatisch-etymologische
Abhandlung. (Erscheint in den Abhandlungen).
— Mahä'm, Nom. sing., drittes Beispiel.
— Die eigentliche Accentuation des Indicativ Praesentis
von i? »sein« und <fcc »sprechen«.
de Lagarde, Kritische Anmerkungen zum Bache Isaias.
(Erscheint in den Abhandlungen).
J. Petersen in Kopenhagen , Beweis eines Lehrsatzes
betreffend die Integration algebraischer Differential-
ausdrücke unter geschlossener Form. (Vorgelegt von
Schwarz).
Riecke, Mittheilung einer Experimentaluntersuchung
von Carl Schering über Reibungsströme.
Marme, Mittheilungen aus dem pharmacologischen In-
stitut zu Göttingen.
1. Exp. Beiträge zur Wirkung des Pilocarpin von
Prof. Manne.
2. üeber Milchinfusionen von N. Wulfsberg.
3. Untersuchung einer neu importirten afrikanischen
Rinde von N. Wulfsberg.
Lang, Beiträge zur Physiographie gesteinbildender Mi-
neralien. IL
68
Beweis eines Lehrsatzes betreffend
die Integration algebraischer Diffe-
rentialausdrücke bezi ehan g sw e i se
algebrai scher Differentialgleichun-
gen unter geschlossener Form.
Von
Dr. Julius Petersen in Kopenhagen.
Bei der Integration eines algebraischen Diffe-
rentialausdruckes bietet sich die Frage dar:
Welche Gestalt muß ein solcher Ausdruck ha-
ben, wenn es möglich sein soll, das Integral
desselben mittelst algebraischer Functionen und
der Function Logarithmus in geschlossener Form
darzustellen ?
Diese für specielle Fälle von Abel beant-
wortete Frage ist selbst ein specieller Fall einer
allgemeineren.
Erstens kann nämlich an die Stelle der
Function Logarithmus eine endliche, übrigens
beliebig große Anzahl von transcendenten Func-
tionen, treten, welche einzeln oder in Verbindung
mit einander sowie mit algebraischen Functionen
zur Darstellung des Integrals sollen benutzt wer-
den dürfen. Unter dieser allgemeineren Voraus-
setzung wird man gleichfalls berechtigt sein,
von einer Darstellung unter geschlossener Form
zu reden, sobald festgesetzt ist, welche transcen-
denten Functionen neben algebraischen zu einer
solchen Darstellung sollen benutzt werden dür-
fen, wobei dann jede einzelne dieser Functionen
nur eine endliche Anzahl Mal vorkommen darf.
Bezüglich der transcendenten Functionen wird
hierbei die Voraussetzung festgehalten, daß die-
selben einzeln durch algebraische Differential-
gleichungen erster Ordnung erklärt sind, für
60
weiche ein algebraischer integrirender Factor
existirt.
Zweitens kann man an die Stelle der er-
wähnten Integralfunction das allgemeine Integral
einer algebraischen Differentialgleichung erster
Ordnung treten lassen , indem man folgende
Frage stellt : Die Veränderlichen a^, y sind durch
eine algebraische Differentialgleichung erster
Ordnung mit einander verbunden; unter welcher
Bedingung ist es möglich , dem allgemeinen
Integrale dieser Differentialgleichung die Form
u = f[x, y, c) = 0 zu geben, wo c die Con-
stante der Integration bedeutet, während u in
geschlossener Form, d. h. mittelst algebraischer
Functionen und einer endlichen Anzahl gegebener
transcendenter Functionen der vorher erwähnten
Art dargestellt werden kann?
Diese Frage findet durch den im Nachfolgen-
den zu beweisenden Lehrsatz ihre Beantwortung.
1.
Eine algebraische Function eines oder meh-
rerer Argumente wird erklärt als Wurzel einer
algebraischen Gleichung , deren Coefficienten
ganze rationale Functionen der Argumente sind.
Die Abgeleiteten einer algebraischen Function
sind wieder algebraische Functionen der Argumente.
Solche Functionen nun, deren Abgeleitet«
algebraische Functionen der Argumente sind,
mögen hyperalgebraische Functionen ge-
nannt werden. Solche sind z. B, log o;, arc sin jr,
die elliptischen Integrale u. s. w. Die algebrai-
schen Functionen sind hiernach als specielle
Fälle unter den hyperalgebraischen enthalten.
2.
Jede algebraische Differentialgleichung erster
8*
70
Ordnung mit einer abhängigen Variablen w und
n unabhängigen Variablen z;,, v^ ... v„ läßt
sich auf die Form bringen.
(1) d<o^N^dVi-{-N^dv^-\-..-\-N„dvn = 0,
wo JVj, N^ .. Ntt algebraische Functionen
der Größen Vj, v^ . . Vn und w bezeichnen,
welche den bekannten Integrabilitätsbedingungen
genügen.
Die Gleichung (1) bestimmt im Allgemeinen
a> als eine transcendente Function der w Argu-
mente «Jj, ^2 .. Vn- Sind die Größen iV nur von
den Größen v, nicht aber von « explicit ab-
hängig, so ist <ö eine hyperalgebraische Func-
tion der Größen v.
Es bezeichne (f einen integrirenden Factor
für den auf der linken Seite der Gleichung (1)
stehenden Differentialausdruck, und ü bezeichne
die Function von f j, v^ • • v^, o), für welche
die Gleichungen
,^, dU dU ,, du
2) _ = (p; ^--- = <pNi ...—- = g,Nn
erfüllt sind. Während ein Theil der folgenden
Untersuchungen allgemeine Geltung hat, wird
in No. 7 und im Folgenden die besondere
Voraussetzung zu Grunde gelegt, daß es unter
den unendlich vielen integrirenden Factoren
einen gebe, welcher eine algebraische
Function der Größen t',, t;^ ... v„ und o) ist.
3.
Sind die Variablen ü,, v^ .-• v„, von denen
die in No. 2 betrachtete transcendente Function
w abhängt, algebraische Functionen von aude-
71
ren Variablen w^, lo.^ ... w^^, welche anstatt
der Größen ?' als unabhängige Variable betrach-
tet werden sollen, so geht die Transcendente «
in eine Function der Größen v: über.
Ein Ausdruck nun, welcher nur algebraische
Functionen einer oder mehrerer Großen » und
von deren Argumenten w enthält, soll eine
transcendente Function erster Stufe der Grö-
ßen w genannt werden.
Eine transcendente- Function erster Stufe,
deren Argumente w in Bezug auf andere Va-
riable — welche anstatt der Größen «;, als unab-
hängige Variable betrachtet werden sollen, —
selbst wieder transcendeute Functionen erster
Stufe sind, soll in Bezug auf diese neuen Argu-
mente eine transcendente Function zweiter
Stufe genannt werden.
Auf diese Weise können transcendente Func-
tionen beliebig hoher Stufe erklärt werden.
Wenn man eine solche Function betrachtet,
so kann man von vornherein annehmen, 1) daß
keine der in Betracht kommenden Transcenden-
ten sich auf eine niedrigere Stufe reduciren
lasse ; d.h., daß keine dieser Transcendenten
eine algebraische Function von Transcendenten
derselben Art sei, welche sämmtlich von niedri-
gerer Stufe sind als sie selbst und 2) daß die
Anzahl der eingehenden Transcendenten höch-
ster Stufe möglichst klein sei, d. .h. daß zwi-
schen denselben und Transcendenten niedrige-
rer Stufe keine algebraische Gleichung bestehe.
Wären nämlich die unter 1) und 2) angegebenen
Voraussetzungen nicht erfüllt, so ließe sich der
betrachtete Ausdruck in einen anderen und zwar
in einen einfacheren tiberführen, für welchen
jene Voraussetzungen erfüllt sind.
Hieraus ergiebt sich, daß jede algebraische
72
Gleichung zwischen deu erwähnten Transcenden-
teu höchster Stufe und anderen Transceudeuteu
niedrigerer Stufe bezüglich der ersteren iden-
tisch erfüllt sein muß. Wäre dieses nämlich
nicht der Fall, so könnte eine solche Gleichung
zur Elimination einer der Transcendenten aus
dem Ausdruck und folglich zur Vereinfachung
desselben benutzt werden.
4.
Es sei
(3) dy = P, dx, ^P^dx^-i-...-i- P^dxk
eine gegebene algebraische Differentialglei-
chung erster Ordnung. Die Größen P sind also
algebraische Functionen von x^, x^ . . ic/t und y,
welche den Integrabilitätsbedingungen genügen.
Wir nehmen an, es sei möglich, das allge-
meine Integral dieser Differentialgleichung in
die Form
(4) u = f{Xi,x,^ . . x^^ y, «1, 0)2 . . ««) = const.
zu setzen, wo /' eine algebraische Function ihrer
Argumente ist, und die Größen to transceudente
Functionen beliebiger Stufen von x^^ x^ ... x.
und y sind. Mau setze nun
u = F{Xi, a;^ .. Xj., y, m)
indem man eine der Transcendenten höchster
Stufe mit oo bezeichnet und alle übrige Abhän-
gigkeit — insofern nämlich auch die übrigen
Größen w von y und von den Größen x ab-
hängen — , durch das Functiouszeichen F^ be-
zogen auf die Argumente x und y ausdrückt.
{F ist demnach in Bezug auf w eine algebraische
Function).
73
Hierbei wird iudeß der Fall ausgenommen, in
welchem
(5) u = ^, -f ^^-f ...-f w,
ist, wo M, eine algebraische, ^p^, tp^ ••• hyper-
algebraische Functionen sind , während unter
den Argumenten dieser Functionen Transcenden-
ten nächsthöchster Stufe vorkommen können.
In diesem Ausnahmefalle bezeichne eo eine der
vorkommenden Transcendenten nächsthöch-
ster Stufe, so daß m, eine algebraische,
^1, ^2 ••• hyperalgebraische Functionen von ca
sind. In allen Fällen wird also <a in ,— nur
o»
algebraisch und neben Transcendenten von der-
selben oder von niedrigerer Stufe vorkommen
können.
Bei den folgenden DiflFereutiationen soll un-
du .duöFSF ^ ,
ter -r— und .— stets -^- und ^ verstanden wer-
öx^ oy ox^ oy
den, indem dem Zeichen 6 die Bedeutung beige-
legt wird: partielle Differentiation in Bezug auf
eine gewisse Variable insofern diese sich
explicit unter den Argumenten der
Function befindet; wir schreiben also z.B.
du du 6u d<a
dxi dxi dtodx/
Die Bedingungen dafür, daß die Differential-
gleichung (3) durch die Gleichung (4) allgemein
integrirt wird, sind {i = 1, 2 . . . h)
... du ^ du dco , /<Jf< , du d(o\ _
74
Diese Gleichungen sind in Bezug auf die
Transcendente « algebraische Gleichungen ; in
Folge der unter No. 3 getroffenen Voraussetzung
müssen also diese Gleichungen identisch erfüllt
sein. Man darf daher in Bezug auf « differen-
tiiren und erhält
dhi d^u d(o 6u d idca\
6x{d(a d(o^ ' dx^ den den \dx^)
I d^u ö^u dm du 6 /dioy.
\dyd(o da^' dy 6(o 6co\dyfj *
Die linke Seite dieser Gleichung multiplicire man
mit a, einer nachher zu bestimmenden Function
von iCji x^ ... und «/, und setze
du
dann ist
dß I öhi d(o d^u i 6u da
dxi \dft)2 dxi (8xi öco] 6(ti ' dxi
dß I d^u dca , 6^u \ , du da
+ J^) +
dy \ d(o^ dy öy da ' da ' dy '
Bestimmt man nun die Function a durch
die Gleichungen
da d /ö«\ da _ d ida,
^ dXi daydxj' dy da\dyi
( — die Möglichkeit dieser Bestimmung wird
später bewiesen werden — ) so lassen sich die
Gleichungen (7) schreiben, wie folgt:
dy .
oder es ist, wenn wir für Fi _— emsetzeu,
ß = const.
Hieraus folgt: Wenn n die Gleichungen (8) be-
friedigt, so ist ß = c entweder eine Identität,
oder eine neue Form der Integralgleichung
von (3).
Wir wollen jetzt beweisen, daß es immer un-
endlich viele Functionen a giebt, die den Glei-
chungen (8) genügen. Zu diesem Zwecke setzen
wir a = und erhalten , indem x sowohl x.
als y bedeuten kann,
^= dx-^'^öAdx)
d<f> S ,6(0 öt'i ^0» dv^ j^ \
Nun ist aber in Folge der Gl. (1)
dv
also, da die Größen ~- ca nicht enthalten,
ox
dx ^\da dx ^ 6to dx '^ ")
76
Diese Gleichung ist befriedigt, wenn tp ein
iutegrirender Factor von (1) ist, denn man hat
in diesem Falle
d(f^ dcpda d(f dvi ötp dv^
dx dm dx öv^ dx dv,, dx
wo
also
dvi ~ dm ~ ^Uw + ^do)'
dx " dm\dx^ ' dx ^ "" dx ^"J
^ ^\dm dx ^ dm dx ^ ")
mithin, da die Klammergröße des ersten Glie-
des der rechten Seite identisch gleich Null ist
d(p
dx
'^\6m dx'^ dm dx'^")
Ist also (f ein integrirender Factor
von (1), so befriedigt a = - die Glei-
^ (p
chungen (8).
Es ist also der folgende Satz bewiesen:
Wenn die Differentialgleichung
dy = P, dx, -{-P^dx^^...^ TkäXk
mit einer abhängigen Variablen das
Integral
77
u = F(x^, a^j... //, «) == c
oder
V. 4- ^2 + ••• + », = c
hat, wo o) eine der Trausceudenten
höchster beziehungsweise nächsthöch-
ster Stufe ist, so ist
Su
(10) ^ = c,
entweder eine Identität, oder eine
neue Form der Integralgleichung.
Die Bedingungsgleichungen (6) sind in Be-
zug auf « identisch; die Abgeleiteten —- ent-
halten die Integrationsconstante der Function
nicht explicite, sondern nur insofern, als diesel-
ben gegebene Functionen von w sind ; man
kann daher der in öj eingehenden Con-
staute jeden Werth beilegen, ohne
daß «t = c aufhört, eine Integralglei-
chung von (3) zu sein.
6.
Hat u nicht die Form
und ist (10) keine Identität, so hat mau zwei
Formen der Integralgleichung
78
1 du
- . -f— = c, und u = c;
g) 0(0
man muß dann haben
(") ,-•£ = -(«)
wo ^eine unbekannte Function ist. Hieraus folgt
Der Fall, in welchem (10) eine Identität ist,
ist hierunter einbegriffen, indem dann ^(u) eine
Constante wird. In ftp dm ist nur ca als varia-
bel 7Ai nehmen.
Die Größe auf der linken Seite ist eine Func-
tion von w; sei (w) der Werth von «, den wir
aus u = c entnehmen können, so ist
(13) • j,-;^=U'«'»,
SO daß
du
c \w)
Ü)
(14) /(pdco = c
H
eine neue Integralgleichung ist. Die Größe (w)
enthält « nicht, sondern ist eine algebraische
Function der übrigen Transcendenten,
Durch Integration von (1) erhält man
w r, Vi
(15) \<fd<o+i\<fN,-]dv, -^[lcfN,]dv^ f .. = 0,
;: 1 « J «.*
79
wo a, &, c . . beliebige Constanten sind und [cfN/^]
a,b..
bezeichnet, daß a für m, h für r, u. s. w. ein-
gesetzt ist. In Folge dieser Gleichung wird
die Integralgleichung (14)
(16) yfdco -\- \[(pNi\ dv^ -f- • • • = const.
7.
Wir wollen jetzt eine Einschränkung ein-
treten lassen, indem wir voraussetzen, daß es
unter den integrirenden Factoren (p
der Differentialgleichung (1) einen
giebt, der eine algebraische Function
von w, r,, t'2 ••• ist. (Dieselbe Voraussetzung
bezieht sich auf die DiflFereutialgleichuugen, durch
welche die übrigen Trauscendenteu «,• erklärt
werden). In der Bestimmungsgleichung für cd
ü = c
ist dann ü eine hyperalgebraische Function von
0», v^ fj ... Da die Integralgleichung (16) aus
U = c gebildet wird, wenn mau (w) für lo ein-
setzt — (daß man durch diese Einsetzung eine
neue Form der Integralgleichung erhält, ist
auch unmittelbar einleuchtend) — so ist ihre
linke Seite eine hyperalgebraische Function von
(co), v^, V.2 ... Unter diesen Größen kommt «
nicht vor.
Der Integralgleichung kann also in allen
Fällen die Form gegeben werden
(17) V = const.,
80
wo tp eine hyperalgebraisch«^ Fanction ihrer Ar-
gumente ist. (Die Form (5) ist offenbar auch in
(17) enthalten). Ist nun w^- eine der unter dem
Functionszeichen xp enthaltenen Transcendenten
höchster Stufe, so ist
-L ^ _
Vi ' «^«i ~ ^'
entweder eine Identität oder eine neue Form
der Integralgleichung. Das letztere ist nicht
möglich, weil in dieser Gleichung keine neue
Transcendente und auch w nicht mehr vor-
kommt, während vorausgesetzt war, daß es un-
möglich wäre, die Anzahl der in w = c vor-
kommenden Transcendenten höchster Stufe zu
verkleinern. Wir müssen also identisch haben
(18) '£ = c,v,
somit
(19) ip = C»5^e^«» + [V1„_^
WO a eine beliebige Constante ist. Das Integral
läßt sich hier, vermittelst der Bestimmungs-
gleichung für «;• in [t/,]ü,-=a umformen. Es
hat u die Form
beibehalten, aber unter den Argumenten der
Functionen tp kommt w, nicht vor.
81
Wir ersehen hieraus, daß u so lange seine
einfachste Form noch nicht angenommen haben
kann, als noch Transcendenten unter den hyper-
algebraischen Functionszeichen vorkommen ; also :
Wenn eine algebraische Differen-
tialgleichung erster Ordnung mit
einer abhängigen Variablen das Inte-
gral 2<=c hat, wo w durch beliebige
Superposi tion von Transcendenten
der hier besprochenen Art ausdrück-
bar ist, so ist u in seiner einfachsten
Form gleich einer Summe von hyper-
algebraischen Functionen erster
Stufe.
8.
Wir haben bisher nur die Form der Integral-
gleichung u = c betrachtet; wir können aber
beweisen, daß der Fall, in welchem die Integral-
gleichung von (3) die Form
M = f{Xi, x^ ... y, c) = 0
hat, sich auf den betrachteten Fall zurückfuhren
läßt.
Ist nämlich u eine hyperalgebraische Func-
tion, dann ist
du du
dXi'^^idy ^
Wenn c aus dieser Gleichung nicht identisch
verschwindet, so bildet dieselbe eine neue Form
der Integralgleichung; dann hätte aber u nicht
seine einfachste Form; verschwindet aber c iden-
tisch aus dieser Gleichung, so ist (3) auch für
u = Ci befriedigt, und man hat dann, weun
man c einen willkürlichen Werth beilegt, die
früher betrachtete Form.
Ist hingegen
u = F(Xi, x.^ ... «/, «, c) = 0
eine algebraische Function von «, so entnehmen
wir aus der Gleichung u = 0 co = (w) und
setzen den Werth in die Bestimmungsgleichung
von CO U = 0 ein. Wir erhalten dadurch eine
neue Form der Integralgleichung
[»]. = („) = 0-
Da nun U eine hyperalgebraische Function
ist, so ersehen wir, wie im ersten Falle, daß
rm , , == Const.
ebenfalls die gegebene Gleichung befriedigt.
9.
Die gegebene Gleichung war
dy = P, dXi -j- Po.clx» 4" • ••
Aus u = c erhalten wir aber
ist also ein integrirender Factor und aus der
gefundenen Forin von u ersehen wir, daß dieser
Factor eine algebraische Function ist. Wir
können außerdem beweisen, daß eine gewisse
83
Potenz dieses Factors eine rationale Function
der Größen ic, P und y ist.
Es sei uämlich (f fler Factor, so ist
(i = 1, 2, ..A-)
andererseits sei
(22) F=y" + ^iy"~^+^,y"~'^+..4-^„= 0
die irreductible algebraische Gleichung,
welcher y genügt, und deren Coefficienteu ra-
tionale Functionen von j:,, x., .. y, P,. Pj ..
sind.
Man erhält aus beiden Gleichungen
dV ^ dV dVdPi
(23) — . + i',-^ - «^ ^ ^ = 0.
^ ^ dxi oy Off oy
Diese Gleichung hat mit (22) eine gemein-
schaftliche Wurzel; also genügen alle Wurzeln
der Gleichung (22) zugleich den Gleichungen
(23); es sind daher alle Wurzeln y^, y., .. y„
integrireude Factoren. Berücksichtigt man
nun, daß
(24) A^ = ±<fi<Pi •• y«
eine rationale Function von
a^j, x^ •• X]^^ y-i Xj, xo •• x/t
n
ist und daß Y ^n für (f gesetzt den Gleichungen
(21) genügt, so ergiebt sich
84
(25) cp = vx:
Um den integrirenden Factor zu finden, hat
man daher zu untersuchen, ob die Gleichungen
dxi'^ ' dy dy
für einen ganzzahligen Werth von n ein parti-
culäres Integral haben, welches eine rationale
Function der Größen x, P und y ist.
10.
Wenn die Gleichung (3) keinen algebraischen
integrirenden Factor hat, so ist die Integration
derselben unter geschlossener Form vermittelst der
erklärten Transcendenten nicht möglich. Wir
wollen untersuchen, ob es dann nicht einen inte-
grirenden Factor giebt, welcher durch dieselben
Transcendenten ausdrückbar ist.
Geben wir dem Factor die Form
so müssen wir haben
Diese Gleichungen müssen in Bezug auf (b
identisch sein; ditfereiitiiren wir nach w, so
fällt das letzte Glied fort und wir erhalten
Gleichungen, die der Form nach mit den Glei-
chungen (7) übereinstimmen, nur mit dem Unter-
schiede, daß X an die Stelle von u getreten ist;
wir können also schließen, daß
85
1 dl
(27 -V- = c
rp 0(0
eine Identität oder ein Integral der gegebenen
Differentialgleichung ist. Im letzteren Falle
hätte, wie wir eben bewiesen haben, die Diffe-
rentialgleichung einen algebraischen integriren-
den Factor ; im ersteren Falle haben wir
identisch
(28) X = cfifddi
und können dann wie früher vermittelst der Be-
stimmungsgleichuug von at reducireu. Der
integrirende Factor muß also die Form
haben
(29) 6^ = 6^-1+^.+..^
wo die Functionen t// hyperalgebrai-
sche Transceu deuten erster Stufe sind.
Ein Beispiel bietet die lineare Differential-
gleichung dar.
11.
Wir haben der Einfachheit wegen ange-
nommen, daß die gegebenen Größen P algebrai-
sche Functionen von y und den Größen x sind.
Nehmen wir indessen au, daß die Größen P
Transceudeuten beliebiger Stufen sind, so bleibt
unsere Eutwickelung dennoch gültig, wenn wir
überall an die Stelle algebraischer Functionen
von rr, y algebraische Functionen von x, y und
P setzen.
9*
86
12.
Als eiue einfache Anwendung des im Vorher-
gehenden bewiesenen allgemeinen Lehrsatzes er-
giebt sich nun Folgendes:
Es seien P j , P^ . . P^^ algebraische Functio-
nen von X, welche nicht die Ableitungen alge-
braischer Functionen sind ; führt man dann die
Functionen
<^i(^) =fP,dx',
0^{x)^f\dx .. 0^{x) =fP^dx
als Transcendenten ein, so ist es unmöglich, das
Integral
X
fPdx
wo P eine algebraische Function von x bedeutet,
unter endlicher Form vermittelst algebraischer
Functionen, der Functionen </> und ihrer inver-
sen Functionen auszudrücken, es sei denn, daß
(30) JPdx = SSc^,, Ö>^(^^,,) -f X,
wo x und X algebraische Functionen von x
bezeichnen.
Ein sehr specieller Fall dieser Functionen <Z>
ist der Logarithmus.
Wenn es daher überhaupt möglich
ist, ein algebraisches Differential
mittelst algebraischer Functionen
und mittelst der elementaren Trans-
cendenten (log X, iv^, sin X, arc sin x u. s.w.)
87
in geschlossener Form zu iutegriren,
oist diesesnur möglich, wennman hat
(31) r^dx =- 2c^ log x^ + X,
wo X und X algebraische Functionen bezeich-
nen. Man beweist leicht, daß diese alge-
braischen Functionen sich rational
durch X und P ausdrücken lassen.
Jedenfalls lassen sie sich nämlich rational aus-
drücken durch X, F und die Wurzel y, einer i r-
reductiblen algebraischen Gleichung, deren
Coefficienten rationale Functionen von x und P
sind. Durch Differentiation von (31) erhält man
eine Gleichung, welche von y^ und daher auch
von den übrigen Wurzeln y^ . . y^^ der irre-
ductiblen Gleichung befriedigt wird; man kann
daher in den Ausdruck für fPdr für y, jeden
anderen Werth von y einsetzen ; durch Addition
der sodann erhaltenen Gleichungen erhält man
einen neuen Ausdruck für JFdx, in welchem
die Größen y symmetrisch auftreten ; die symme-
trischen Functionen der Größen y lassen sich
aber rational durch x und P ausdrücken.
Hat man auch die ' elliptischen Integrale 11
und deren inverse Functionen eingeführt, so
können in dem Ausdruck fnr fPäx auch Glie-
der von der Form
2c, nix,)
vorkommen. Ungefähr in dieser Form hat Abel
den Satz in einem Briefe an Legendre ausge-
sprochen, (Oeuvres corapl. T. II Pg. 262) jedoch
mit der Einschränkung, daß er nur Trauscen-
denten erst« r Stufe und nicht die inversen Func-
tionen in Betracht zieht. Ein Beweis für die-
88
sen Satz findet sich in Abels Werken nicht; es
ist mir aber von Hrn. S y 1 o w in Fredrikshald
mitgetheilt worden, daß ein solcher in den von
Abel hinterlassenen Papieren sich vorfindet.
Ein Theil der vorstehend mitgeth eilten Unter-
suchungen ist in einem im Jahre 1876 unter
dem Titel : Om Integralregningens Transcendenter
in der Zeitschrift Zeuthen's, 3te Reihe, Ister Band,
pag. 1 bis 9 veröfientlichten Aufsätze des Ver-
fassers enthalten.
Mittheilung aus einer Experimental-
untersuchung über die »Reibungs-
ströme«.
Von
Karl Schering.
(Vorgelegt von Riecke.)
Auf die electrischen Ströme, welche in einem
Leitungsdrahte beobachtet werden, dessen Enden
mit zwei verschiedenen Stellen des Reibzeugs
einer Electrisirmaschine verbunden sind, ist
neuerdings durch die Beobachtungen des Herrn
Prof. Zöllner') die Aufmerksamkeit gelenkt,
welcher die Allgemeinheit des Auftretens dieser
electrischen Ströme nachgewiesen hat.
Die unten mitgetheilten Beobachtungen ha-
ben den Zweck, die bisher nicht untersuchte
Abhängigkeit der Intensität dieser Ströme, von
der gegenseitigen Entfernung der mit einander
verbundenen Stellen des lloibzeugs zn zeigen.
1) Annalen der Physik und Chemie. Bd. CLVIII.
pag. 497—689.
89
Auf Grund dieser Beobachtungen ei'giebt sich
dann eine Erklärung der »Reibungsströme« als
einer Ausgleichung verschieden großer Electrici-
tätsraengen mit gleichem Vorzeichen.
Für die Veranlassung zu der folgenden Unter-
suchung, so wie für die gütige Erlaubnis zur
Benutzung der Instrumente des hiesigen physi-
kalischen Instituts bin ich Herrn Prof. Riecke
zu Dank verpflichtet.
Die Versuche sind auf folgende Weise ange-
stellt: Als Isolator diente eine cylindrische Glas-
walze, nach Art der zu den früheren Reibungs-
electrisirmaschinen gebrauchten. Sie wurde um
eine horizontale Achse vermittelst einer Kurbel
gedreht. Das Reibzeug bildete ein 40°"° breiter
Riemen von weichem Leder, der quer über die
Walze gelegt , isolirt befestigt , und durch ein
Gewicht an dem einen Ende gespannt und so an
die Walze augedrückt wurde. Er berührte diese
in einer Länge von 200 — 300"™. Die geriebene
Oberfläche des Leders war nicht mit Amalgam
präparirt. Oben in den Riemen wurden an
zwei verschiedenen Stellen Stahlspitzen einge-
steckt, und jede derselben mit einem Ende
des Multiplicatordrahtes eines empfindlichen
Wie dem an n 'sehen Galvanometers verbunden,
und dieses mit Fernrohr und Scala beobachtet.
Als allgemeines Resultat ergab sich: Wurde
die eine in das Reibzeug eingesteckte Spitze in
ihrer Stellung ungeändert gelassen, die andere
Spitze dagegen in verschiedenen Entfernungen
von der ersten in den Riemen eingesteckt, in
welchen eine Centimeterscala eingeritzt war, so
nahm mit zunehmender Entfernung der Spitzen
von einander auch die Ablenkung der Nadel des
Galvanometers zu.
Die Berechnung mehrerer Beobachtungsreihen
90
ergab, daß diese Aenderuug der Stromintensität
mit großer Annäheruug analytisch dargestellt
werden kann durch die Formel
I 2/ = ^0^ — Cj aj*
wenn, x die Entfernung der beiden Spitzen auf
dem Riemen von einander, y die Ablenkung der
Nadel in Scalentheilen, c^, c^ positive Constan-
ten bedeuten.
Eine mit dieser Formel innerhalb der beob-
achteten Grenzen gleichwerthige ergiebt die von
Herrn Prof. Riecke vor Kurzem entwickelte:
»Theorie de r ele et r ischen Scheidung
durch Reibung« ^). Die allgemeinen Formeln,
welche sich auf Grund der in dieser Theorie
aufgestellten Differentialgleichungen, für die
electrische Dichtigkeit auf einer cylindrischen,
nicht abgeleiteten, Glaswalze und auf dem Reib-
zeuge, nach w Umdrehungen der Walze, ableiten
lassen, stellen diese Dichtigkeiten dar als ganze
Functionen ntew Gerados der Zeit und dea Ortes
auf der Walze, res]>. dem Reibzeuge, und als
rationale Functionen der Exponentiaifunction
derselben Argumente. Da diese Formeln aber
allgemein keiner directen Prüfung fähig sind,
so erscheint ihre Mittheiluiig dem Zwecke dieser
Experimentaluntersuchnng zu fernliegend. Unter
der Voraussetzung aber, daß die Walze abge-
leitet wird, oder daß wenigstens die durch (w— 1)
Umdrehungen auf der Walze und dem Reibzeuge
erzeugten Electricitätsinengeu, keinen merkbaren
Einfluß haben bei der wten Umdrehung auf die
Differenzen der an den verschiedenen Stellen
des ßeibzeugs befindliehen electrischen Dichtig-
1) M ft-jhriohten : H77. Nov. 3 pag. 701.
91
keiten, können wir die in der eben erwähnten
Abhandlang abgeleiteten Formeln anwenden.
Diese ergeben für die Differenz der electrischen
Dichtigkeiten, also, wenn hierin die Ursache
der Reibungsströme liegt, für eine der Ab-
lenkung y proportionale Größe den Ausdruck:
II y = C,il-e^'^n + C,.xe
C\x
-wenn x die Entfernung der beiden mit einander
verbundeneu Stellen des Riemens bedeutet.
Co ist eine Constante, C'^ und C, sind der Theorie
nach noch von der Zeit abhängig. Die Beob-
achtung zeigt aber, daß schon nach einer ge-
ringen Drehung der Walze die Ablenkung der
Nadel vollkommen constant bleibt. Es muß
also auf dem Reibzeugo sehr rasch in Folge der
Ausgleichung in dem Riemen selbst, von der
die Theorie zunächst noch abgesehen hat, ein
mit der Zeit sich nicht mehr ändernder Zustand
hergestellt werden. Bei den augi-stellten Beob-
achtungen müssen wir also C^ und C, als con-
stant ansehen.
Mit der Formel II stimmt die folgende, ab-
gesehen von Gliedern mit x^, überein :
UI y = B.x.e
Cx
Von diesen Gliedern können wir bei der Be-
rechnung absehen, da die aus der Beobachtung
gewonnene Formel I ergiebt, daß der Coefficient
von x^ nicht einmal auf Zehntel-Scalentheile
einen merkbaren Einfluß hat.
Nach der Formel III sind von den folgenden
sämmtlichen Beobachtungsreihen, 10 berech-
net, indem aus den einzelnen Beobachtungen die
92
wahrschehilicli steil Wertbe von B und C abge-
leitet sind, und aus diesen wieder znr Prüfung
die Werthe von y:
Es bedeutet also:
X die Entfernung der beiden Spitzen auf dem
Riemen von einander, in Millim.
1/ die Ablenkung der Nadel in Scalenth.
Fl die relative Feuchtigkeit | ■, j n.
F2 die absolute ,, f
Fl und JPg sind berechnet aus den Tempera-
turdifferenzen der Thermometer eines August'-
schen Psychrometer, die vor und nach jeder
Beobachtungsreihe abgelesen wurden.
Die Entfernung der Scala vom Spiegel betrug
am Dec. 13, 14 2,54 M,
am Dec. 18, 21, 22 2,37 M,
am Jan. 3, 5, 8 2,70 M.
Zeitdauer einer Beobachtungsreihe 1 Viertel-
stunde, mit Ausnahme von I.
Die Walze wurde in 1 See. einmal herum-
gedreht.
Der Riemen war durch ein Gewicht von
1 K. gespannt.
Die mittlere Abweichung in Procenten, der
beobachteten und berechneten Werthe in den
folgenden Tabellen ist nicht nach der größten
Ablenkung in Scalontheilen, sondern nach der
mittleren Ablenkung berechnet.
93
y = B , X .c~
C.x
I. IL ni. IV. : V.
Dec. 21. Dec. 22. Dec. 22. Jan. 3. ■ Jan. 3.
VI.
Jan. 8.
-5 = 0,11215 0,07318 0,12270 0,36820 0,96460 0,18322
C = 0,002472 ,0.00700 0,002105 0,00305 0,01159 0,001551
jP, = 0,64 0,68 , 0,69 0,70 0,73 0,64
F2= 7,24 7,79 8,90 8,23 9,13 ;9,26
« y y y I y I y y
mm iBeob. I Ber.|!B«ob. | Ber. Beob. |Ber. ilBeob. \ B«r. iBeob. B«r. I B«ob. | Ber.
40
50
60
70
80
90
100
110
3,6
5,0
6,6
7,5
7,i)
9,1
9,5
120 10,2
130 ;!10,7
140 I 11.6
150 |il2,l
160 ,;i2,6
170 113,6
180 1 13,6
190 !!l4,0
200 Itl4,l
210 ; 13,9
220 !il4,7
230 I 15,6
240 15,0
250 .15,2
260 14,6
270 ; 14,6
280 1 14,6
290 !il5,0
300 i|l6,l
2.5
5,2
5,8 4,4:
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7,8
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12,9 11,4
13,3;
13,7 14,0
14,0
i 14,3 13,3
i 14,6
14,9.14,0
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115,3 14,6
15,5'
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1 16,01 17,0
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5,5
6,8
8,1
5,5 4,5 13,4 13,1 23,0
6,1
6,5
7.7 ! 8,3
t
7.8 j 9,9
12,4 11,4
9,3 18,8! 12,8
10.4|
I
11, ei
14,6 14,0
17,8 ; 18,6 -25,1
22,9123,3 26,0
26,9|27,5!j27,8
31,3 81,l| 29,5
24,3;;
i
28,91.
9.8
80,6 14,2
35,7
88,2
16 2!lB,l!l39,4l39,l
30,3
28,8
34,2 29,2 26,7
24,2
21,6
36,9
12,7'[17,5
J13,8jjl7,6
1 ^^^!
'16,9'!
16,8
17,8
16,1
17,0
27,4
24,0
[40,9 ' 41,0
16,6
19,1
10,0
13,6
15,7
18,3
21,2 120,6
23,3
23,6
43,4
43,1
42,6:
43,7
19,8 119,0 24,9
22,9
24,9
26,9
17,5(16,6
27,0 j28,7
28,2 130,3
Mittlere Abweichung
in Scalenth. +0,5 1 +0,7
in Procent. '4,3°; 6,4"
±0,9
7,30
±0,6 ; ±2,1
1,9" 8,5"
±1,0
4,8«
94
X
VII.
Dec. 21.
VIII.
Dec. 22.
IX.
Dec. 22.
X.
Dec. 22.
0,16040
0
0,63
6,66
0,15110
0
0,59
6,28
0,0240
0
0,68
7,79
0,04934
0
0,64
8,44
X
mm
y
Beob. i Ber.
Beob. I Ber.
y
Beob. 1 Ber.
y
Beob. 1 Ber.
40
i
2,0
2,0
60
8,8
9,6
1,2
1,4
2,5
3,0
80
13,6
12,8
8,5
1^1
1,9
1,9
3,9
4,0
100
16,1
16,0
14,6
15,1
2,5
2,4
5,0
4,9
120
17,4
19,2
22,2
18,1
! 3,1
2,9
6,8
6,9
140
24,6
22,5
24,6
21,2
3,5
3,4
6,8
6,9
160
27,2
25,7
27,9
24,2
3,8
3,8
7,5
7,9
180
31,6
28,9
30,4
27,2
4,8
4,3
9,7
8,9
200
34,0
32,1
32,7
30,2
6,1
4,8
10,8
9,9
220
85,0
35,3
34,3
33,3
5,0
5,3
11,8
10,9
240
36,0
38,5
38,0
36,3
6,9
5,8
260
39,6
41,7
36,9
39,3
280
44,1
44,9
88,5
42,3
Mittl. Abweichung
1
inScalenth. +1,4
±2,8
±0,1 !
' ±0,8
in Pro
cent
5,1"
1
),6'»
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1
^
1,8
95
XI.
XII. XUI.
XIV.
XV.
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12,3 22,0
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10,0
21,1
21,5
90
14,2 1
100
1 4,4 1 23,9
22,4
3,0
13,2
11,9
23,3
23,7
110
16,4
120
13,2
17,2|23,3
23,8
3,9
13,2
14,5
25,9
25,0
ISO
20,5'
140
21,8,24,0
25,3
4,4
13,2
13,6
25,8
23,3
150
22,0}
160
15,4
22.2 27,1
26,4
4,2
15,1
17,3
28,7
24,4
170
21,7
1
180
23,2 28,0
27,7
4,8
10,8
18,8
31,6
23,1
190
23,6
200
19,5
23,9 27,7
26,5
5,3
20,9 19,1
31,3
19,9
210
24,7j
1
220
128,2
27,6,
6,3
19,9
33,5 1
16,8
230
'
1
240
20,1
26,7
28,9 i
6,4
1
Jede der angegebenen Größen y ist das Mit-
tel aus 3 bis 5 Ablesungen, nach je 10 Um-
drehungen der Walze bei fortgesetzter und nach
den Schlägen einer Secundenuhr möglichst regel-
mäßig ausgeführten Drehung. Die einzelnen Ab-
lesungen differirten um circa 1 — 2 Scalentheile.
Die Intensität des Stromes zeigt sich auch
96
bei denselben Stellungen der beiden Spitzen und
unveränderter Drehungsgesch windigkeit und Span-
nung des Riemens zu verschiedeneu Zeiten sehr
verschieden ; ein einfacher Zusammenhang mit
dem Feuchtigkeitszustande der Luft läßt sich
nicht erkennen. Es erschien deshalb auch eine
Vervverthuug der 10 berechneten Werthe von JB
und C zur Bestimmung eiuer von der Natur der
an einander geriebenen Körper abhängigen Con-
stanten nicht angemessen, da diese Werthe auch
nach Reduction auf die Tangente des Ausschlags
sich sehr veränderlich zeigten. In den Reihen
VII bis X ergab sich C nicht merklich von Null
verschieden.
Bildet man, um ein Urtheil über die wahr-
scheinliche Richtigkeit der zur Berechnung an-
gewandten Formel III zu gewinnen, die Quadrat-
wurzel aus der Summe der Quadrate der mitt-
leren Abweichungen in Procenten bei den 10
berechneten Beobachtungsreihen, dividirt durch
die um 2 verminderte Anzahl derselben, so er-
giebt sich eine mittlere Abweichung von 6,7 Proc.
Nach dem eben angegebenen ist die aus der
Unregelmäßigkeit der Drehung entspringende
Unsicherheit der Beobachtung, 1 Sealentheil auf
den noch etwas hoch gegriffeneu Mittelwerth von
20 Scalen th. der Ablenkung, d. i. 5 Procent.
Darnach würde also die Abweichung der ana-
lytischen Curve, diese Beobachtungsfehler um
etwa 2 Scalentheile auf 100 übertreffen, und es
kann daher, mit Rücksicht auf die, einer Beob-
achtung sich entziehende Veränderlichkeit des
electrischen Verhaltens der Halbleiter, die For-
mel als eine mit den Beobachtungen hinreichend
übereinstimmende, angesehen werden. Einige
der Beobachtuugsreihen" sind in der beigefügten
Tafel graphisch dargestellt.
97
Der Maximalwerth , welchen y für x =
annimmt, ist nur in den unmittelbar nach einan-
der angestellten Beobachtungsreihen V und XIX
beobachtet.
Die Richtung des Stromes stimmte immer
mit der von Professor Zöllner beobachteten
überein. Bezeichnet man dasjenige Ende des
Reibzeugs, welchem sich bei der Drehung, noch
nicht geriebene Stelleu der Walze nähern, als
die vordere Kante (T') das andere Ende als
die hintere (H) (eine Bezeichnung, die sich un-
mittelbar ergiebt, wenn man sich die Drehung
der Walze durch eine Bewegung des Reibzeugs
in entgegengesetztem Sinne um die feste Walze
herum ersetzt denkt), so ging der Strvm rtn der
binteren iiir TordereD kante.
Bei den sonst angestellten Beobachtungen der
Reibungsströme wurde die Electricität des Isola-
tors nicht abgeleitet. Geschieht dies aber durch
einen Saugkamra , so ist die Intensität des Rei-
bungsstromes weit stärker, verglichen mit der
unmittelbar vorher beobachteten bei Nicht-
ableitung der Walze. Die Abhängigkeit von
der Entfernung der Spitzen wird aber dadurch
nicht geändert, wie die Beobachtungsreihen III,
IV, V, XVI, XVII, XIX zeigen, die bei Ablei-
tung der Walze beobachtet sind.
Diese Beobachtung führte zu einer besonde-
ren Untersuchung des Vorzeichens der auf dem
Reibzeuge befindlichen Electricität. Es wurde
zunächst jedes Ende des Reibzeugs mit einem
Goldblättchenelectroscop verbanden, die Walze
gedreht und dann die Electricitiiten geprüft. Das
mit der vorderen Kante des Lederriemeus ver-
bundene zeigte immer eine größere Menge Elec-
tricität an, und immer negative. Das andere
98
aber mit der hinteren Kante verbundene war in
den meisten Fällen, wenn die Walze nicht ab-
geleitet wurde, mit positiver Electricität ge-
laden (übereinstimmend mit den Beobachtungen
des Herrn Prof. Zöllner). Wurde aber die Walze
abgeleitet, so verschwand auch, mit Ausnahme
einer Beobachtung, die -f-El. auf der hinteren
Kante des Reibzeugs , und das Electroscop gab
— au. Da aber bei der Beobachtung mit den
Electroscopen die Möglichkeit nicht ausge-
schlossen war, daß diese Influenzelectricität zwei-
ter Art von der Walze enthielten, so wurden
diese Beobachtungen auch mit Hülfe des Galvano-
meters angestellt.
Es sei der Kürze halber mit [i/, G, V] die Ver-
bindung der hinteren Kante oder der, der hinteren
Kante zunächst eingesteckten Spitze, mit dem Gal-
vanometer und der vorderen Kante bezeichnet; die
Richtung der bei dieser Verbindung beobachte-
ten Ablenkung der Nadel bei Drehung der Walze
sei die positive. Es wurde dann die Verbindung
der vorderen Kaute mit dem einen Ende des
Galvanometerdrahtes gelöst, und dieses Ende, so
wie die vordere Kante , jede für sich, mit der
Erde in leitende Verbindung gesetzt, dagegen
blieb die Verbindung der hinteren Kante mit
dem Galvanometer ungeändert. Verbindung
[JB, (x, E]. Die bei der Drehung der Walze
dann beobachtete Ablenkung war dann also eine
Wirkung der von der hinteren Kaute abströ-
menden Electricität, und ifwar mußte das Vor-
zeichen derselben -j- sein, wenn die Ablenkung
der Nadel bei gleicher Drehungsrichtung wie
bei der Verbindung [i/, 6r, V\ in gleichem
Sinne geschah, und — , wenn der Sinn der Ab-
lenkung entgegengesetzt war. In dieser Weise
ergaben zwei Beobachtungsreihen, bei denen die
99
Walze nicht abgeleitet wurde, auf der hiuteren
Kante -f" Electricität, dagegen 9 andere, bei Ab-
leitung der Walze, auf dem ganzen Reibzeuge
— Electricität. Wurde die Walze abwechselnd
abgeleitet, und nicht abgeleitet, so trat auch so-
fort bei der Verbindung [H, G^E\ ein Wechsel
in dem Sinn der Ablenkung ein.
Es möge noch folgende Beobachtungsreihe
mitgetheilt werden, aus welcher der electrische
Zustand auf dem Reibzeuge leicht ersichtlich ist.
Es wurden die Ablenkungen bei den beiden Ver-
bindungen [K G, V\ und \H, G, E\ nach
einander beobachtet und abwechselnd in einer
Entfernung =: 240™™ der beiden Spitzen, und
in einer variablen Entfernung x ausgeführt, wo-
bei die Spitze au der vorderen Kante immer in
ihrer Stellung uugeändert gelassen wurde.
1878. Jan. 10
3h 45m_5h Qm
Entf. d. Scala v. Spiegel: 2,70 M.
Walze abgeleitet.
£ Entf. d. Spitz. »
Entf.
^. = 240™'° ^
der
Verbindung :
DiflFerenzen:
_j Verbindung: -g
Spi-
6 I. II. o
tzen.
ni. IV.
i-m. : n-iv.
►g;H,G,V H,G,E^
X
H,G,V H,G,E
1
Ablenk in j
Scalenth. !
Ablenk, in
Scalentheilen.
1
13,2
— ll.l 2
40
1,3
—17,7: 11,9
6,6
3
14,5
-13,2: 4
60
5,1
—19,9 9,4
6,7
5
13,8
—14,2 6
80
6,7
-17,9;
7,1
3,7
7
11,9
-14,3' 8
100
6,4
-18,2|
5,5
3,9
9
10,7
-I5,2|il0
120
6,7
-i8,d
-18,5|
4,0
2,8
11
9,4
-16,312
140
6,9
3,5
2,2
13
8,6
—16,2! 14
160
5,8
—17,7:
2,8
1,5
15
7,7
— 16,1|16
180
•6,4
-17,5!
1,3
1,4
17
6,9
-16,l!!l8
200
6,6
-I6,4l
0,3
0,3
Die Differenzen (I— III) sind proportional
den Intensitäten der Reibungs-ströme für die
10
100
EntferBUDgeii [240 — x] der beiden Spitzen. Sie
befolgen wieder das oben angegebene Gesetz.
Die algebraischen Differenzen II — IV sind pro-
portional den Unterschieden der — electrischen
Mengen auf dem Reibzeuge an denjenigen Stel-
len, in welche die um [240 — cc] entfernten
Spitzen eingesteckt sind. Diese Differenzen
ändern sich in demselben Sinne wie die Inten-
sitäten der Ströme. Es weist also diese Beob--
achtung unmittelbar darauf hin, daß in die-
sen Strömen diese Differenzen der — electri-
schen Mengen sich ausgleichen. Die Spalte I
zeigt ferner, daß während der Zeit von 75 Min.
die Intensität des Stromes abnahm, während
nach Spalte U, die — electrische Menge an der
hinteren Kante zunahm. Es mußte also die
Differenz der Electricitäten an der vorderen
und hinteren Kante kleiner werden.
Die Beobachtung hat also die Resultate er-
geben :
Für das Entstehen der »Reibungsströme« ist es
unwesentlich, ob die Electricität des Isolators
abgeleitet ist oder nicht, ebenso unwesentlich
das Auftreten entgegengesetzter Electricitäts-
mengen an den beiden Enden des Reibzeugs.
Die Electricität des Isolators, welche bei
Nichtableitung desselben an der hinteren Kante
des Reibzeugs auftreten kann, ist von dem Iso-
lator auf das Reibzeug übergeleitet oder wirkt
influenzirend auf die hintere Kante des Reibzeugs
ein, so daß diese, wenn abgeleitet, die Electrici-
tät des Isolators angeben kann.
Bei Ableitung des Isolators, bilden die »Rei-
bungsströme« die Ausgleichung der Differenzen
verschieden großer aber gleichartiger electrischen
Mengen auf dem Reibzeuge.
Die Intensität dieser Ströme (y) läßt sich
101
darstellen als Function der Entferunng (x) der
beiden mit einander verbundenen Stelleu des
Reibzeugs, durch die Formel:
Diese letzteren Resultate stimmen also mit
den von Herrn Professor Riecke theoretisch
gewonnenen übereiu.
Göttingen 1878 Jan. 24.
Anmerkung:
Herr Professor Riecke hatte die Gilt«, mich
von einem in diesen Tagen eingelaufenen, an
ihn gerichteten Brief von Prof. Riess Kennt-
niß nehmen zu lassen. Es wird hierin der von
Herrn Prof. Zöllner angestellte Versuch er-
wähnt, in welchem an den entgegengesetzten
Rändern eines Reibers durch ein Electroscop
entgegengesetzte Electricitäten angezeigt werden.
Prof. Riess fährt dann fort:
»Diesen Versuch habe ich seiner Zeit wieder-
»holt und gefunden, daß er bei sorgfältiger Au-
fstellung nicht gelingt; beide Ränder geben
»dem Electroscope dieselbe Electricität, näm-
»lich die, welche der Reiber besitzte.
»Berlin, 27. Januar 1878«.
10 =
102
Mittheilungen aus dem pharmacolo-
gischen Institut der Universität
Göttingen.
Von
Professor Manne.
I. Experimentelle Beiträge zur Wir-
kung des Pilocarpin,
von
Prof. Marme.
Die "Wirkung des Pilocarpin, des Alcaloids
aus den Folia Jaborandi, den Blättern der
brasilianischen Rutacee, Pilocarpus pinna-
tus, welche Coutinho 1874 nach Paris
brachte, ist von sehr vielen Seiten theils an
Menschen, Gesunden wie Kranken, theils an
Thiereu untersucht worden. Die Ergebnisse der
verschiedenen Forscher stimmen darin überein,
daß das Pilocarpin subcutan applicirt oder intern
genommen , nicht nur eine ungewöhnliche
Seh weiß- und Speichelsecretion, sondern
auch eine aufiFallende Vermehrung der meisten
anderen Secretionen hervorrufen kann.
Hinsichtlich dieser letzteren zeigen die Angaben
der verschiedenen Autoren nicht unerhebliche
Differenzen. Da nun ein Theil dieser Contro-
versen und auch einzelne Fragen hinsichtlich
der beiden ersteren Secrete sich der experimen-
tellen Prüfung zugänglich zeigten, haben wir
eine Reihe von Versuchen an verschiedenen
Thieren angestellt, deren Veröffentlichung wir
uns gestatten, weil sie neue Thatsachen ergeben
und manche scheinbare Widersprüche verschie-
dener Autoren, wie wir hoffen, in befriedigender
Weise aufheben.
103
Das von uns benutzte krjstallinische Pilo-
carpinum muriaticam hatte Herr E. Merk in
seiner bekannten Liberalität die daukenswerthe
Güte dem Institute zur Verfügung zu stellen.
Die Secrete, deren Vermehrung durch Pilo-
carpin wir genauer verfolgt haben, sind:
1. Die Sduceißsecretion^).
Die ausgezeichnete hydrotische Wirkung des
salzsauren Pilocarpin , die sich beim Menschen
auf die subcutane Application von 0,02 in der
Regel 10 — 25, seltner schon 5 und nur aus-
nahmsweise erst 60 Minuten nach der lujection
geltend macht, ist allgemein anerkannt Wäh-
rend aber Vul p i a n *) nur die peripheren Enden
der Schweißfasern als AngrifFspuncte des Pilo-
carpin ansieht, hat Luchsinger dem Alcaloid
außer der peripheren auch eine centrale Erre-
gung der Schweißsecretion vindicirt ^). Während
bisher allgemein angenommen war, daß das
Atropin die Wirkung des Pilocarpin auf die
verschiedenen Secrete aufhebe, haben Langley*)
1) Ich muß hier bemerken, daß meine sämmtlichen auf
die Schweißsecretion bezüglichen Experimente ausgeführt
waren, ehe mir die von Luchsinger im Octoberheft
1877 des Archivs f. d. ges. Phys. veröffentlichten fast
ganz gleichen Versuche bekannt wurden. Xach Kennt-
nißnahme der letzteren war es mir natürlich wünschens-
werth die doppelten Angriffspuncte des Pilocarpin für
ein zweites Secret nachzuweisen, was mir namentlich für
die Thraenensecretion mit meist viel eclatanterem Er-
folge gelungen ist.
2) Vulpian Gaz. hebd. IL S. T. XII 1875 p. 81
u. 82.
3) Luchsinger Archiv f. d. ges. Physiol. 1877.
Bd. XV S. 482-492.
4) Langley Journ. of Anat. and Physiologie XI
p. 173 1876 and Studies from the phys. Lab. of Cam-
bridge 1S77 P. III S. 43.
104
uud Luchsinger gefunden, daß die sogenannte
lähmende Wirkung des Atropin durch noch
größere Mengen Pilocarpin wieder überwunden
werden kann. , -rr , i n
Die neueren physiologischen Untersuchungen )
über die secretorischen Schweißfasern und deren
Centrum eröfineten die Möglichkeit experimen-
tell zu entscheiden von welchen Theilen des
Nervensystems aus das Pilocarpin die Schweiß-
drüsen in Thätigkeit versetzt.
Katzen, (junge von 1700-2280 Gm. Kor-
pergewicht am leichtesten, aber auch alte, wenn
die Hornschicht an den Pfoten durch warmes
Baden entfernt ist) schwitzen an den imbehaarten
Theilen der Pfoten meistens sehr leicht aut ge-
wisse Eingriffe. Unsanftes Anfassen, Anbinden,
Kneifen des Schwanzes rufen Schweißsecretion
an den genannten Theilen hervor. - Ihiere
die auf diese Reize noch nidbt oder nur sehr
schwach mit Transpiration reagiren so wie auch
solche Thiere, deren Großhirn außer Function
gesetzt ist, können in der Regel durch folgende
Von Luchsinger und Kend all angegebene
Reize a. höhere Temperatur (Aufenthalt in ei-
nem auf 60-70<>C erwärmten Brutofen), b. In-
iection von 45° C warmer verdünnter Kochsalz-
iösung in eine Vena lugul ext. , c vorüberge-
hende Unterbrechung der Respiration , d. Ver-
g^ung mit Nicotin zu reichhcher Diaphorese
veranlaßt werden. __ .
Hatte Luchsinger bei jungen Katzen einen
Ischiadicus durchschnitten und dann die unter
5>Kendall und Luchsinger Archiv f. d. ges.
Phyll 1?76 XIII S. 212 u^ XIV «r.^f '^«V'u Cen
Tahresb v. Hofmann u. Schwalbe 1876 V.u. oen
S ?: d med. W. 1878 No. 1. Nawrocki Centralb.
1878 No. 1 u. 2 und LuchBinger cbend. ^o. 8.
105
a — c. geuauuteu Reize applicirt, so sah er immer
uur an den drei unverletzten Pfoten Schweiß
erscheinen. Reizte er nun aber den peripheri-
schen Stumpf des Ischiadicus electrisch, so
schwitzte auch die operirte Pfote, Die Secretion
dieser Pfote zeigte sich wesentlich unabhängig
von jeglichen Circulatiousverhältnissen, sie trat
sogar noch in den ersten 15 — 20 Minuten nach
der Amputation des Beines ein. Injicirte Luch-
sing er einer Katze, deren N. Ischiadicus an ei-
nem Beine durchschnitten war, subcutan 0,01
Pilocarpin, so trat au allen 4 Pfoten Schweiß
auf. Sechs Tage nach der Operation rief die-
selbe Menge des Alcaloids an der operirten
Pfote keinen Schweiß mehr hervor.
Dieselben Experimente haben wir an einer
großen Zahl von jungen und alten Katzen an-
gestellt. Den N. Ischiadicus hatten wir entwe-
der einfach durchschnitten oder wir hatten ein
Stück von 1 Cm. Länge aus dem N. excidirt.
Immer trat schon nach subcutaner Application
von 0,004 Pilocarpinum Schweiß an den gesun-
den und etwas später an der operirten Pfote
auf. Diese eigeutkümliche Wirkung des Pilo-
carpin trat nicht unr gleich nach der Operation,
sondern (bei an jedem dritten Tage vorgenom-
mener Prüfung) bis gegen Ende der zweiten
Woche ein. Die Schweißsecretion erfolgte selbst
dann noch, wenn an dem Metatarsaltheil des
operirten Beines ausgebreiteter Decubitus sich
etablirt hatte. Bedingung für die längere Fort-
dauer des Schweißvermögens an der operirten
Pfote ist eine sorgfältige Behandlung der klei-
neu Wunde und eine gute, reichliche Ernährung
und Pflege des Thieres. Schlecht genährte und
schwächliche Thiere sch^vitzten schon zu Anfang
k
106
der zweiten Woche selbst auf größere Dosen
von Pilocarpin nicht mehr.
Wenn die subcutane Application von Pilo-
carpin an dem operirten Beine keine Schweiß-
secretion mehr veranlaßt, pflegt auch der mo-
torische Theil des peripheren Ischiadicus voll-
ständig gelähmt zu sein.
Bei einem von unseren Versuchsthieren konn-
ten wir selbst zwei Monate nach Durchschnei-
dung des Hüftnerven durch Pilocarpin die be-
treffende Pfote in Transpiration versetzen. An-
fangs November 1877 hatten wir den Ischiadicus
durchschnitten und die Wunde sorgfältigst ge-
schlossen. Im Januar 1878 demonstrirte ich
bei Gelegenheit eines Vortrages über Pilocarpin
die Wirkung auf die operirte Pfote. Als das
noch zu anderen Versuchen benutzte Thier spä-
ter secirt wurde , fanden wir die Schnittfläche
des Ischiadicus verwachsen. Electrische Reizung
oberhalb der vernarbten und verdickten Schnitt-
stelle hatte keine Einwirkung auf die Musculatur
des Beines, Reizung unterhalb der Narbe ver-
setzte die betreffenden Muskeln in tetanische
Contraction. Hier waren durch einen günstigen
Heilproceß sowohl die motorischen wie die secre-
torischen Fasern des peripheren Theils des Ischia-
dicus, obgleich vom Centrum getrennt, vor De-
generation bewahrt geblieben.
Wir haben auch andere Diaphoretica mit dem
Pilocarpin verglichen. Injicirten wir Campher
in Oel gelöst subcutan oder Liquor Ammonii
acetici, so trat bei den Versuchsthieren, so lange
sie ganz unverletzt waren, an allen vier Pfoten
Schweiß auf. Nachdem aber ein Ischiadicus
durchschnitten war, erregten die genannte^ Hy-
drotica nur mehr an den nicht operirten Pfoten
Schweißsecretion.
107
Die secreto rischeu Schweißfasern für die Hin-
terpfote verlaufen, wie unabhängig von einander,
Luehsinger in Zürich und Ostroumow in
Moskau fanden, im Bauchstrang des Sympathicus
und gelangen aus diesem in den N. Ischiadicus.
In den Bauchsympathicus treten sie nach Luch-
singe r aus den vier ersten Wurzeln des Len-
denraarks und den zwei bis drei letzten Wur-
zeln des Brnstraarks. Durchschnitt Luchsin ger
das Rückenmark zwischen 8. und 9. Brustwirbel,
so bekam er durch die früheren (a. — c.) Keiz-
mittel gleichwohl noch Schwitzen an den Hin-
terpfoten, dieses blieb aber constant aus, sobald
er diesen hinteren Abschnitt der Medulla aus-
gerottet hatte, ohne daß an dem Transpirations-
vermögen der Vorderpfoten sich etwas geändert
hätte. Nach Luchsinger befindet sich dem-
nach das Schweißcentrum für die Hinter-
pfoten in dem unteren Theile des Brust-
marks und oberen Theile des Lende n-
marks. Dieses Schweißcentrum konnte er durch
die genannten Reizmittel in Action setzen. Daß
in diesen Fällen die Schweißsecretiou nicht auf
reflectorischem Wege zu Staude kam , bewies
Luchsinger durch folgende Versuche. Es
wurde bei jungen Katzen das Rückenmark zwi-
schen 8. und 9. Brustwirbel getrennt, der hin-
tere Abschnitt durch Abtragen der Wirbelbogen
bis zum Abgang der Sacralwurzeln bloßgelegt,
die dura mater eröffnet und die hintereu Wur-
zeln sämmtlich auf beiden Seiten durchschnitten,
endlich die Wunde sorgfältig geschlossen. Nach
zwei Stunden wurde das Thierchen , eingehüllt
in Watte in den Brütofen gesetzt; es trat auch
jetzt deutliches Schwitzen an den Hinterpfoten
ein. Nun wurde jenes vorher begrenzte Mittel-
stück des Marks gänzlich entfernt, das Thier
108
nochmals in den Brütofen gesetzt. Während
die Vorderpfoten wieder in Schweiß geriethen,
blieb die Secretion an den Hinterpfoten aus.
Nawrocki, der im Januar dieses Jahres
ähnliche Versuche veröffentlicht hat , ist zu et-
was anderen Resultaten gekommen. Er bestä-
tigte den Verlauf der Schweißfasern (für die
Hinferpfoten) in dem Bauchstrang und Ischia-
dicus, fand dann aber, daß diese Fasern zwar
in der Höhe der 4 oberen Lendenwirbel und
der 2 unteren Brustwirbel das Mark verlassen,
aber nicht in diesem Abschnitt, sondern in der
Medulla oblongata ihr Centram erreichen. Wenn
er die Medulla am 10. Brustwirbel durchschnitt,
blieben in seinen Versuchen die Hinterpfoten
immer trocken, während die Vorderpfoten reich-
lich schwitzten. Das Resultat blieb dasselbe,
wenn die Durchschneidung am 9., 7. und 5.
Brustwirbel ausgeführt worden war.
In unseren Versuchen sind wir zu denselben
Ergebnissen wie Nawrocki gekommen. Nie-
mals sahen wir an den Hinterpfoten Schweiß-
auftreten , wenn wir das Rückenmark in der
Höhe des 9. Brustwirbels durchschnitten hatten.
Die Hinterpfoten blieben an dem Tage der Ope-
ration wie auch an den folgenden trocken, wäh-
rend die Vorderpfoten schwitzten, wenn wir die
Thiere Reizmitteln unterwarfen. Es war hin-
sichtlich des Erfolges ganz gleichgültig, ob wir
die Thiere kurze Zeit nach der Operation oder
erst an den folgenden Tagen auf ihr Schweiß-
vermögen prüften ').
Auch wenn wir solchen Thiei^en Campher
1) Die Versuche gelingen am besten, wenn die Daroh-
schneidungen des Rückeuinarks an verschiedenen Stellen
an verschiedeuefD Tagen ausgeführt werden.
109
ßubcutau beibrachteu, blieb der Erfolg unverän-
dert. Wenn wir ihnen aber statt dessen Pilo-
carpin, muriat. injicirten, trat Schweißsecretion
an allen 4 Pfoten auf.
Luclisiuger und Nawrocki haben auch
die Schweißfasern der Vorderpfoten verfolgt.
Ersterer hatte in seinen citirten Arbeiten nur
angegeben, daß dieselben in den Brachialnerven
bei Hunden und Katzen verlaufen und daß Rei-
zung dieser Nerven, wie auch schon Gölte ge-
sehen, häufig starke Schweißsecretion an den im-
behaarten Theilen der Pfote zur Folge hatte.
Nachdem dann Nawrocki 1. c. seine Versuche
kurz veröffentlicht und als Endresultat mitgetheilt
hatte, daß das gemeinschaftliche Schweißcentrum
für Vorder- und Hinterpfoten in der Medulla
oblongata liege, ferner daß die Schweißfasern
für die Vorderpfoten das Rückenmark am 4.
Brustwirbel verlassen , hierauf im Bruststrang
nach dem G. stellatum verlaufen, weiter in den
Plexus brachialis übertreten und schließlich bald
im Medianus , bald in diesem und im Ulnaris
nachgewiesen werden können, machte Luch sin-
ger folgende fast gleichlautende Angaben, Cen-
tralbl. 3. S. 36. „Die Schweißfasern der Vor-
derpfoten stammen wie jene der Hinterpfoten
aus dem Rückenmark. Sie verlassen dasselbe
nicht mit den sensiblen und motorischen Fasern
des Beines, sie verlaufen vielmehr genau gleich
wie die entsprechenden Gefäßnerven (Schiff,
Cyon) durch die Bahnen des Sympathicus.
Durchschneidet man einer Katze den Grenzstrang
unter dem Sternganglion, so ist auf der entspre-
chenden Vorderpfote weder durch Hitze, noch
Dyspnoe Schweiß hervorzurufen. Reizt man un-
ter passenden Bedingungen jene von hinten her
in das Sterngangliou führenden Fasern des Grenz-
110
Strandes, so tritt dagegen wiederum Schwitzen
Ä Cderpfote ein. Von dem SterngangUon
gelangen die Schweißfasern in mehreren Zweigen
?um Plexus brachialis, die Fasern für die ulnare
Seite verlaufen weiter im N. ^^^^^'\f^\ ^f^
die radiale Seite im N. medianus". Ueber das
Centrum dieser Fasern l^^t Luchsm ger m der
vorläufio-en Mittheilung nichts ausgesagt und
Tch an seinen früheren Angaben -cht« g^^/^;^
Wenn wir bei unseren Thieren ^^s Rucken-
mark in der Höhe des ersten B^fj/^^/^t'-
schnitten, sahen wir nachher weder die Vordei
Pfoten noch die Hinterpfoten Schweiß secerniren,
oS^^^ vorher reichlich geschwitzt hatten.
GleLh negativ fielen die Versuche aus, wenn wir
nach der Operation Carapher apphcirten. So-
bald wir aber Pilocarpin subcutan injicirten, tra-
ten an allen Pfoten sehr rasch Schweißperlen
'^ wSiend die bisherigen Experimente die pe-
ripherischen Theile der Schweißfasern a s An-
Sunkte des Pilocarpin erscheinen lassen
feweTsen die folgenden in Uebereinstimmunj mit
LiTchsinger 1 c, daß sie es nicht allem sind ).
Zunächst wnrde eine .^^^^r ge ori^^^^^^^^
chealkanüle eingelegt (siehe Seite ^19);^^^ ku^;^^
lieh Respiration unterhalten, dann das Thier mit
Turare schwach vergiftet; drittens die vier großen
HalLrt rien 0 unterbunden, daß beide Subclavia«
Seht an ihrem Ursprung verschlossen waren,
V ertens wurde die Abdominalaorta oberhalb der
Ihaca communis unterbunden und nun Pilocarpin
l) Zu diesen Experimenten haben wir ältere Thiere
1/ iMB 2 Jahren immer vorgezogen und solbstver-
von V« biB 2 Ja^re^^^^»; . %^^^^ die Section uns
ständhch nach je^e^J^J ^Unterbindungen, anderseits
tÄ^chfeidTn^r vollständig gelungen waren.
111
ins subcutane Bindegewebe injicirt. Es trat an
allen vier Pfoten Schweißsecretion auf und au-
ßerdem auch Speichel- und Thränenfluß. An
den Vorderpfoten erschien der Schweiß zuerst,
(etwa 2 Minuten), an den Hinterpfoten etwas
später (4 — 6 Minuten nach der Injection) in all-
mählich größer werdenden Wassertropfen, die
wie Perlen auf der bis dahin trocknen Haut
lagen. Natürlich hatten wir vor der Injection
die sämmtlichen Pfoten nicht nur gut getrock-
net, sondern auch die Schweißdrüsen durch wie-
derholtes Pressen vollständig entleert. Später
als der Schweiß erschienen Speichel und Thräneu.
In einem Experiment fing der Speichel erst 16
Minuten nach der Injection an aus dem Munde
zu träufeln, während die Thränen schon einige
Minuten früher über die Lider tropften. Bei
einzelnen Thieren folgte auf eine wiederholte
Gabe von Pilocarpin auch Entleerung theils fe-
ster, theils flüssiger Faecalmassen. Nachfolgende
Atropininjectiou kleiner und selbst größerer Do-
sen, die bei ungestörter Circulation die Schweiß-
secretion rasch sistirt, hat hier kein entscheiden-
des Resultat ergeben. Die Secretionen schienen
danach geringer zu werden und hörten allerdings
nach einiger Zeit auf. Das letztere ist aber
wegen der Arterienligatur auch ohne Atropin
relativ früh der Fall. Eine Einwirkung auf die
Iris ist dabei nicht sicher zu constatiren da, wie
Kußmaul *) bereits betont hat , durch die Unter-
bindung der flalsarterien leicht eine Reizung
von Sympathicusfasern gegeben wird , in Folge
deren eine Erweiterung der Pupille bis zu einem
gewissen Grade eintritt.
Da diese letzteren Experimente noch darüber
1) Kuß maul, Verhandl. d. ph. med. Ges. zu Würz-
bnrg VI. S. 16 (1856).
112
im Zweifel ließen, ob das Pilocarpin auf das
in der Medulla oblongata gelegene Schweiß cen-
trum X abgeseheS von ihren periphenschen
Endnngen auf die von ihm ausgehenden theils
^Rückenmark, theils im Sympathicus yerlau-
fendtsreißfkserneinwirkMtem^^^^^^^
^wai Tf^ihen von Versuchen an. in der ersten
Ee J^Äs^nitten wir spontan -hwjtze'.den
Thieren erst das Rückenmark m der Hohe to
6 B ustwirbels, stillten die Bl»t"»f. ""^^^^dem
sen die Wunde mit größter Sorgfalt. Nachdem
dSe Thiere sich erholt, überzengten wir uns, daß
an den Hinterpfoten kein Schweiß .u erzielen
war nnterbanden darauf die Ihaca commun ,
rehlössen rasch die "eine Bauchwnnde und in^-
rirten subcutan Pilocarpin. An den Hinterpto
ten trat Sh jetzt kein Schweiß auf, wahrend
Z Vorderpfotin mohlich schwitzten und sich
Sneichel- und Thränenträufeln einstellte, l" «"
die lUaca communis. «J^i'^n subcuten P.locar-
t-t:« KÄS., d,. M«.".. K-
len, wu HU g„„:pVip1. und Thranenfluß ver-
'~TrhS lud t bei der Sectiou stete
ursaeht hatte , ^'7 j'^rt^iengebiete begegnet,
einer Anomalie in dem Arterie | j^ »/„j^t,
SdÄ^i^^^anr»- dir^t aus dem Arcus
und iruncus duu j . , • j- jjach emem re-
^J^rge^^ÄamSetichineinforamen
113
intervertebrale eiusenkte') Naclideiu uns diese
Anomalie wiederholt das erwartete Resultat des
Versuchs vereitelt hatte, spritzten wir, um des
Erfolges sicher zu sein, dem Versuchsthier nach
Unterbindung der großen Halsarterien kalt gesät-
tigte Lösung von Indigoschwefelsaurem Natrium
in die Vena Ingularis ext. bis zur Blaufärbung
der Hautdecke und verwertheten das Thier nur
dann zu den beschriebenen Experimenten, wenn
die Conjunctivae sich nicht blau gefärbt hatten ^).
In den beiden letzteu Versuchsreihen hätte
das Pilocarpin auf die Schweißfasern zwischen
Centrum und Peripherie einwirken können und
müssen , um Transpiration zu veranlassen. Es
trat aber kein Schweiß auf. Mir müssen also
annehmen, daß das Pilocarpin, wenn es
nicht zur Peripheri e der Schweißfa-
sern gelangen kann, von dem Schweiß-
centrum aus Diaphorese veranlaßt.
Ob das Pilocarpin auf die peripheren Enden
der Schweißfasern selbst einwirkt oder auf Gang-
lien , die Langerhans in der Umgebung der
Schweißdrüsen gesehen haben will, müssen wir
vorläufig unentschieden lassen ; wünschen aber,
daß die von Luchsinger angekündigte Unter-
suchung über das Verhalten der Schweißfasern
zu dem Schweißdrüsen -Epithel recht bald die
erwünschte Aufklärung bringen möge.
Der von Katzen an den nackten Partien der
Pfoten secernirte Schweiß, mag er spontan oder
1) Diese Gefaßanomalie erklärt die schon von Luch-
singer gemachte Beobachtung, daß Katzen bisweilen trotz
Unterbindung der 4 Halsarterien fortathmen.
2) Mit Hülfe dieser Tinctionsmethode kann man sich
leicht überzeugen, daß nicht nur (wie bekannt) bei Hun-
den, sondern, daß auch bei jungen Ziegen die Unterbin-
dung der 4 großen Arterien am HaLae die Blutzufuhr
zum Gehirn nicht völlig abschneidet.
114
auf Anwendung von Pilocarpin erscheinen rea-
girt immer, wie auch Luchsinge r anfuhrt al-
kalisch Er färbt nicht nur Curcumapapier
bräunlich, sondern auch rothes Lakmuspapier
intensiv blau. Diese Reaction rührt nicht von
fremden Beimischungen her, ^enn in allen unse^
ren Versuchen (bei einigen 30 Katzen) haben
wir vor Beginn derselben die Pfoten der ihiere
■'^'ttn^SpiLhweiß gehen A^eunittel
über Spritzten wir Katzen von circa 1700 (^rm
Körpergewicht, subcutan 0,5 Natriumsalicylat
Pin und nach 15 Minuten eine kleine Menge Pi-
bcarpTn muriat. sammelten den Pfotenschw^ß
auf kleinen Streifen Fließpapier wahrend 1 /2
Senden, behandelten ^^ Papier mit ange^^^^^^^^^^
ten Aether, so konnten wir in dem AetherrucK
and mit E-nchlorid die Salicylsäur^^^
weisen. Bei Menschen hat Buß^) die Elimma
Tn Ser Salicylsäure durch den Schwei darge-
than, während der Nachweis Furbrmger )
^^1l^dftU:^licben Schweiß gehen nach
älteren und neueren Beobachtungen auch Pig-
mente über. Nach älteren Angaben*) soll, ab-
Tsehen von Blutfarbstoff, das Pigment des in-
nerlich genommenen Rhabarbers und Indigo im
DNach Robin (Virchow «• Hirsch ^^^^^^^^^
ISlJ I. S. 509) reagirt ^i^^^-^f^^^^^, [ aK-
4 Bei Schu'chardt Hdb d. Ar.nenn.tt^lehre 1858
pag. 80 finden sich die ^-^-^'^,:'Z!erhli ^^n^^^^
fi l und Andern zusammengestellt ,erner be K
Grundzüge der Physiologie 1872 beit(. /o. **
115
Schweiße auftreten. Bizio hat nach Ranke
im Schweiße Indican nachgewiesen. In neuerer
Zeit ist wieder ein Fall von blanem Schweiß in
der Petersburger med. Wochenschr. 1876 be-
schrieben'). Kletzinsky hat statt des eigent-
lich obsoleten Indigo Indigoschwefelsaure Alka-
lien als Medicanient empfohlen ^). Als im phar-
macologischen Institut Infusionen von Indigo-
schwefelsaurem Natrium gemacht wurden, um die
Heidenha in'schen Nierenpräparate herzustel-
len, benutzten wir die Gelegenheit und infun-
dirten auch jungen Katzen von '/* Jahren , die
reichlich schwitzten , 30 — 40 CC kalt gesättigte
Lösung des nach Heidenhain dargestellten
Präparats. Auch wenn wir die Schweißsecretion
durch wiederholte Injection von Pilocarpin län-
gere Zeit unterhielten, blieb der Schweiß immer
frei von Farbstoff, weder Indigo noch Indican
konnte nachgewiesen werden. Bei Katzen geht
hiernach die ludigoschwefelsäure zwar in den
Harn und andere Secrete über , aber nicht in
den Schweiß.
Atropiu sistirt die Schweißsecretion, wenn
es zur Peripherie der Schweißfasern gelangen
kann. Von einem doppelseitigen Antagonismus
zwischen Atropiu- und Pilocarpin den Luch-
singer 1. c. beschreibt, konnten wir uns
nicht überzeugen.
2. Die Secretion der Gl. ceruminosae.
Die den Schweißdrüsen im Bau vollkommen
gleichen Ohrenschmalzdrüsen werden bei Katzen
gleichfalls durch kleine Dosen von Pilocarpin
1) Schmidt' s Jahrbücher 1877 No. 26.
2) Hu se mann Arzneimittelehre I S. 412.
11
116
zur Secretion aügeregt. Hat man die von Außen
zugänglichen Theile der Katzenohren vor dem
Versuche auf das Sorgfältigste gereinigt und ge-
trocknet, injicirt dann kleine Dosen Pilocarpin,
so sieht man während Speichel, Schweiß, ihra-
nen und Nasensecret reichlich abgesondert wer-
den, auch im Ohre neues Secret erscheinen, wel-
ches unter dem Microscop stark fetthaltig erscheint.
Setzt man den Versuch längere Zeit fort und
nimmt das Secret mit Fließpapier auf, so kann
man nach einiger Zeit auch macroscopisch den
Fettgehalt des Ohrensecrets deutlich erkennen ).
Zu einer weiteren Verfolgung dieses Secrets ge-
ben die heutigen physiologischen Kenntnisse lei-
der keinen genügenden Anhaltspunct.
Atropin sistirt die durch Pilocarpin vermehrte
Ohrenschmalzsecretion.
3. Thränensecretion.
Die Absonderung der Thränen wird, wie
allgemein bekannt ist, leicht vom Centrum aus
durch psychische Einflüsse (bei Menschen) be-
wirkt. Diese Thränenabsonderung durfte in ei-
ner centralen Erregung des Trigeminus ihren
Ursprung haben. Reizung der Tngemiiiuswur-
zeln bedingt, wieCzermak^) experimentell (an
abgetrennten Thierköpfen) beobachtet hat, eine
Zunahme der Augenflüssigkeit. Nach den Un-
tersuchungen von Herzenstein''), Uemt-
1) Steigerung der Absonderung des Gehörgangs kommt
vor lei p'ersoni welche «tark »^rnfPfo schwitzen :
Tröltsch Lehrb. der Ohrenheilk. 1873 S8i.
2) Mole seh Otts Untersuchungen z. Naturlehre 18bO,
^"sf'HJr^enstein, Beiträge z, Pt>«i?Är"^ ^^''"
pie der Thränenorgane, Berlin Hirschwald 1Ö6Ö.
117
schenko *) und Wolferz *) ruft außerdem
Reizung des N. Lacrymalis uud des Subcutaneus
malae Vermehrung der Thräuensecretion hervor.
Ferner ist die Reizung des Haissympathicus
auch nach vorgäugiger Durchschueidung des N.
Lacrymalis und N. Subcutaneus malae von ei-
ner unverkennbaren Thränenvermehrung beglei-
tet. Reflectorisch kauu bei Integrität eines der
beiden genannten Trigeminuszweige und selbst
bei durchtrenntem Haissympathicus von sensiblen
Hirn- und Rückenmarksnerven, sowie durch in-
tensiven Lichtreiz vom Opticus aus die öecretion
der Thränendrüse (die doch vorzugsweise die
Augenfeuchtigkeit liefert) unzweifelhaft vermehrt
werden.
Wir haben die Experimente genannter For-
scher — nur die von C z e r m a k ausgeführten
Reizungen des Trigeminus haben wir weggelas-
sen — wiederholt und benutzten dazu große
Hunde, welche durch Chloralhydrat tief narco-
tisirt waren. Bei diesen haben wir die von
Herzenstein nach Durchschneidung des La-
crymalis und Subcutaneus malae beobachtete
coutinuirliche Thräneusecretion nie gesehen ^).
Injectionen von Pilocarpin riefen, nachdem vor-
her der N, Lacrymalis uud Subcutaneus malae
und der betreffende Vagosympathicus am Halse
durchtrennt waren, stets deutlich vermehrte Thrä-
1) Demtschenko, Archiv für die gesammte Phy-
siologie 1872 VI. ßd. S. 191.
2) Wolferz, InauguraldissertatioD. Dorpat 1871.
3) Herzenstein betrachtet die von ihm beobachtete
coutinuirliche Thräuenabsonderung als eine paralytische
— ganz gewiß mit Unrecht, da er die Reizeffecte, welche
die complicirte Operationswunde zur Folge hat, ganz
außer Rechnung gelassen hat.
11*
118
nenabsonderung hervor. Nachfolgende Injection
von Atropin. sulfuric. sistirte die Secretion.
Wie wir schon vorher angeführt haben, er-
regt das subcutan applicirte Pilocarpin auch dann
noch Thränenfließen , wenn die 4 großen Arte-
rien am Halse unterbunden sind. Die einzige
Bedingung für das Zustandekommen dieser Se-
cretion (wie auch der Speichelsecretion) besteht
darin, daß der Halssympathicus nicht durchschnit-
ten ist.
Zum Beweise führe ich kurz nur zwei von
vielen Experimenten au.
1. Großes, weibliches Kaninchen, 3680 Grm. schwer;
Glastrachealkanüle , Curare , künstliche Respiration ; Un-
terbindung der vier großen Arterien am Halse und zwar
so, daß zuerst die beiden Subclaviae mit ligaturen verse-
hen und zuletzt erst die beiden Carotiden zugeschnürt
werden. Durchtrennung der Sympathici am Halse und
subcutane Injection von Pilocarpin, Es erfolgt weder
Thränen- noch Speichelsecretion. Auch nachdem noch-
mals eine zweite Dosis Pilocarpin applicirt ist, bleibt
Mund und Auge trocken.
2. Großes, männliches Kaninchen, 3990 Grm. schwer,
in gleicherweise wie vorher operirt, nur die Sympathici
nicht durchschnitten.
12 Uhr 1 M. subcutan 0,004 Pilocarpin, muriat
12 » 5 » Thränenträufeln.
12 » 7 » Speichel tropft aus dem Munde.
Bronchialsecret tritt reichlich in die
Glaskanüle, wird entfernt.
12 » 10 > wird der Versuch unterbrochen und bei
der Section ebenso wie vorher die gelungene Unterbin-
dung der Arterien und Abwesenheit von Gefäßanomalien
constatirt*).
Bei Katzen ist unter gleichen Bedingungen
die Thränensecretion häufig viel stärker.
Hat man Natriumsalicylat in das subcutane
Bindegewebe gespritzt, so kann man schon sehr
1) Kußmaul 1. c. gibt schon ausnahmweise bei Ka-
ninchen vorkommende Anomalien an.
119
bald Salicylsäure iu den durch Pilocarpin reich-
lich abgesouderten Thränen auffinden. Indigo-
schwefelsaures Natrium dagegen haben wir nie
in die Thränen übergehen gesehen.
Die durch Pilocarpin stark vermehrten Thrä-
nen fließen zum Theil durch die Nase ab und
erscheinen in den Nasenöffnungen meistens frü-
her, als sich eine gesteigerte Secretion der Na-
senschleimhaut manifestirt. Diese letztere Secre-
tion haben wir nicht genauer verfolgt.
Atropin sistirt die Secretion der Thränen-
drüsen und der Nasenschleimhaut.
4. Die Secretion der Bronchialschleinüiaut.
Die Vermehrung der Bronchialschleim-
haut durch Pilocarpin, welche einzelne Autoren*)
bei Menschen fast constant beobachtet haben,
wird von den meisten Beobachtern in Abrede
gestellt. Bei Thieren ist sie uns constant begeg-
net, solange wir kräftige, gut genährte Indivi-
duen benutzen konnten. Bei decrepiten Versuchs-
thieren bleibt nicht nur die Vermehrung der Bron-
chialsecretion, sondern auch des Schweißes aus.
Die gesteigerte Absonderung des Bronchial-
secrets kann man sehr schön beobachten, wenn
man bei Hunden, Katzen, Kaninchen, Ziegen
statt der von Ludwig^) angegebenen Tracheal-
kanülen T-förmige Glaskanülen benutzt. Die
senkrecht auf den beiden anderen Schenkeln
stehende Mündung wird mit einem Ludwig'schen
Excentrik verbunden. Der eine der beiden ge-
1) RobiD 1. c. u. Weber Centralblatt f. d. m. W.
1876 No. 40 sahen das Bronchialsecret bei Erkrankungen
der Luftwege flüssiger werden und die Krankheitsprocesse
(Bronchitis u. Croup) günstiger verlaufen.
2) Ludwig im Atlas zur Methodik von Cyon Taf.
I. Fig. 2 u. Taf. U. Fig. 13 u. 14.
120
raden Schenkel muß entsprechend ausgezogen
sein , damit er in der Trachea sicher befestigt
werden kann. Die dritte Oeffnung wird mit
einem kurzen in eine enge Oeffnung auslaufenden
Glasröhrchen und Kautschukschlauch nur so
weit geschlossen, daß die Expirationsluft und
die überflüssige Inspirationsluft leicht entweichen
können^). Sobald in Folge der Pilocarpinwir-
kung in der Glaskanüle reichlich Bronchialse-
cret erscheint, kann man dasselbe (nachdem
man den Kautschukschlauch mit dem zugespitzten
Glasröhrchen entfernt hat) leicht mit konischen
Fließpapiercylindern entfernen und zu weiterer
Untersuchung sammeln. — In dem bei Pilo-
carpinmedication reichlich abgesonderten Bron-
chialsecret läßt sich die subcutan eingeführte
Salicylsäure stets nachweisen ^). Auch das ins
Blut infundirte Indigoschwefelsaure Natron er-
scheint zum Theil in den Sputis.
Atropin sistirt auch die Vermehrung des
Bronchialsecrets.
5. Die Speichelsecretion.
Die Speichelsecretion wird durch Pilo-
carpin im höchsten Grade gesteigert, Der pro-
fuse Speichelfluß tritt bei Thieren und Menschen
sehr häufig schon vor der Schweißsecretion auf.
Daß das Pilocarpin die Submaxillardrüsen, wahr-
scheinlich auch die anderen Speicheldrüsen durch
1) Diese leicht herzustellenden und leicht zu reini-
genden Glaskanülen empfehlen sich in allen Fällen, wo
die Respiration längere Zeit künstlich unterhalten werden
muß.
2) Büß hat bei Menschen den Uebergang der Sali-
cylsäure in die Sputa nachweisen können, während Für-
bringer 1. c. negative Resultate erhielt.
121
peripherische Erregung ihrer secretorischen Fa-
sern zu gesteigerter Function veranlasst und
daß Atropin diese Secretion unterdrückt, haben
Carville^) schon 1875, Schwahn und Lang-
ley 1876 experimentell erwiesen.
Die Richtigkeit der Carville' sehen Beob-
achtungen können wir aus eignen Versuchen be-
stätigen. Nach unseren Experimenten müssen
wir aber weiter hinzufügen, daß dasAlcaloid
auch vom Speichelcentrum in der Me-
dulla oblougata aus dieSecretion noch
anregen kann, solange dasselbe durch die im
Sympathicus verlaufenden Fasern mit den Secre-
tionsorganen in Zusammenhang steht. Ist der
Halssympathicus durchschnitten und dem Pilo-
carpin der Zugang zu den anderen secretorischen
Fasern der Speicheldrüsen abgesperrt, so tritt,
wie die (Seite 118) mitgetheilten Experimente
lehren, keine Speichelsecretiou mehr ein.
Weiter haben wir bei Thieren , welchen In-
digoschwefelsaures Natrium ins Blnt infundirt
worden war, den aus dem Munde fließenden
Speichel einige Zeit nach der Pilocarpininjection
sich schwach blau färben gesehen. Der Subma-
xillarspeichel, den wir durch eine in den ductus
Whartoniauus eingelegte Canüle sammelten, zeigte
dagegen keine deutliche Blaufärbung,
Den Uebergang von subcutan applicirter Sa-
licylsäure in den Speichel haben wir bei jungen
Ziegen mit Hülfe von Pilocarpin stets leicht con-
statiren können. Dieser Nachweis eignet sich
selbst zum Yorlesuugsversuche. Man setzt vor
1) Carville, Virchow u. Hirsch Jahresber. für
1875 S, 520 u. Schwahn Centralb. f. d. m, W. 1876
No. 25 S. 440 441 mit Folia Joborandi ; Langley Vir-
clhow a. Hirsch Jahresbericht für 1876 S. 447 mit
Püocarpinom uitricam.
122
Beginn des CoUegs die Pilocarpinwirkuug kräf-
tig in Gang, spritzt, nachdem man eine Quan-
tität Speichel aufgefangen hat, eine Lösung von
Natriumsalicylat vor den Augen der Zuhörer ins
subcutane Bindegewebe junger, aber schon fres-
sender Ziegen und läßt den Speichel vom Diener
in viertelstündig abgesonderten Portionen sam-
meln. In der Regel kann man zu Ende der
Vorlesung in der zuletzt gesammelten Partie
durch einfachen Zusatz von Eisenchlorid zu dem
schwach angesäuerten Speichel die Salicylsäure-
Reaction demonstriren. Ist das nicht der Fall,
so schüttelt man in bekannter Weise den Speichel
mit angesäuertem Aether und setzt Eisenchlorid
zu dem in wenig Wasser aufgenommenen Aether-
rückstand.
6. Die Milchsecretion.
Inconstant und nur von Wenigen') bei Frauen
beobachtet, ist eine Vermehrung der Milchsecre-
tion. Wir haben weder bei Kaninchen noch bei
einer Mutterziege eine irgend erhebliche Ein-
wirkung des Pilocarpin auf die Quantität der
Milch festzustellen vermocht. Weil das letztere
Thier zu einer Reihe anderer Versuche dienen
sollte, haben wir auf jede Infusion von Indigo-
schwefelsaurem Natrium verzichtet. Dagegen
ist es uns gelungen den Uebergaug der in den
Magen eingeführten Salicylsäure und von Spal-
tungsproducten des intern gereichten Salicin in
die Milch zu constatireu.
Nach Feser's Angaben^) konnte Fried-
berger bei einer mit großen Dosen Salicylsäure
1) Virchow u. Hirsch Jahresber. f. 1875 S. 51G.
2) Feaer, Archiv f. wissensch. u. pract. Thierheil-
kunde 1876 I. S. 66 sagt »in die Milch scheint Saiicyl-
123
behandelten Kuh die letztere iu der Milch nicht
wiederfinden. Wahrscheinlich deßhalb nicht, weil
die Milchuntersuchung nicht lange genug fortge-
setzt wurde.
Eine Matterziege erhielt vom 28. April 1876
bis zum 6. Mai täglich Salicylsaures Natrium
in mit Wasser angerührter Kleie. Die täglich
2mal gemolkene Milch wurde entschieden auge-
säuert und dann reichlich mit Alcohol versetzt,
gut umgerührt und nach einigem Stehen erst
colirt und dann filtrirt. Die Filtrate wurden
stets sofort auf dem Wasserbade eingeengt und der
Rückstand mit angesäuertem Aether geschüttelt.
Nachdem das Thier 3 Tage lang Natriumsalicylat,
im Ganzen 22,0, erhalten hatte, zeigte am 4.
Tage die Morgenmilch exquisite Salicylsäurereac-
tion. Vom 4. Tage an wurde unter Aufsicht
3mal täglich ein junges Ziegenlamm direct aus dem
Euter des Mutterthieres gefüttert und nach je-
der Fütterung in einen zur Sammlung des Harns
geeigneten Kasten gesetzt. Am 4. Mai erschien
die Salicylsäure selbst nachdem der Harn mit
Aether ausgeschüttelt war, nur undeutlich. Als
aber der am 5. und 6. Mai gesammelte Harn
vereinigt untersucht wurde, färbte Eisenchlorid
den in Wasser aufgenommenen Aetherrückstand
intensiv violett.
In ähnlicher Weise verfuhren wir , um den
Uebergang der Salicinspaltungsproducte in die
Milch der Mutterziege nachzuweisen und gelang-
ten auch hier zu demselben positiven Resultat.
— Ziegen eignen sich schon deßhalb viel bes-
sänre oder ein ealicylsaures Salz nicht überzugehen. Die
Milch der Kuh, welche Prof. Friedberger wegen Sep-
ticaemie mit großen Mengen der Substanz (Salicylsäure)
behandelte, war bei wiederholter Untersuchung stets frei
davon.«
124
ser als Kühe zu diesen Untersuchungen , weil
die kleinere Quantität Milch, die sie liefern, be-
quemer und sicherer zu untersuchen ist ^).
7. Die Harnsecretion.
Auch über die Einwirkung des Pilocarpin
auf die Harnsecretion sind die Ansichten
der Autoren sehr getheilt. Nach unseren Ver-
suchen an Thieren vermögen kleine Dosen Pi-
locarpin bei Katzen und Hunden ein fortdauern-
des Ausfließen des Harns aus der Blase während
der ganzen Zeit der secretionsbeförndernden
Wirkung des Alcaloids (auf Speichel etc.) fast
constant hervorzurufen ^). Indeß verlieren große
Dosen auch keineswegs die anregende Wirkung
auf die Nierenthätigkeit, aber die Excretion des
Harns pflegt dabei meist nicht mehr einzutreten.
Hat man großen Katzen und Kaninchen in der
früher angegebenen Weise die 4 großen Hals-
arterien unterbunden und injicirt dann in kur-
zen Z\yischenräumen den bewußtlosen, durch
künstliche Respiration am Leben erhaltenen
Thieren, nachdem man das Abdomen eröff'net
hat, etwa 8 — 10 Mgrm. Pilocarpin, so sieht man
die Blase, selbst wenn sie schon ziemlich gefüllt
war, sich stärker und stärker mit Harn anfüllen,
ohne daß die Excretion zu Stande kommt. Bei
diesen Versuchsthieren mag die Bewußtlosigkeit
1) Nach dem Jahresb. über die Fortschritte in der
Thierchemie für 1876 S. 266 hat Beneke den Ueber-
gan;; der Salicylsäure in die Frauenmilch constatiren
können.
2) Dieses Resultat stimmt mit den Beobachtunfj^en
von Robin, Cantani 1. c. 1875 S. 516 u.Anderen und
läßt vermuthon, daß Ringer u. Gould, (ebend.) immer
größere Gaben von Pilocarpin resp. Fol. Jaborandi ange-
wendet haben.
125
und ferner die Unthätigkeit des prelura abdomi-
nis zum Theil die Ausscheidunor jrehiudert ha-
ben. Vielleicht verursacht das Pilocarpin aber
auch einen Krampf des Sphiucter vesicae. Es
bedarf jedenfalls eines bedeutenden Drucks um
die angefüllte Blase zu entleeren. Es ist außer-
dem aus Beobachtungen am Krankenbett be-
kannt, daß größere Dosen von Pilocarpin neben
anderen störenden Nebenerscheinungen auch
Dysurie und Ischurie, selbst heftige Schmerzen
in der Urethra, der Nierengegend und oberhalb
der pubes veranlassen können ^). Unter allen
Umständen bleibt die Vermehrung der Haru-
secretion weit hinter der Vermehrung der übri-
gen Secretionen zurück.
Die Frage, in welcher Weise das Pilocarpin
in kleinen und in großen Dosen die geschilderten
Wirkungen auf den uropoietischen Apparat her-
vorbringt , ob sie mit der Beeinflussung des
Blutdrucks oder der Nierennerven durch Pilo-
carpin oder mit beiden Bedingungen in causalem
Zusammenhang stehen, haben wir bei der Un-
möglichkeit die Nierennerven mit Sicherheit alle
zu isoliren nicht weiter zu lösen versucht.
8. Die Darmsecrdion und Excretion.
Die durch Medicamente veranlaßte Steige-
rung der Darmentleerungen wird ziemlich all-
gemein auf eine gesteigerte Peristaltik zurück-
geführt und nicht auf eine vermehrte Transsu-
dation. Die Mittelsalze bedingen , wie neuer-
1) Beobachtungen von Pilcicier, Oehme, Lorisch,
Sakowski, Dräsche, Stampf, Robin, Ringer n.
Murrell. (Virchow u. Hirsch Jahresb. pro 1876
S. 518.)
126
liehst Brieger^) bewiesen hat, eine vermehrte
Secretiou der Drüsen der Darmschleimhaut.
Da nun bei Thiereu größere Dosen von Pi-
locarpin (bei Katzen bis 0,008 oder 0,016) re-
gelmäßig nicht nur einfache Darm-Entleerungen,
sondern eine länger andauernde Excretion von
Flüssigkeiten per anum zur Folge haben und
die Beobachtungen der verschiedenen Autoren
bei Menschen hinsichtlich dieser Wirkung des
Alcaloids sehr auseinander gehen , kam es uns
zunächst darauf an, zu prüfen, ob Pilocarpin im
Stande sei , die Peristaltik bei Thieren zu stei-
gern oder hervorzurufen. Bei Kaninchen hat
Schwahn^) unmittelbar auf Injection von 6
— 7 grm. eines wässrigen Aufgusses von Folia
Jaborandi (1 : 4,8) in eine Drosselvene stürmi-
sche Peristaltik mit stoßweißer Kothentleerung
gesehen.
Die Physiologie lehrt uns, daß die Peristal-
tik des Darms, energisch veranlaßt werden kann,
central vom Gehirn aus durch Erregung der
Vagusursprünge. Neuere Untersuchungen ma-
chen es ferner höchst wahrscheinlich, daß zwar
nicht jede Veränderung in der Circulation des
Darms , wie es D o n d e r s wollte , wohl aber
vermehrter Blutgehalt und verstärkter Blutdruck
in den Intestinalgefäßen und andererseits auch
eine qualitativ veränderte Blutmischung die Pe-
ristaltik sowohl intra vitam wie kurze Zeit post
mortem kräftig zu erregen vermögen. Anaemie
1) Brieger's Experimente (Archiv für experiment.
Phath. u. Pharm. 1878 VIII, S. 355—360) eignen eioh,
wie ich hervorheben will, sehr gut zu Vorlesangsver-
suchen, um das Interesse der Zuhörer für das unappetit-
liche Kapitel der Purgantien durch Demonstration eines
eclatanten und reinlichen Erfolges lebendig zu erhalten.
1) Schwahn, Centralblatt f. d. m. W. 1876 S. 440
u. 441.
127
des Darms veranlaßt im Widerspruch mit älte-
ren Angaben niemals Darmbewegungeu '). Drit-
tens nimmt man allgemein an , daß das den
ganzen Darm durchziehende, zuerst von G. Meiß-
ner genauer beschriebene , von Anderen bestä-
tigte und weiter untersuchte gangliöse Nerven-
geflecht bei seiner Erregung peristaltische Be-
wegungen des Darms auslöst. Zweifelhaft bleibt
es, ob die N. Splanchnici neben hemmenden
auch rein motorische Fasern enthalten , wie es
ja auch in neuerer Zeit fraglich geworden ist,
ob die von Pflüger ^) constatirte Hemmuugs-
wirkung der Splanchnici durch wirkliche Hem-
mungsfasern, wie Pflüger annimmt, zu Stande
kommt oder nur dadurch bedingt wird, daß die
Reizung der Splanchnici als vasomotorischer
Nerven den ßlutgehalt des Darmcanals beschränkt.
Durch 0. Nasse') wissen wir endlich, daß eine
Reihe von Medicamenten und Giften vom Blut
aus die Peristaltik erregen kann ohne Mitwir-
kung des Vaguscentrums.
Um zu entscheiden durch welches der ge-
nannten Momente und ob etwa durch Concnr-
renz mehrerer derselben die Wirkung auf die
Abdominalorgane zu Stande kommt , haben wir
folgende Experimente angestellt, bei denen es
uns darauf ankam den Einfluß des Hirns auf
den Darm ohne Anwendung von Narcotica voll-
ständig zu eliminiren.
Große Katzen oder Kaninchen werden mit
1) van Braam Houckgeest, über Peristaltik des
Magens und Darmkanals. Archiv für die gesammte Phy-
siologie 1872 VI, S. 266—302.
2) Pflüger, Ueber das Hemmongsnervensystem für
die peristaltischen Bewegungen der Gedärme, Berlin 1857.
3) 0. Nasse, Beiträge zur Physiologie der Darmbe-
wegung, Leipzig 1866.
128
einer Trachealkanüle versehen und schwach mit
Curare vergiftet. Während künstlicher Respira-
tion, die das ganze Experiment hindurch unter-
halten werden muß, unterbinden wir die 4 gro-
ßen Halsarterien wie früher angegeben und durch-
schneiden die beiden Vagi am Halse. In eine
Vena lugularis ext. wird eine mit Pilocarpinlö-
sung gefüllte Kanüle eingebunden. Oeffnet man
jetzt bei dem Thier, dessen Gehirn gänzlich aus-
ser Function gesetzt ist, das Abdomen, so findet
man die Darmwindungen in vollkommener Ruhe.
Wird dann eine Dosis, etwa 0,004 Pilocarpin in
warmer 0,67o Kochsalzlösung in die Vena ju-
gularis eingespritzt so tritt nach kurzer Zeit
lebhafte Peristaltik des Dünndarms ein. Hat man
vor der Injection die Brustaorta durch ein in
den Thorax geschnittenes, kleines Fenster compri-
mirt, so bleibt die Peristaltik aus und tritt erst
wieder ein, nachdem die Compression aufgeho-
ben ist.
Um den Einfluß der atmosphärischen Luft
auszuschließen , wird das Experiment mit glei-
chen Erfolge so variirt, daß man das Abdomen
unter blutwarmer 0,6'*/o Kochsalzlösung nach
dem Vorgang von iSander Ezu eröffnet.
Statt der Injectiou in eine Vena Jugularis ha-
ben wir in anderen Versuchen Injectionen in
eine Mesenterialarterie gemacht und auch hier
den Eintritt von lebhaften Darmbewegungen ohne
Ausnahme beobachtet.
Um aber auch den möglichen Einfluß ver-
änderter Blutmischung auszuschließen , änderten
wir die Experimente dahin, daß wir einem, wie
angegeben, vorbereiteten Thiere (bei Katzen)
eine Kanüle mit der Spitze nach dem Darm zu
in die Pfortader einbanden u. dann durch In-
jectiou blutwarmer 0,G7o Kochsalzlösung in eine
129
Mesenterialarterie einen Theil der Darmschlingen
so vollständig wie möglich blutleer machten.
Spritzten wir dann 0,004 Pilocarpin ein oder
mehrere Male in dieselbe Art. mesenterica, so
beobachteten wir regelmäßig in den möglichst
blutleeren Darmschlingen peristal tische Bewe-
gungen.
Wir glauben hieraus schließen zu dürfen,
daß unser Alcaloid die Peristaltik bei Thieren,
jedenfalls bei Katzen und Kaninchen, durch di-
recte Reizung des gangliösen Darmgeflechts er-
regen kann.
Auf keinen Fall ist die verstärkte Peristal-
tik bedingt durch eine directe Reizung der Darm-
musculatur. Denn hatten wir nach Bezold
und Bloebaum^) die Darmganglien durch Atro-
pin in Uutbätigkeit versetzt, so ließ sich durch
nachträgliche Injection von sonst wirksamen
Dosen Pilocarpin keine Peristaltik mehr erzielen,
obgleich die Darmmusculatur nicht gelähmt war,
sondern auf electrischeu Reiz sich energisch
contrahirte.
Vulpian*) hat bei geöfl'netem Abdomen
und gleichzeitig eröffnetem Magen uud Darm
durch Jaborandi-Infus , welches er in eine Vene
spritzte, Vermehrung der Secretiou der Magen-
schleimhaut , des Paucreas , der Leber (Galle)
und der Niere eintreten gesehen. Wir haben
uns in anderer Weise von der Einwirkung des
Pilocarpin auf die Secretiou der Darmdrüsen
überzeugt.
Bei großen Kaninchen uud Hunden wurde
nnter den üblichen Cautelen eiu recht langes
1) Bezold und Bio e bäum, Untersuchungen a. d.
phys. Lab. in Würzburg v. 1867, I. H. S. 1 — 72.
2) Vulpian: Gazette hebd. d. med. et de chir. 11,
S. T. XII 1875 S. 188.
130
Stück des Dünndarms aus einer kleinen Schnitt-
wunde in der liuea alba hervorgehoben, an bei-
den Enden unterbunden, nach Moreau's Me-
thode gereinigt und nach sorgfältigem Ver-
schluß der Wunden reponirt und die Bauch-
wunde vernäht. Alsdann injicirten wir subcu-
tan eine relativ große Dosis Pilocarpin und sa-
hen nun die von Zeit zu Zeit controlirte Darra-
schlinge sich mit einer Flüssigkeit reichlich füllen,
die in Aussehen und Reactionen mit dem Darm-
saft, wie ihn Thiry beschrieben hat, überein-
stimmte. Im Abdomen der Versuch sthiere fand
sich kein Transsudat.
Das Pilocarpin vermag demnach nicht nur
die Peristaltik anzuregen, sondern auch eine
reichliche Secretion der Darmdrüsen herbeizu-
führen. Vielleicht wird die Wirkung auf die
Peristaltik noch verstärkt durch die Veränderung
des Blutdrucks und der Pulsfrequenz, welche
Pilocarpin nach Untersuchung von Langley
1. c. und von Kahler und Soyka^) bewirkt.
Die bei Katzen und Kaninchen durch grö-
ßere Dosen Pilocarpin verursachten Diarrhoeen
können durch Atropiu unterdrückt werden.
Auch hier wurde die Wirkung des letzteren Al-
caloids nie durch größere Dosen des ersteren
übercompensirt.
Salicylsäure subcutan applicirt und Indigo-
schwefelsaures Natrium ins Blut infundirt er-
scheinen auch in den Darmentleerungeu.
i
Unsere Experimente begründen folgende
Schlußergebuisse :
1) Kahler u. Soyka, Archiv für experiment. Pathol.
u. Pharmacol. VII, S. 435—468.
131
1. Das Pilocarpin veranlaßt Schweißsecre-
tion an den Pfoten von Katzen einerseits durch
periphere Reizung der durch Luchsinger,
Ostroumow und Nawrocki nachgewiesenen
Schweißfasem, anderseits aber auch, wie Luch-
sing er richtig beobachtet hat, durch Reizung
des Schweißcentrums.
2. Auf die Schweißfasern in ihrem Verlaufe
zwischen Centrum und Peripherie wirkt das P.
nicht erregend ein.
3. Auch die Secretiou der Thränendrüsen
vermehrt das Pilocarpin einerseits von der Peri-
pherie, anderseits von dem Centrum aus.
4. Die Centrale Erregung der Thränense-
cretion vermittelt (bei Abschluß der Blutzufuhr
vom Hirn) der Sympathicus.
5. Das P. vermehrt auch die Absonderung
der Gl. ceruminosae.
6. Es vermag ferner die Secretion der Bron-
chialschleimhaut zu vermehren und zu verflüs-
sigen,
7. Es vermehrt die Speichelsecretion nicht
nur durch periphere Reizung der secretorischen
Nervenfasern, sondern auch durch Erregung des
secretorischen Speichelcentrums in der medulla
oblougata.
8. Auch hier vermittelt der Sympathicus
[ die centrale Erregung der Speichelsecretion bei
I Abschluß der Blutzufuhr zum Gehirn.
i 9, Die Milchsecretion vermehrt das P., wenn
j überhaupt, nur sehr unsicher und unbedeutend,
I nach Röhrig nur durch Steigerung des Blutdrucks.
, 10. Die Harnsecretion und Excretion ver-
i mehrt es z.war, wenn es in kleinen Dosen ange-
j wendet wird, aber immer in beschränkterem
I Maaße als die meisten anderen Secrete. In grö-
i ßeren Dosen gebraucht, hebt es die Secretion
I 12
132
zwar nicht auf, erschwert aber uud hindert so-
gar leicht die Excretion.
11. P. erregt die Peristaltik durch direete
ReizuDg der Darmganglien und steigert die Se-
cretion der Darmdrüseu, wenn es in größeren
Dosen angewendet wird. In Folge dessen kann
es nicht nur einfache, sondern selbst wasserreiche
Darmentleerungen veranlassen.
12. Atropin sistirt in geeigneter Dosis alle
die genannten Secretionen und auch die der Na-
senschleimhaut.
13. Größere Dosen Pilocarpin können wirk-
same Atropindosen nicht übercompensiren.
14. Innerlich genommene oder subcutan in-
jicirte Salicylsäure geht nicht nur in den Harn,
sondern auch in die durch Pilocarpin vermehrten
Secrete der Schweiß-, Thränen-, Speichel- und
Milchdrüsen und ebenso der Bronchial- und
Darraschleimhaut über.
15. Auch Derivate des innerlich genomme-
nen Salicin erscheinen in der Milch.
16; Die Eh'mination des ins Blut infundirten
Indigoschwefelsauren Natriums geschieht haupt-
sächlich, wie längst und besonders durch Hei-
denhain bekannt, durch den Harn, außerdem
auch durch Speichel-Bronchial- und Darmsecret,
nicht durch Schweiß und Thränen.
17. Das Schweißcentrum für alle 4 Pfoten
liegt bei Katzen in der medulla oblongata wie
Nawrocki zuerst angegeben hat. Ein beson-
deres Centrum für die Hinterpfoten im unteren
Theil des Brust- und oberen Theil des Lenden-^
marks existirt bei Katzen nach unseren Versu-^
chen nicht.
18. Das Schweißcentrum liegt wahrschein-
lich tiefer als das Respirationscentrum im ver-
längerten Mark. Es functionirt noch (nach ün-
133
terbiüduug der vier großen Arterien am Halse)
wenn das ßespirationscentrum bereits functions-
nn^hig ist.
19. Campher erregt im Gegensatz zu Pilo-
carpin die Schweißsecretion nicht von der Peri-
pherie, sondern vom Centrum aus.
20. Wie der Campher wirken wahrschein-
lich alle Diaphoretica, deren wirksamer Bestand-
theil ein aetherisches Oel ist.
21. Der Pfotenschweiß der Katzen , er mag
spontan auftreten oder reflectorisch oder durch
Campher oder Pilocarpin veranlaßt sein, reagirt
immer alkalisch.
22. Pilocarpin kann in bestimmten Fällen
von traumatischen Hemi- und Paraplegien als
diagnostisches Hülfsmittel benutzt werden, um
Ernährungszustand und Functionsrähigkeit secre-
torischer und wahrscheinlich auch motorischer
Nervenfasern zu controliren.
23. Die secretorischen Fasern eines gemisch-
ten Nerven scheinen nach einer tiefen Verletzung
desselben ziemlich gleichzeitig mit seinen moto-
rischen Fasern zu degeneriren.
24. Unsere Experimente erklären die gün-
stige Wirkung des Pilocarpin in Fällen einsei-
tiger und doppelseitiger Lähmungen, wie sie von
Ringer und Burg (Centralblatt f. d. med. W.
1877 No. 31 S. 576) mitgetheilt sind. Ferner
ebenso den Nutzen bei bestimmten Bronchial-
und LarynxaflPectionen, wie sie Robin, Weber
1. c. und Andere beschrieben haben.
25. Wenn die Vielseitigkeit seiner secretions-
befördernden Wirkung keine Contraindication
abgiebt und wenn kleine Dosen genügen, ist P.
ein in vielen und sehr verschiedenen Krankheits-
föUen verwerthbares Arzneimittel.
12*
134
26. Als schätzenswerthes Hülfsmittel für die
experimentellen Disciplinen erleichtert es nicht
nur die Untersuchung physiologischer und phar*
macologischer Probleme, sondern auch die De-
monstration verschiedener physiologischer und
arzneilicher Wirkungen.
27. Bei Katzen entspringt ausnahmsweise
zwischen Art. Subclavia sinistr. und Trunc. ano-
nym, eine ziemlich große Arterie aus dem Arcus
Aortae, welche sich in ein foramen intervertebrale
der Halswirbel einsenkt. Wo diese vorhanden,
schneidet die Unterbindung der 4 großen Arte-
rien am Halse die Blutzufuhr zum Gehirn nicht ab.
28. Trotzdem kann man die von Sig. Mayer
empfohlene Untersuchungsmethode auch bei
Katzen sehr gut verwerthen, nöthigenfalls kann
man sich nach Unterbindung der 4 großen Hals-
arterien durch Injection von Indigoschwefelsaurem
Natrium von der Abwesenheit der Gefäßanomalie
vergewissern.
29. • Ebensowenig wie bei Hunden ist es bei
Ziegen nicht möglich durch Unterbindung der 4
großen Arterien am Halse die Blutzufuhr zum
Gehirn aufzuheben.
30. Wo künstliche Respiration lange Zeit
unterhalten werden muß empfiehlt sich die auf
Seite 119 beschriebene Glastrachealkanüle.
Zum Schluß erlaube ich mir noch eine Be-
merkung. Es war unvermeidlich bei der häu-
figen Anwendung desAtropins auch dessen Ein-
fluß auf die Pupille genauer zu untersuchen.
Wir verfolgten die Frage, da es ja immer noch
unentschieden ist, ob das Alcaloid seine mydria-
tische Wirkung nur durch Lähmung des Ocu-
135
lomotorius oder gleichzeitig durch Reizung des
Sympathicus bewirkt. Wir haben aber nicht
nur das Atropin, sondern auch noch eine Reihe
anderer Stoffe in ihrer Einwirkung auf die Pu-
pille geprüft. Die zahlreichen und zum Theil
sehr complicirten Experimente, zu denen wir
uns, um ein Resultat zu erlangen, genöthigt sa-
hen, sind gemeinschaftlich mit Herrn Wulfs berg
ausgeführt. Wir werden dieselben als besondere
Arbeit veröffentlichen und darin den Beweis
liefern, daß der Sympathicus bei der Atropin-
mydriasis gar nicht betheiligt ist.
Nachschrift.
Während des Druckes dieser in der Sitzung
am 2. Februar der Societät vorgelegten Arbeit
ist im Centralbl. f. d. med. W. vom 9. Febr.
eine vorläufige Mittheilung von F. Nawrocki
über Einwirkung des Pilocarpinum muriaticum
auf den thierischen Organismus erschienen, in
welcher die centrale Erregung der Schweißse-
cretion durch das Alcaloid bestritten wird. Dem
gegenüber muß ich meine durch zahlreiche Ver-
suche gesicherten Resultate ungeschmälert auf-
recht erhalten.
Marme.
136
II. U eber Milchinfusionen.
Von
N. Wulfs berg aus Christiauia,
Assistenten am pharmacol. Institut zu Göttingen.
Der. bekannte amerikanische Gynaecologe
GaillardThomas hat bei einer o variotomirten
Patientin eine Milchinfusion anscheinend mit le-
bensrettendem Erfolge gemacht^). Der Krank-
heitsfall ist folgender : Bei einer sehr entkräfteten
Kranken hat Thomas eine innerhalb kurzer Zeit
zu enormer Größe gediehene doppelseitige Ova-
rialgeschwulst exstirpirt. Die Operation wurde
ohne besondere Fährlichkeit in 36 Minuten zu
Ende geführt. Patientin, deren Nachbehandlung
ein Dr. Jones leitete, erhielt in den ersten 36
Stunden in mehrstündigen Zwischenräumen etwas
Milch und außerdem , weil sich bei einer Tem-
peratur von 39,9 und sehr frequentem Puls
wiederholt Brechneigung einstellte, alle 3 — 4
Stunden kleine Dosen Morphin. Die Operation
war am Donnerstag gemacht. Am Sonnabend
Morgen und nochmals am Abend desselben Tages
traten profuse Metrorrhagien ein. Der Collap-
sus erreichte einen so hohen Grad, daß der Tod
in der folgenden Nacht erwartet wurde. Die
Kranke erlebte aber noch den Montag, obgleich
die inzwischen per OS und per rectum augestellten
Ernährungsversuche gänzlich scheiterten. Pa-
tientin erbrach sogar die gereichten Eispillen
Bei dem rasch zunehmenden Kräfteverfall ve
langte Dr. Jones eine Bluttransfusion. Thomas^
gestützt auf drei frühere nicht näher beschrie-
bene Fälle , verweigerte dieselbe. Da aber ir-
gend etwas geschehen sollte, vereinigten sich die
1) Americal Journ. of med. eciences, Jan 1876.
137
beiden Herrn zu eiuer Milchiufusiou. Frisch
gemolkene, thierwarme Kuhmilch wurde der Pa-
tientin in die vena mediana basilica eingespritzt.
Nachdem 90 CC. injicirt waren, klagte Patientin
über sehr heftigen Kopfschmerz. Trotzdem
wurden allmählich circa 250 Grm. infnndirt.
Eine Stunde später trat ein Frostanfall ein, die
Temperatur stieg auf 40,0 C, der Puls auf 150 —
160. Aber schon vor Mitternacht sank die
Temperatur. Patientin fiel in einen ruhigen
Schlaf und befand sich am nächsten Morgen viel
besser. Es trat nun eine regelmäßige Reconva-
lescenz ein, am 21, Tage war die Kranke außer
Bett und nach 6 Wochen völlig hergestellt.
Dieser günstige Ausgang legte den Gedanken
nahe, daß, besonders bei dem hohen Ansehen, in
welchem G. Thomas nicht nur in seinem Vater-
lande steht, Milchinfusionen in ähnlichen Fällen
versucht werden könnten. Es schien mir deß-
halb von Interesse, zunächst festzustellen, wie
Milchinfusionen auf Thiere wirken , um einige
objective Anhaltspunkte für die Beurtheilung
des Werthes von Milchiufusionen zu gewinnen.
Die bisher bei Menschen und Thieren ver-
suchten Milchinfusionen haben, wie bekannt, zu
ganz widersprechenden Resultaten geführt. Ich
übergehe deßbalb die bei Cholerakrauken und
Phthisikern von verschiedenen Seiten augestellten
Milchinfusionen und führe von den zahlreichen,
bis in früheren Jahrhunderte zurückreichenden
Infusionsversuchen nur diejenigen au, welche
D on n e in seinem Cours microscopique 1844 mit-
theilt und welche auch Thomas in seiner obi-
gen Mittheilung citirt. Donne studirte micros-
copisch und microchemisch die Bestandtheile des
Blutes und gelangte bei seinen Infusionsver-
suchen zu dem Ergebniß, daß die Milchkügelchen
138
sich in farblose Blutkörperchen umwandeln.
Die kleineren sollen nach ihm sich zu 3 oder 4
vereinigen und mit einer Hülle sich versehen,
die größeren gleichfalls eine Hülle annehmen
und sich dann von der Mitte aus theilen. Das
Blut sah D 0 n n e einige Zeit nach Milchinfu-
sionen sehr reich an farblosen Blutkörperchen.
Diese Donne' sehen Versuche habe ich vielfach
wiederholt und das Endresultat allerdings bestä-
tigt gefunden. Die Vermehrung der Blutkörper-
chen habe ich aber entsprechend den heutigen
Anschauungen in ganz anderer Weise zu Stande
kommen gesehen.
Werden Kaninchen 6 — 8 Grm. frisch gemol-
kener, thierwarmer Kuh- oder Ziegenmilch in
eine Vena Jugularis ext. iujicirt, so sieht man
wenige Minuten später das Blut gleichmäßig ge-
mischt mit Milchkugeln, die theils frei umher-
schwimmen, theils, besonders die kleineren, den
farblosen Blutkörperchen anhaften. — Nach
Verlauf einer ganzen bis halben Stunde sieht
man in einer neuen Blutprobe nicht mehr so
viel freischwimmende Milchkugeln, man findet
aber schon jetzt einzelne farblose Blutkörperchen
die neben Kern und Kernkörperchen ein Miich-
kügelchen enthalten. Sucht mau weiter, so sieht
man immer mehr farblose Blutkörperchen, die
meist 1—2, selten 3, ausnahmsweise auch 4
Milchkugeln enthalten. Unter günstigen Be-
dingungen trifi't man farblose Blutkörperchen,
welche an einer Seite einen Fortsatz aussenden
wie eine sproßbildende Hefezelle und in diesem
fangarmartigen Fortsatz eine Milchkugel ent-
halten. Gewöhnlich liegt die Milchkugel in dem
farblosen Blutkörperchen excentrisch, indeß
kommen auch ganz central gelagerte vor. Bringt
man Strömungen in demObjecte hervor, so daß
139
die Blutkörperchen rotiren, so kanu mau sich
unzweifelhaft überzeugen, daß die Milchkügelchen
wirklich im Inneren der farblosen Blutkörperchen
liegen und nicht nur der Oberfläche angelagert
sind. Am deutlichsten wird das microscopische
Bild, wenn man bei 300 — 400facher, linearer
Vergrößerung eine solche Essigsäureconcentration
im Objecte trifi't, welche die rothen Blutkör-
perchen zu sogenannten Schatten reducirt, ohne
sie gänzlich zum Verschwinden zu bringen. —
Bei den folgenden Blutproben findet man immer
weniger freie Milchkügelchen und immer mehr
weiße Blutkörperchen , welche Milchkügelchen
enthalten , sit venia verbo , gefressen haben.
2 — 6 Stunden nach der Milchinjection findet man
keine freie Milchkügelchen mehr, auch verhält-
nißmäßig wenig eingeschlossene, dagegen eine auf-
fallende Vermehrung der relativen Zahl der farb-
losen Blutkörperchen. 24 Stunden nach der
Injection unterscheidet sich das Blut in keiner
Weise von dem normalen. — Nach diesen Beo-
bachtungen bewirkt die Infusion einer geringen
Menge Milch ähnlich wie eine gute Mahlzeit
eine vorübergehende Vermehrung der farblosen
Blutkörperchen.
Die weitere sich daran anschließende Frage,
ob es nun wirklich möglich sei, ein Thier durch
Milchinfusionen zu ernähren, muß nach einer
zweiten Reihe von Versuchen , die ich an ver-
schiedenartigen Thieren angestellt habe , unbe-
dingt verneint werden. Wenn Hunde auch wie-
derholte Injectionen von 70 — 250 Grm. Milch
ertrugen, so nahm ihr Körpergewicht doch rasch
ab und die meisten starben sogar nach Injection
der zuletzt genannten Dosis. — Niemals zeigten
die Thiere bei Lebzeiten Symptome tieferer Er-
krankunng. Post mortem fanden sich im Blute
140
stets noch unveränderte Milchkugeln , in den
Lungen größere oder kleinere hämorrhagische
Infarcte, innerhalb welcher sich ein erweitertes
mit Blutcruor ausgefülltes Gefäß nachweisen
ließ. Eigentliche Fettembolien konnten mit
Sicherheit nicht constatirt werden. Die Nieren
erwiesen sich bei mikroskopischer Untersuchung
stets gesund.
Nebenbei gesagt, war es auch nicht möglich
durch subcutane Injection größerer Mengen fri-
scher Milch Thiere zu ernähren. Die Versuchs-
thiere atrophirten und wenn sie einige Tage
nach der letzten Injection getödtot wurden, fan-
den sich an der Injectionsstelle immer beträcht-
liche Reste der geformten Milchbestandtheile.
Dieser Befund steht allerdings im Widerspruch
mit Angaben anderer Autoren. Vielleicht haben
diese sehr stark verdünnte (getaufte) Milch zu
ihren Injectionen benutzt. Auf keinen Fall darf
man allzugroße Hoffnungen auf eine Ernährung
durch Milchinfusionen oder die von anderen
Seiten empfohlenen subcutanen Milchinjectionen
setzen. '
Nun ist es aber auch durchaus nicht wahr-
scheinlich, daß G. Thomas bei seiner Patientin
die verweigerte Bluttransfusion einfach durch
Milchinfusion habe ersetzen wollen. Es liegt ja
auf der Hand, daß die Milch unmöglich die In-
dicationen erfüllen kann, die eine Bluttransfusion
bezweckt. Im günstigsten Falle könnte man
annehmen, daß nicht lethale Mengen Milch zwar
nie absolut, aber vielleicht relativ die Sauerstoff
aufnehmenden Blutkörperchen im Gefäßsystem
sehr blutarmer und stark collabirter Individuen
vermehren dürften. Es ist wenigstens denkbar,
daß die infundirte Milch, wenn sie ganz unschäd-
lich wäre, die in coUabirten Gefäßen zurückge-
141
haltenen, rothen Blutkörperchen wieder in Cir-
cnlation setzte. Ob dies wirklich geschieht, ist
freilich eine Frage, die sich experimentell schwer
entscheiden lassen dürfte. Um der Lösung dieser
Frage etwas näher zu treten, habe ich eine An-
zahl von Milchinfusionen bei Hunden gemacht,
denen vorher größere Quantitäten Blut, bis zu
72 > der berechneten Blutmenge entzogen
waren. Es hat sich dabei herausgestellt, daß
auch solche Thiere kleinere Quantitäten Milch
ertragen, nach Infusion größerer Mengen meist
aber schon auf dem Operationstisch zu Grunde
gehen. Diese Versuche wurden daher nicht
weiter verfolgt, einmal weil die Milch sich kei-
neswegs als eine unschädliche Injections- Flüssig-
keit manifestirte , dann aber hauptsächlich, weil
es nicht thunlich ist, das Minimum eines lethal
wirkenden Blutverlustes aus der berechneten
Blutmenge festzustellen.
Die letzteren Versuche führten zur Beobach-
tung einer eigenthümlichen Einwirkung der
Milchinfusionen auf die Herzthätigkeit. Waren
bei den Thieren in Folge starker Blutverluste
die Herztöne sehr schwach , fast unhörbar ge-
worden, so wurden sie gleich nach der Milchin-
jection wieder sehr laut und deutlich. Dieser
eigenthümliche Befund veranlaßte eine letzte
Reihe von Infusionsversuchen, die an möglichst
blutleeren Thieren und zwar dann erst angestellt
wurden, nachdem bei ihnen die Respiration voll-
ständig aufgehört und selbst mit der Herznadel
keine Spur von Herzaction mehr nachweisbar
war. Bei allen diesen Thieren traten gleich
nach der Infusion wieder rythmische Herzcon-
tractionen, mit fühlbarem Herzstoß auf. Etwas
später stellten sich auch Respirationsbewegungen
ein. Setzten Respiration und Herzaction nach
142
einiger Zeit wieder aus, so gelaug es meisteus
zum zweiten Mal durch eine geringe Milchinfu-
sion beide Functionen wieder hervprzurufen,
einzelne Hunde fingen sogar an zu bellen. Na-
türlich war es nicht möglich, auch nicht beab-
sichtigt die fast ganz blutleeren Thiere durch
Infusion kleiner Mengen Milch dauernd am Leben
zu erhalten. Aus dieser letzten Versuchsreihe
scheint aber hervorzugehen, daß kleine Mengen
Milch ins Gefäßsystem injicirt die Herzthätig-
keit, wenn sie gesunken ist, anregen, wenn sie
seit kurzer Zeit erloschen ist, wieder in Gang
setzen können. Ob dieser excitirende Einfluß
auf die Herzaction als eine indirecte durch Rei-
zung der Nervencentra bedingte Wirkung oder
als eine directe, vielleicht sogar rein mechanische
Reizung des Herzmuskels aufzufassen sei, bleibt
allerdings unentschieden.
Für die Praxis dürfte sich aber aus diesen
Versuchen ergeben, daß trotz des günstigen
Ausgangs in dem Thomas'schen Falle die
Milchinfusionen nicht zu empfehlen
sind. Denn da nur relativ geringe Quantitäten
Milch ohne Schaden injicirt werden dürfen , da
diese nur ganz vorübergehend eine relative Ver-
mehrung der farblosen Blutkörperchen bedingen
und da anderseits die Infusion einer großen
Menge Milch zu Lungenembolien führt, niemals
aber eine Bluttransfusion ersetzen kann und da
wir endlich die Herzaction, wo es überhaupt
möglich ist, mit unschädlicheren Mitteln anregen
und in Gang setzen können — so dürften Milch-
infusionen auch nicht als ultimum refugium zu
wagen sein.
148
III. üutersuöhuug einer aus Africa
(wahrscheinlicli vo/i Holarrhena africana
DC) stammenden Rinde,
von N. Wulfsberg.
Die Rinde, die ich auf Veranlassung des
Herrn Prof. Marme untersucht habe, stammt aus
Africa von einem Baume, den die Eingeborenen
»Gbomi« nennen und zu allen möglichen häus-
lichen Zv^ecken, aber auch als Heilmittel gegen
Dysenterie benutzen. Mitglieder der norddeut-
schen Missionsgesellschaft, welche im tropischen
Africa auf dem südlichsten Theile der Sclaven-
küste, im Ewe- Gebiete als Missionare wirken
und welche an sich selbst die gute Wirkung des
Heilmittels erprobt hatten, haben die Rinde
nach Europa gebracht. Durch Vermittel ung des
früher hier thätigen Professor theol. Zahn ge-
langte die Drogue an die Herrn Jordan und
Faust dahier. Der letztere stellte aus dersel-
ben ein Alcaloid dar, welches im hiesigen phar-
macologischen Institut einer eingehenden Prüfung
unterzogen worden ist. — Die Drogue bildet
flach rinnenförmige Rindeustücke von länglicher,
sehr verschiedener Form und Große, bis 11 Cm.
laug und 7 Cm. breit. Die Dicke beträgt 3—4 Mm.
Die Oberfläche graugelb bis dunkelbraun mit
zahlreichen, elliptischen bis linienförmigen, wel-
lenförmig gebogenen Erhabenheiten von 1 —5 Mm.
Länge, größtentheils längs der Mitte geborsten
und dann mit ausgestülpten Rändern. Zuweilen
ist die Rinde mit gelblichgrauen Flechten (ste-
rilen Lecanora-Arten) überwachsen. Die Unter-
fläche glatt oder der Länge nach zartgestreift,
röthlichgelb, mit mißfarbigeu, schimmeligen Fle-
cken. Der Längsschnitt zeigt eine regelmäßige
Streifung mit abwechselnden hellen und dunkeln
144
Streifen von V* — Va Mm. Breite, indem das Pe-
riderm eine papierdünne, bläylichbraune Schicht
bildet, während die innere Einde aus abwech-
selnden harten und weichen Fhloemlamellen
besteht.
Geruchlos, von schwachbitterem Geschmack.
Die mikroskopische Untersuchung zeigt ganz
nach Außen eine bräunliche Schicht von ver-
schiedener Mächtigkeit, aus abgestorbenen Cel-
lenwänden bestehend, deren ursprüngliche Struc-
tur nicht mehr deutlich erkennbar ist. Zuweilen
finden sich in derselben Reste von den später
zu beschreibenden Steincellen. Nach Innen geht
diese Schicht allmälig in den Kork über, der
aus 5 — 10 Cellenlager von gewöhnlicher Form
und Beschaffenheit besteht und nach Innen von
der Korkmuttercellenschicht (dem Phellogen) be-
grenzt wird. Die Korkmuttercellen liegen in
denselben verticalen und radialen Reihen ange-
ordnet wie ihre Tochtercellen, sind aber von der
doppelten Größe, enthalten Protoplasma und
haben .Cellulosewände.
Weiter nach innen kommt zunächst Weich -
hast, dessen äußerste Cellenschicht gegen die
Korkmuttercellenschicht mauerförmig gelagert
ist. Dieser äußere Weichbast grenzt nach Innen
an eine Sclerenchymschicht und es folgen jetzt
nach einander 8 — 10 solche, jede Schicht durch
Weichbast von der nächstfolgenden getrennt. In
den beiden Gewebsformen kommen zerstreute
Milchsaftgefässe vor, namentlich zahlreich im
Weichbast. Spiegelfasern durchsetzen beide,^
fehlen jedoch in den oberflächlichsten Schichten«!
Aechte Bastbündel kommen nicht vor.
Der Weichbast besteht hauptsächlich au8*
Cambiform, enthält aber auch neben den Milch-
saftgefäßen Gittercellen und Siebröhren. Die
145
cambiformeu Gellen enthalten stellenweise sehr
viel Stärke in kleinen runden und größeren läng-
lichen Körnern ohne deutliche Schichtung, an
anderen Stellen kommen senkrechte Reihen von
dergleichen Gellen vor, die mit rhomboedrischen
Krystallen erfüllt sind, welche nach ihren mikro-
chemischen Reactionen als aus oxalsaurem Kalk
bestehend betrachtet werden müssen.
Das Sclerenchyni besteht aus Steincellen, die
nach allen drei Dimensionen ziemlich isodiame-
trisch sind und deßhalb im Querschnitt sowie
in den beiden Längsschnitten dieselben mehr
oder weniger regelmäßigen polygonalen Felder
zeigen. Die Wände sind dunkel gefärbt, sehr
zierlich geschichtet und so dick, daß nur eine
ganz kleine Höhle übrig bleibt, von der ver-
zweigte Porenkanälchen nach allen Richtungen
hin ausstrahlen. Oft enthalten sie ähnliche Kry-
stalle wie die im Cambiform vorkommenden.
Das Sclerenchym bildet tangentiale Platten , die
in radicaler Richtung 2 — 4 Gellen zählen und
nur an wenigen Stellen, in den äußersten Platten
jedoch häufiger, von Weichbast unterbrochen
sind. Wo die Spiegelfasern dasselbe durchsetzen,
haben deren Gellenwände eine ähnliche Härte
und Dicke. Die zwischen den Sclerenchymplat-
ten liegenden Weichbastschichten sind gewöhnlich
etwas mächtiger als jene.
Die Milchsaftgefäße sind 50— 150 Mikromilli-
meter weit und mit einem coagulirten krümme-
ligen Inhalt erfüllt. Wir haben an denselben
weder deutliche Querwände noch Verzweigun-
gen unterscheiden können.
Die Spiegelfasern bestehen in verticaler Rich-
tung aus 5 — 10 Gellenreihen, in tangentialer aus
höchstens 3 oder 4. Im Weichbast bilden sie
ein zartwandiges , stärkeführendes Parenchym
146
aus parallelepipedischen , radial gestreckten Gel-
len , im Sclerenchym haben sie dieselbe Form
und Größe, aber stark verdickte Wände und zahl-
reiche Tüpfel, sind somit selbst in Steincellen
verwandelt.
Als von derselben Pflanze herrührend liegen
uns noch vor:
1) Die Wurzelrinde. Es sind unregel-
mäßige Rindenstücke von rothgelber Farbe und
verschiedener Größe. Die größten 3 — 4 Cm lang
und bis 1 Cm breit, sämmtlich unregelmäßig
gekrümmt, eingebogen oder gerollt, zuweilen
rückwärts gebogen. Die meisten sind oben und
unten schmäler und haben große Aehnlichkeit
mit Schnittspähnen. Unter dem Mikroskop zei-
gen sie ähnliche Sclerenchymschalen wie die
oberirdische Rinde in einem viel Stärke enthal-
tendem Parenchym eingebettet.
2) Stücke von einem mehrjährigen
Aste. Dieselben sind etwas gebogen, plattrund-
lich, 18 und 25 Mm dick. Die Rinde 1 Mm dick,
rothbraun, längsruuzelig, ohne Risse, stellenweise
mit 1 bis 2 Cm langen eiförmigen, von Kork
überzogenen Narben nach abgefallenen Aesten
oder sonstigen alten Beschädigungen. Auf dem
Querschnitte zeigt die Rinde eine äußere, mitt-
lere und innere dunkle Schicht durch zwei dazwi-
schenliegende hellere Schichten getrennt. Das
Holz ist weißgelb, fest, von mäßiger Härte, leicht
und vollkommen i n allen Richtungen spaltbar.
Der Querschnitt zeigt 11 deutliche, sehr excen-
trische Zuwachsringe, zahlreiche Gefäßöifnungen
und bis an den Mittelpunkt verlaufende Spiegel-
fasern, kein deutliches Mark.
147
3) Stücke von alten, verholzten Wur-
zeln. Sie sind mehr weniger cylindrisch, oben
und unten abgeschnitten, bis 22 Cm lang. 13 —
18 Mm dick. Ein Stück ist gabelförmig ver-
zweigt, an zwei anderen hängen noch Reste von
1 — 2 Mm starken Seitenwurzeln,
Die Rinde ist rothbraun, längsrunzelig und
längsrissig, abschilfernd. Sie ist verhältuißraäßig
etwas dicker, als an den Stammästen, zeigt zwei
dunkle und zwei nach innen von diesen liegende
helle Schichten. Das Holz besitzt dieselbe Be-
schaffenheit wie das oberirdische, nur sind die
Zuwachsriuge sehr undeutlich.
4) Stück von einem einjährigen
Trieb, 25 Cm lang, oben und unten abge-
schnitten. Von demselben entspringen 4 Paar
gegenständige Blätter in regelmäßigen Abständen
von etwa 7 Cm. Aus den Blattwinkeln sprossen
aufrechtstehende , in ihrem weiteren Verlauf
schlaff nach Außen überhängende Aeste, die in
derselben Weise beblättert sind. Der Stengel
ist dunkelbraun, rund, glatt und kahl, an den
ürsprungsstellen der Blätter schwach aufgetrie-
ben, einen ringförmigen Wulst bildend, ohne
Narben von Nebenblättern.
Die ausgewachsenen Blätter kurz gestielt,
aufreehtstehend. Blattstiel etwas herablaufend,
4 Mm lang; keine Nebenblätter; Blattplatte
elliptisch, oben plötzlich verschmälert, mit aus-
I gezogener Spitze. Sie sind hautartig, undurch-
1 sichtig, oben dunkelgrün, unten heller, fieder-
j nervig. Hauptrippe bis an die Spitze deutlich,
j an der Unterseite stark hervortretend, seitlich
1 zusammengedrückt, hellbraun. Seitenrippen bis
I in die Nähe des Blattrandes fast gerade, dann
in einer Strecke von 1 — 2 Cm demselben ent-
lang bogenförmig verlaufend, überall durch deut-
10
148
liches aber wenig erhabenes Adernetz verbunden.
Das Blatt ist vollkommen ganzrandig, der Kand
schwach zurückgeschlagen, Länge der Blattplatte
bis 14 Cm, größte Breite bis 6,2 tm.
Durch eine sinnreiche Vermuthung des Herrn
Medicinalrath Wiggers war die Untersuchung
gleich anfangs darauf gerichtet, ob diese neue
Rinde vielleicht mit der schon im vorigen Jahr-
hundert aus Ostindien importirten Conessirinde
übereinstimme. Die Conessi- oder Cudarmde
stammt angeblich von mehreren Apocyneen, na-
mentlich HolarrJiena antidysentenca VL und
Wrightia antiäysenterica Br.^)
Der vorliegende beblätterte Zweig unserer
africanischen Pflanze zeigt schon beim ersten
Anblick den Habitus der Apocyneen. Die nähere
Untersuchung ergibt mehrere dieser Famihe ei-
eenthümliche Merkmale, so namentlich die gegeu-
ttändigen , ungetheilten und ganzrandigen im
Großen ovalen Blätter ohne Nebenblatter. Und
die Familienbestimmung gewinnt die grolite
Wahrscheinlichkeit, wenn man analytisch ver-
fährt und die Unterabtheilungen und Gattungen
untersucht. Es zeigt sich dann, daß mehrere
auffällige Eigenthümlichkeiten unserer Füanze
gerade solche sind, die in den Gattungen Ho-
larrhena und Wrightia vielfach beschrieben wor-
den sind und deren verschiedenes Zusammen-
treten werthvolle Artkennzeichen darbietet.
Hierher gehören: der kurze Blattstiel, die plötz-
lich verengte und dann ausgezogene Blattspitze,
die dem Blattrand entlang gebogenen secundaren
^^Flücki^e^in Schweizerische Wochenschrift für
Phamacie Nr. 26, 1866. O'Shaughnessy, The Bengal
Dispensatory. Calcutta 1841. p. 446. De Candolle,
Prodromus. Pars VIII. Paris 1844. p. 413.
149
Blattnerveu , die netzförmig auf der Unterseite
hervortretenden tertiären Blattnerven, die haut-
artige Beschaffenheit des ganzen Blatts u. s. w.
Die mikroskopische Untersuchung bestätigt
diese Bestimmung. Durch die Güte des Herrn
Hofrath Grisebach sind wir im Stande gewe-
sen folgende Apocyueen zu vergleichen.
Nerium Oleander L. cultivirt.
Baissea sp. aus Africa.
Strophanthus sp. aus Africa.
Wrightia tomentosa R. & Seh. Ostindien.
» tinctoria Br. Ostindien.
» Wallichii DC. >
Holarrhena autidysenterica DC. Ostindien.
» pubescens DC. Ostindien.
Diese Pflanzen zeigen einen bei sämmtlichen
übereinstimmenden Bau des Holzes. Dem Marke
zu liegt innen ein ein- mehrfacher Kranz von
Spiralgefäßen [die Blattspuren], dann nach außen
strahlenförmig geordnete, zahlreiche Gefäßbündel,
durch Holzcellen zu einer festen Masse verbun-
den. Die stammeigenen Stränge bestehen aus
großen dünnwandigen, oft radial gepaarten Tüp-
felgefäßen. Dieselben sind ziemlich kurzgliedrig,
mit schräg gestellten , einfach durchlöcherten
Querwänden und länglichen, horizontal gestellten
Tüpfeln versehen. Die Holzcellen sind theils
gewöhnliches Holzparenchym mit schräggestell-
ten, gehöften Tüpfeln , theils sind es langge-
streckte Cellen mit horizontalen Querwänden
und kreisförmigen, gehöften Tüpfeln an der ra-
dialen Wand.
Der Bast enthält zahlreiche Milchsaftgefäße,
die im ersten Jahre als senkrechte Reihen von
kurzen und weiten Parenchymcellen auftreten,
später durch Absorption der wagerechten Zwi-
schenwände weite, nicht verzweigte Röhren bil-
13*
150
den, die häufig von Gittercellen und Siebröhren
dermaßen urasponüen sind, daß es zunächst so
aussieht, als besaiten die genannten Gefäße eine
selbständige Wandsculptur, was sich aber bei
genauerer Untersuchung nicht bestätigt.
Die Oberhaut besteht an dem jungen Triebe
aus einem einfachen Cellenlager, woraus später
die erste Korkbildung hervorgeht, indem die
Gellen sich durch tangentiale Wände theilen,
worauf die äußere Celle ihren Inhalt verliert
und der Verkorkung ihrer Wände unterliegt,
während die innere als Korkmuttercelle sich
immer und immer in derselben Weise theilt.
Aus den soeben beschriebenen Organen lassen
sich keine Kennzeichen für engere Abtheilungen
herausbringen. Solche ergeben sich aber aus
den mechanischen Geweben des Bastes und aus
der primären Rinde.
Aechte Bastfasern kommen bei allen unter-
suchten Apocyneen vor. Bei Nerium bildet sich
im ersten Jahr ein unterbrochener Kreis von
Bastbündeln. Später entstehen alle Jahre in
dem aus dem Cambium hervorgehenden Yer-
dickungsring neue Bastfasern, zwar mit zuneh-
menden Alter sparsamer, aber, soweit wir das
Verhältuiß haben verfolgen können, niemals voll-
ständig verschwindend. Die Gattungen Baissea,
Strophanihus und Wrightia haben im Jahrestrieb
ähnliche zerstreute Bastbündel. Bei den unter-
suchten Holarrhenen findet sich dagegen im
ersten Jahr ein vollkommen zusammenhängender
Ring von Bastfasern. Im zweiten Jahre bilden
sich aus dem Cambium neue Bastfasern in zer-
streuten Bündeln, aber zu gleicher Zeit fängt in
gewissen Gellen der primären Rinde und des
151
Weichbastes eiu weiteres Wachstlium an, zu-
folge dessen sie sich in Steincellen umwandeln
und Sclerenchymplatteu bilden. Sobald diese
Bildung angefangen hat, entstehen keine neue
Bastfasern mehr, jeder neue Verdickuugsring
enthält nur Weichbast, aus dessen jüngsten
Cellenschichten später eine Sclerenchymschale
hervorgeht.
Die primäre Binde besteht bei allen den
untersuchten Pflanzen aus einem koUeuchyma-
tösen Hypodjerm und einem tieferliegenden lo-
ckeren Rinden parenchyni. Bei Nerium scheint
keine secundäre Korkbildung stattzufinden , bei
zunehmender Dicke scheinen entsprechende , ra-
diale Theilungen der Korkmuttercellen sowie
der Gellen der primären Rinde einzutreten; man
findet selbst in ziemlich alten Stämmen unter
der Korkschicht das glänzende Hypoderm ').
Bei der Gattung Holarrhena hört die primäre
Korkbildung schon im zweiten Jahre auf und es
gibt eine Zeit, wo die äußere schützende Hülle
des Zweiges von dem nach und nach abster-
benden Hypoderm gebildet wird. Das secundäre
Phellogen tritt schon wie die folgenden im Weich-
baste auf. Dieser Entwickelungsgang ist am
vollständigsten bei der Holarrhena antidysente-
rica untersucht worden , was wir von anderen
Arten sahen , war mit den entsprechenden Ent-
wickelungsstufen dieser Art völlig übereinstim-
mend.
Dieselbe vollkommene üebereinstimmung fin-
1) Daß es noch das ursprüngliche Hypoderm ist und
nicht vielleicht eine Form von dem uns sehr problema-
tisch erscheinenden Organ, was Sanio Phelloderm genannt
hat, zeigt die mauerförmige Anordnung der äußersten
Cellenschicht den Korkmuttercellen gegenüber, sowie die
gleichmäßige Mächtigkeit d?s Lagers.
152
det sich duq auch bei unserer afrikanischen
Pflanze, so daß gar kein Zweifel übrig bleibt,
daß dieselbe der Gattung Holarrhena zugerechnet
werden muß. Der Hauptunterschied liegt in der
Zahl der Cellenreihen des Hypoderms, die bei
H. antidysenterica 4 — 5 betragen, während bei
der afrikanischen nur 2 solche Cellenreihen vor-
handen sind, was übrigens bei der sonst der H.
antidysenterica am Nächsten stehenden H. pu-
bescens auch der Fall ist.
De Candolle (1. c.) beschreibt 7 Arten der
Gattung Holarrhena und gibt 3 von diesen als
africanische an, nämlich die H. Landolphioides,
ovata und Africana. Die erstere unterscheidet
sich durch umgekehrt eiförmige Blätter, die
zweite durch ihre seidene Behaarung von der
unsrigen Pflanze, die aber völlig mit der Be-
schreibung H. Africana übereinstimmt. Von den
nicht africanischen Arten hat Holarrhena mitis
lanzettförmige Blätter mit lang ausgezogener
Spitze und plötzlich abschmälerndem Blattgrund ;
H. antidysenterica und pubescens, von welchen
Arten wir auch bei Hofrath Grisebach Gele-
genheit gehabt, ostindische Exemplare zu ver-
gleichen, haben : die erstere lederartige Blätter
mit abgestumpftem Blattgrund und an der un-
teren Seite mehr hervortretendem Adernetz, die
letztere, die von De Candolle als kaum unter-
schieden angeführt wird , seidenhaarige Blätter
und Zweige nur mit mehr abgestumpfter Spitze.
H. Codaga Don, die auch der H. pubescens sehr
nahe stehen soll, hat ebenfalls behaarte Blätter
mit abgestumpftem Blattgrund.
Es darf hiermit als erwiesen betrachtet wer-
den , daß die vorliegende , von den africanischen
Missionären geschickten Pflanzentlieile entweder
153
eiuer neuen Art der Gattung Holarrbena oder,
was wahrscheinlicher ist, der von De Candolle
beschriebenen Holarrbena Africaua augehören.
Vollständig sicher läßt sich ein ürtbeil erst
dann fällen, wenn Blüthe und Frucht, deren Zu-
sendung bereits in Aussicht steht, untersucht
werden können.
Beiträge zur Ph jsiographie gesteins-
bildender Mineralien*)
von
Heinr. Otto Lang.
II.
Granat aus erratischem Gneisse
von Wellen bei Bremen.
Dieser Granat zeichnet sich anderen Vor-
kommen gegenüber durch säulenförmige
Verzerrung aus; da eine solche nirgends
sonst an Granat beobachtet worden oder, meines
Wissens wenigstens, in der bezüglichen Literatur
erwähnt ist und da auch die übrigen Verhält-
nisse dieses Vorkommens manches Interessante
bieten, möge seine eingehende Beschreibung hier
Platz finden und zwar um so mehr, als aus letz-
terer auch der Grund jener anormalen Ausbil-
dung ersichtlich werden wird. Beifügen muß
ich noch die Notiz, daß ich auch an den Indi-
viduen eines großkörnigen , homogenen Granat-
Aggregats, sogenannten »derben« Granats eine
Andeutung säulenförmiger Verzerrung beobachtet
habe und zwar bei einem ebenfalls erratischen
Stücke von Charlottenburg (in der Wöhler'schen
Sammlung).
Wie in der Ueberschrift angedeutet, kommt
1) Vergl. Jahrg. 1877, S. 589.
154
der säulenförmig verzerrte Granat in Gueiß aus
einer Massenablagerung erratischer Gesteine in
der Nähe von Wellen bei Stubben im Herzog-
thum Bremen vor; die daselbst zusammengela-
gerten Geschiebe zu beschreiben und ihrer Her-
kunft nachzuforschen ist eine Aufgabe, die mich
schon längere Zeit beschäftigt. Granatführend
erwiesen sich mehrere der mir zur Untersuchung
übersandten Gneiß-Handstücke ; die säulenförmi-
gen Granaten aber fanden sich in dunklem Gneiß
und zwar in zwei Varietäten desselben , einer
mittel- oder größerkörnigen und einer kleinkör-
nigen. Beiden Varietäten waren von Gemeng-
theilen gemein: Quarz, Feldspath, brauner, in
großer Menge vorhandener, ferner ziemlich farb-
loser Glimmer, Granat, sowie endlich ein in ganz
vereinzelten, grünen, pleochroitischen, rundlichen
Körnern auttretendes Mineral (wahrscheinlich
Epidot); der kleinkörnige Gneiß war außerdem
verhältnißmäßig überreich an Apatit und führte
auch opake Erzkörnchen. Als eine petrographisch
wichtige Eigenthümlichkeit beider Gneiße darf
nicht unerwähnt bleiben, daß sie den Plagioklas
unter ihren Gemengtheilen vermissen lassen ; es
hat wenigstens den Anschein, als ob nur eine
Feldspath- Art vorläge, deren Natur bei der so
überaus unregelmäßigen Gestalt der Feldspath-
körner, dem Mangel gut ausgesprochner Spalt-
barkeit und daraus folgender Unmöglichkeit ge-
nauer optischer Orientirnng allerdings schwer zu
bestimmen ist; die vorwaltend einheitlich chro-
matische Polarisation jedoch und besonders die
Beobachtung, daß in vielen solchen Fällen, wo
noch nach Grenzlinien oder Spaltbarkeits-An-
deutungen eine rohe Orientirnng möglich war,
Auslöschen zwischen gekreuzten Nicols ein-
trat bei Parallelstelluug solcher Richtung zu
t " "
einer Nicol-Diagouale , spricht für die Ortho-
klas-Natur. Da von dem großkörnigen Gneiße
nur ein Schliff noch übrig war (das übersandte
kleine Handstück ist anscheinend bei einem
Wohnungswechsel abhanden gekommen), iu wel-
chem möglicher Weise alle Plagioklase ihre Ta-
felfläche M der Schliff-, resp. Schieferungs Fläche
parallel gelagert haben konnten, war die Abwcf
senheit des Plagioklases hier nicht so sicher zu
constatiren, wie in den Schliffen des kleinkörni-
gen Gneißes, die nach drei zu einander senk-
rechten Richtungen orientirt waren. Allerdings
war hier nicht so selten eine lamellare Structur
an Feldspathen zu beobachten, z. Th. sogar recht-
winklige Gitterbildung: einer lamellaren Vielr
lingsbildung schien mir diese Erscheinung jedoch
nicht zu entsprechen, sondern vielmehr auf me-
chanische Druckwirkungen zurückzuführen : die
betreffenden Lamellen waren selten , wenigstens
nicht allseitig scharf begrenzt; sie durchsetzten
das betr. Feldspath-Individuum fast nie in dessen
ganzer Erstreckung, sondern keilten sich in schar-
fen Spitzen aus; meist waren diese Lamellen-
systeme nur auf die peripherischen Partien der
Individuen beschränkt ; die Lamellen-Breite und
Länge variirte im System selbst sehr; auch im
sonstigen Habitus machten die betr. Feldspath-
individuen den Eindruck, als ob sie in der La-
mellen-Richtung oder in einer wenig davon ab-
weichenden Richtung einen Druck erlitten hät-
ten und so Gleitfläohen producirt worden seien.
Im polarisirten Lichte traten diese Lamellen
besoudejs hervor, gewöhnlich nur einseitig in
ihrer Färbung scharf begrenzt , andrerseits ver-
schwimmend ; z. Th. löschten sie zugleich mit
dem Hauptindividuum, welchem sie eingeschaltet
waren, zwischen gekreuzten Nicols aus, z. Th.
156
bildeten ihre und des Hauptindividuums Haupt-
Schwingungsriehtungen spitze Winkel bis gegen
AO^; zuweilen waren sie nicht ganz geradlinig,
sondern am Rande des Hauptindividuums etwas
abgebogen; ein Individuum zeigte in gewissen
Lagen zwischen gekreuzten Nicols ein Farben-
bild, das ganz der von A. Michel-Levy im Bull,
d. 1. soc. geol. d. France, 3. ser. t. V. pl. I. fig. 3
gegebenen Photographie eines micropegmatit's
entsprach, das aber in anderen Lagen und auch
bei der Dunkelstelluug vollständig verschwand;
es scheinen mir also hier keine Plagioklas-Viel-
linge, sondern der Lamellarpolnrisation Biot's
entsprechende Verhältnisse vorzuliegen. — Mit
den dem Gneiß eigenthümlichen Parallel-Struc-
turen finden wir an diesen Gneißen die porphyri-
sche Structur verknüpft, vorzugsweise bedingt
durch die eingelagerten Granaten ; erstere Structur-
Arten und insbesondere die lineare Parallelstructur
beobachten wir in eminentem Grade ausgebildet
am kleinkörnigen Gneiße; seine verwitterte,
weißliche bis hellgraue oder bräunliche Geschie-
befläche bietet den Habitus eines großen Holz-
splitters; mehr oder weniger (bis 5 mm) tiefe
und feine Furchen ziehen in Stränge geschart
und z. Th. flach wellig gewunden auf der Ober-
fläche hin ; die Grate zwischen ihuen bildet durch
Auswitterung der übrigen Gemengtheile poröser,
grauer bis weißer Quarz; nicht selten verbrei-
tern sich die Grate oder aber die Furchen er-
weitern sich zu in die Länge verzogenen, spitz-
rhombenähnlichen „Astlöchern'', aus deren Grun-
de die hier rosenfarbnen Granaten hervortreten ;
sind letztere zu mehreren geschart, so wird die
lineare Parallelstructur in stärkerem oder gerin-
gerem Maße gestört. Die lineare Parallel-
structur hat nun anscheinend einen mächtigen
157
Einfluss ansgeübt auf die Formausbildung
und Lagerung aller größeren Gemengtheile,
sowie sogar auf die Anordnung ihrer mi-
kroskopischen luterpositionen. Indem
kleinkörnigen Gneiße, dessen Gemengtheile in
der Mehrzahl nicht über 0,2 mm Größe errei-
chen, finden sich z. B. größere, bis 2,5 mm lange
Quarz- und Feldspathindividuen, die bei sonst
ganz regelloser Form doch erkennen lassen, wie
sie der Richtung der Gesteinsstructur entspre-
chend verlängert und gelagert sind und wie auch
ihre Einschlüsse Parallelität dazu erstreben. Am
Auffallendsten aber ist diese Erscheinung bei
den Granaten.
Dieselben besitzen auch keine ganz regelmäß-
ige Gestalt, aber entschieden säulenförmigen
Habitus; sie erreichen mehr als 1 cm Länge
bei 0,5 cm höchster Breite, in der Mehrzahl
aber sind sie 3,5 — 6,0 mm lang und 1,2 — 2,2 mm
breit; sie sind ziemlich von Quarzhärte, aber
äußerst bröcklich; hin und wieder lassen sich
rhomboederähnliche Spaltungsformen und musch-
liger Bruch erkennen : auf den Geröllflächen be-
sitzen sie rosa- bis fast pfürsichblüthrothe Fär-
bung, die im Innern z. Th. ins Violblaue über-
geht. Unter dem Mikroskope sind die Umrisse
der röthlichen und mit rauher Schlifffläche aus-
gestatteten Krystalloide nicht ganz regelmäßige
und stetige , sondern oft aus- und eingezackte ;
regellos geformte, mehr oder minder große An-
hängsel stören die Säulenform und auch da, viro
man bei geringerer Vergrößerung geradlinig ste-
tige Begrenzung zu beobachten glaubt, enthüllt
stärkere Vergrößerung eine flachwellige, hin und
wieder leicht ein- oder ausgezackte Linie. Die
Breite der Längsschnitte ist deßhalb sehr wech-
selnd; in Folge der Aus- und Einbuchtungen
158
machen manche derselben den Eindruck, als ob
die Säulen durch Aufeinanderpfropfen von Kör-
nern resultirt seien. Dieser Annahme wider-
streitet jedoch schon die an allen Individuen
beobachtbare Beschaffenheit des Kluft - Netzes ;
alle Granaten werden nämlich von .etwas gebo-
gen und, soweit sie einander entsprechen, nicht
immer parallel verlaufenden Quer- und Längs-
klüften durchsetzt, von denen die gleichnamigen
einander gewöhnlich auslösen, stellen weiS8 ein-
ander sehr genähert, stellenweise (zumal die
Längsklüfte) bis über 1 mm von einander ent-
fernt laufen; an einem 6 mm langen uud etwa
1,2 mm breiten Granat -Längsschnitte waren
Längsklüfte zu beobachten, die bis auf 2,3 mm
Erstreckung stetig verliefen ; sonai; lösen sich, wie
gesagt, diese dunkeln, z. Th. mit Eisenoxydhydrat
imprägnirten und mehr oder minder breiten
Klüfte o-ern aus ; trotz dieser Auslösungen hangt
iedoch das Kluftnetz in allen seinen Partien zu-
sammen, ist wesentlich einheitlich orientirt und
bildet ein zusammenhängendes Gitterwerk, wie
solches nur bei einem Individuum, nicht bei ei-
nem Körner-Aggregate zu finden sein durfte. Die
Klüfte entsprechen dabei wohl den Spaltbarkeits-
richtungen nach ooO. — Neben diesen Granat-
säulen, die jedenfalls der linearen Parallel-
structur, d. h. der Fluctuation bei der Ge-
ateinsbildung ihre derselben parallele Lagerung
und säulenförmige Ausbildung verdanken,
letztere als Verzerrung nach den rhom-
bischen Zwischenaxen betrachtet, fanden
wir in dem gröberkörnigen Gneiße (seine durch-
schnittliche Korngröße beträgt 1,2 mm) noch
kleine Granatkörner, allerdings in ganz spär-
licher Menge; sie liegen in nächsterjNachbarschatt
der großen säulenförmigen Krystalloide , und
zwar gewöhnlich in der Verlängerung derselben
159
und besitzen circa 0,2 mm Durchmesser; anch
sie sind oft, bei gleicher Orientirung ihrer betr.
Dimensionen und Spaltungsklüfte mit den gro-
ßen Säulen, in deren Längs-Richtung sie liegen,
etwas verzerrt; manche von ihnen zeigen Kry-
stallformen und zwar einen sechseckigen Durch-
schnitt, dessen der Fluidal-Richtung und so auch
der Längsrichtung der benachbarten Granatsäule
paralleles Seitenpaar etwas länger als die anderen
ist; so hat z. B. ein dergleichen >Trabant< in
der Fluidalrichtung 0,23 mm Durchmesser, quer
dazu aber, in welcher Richtung gewöhnlich Klüfte
angedeutet sind, nur 0,17mm. Nach der Form
dieser kleinen Trabanten zu urtheilen ist also
die Normalform der Granaten dieser Gneiße das
Rhombendodecaeder.
In BetreflF der mikroskopischen Interpositio-
nen unterscheiden sich die Granaten der beiden
Gneißvarietäten etwas, wenn auch nicht wesent-
lich ; unter jenen finden sich nämlich nicht selten
Partikel der übrigen Gesteinsgemengtheile , so
z. B. meist regellos gestaltete, aber an Größe
nicht unbedeutende (zuweilen schon makrosko-
pisch erkennbare) Glimmer-Fetzen, Quarz-Körner
etc.; in den GraHaten des kleinkörnigen Gneißes
beobachten wir deßhalb häufig Apatit-Säulen,
deren die Granaten aus dem größerkörnigen Gneiße
begreiflicher Weise ermangeln. "Wichtiger und
interessanter, dabei den Granaten beider Gesteine
gemeinsam , sind von mikroskopischen Interpo-
sitionen farblose, nadelähnliche Mikrolithe; ihre
Dimensionen betragen im großkörnigen Gneiße
durchschnittlich 0,07 mm in der Länge bei
0,003 mm Breite , im kleinkörnigen aber sind
sie 0,5—0,025 mm lang und 0,025—0,002 mm
breit; sie endigen meist flach abgerundet, die
längeren unter ihnen aber sind zuweilen mehr-
fach quergebrocheu. Ihr Lichtbrechungsvermö-
160
«ren mag wohl von dem des Granats sehr ab-
weichen, denn sie erscheinen verhältnißmäßig
dunkel umrandet ; dabei zeigen sie, nur mit dem
Polarisator geprüft, deutlich Lichtabsorption, rea-
giren auf polarisirtes Licht schön chromatisch und
löschen zwischen gekreuzten Nicols bei (schon bei
angenäherter) Parallelstellung ihrer Längsrichtung
zu einer Nicol-Diagonale aus. Die Menge, in der
sie in den einzelnen Granitindividuen auftreten, ist
sehr verschieden; einzelne Granatdurchschnitte
sind so reich an ihnen, daß sie grau gefasert und
fast vollständig doppeltbrechend, allerdings mit
Aggregat-Polarisation erscheinen. Ihre Anord-
nung in den Granaten erweist sich zuweilen wenig
gesetzmäßig; wirr gehäuft, meist aber in Büschel
und Stränge gruppirt vermeiden sie die Lage
quer zur Längsaxe der Granatsäulen und haben
sie ersichtlich eine Concordanz mit der Verzer-
rungs-Richtung des Granates angestrebt. Das
Uebergreifeu ihrer einzelnen Individuen wie ihrer
Stränge von Granatpartikel zu Granatpartikel
(Korn zu Korn) bezeugt dabei auch die Zusam-
mengehörigkeit dieser Klüftungs-Körner zu einem
Individuum; zuweilen schwenken ihre Bündel
und Stränge, den Granat-Umrissen folgend, an
den Enden der Granatsäulen scharf herum.
Sind diese Mikrolithe vorzugsweise im Granat
interponirt, so treten sie doch auch hin und
wieder in den andern Gesteinsgemengtheilen auf
und sind insbesondere im kleinkörnigen Gneiße,
wo sich ihnen oft bis 1 mm lange Apatit-Säu-
len gesellen, einzelne Feldspathindividuen sehr
reich daran, abgesehen von den gewöhnlich rei-
nen Randzonen des Feldspaths; ihre Anordnung
ist dann eine ähnliche wie in den Granaten;
in diesen völlig farblosen Wirthen aber erschei-
nen sie, falls sie nicht zu dünn sind, um die
Erscheinung zum deutlichen Ausdruck kommen
161
zu lassen, blußgrüulich oder flascbengrüulich nud
deutlich dichroitisch ; daß die iu dem Granat
interponirten Mikrolithe diese Erscheinung nicht
erkennen lassen, schreibe ich einzig der blaß-
röthlichen, complimentären Färbung des Wirthes
zu. Welchem Minerale diese Mikrolithe ange-
hören, läßt sich nicht sicher entscheiden; sie
ähneln den in vielen Cordieriten vorkommenden
Mikrolithen; ein Vorkommen solcher oder dem-
ähulicher in Granat ist aber bis jetzt nicht be-
kannt; nur »blaßbräunliche«, dem Turmaliue
resp. dem Zirkone zugerechnete Mikrolithe ha-
ben Zirkel und Kalkowsky (Mikr. Beschaffenh.
d. Min. u. Gest. S. 196; Zeitschr. d. geol. Ges.
1876, S. 682) aus Granat beschrieben; blaß-
bräunlich sind sie aber entschieden nicht; ich
möchte eher annehmen, daß sie der Hornblende
angehören, obgleich Hornblende unter den eigent-
lichen Gesteinsgemengtheilen dieser Gneiße fehlt,
und zwar bin ich zu dieser Annahme geneigt
auf Grnnd ihres optischen Verhaltens- — Nur
im Granat des größerkörnigen Gneißes habe ich
weiter äußerst kleine, rundliche oder unregel-
mäßig schlauchförmige, iu Schlieren und Flasern
gehäufte Interpositionen beobachtet; die in die
Länge gezogenen, ei- oder schlauchförmigen In-
terpositionen sind concordant der Richtung der
Schlieren und Flasern in ziemlich gleichen Ab-
ständen geordnet und diese, nicht gerade zu häu-
figen, aber auch nicht überaus spärlichen Schlie-
ren durchsetzen die Grauatsäulen-Längsschnitte
ungefähr iu querer Richtung. Ueber die Natur
dieser Interpositionen konnte ich mir auch nicht
Gewißheit verschaffen ; anscheinend sind es Hohl-
räume und feste Körperchen, letztere wohl oft in
ersteren (möglicher Weise auch z. Th. träge Bläs-
chen führende Flüssigkeiten !) ; nur soviel ist zu
constatiren, daß die bezeichneten Schläuche meist
162
kein homogenes Innere besitzen , sondern noch
dunkle Substanz führen und dass in den Schlie-
i^eü viele innerhalb oder außerhalb der Schläuche
bfefindliche Partikel auf polarisirtes Licht reagiren.
Vor dem Löthrohre gaben betr. Granatsplittei?
keine charakteristische Reaction, desgleichen nicht
bei Untersuchung mit dem Spectral - Apparate,
welche Untersuchung Herr Dr. Bente so freund-
lich war mit dem Apparate des agriculturchemi-
schen Laboratoriums auszuführen. Die quanti-
tative Analyse, welche ich der Freundschaft des
Herrn Dr. PolstorfiF verdanke und deren Resul-
tate unten folgen , giebt auch keinen Aufschluß
über den Farbstoff des Granats, denn Herr Dr.
Polstorff constatirte, daß Mangan vollständig
fehle. Diö Analyse ist mit äußerst wenig Sub-
stanz, nur 0,23 grm ausgeführt, die ich mit der
Lupe aus zerstoßnem Materiale des kleinkörni-
gen Gneißes ausgesucht hatte. Die beiden Oxy-
dationsstufen des Eisens konnten der geringen
Menge des Materials wegen nicht getrennt be-
stimmt werden ; es wurde nur Fea O3 bestimmt
und zwar mit 43,07 %; der größte Theil des
Eisens dürfte jedoch als Oxydul zugegen sein,
wenn auch nicht in so großer Menge, wie ich,
am die Summe 100 zu erhalten, angerechnet
habe. Die Analyse ergab darnach:
Si Os 43,64 7o ; Sauerstoff: 23,27 = 2 x 11,63
AUOs 11,63 5,419\ k q.
FeaOs 1,77 0,531/ ^'^^
FeO 37,16 8,256 j
MgO 3,78 1,512 10,345
CaO 2,02 0,577 (
Summe7T00,00
Wie ersichtlich, fugen sich die erhaltenen
Werthe keiner Formel und mag dieser Umstand
163
einerseits daher rühren, daß die Gewichtsbestiin-
mungen wegen des zu geringen Analysen-Mate-
rials zu ungenau sind, andrerseits daher, daß die
mikroskopischen Interpositionen das Resultat
beeinflussen; letzteren, insbesondere eingewach-
senen Quarzpartikelchen und kieselsäurereichen
Silicaten (den kleinen, in Masse auftretenden
Nadeln!?, die darnach wohl der Hornblende zu-
gehören dürften) ist gewiß der für Granat allzu
hohe Kieselsäuregehalt zuzuschreiben. Hat dar-
nach die Analyse auch nicht alle Räthsel gelöst,
so ist doch wohl sicher, daß der betr. Granat
der Gruppe der Eisenthongranate angehört. Es
sei deßhalb erlaubt, ihn noch mit einem andern
Eisen-Thou-Granate aus Gneiß derselben Fund-
stätte zu vergleichen. Dieser kommt in einem
großkörnigen, dunklen aber nur Biotit-haltigen
Gueiße vor, erscheint in rundlichen Kömern,
schließt keine nadeiförmigen ^likrolithe ein, son-
dern erweist sich ziemlich homogen und in der
Farbe sehr dem vorbeschriebnen ähnlich; sein
specifisches Gewicht bestimmte ich zu 4,09 ; zur
Analyse, die Herr Dr. Polstorff ebenfalls auszu-
führen die Freundlichkeit hatte, konnte ich auch
nur wenige Gramm aussuchen, doch erlaubte
selbst diese geringe Menge die Hauptwerthe der Ana-
lyse mehrfach zu bestimmen. Die Werthe sind :
SiOj 38,32%; Sauerstoff: 20,43 = 2 x 10,225
F^Os'mO 1J;5^}i1,27= 1,102x10.225
FeO 32,06 7,12J
M^ 3;S »»8,68=0,839x10,225
CaO 1,31 0,37J
Alkalien Sporen.
100,44
Dieser Granat enthält also merklich weniger
Kieselsäure, Magnesia und Kalk, an deren An-
14
1C)4
reicheruug im erstbeschriebeneu Granate, wie
aogedeutet, wohl die in^erponirten Mikrolithe
die Schuld tragen dürften. Entspricht auch hier
das Verhältniß der Sauer stofif-Mengen der 3 Oxy-
dationsstufen , wie zu ersehen (2:1,102:0,839),
nicht genau dem durch die Granatformel ver-
langten 2:1:1, so wird doch die Verwandtschaft
mit anderen Eisen-Thougranaten ersichtlich,
wenn man das Resultat der Analyse mit denje-
nigen anderer, besonders des Almandius vom
Greiner und eines Granats von Orawitza ver-
gleicht; letztere beide differiren in der Kiesel-
säuremenge von diesem Wellener Granate je um
0,8% und nimmt dieser Granat von Wellen,
dessen Analyse hierunter nochmals (unter II.)
zwischen denen jener beiden folgen soll , offen-
bar (abgesehen von der Thonerdemenge) eine
Mittelstellung zwischen ihnen ein.
I. Almandin (rother Granat) vom Greiner im
Zillerthal, nach Kobell in Schwgg. J. 64, 283.
III. Granat aus Glimmerschiefer von Orawitza
im Baniat, nach Kjerulf, im J. f. pr. Ch. 65, 192.
I. IL III.
SiOs 39,12 38,32 37,52
AlaOs 21,08 21,55 20,00
FesOa 6,00 4,10 —
FeO 27,28 32,06 36,02
MnO 0,80 0,85 1,29
MgO ^ 2,25 2,51
CaO 5,76 1,31 0,89
100,04 100,44 98,23.
y ^Jlblenk. TU Scalcnthcilcn
^"I^ntf. der Spitzen inMülim.
165
Nachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
27. Februar. >& 4. 1878.
Königliche (üfsellschaft der >Yissf n«»chanen.
Sitzung vom 2. Februar.
(Fortsetzung).
Die eigentliche Accentuation des In-
dicativ Präsentis von ig 'sein' und (pä
'sprechen', so wie einiger griechischen
Präpositionen.
Von
Theodor Benfey.
§• 1-
In der 'Zeitschrift für vergleichende Sprach-
forschung, N. F. III. S. 581' heißt es in einem
Aufsatz von Osthoff über griechisch »Ci?« 'sei':
'Nebenbei bemerkt , ist dann dagegen im
griechischen Siug. Präs. der Accent von der alten
Norm abgewichen und hierin haben sich viel-
mehr ia-fii «t-fi*j ia-ai, ia i* nach den von alters
her oxytonierten Pluralforme'n gerichtet, so wie
auch bei der ebenfalls stammabstufenden Wurzel
ya die Singularformen (f^-{ii, cft^-ci ihren Accent
nach dem Plural (fa-iiiv , (fa-ie, dorisch q:a-vti
yeräudert haben müssen'.
i; Der Herr Verfasser hegt also die Ansicht,
15
165
iVaclirichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen,
27.,fe^ruar.
Ao. 4. 1878.
Königliche <iles«lhchaft der Uisseuschaffen.
Sitznng vom 2. Februar.
(Fortsetzung).
Die eigentliche Accentnation des In-
dicativ Präsentis von ig 'sein' und qiä
'sprechen', so wie einiger griechischen
Präpositionen.
Von
Theodor Benfey.
, - §.1.
i ''^■'■'1'.
In ddr 'Zeitschrift für vergleichende Sprach-
forschung, N. F. 111. S. 581' heißt es in einem
Aufsatz von Osthoff über griechisch tff.?» 'sei':
'Nebenbei bemerkt, ist dann dagegen im
griechischen Siug. Präs. der Accent von der alten
Norm abgewichen und hierin haben sich viel-
mehr ia-fii il-fiij ia-ai, iü i* nach den von alters
Ifiei oxytonierten Pluralformen gerichtet, so wie
jfiuch bei der ebenfalls stammabstufeuden Wurzel
ya die Siugularformen (f^-iii, (f^-ci ihren Accent
nach dem Plural q)a-niv, (pa-is , dorisch (fa-vti
Yerändert haben müssen'.
lj Der Herr Verfasser hegt also die Ansicht,
15
166
daß der Accent dieser ludicative des Präsens
einst mit demjenigen identisch gewesen sei,
welcher im Sanskrit uns für as entgegentritt
und nach dessen Analogie auch für griechisch
(fa aufzustellen sei. Nehmen wir einen Augen-
blick an, daß griech. tpa 'sprechen' mit sskr.
lihä 'scheinen' identisch sei, eine Annahme, welche
sogar viele Wahrscheinlichkeit für sich hat, da
im Indogermanischen das Gewahrmachen durch
'Zeigen' und 'Sprechen' (gewissermaßen durch
Laut und Gebärde), die Wörter für die Begriffe
'scheinen, zeigen , sprechen', aufs engste zusam-
menhängen, vgl. z. B. im Sanskrit khyä 'schauen'
und 'sprechen', caksh 'sehen' und 'sagen', latei-
nisch die (z. B. in dlc-are in-dic-are, ju-dic) =
griech. dix sskr. dig u. s. w. 'zeigen' und in die
(für ddc, Bildung nach Analogie der sskrit.
ersten Conjugations-Classe) 'sagen'. Dann wür-
den sich einander gegenüber treten:
sanskritisch griechisch sanskritisch griechisch
Singular : äsmi
asi
ästi
Dual 2. sthäs
3. stäs
Plur. smäs
sthä
sänti
s^g st
iöwp
iüfiiv
iais
bhami
bhä'si
bhä'ti
bhäthas
bhätäs
bhämäs
bhätha
bhä'nti
w
(fCtXOV
(fiati
(pixol(v)
Ich darf nicht umgehen, darauf aufmerksam
zu machen, daß in dieser Uebersicht weder sskr.
sänti zu griech. elal(p) noch hhd'nti zu (paal{v)
stimmt und ich glaube, daß dies wohl manchen
gegen die Annahme einer eigentlich gleichen
Accentuation dieser Formen im Sanskrit und
Griechischen etwas stutzig gemacht haben würde.
Denn es giebt keine einzige, irgend verlässige,
Spur, daß in den indogermanischen Sprachen
167
jemals der Accent in der 3ten Person Plur, auf
das auslautende i gefallen sei ; zwar existirt eine
Erscheinung, welche auf den ersten Anblick für
die Möglichkeit einer solchen Accentuation zu
sprechen scheinen könnte, aber wer sie kennt,
von dem bin ich überzeugt, daß er auch nach-
zuweisen im Stande ist, daß eine derartige Fol-
gerung aus ihr irrig sein würde, und halte es
daher für Papier- und Zeitverschwendung , sie
hier zu discutiren.
Ich halte daher diese Differenz für eine sehr
bedeutende und glaube, daß sie, im Verein mit
anderen Momenten , uns gegen des Verfassers
Annahme, daß die Accentuation des Duals und
Plurals im Griechischen dadurch zu erklären sei,
daß in ihr die ursprüngliche indogermanische
bewahrt sei, sehr bedenklich machen muß.
Gegen die — ohne jeglichen Grund — bloß
durch das Schlußwort 'müssen' dem Leser auf-
gezwungene Erklärung der Umwandlung des
früheren Accents des Singulars durch den Ein-
fluß des Duals und Plurals wird sich wohl jeder
Leser von selbst auflehnen; denn er wird nicht
umhin können, die Frage aufzuwerfen, wie so
kommen Dual und Plur. dazu, hier eine solche
Macht auszuüben , da sich sonst auch kein ein-
ziger Fall nachweisen läßt, in welchem sie einen
gleichen oder nur ähnlichen Einfluß auf den
Singular ausgeübt hätten.
§. 2.
Gegen die Annahme, daß die Accentuation im
Dual und Plural als Bewahrung der ursprüng-
lichen indogermanischen aufzufassen sei, spricht
aber , außer jener Differenz in der 3ten Person
Plur. («ttfi(V) gegenüber von sdnti, (faai{y) von
noch der Umstand, daß der einstige in-
15*
168
dogermanisclie (im Sskrit bewahrte) Acceut auch
sonst in diesen Verben nicht bewahrt ist Wie
so wäre es z. B. za erklären, warum der ur-
sprüngliche Accent, wenn er im Dual und Ir'lur.
bLahrt wäre, nicht auch z B. m 2 Sm^ Im-
perativi bewahrt ist; diese Form lautete m der
Grundsprache as-dU, warum nicht auch im
Griechischen ladi, warum i'^r^*?, warum ferner
ae^enüber von grundsprachhchem astat nicht
%Tui, sondern sötco, warum gegenüber von
ds-tdm nicht ioTÖP, sondern aazov , you as-tam
nicht iözuiv sondern sazuiv, von us-ta nicht söis,
sondern s'are'i Ebenso von (f>cc, wie Buttmann
mit seinem feinen grammatischen Tact, bei dem
Streite der Grammatiker, richtig annimmt, nicht,
nach Analogie von grundsprachl. hJia-dhi, (fcc^
'°'' iTlein^^in* Bezug auf diese Accentuatiouen
von IV^* u. s. w. stehen diese Formen nicht
vereinsamt, sondern vielmehr m Analogie mit
andern griechischen, welche, bezüglich des Ac-
Cents sich in demselben Gegensatz zu der
grdsp'rchlichen und sskr. Accentuation befinden;
so z.B. von i 'gehen, grdspr. «-rf/» *-to^ u.s.w,
aber im Griech. i'^», iV« u.s w., von ^^^c? 'wissen
grdspr. vid-dhi, vid-tät, aber im G/i^ch^i^^ ,
%l. Ganz analog steht dem grundsprachlichen
^ar-nu-^nds (sskr. ximmäs) im ^.f^i^^^^^'V";^^^*
d^wi^^v, sondern o^vz^^.»' gegenüber dem grund-
sprchl. dadhär^näs {= .skr. dadhmas) nicM w^^-
aip, sondern zi^e^sp und gauz oder wesentlich
deich ist die Differenz in allen deujemgen Bil-
dungen, welche im Griechischen sanskritischen
Formen der sogenannten 2ten Conjugation ent-
'^'Mlt'l'inem Worte: Während im Sanskrit die
Personalendungen des Singulars des Präsens und
I6d
Imperfect des Parasmaipada, der ersten Personen
des Imperativs, und der 3ten desimperat. Sing.
Parasm. auf tu unfähig sind den Accent zu
tragen, haben die übrigen des Präs. Impf, und
Imptv. in der 2ten Conjogation diese Fähigkeit
bewahrt. Im Griechischen dagegen giebt es
außer sieben Formen des Präs. Indicat. von ig
und <fa auch nicht einen einzigen Fall weiter,
in welchen die Personalenduugen deu Accent
haben können.
Diesem umfassenden Gesetz gegenüber wäre
es doch wahrhaft wunderbar, wenn sich die ur-
sprüngliche Accentuation der Personalenduugen
als eigentliche im Dual und Plural von ig und
ya erhalten haben sollte und sogar so mächtig
gewesen wäre, allen Analogien zum Trotz, diese
Accentuation auch dem Singular aufzudrängen,
welcher, ^vie die sogenannte Guuirung der den
Personalendungen vorhergehenden Silben iu der
2ten Coujugation zeigt, schon vor der Spaltung
uufähig geworden war, die Personalendungen zu
accentuiren.
Demgemäß dürfen wir unbedenklich anneh-
men, daß die Oxytonirung des Präs. Ind. von
ig und (fa (außer 2 Sing.) wohl einer anderen
Erklärung bedarf, als der von OsthofiF, ohne je-
den Versuch einer Begründung, aufgestellten.
§. 3.
Die Erklärung, welche mir die richtige scheint,
habe ich schon seit Jahren iu meinen Vorle-
sungen über vergleichende Grammatik der Indo-
germanischen Sprachen mitgetheilt; sie findet
sich schon in einer der ältesten Bearbeitungen
derselben (Heft Nr. XLVI S. 4). Allein sie ist
nicht in allen Semestern , in welchen ich diese
Vorlesung hielt, vorgetragen. Denn der große
170
Umfang meines Heftes nöthigte mich, bald die
bald andere Theile desselben auszulassen.
Ich nehme an, daß der Indicativ des Präsens
von ig sowohl als cpä , gleich wie deren übrige
Formen , ganz nach Analogie der übrigen zu
derselben Categorie gehörigen Verba im Griechi-
schen accentuirt war, d. h. unfähig war, den
Accent auf den Personalexponenten zu sprechen ;
daß aber in Folge ihres vorwaltend enclitischen
Gebrauchs — d. h. beziehungsweise völliger Ton-
losigkeit, oder — in Folge des im Griechischen
entwickelten Einflusses der Silbenzahl auf die
Accentuation im Satze — Eintritt des Gravis
oder Acut auf der letzten Silbe — die ursprüng-
liche Accentuation — außer in 2 Sing, efg und
(fiyg, und in 3 Sing, i'art unter gewissen Bedin-
gungen — ganz vergessen und die Oxytonirung —
außer in den angeführten Formen des 2ten
Sing. — irriger Weise als die ursprüngliche an-
genommen ward.
Ob diese Auffassung mittlerweile von irgend
einem andern Grammatiker — unabhängig von
mir — veröffentlicht ist, wageich weder zu be-
jahen noch zu verneinen. Denn ich darf nicht
verschweigen, daß ich seit 1868, in welchem Jahr
mein eines Auge plötzlich erblindete , das andre
sehr geschwächt ward, nicht mehr im Stande
bin , so viel zu lesen , als ich früher für meine
Pflicht hielt.
Eine vollständig verschiedene Ansicht ward
vor zwei Jahren von einem meiner begabtesten
Schüler, J. Wackernagel in der Zeitschrift für
vergleichende Sprachforschung N. F. III. S. 457 ff.
vorgetragen. Trotz der darin unverkennbar herr-
schenden Sorgsamkeit der Ausführung im Ein-
zelnen gestehe ich, daß ich durch sie nichts we-
niger als überzeugt und weit entfernt bin ihr
171
beitreten zu können. Die Gründe meines Wi-
derspruchs hier anzuführen verstattet mir meine
durch andere Arbeiten in Anspruch genommene
Zeit für jetzt nicht; man wird sie jedoch der
Abhandlung entnehmen können , in welcher ich
die Einbuße und Bewahrung des Verbalaccents
in den Yeden erörtern werde. Nur in Bezug
auf einen Punkt verstatte ich mir einige Worte.
Wackernagel bemerkt nämlich S. 457 in Be-
zug auf die Erklärung dieser Eigenthümlichkeit
des Präsens Indic. von eifit und y>y/u»: 'Die zu-
nächst liegende Erklärung, die Zurückführung
der Tonschwäche auf Schwäche und Farblosig-
keit der Bedeutung, die sehr einleuchtend wäre,
wenn dfii allein stände, wird durch (ffjf*i, das
gewiß von ebenso voller Bedeutung ist, als jedes
andere Verbum, unbedingt ausgeschlossen'.
Mir scheint diese Unbedingtheit sehr zweifel-
haft. Denn wenn wir unsern Blick auf die
Wörter werfen, welche in den verschiedenen
Sprachen tonlos werden, oder ihren Ton behal-
-jen, dann erkennt man, daß es äußerst schwierig
ist sichere Gründe für diese Erscheinung in je-
dem einzelnen Fall anzugeben , daß man sich
l>egnügen muß, anzunehmen, daß in der einen
Sprache dieses in der andern jenes bald durch
seine Bedeutung allein , bald durch Verbindung
derselben mit einem nicht sehr ins Gewicht fal-
lenden Lautkörper nach und nach seinen ur-
sprünglichen Ton verlor. So wird z. B. das
sskrit. Präsens Indic, welches dem griechischen
£i(ii entspricht, bezüglich des Accents auch nicht
entfernt anders behandelt, als alle übrigen Prä-
sentia ; es verliert oder behält ihn , wo auch
diese ihn verlieren , oder behalten. Wie wenig
das, was uns Farblosigkeit der Bedeutung scheint,
entscheidend ist, zeigt, daß z. B. das lateinische
172
Verbum substantivum seineu Ton durchweg be-
wahrt hat und eben so das deutsche und das
vieler anderen Sprachen. Umgekehrt wird man
wohl kaum eine Sprache nachweisen können,
wo ein dreisilbiges Wort, mit starkem Laut-
körper in der Bedeutung 'jeder, alle, irgend ei-
ner (in negativen Sätzen d. h. nicht irgend einer ==
keiner), ganz' tonlos geworden wäre, wie dies
mit dem sanskr. samasmät, samasya, smmsmm
samasmai^) eben so sehr, wie in dessen zwei-
silbigen Casus samani, same der Fall ist. l^.s ist
daher nicht im Entferntesten mit Gewißheit zu
behaupten, daß das kleine Wörtchen (ffifit u. s. w.
nicht in der lebendigen Sprache - vielleicht
sehr oft — in einer Weise gebraucht ward, daß
seine Bedeutung ganz farblos zu sein schien.
Brauchen wir doch unser 'sagt' m der lebendi-
gen Rede oft genug so, daß es eigentlich über-
flüssig ist; ich erinnre in dieser Beziehung nur
an das bekannte Couplet in 'die Wiener m
Berlin': In Berlin, sagt er, mußt du fem, saj^t^
er und gescheidt, sagt er u. s. w.
1) Es gehört nicht wie Grassm. unter sa/»« annimmt
zu vrikdya, sondern, wie Sdyana es construiri, zu aghäi/aU.
Das'Uebergreifen des Sinnes aus einem btoUen in de»
andern, findet im Veda zwar nicht sehr häufig statt, aber
doch häufig genug, um es in allen Fällen anzunehmen,
wo sonst, wie hier, eine falsche Wortstellung oder e.n
unangemessener Sinn eintreten würde. Leider hat aueh
Ludwig die irrige Construction. Die beiden Stollen hnd«n
sich Rv. VI. 51, 6 und lauten
mä no vrikaya vrikye (zu lesen vrikie) samasmä
aghäyate riradhatä yjijaträh.
Wenn saviasmai zu vnkd'i/a gehören BoUte, durfte
vrikye nicht dazwischen stehen. Es ist zu übersetzen:
Üeberlaßt uns nicht dem Wolf, der Wölfin, nicht irgend
einem (d. h. keinem irgend) Bösgewillten .
tn
§.4.
Ich nehme also an, daß der Indic. des Prä-
sens elfjn, (pt)m im Griechischen, nachdem die
Unfähigkeit die Personal exponeuten zu accen-
tuiren, sich geltend gemacht hatte, ganz nach
Analogie des Präsens von * 'gehen' accentuirt
ward, also
(fq (ftjg
SGU (ffj(Jt
soiov (fcivov
eöfifV qafisv
sffie (fdrf
elat, (fdai
Nachdem aber diese Formen, mit Ansuahme
von 2 Sing., in den meisten Fällen enklitisch — ^
d. h. eigentlich tonlos und nur dann accentuirt,
wenn die Wortverbindung einen Accent for-
derte — geworden waren, wurden sie ganz so
behandelt, wie andre zweisilbige Wörter, welche
ihren ursprünglichen Accent einbüßten. So z. B.
xttlöq iffn, gerade wie xai uvoq; (fiXog iöti, wie
äV.og noTs; avXa^ iöilv iydxcj wie aiXa^ no^
Daß diese Auffassung richtig ist, dafür spricht
die Vergleichung andrer zweisilbiger Enclitica.
So wird z. B. das Fragwort %iq in allen
zweisilbigen Casus paroxytouirt ; wo es dagegen
als Pronomen indefinitum gebraucht wird, ist es
ein Encliticum. Es wird nun aber wohl noch
Niemand eingefallen sein anzunehmen, daß es in
letzterer Bedeutung ein ganz andres Wort sei,
als in ersterer, und wenn es Jemand einfiele,
ließe sich durch Vergleichung der verwandten
Sprachen die richtige Auffassung leicht erweisen.
Das Verhältniß ist augenscheinlich dasselbe, AVie
das unsres Frageworts wer zu dem indefiniten
174
wer z. B. Wer war das? Aber 'es ist wer ge-
kommen', lu letztremFall wird ^er Accent des
Fragpronomeiis so sehr gedämpft, daß das Wort,
wie we für tig, tivoq für tivoq u. s. w., tonlos
^^^So^Vt" auch 'die ursprüngliche Accentuation
in TTo^t bewahrt, wie nicht bloß durch die in-
klinationsunfähigen av^i 0-^* ro^* aXlo^^ av-
x6^v ohav6^v UsX^i, sondern auch und vorzugs-
weise durch das sskr. ädU erwiesen wird. In
indefiniter Bedeutung dagegen ist es tonlos ge-
worden, fällt aber unter die Regeln über die
Bnclitica, d. h. einen Theil der Regeln, welche
im Griechischen die Veränderungen des lones
der Wörter im Zusammenhang der Rede — im
Satze — hestimmen.
Beiläufig bemerke ich, daß man auf den er-
sten Anblick über den ursprünglichen Accent
von n6^sv schwanken kann (eigentlich^ n6^B,
wie nqög&B^niö^e, welche 71^0?'^«' und omG^sv
nur vorVocalen lauten, und die Entstehung der
Endung aus ursprünglichem Äs zeigen; daß
auslautendes g im Griechischen bisweilen eingebüßt
wird, zeigt z. B. s? neben dq, auch wohl ot.rtö neben
oifrcös wo r«e bekanntlich für ursprüngliches tö)x =
sskr. tat, altem Ablativ vom Pronomen to = to,
steht; d^ß ferner das v ephelkystikon bisweilen
fest - integrirender Bestandtheil eines Wortes ~
ward, zeigt insbesondere die Endung der 3. Plur.
Sperativi •v^<.v, statt deren z. B auf dorischen
Monumenten,'.«, ohne v, erscheint, welches der
richtige Reflex der indogermanischen Form ntat
ist). Im Sskrit erscheint nämlich nur eine ein-
zige Bildung auf dhas, nämlich adhas (= griech.
^V^.v = lat. mde, wie sskr. adU = griech.
iV^« = lat. mdu; wegen des Mangels des n im
Sskrit vgl. man für jetzt lat. infi^ro mßmo =
175
sskr. ddhara^ adhiund), welche oxytonirt ist. Al-
lein die Analogie der übrigen griechischen Bil-
dungen auf if^eVj von denen keine oxytonirt ist,
vgl. z. B. i[ii&sv aXXo&iV, so wie der auf dt und
da machen es mir wahrscheinlich , daß auch in
nödiv die alte — wenigstens griechische —
Accentuation anzuerkennen ist. Im Sanskrit
sind noch mehr Differenzen zu notiren , z. B.,
neben ädha, sahd für sadhd.
§. 5.
Ich glaube, daß ich zur Begründung meiner
Auffassung, daß ««/u» iaiov iofitv i<m ttot, so
wie ^<7/i* u. s. w. im Griechischen, so lange sie
nicht enklitisch geworden waren, nach Analogie
von ffs, €0T* also ffju» icrov u. s. w. accentnirt
wurden und erst, nachdem sie enklitisch gewor-
den , wesentlich wie das indefinite xtvog behan-
delt wurden, weiter nichts hinzuzufügen brauche.
Allein, da ich in meinen Vorlesungen über ver-
gleichende Grammatik bei dieser Gelegenheit
auch einige Präpositionen besprach, deren ei-
gentlicher Accent aus ziemlich ähnlichem Gmnde
in der Griechischen Grammatik verkannt ist, so
möge mir verstattet ^sein, auch das darüber mit-
getheilte hier zu veröffentlichen.
§. 6.
Daß die sogenannten Proclitica ursprünglich
accentuirt waren und nur durch ihre Stellung
vor dem Worte , mit welchem sie dem Sprach-
bewußtsein in innigster Verbindung zu stehen
schienen, ihren Accent einbüßten, wird Niemand
bestreiten. Durch Aufgabe ihres Accentes ver-
loren sie gewissermaaßen ihre Selbständigkeit
und wurden fast ein integrirender Theil des fol-
genden Wortes.
Für 6 ly wird die ursprüngliche AccentTiation
176
durch die entsprechenden accentuirten Formen
des Sanskrit sä sa erwiesen ; daß also auch ot
ccl einst accentuirt waren, versteht sich demnach
von selbst. Bekannt ist, daß der Pronommal-
stamm sä eigentlich der und einer bedeutete.
Durch die im Griechischen eingetretene Schwä-
chung des Pronomens zum Artikel erklärt sich
die Einbuße des Accents, jedoch nur theilweis;
zum nicht geringen Theil ist sie zugleich tolge
des schwachen Lautkörpers dieser vier Formen,
wie sich daraus ergiebt, daß in allen übrigen
Casusformeu, Ntr. to, Acc. Msc. röv u. s. w. der
Accent sich erhalten hat. .
Daß oy ursprünglich accentuirt war, wird da-
durch erwiesen, daß am Ende des Satzes und
in einigen andern Fällen ov, mit Acut, erscheint.
Auch wQ findet sich mehrfach mit Accent
und zwar in der Bedeutung von oi)r«e mit Lir-
cumflex c5?, also gerade wie nwg, nach Hermann
(de em.gr. Gr. rat. p. 119) auch tcö? (statt rws),
so daß wohl dies für den eigentlich griechischen
Accent • zu nehmen ist; steht es hinter dem
Worte, dem es vorhergehen sollte, dann erscheint
es mit Acut. ,
Endlich hat auch ix, it wenn es dem Worte,
dem es vorhergehen sollte , nachsteht den Acut,
z. B. xaxwv fi|.
§•7.
- Der letzte Fall , wo eine sogenannte Präpo-
sition, wenn sie, wie das im Griechischen in
weit überwiegendem Grad vorherrschend der
Fall ist dem von ihr näher bestimmten Casus
vorhergeht, ohne Accent erscheint, dagegen, wenn
sie ihm nachfolgt, accentuirt ist, kann uns schon
die Yermuthung nahe legen, daß die sogenannte
Anastrophe wesentlich auf dieselbe Weise zu er-
m
klärea ist, d. h., daß ia diesem Fall im Allge-
meineu nicht der Accent als ursprünglicher zu
betrachten ist, welchen die Präposition hat (oder
vielmehr, in Folge eines falschen Schlusses aus
der Verwandlung eines Acuts auf der letzten
Silbe eines Wortes in den Gravis in mitten der
Bede, zu haben schien), wenn sie vor dem von
ihr bestimmten Casus steht, sondern vielmehr
derjenige, welchen sie hat, wenn sie hinter dem-
selben erscheint; also z. B, von dno nicht der
in dno vswv (aus welchem die Grammatiker ir-
rig auf ein einstiges ayro schlössen), sondern der
in V6(i5v äno erscheinende; daß also nicht etwa
zu sagen ist, wie ich in einer viel gebrauchten
Griechischen Grammatik lese: 'Wenn die Präpo-
sition demjenigen Worte, dem sie vorangehen
sollte, nachgesetzt wird, so wird, um anzuzeigen
(NB. was dieser Grammatiker nicht alle weiß!),
daß die Präposition nicht auf das folgende, son-
dern das vorhergehende Wort bezogen werden
müsse, der Accent von ultima auf xjeniätima zu-
rückgezogen', sondern vielmehr: der ursprüng-
liche Accent der Präpositionen ist im Allgemei-
nen derjenige, welchen sie haben, wenn sie hin-
ter dem Casus stehen, zu welchem sie geböreuf
treten sie dagegen davor, so wurde bei den ein-
silbigen SV (vgl. ivt) eiq sx der Accent einge-
büßt: sie wurden Proclitica; bei zweisilbigen hätte
dies ebenfalls geschehen können oder gar müssen,
weuu die griechische Satzaccentuation ein zwei-
silbiges accentloses Procliticon hätte ertragen
können ; da sie dieses aber nicht konnte, so wur-
den sie nicht ganz eben so, aber ähnlich wie die
Enclitica behandelt, d. h. statt ihres Accents trat
der enklitische ein, z. B. wie sau zu icil wurde,
so ward nigi, zu mQi; allein da sie durch den
begrifflichen Zusammenhang mit dem folgenden
178
Wort an dieses gewissermaßen gefesselt wa-
ren, erlitten sie, darin von den Encliticis ganz
abweichend, nicht den geringsten Einfluß von
dem ihnen vorhergehenden, so daß z. B. n^Qi
nicht — wie auch sau zu iati und «(Tw ward —
so ebenfalls auch zu nsQt und nsgi werden konnte.
§.8.
Daß diese Auffassung richtig ist, zeigt zu-
nächst der Umstand, daß mehrere; der hieher
gehörigen Präpositionen mit den im banskrit
entsprechenden in der Acceutuation übereinstim-
men welche in der Anastrophe eintritt, nicht
aber' in der, welche sie haben, wenn sie vor
dem durch sie bestimmten Casus erscheinen.
So entspricht ano, nicht aber änd, dem sskrit.
dpa, sm (nicht ^m) dem sanskritischen api naQCc
(nicht n«Da) dem sanskritischen i^am, ^^^t (nicht
nsQl) dem sanskritischen pari. Auch vno (nicht
ind) dürfen wir mit sskr. üpa wegen der Be-
deutung und der Uebereinstimmung m den drei
Lauten%7ro, zusammenstellen, obgleich es sich
durch den anlautenden Spiritus asper, den_ treuen
Reflex des lateinischen s in suh, als eine Zu-
sammensetzung - höchst wahrschemhch mit in-
dogerm. sa, in Demonstrativbedeutung, gewisser-
maßen dar- unter für ^unter', wie im banskrit
z. B. adhäs-tät, eigentlich unten von dem,
ganz identisch ist mit adhäs unten, pagca-tat
eigentlich hinten von d e m , ganz identisch
Jtpagca, hinten - kund giebt. .Denn die
Einbuße des a von sa in vno, so wie die Be-
wahrung des Acceut von adhas , pagca in den
Zusammensetzungen mit ^«^ macht es wahrschein-
lich, daß auch in vno für sa-üpa der Accent von
upa bewahrt ist. ,
Präpositionen , welche xcna und fiercc ent-
179
sprechen, finden sich zwar in Sanskrit nicht;
allein in Bezug auf fteia ist wohl kaum zu be-
zweifeln, daß (i€ = zend. ma in mat = goth. vii
in w?{) dem ma in sskr. smu entspricht, dessen
Neutr. smud in den Veden die Bedeutung mit
hat *). Dieses vorausgesetzt, ist es wohl kaum eine
gewagte Vermuthung zu nennen , wenn wir im
Suffix ra den Reflex des sskr. Suffixes tM, thd
(mit Verkürzung des auslautenden Vocals, wie
in Partikeln oft, vgl. z. B. Suffix frä in asma^
tra, aber trd in der Partikel ä-tra) sehen, wel-
ches gerade aus Pronomiualstämmen Adverbia
mit der Bed. 'in . . . Weise' bildet und in täthd
'in solcher Weise' ydthä 'in welcher Weise', so
wie cifhä, vedisch cithä, in Paroxytonis erscheint.
Danach dürfen wir dann wohl unbedenklich anneh-
men, daß auch in fisra die Accentuation in der
sogenannten Anastrophe , nämlich ftha die ur-
sprüngliche ist. Dasselbe dürfte auch unbedenk-
lich für xaT«, also xäta. anzunehmen sein, wenn
gleich der erste Theil des Wortes xa noch ganz
dunkel ist; denn Fick's Aufstellung (IP. 50) ist
ohne Analogie.
Freilich erscheint in den Veden katha vom
Pronomen interrogativum ha *iu welcher Weise ?'
oxytonirt, und diese Accentuation erhält eine
Stütze durch it-thä, so wie ka-thdm, it-thüm, de-
ren Suffix durch den Accusativ des im Suffix
liegenden Themas tha gebildet ist, so wie durch
it-thä'ty in welchem der Ablativ desselben er-
scheint , während in thä dessen alter Instrum.
sing, zu erkennen ist. Ja daß die ursprünglichste
Accentuation der Nomina auf sskr. tha griech.
xa, von welchen uns in diesen adverbial gewor-
1) Ich brauche wohl kaom zu bemerken, daß ich das
anlautende s wie in mb (S. 178) und super (S. 182), für
Rest von sa nehme.
denen Casus Trümmer erhalten sind, auf die
letzte Silbe fiel, wird höchst wahrscheinlich da-
durch, daß sich in fast allen Fallen, wo Oxjto-
nirunff mit einer andern Accentuation daneben
erscheint, die erstre als die ursprünglichere er-
giebt, so daß caeterispuribus stets zu vermuthen
It daß sie die ältere sei. Aber auch dieses
angenommen, ist dennoch, wegen der Ueberein-
stlmmung de^ Griechischen und Sanskrit m den
angeführten Fällen tdiU u. s.w. mit /i^T«, x«t«
in^der Anastrophe, der Accentwechsel als schon
in der Grundsprache eingetreten zu betrachten.
Er erklärt sich, wie in sskrit. diva adv ^^\äiva
Instr., durch den Uebertritt in die Kategorie der
Adve^bia. Daß die Accusative und der Ablativ
nicht ebenfalls den Accent wechselten, ünüet
seLe Analogie darin, daß sowohl der Accus des
Neutrum als der Ablat. Sing, überaus häufig ad-
verbiale Bedeutung haben, ohne darum den Ac-
cent zu ändern; jener regelmäßig, dieser spora-
disch (z.B. haUt gewaltsam z.B. Pancat. 27 10
n sonst). Der Zusammenhang dieser adverbial ge-
wordenen Casus mit dem Nomen ha teteeiitweder
fest imSprachbewußtsein und bewahrte deßhalb den
ursprüngUchen Accent, oder der Uebertritt m
die Categorie der Adverbia hatte sich m ihnen
'"unmerklich vollzogen, daß dieAc^^^^^^^^^^
dadurch nicht afficirt ward Was Ma betnflt
so ist die Annahme mcht unmöglich , daß wie
lada und Udä imVeda nebeneinander ersehet,
;t und auch sonst viele doppelte Accentuatio-
nen, so auch UtU neben haiha existirte.
§. 9.
Ferner spricht für unsre Auffassung, und fast
noch entscheidender, der Umstand daß sich da-
durch erklärt, warum «>yi keine Anastrophe ei>
181
leidet. Es eutspricht ihm uämlich imzweifelbaft
sskr. abhi- in abhi-tas mit den Bedd. 1. zu bei-
den Seiten, 2. von allen Seiten, rings,
und wir ersehen daraus, daß diese Präposition
schon ursprünglich oxytonirt war und diesen
Accent natürlich auch dann bewahren mußte,
wenn sie dem Casus, dessen Bedeutung durch
sie erläutert ward, nachfolgte. Für diese Accen-
tuation spricht auch die unzweifelhafte Abstam-
mung von indogerm. amlhd, beide, = sskr.
ubhä, welches nur oxytonirt erscheint, und =
griechisch tt(i(fo, welches in dfjKfoTv entschieden
dfi(f'6 voraussetzt (vgl. ^s6: ^eoTv , aber loyo:
loyoiv), während es im Nom.-Acc. dfKpca paroxy-
tonirt ist. Auch erklärt sich die Einbuße des
m in sskr. abhi- für ambhi, nach einer Fülle von
Analogien , gerade durch die Accentuation der
folgenden Silbe, welche tiberaus häufig im Sans-
krit die Einbuße eines Nasals in der vorherge-
henden Silbe herbeiführt (vgl. z. B. indogerm.
man-td mit bewahrtem n im lat. com-moi-to von
comminiscor, aber im Sskr. tna-td). Manche Ety-
mologen betrachten die sskr. Präposition abhi
überhaupt als identisch mit griech. äfMcpi, z. B.
auch das St. Petersburger Sanskrit-Wörterbuch ;
mir würde das nicht unwahrscheinlich vorkom-
men, wenn sich alle Bedeutungen desselben auf
'bei' reduciren lassen und dieses als eine
Schwächung von 'rings um' genommen werden
kaun; allein es treten dabei Schwierigkeiten ent-
gegen, welche ich nicht zu überwinden vermag.
Dagegen ist es keinen Zweifel zu unterwerfen,
daß abhi wie in abhi-tas so auch in einigen an-
dern Fällen zu (XfA(fi, lat. amb ahd. nmb gehört,
z.B. in der Zusammensetzung oZ>/«'-f?ra 'H e 1 d e n
ringsum (sich) habend' (Rv. X. 103, 5).
Möglich wäre es, daß in alhi zwei ursprünglich
16
182
verscliiedeiie Präpositionen durch lautliclie Um-
wandlungen (wie hier die entschiedene Embuöe
des m) zusammengefallen wären; doch ist diese
Frage für unsre Zwecke gleichgültig, daher ich
sie hier nicht weiter erörtern will.
Gegen meine Auffassung könnte der Umstand
zu sprechen scheinen, daß vnsg sogenannte Ana-
strophe erleidet; denn im Sanskrit entspricht
upäri, so daß, nach Analogie von vno, welches
trotz seiner Zusammensetzung mit sa den ur-
sprünglichen Accent bewahrte, auch vmQ trotz
seiner ebenfalls eingetretenen Zusammensetzung
mit sa (vgl. lat. super) als ursprünglich oxyto-
nirt angesetzt werden müßte und demgemäß
eben so wenig wie dfKfl der Auastrophe hatte
unterworfen werden können. Ja für die üxyto-
niruug spricht die Form instg, welche, abgesehen
von dem Spiritus asper, mit dem sogenannten
Uebertritt des ursprünglich dem q folgenden
Vocals vor denselben, der allertreueste Keüex
von sskr. upäri ist und in der That die Ana-
strophe nicht erleidet.
Bei derartigen Acceutvergleichungen und
Fragen ist stets zu beachten, daß der Accent,
in Folge seines zwiefachen Characters - indem
er eben so wohl ein logisches als ein eigentlich
musikalisches Element der Sprache ist — manchen
Schwankungen und Wechsel unterhegt ; denn
sobald er seine logische Aufgabe - ein Wort
so zu kennzeichnen, daß seine Bedeutung im
Sprachbewußtsein fixirt ist - erfüllt hat, kann
er sich ganz seiner musikaUschen Natur über-
lassen, gerade wie die articulirten Laute eines
Wortes, sobald sie die Bedeutung desselben im
Sprachbewußtsein hinlänghch fixirt haben, ohne
Nachtheil für sie den phonetischen Neigunger
der Sprache folgen können und sich dadurch otl
so sehr verändern , daß von der eigentlichen
Grundlage des Wortes kaum oder sogar keine
Spnr übrig bleibt (wie in fido^Xj] für ifida&Xrj
von dem Vb. » oder f 'binden', vgl. sskr. Si und
sä wofür 5? mehrfach eintritt). Die musikali-
schen Neigungen der Sprachen sind aber noch
verschiedenartiger als die phonetischen. Es ist
demgemäß bei Vergleichung der Accentnation
verschiedener Sprachen festzuhalten, daß Ueber-
einstimmnng in Bezug auf sie weit überwiegen-
der ins Gewicht fällt als Abweichung. Es wäre
also nicht unmöglich, daß sich nach Analogie
von vTif^og, vnegov , mit demselben Accent wie
in sskr. t'ipara . neben *vniQt in rntlg auch ein
*vnsQi oder erst vnfQ fixirt hätte; möglich je-
doch auch, daß vneg zvfrar die eigentliche Form
war, abef mit unrecht sich der Analogie der
zweisilbigen Präpositionen anschloß, welche den
Accent, weil er ihr ursprünglicher ist, wenn sie
hinter dem Casus stehen zu dem sie gehören,
mit Recht auf der ersten Silbe haben.
umgekehrt steht es mit dpn. Dieses er-
scheint hinter seinem Casus oxytonirt, während
es im Sskrit paroxytouirt ist und dnti lautet,
also eigentlich an dieser Stelle wie ano u. s. w.
avu accentuirt sein müßte. Wenn aber anti auf
einem zusammengesetzten Pronominalstamra be-
ruht, etwa an-ta (für a-na-ta), dann wäre nach
der sogleich folgenden ersten Erklärung des Ver-
hältnisses von griech. dvd zu sskr. dmi die Oxy-
tonirung die ursprüngliche Accentnation gewesen
und die Anastrophe würde mit Recht fehlen.
Für die übrigen Präpositionen, welche keine
Anastrophe erleiden, haben wir im Sanskrit keine
sichren Reflexe ; denn ob ava wirklich dem sskr.
anu gleichzusetzen und beide aus ursprünglichem
anam (sskr. u für am wie z. B. in ubM für
16*
184
mwMa) hervorgegangen seien, ist keineswegs ganz
sieher, mir jedoch, zumal, da die Entstehung
beider aus anmn durch viele Analogien gesichert
werden kann (vgl. für griech. a statt am z. ü.
die Endung der Isten Sing. Aor. grdsprchl. sam
griech. oa\ kaum auch nur zweifelhaft.
Allein es entsteht hier wie eben auch bei
anti die Frage, ob das Sanskrit oder das Grie-
chische den ursprünglichen Acceut hewahrt hat
und hier vorausgesetzt, daß awam wirklich die
gemeinsame Grundlage von änu und ava ist, wird
Sie sich wahrscheinhch zu Gunsten des Griechi-
schen entscheiden. Denn bei dieser Vorausse-
tzung ist fast so gut wie sicher, daß anam der
adverbial gebrauchte Acc. Si. Ntr. des zusam-
mengesetzten Pronomens ana ist ; dieses aber hat,
wie "im Sanskrit alle zusammengesetzten Fro-
nominalthemen und im Griechischen mehrere,
den Accent auf dem letzten Ghed der Zusam-
mensetzung (vgl. im Sanskrit i-^nd, e-na, c-ta,
eshä (für e-sd) , a-saii, a-mü, a-tm, im Griech.
ad-.to', i-av-TÖ, £>-atvro); so erscheint denn von
a-nä, welches keine vollständige Declination im
Sanskrit mehr besitzt, sondern nur Nebenformen
des Pronomen iddm bildet, anena, anaya.anayos
und nach diesen Analogien dürfen wir unbedingt
behaupten, daß der Acc. Sing, des Neutrum ur-
sprünglich andm lautete. Da im Sanskrit der
Wechsel der Categorie und Bedeutung oft --
öfter speciell als im Griechischen - einen Wechsel
des Accents herbeiführt (vgl. §. 8), so ließ
sich auch in dnu für andm der Wechsel des
Accents dadurch erklären, daß das Wort -- zu-
mal in der Form dnu — aufgehört hatte, ein basa
des Pronomens and zu sein und zu einem Aa
verb dann Präposition geworden war.
Unbemerkt darf ich jedoch nicht lassen, dal
185
auch ctva bekanntlich in einem Falle zu äva
wird (s §. 10) und Hermann zu Eurip. Medea
ed. Elmsley y. 1143 die Nichtanastrophi-
rung von dva überhaupt für eine grundlose
Behauptung der Grammatiker erklärt. Hat Her-
mann Recht, dann ist auch für dyoj in Ueber-
einstimmung mit sskr. anu , die Paroxytonirung
als die ursprüngliche Accentuation aufzustellen.
Eine Entscheidung dieser Frage ist nur von ei-
nem classischen Philologen zu erwarten, welcher
zugleich Linguist ist; ich stehe jener zu fern,
um sie wagen zu können.
Was did betrifft, welches ebenfalls auch
hinter seinem Casus oxytonirt wird, so ist dieses
wohl eigentlich ein vermittelst des Exponenten des
Instrum. Sing, aus dvi gebildetes Adverb und
mußte, als von einem einsilbigen Thema gebildet,
den Acceut auf der Endung haben, so daß in der
Oxytonirung dieser Präposition auch hinter dem
dazu gehörigen Casus der ursprüngliche Accent wie
in d(jKfi bewahrt ist (vgl. 'Das Indogermanische
Tlinnia des Zahlworts 'Zwei' ist DU' im XXI.
1 der Abhandlungen der Kon. Ges. der
V> :>>ensch., S. 7).
Was endlich die Oxytonirung von vnai, diai^
naoai hinter ihren Casus betrifft, so ist die Ent-
stehung dieser Formen noch zu dunkel, um über
ihren eigentlichen Accent ein ürtheil zu füllen.
Liegt in dem angetretenen » ein Suffix oder eine
Partikel — etwa das * in ovvoa-i — so versteht
sich natürlich fast von selbst, daß inai aus vna
für vno , Txagai aus ndga dadurch zu Oxytonis
werden mußten.
§. 10.
Für meine Auffassung spricht aber ferner
noch der Umstand, daß diese Präpositionen,
186 '
wenn sie iu Adverbialbedeutung gebraucht wer-
den paroxytonirt erscheinen, so z. B. nsgi, wenn,
wie es in der Grammatik heißt, in der Bedeu-
tung von nsgiaacog, äno , wenn in ,der Bed. von
ano&ev. Nun, es weiß jetzt wohl Jeder, daß die
sogenannten Präpositionen ursprünglich Adver-
bia oder adverbial gewordene Casus waren und
erst später zur näheren Bestimmung von Casus
gebraucht sind; wer es aber nicht weiß, kann
sich leicht davon überzeugen, wenn er ihre Ver-
wendung im Sanskrit oder auch nur im Rigveda
vergleicht, was ihm durch das Grassmanusche
Wörterbuch leicht gemacht wird ; hier findet er,
daß sie so ziemlich alle in Adverbialbedeutung
gebraucht werden, z. B. pari sowohl als Adverb,
wie als Präposition ; ja daß mehrere derselben,
deren Reflexe im Griechischen, Latein und Deut-
schen als Präpositionen dienen, im Rigveda nur
als Adverbia erscheinen, z. B. dpa, purä, pru
(dieses auch im Avesta). Umgekehrt dient aU
im Yeda als Adverb und Präposition, wahrend
dessen Reflex weder im Griechischen noch La-
tein in letztere Categorie übergetreten ist. Weui
aber die adverbiale Bedeutung die ursprüngli-
chere ist, so versteht es sich von selbst, daß
auch der in ihr erscheinende Accent der ur-
sprünglichere sein wird.
Zu diesem adverbialen Gebrauch gehört ua^
türlich auch der Fall, wo die zweisilbigen Prä-
positionen, für welche wir Paroxytonirung all
ihre eigentliche Accentuation nachzuweisen uui
bemühen, wie eine Grammatik sich ziemlicl
naiv ausdrückt 'verkürzte Verbalformen vertreten
z. B. näga im Sinne von naQsifit gebrauch
wird. Wir würden natürlich sagen ndga steh
hier im Sinne des Adverbs und das Verbun
substantivum fehlt, wie in den alten Phasen de
187
indogermanischen Sprachen so häufig und selbst
noch in den modernsten , wie z. B. bei uns im
Appell auf den Aufruf auch nur mit 'hier' ge-
antwortet und das 'bin ich' gespart wird- Na-
türlich kann auch ein andres selbstverständliches
und daher leicht zu ergänzendes Verbum fehlen,
z. B. bei äva, welches in diesem Fall entschie-
den paroxytonirt wird (s. §. 9), der Imperativ
2 Sing, des Verbum örd, 'stehen', gerade wie
auch wir 'auf statt 'steh auf sagen können.
§. 11.
Es ließe sich wohl noch anderes für die Be-
rechtigung meiner Auffassung geltend machen.
So, um nur eines anzudeuten, läßt sich aus der
Stellung der sogenannten Präpositionen , welche
bekanntlich sehr häufig, im Widerspruch mit
ihrer Benennung, hinter ihrem Casus Statt
findet, insbesondere im vedischen Sanskrit —
z. B. a etwa 186 mal hinter und nur 13 mal
davor, säcä 38 mal hinter, 7 mal vor —
und andren Momenten mit hoher Wahrschein-
lichkeit feststellen, daß die Präpositionen ursprüng-
lich — wenigstens vorwaltend — hinter ihrem
Casus standeu. Ist das aber der Fall gewesen,
so ist natürlich der Accent, welchen sie in dieser
Stellung zeigen, auch als der ursprüngliche an-
zuerkennen.
Der Wechsel der Stellung läßt sich, wie mir
scheint, in einleuchtender Weise aus der Fülle
von Casus erklären, welche der Indogermanische
Sprachstamm noch zur Zeit seiner Spaltung be-
saß , obgleich sie , wie sich zeigen läßt , schon
damals zusammengeschmolzen war. Diese Fülle
machte die Verwendung von Präpositionen früher
wohl ganz unnöthig, da sie jede Verbindung von
Nominibus mit Verben zu bezeichnen im Stande
188
waren. Als aber die Anzahl der Casus immer
mehr zusammenschmolz, indem ein Casus den
andern absorbirte, dadurch aber so viele Bedeu-
tungen erhielt, daß eine nähere Bestimmung der-
selben zuerst dienlich , dann nothwendig ward,
wurden Adverbien zu dieser näheren Bestimmung
verwandt, welche auch wohl vorher schon ge-
wissermaaßen pleonastisch ergänzend hinzuge-
fügt waren. So lange sie pleonastisch oder nur
der Dienlichkeit wegen hinzutraten, nahmen sie
die rhetorisch untergeordnete Stellung — der
alten Wortordnung gemäß die ergänzende —
hinter dem Casus ein. Als aber das richtige
Verständniß der Verbal- und Nominal -Verbin-
dung immer mehr durch ihre Verwendung be-
dingt ward, sie also nothwendig wurden,
traten sie an die rhetorisch hervorragende —
der alten Wortordnung gemäß die bestim-
mende — vor das durch sie bestimmte Wort.
Natürlich hing die Auffassung ob ergänzend
oder bestimmend von der Intention des Spre-
chenden ab, so daß auch die Stellung vor, wenn
gleich später die vorwiegende, doch nie die ein-
zig herrschende ward.
Doch dies und anderes noch zur Vertheidi-
gung meiner Auffassung des weiteren auszu-
führen , scheint mir kaum geboten. Denn ich
glaube, daß das bisher geltend gemachte, Jeden
überzeugt haben wird, daß äno srit Tidqu niqt
mit Paroxytonirung entschieden die ursprüng-
liche Aussprache war und anö im nagd nfql
nur in Folge der proklitischen Stellung im Zu-
sammenhang der Rede statt jener eintrat. Eben
so wird auch Jeder zugestehen, daß dieselbe Auf-
fassung für das Verhältniß von vno: vno, rneg:
ifneg, xäza: xara, fiha: fistd höchst wahrschein-
lich ist, nicht unwahrscheinlich sogar für das
189
von ava: aV« (nämlich in der Voraussetzung,
daß Hermann Recht hat, ein dvd zu verwerfen).
Dagegen ist dfufi schon vor der Spaltung
oxytonirt gewesen, dvri und dtd in griechischer
Zeit.
§. 12.
Wenn die hier gegebene Auffassung als er-
wiesen betrachtet zu werden verdient — und ich
glaube kaum, daß man au ihrer Berechtigung
wird zweifeln dürfen — dann kann ich nicht
umhin, den Wunsch auszusprechen, daß sie
nicht das Schicksal haben möge, so lange im
deutschen Reich Quarantaine erleiden zu müssen
als ein großer Theil der Resultate meiner übri-
gen Forschungen. Nicht wahrlich meinetwegen ;
ich kann Geduld haben und glaube, daß ich hin-
länglich gezeigt habe, daß meine wissenschaftliche
Thätigkeit nie weder von Anerkennung noch Lob
oder Tadel abhängig geworden ist.
Allein es ist nicht besonders rühmlich für die
griechische Philologie , daß , nachdem sie mehr
als zwei Jahrtausende mit verhältnißmäßig ge-
ringer Unterbrechung geübt ist, noch in ihren
jüngsten Lexicis und Grammatiken die Formen
dno, eni. nagd, nsoi, ino, matd, jt*««' aufgestellt
werden, welche in der Sprache weder je vorkom-
men noch vorkommen konnten.
Daß die Lehre von der Anastrophe ganz weg-
fallen und die Umwandlung von dno n. s. w.
zu dno u. s. w. unter die Lehre von den Pro-
cliticis eingereiht werden muß, versteht sich von
selbst.
190
Mahd'm, Nominativ Singularis von
mahänt, drittes Beispiel Rigveda IV.
23, 1.
Von
Theodor Benfey.
Daß mahä'm nicht bloß der Accusativ von
mahänt sei, sondern auch der Nomin. sing., habe
ich in meiner Abhandlung 'Ueber die Entste-
hung u. s. w. der mit r anlautenden Personal-
endungen' (Abhandlungen der Kön. Ges. der
Wissensch. Bd. XV) §. 38. 39 (vgl. 'Ueber die
Entstehung des ludogerman. Vokativs' (ebds.
Bd. XVII) Excurs am Schluß) nachgewiesen.
Die Variante des Säma-Veda I. 5. 1. 5. 10
maJiä'w für das in der entsprechenden Stelle des
Rig-Veda IX. 109, 7 erscheinende mahä'm^ die
entschiedene Zusammengehörigkeit desselben mit
dem Nominativ sing, ranväh in Rv. II. 24, 11,
welche wir nun auch in IX. 109, 7 für anu-
pürvyah (wie statt änu pürvydh mit dem Peters-
burger Wörterbuch zu lesen ist) geltend machen
dürfen, die Erklärung der Entstehung dieses m
in Analogie mit dem m neben n in Vam (neben
^ran) und den zendischen Vocativendungen auf
m, die einfache Verständlichkeit der beiden Stel-
leu, welche dadurch erzielt wird, geben dieser
Annahme eine solche Berechtigung, daß wir
selbst ohne derartige entscheidende Mo-
mente wagen dürfen , mahä'm auch in solchen
Stellen für Nominativ zu nehmen , wo dadurch
ein angemessnerer Sinn erlangt wird, als durch
die Auffassung desselben als Accus, sing, von
mahimt oder als Genetiv Pluralis von iiiah.
Eine derartige Stelle ist die in der Ueber-
schrift bezeichnete. Sic lautet
191
katha' mahä'm avridhat kasya hotur
yajriam jushänö abbi söniam ü'dhah
pibann u^änö jusbämäuo ändbo
vavakshä rishväh 9ucate dhänäya.
Sayana nimmt mahä'm natürlicb als Accus,
ging.: dadurcb ist er aber genöthigt, um in den
Satz einigen Sinn zu bringen , avridhat , die
dritte Person Sing. Indicativi Aor. IL (nach
meiner Zäblung) des primären Verbums vardh
im Sinne der 3ten Sing. Potentialis des Causale
zu nebmen (= vardfiayet) und zu suppliren
asmatpreritä stutih, so daß nach ihm zu über-
setzen wäre: 'Wie (erläutert bei ihm durch 'auf
welche Weise') möchte (der von uns vorgetra-
gene Lobgesaug) den großen wachsen macheu?'
Das Präsensthema vdrdha hat freilich neben der
intransitiven auch transitive Bedeutung, wie sich
das in den Veden bei Präsensthemen der soge-
nannten Isten Conjugationsclasse nicht selten
findet. Daraus folgt aber noch nicht, daß diese
Bed. auch dem uureduplicirten Aorist zukomme;
dieser hat im Particip vridhdnt und vridhdnd
nur intransitive Bedeutung, daher w^ir berech-
tigt, ja wohl verpflichtet sind, diese auch hier
anzunehmen ; denn Rv. X. 81 , 5 ist fraglich
mit welchem Verbum tanvdm zu verbinden ist;
Ludwig macht es von yajasva abhängig; gehört
es zu vridhänd so ist es nach Analogie des
griechischen Gebrauchs zu erklären, 'gewachsen
am Leibe'; ich ziehe die letztere Deutung vor
und werde in der Syntax der vedischen Gram-
matik darüber sprechen; in Rv. YIIL 2, 29 aber
ist in iridJuintas oder Jcärinam ein Fehler zu
vermuthen. Sayana freilich zieht es zu stütas^
welches er zu einem Masculini|m macht, wäh-
rend es ein Femininum ist; das dazu gehörige
Femininum yä's aber trennt er davon und sup-
192
plirt dazu tadtydh stutayas. Daß wir solche un-
grammatische und antihermeneutische Auffassun-
gen nicht mehr gebrauchen können, darf wohl
als zugestanden betrachtet werden. Ehe wir zu
derartigem Flickwerk unsre Zuflucht nehmen,
setzen wir lieber einem Stern an die Stelle der
Uebersetznng und dürfen sie der Zukunft um so
vertrauensvoller überlassen, da wir mit Bestimmt-
heit die Ueberzeugung aussprechen können, daß
die grammatische Erforschung der Vedensprache
mit verhältuißmäßig wenigen Ausnahmen ein
sichres philologisches Verständniß der Veden er-
öffnen wird.
■ Mit der Erklärung des übrigen Theiles dieser
Strophe sieht es bei Säyana eben nicht besser
aus; doch wollen wir uns hier nicht auf eine
Critik derselben einlassen , sondern uns darauf
beschränken, sie kurz mitzutheilen, die von ihm
angenommenen Ergänzungen und Glossen in
Klammern einfügend. Demgemäß lautet das
Weitere :
'Wessen Opferers Opfer liebend (möchte eben
dieser Indra) heran (kommen)? Die überaus er-
habne (atipravriddha als Glosse von udhar) Soma
Speise kostend , (sie) liebend (und) genießend
(? sevamänah als Glosse von jushämtmah) trägt
{vavdkshc identificirt mit vahati und glossirt
durch dhärayati) der große (Indra sie) zu leuch-
tendem Reichthum (um derartigen , als Gold
u. s. w. gekennzeichneten, Reichthum dem Opfrer
zu geben)'.
Ohne uns bei anderen aufzuhalten, wollen
wir uns, um zu sehen, was dabei heraus kömmt,
wenn man mahäm hier als Accusativ faßt, so-
gleich zu Alfr. Ludwig wenden. Denn er ist
einer der besten Kenner der Vedensprache und
der Veden überhaupt, zugleich überaus gewissen-
193
haft, augenscheinlich bestrebt, über das was er
nicht zu verstehen vermochte und über die Art,
wie er das aufgefaßt habe, was er verstanden zu
haben glaubt , dem Leser keinen Zweifel zu
lassen. Unbemerkt darf ich übrigens nicht
lassen, daß diese Strophe bei ihm als eine solche
bezeichnet ist , zu welcher in dem noch nicht
veröffentlichten Commentar eine Erläuterung er-
scheinen wird. Sollte in ihr die AuflFassung von
mahä'm als Accusativ an dieser Stelle gerecht-
fertigt und meine als Nominativ ernstlich wider-
legt werden, dann bin ich gern bereit sie hier —
nicht aber an den früher besprochenen Stellen —
aufzugeben.
Ludwig's Uebersetzung findet sich im Uten
Bande S. 100 und lautet
'Wie doch [und] welches hotars großes
Opfer hat er gedeihen lassen. Gefallen findend
am Soma [an der Quelle] am Euter? trinkend
mit Begierde, sich freuend am Safte, ist ange-
wachsen der hohe zu glänzendem Reichthum'.
Es sind hier zwei Fragwörter in Fragbedeu-
tuug in demselben Satz angenommen und deß-
halb ein 'und' eingeschoben. Es ließe sich ver-
theidigen, obgleich ich mich — wenigstens in
diesem Augenblick — keiner analogen Stelle im
Rigveda erinure. Säyana hat es, wie ich glaube,
mit vollem Rechte nicht gewagt. Das einge-
schobene 'an der Quelle' scheint eine Erläute-
rung des Wortes 'Soma' zu sein, deren Begrün-
dung im Commentar abzuwarten sein würde.
Ehe ich meine Uebersetzung mittheile, muß
ich bemerken, daß somam ii'dhah wiederum einen
der Fälle bildet, in denen zwei Wörter, obgleich
unverknüpft neben einander stehend oder nur
durch nä ('gleichwie') getrennt, wie eine Zusam-
mensetzung zu fassen sind. Ich habe auf diesen
194
vedischen Sprachgebrauch in Anmerkung 690
zu Rv. I. 66, 1 (in 'Orient und Occident' I.
p. 595) im Jahre 1862 aufmerksam gemacht
(vgl. auch Göttinger Nachr. 1875 S. 195 wo Z.
10 u. 9 V. u. in den Zahlen einige Fehler sind,
welche ich mir hier zu corrigiren erlaube. Es
ist nämlich I. 66, 1 u. 69, 1 und I. S. 595 n.
690 und S. 597 n. 713 zu lesen). Leider er-
laubt mir meine Zeit auch jetzt nicht, alle von
mir gesammelten Beispiele dieses Gebrauches
mitzutheilen ; doch will ich zu den schon früher
angeführten noch einige fügen, so Rv. VI. 66, 11
giräyo na pah 'wie Bergwasser'; I. 85, 1 jänayo
na säptayah 'wie Stutengespanne' (wegen der
Schnelligkeit; auch bei den Griechen dienen
Stuten als Wagengespann); VIII. 46, 30 gä'vo
nä yiithäm 'wie eineRinderheerde; 1.92, 4 gä'vo
nd vrajäm 'wie einen Kuhstall'.
So bedeutet sömam ü'dhah wörtlich Soma-
euter, bezeichnet aber das Gefäß, in welchem der
Somatrank enthalten ist. Indem dieses 'Euter'
genannt wird , wird der Somatrank gewisser-
maßen mit Milch verglichen; das Gefäß enthält
den Soma wie das Euter die Milch.
Ferner will ich darauf aufmerksam machen,
daß ävridhat nach Pän. I. 3, 91. III. 1, 55 (vgl.
Vollst. "Gramm, d. Sskritsprache §. 858, VIII,
S. 395) der regelrechte Aorist ist. Bezüglich
rishvä erinnre ich an das in den 'Nachrichten'
1876 S. 310 Bemerkte.
Meine Uebersetzung lautet demgemäß:
'Wie ist der Große herangewachsen? An
wessen Opfrers Opfer Belieben gefunden habend,
mit Lust das Soma-Euter trinkend, sich labend
am Safte, wuchs der Hehre empor zu strahlen-
den lleichthum?'
Zur Erläuterung bemerke ich folgendes: Die
195
erste Frage bedeutet: wie ist Indra so mächtig
geworden. Die Antwort würde dem vedischen
Glauben gemäß sein: 'Durch das Trinken des
heiligen Somatraukes', welcher bekanntlich den
Hauptbestandtheil des den Göttern darzubrin-
genden Opfers bildet. Diese Antwort ist in eine
neue Frage gekleidet, welche eigentlich nur den
Opfrer betrefifeu sollte, der ihn mit so kräftig
wirkendem Soma verehrt habe. Daraus sind
aber drei eng in einander verschlungene Satz-
theile gebildet , nämlich : welches Opfrers Opfer
gefiel ihm so sehr, daß er bei ihm den Soma
mit Lust trank und dadurch zu solcher Macht
gelangte, daß er strahlenden Reichthum gewann.
Dieser Reichthum ist der befruchtende, alle
Schätze der Erde den Verehrern des Indra er-
schließende, Regen, der himmlische Soma als
Lohn für den ihm geopferten irdischen.
Zur Empfehlung meiner Uebersetzung mache
ich schließlich darauf aufmerksam, daß darin, wie
avridhat, so auch der Aorist jushänds im Gegen-
satz zu dem Präsens jushd?tianas, zu seinem Rechte
gekommen ist.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
Nature 427-430.
Rivista Europaea. Vol. V. Fase. 1 — 2.
H, Bruns, Die Figur der Erde. Berlin 1878. 4.
Societa Toscana di Scienze naturali. Adunanza del di
18. Nov. 1877.
Sitzungsbericht der k. Akad. d. Wiss. Wien 1877 Nr. 27.
A. Orth, üeber die Anforderung der Geographie und der
Land- und Forstwissenschaft an die geognost. Karto-
graphie des Grund und Bodens. 1877.
196
H. Wild, Repertorium für Meteorologie. Bd, V. H. 2.
1877. 4.
— Die Temperatur -Verhältnisse des Russ. Reichs. 1.
1877. 4.
Leopoldina. H. XIII. Nr. 23—24.
J. Oppert et J. Menant, Documents juridiques de
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Flora Batava 239-240. Afl.
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Vol. VII- VIII. Melbourne.
M. R. de Berlanga, Los nuevos Bronces de Ocuna.
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H. 3.
Verhandl. der k. k. geolog. Reichsanstalt Nr. 11 — 13.
Monthly Notices of the R. Astron. Society. Vol. 38 Nr. 2.
Verhandl. der phys. med. Gesellschaftzu Würzburg. Bd. 11 .
H. 3-4.
Jahresber. 10 des akadera. Lesevereins in Graz.
Catalogue of the scientific papers (1864 — 1873). Vol. VII.
London 1677. 4.
L. Müller, det saakaldte Hagekors' Anwendelae og Be-
tydning i Oldtiden. Kjöbenhavn 1877.
Oversigt over det k. Danske Vidensk. Selskabs Förhandl.
1877.
Philosoph. Transactions of the R. Soc. of London. Vol.
166. P. 2. Vol. 167. P. 1. 1877. 4.
Proceedings of the R. Society. Vol. XXV. Nr. 175 - 178.
Vol. XXVL Nr. 179-183.
J.Plateau, Bibliographie analytique des principaux
phenomenes subjectifs de la vision.
Berichte des naturwiss. medic. Vereins in Innsbruck.
VII. Jahrg. II. 1.
(Fortsetzung folgt).
m
Jffachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. üniversitUt zu
Göttingen.
27. Februar. M. 9. 1878.
llniTersität
Verzeichniß der Vorlesungen auf der Georg-
Augusts-Universität zu Göttingen während des
Sommerhalbjahrs 1878. Die Vorlesungen be-
ginnen den 24. April und enden den 24. August.
Theologie.
Erklärung der Genesis: Prof. de Lagard« fünfstün-
dig um 10 Uhr.
Erklärung der Psalmen : Prof. Bertheau fünfstündig
um 10 Uhr.
Erklärung des Deuteronomiums: Prof. Duhm zwei-
stündig um 7 Uhr, öffentlich.
Erklärung des Buches Jesaia : Prof. Duhm fünfstün-
dig um 10 Uhr.
Einleitung in das Neue Testament : Prof. Wiesinger
viermal wöchentlicTi um 12 Uhr.
Geschichte des apostolischen Zeitalters: Lic. Wendt
dreistündig' Mönt. Mittw. Freit, um 11 Uhr.
Synoptische Erklärung der Evangelien des Matthäus,
Marcus und Lucas: Prof. Lüneinann sechsstündig um
9 Uhr.
Erklärung des Römerbriefs: Prof. Wiesinger fünfimal
ran 9 Uhr.
Erklärung des Hebräerbriefs: Prof. Ritschi fünfmal
um 9 Uhr.
Kirchengeschichte I. Theil : Prof. Wagenmann funf-
' stündig um 8 Uhr.
17
198
Kirchengeschichte des Mittelalters: Prof. Reuter
sechsmal um 11 Uhr.
Kirchengeschichte der Neuzeit: Prof. Wagenmann
viermal um 7 Uhr.
Theologie der Reformatoren : Lic. KaUenhmch drei-
stündig Mo nt. Dienst. Donnerst, um 4 Uhr, unentgeltlich.
Apologie des Christenthums : Prof. Schultz fünf-
stündig um 11 Uhr.
Dogmatik II. Theil: Prof. Schöherlein fünfmal um 8
Uhr und Sonnabend um 12 Uhr.
Theologische Ethik: Prof. Ritschl sechsstündig um
8 UTir.
Comparative Symbolik: Prof. Reuter sechsmal um
12 Uhr.
Praktische Theologie : Prof. Schöherlein fünfstündig,
Mont. Dienst. Donnerst. Freit, um 5 Uhr und Mitt-
wochs um 4 Uhr.
Kirchenrecht: s. unter Rechtswissenschaft.
Die Uebungen des Königl. Homiletischen Seminars
leiten abwechslungsweise Prof. Wiesinger und Prof.
Schultz Sonnabends 10 — 12 Uhr öflfentlich.
Katechetische Uebungen: Prof. Wiesinger Mittwochs
5—6 Uhr; Prof. Schultz Sonnabends 4—5 Uhr öflfentlich.
Die liturgischen Uebungen der Mitglieder des prak-
tisch-theologischen Seminars leitet Prof. Schöherlein
Sonnabends 9- 11 Uhr und Mittwochs 6— 7 Uhr öffentlich.
Eine dogmatische Societät leitet Prof. Schöherlein
Donnerstags um 6 Uhr ; eine historisch-theologische Prof.
Wagenmann Freit, um 6 Uhr; kirchenhistorische Uebun-
gen Prof. Reuter Donnerstags um 5 Uhr; eine theolo-
gische Societät Prof. Schultz Freitags um 7 Uhr.
Rechts Wissenschaft.
Encyklopädie der Rechtswissenschaft: Prof. John
Montag, Mittwoch und Freitag von 12-1 Uhr.
Institutionen und römische Rechtsgeschichte: Prof.
V. Ihcring täglich von 11 — 12 und Dienstag, Donnerstag
ynd Sonnabend von 12—1 Uhr.
199
Pandekten mit Ausschluss des Familien- und Erb-
rechts: Prof. Hartmann täglich von 8 — 10 Uhr.
Pandekten zweiter Theil, und zwar: Familienrecht
Montag Ton 4—6 Uhr; Erbrecht Dienstag und Don-
nerstag von 4 — 6 Uhr Dr. Zitelmann.
Pandekten-Prakticum : Prof. r. Ihering Montag, Mitt-
wech und Freitag von 12 — 1 Uhr.
Pandekten-Exegeticum : Dr. Zitelmann Dienstag und
Donnerstag von 12 — 1 Uhr.
Deutsche Rechtsgeschichte: Prof. Dove fünfmal wö-
chentlich von 8—9 Uhr.
Deutsche Rechtsgeschichte: Dr. Sichel fünfmal wö-
chentlich von 12—1 Uhr.
Deutsches Privatrecht mit Lehn- und Handelsrecht,
Wechsel- und Seerecht: Prof. iro// täglich von 8 — 10 Uhr.
Deutsches Privatrecht mit Lehnrecht: Dr. Ehrenberg
täglich von 8—9, Sonnabend auch von 7—8 Uhr.
Handelsrecht mit Wechselrecht und Seerecht nach
seinem Buch (Handelsrecht Aufl. 5; Wechselrecht Aufl. 4):
Prof. Thül fünfmal wöchentlich von 7—8 Uhr.
Preussisches Privatrecht: Prof. Ziebarth fünfmal wö-
chentlich von 9—10 Uhr.
Gemeines Strafrecht: Prof. Ziebarth fünfmal wöchent-
lich von 11—12 Uhr.
Deutsches Strafrecht : Dr. v. Krieg fünfmal wöchent-
lich von 10—11 Uhr.
Deutsches Staatsrecht (Reichs- und Landesstaats-
recht): Prof. Fr ensdorff innim&X wöchentlich von 9 — 10 Uhr.
Erklärung der Verfassungsurkunde des deutschen
Reichs: Prof. Frensdorff Mittwoch von 11—12 Uhr
öffentlich.
Verwaltungsrecht mit besonderer Rücksicht auf
Preussen: Prof . 3/e/er viermal wöchentlich von 11 — 12 Uhr.
Völkerrecht: Prof. i^rew»dor^ Dienstag , Donnerstag
und Sonnabend von 12 — 1 Uhr.
Protestantisches und katholisches Kirchenrecht, ein-
schliesslich des Eherechts : Prof. Mejer fünfmal wö-
chentlich von 10 — 11 Uhr.
K-irchenrechtliche Uebungen leitet Prof. Dave Diens-
tag um 7 Uhr Abends privatissime und unentgeltlich.
17*
^00
th'6öne aes fl^ütsc^feti CÄ^ll^YocVssfe's : I^roir. Ä täg-
"^'sI?aVr-ess:''p;of. /oÄn Montag, Dienstag, Don-
nerstag, Freitag von ll-12_Uhr.
Criminal-Prakticum : Prof. John Mittwoch von 4-eUhr.
Medicin.
Zoologie, Botanik, Chemie s. unter Naturwissen-
Schäften.
ünochen- und Bänderiehre: D'- "7-B™" Di™"««.
n"^SiÄ.rÄf^ ; und Ne.
woch, Freitag ™"";:f „'^a' vergleichende Anatomie
der*Drr°tkgn°2°f V- Mittwoch und Sonn-
abend von 7-8 Uhr öffenthch vor. ^^^^^^_
lehr'^tStT'.t^CT^er Mal wöchentlich in zu
verabredenden Stunden. ,j,j Histologie hält
Prori^J'M'^ntarDft;, ponner^^^^^^
">\tf.re td lerntr:"/hÄe.^r|l.ute.
ru„^^dr|E.pe..en.eu^d^^^^^^
'"Tp^iSIip^Äte ••.T« (Physiologe der Er-
von 5—7 Uhr.
i5j:St%h;l?oi:gi.^hr %natitut lei.et Prof.
Meissner täglich in pas8enden_Stunden.
ßoTnabend von 7-8 Uhr Donnerstag von 4-5i Uhr.
201
Praktischen Cursus der pathologischen Histologie hält
Prof. Ponßck Mittwoch und Sonnabend von 2 — 4 Uhr.
Physikalische Diagnostik verbunden mit prciktischen
Uebungen lehrt Prof. Eichhorst Montag, Dienstag und
Donnerstag von 4 — 5 Uhr; Dasselbe trägt Dr. Wiese
viermal wöchentlich in später näher zu bestimmenden
Stunden vor.
Uebungen in der Handhabung des Kehlkopfspiegels
hält Prof. Eichhont Sonnabend von 12 — 1 Uhr.
Diagnostik des Harns und Sputums mit praktischen
Uebungen : Prof. Eichhorst Mittwoch von 3 — 4 und Sonn-
abend von 2—3 Uhr.
Experimentelle Arzneimittellehre und Receptirkunde
lehrt Prof. Jlarnid vier Mal wöchentlich von 5 — 6 Uhr.
Die gesammte Arzneimittellehre erläutert durch De-
monstrationen und Versuche und mit praktischen Uebun-
gen im Abfassen ärztlicher Verordnungen verbunden trägt
Prof. Susemann fünfmal wöchentlich um 3 Uhr vor.
Experimentelle Toxikologie trägt Prof. Manne Don-
nerstag von 6 — 7 Uhr vor.
Ueber giftige und essbare Pilze trägt Prof. Huse-
mann öffentlich Dienstag von 5 — 6 Uhr vor.
Pharmakognosie lehrt Prof. Wiggers fünfmal wöchent-
lich von 2 — 3 Uhr nach seinem Handbuche der Phar-
makognosie, 5. Aufl. Göttingen 1864.
Pharmacie lehrt Prof. Wiggers sechsmal wöchentlich
von 6—7 UTir Morgens; Dasselbe lehrt Prof. von Vslar
vier Mal wöchentlich um 3 Uhr; Dasselbe Dr. Stro-
meyer privatissime.
Organische Chemie für Mediciner: Vgl. Naturwissen-
schaften S. 206.
Ein pharmakologisches Examinatorium und pharma-
kologische und toxikologische Untersuchungen leitet Prof.
Marme im pharmakologischen Institut unentgeltlich;
solche Uebungen und Untersuchungen leitet auch Prof.
Susemann in gewohnter Weise.
Einen elektrotherapeutischen Cursus hält Professor
Marme zwei Mal wöchentlich von 2—3 Uhr.
Specielle Pathologie und Therapie I. Hälfte: Prof.
Ebstein täglich, ausser Montag, von 7 — 8 Uhr.
Ueber acute Infectionskrankheiten trägt Prof. Hasse
vier Mal wöchentlich vor.
Ueber Kinderkrankheiten trägt Prof. Eichhorst Mon-
tag und Mittwoch von 5—6 Uhr vor.
202
lieber Hautkrankheiten und Syphilis trägt Prof.
Krämer Mittwoch und Freitag um 4 Uhr vor.
Die medicinische Klinik uud Poliklinik hält Prof.
Ebstein täglich von 10|— 12 Uhr.
Allgemeine Chirurgie lehrt Prof. Lohmeyer fünf Mal
wöchentlich von 8 — 9 Uhr; Dasselbe Prof. Hosenbach
fünf Mal wöchentlich von 7—8 Uhr Abends oder zu
anderen passenden Stunden.
Die chirurgische Klinik hält Prof. König fünf Mal
wöchentlich um 9^ Uhr.
Chirurgische Poliklinik hält Prof. König in Verbin-
dung mit Prof. Hosenbach Sonnabend von IO4 — 11-J- Uhr.
Einen chirurgisch - diagnostischen Cursus hält Dr.
Riedel für jüngere Kliniker zweistündig.
Uebungen in chirurgischen Operationen an der Leiche
leitet Prof. König Abends von 5 — 7 Uhr.
Verbandcursus hält Dr. Riedel einstündig.
Augenheilkunde lehrt Prof. Leber Montag, Mittwoch,
Donnerstag, Freitag Morgens von 7 — 8 Uhr.
Augenspiegelcursus hält Prof. Leber gemeinschaftlich
mit Dr. Deutschmann Mittwoch und Sonnabend von
12—1 Uhr.
Einen Cursus der Functionsprüfungen des Auges mit
besonderer Berücksichtigung der für die Praxis nöthi-
gen Brillenbestimmungen hält Dr. Deutschmann zwei
Mal wöchentlich in zu bestimmenden Stunden.
Die Klinik der Augenkrankheiten hält Prof. Leber
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 12 — 1 Uhr.
Ausgewählte Capitel der Ohrenheilkunde trägt Dr.
Bürkner wöchentlich in einer zu bestimmenden Stunde vor.
Demonstrativen Cursus der Pathologie und Therapie
des Ohres, verbunden mit Uebungen im Untersuchen
des Gehörorgans hält Dr. Bürkner Montag und Don-
nerstag von 4—5 Uhr.
Gynaekologie wird Dr. Hartwig Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag von 3 — 4 Uhr vortragen.
Geburtshülflichen Operationscursus am Phantom hält
Prof. Schwartz Mittwoch und Sonnabend um 8 Uhr.
Geburtshülflich- gynaekologische Klinik leitet Prof.
Schwartz Mont., Dienst., Donnerst., Freit, um 8 Uhr.
Psychiatrische Klinik hält Prof. Meyer Montag und 1
Donnerstag von 4 — 6 Uhr.
Forensische Psychiatrie , erläutert an Geisteskranken,
203
lehrt Prof. Meyer wöchentlich in zwei zu verabredenden
Stunden.
Prof. Baum wird zu Anfang des Sommersemesters
Vorlesungen ankündigen.
Die äusseren Krankheiten der Hausthiere und Beur-
theilungslehre des Pferdes und Rindes trägt Prof. Esser
wöchentlich fünf Mal von 7 — 8 Uhr vor.
K.linische Demonstrationen im Thierhospitale wird
Derselbe in zu verabredenden Stunden halten.
Philosophie.
Geschichte der alten Philosophie: Prof. Baumann,
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag 5 Uhr.
Allgemeine Geschichte der Philosophie: Dr. Ueber-
hörst, 5 St., 5 Uhr.
Einleitung in das Studium der platonischen und ari-
stotelischen Schriften: vgl. Griech. und Lat. Sprache
S. 210.
Die Philosophie Schopenhauers: Dr. Ueberharst,
Mittw. 6 Uhr, unentgeltlich.
Logik : Prof. Baumann, Montag, Dienstag, Donners-
tag, Freitag 8 Uhr.
Metaphysik: Prof. Lotze, 4 St., 10 Uhr.
Psychologie: Dr. Müller, 4 St., 12 Uhr.
Religionsphilosophie : Prof. Bohtz, Dienstag und Frei-
tag, 4 Uhr.
Religionsphilosophie, Dr. Rehnisch, 4 St. 3 Uhr.
Praktische Philosophie: Prof. Lotze, 4 St., 4 Uhr.
Prof. Baumann wird in einer philosophischen Socie-
tät, Montag 6 Uhr, Abschnitte aus Kants Kritik der
reinen Vernunft behandeln.
In der einen seiner philosophischen Societäten wird
Prof. Peipers ausgewählte Abschnitte aus Aristoteles'
Nikomachischer Ethik, Dienst. 6 Uhr, in der andern
Kants Krisik der praktischen Vernunft, Freitag 6 Uhr,
behandeln, beides öflfentlich.
Geschichte der Erziehungslehre: Prof. Krüger, 2 St.,
2 Uhr.
Die Uebungen des K. pädagogischen Seminars leitet
Prof. Sauppe, Mont. und Dienst. 11 Uhr, öflfentlich.
204
Mathematik und Astronomie.
Elementargeometrische Herleitung der wichtigsten
Eigenschaften der Kegelschnitte: Prof. Schwarz, Mont.
u. Donnerst., 4 Uhr, öffentlich. . t> e
Einleitung in die synthetische Geometne: l'rot.
Schwarz, Mont. bis Freit., 9 Uhr. „ „ „, k
Differential- und Integralrechnung: Prof. Stern, 5
St. , 7 Uhr. , _ ^ t T?
Grundzüge der Differentialgleichungen: Prof. Jinne-
per, öffentlich. t^ r t.
Theorie der bestimmten Integrale: Prof. hnneper,
Mont. bis Freit., 10 Uhr.
Variationsrechnung und ihre Anwendung auf Mecha-
nik: Prof. Stern, 4 St., 8 Uhr.
Anwendungen der elliptischen Funktionen aut aus-
gewählte Aufgaben der Geometrie und der Mechanik:
Prof. Schwarz, Mont. bis Freit., 11 Uhr.
Analytische Mechanik: Prof. Schering, Mont. Dienst.
"t.-nerst. Freit., 9 Uhr. k mTi.
Sphäriscue -Geometrie: Prof. Ulrich, 4 läge, 5— 7 Uhr.
Dienstag, Mittwoch »^nomie: Prof. Klinkerfues , Montag,
Geometrische Optik e/i Donnerstag, 12 Uhr.
Magnetismus und der Elek,nd Mathematische Theorie des
icität: 8. Na,tujwiss. S. 206.
Mathematische Colloquien : ' -^
sime und unentg. , wie bisher, 1 .Prof. Scfitoarz privatis-
"^t.
In dem mathematisch -physikalische
Schwarz: Ueber diejenigen Flächen, wein Seminar Prof.
ihrer Punkte gleich grosse und entgegengekhe in jedem
tete Hauptkrümmungsradien besitzen, Freitag t^zt gerich-
Prof. Schering: Besondere Theile der analytischtt 12 Uhr;
chanik, Mittwoch 9 Uhr, Prof. Stern: über dnden Me-
wendung einiger Reihen auf die Zahlentheorie, je An-
woch 8 Uhr. Prof. Klinkerfues giebt einmal wöche»Mi^t-
lich zu geeigneter Stunde Anleitung zu astronomisch«. '"^"
Beobachtungen, alles öffentlich. — Vgl. Naturwissen- R°
Schäften S. 206.
'rof.
Naturwissenschaften. ^^^^ '
Allgemeine Zoologie: Prof. JShiera, Mont. bis Don
nerst., 7 Uhr. '
205
Specielle Zoologie, erster Theii: Prof. EkUrs, Fieit.
und Sonnabend, 7 Uhr.
Zootomischer Kurs: Prof. Ehlert, Dienst, u. Donnerst.,
9—11 Uhr.
Anatomie und Entwickelungsgeschichte der Arthro-
poden: Dr. Ludwig, 2 St.
Zoologische Uebungen: Prof. Ehlers, priratissime,
wie bisher.
Allgemeine und specielle Botanik : Prof. Grisebach,
6 St., 8 Uhr. — Demonstrationen von Pflanzen des bo-
tanischen Gartens: Derselbe, Mittw. , 11 Uhr, öffentljch.
— Uebungen in der systematischen Botanik: Derselbe.
Botanische Excursionen: Derselbe, in Verbindung ^it
Dr. Drude.
Uebungen im Bestimmen und Demonstriren der ein-
heimischen Pflanzen: Prof. Reinke , Dienst., Miitw.,
Donnerst, u. Freit., 7 Uhr Morgens. — Mikroskopisch-
botanischer Cursus: Derselbe, in vier näher zu bestim-
menden Stunden. — Mikroskopisch - phinnaceutischer
Cursus: Derselbe, Sonnab. 9 — 11 Uhr. — Mikroskopi-
scher Cursus zur Untersuchung von Nahrungs- und Ge-
nussmitteln: Derselbe, Sonnab., 11 — 1 Uhr. — Botani-
sche Excursionen veranstaltet Derselbe.
Flora von Deutschland , Phanerogamen : Dr. Drude,
5 St., 10 Uhrj dazu botanische Excursionen. — In
seiner botanischen Societät wird er praktische Uebungeij
in der Pflanzen - Systematik und Morphologie anstellen,
Dienstag und Freitag 6 Uhr.
Mineralogie: Prof. Klein, 5 St., 11 Uhr,
E.rj-8tallographie : Prof. Klfin, 4 St., 4 Uhr.
Geognosie : Prof. von Seebach, 5 St., 8 Uhr, verbua-
den mit Excursionen.
Gesteinskunde: Dr. Lang, Dienst, u. Freitag, 5 Uhr,
verbunden mit Uebungen und Excursionen.
Die gesteinsbildenden Mineralien : Dr. Geinitz, Mont.
u. Donnerst., 10 Uhr (und 1 St. Übungen).
Geologie der Steinkohlen: Dr. Geinitz, Donnei;8tag
5 Uhr, unentgeltlich.
Mineralogische Uebungen : Prof. Klein , Sonnabend,
10—12 Uhr, öffentlich.
Krystallographische Uebungen : Prof. Klein , Mittw.
2 — 5 Uhr, privatissime, aber unentgeltlich.
Fetrographische und palaeoütologische Uebiuigea lei-
206
tet Prof. von Seebach privatissime , aber unentgeltlich,
Mont. Dienst. Donnerst., 9 — 1 Uhr.
Petrographische Uebungen im geologischen Institute:
Dr. Geinüz, unentgeltlich.
Experimentalphysik, erster Theil: Mechanik, Aku-
stik und Optik: Prof. Rieche, Montag, Dienstag, Don-
nerstag und Freitag, 5 Uhr.
Einleitung in die mathematische Theorie des Magne-
tismus und der Elektricität : Dr. Fromme, Dienst, und
Donnerst. 12 Uhr.
Geometrische und physische Optik: Prof. Listing,
4 St. um 12 Uhr.
Ueber Auge und Mikroskop: Prof. Listing, privatis-
sime in 2 zu verabredenden Stunden.
Physikalisches CoUoquium: Prof. Listing, Sonnabend
11—1 Uhr.
Repetitorium der Physik: Dr. Fromme, privatissime,
in gewohnter Weise , Dienst, u. Donnerst, (später drei-
stündig), 7 Uhr Morgens.
Praktische Uebungen im Physikalischen Laboratorium
leitet Prof. Rieche, in Gemeinschaft mit den Assistenten
Dr. Fromme und Kand. Niem'Oller, Dienst., Donnerst.,
Freit. 2—4 Uhr und Sonnab. 9—1 Uhr.
In dem mathematisch -physikalischen Seminar leitet
physikalische Uebungen Prof. Listing, Mittwoch 12 Uhr,
und behandelt Prof. Rieche ausgewählte Kapitel der
Experimentalphysik, Mittwoch 11 Uhr. — Vgl. Mathe-
matik S. 204.
Allgemeine Chemie: Prof. Hübner, 6 St., 9 Uhr.
Allgemeine organische Chemie : Prof. Hühner , Mon-
tag bis Freitag 12 Uhr.
Organische Chemie, für Mediciner: Prof. von TJslar,
in später zu bestimmenden Stunden.
Chemische Technologie : Dr. Post, 3 St.
Einzelne Theile der theoretischen Chemie: Dr.
Stromeyer, privatissime.
Agriculturchemie (Pflanzenernährungslehre) : Prof.
Tollenti, Mittw. Donnerst. Freit., 10 Uhr.
Uebersicht der sogenannten Kohlenhydrate: Prof.
Tollens, einmal wöchentl., öffentlich.
Die Vorlesungen über Pharmacia und Pharmakogno-
sie 8. unter Medicin S. 200.
Die praktisch- chemischen Uebungen und wissen-
207
schaftlichen Arbeiten im akademischen Laboratorium
leiten Prof. Wöftler und Prof. Hühner in Gemeinschaft
mit den Assistenten Dr. lannaseh, Dr. Post, Dr. Fre-
richs, Dr. Wiesinger, Dr. Polstorf, Dr. Brückner.
Prof. Baedeker leitet die praktisch - chemischen Ue-
bungen im physiologisch -chemischen Laboratorium täg-
lich (ausser Sonnabend) 8—12 und 3—5 Uhr.
Die Uebungen im agrikulturchemischen Laboratorium
leitet Prof. Tollens in Gemeinschaft mit dem Assistenten
Dr. Schmöger, Montag bis Freitag. 8—12 und 2—4 Uhr.
Historische Wissenschaften.
Einleitung in das Studium der allgemeinen Erdkunde :
Prof. Wappüus, Montag, Dienstag, Donnerstag und
Freitag, 11 Uhr.
Länder- und Völkerkunde des Alterthums: Prof.
Nissen, 4 St., 12 Uhr.
Gnindzüge der antiken Chronologie : Prof. Xisaen,
Mittw., 12 Uhr, öffentlich.
Lateinische Palaeographie : Prof. Steindorff, 4 St.,
Mittw. und Sonnab. 10—12 Uhr.
Historische Propaedeutik: Dr. Bernkeim, Dienst.
Donnerst. Freit. , 10 Uhr.
Geschichte der orientalischen Völker bis Darius : Dr.
Gilbert, Dienst. Donnerst. Freit., 8 Uhr.
Deutsche Kaiserzeit bis zum Interregnum : Prof.
Weizsücker, 4 St., 9 Uhr.
Allgemeine Geschichte in der Periode des Ueber-
gangs vom Mittelalter zur neuem Zeit: Dr. Hohlbaum,
2 St., Dienst, u. Freitag.
Zeitalter Ludwigs XIV. und Friedrichs des Grossen,
Prof. Pauli, 4 St., 5 LTir.
Zeitalter der französischen Revolution: Prof. Weit-
säcker, 4 St. , 4 Uhr.
Englische Verfassungsgeschichte: Prof. Pauli, 4 St.,
8 Uhr.
Geschichte Italiens im Mittelalter: Dr. Th. Wiisten-
feld, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 10 Uhr,
oder in anderen mit den Zuhörern zu vereinbarenden St,
Epochen der orientalischen Frage: Dr. Höhlbaum,
Montag 6 Uhr, unentgeltlich.
208
Historische Uebungen leitet Prof. Pauli Mittwoch
6 Uhr. öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Weizsäcker Freitag
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen über Herodot leitet Prof. Nis-
sen in einer noch zu bestimmenden Stunde, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Steindorff DonnQxsi.
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Dr. Bernheim, Dienstag
6 Uhr, unentgeltlich.
Kirchengeschichte: s. unter Theologie S. 197.
Staats Wissenschaft und Landwirthscliaft.
Volkswirthschaftslehre (Nationaloekonomie) : Prof.
Hanssen, 5 St., 3 Uhr.
Oeffentliche Armenpflege: Prof. Hanssen, Sonnabend
10 Uhr, öffentlich.
Wirthschaftliche Gesetzgebung im Reiche : Dr. Piers-
torff, Dienst. Donnerst. Freit. 5 Uhr.
Geschichte der sozialen Theorien : Dr. Pierstorff,
1 St., unentgeltlich.
Bevölkerungs- und Moralstatistik (mit besonderer Be-
rücksichtigung der Controverse über das Verhältniss der
Ergebnisse der letzteren zur Willensfreiheit): Dr. Peh-
nisch, Mittw. und Sonnab. 12 Uhr, unentgeltlich.
Volkswirthschaftliche Uebungen: T?voL Soetbeer, privatis-
sime, aber unentgeltlich, in später zu bestimmenden St.
Einleitung in das landwirthschaftliche Studium : Prof.
Drechsler, in noch zu bestimmenden Stunden.
Ackerbaulehre, speciellerTheil: Derselbe, 4St., 12Uhr.
Die Theorie der Organisation der Landgüter: Prof.
Griepetikerl, Dienstag, Donnerstag, Freitag, 5 Uhr.
Die landwirthschaftliche Thierproductionslehre (Tiehre
von den Nutzungen, Racen, der Züchtung, Ernährung
und Pflege des Pferdes, Rindes, Schafes und Schweines):
Derselbe , Mont. , Dienst. , Donnerst. , Freit. , 8 Uhr.
Im Anschluss an diese Vorlesungen werden Exkur-
sionen nach benachbarten Landgütern und Fabriken
veranstaltet werden.
Die Lehre von der Futterverwerthung : Prof. Hen-
nebßrg, Mont., Dienst., 11 Uhr.
Uebungen in Futterbereohnungen : Prof. Hen^^berg,
Mittw., 11 Uhr öffentlich.
Allgemeine und specielle Züchtungslehre und Racen-
kunde, mit besonderer Berücksichtigung der Controver-
i6n von Nathusius-Settegast (unter Ausschluss der Er-
nährungslehre): Dr. Fesca, Mittw. und Donnerst. 10 Uhr.
LandwirthschaftüchesPracticum (1, Uebungen im land-
wirthschafllichen Laboratorium, Freit. 2 — 6 Uhr, Sonnab.
9 — 1 Uhr; 2. Hebungen in landwirthschaftlichen Berech-
nungen, Mont. u. Donnerst. 6 Uhr): Prof. Drechsler.
Excursionen auf benachbarte Güter: Prof. Drechsler.
Krankheiten der Hausthiere: s. Medicin S. 203.
Agrikulturchemie, Agrikulturchemisches Praktikum:
s. Naturwiss. S. 206.
Literärgeschichte.
Geschichte der epischen Poesie bei den Griechen :
Prof. Düthey, 4 St., 8 Uhr.
Geschichte der deutschen Dichtung vom Anfang des
17. Jahrhunderts: Dr. Titlmann, 5 St., 10 Uhr.
Geschichte der deutschen Nationalliteratur von Les-
sings Zeit bis zur Gegenwart: Prof. Bohtz, Montag,
Dienstag, Donnerstag, 11 Uhr.
Ueber Lessings Leben und Schriften: Prof. Goedeke,
Mittw. 5 Uhr, öffentlich.
Geschichte der Philosophie: vgl. Philosophie S. 203.
Alterthumskunde.
Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen
und Eömern: Prof. Wieteler, Mont. Dienst. Donnerst..
10 Uhr.
Umriss der griechischen Münzkunde für Philologen
und Historiker: Prof. Wieseler, Freit, u. Sonnabend,
10 Uhr.
Im K. archäologischen Seminar wird Prof. WieseUr
öffentlich ausgewählte Kunstwerke zur Erliutening vor-
legen, Sonnabend, 12 Uhr.
Die Abhandlungen der Mitglieder wird Derselbe pri-
vatissime beurtheilen , wie bisher.
Vergleichende Sprachlehre.
»Die Uebungen der Sprachvergleichendön Societät leis-
tet Prof. Fick, Mittwoch 6 Uhr.
Griechische Dialekte und Nominaikomposition der
griech. Sprache vgl. Griech. und lat. Sprache S. 210.
210
Orientalische Spraclien.
Die Vorlesungen über das A. Testament s. unter
Theologie S. 197.
Arabische Grammatik: Pioi. Wüstenfeld , privatissime.
Arabische Schriftsteller lässt Prof. de Lagarde er-
klären, in noch zu bestimmenden Stunden, öffentlich.
Unterricht in der Syrischen Sprache: Prof. Bertheau,
Dienst, und Freit., 2 Uhr.
Grammatik der Sanskritsprache: Prof. £en/et/, Mont.
Dienst. Donnerst. 5 Uhr.
Interpretation seiner Sanskrit-Chrestomathie und vedi-
scher Lieder: Prof. Benfey^ Mittw. und Freit. 5 Uhr
und Donnerst. 6 Uhr.
Erklärung von Yäskas Niruktam, Dr. Bezzenherger,
2 St.
Griechische und lateinische Sprache.
Geschichte der epischen Poesie bei den Griechen :
vgl. Literärgeschichte S. 209.
Vergleichende Uebersicht der griechischen Dialekte:
Prof. Fick, 4 St., 10 Uhr.
Ueber Nominalkomposition und Bildung der Eigen-
namen in der griechischen Sprache: Prof. Fick, 2 St.,
10 Uhr, öffentlich.
Herpdot : vgl. Historische Wissenschaften S. 207.
Piatons Gastmahl: Prof. Saicppe, Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag, 9 Uhr.
Einleitung in das Studium der platonischen und ari-
stotelischen Schriften: Prof. Peipers , Mont. Dienst.
Donnerst. 8 Uhr.
Aristoteles Nikomach. Ethik: vgl. Philosophie S. 203.
Lateinische Grammatik: Prof. Sauppe, Mont. Dienst.
Donnerst. Freit., 7 Uhr Morgens.
Tacitus Historien : Prof. von Leutsch, 4 St., 10 Uhr.
Lateinische Paläographie : vgl. Histor. Wissensch.^. 10.
Im K. philologischen Seminar leitet die schriftlichen
Arbeiten und Disputationen Prof. Sauppe, Mittwoch 11
Uhr, lässt Musäos' Gedicht von Hero und Leander er-
klären Prof. Dilthey^ Montag und Dienstag, 11 Uhr,
lässt das 4. Buch von Vergils Georgica Prof. von Leutsch
erklären, Donnerstag und Freitag, 11 Uhr, alles öffentlich.
Im philologischen Proseminar leiten die schriftlichen
Arbeiten und Disputationen die Proff. von Leutsch,
211
Sauppe und Dtilhey , Mittwoch 9 und 10 und 2 Uhr ; lässt
das zweite Buch von Vergils Georgica Prof. von LeuUeh
^littwoch 10 Uhr und den homerischen Hymnus auf
Hermes Prof. DüÜiey Mittwoch 9 Uhr erkliüvn, alles
öffentlich.
Deutsche Sprache.
Historische Grammatik der deutschen Sprache: Prof.
Wüh. Müller, 5 St., 3 Uhr.
Den Parzivdl von Wolfram von Eschenbach erklärt
Prof. Wüh. Müller, Mont. bis Donnerst., 10 Uhr.
Altdeutsche Metrik : Dr. WiUcen, Mittwoch und Sonn-
abend, 11 Chr.
Angelsächsische Grammatik und Lektüre des Beovulf :
Dr. Wiiken, Mont. Dienst. Donnerst., 11 Uhr.
Die üebungen der deutschen Gesellschaft leitet Prot
n'üh. Müller.
Althochdeutsche Üebungen: Dr. Wiiken, einmal
öch. , unentgeltlich.
Geschichte der deutschen Literatur: Tgl. Literärge-
-hichte S. 209.
Neuere Sprachen.
Comeille's Cid wird Prof. Th. MüUer in franiöai-
scher Sprache erklären , mit Vergleichung des spanischen
Originals, las mocedades del Cid von Guülen de Castro,
Montag und Donnerstag 4 Uhr.
üebungen in der franxösischen und englischen Sprache
veranstaltet Derselbe , die ersteren Montag, Dienstag und
Mittwoch, 12 Uhr, die letzteren Donnerstag, Freitag
und Sonnabend, 12 Uhr.
Oeffentlich wird Derselbe in der romanischen Socie-
tät die Anfangsgründe der spanischen Sprache lehren,
Freitag 4 Uhr,
Schöne Künste. — Fertigkeiten,
Unterricht im Zeichnen vrie im Malen ertheilt, mit
besonderer Rücksicht auf naturhistorische und anatomi-
sche Gegenstände, Zeichenlehrer Peters.
Geschichte der modernen Musik: Prof. Krüger,
4 St. , 12 Uhr.
212
Harmonie - uiicl Konlpositiorifelehre , verbunden mit
praktischen Uebtin^en: Musikdirector Hilh, in passen-
den Stundeii.
Zur Theilütihthe an den Hebungen der Singaka-
demie und des Orchesterspielvereins ladet Derselbe ein.
Reitunterricht ertheilt in der K. Universitäts - Reit-
bahn der Univ.-Stallmeister Schweppe, Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag, Sonnabend Morgens von 7—11 und
Nachm. (ausser Soonabend) von 4 — 5 Uhr.
Fechtkunst lehrt der Universitätsfechtmeister Grüne-
klee, Tanzkunst der Universitätstanzmeister Höltzke.
OeiFentliche Sammlungen.
Die Unwersttätshtbliothek ist geöffnet Montag, Dienstag,
Döhnerstäg und Freitag von 2 bis 3, Mittwoch und Sonn-
abend von 2 bis 4 Uhr. Zur Ansicht auf der Bibliothek
erhält man jedes Werk, das man in gesetzlicher Weise
verlangt; verliehen werden Bücher nach Abgabe einer
Semefeterkarte mit der Bürgschaft eines Professors.
Das zoologische und ethnographische Museum ist Diens-
tag und Freitag von 3 — 5 Uhr geöffnet.
Die Gemäldesammlung ist Donnerstag von 12 — 1 Uhr
geöffnet.
Dei? botanische Garten ist, die Sonn- und Festtage
ausgenommen, täglich von 5 — 7 Uhr geöffnet.
Ueber den Besuch und die Benutzung der theologi-
schen Seminarbibliothek , des Theatrum anatomicum , des
physiologischen Instituts, der pathologischen Sammlung,
der Sammlung von Maschinen und Modellen, des zoolo-
gischen und ethnographischen Museums, des botanischen
Gartens , der Sterntvarte , des physikalischen Cabinets,
der mineralogischen und der geognostisch-paläontologischen
Sammlung, der chemischen Laboratorien, des archäologi-
schen Museums, der Gemäldesatnmlung , der Bibliothek
des k. philologischen Seminars, des diplomatischen Appa-
rats, der Sammlungen des landtoirthschaftlichen Instituts
bestimmen besondere Reglements das Nähere.
Bei dem Logiscommissär, Pedell Bartels (Weender8t.82),
können die, welche Wohnungen suchen, sowohl über
die Preise, als andere Umstände Auskunft erhalten,
und auch im voraus Bestellungen machen.
^13
\aeh rieh teil
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
13. März. M- 6. 1878.
Köuigliche Gesellschaft der Wisseiischafleu.
Sitzung Tom 2. März.
Henle, Znr vergleichenden Anatomie der Krystalllinse.
Benfey, Einige Derivate des Indogermanischen Verbums
* anbh = sanskritisch nabh.
de Lagafde, Erklärung chaldäischer Wörter. (Er-
scheint in den Abhandlungen.)
Ludwig, Die Bursae der Ophiariden und deren Homo-
logen bei den Pentremiten, (Vorgelegt von Ehlers.)
Zur vergleichenden Anatomie der
Krystalllinse.
Von
J. Henle.
Zu den manchfaltigen verwandtschaftlichen
Beziehungen , welche zwischen den Classen der
Tögel und Reptilien bestehen , gehört auch die
Aehnlichkeit im Bau der Krystalllinse. Charac-
leristisch für das Yogelange ist der Ring oder
Ringwulst, der den Aequator der Linse umgiebt,
bestehend aus Zellen , welche gegen die Ober-
fläche der eigentlichen, aus meridionalen Fasern
18
214
zusammengesetzten Linse in senkrechter Richtung
verlängert und zu prismatischen Fasern ausge-
zogen sind, die größte Länge am Aequator er-
reichen und von da gegen den vorderen und
hinteren Pol der Linse allmählig kürzer werden,
um nach vorn in das innere Epithel der Kapsel,
nach hinten in die meridionalen Fasern über-
zugehn.
H. Müller entdeckte eine dem Riugwulst
der Vogellinse vollkommen ähnliche Bildung im
Auge des Chamäleon und der Eidechse; ich kann
hinzufügen, daß die Blindschleiche sich durch
die Structur ihrer Linse als ächter Saurier er-
weist. Den Schlangen und Schildkröten sprach
H. Müller den Ringwulst ab. Beide Angaben
bedürfen einer Berichtigung. Den Schildkröten
— ich untersuchte die Augen der Testudo graeca
und einer großen Chelonia — fehlt der Ring-
wust nicht; er ist nur verhältnißmäßig schmal,
noch schmaler, als bei den Nacht-Raubvögeln.
Die größte Breite desselben betrug au einer
Schildkrötenlinse von 6 mm Aequatorial-Durch-
messer 0,07 mm. Was aber die Schlangen be-
trifft, von denen mir freilich nur eine Art, die
Natter, aber in vielen Exemplaren zu Gebote
stand, so besitzen sie die zu prismatischen Stäbchen
verlängerten Epithelzellen, wie die Vögel und
Saurier, aber an einer anderen Stelle, wo sie
nicht dazu dienen , den Aequatorialdurchmesser,
sondern vielmehr die Axe der Linse zu vergrößern,
demnach auch die Bedeutung eines die Linse
umfassenden Rings verlieren und in physiologi-
scher Hinsicht noch räthselhafter erscheinen, als
die Fasern des Ringwulstes der Vögel. Sie er-
reichen das Maximum ihrer Länge, 0,1mm in
einer fast kugligen Linse von 2 mm Durchra.,
am vordem Pol der Linse, nehmen von da au
I
215
uacli allen Seiteu gleiclmiäßig au Länge ab uuJ
bind Eocli vor dem Aequator auf die Mächtigkeit
gewöhnlicher Pflasterepithelzellen redocirt.
"Während demnach die zu Fasern ausgewachse-
nen Epithelzellen der Vögel, Saurier und Schild-
kröten einen gegen beide Ränder zugeschärfteu
Ring darstellen, gleichen die entsprechenden
Fasern der Schlangen in ihrer Gesammtheit
einer auf die Vorderfläche der Linse aufgesetzten,
gewölbten Platte mit zugeschärftem kreisför-
migen Rande.
Die Bursae der Ophiuren und deren
Homologon bei den Pentremiten.
Von
Dr. Hubert Ludwig.
(Vorgelegt von Ehlers.)
Bereits in meinen Beiträgen zur Anatomie
der Asteriden (Morpholog. Stndien an Echino-
dermen p. 198) habe ich darauf hingewiesen,
daß die herkömmliche Auffassung der Genital-
spalten der Ophiuren eine irrthümliche ist. Die
weitere Verfolgung dieses Gegenstandes hat nun
zu Ergebnissen geführt, welche, da die Veröffent-
lichung meiner ausführlichen Abhandlung über
die Anatomie der Ophiuren wohl erst gegen
Ende dieses Jahres wird stattfinden können,
einer vorläufigen Mittheiluug au dieser Stelle
nicht uawerth erscheinen dürften.
Bekanntlich wird allgemein behauptet, daß
die Geuitalprodukte bei den Ophiuren in die
Leibes! öh 16 entleert werden und von hier aus
durch die sog. Genitalspalten nach außen ge-
langen ; letztere sollen direct in die Leibeshöhle
216
führen und außer zur Ausfuhr der Gemtalpro-
dukte auch noch zur Einfuhr von Seewasser in
die Leibeshöhle dienen. Von diesen Behauptun-
gen ist nur das Eine richtig, daß Eier und fea-
men durch die Genitalspalten ins Freie gelangen;
alles Uebrige ist irrthümlich, insbesondere werden
weden die Geschlechtsproducte m die Leibes-
höhle entleert noch münden die Gemtaispalten
in die letztere. n -i. ^ „u«
An den Rand einer jeden Genitalspalte
setzt sich ein häutiger Sack an, welcher m die
Leibeshöhle eindringt und in derselben blindge-
schiossen endigt. Die Wand des Sackes ist im
Allcremeinen sehr dünn und leicht zerreißlich.
Anoden Rändern der Genitalspalten nimmt sie
allmälig die Beschaffenheit der äußeren Haut
an; bei einigen Arten, so insbesondere bei den
Arten der Gattung Ophioglypha setzen sich die
Kalktafeln der äußeren Haut an dem der l^e- ,
nitalspange gegenüberliegenden Rande der Ue-
nitalspalte mit einer Tafelreihe m die Wand
des Sackes hinein fort; bei anderen Arten besitzt
die Wand des Sackes mehr oder minder zahl-
reiche platte Kalkkörper z. B. bei Ophiocoma
scolopendrina und Ophioderma longicauda. Der
Sack ist demnach als eine Einstülpung des
äußeren Integumentes zu betrachten. Gegen die
Leibeshöhle hin zieht sich der Sack oder die
Bursa, wie wir ihn einstweilen mit einem mög-
lichst indifferenten Namen nennen wollen, m
mehrere Zipfel aus, von welchen einer sich über
die Kalkstücke des Peristoms hinuberlegt , bis
dicht an das Mundstück des Darmes herantritt
und bei keiner der von mir bis jetzt untersuchten )
\) Es Bind dies: Ophiologlypba Sarsii u. 0. albida,
Oühiocoma scolopendrina u. 0. nigra, Ophiomyxa pen-
tagona Oph,opholis belli« , Ophiothrix frogüi«, Amphmra
tilifonnis, Ophioderma longicauda.
217
Arten fehlt. Die übrigen Zipfel scheinen sich
nach Zahl, Form und Lagerung bei den ver-
schiedenen Arten und vielleicht selbst bei den ver-
schiedenen ludividnon mehr oder weniger un-
gleich zu verhalten. Bei der Gattung Ophioglypha
ist nur ein weiterer Zipfel der Bursa vorhanden,
welcher sich , was ich bei keiner der übrigen
untersuchten Gattungen beobachtete, auf die
Dorsalseite des Darmsackes hinüberschlägt. Be-
züglich der Gattung Ophioderma möge erwähnt
sein, daß die äußere Vermehrung der Genital-
spalten auf vier in jedem Interradius nicht von
einer entsprechenden Vermehrung der Bursae
begleitet ist; je zwei liintereinander gelegene
Spalten führen in dieselbe Bursa und sind auf
eine einzige in der Mitte überbrückte Spalte zu-
rückzuführen.
Die einzelnen Genitalschläuche verbinden
sich mit einem sehr kurzen Ausführungsgange
mit der Wand der Bursa und münden in die
letztere mit kleinen doch schon mit der Loupß
vabruehmbaren Poren. Jeder einzelne Genital-
-chlauch besitzt seinen eigenen Porus. Sämmt-
liche Poren liegen (ich beziehe mich hier zu-
nächst auf die Gattung Ophioglypha) in einer
dem Rande der Genitalspalte im Allgemeinen
parallel verlaufenden Linie. Da die letztere dem
Rande der Genitalspalte zugleich sehr nahe liegt,
so bleibt in Folge dessen (und das gilt auch von
den übrigen untersuchten Arten) die Wand der
Bursa in ihrer größten Ausdehnung und be-
sonders an ihren blinden Eudzipfeln stets frei
von Genitalschläucheu. Das deutet schon darauf
hin, daß die Bursa nicht nur eine Genitaltasche
(Bursa genitalis wie ich sie früher nannte) ist,
sondern daß sie auch noch eine andere Bedeu-
tung haben muß. Dies wird noch wahrschein-
218
lieber durch die Thatsache , daß die Bursa mit
ihren Zipfeln schon ausgebildet ist, bevor die
Geuitalprodukte zu reifen beginnen. Daß aber
auch nicht etwa nur die Bildung eines Brutraumes
hier vorliegt, geht daraus hervor, daß die Bursae
bei den männlichen Thieren ganz ebenso ausge-
bildet sind wie bei den weiblichen; bei den
lebendiggebärenden Arten scheint die Bursa aller-
dings die Funktion eines Brutraumes zu über-
nehmen. Wenn ich eine Vermuthung über die
Function der Bursae der Ophiureu aussprechen
soll, so ist es die, daß wir in ihnen die bisher
nicht bekannten Respirationsorgane dieser Thiere
vor uns haben ; ich bin mir dabei aber wohl
bewußt, daß es zur vollen Sicherung dieser An-
sicht noch der Beobachtung am lebenden Thier
bedarf. Von den sogen. Kiemenbläschen der
Asterien unterscheiden sie sich wesentlich da-
durch, daß jene verdünnte Parthien der Körper-
wand darstellen, welche nach außen ausgestülpt
sind, V7ährend die Bursae nach innen eingestülpte
verdünnte Parthien der Körperwand sind, sowie
ferner dadurch, daß sie nur in bestimmter An-
zahl und an ganz bestimmten Körperstellen vor-
kommen. Für die Ausdeutung der Bursae als
Respirationsorgane wird es bei Untersuchung der
lebenden Thiere von besonderer Wichtigkeit sein
festzustellen, ob eine Erneuerung des Wassers in
denselben durch Wiraperbewegung und Contrak-
tionen der Wand stattfinde, für letzteres spricht
das Vorhandensein von Muskelfasern in der
Wand der Bursa. Die Verbindung der Gcnital-
schläuche mit dem Randtheile der Bursalwand
betrachte ich als eine secundäre Erscheinung.
Aus diesem Grunde möchte ich auch die Bezeich-
nung »Genitalspalte« durch »Bursalspalte« er-
setzen.
219
Sehen wir uns nun nach morphologisch den
Bursae der Ophiuren entsprechenden Gebilden
bei anderen Echinodermen um, so finden wir
nirgends bei den lebenden Formen etwas Aehn-
liches, Wühl aber bei fossilen und zwar merk-
würdigerweise bei jener räthselhaften Gruppe
der Pentremiten. Rofe und Billiugs haben ge-
zeigt, daß die sogen. Genitalröhren der Pentre-
miten jederseits von jedem Ambulacrafeld ein
einheitliches Organ darstellen, welches mit seiner
inneren blindgeschlossenen und in verschieden
zahlreiche Längsfalten gelegten Seite in die
Eingeweideböhle hineinragt, nach außen aber
durch eine Reihe hintereinander gelegener Poren
ausmündet^). Am geringsten ist die Zahl dieser
äußeren Oeffnungen bei Pentremites caryophyl-
latus , bei welchem jederseits von jedem Am-
bulacrum nur vier schlitzförmige Spalten sich
finden , welche in ihrer Lagerung die größte
üebereinstimmuug mit den sog. Genitalspalten
der Ophiuriden zeigen, bei welchen ja auch eine
Vermehrung der Spalten auf je zwei bei der
Gattung Ophioderma vorkommt. Billiugs nennt
das gefaltete Organ, indem er es als ein Kespi-
ratiousorgan in Anspruch nimmt, »Hydrospire«.
Auf die weitere Zurückführung der Hydrospire
der Blastoideeu auf die »pectinates rhombs«
der Cystideen , welche Billings gleichfalls als
Respirationsorgane betrachtet, einzugehen würde
hier zu weit führen ; ich werde in meiner Ab-
1) John Rofe, Notes on some Echinodermata from
the Mountain-Limestone etc. Geol. Mag. Vol. II. London
1865. p. 249. PI. VIII. E. Billings, Notes on the struc-
tnre of the Crinoidea , Cystidea and Blastoidea. Americ.
Journ. of Science and Arts by Silliman and Dana. 2.
Ser. Vol. 48, 49, 50. New Ha?en 1869 — 1870.
220
handluug diese Verhältnisse eingehend zu er-
örtern suchen. Hier möchte ich nur darauf
hinweisen, daß ich in den Bursae der Ophiuriden
das Homologen der »Hydrospiren« der Blastoideen
glaubte gefunden zu haben, ein Fund, der mir
für die Erkenntniß der verwandtschaftlichen
Beziehungen der Echinodermen untereinander
von sehr hoher Bedeutung zu sein scheint.
Göttingen, 2. März 1878.
Berichtigung :
Seite 173 Zeite 13 q>Sai, statt yß'rf».
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung.)
R, Wolf, Memoire sur la periode commune ä la fre-
quence des taches solaires et ä la Variation de la de-
clinaison magnetique. 4.
V. Rosen, Manuscrits Arabes. St. Petersbourg, 1877.
Dorn, Monnaies des Khalifes etc. St. Petersbourg. 1877.
H. C. Rüssel, Climate of New South Wales. Sidney
1877.
Ch. Robinson, The progress and resources of N. S.
Wales, Sidn. 1877.
Journal and Proceedings of the R. Soc. of N. S. Wales.
Vol. X.
Report of the Council of education upon the conditiou
of the public Schools for 1876. Sidney 1877.
(Fortsetzung folgt).
221
.Vacli richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
15. Mai. M 7. 1878.
Königliche Geselli^chaft der Wissenschaften.
Sitzung am 4. Mai.
Grisebach, Die systematische Stellung von Sclero-
phylax and Cortesia.
Pauli, Drei volkswirthschaftliche Denkschriften aas der
Zeit Heinrichs VIII. von England, zum ersten Mal
herausgeben von R. Pauli. (Erscheint in den Ab-
handlungen.)
Stern, Beiträge zur Theorie der BernouUi'schen und
Eulers'schen Zahlen. (Erscheint in den Abhandlungen )
Wüstenfeld, Coptisch - Arabische Handschriften der
Königl. Üniversitäts-Bibliothek.
Marme, Beobachtungen zar Pharmacologie des Salicins.
V. B runn , lieber die Vena azygos. (Vorgelegt von Henle.)
Bezzenberger, Ueber einige avestische Wörter und
Formen. (Vorgelegt von Benfey.)
Die systematische Stellung von
Sclerophylax und Cortesia.
Von
A. Grisebach.
Die in meiner Abhandlung über die beiden
ersten Pflanzensamralungen des Professor Lorentz
19
222
beschriebene und abgebildete Gattung Sterrhy-
menia hat sich nach einer brieflichen und später
veröffentlichten Mittheilung Bentham's durch
Vergleichung von Originalexemplaren als iden-
tisch mit Sclerophylax Mrs. herausgestellt. Da
die Ergebnisse systematischer Vergleichung theils
von der Beschaffenheit des Materials, theils von der
Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der in der
Literatur niedergelegten Beobachtungen bedingt
sind, so war es in diesem Falle nicht zulässig
gewesen , auf die Identität beider Pflanzen
schließen zu dürfen. Denn Miers hatte von
seiner Gattung Sclerophylax eine in mehrfachen
und wichtigen Beziehungen irrthümliche Charak-
teristik entworfen: die Corolla regularis be-
zeichnete er als »subbilabiata« , das Ovarium
septo superne inter ovula desinente incomplete
bilocnlare als vollständig zweifächerig und den
geraden axilen Embryo als »incurvatus». Den-
noch würde ich wahrscheinlich seine Beschrei-
bung als irrig erkannt haben, wenn mir damals
schon' seine Abbildungen von Sclerophylax (Miers,
Illustrations , 1. t. 25. 26.) zugänglich gewesen
wären, welche den Habitus wiedergeben und
aus den analytischen Einzelnheiten auf die Ueber-
einstimmung mit Sterrhymenia schließen lassen.
Allein von den beiden Kupferwerken des Ver-
fassers besaß unsere Bibliothek nur die Contri-
butions to Botany und hat die Illustrations of
South-American plants erst kürzlich erworben.
Ueber die systematische Stellung von Sclero-
phylax sind die Ansichten getheilt, eine nähere
Verwandtschaft der Gattung mit bekanntern
Typen ist bisher überhaupt nicht nachgewiesen.
Miers verglich sie, zugleich entferntere Beziehun-
gen berührend, namentlich mit den Solaneeu und
Boragineen und erhob sie sodann zu einer be-
223
sondern Familie, seiuen Sclerophylac^en. wodurch
die Frage eben als eine nngelöäte bezeichnet
wird, Bentham und Hooker steilen Sclerophylax
als ein zweifelhaftes Glied der Solaneeu an das
Ende dieser Familie und bemerken, daß die Gat-
tung zwar durch die nur mit einem einzigen Ei
ausgestatteten Abschnitte des Ovarium sehr ano-
mal sei, aber doch mit keiner andern Gruppe
besser, als mit den Solaneen übereinstimme
(Gen, plant, 2. p. 913). Sie würden vielleicht
anders geurtbeilt haben, wenn ihnen die Unvoll-
ständigkeit der Scheidewand des Ovariums be-
kannt gewesen wäre, worin abgesehen von andern
Charakteren die entschiedenste Abweichung von
dem Typus der Solaneen besteht. Höchstens
könnte man von der mit eigenthümlicher Sproß-
bildung verbundenen Gemination der Blätter
eine Verwandtschaft mit dieser Familie ableiten,
allein in dieser Beziehung stimmt unter den
Boragiueen Asperugo mit vielen Solaneeu über-
ein. Mit dieser Gattung hat bereits Agardh
Sclerophylax verglichen, und glaubt, jedoch ohne
eigene Beobachtungen zu besitzen , den Typus
der Boragineen darin zu erkennen (Theoria
sygtematis, p. 194), wobei er ein Hauptgewicht
darauf legt, daß bei diesen und den Hydro-
phylleen die Eier epitrop seien , die er in den
meisten andern sympetalischen Familien , und
namentlich auch bei den Solaneen, apotrop ge-
fanden hatte.
Als ich nach meiner Untersuchung aus
andern Gründen zu einem ähnlichen Ergebniß,
wie Agardh, gelangt war und Sterrhymenia den
Hydrophylleen anreihte (PL Lorentzianae, p.
16. 183), bemerkte ich zugleich, daß zwischen
diesen und den Boragineen keine scharfe Grenze
Torhanden sei und daß nur der axile, von flei-
19*
224
schigem Albumen umschlossene Embryo mich
veranlasse, die Gattung den erstem anzuschließen.
Damals war mir die als Boraginee aus der
Gruppe der Ehretieeu allgemein anerkannte und
mit Sclerophylax in denselben Gegenden Ar-
gentiniens einheimische Gattung Cortesia noch
nicht vorgekommen, die erst späterhin von Pro-
fessor Hieronymus in der Gegend von Cordoba
aufgefunden wurde und deren bis jetzt nicht
richtig verstandener Bau auf die Stellung von
Sclerophylax ein unerwartetes Licht wirft.
Miers hat auch von Cortesia eine ausführ-
liche Analyse veröffentlicht und Cavanilles' ältere
Darstellung zu vervollständigen gesucht (Con-
tributions, 2. p. 215. tab, 83 B.), aber die merk-
würdigste Eigenthümlichkeit der Gattung, die
von ihm zuerst bemerkt wurde , morphologisch
nicht zu deuten gewußt. Diese besteht darin,
daß Miers innerhalb des Organs, welches bisher
als Kelch galt, und außerhalb der Corolla blatt-
artige Gebilde fand, die aus einem zarten, fa-
denförmigen Unguis in einen rhombisch gestal- i
teten, zugespitzten Laminartheil auslaufen, und j
die er als Appendices bezeichnet, ohne ihre {
Lage und Bedeutung näher festzustellen. Ben- '
tham und Hooker haben diese Orgaue, die auch '
auf Miers' Steintafel ungenau gezeichnet sind [
(Fig. 4), nicht aufzufinden vermocht und sprechen jj
den Zweifel aus, ob es nicht monströse Bil- ]
düngen gewesen sein möchten (Gen. plant. 2, i:
p. 841): aber dieser Einwurf ist unbegründet '
und rührt nur daher, daß sie frühzeitig entfernt ,^
werden und an der aufgebrochenen Blüthe be- '^
reits verschwunden sind. Glücklicher Weise 'A
fanden sich an den von Hieronymus mir mit- i
getheilteu Exemplaren zwei Blüthenknospen, an ii
denen die zweifelhaft gebliebeneu Appendices -^i
225
als selbständige Kelchorgane von ungewöhnlicher
Form unmittelbar unter der Corolle am Torus
befestigt sich zeigten , während ihre behaarten
Laminartheile über der Knospe imbrikativ ver-
schränkt sind, so daß, wenn die Corolle sich
durch ihr Wachsthum verlängert, diese Kuospen-
decke einen Druck erfährt, der vermuthlich die
Veranlassung ist, daß die zarten üngues von
ihrem Insertionspunkt oder auch in ihrer Con-
tinuität abreißen und somit das ganze Gebilde
mehr oder weniger vollständig abgeworfen wird.
Hiebei ist, um die Homologie desselben mit
einem Kelche vollends zu begründen, noch be-
sonders erwähnenswerth, daß ich in beiden
Knospen die Zahl dieser Organe den Abschnitten
der Corolle entsprechend fand; die Angabe bei
Miers, daß 5 bis 10 Appendices vorkommen
sollen, von denen einige rudimentär blieben,
wird hiedurch also nicht bestätigt und möcht«
dadurch zu erklären sein , daß die Rest« von
abgerissenen üngues leicht mit den Haaren des
die Blüthe umschließenden Organs verwechselt
werden können. Dieses röhrenförmige Organ,
von ungewöhnlich fester Textur und innen mit
anliegenden Borsten bekleidet, bisher als Kelch
fedeutet, würde, wenn die Appendices getrennte
^Ichblätter sind, als eine luvolucralbildung be-
trachtet werden können , welche nach dem Ver-
lust des Kelchs die Funktionen desselben auch
noch bei der Fruchtreife übernimmt. Diese
I Auffassung wird dadurch unterstützt, daß zwi-
schen demselben und der Blüthe ein kurzes
Internodium sich findet, welches nach oben durch
den wirklichen Kelch und die Corolle abge-
schlossen ist und von Miers bereits ungenau als
Carpophorum aufgefaßt wurde (>Ovarium tur-
binato-stipitatum«) , indem er nicht bemerkte,
226
daß dasselbe unterhalb der ganzen Blüthe liegt.
Außerdem ist auch die Zahl der Glieder, aus
denen das Involucrum zusammengesetzt ist und
die an dessen Spitze sieh zu kleinen Zähneu ab-
sondern, gegen die Ansicht, daß es ein äußerer
Kelch sei, von Bedeutung. Miers giebt die An-
zahl dieser Zähne zu 10 bis 15 an : auch ich
fand sie schwankend, aber an der Mehrzahl der
Blüthen nur 7 oder 8 und nur in einem Falle
10. Betrachtet man die Zahl 8 als die typische,
so würde diese den am Blüthenstiel zu 2 oder
4 genäherten oder sogar opponirten Blättern
entsprechen, wogegen die Alternanz mit den
fünfgliedrigen Blüthenwirteln ausgeschlossen ist.
Nach diesen Erörterungen würde der Charakter
von Cortesia sich bedeutend weiter von den
übrigen Ehretieen entfernen, als bisher ange-
nommen wurde, aber dabei ist zu erinnern, daß
auch die mit Cordia verwandten Gattungen dem
Typus der Boragineen gegenüber in der ver-
schiedenartigen Bildung des auswachsenden Kelchs
anomal sind und daß sowohl Patagonula , wie
Saccellium , gleich Cortesia und Sclerophylax,
in den nordwestlichen Provinzen Argentiniens
einheimisch sind.
Cortesia Cav. (char. reform.)
Calyx 5phyllus, inaequalis, unguibus te-
nuissime filiformibus apice in limbos rhombeo-
cuspidatos supra corollam nascentem imbri-
cativos dilatatis eaque crescente deciduis, invo-
lucello tubuloso duro intus strigoso apice plicato
8 (7 — »15«)denticulato iuternodio brevi tur-
binato a flore remoto circa drupam persistente
cinctus. Corolla regularis, infundibuliformis, .
limbo 5partito imbricativo. Stamina 5, iuae-
qualia , exserta , versus medium tubum corollae
iuserta, filamentis aestivatione curvato-inflexis
227
basi in uodulum incrassatis, 2 — 3 loogioribos,
autheris iucumbentibus bilocularibus , localis
distinctis rima profunde sulcatis. Ovarinm supe-
vum, subglobosum, biloculare, localis semisepto
(livisis biovulatis, ovalis ex apice loculi pendulis.
Stylus terminalis, crassiusculus, ad V« bifidus et
incnrvatus, ramis inflexis apice in stigma patel-
liforme pallidum dilatatis. Drupa involucello
campanulato semiinclusa , »dipyrena , pyrenis
bilocularibus dispermis. Semina oblongo-linearia,
exalbuminosa (sec. icon.), radicula brevi supera«.
Wenn schon die Vergleichung der Vegeta-
tionsorgane , der Sproßbildungen und der In-
florescenz eine Verwandtschaft Fon Cortesia und
Sclerophylax nicht verkennen läßt, so geht dies
mit größerer Entschiedenheit aus der folgenden
Zusammenstellung ihrer Blüthencharaktere her-
vor, denen ich die Verschiedenheiten ihres Baus
abgesondert anreihe;
Cortesia
Calyx inaequalis
cadacDs,
involucel-
lo tubalo-
80 cinctas.
infondibu-
lifonnis,
CoroUa regularis,
limbo imbricativo
Spartito.
Stamina 5 , inae-
qualia, aestivatione
inflesa , tubo co-
rollae versus me-
dium inserta, exserta.
Antheramra lo-
culi distincti,
ovoidei, rima pro-
funda sulcati.
Ovarium superum biloculare.
Sclerophylax.
Calyx bilabiatus persistens,
Dudns.
Corolla regularis, tubuloso-
^dentibus 5 imbri- clavata.
cativis.
Stamina 5 , inae-
qualia, aestivatione
jincurva, tubo co-
jroUae infeme in-
' serta inclusa.
Antherarum lo-
culi distincti, ovo-
idei , rima de-
hiscentes.
Ovarium superum incomplete
biloculare.
228
Corteeia.
Stylus terminaliß,
incurvaius
Ovula ex apice
ovarii pendula
Fructus involucello
indurato semiin-
clusus
bifidus,
stigmati-
bus patel-
liformibus
4.
drupaceus,
»bilocula-
ris, tetra-
spermus«.
Semen pendulum oblongo-
lineare,ex-
albumi-
nosam,
radicula supera brevi.
Sclerophylax.
Stylus terminalis,
incurvatus
Ovula ex apice
ovarii pendula
Fructus calyce in-
durato inclusus
Simplex,
stigmate
obtuso.
utricularis,
uni(»bi«)-
locularis,
mono(-
»di«)sper-
mus.
Semen pendulum ovatum,
albumino-
sum, em-
bryone
axili,
cotyledo-
nibus ae-
quilonga.
radicula supera
Das Ergebniß dieser Untersuchung läßt
sich demnach dahin zusammenfassen, daß durch
die Verwandtschaft beider Gattungen ein neuer
Beweis für die enge Verbindung der Boragineen
mit den Hydrophylleen gegeben ist, die es an-
gemessen erscheinen läßt , beide Gruppen zu
einer einzigen zu vereinigen. Will man jedoch,
wie bisher, die Hydrophylleen (mit Einschluß der
Hydroleaceen) abgesondert bestehen lassen , so
würde Sclerophylax wegen des albuminosen
Samens als anomale Gattung den Schluß der-
selben und Cortesia das Anfangsglied der Bora-
gineen bilden können.
229
Mittheilungen aus dem pharmacolo-
gischen Institut zu Göttingen.
Beobachtungen zur Pharmacologie
des Salicin.
Von
Professor W. Manne.
In den letzten Jahren ist das vor ungefähr
einem halben Saeculum aus der Weidenrinde rein
dargestellte, als Surrogat des Chinin gepriesene
und nach einem kurzen Modestadium fast ganz
außer Gebrauch gekommene Salicin von Neuem
im In- und Auslande als Antipyreticum ganz be-
sonders zum Ersatz der Salicylsäure und des
Natriumsalicylats dringend empfohlen und viel-
seitig benutzt worden.
Als besondere Vorzüge vor diesen beiden
heutigen Lieblingen der antifebrilen Therapie
werden zu Gunsten des Salicin angeführt, daß
es selbst in sehr großen Dosen den Magen gar
nicht, jedenfalls nie so wie die Salicylsäure be-
lästige; ferner daß der bittere Geschmack des
Salicin vielen Patienten weit zusagender sei, als
der süßlich fade, bei Manchen nauseos wirkende
des gelösten Natriumsalicylats und endlich, daß
Salicin sich sehr rasch sowohl bei interner wie
bei subcutaner Application , ja selbst nach di-
recter Injection in die Blutbahn zum Theil we-
nigstens in Salicylsäure umsetze.
Durch die Fähigkeit sich sehr leicht zu zer-
legen und in seinen Spaltungsproducten weiter
umzusestzen gewinnt das Salicin für den Phar-
macologen ein ganz besonderes Interesse. Es
gestattet nämlich wie kaum ein anderes Medica-
ment den experimentellen Nachweis der mannig-
230
fachen Schicksale, die ein Heilmittel auf seiner
Wanderung durch den Organismus erfahren kann.
Wie außerhalb des Körpers das Salicin , ab-
gesehen von einigen anderen hier nicht in Frage
kommenden Urawandelungsproducten, unter dem
Einfluß von Fermenten und rein chemischen
Agentien sich umsetzt
1. in Saligeniu oder Oxybenzylalcobol
o H iC)H
und Zucker; ferner durch Oxydation
2. in Salicylaldehyd oder salicylige Säure
und
3. in Salicylsäure CeHilp/-. tt
und endlich unter Abgabe von Wasser u. Aufnahme
von Glyocoll oder Amidoessigsäure | /^^^ tt ^
4. in Salicylursäure Ca Hg NO 4
ebenso, erleidet es bei seinem Durchgang durch
den thierischen Organismus die gleichen Um-
setzungen und erscheint im Harn theils unzer-
setzt, theils in Gestalt der unter 1 — 4 genannten
Körper.
Merkwürdiger Weise unterliegt nach der seit
18 Jahren herrschenden Ansicht das Salicin den
genannten Umsetzungen nur im Organismus des
Menschen und der Herbivoren, durchwandert da-
gegen den Körper des Hundes, wenn nicht aller
Carnivoren, unverändert, um als solches im Harn
unzersetzt wieder zu erscheinen.
Diese Lehre, die sich in allen Handbüchern
der Arzneimittellehre älteren und neuesten Da-
tums wiederfindet, gründet sich auf eine experi-
mentelle Untersuchung von Dr. Scheffer, die
231
mit grossem Fleiße unter Leitung von Prof. K.
P. Falk gearbeitet ist »Das Salicin, eine phar-
macologische Monographie. luaugural-Disserta-
tion. Marburg 18ü0.« Die betreffenden An-
gaben , auf die ich in mehrfaclier Beziehung zu-
rückkommen muß, lauten S. 35 »Das Salicin
wird im Blute des Hundes nicht oder so gut
wie nicht zersetzt, im Blut des Kaninchens und
des Menschen wird es aber mit Energie zerlegt.«
Verfasser spritzte einem Hunde eine Lösung von
circa 2 Gramm Salicin in das Blut und unter-
suchte vor und nach der Infusion den Urin. Es
gelang ihm sehr bald nach der Injection mit
Schwefelsäure im Urin Rutilin zu bilden. Eisen-
chlorid dagegen bewirkte im Urin zuweilen etwas
dunklere Färbung, aber zu keiner Zeit die cha-
racteristisch violette Färbung, welche die Zer-
setzungsproducte des Salicin im Verein mit dem
Eisenchlorid hervorbringen.
Hiernach mußten Hunde die geeigneten Ver-
suchsthiere sein, einmal um das Salicin als Re-
präsentant der Medicamente Digestiva amara in
seinen Wirkungen auf die verschiedenen Organe
und Systeme des Organismus zu studiren, zweitens
um den experimentellen Beweis zu liefern für
die aus theoretischen Gründen allgemein ange-
nommene Ansicht, daß das Salicin nur durch
seine Umwandelung in Salicylsäure antipyretisch
wirke.
Nach Versuchen von H. Köhler bewirken
bittere Mittel »eine Reizung des Gefäßnerven-
centrum in der Medulla oblongata bei Gleich-
bleiben der Pulsfrequenz und Nichtafficirtwerden
der Herznerven ^).« »Reizung dieses Centrums
ist, fährt derselbe Autor fort, von Steigerung
1) H. Köhler, Grundriß der Mat. medioa, Leipzig
1878 S. 62.
232
des Blutdrucks im gesammten Blutgefäßsystem
gefolgt und werden demzufolge sämmtliclie Blut-
gefäßdrüseu stärker secerniren. Indem somit
Speichel-, Magen-, Pankreassaft und Galle in
größerer Menge als in der Norm abgesondert
werden , wird mehr Chymus gebildet , die Blut-
bildung befördert und die Ernährung begünstigt
werden; indem aber andererseits auch das Blut
in den Nierengefäßen unter höherem Druck
steht, werden auch die Excretionsorgane eine
erhöhte Thätigkeit zeigen und Diurese und
Schweißsecretion vermehrt werden müssen. Mit
einem Worte : die Amara bedingen eine zu Gun-
sten der Ernährung ausschlagende Förderung
sowohl der progressiven als der regressiven Stoff-
metamorphose.«
Spritzten wir Hunden vorsichtig kleine Dosen
Salicin gelöst in blutwarmer 0,5^/o Kochsalz-
lösung (oder auch in aq. dest.) in eine V. ju-
gularis ext. ein, so zeigte die mit Ludwig's
Kymographium aufgenommene Blutdruckcurve
durchaus keine Veränderung. Sie bleibt auch
ganz constant, wenn man die Injection im Laufe
einer halben oder ganzen Stunde öfters wieder-
holt. Dies Ergebniß erhält man an curaresirten
und künstlich respirirten, an narcotisirten und
selbst an nicht vergifteten Thieren, wenn diese
letzteren sich während des Versuches ganz ruhig
verhalten. Bei Katzen setzen kleine Dosen Sa-
licin gleichfalls nicht die geringste Veränderung
des Blutdrucks, vorausgesetzt, daß die Injection
so allmälig geschieht, daß niemals plötzlich eine
größere Quantität Flüssigkeit ins Herz geschleudert
wird. Vorsichtig injicirt veranlassen selbst große
Dosen Salicin bei beiden Carnivoren keine we-
sentliche Aenderung an der Blutdruckcurve, wäh-
rend bei Herbivoren, Kaninchen und jungen
I
J
2^
Ziegen, dadurch nach einiger Zeit ein Sinken
des Blutdrucks erzielt wird. Weil nach interner
Einführung eines bitteren Mittels durch allmälig
erfolgende Resorption möglicher Weise noch viel
kleinere Dosen als nach directer Injection in ein
Blutgefäß zu der medulla oblongata gelangen
und weil durch solche vielleicht eine Erregung
des vasomotorischen Centrum bedingt werden
könnte, haben wir zunächst bei curaresirten,
künstlich respirirten Katzen den Blutdruck, nach-
dem kleine (0,1) und größere Dosen (0,5 — 1,0) Sali-
cin (natürlich bei verschiedenen Thieren) in den
Magen in Lösung injicirt oder in Pillen mittelst
Oesophagotomie eingebracht waren, Stunden lang
verfolgt, aber auch hierbei an der Curve ver-
gebens nach einer Steigerung des Blutdrucks
gesucht. — Nach diesen negativen Ergebnissen
kann das Resultat, welches Köhler bei seinen
Versuchen erhalten hat, die mit Cetrarin und
Columbiu an Kaninchen angestellt wurden, nicht
als ein für alle Amara gültiges Gesetz hinge-
stellt, noch als Basis für so vielseitige Folge-
rungen benutzt werden.
Außer diesen hinsichtlich des Blutdrucks ne-
gativen Resultaten haben die Versuche an Katzen
ein anderes positives ergeben. Der 3 Stunden
nach der internen Application von Saliciu ent-
leerte Harn wird auf Zusatz von Eisenchlorid
abgesehen von dem praecipitirten Eisenphosphat
sofort violett gefärbt. Es erfährt also das Salicin
auch auf seiner Wanderung durch den Organis-
mus eines ächten Carnivoren eine Zerlegung.
Diese oft wiederholte Beobachtung lenkte die
Untersuchung natürlich in andere Bahnen, da
sie es auch bei Fleischfressern unmöglich machte,
das Salicin als Amarum in seiner Wirkung auf
Magen und Darmkanal näher zu prüfen.
234
Zimäclist drängte sich natürlich die P'rage
auf, ob die Katze auch das ihr direct ins Blut
gebrachte Salicin umsetze. Folgendes Experi-
ment, oft wiederholt, giebt darüber Aufschluß.
Einem großen nur mit Fleisch und Milch gefütterten
Kater wird Morgens 11 Uhr 1 Grm. reines Salicin^) ge-
löst in 15 CG. Wasser in eine V. jugul ext. injicirt. 12
Uhr 30 M. erste Harnsecretion ; eine Probe desselben
wird durch Eisenchlorid nur getrübt. Der Rest des Harns
mit angesäuertem Aether geschüttelt, der Aether durch
etwas abs. Alcohol geklärt, abgehoben und der freiwil-
ligen Verdunstung überlassen, der Rückstand mit wenig
Wasser aufgenommen, wird durch Eisenchlorid grün.
Der nächste Morgenharn ebenso mit Aether ausgezogen,
gibt einen nach Salicylaldehyd riechenden Rückstand und
wird durch Eisenchlorid blau. Um Mittag , etwa 25 St.
nach der Injection wird das Thier getödtet, die prall
gefüllte Blase unterbunden, der Inhalt gesammelt, eine
Probe gibt mit Eisenchlorid einen schmutzig grünlich
grauen Niederschlag ; der Aetherauszug in Wasser aufge-
nommen wird durch Eisenchlorid intensiv blau. Die
Aetherauszüge des Magen- und Dünndarminhaltes enthalten
keine Salicinderivate.
Auf directe Injection von Salicin in die Blut-
bahn -treten bei Katzen im Harn spurweise Zer-
setzungsproducte auf, die nur im Aetherauszüge
nachweisbar sind. Wird dagegen Salicin in Lö-
sung oder in Pulver in den Magen der Thiere
gebracht, so lassen sich die Spaltungsproducte
des Glycosids direct im Harn constatiren.
Da nach allen bisherigen Anschauungen unter
den Carnivoren nicht solche Verschiedenheiten
wie zwischen ihnen und den Herbivoreu ange-
nommen werden, hielten wir es für nöthig den
Versuch von Falk und Scheffer zu wieder-
1) Blendend weißes, krystallisirtes Salicin von E. Merk
bezogen gab bisweilen eine Lösung, welche durch Eisen-
cblorid gebläut wurde. Hierdurch veranlaßt , haben wir
immer nur mit Aether gereinigtes Salicin, dessen Lösung
sich durchaus indifferent gegen Fj Clg zeigte , zu unseren
Yersucben benutzt.
235
holen, zumal beide Autoren, soviel aus der Dis-
sertation zu ersehen ist, niemals Aetherauszüge
des Harns untersucht haben.
Es wird genügen drei Experimente mitzu-
theilen :
1. Vormittags 11 Uhr wird einem kleinen Hunde 1
Grm. Salicin in Aq. dest. in eine Jagularvene gespritzt.
Am Morgen des 2. Versachstages früh 8 Uhr erste Ham-
secretion (235 CC. von saarer Reaction und 1014 sp. G.).
Der neutralisirte Ilam auf dem Wasserbade eingeengt,
nach dem Erkalten mit angesäuertem Aether behandelt ;
der verdunstete Aether hinterläßt einen Bückstand, dea
Eisenchlorid blau färbt. Am 3. Tage werden 690 C.C.
Harn direct mit angesäuertem Aether ausgeschüttelt; der
Aetherrückstand wird durch Eisenchlorid blau. Am 4.
Tage zeigen 710 C.C. Harn von 1010 sp. G. dasselbe
Verhalten. Den folgenden Tag gibt der Aetherrückstand
von 540 C.C. Harn mit Eisenchlorid nur braune Färbung ;
• benso am 6. 7. und 8. Versnchstage.
2. Großer, nur mit Fleisch und Milch gefütterter
-^chäferhuiid, erhält am 1. Tage Morgens 11 Uhr 30 M.
n eine Scheukelvene 3 Grm. reines Salicin. Kurz vor
der Injection sehr reichliche Hamsecretion. Nach der
Operation frißt der Hund 1 Pfund Fleisch, läßt die vor-
gesetzte Milch stehen. Setzt erst am 2. Tage früh 9 Uhr
98 C.C. hochgestellten, sauren Harn von 1030 sp. G. ab,
welcher weder bei directer Prüfuner mit Flj Clg und SO4
H,, noch im aetherischen Auszug irgend eine auf Salicin-
derivate deutende Reaction gibt Nachmittags 2 Uhr des-
selben Tages 296 C.C. Harn voa saurer Reaction 1028
sp. G. und ganz demselben Verhalten wie der Morgen-
ham. Am 3. Tage früh nur 46 C.C. Harn und gegen 12
IJhr 278 C.C. sauren Harn von 1026 sp. G. Auch diese
Portionen zeigen im Aetherauszüge keine Spur von Sali-
cinzerlegung. Nun erhält derselbe Hund Morgens 12 Uhr
per OS 2,5 Gr. reines Salicin in Fleischboli und gegen
Abend desselben Tages nochmals dieselbe Dosis. Erst
am nächsten Morgen (4. Tag) früh 8 Uhr 15 M. läßt er
Harn (182 C.C. stark sauer, von 1026 sp. G.); eine Probe
auf weißem Porzellanteller ausgebreitet und mit ver-
dünntem möglichst neutralem Eisenchlorid versetzt , gibt
außer dem unvermeidlichen Niederschlag eine schwach
violette Färbung; der übrige Harn gibt im Aetherauszug
möglichst intensive Salicylreaction. Nachmittags 4 Uhr
236
45 M. die zweite Harnsecretion (228 C.C. sauer, 1028 sp.
G.) eine Probe mit verdünntem Eisenchlorid versetzt
■wird sofort dunkelveilchenblau.
3. Ein nur mit Fleisch und Milch gefütterter Hund
erhält Morgens 9 Uhr 45 M. 3 Grm. reines Salicin in
Fleischboli; läßt 4 Uhr 45 M. den ersten Harn. (448
C.C. sauer. 1015 sp. G.), er wird mit angesäuertem Aether
geschüttelt; eine kleine Probe des Aethers verdunstet,
der Rückstand färbt sich mit FejClj intensiv blau; der
übrige Aether aufgehoben und der Harn wiederholt mit
neuen Aethermengen geschüttelt bis eine Probe nicht
mehr gebläut wird. Nachmittags erhält der Hund wieder
3 Grm. reines Salicin. In der nächsten Nacht läßt der
Hund viel Harn, (1130 C.C. sauer. 1013 sp. G.) er wird
wie der gestrige mit angesäuertem Aether vollständig
ausgeschüttelt, der Aether mit dem gestrigen vereinigt.
In gleicher Weise wird am 3. 4. und 5. Versuchstage
verfahren und weiter kein Harn gesammelt. Die verei-
nigten Aethermengen werden mit Aq. destill, versetzt und
nun bei gelinder Wärme der Aether abdestillirt. Eine
kleine Probe des wässerigen Rückstandes wird durch
Eisenchlorid tief dunkelblau, eine andere nach vorsich-
tigem Eintrocknen durch conc. Schwefelsäure characteri-
stisch rosenroth. Der ganze wässerige Rückstand wird
in kleinem Kolben aus dem allmälig erhitzten Oelbad
weiter destillirt. Bei etwa 180 — 182° C. sieht man mit
den Wasserdämpfen (der Kühler ist von Glas) oelige
Tropfen übergehen; das Destillat in neuer Vorlage ist
leicht getrübt, riecht characteristisch nach bitteren Man-
deln ; eine Probe wird durch Eisenchlorid intensiv violett-
blau. Der Hund hatte also jedenfalls das Salicin ge-
spalten, im Aetherauszug des Harns sind Saligenin und
Salicylige Säure constatirt ; nach Salicylsäure wurde nicht
gesucht.
Aus diesen Versuchen ergiebt sich, daß im
Hundeblut, wie auch Falk und Schaff er an-
nehmen, Salicin gar nicht oder so gut wie nicht
zerlegt wird , daß dagegen der Hund , wenn er
Salicin innerlich in Substanz erhält, das Salicin
umsetzt und Salicinderivate mit dem Harn aus-
scheidet. Wie der Hund verhält sich auch die
Katze. Ich kann hinzufügen , daß auch fleisch-
fressende Vögel, (Krähen) Salicin, was ihnen
99?
innerlich beigebracht wird, zersetzen. KSrner-
fresser, (Tauben and Hühner) zersetzen es ra-
scher und selbst dann wenn es ihnen subcutan
injicirt wird.
Im Gegensatz hierxu stehen die Schlußfol-
gerungen von Scheffer. Nach seinen Ver-
suchen wird nicht nnr im Blute, son-
dern auch im Körper des Hundes so gut
wie kein Salicin zerlegt. Im Darm und
Magen wird es weder verändert noch zersetzt,
sondern ans den ersten Wegen unverändert in
das Blut übergeführt. Der Beobachtung von
Staedeler, daß Salicin durch Speichel zersetzt
wird, soll keine physiologische Bedeutung zu-
kommen, weil nach Controlversuchen von Prof.
Falk Speichel (außerhalb des Körpers) erst nach
12stündiger Digestion Salicin in Spuren zersetzt
und weil anderseits schon 30 — 45 Minuten nach
dem Einnehmen des Salicin Zersetzungsproducte
im Harn des Menschen nachweisbar sind. Eben-
sowenig soll dem Magensaft, der Galle und dem
pancreatischen Saft ein zersetzender Einfluß auf
das in die ersten Wege gebrachte Salicin zu-
kommen. Sehe ff er spritzte eine Lösung von
Salicin durch den After in den Darm des Menschen
und fand danach im Criu dieselben Stoffe wie
nach der Einführung in den Magen. Dies wäre
nach seiner Auffassung unmöglich , wenn der
Magensaft oder die Galle oder der pancreatische
Saft einen besonderen Einfluß auf das Salicin
ausübten. Auch die Schleimhaut des Darms
darf nachScheffer nicht als Zersetzungsmittel
des Salicius angesehen werden, weil eine von ihm
in das Rectum injicirte und nach \''i — 1 Stunde
wieder entleerte Salicinlösung keine Zersetznngs-
prodncte enthielt. Hierdurch glaubt Scheffer
coustatirt zu haben, daß in den ersten Wegen
20
238
des Hundes Salicin unzersetzt bleibt und schließen
zu dürfen, daß es in den ersten Wegen des
Menschen auch nicht zerlegt wird. S. 34. 1. c.
Noch ein Experiment muß ich erwähnen,
mit welchem Sehe ff er den ziemlich raschen
Uebergang einer Salicinlösung aus den ersten
Wegen ins Blut darthut, weil auch dieses als
Beweis gegen jede Zersetzung des Salicin in den
ersten Wegen gedeutet werden könnte. »Ein
Hund, dem 4 Grm. Salicin in wäßriger Lösung
in den Magen gespritzt waren, wurde 3 Stunden
später geschlachtet und secirt. Magen und Dünn-
darm dieses Thieres waren so gut wie ausge-
waschen, weder von Salicin noch von Zersetzungs-
producten war in den ersten Wegen eine Spur
zu finden«. Da der leere Magen und Darm nichts
mehr enthielten und in diesem Versuche keine
Untersuchung des Harns vorliegt, vermuthlich
weil der Hund innerhalb der 3 Stunden nach
der Injection Harn weder se- noch excernirt
hatte, so kann dieses Experiment als stringenter
Bewei? gegen die Möglichkeit einer Zersetzung
des Salicins in den ersten Wegen des Hundes
ebenso wenig angesehen werden wie die vorher
angeführten. Denn wenn auch außerhalb des
Körpers der Speichel erst in 12 Stunden das
Salicin zersetzt, so folgt daraus nicht, daß inner-
halb des Organismus der Proceß ebenso träge
verläuft. Treten nach der Injection einer Sali-
cinlösung in das Rectum Spaltungsproducte im
Harn auf, so spricht das nur dafür, daß die Zer-
setzung auch ohne Mitwirkung des Dünndarm-
und Pancreassecrets erfolgen kann. Der Befund,
daß die Salicinlösung, welche eine längere Zeit
in dem Rectum verweilt hat , keine Spaltungs-
producte enthält, macht es allerdings wahrschein-
lich, daß die Secrete der Rectum -Schleimhaut
keine Zersetzung veranlassen, obwohl nicht über-
sehen werden darf, daß etwa entstandene Zer-
setzungen rasch resorbirt werden und deßhalb
aus der Salicinlösung verschwinden können.
Es läßt sich direct beweisen, daß
das Salicin, wenn es bei Hunden und
Katzen in die obere Hälfte des Dünn-
darms gelangt, hier schon eine theil-
weise Zersetzung erfährt.
Zum Belege führe ich einige an Katzen an-
gestellte Versuche an, die alle an Hunden mit
gleichem Erfolge wiederholt worden sind.
1. Einer Katze wird 1 Uhr 30 M. 1 Grm. reines Sa-
licin in Wasser gelöst in den Mageo gespritzt. Weil bei
anderen Katzen eine solche Injection bisweilen emetisch
gewirkt hatte, wird der Oesophagus unterbunden und in
den oberen Theil desselben eine Canüle eingelegt, um
den verschluckten Speichel aus der Wunde abzuleiten.
3 Uhr 15 M. das Thier getödtet. Der Harn aus der ge-
füllten Blase wird durch Eisenchlorid sofort violettblau.
Der Dünndarm am Pylorus, vor der Einmündung in den
Dickdarm und ungefähr in der Mitte doppelt unterbunden.
Der Inhalt beider unterbundenen Theile in je ein Becher-
glas mit Aqua destillat von 37,5° C ausgespült und mit
Aether ausgeschüttelt. Das Extract der unteren Dünn-
darmhälfte ohne jede Spur von Salicinderivaten , das der
oberen Hälfte wird in einer ersten Probe durch Eisen-
chlorid blau, in einer zweiten durch conc. Schwefelsäure
rosenroth , enthält also jedenfalls ein Spaltungsproduct,
wahrscheinlich das in Aether lösliche durch die beiden
Reactionen gekennzeichnete Saligenin.
2. Einer Katze wird 1 Uhr 30 M. durch eine Oeffnung
in der Linea alba der Düundarm unterhalb des Pylorus
und oberhalb der Valv. Bauhini unterbunden und m den
Darm 0,5 reines Salicin io 10 C.C. Wasser gelöst mittelst
feiner Stechkanüle injicirt und die Bauchwunde geschlossen.
8 ühr 30 M. das Thier getödtet, der Dünndarm auch in
der Mitte unterbunden und beide Theile wie vorher be-
handelt. Resultat dasselbe wie im 1. Experiment.
3. Eine seit 8 Tagen wie die beiden vorigen Thiere
nur mit Fleisch und Milch gefütterte Katze , getödtet.
20*
240
Der Dünndarm in der Mitte unterbunden , etwas unter'
halb des Pylorus eine wäßrige Lösung von 0,5 reinen Sa-
licin injicirt u. der Darm dicht unterhalb des Einstichs
unterbunden. Das unterbundene Darmstück in einer
0,5 % reinen Kochsalzlösung eine Stunde lang bei 37,5" C.
digerirt, dann der Inhalt nach dem Erkalten mit mög-
lichst wasserfreiem Aether ausgeschüttelt. Der Aether-
rückstand wird durch Eisenchlorid blau und mit conc.
Schwefelsäure roth.
Nach diesen Versuchen kann es keinem Zwei-
fel unterliegen , daß das Salicin in der oberen
Hälfte des Dünndarms zersetzt wird. Höchst
wahrscheinlich erfolgt diese Umsetzung unter
dem Einfluß der in diesen Darmabschnitt sich
ergießenden Drüsensecrete , obgleich auch noch
andere Agentien die Zersetzung begünstigen
können. Wäßrige Salicinlösuugen zerlegen sich
au der Luft, wie Moitessier gefunden hat,
unter dem Einfluß von Schimmelpilzen , unter
dem Einfluß von Bierhefe bei Gegenwart von
Natriumbicarbonat, wie Ranke beobachtet hat.
Wir haben die Zersetzung auch ohne Natrium-
salz eintreten gesehen.
In eine reine 72 Stunde in Siedhitze erhaltene, dann
auf ihre Reinheit geprüfte Salicinlösung wurde gut ge-
waschene Bierhefe gebracht und das Kölbchen mit Baum-
wolle die auf 110" erhitzt war verschlossen. Schon nach
12 Tagen war Haligcnin und Zucker gebildet.
Außerdem bewirken aber auch Bacterien,
wenn sie unter gleichen Cauteleu zu einer Sali-
cinlösung gebracht werden, schon nach 10 Tagen
die Spaltung in Saligenin und Zucker. — Mög-
licher Weise begünstigen die im Darme nie feh-
lenden Bacterien die Spaltung des Salicin. Daß
sie allein aber in so kurzer Zeit die Zersetzung
nicht bewirken, geht aus dem oben bereits ange-
führten Verhalten des Salicin im unteren Dünn-
darm hervor und wird durch das folgende öfter
wiederholte Experiment bekräftigt.
241
Eine 5 % Salicinlösung in die untere Hälfte des an»
terbnndenen Dünndarms eines lebenden Hundes gespritzt
und nach 2 Stunden entleert, zeigt nur unveränderte«
Salicin.
Nicht nur Warmblüter, sondern auch Kalt-
blüter zerlegen das ihnen applicirt« reine
Salicin. Durch wiederholte Versuche habe
ich mich überzeugt , daß Frösche und Kröten,
nachdem ihnen Salicin in wäßriger Lösung unter
die Rückenhaut gespritzt ist, innerhalb 24 Stun-
den ein mit Eiseuchlorid sich blau färbendes
Spaltungsproduct mit dem Harn in das sie um-
gebende Wasser secerniren. Da namentlich
Frösche, wie bekannt, die Exstirpation der gro-
ßen Unterlei bsdrüseu ertragen und auch Tage
lang ohne Athmung leben, wünschte ich festzu-
stellen, ob die Thiere auch unter solchen künst-
lich gesetzten Bedingungen Salicin zerlegen und
veranlaßte deßhalb Herrn Wulfsberg zu nach-
stehenden Versuchen, die im Winter 18^V"" aus-
geführt wurden.
1. Curaresirten Fröschen wird reines Salicin in wät-
riger Lösung unter die Rückenhaut gespritzt, die Thiere
sorgfältig in feuchter Kammer erhalten und nach zwei
Tagen getödtet , fein zerkleinert und mit Aether ausge-
schüttelt. Der Aetherrückstand wird durch Eisen-
chlorid blau.
2. Einer größeren Anzahl von Fröschen (21) wird
Salicin wie vorher applicirt. Jedes Thier in ein hohes
Cylinderglas mit etwas Aq. destill, gebracht und nach
24 Stunden das Wasser mit Aether extrahirt. Aether-
rückstand wird durch Eisenchlorid blau und durch conc.
Schwefelsäure roth.
3. Salicin (0,5 in 15 CC. Kochsalzlösung von 0,5 %)
mit frischem Froschblute versetzt, gibt nach 24 Stunden
an Aether kein Spaltungsproduct ab.
Ebenso verhält sich eine wäßrige Salicinlösung gegen
Blut.
4. Eine gleiche Salicinlösung mit frischen Häuten
von Fröschen hingestellt. Nach 24 Stunden das Wasser
wie vorher bebandelt. Aethereztract ohne Beaction.
242
5. Eine gleiche Salicinlösung zu Wasser gesetzt,
•worin Frösche längere Zeit gelebt hatten. Nach 24
Stunden enthält dasselbe kein Salicinspaltangsproduct,
6. Sechs männliche Frösche entlebert und Mittags
12 Uhr am 29./11. 76 jedem subcutan 0,022 reines Sa-
licin in wäßriger Lösung unter die Rückenhaut gespritzt
und alle in Wasser gesetzt; nach 24 Stunden wird der
Aetherauszug des Wassers durch Eisenchlorid blau. Am
30./11. erhalten die Thiere wieder 0,022 Salicin und 24
Stunden später verhält sich das erneute Wasser wie das
erste. Am 2./ 12. wurden die Thiere decapitirt. Die
Section zeigt bei allen vollständig gelungene Exstirpation
der Leber.
7. Dasselbe Experiment an 8 männlichen Fröschen
am 6./ 12. wiederholt, nur mit dem Unterschied, daß das
Wasser die ersten 3 Tage jedesmal erneuert und jeden
Tag jedem Thier 0,29 Salicin injicirt wird. Vom 3. bis
5. Tage wird das Wasser nicht erneuert, dasselbe wird
dann am 6. Tage bei directem Zusatz von Eisenchlorid
violettblau. — Bei der Section zeigten mehrere Thiere
die Harnblase gefüllt, deren Inhalt durch Eisenchlorid
gebläut wurde.
8. Controlversuch : 8 Frösche mit Salicininjection
versehen und in Wasser gesetzt. Eine Probe des Was-
ser nach 24 Stunden zeigt nur im Aetherextract Blau-
färbung.; eine zweite nach 48 Stunden desgleichen. Nach
72 Stunden wird das Wasser auf directen Zusatz von
Eisenchlorid gebläut.
9. Acht Frösche gen. masc. entniert und mit Salicin-
lösung versehen. 28./12. — Jeden Tag wird die Ein-
spritzung wiederholt und das umgebende Wasser mit
Aether ausgezogen. Es zeigt während des ganzen Ver-
suches niemals eine Reaction auf Eisenchlorid. Am 2.
Januar sind 3 Thiere todt. Sie zeigen starkes Anasarca,
welches durch conc. Schwefelsäure roth und durch Ei-
senchlorid nicht gebläut wird. Die todten Thiere wer-
den fein zerkleinert und mit Aether extrahirt, der Aether
conservirt. Am 3./1- stirbt wieder ein Thier, dessen Ana-
sarca dasselbe Verhalten zeigt. Der Aetherauszug wird
mit dem gestrigen vereinigt. Am 4. starben die beiden
letzten Thiere. Die Anasarceflüssigkeit wird durch Ei-
senchlorid ganz schwach blau und mit conc. Schwefel-
säure roth. Der Aetherauszug der Thiere wird mit den
beiden früheren vereinigt , der Aether der freiwilligen
I
243
Verdanstang überlaesen, der Rückstand in Wasser aofge-
nommen, weil sehr trübe, filtrirt und das Filtrat noch-
mals mit Aether ausgeschüttelt. Der jetzt erhaltene
Bückstand wird durch Eisenchlorid blau. — Diese
Frösche hatten in 6—7 Tagen etwas Salicin zerspalt«n,
während bei normalen Thieren schon in 24 Stunden
die Zerlegung im Gange ist und mit jedem Tage mehr
Salicinderivate durch den Harn excernirt wird. Bei
entnierten Thieren enthielt das umgebende Wasser
niemals ein Spaltungsproduct , es wird also die Zerle-
gung höchst wahrscheinlich nicht durch die Hautdrüsen
besorgt.
Bei Fröschen wird Salicin nach subcutaner
Injection zerlegt; ziemlich rasch, wenn die Thiere
normal, ebenso rasch wenn die Thiere ohne Le-
ber existireu , dagegen sehr langsam und spär-
lich wenn die Nieren entfernt sind. Versuche,
welche an entleberten und zugleich entnierten
Thieren angestellt wurden, gaben kein entschei-
dendes Resultat, weil die Thiere schon am er-
sten Tage zu Grunde gingen. — Entmilzte
Frösche verhalten sich wie entleberte. Gleich-
zeitige Exstirpation von Leber und Milz wurde
nur 24 Stunden ertragen und Thiere, die dieser
Operation unterzogen worden waren, zersetzten
Salicin.
Nach allen bisher mitgetheilten Versuchen
erfährt das Salicin eine Zersetzung im Körper
von Carnivoren, Hunden und Katzen , wenn es
intern applicirt wird , während die Umsetzung
nach directer Injection in das Blut sehr spärlich
oder gar nicht zu Stande kommt. Nach subcu-
taner Injection von Salicin (0,5 — 1,0) ist sie
bei Hunden und Katzen gleichfalls fast null,
vielleicht weil hier das Salicin vollständig zur
Bildung der von Baumaun im Harn nachge-
wiesenen gepaarten schwefelsauren Salze ver-
wandt wird. Bei Fröschen dagegen wird sub-
cutan applicirtes Salicin zersetzt, allerdings viel
244
langsamer als bei Warmblütern , aber es wird
zersetzt selbst dann, wenn die Respiration si-
stirt , wenn die Leber und die Milz exstirpirt
sind. Nur sehr spärlich tritt Zersetzung ein,
wenn die beiden Nieren entfernt sind. Daß im
letzteren Falle die Operation an sich keine
Schuld an der Hemmung trägt, bewies das Ver-
halten zahlreicher, kastrirter Frösche.
Von der Ueberleguug ausgehend, daß viel-
leicht die Niere eine besondere Rolle bei der
Zersetzung des Salicins im Blute der Herbivoren
spiele, haben wir Durchströmungen von Nieren
frisch getödteter Ziegenlämmer mit defibrinirtem
salicinhaltigem , beständig auf 37,5° erhaltenem
Blute wiederholt angestellt und bis 10 Stunden
lang im Gange erhalten. In dem durch den
Ureter entleerten Harn haben wir niemals ein
Spaltungsproduct des Salicin nachweisen kön-
nen. Ebenso fielen gleich lang fortgesetzte
Durchströmungen von Katzen- und Hundenieren
mit saligeninhaltigem , defibrinirtem und auf
37,5o' erhaltenem Hunde- und Katzenblut voll-
ständig negativ aus. Die Stunden lang durch-
strömten Nieren zeigten unter dem Microscop
ganz normales Verhalten. Der zu diesen Durch-
strömungen benutzte Apparat ist aus der bei-
liegenden Zeichnung hinreichend verständlich.
(Siehe am Schluß).
Die Zersetzung des Salicin im Blute lebender
Herbivoren und die Oxydation des Saligenin im
Blute der Carnivoren kann nicht allein bedingt
sein durch die Function der Blutkörperchen.
Es muß jedenfalls noch etwas dazu kommen.
Der herkömmlichen Meinung nach', soll der
active Sauerstoff des Blutes das Salicin im Blute
von Thier und Mensch höher oxydiren. Be-
weise für die Richtigkeit dieser Hypothese feh-
i
245-
len gänzlich. Gorup Besanez hat Versuche
mitgetheilt , nach welchen das Saliciu außerhalb
des Körpers der Wochen laug fortgesetzten Ein-
wirkung des Ozon vollständig widersteht. Wir
haben ähnliche Versuche mit gleichem Resultate
wiederholt. Glücklicher dagegen waren wir bei
der Behandlung von Saligeniu mit Ozon. Das
von uns beobachtete Verfahren ist folgendes.
In einen kleinen beständig in Bewegung er-
haltenen Kolben , der mit reinem Salicin und
Petroleumäther ( worin ersteres unlöslich ) be-
schickt ist, wird Ozon geleitet. Das Ozon wurde
in einer B a b o' sehen Röhre *), die Herr Hofrath
Meißner die große Güte hatte mir anzufer-
tigen u. durch welche trockner, reiner Sauerstoff
strich , mittelst eines Fuukeninductors und 2
Grove's entwickelt. Nach 7 stündiger Einwir-
kung des Ozon wurden die blendend weißen Sa-
ligeninplättehen an den Rändern gelb und gelbe
Tropfen setzten sich an den Wänden ab. Diese
Tropfen reagirten sauer. Nun wurde der Pe-
troleumäther durch dest. Wasser ersetzt und der
Inhalt der Destillation unterworfen. Das trübe
Destillat roch characteristisch nach salicyliger
Säure und \vTirde durch Eisenchlorid gebläut.
Höhere Oxydationsstufen wurden auch durch
fortgesetzte Einwirkung von Ozon nicht ge-
wonnen.
1) G. Meissner, üntersachungen über den Saner-
stoff 1863. Tafel Figur 1.
(Fortsetzung in der Nummer 9).
246
Ueber das Verhältniß der linken Inter-
costalveueu zur Vena azygos.
Von
'Dr. A. V. Brunn.
Vorgelegt von J. Henle.
Das Verhältniß der Vena azygos zur V. he-
miazygos und den das Blut der linken oberen
Intercostalräume aufnehmenden Venen ist einer
von den Puncten, über welche die Angaben der
Handbücher am meisten auseinandergehen , so-
wohl in Bezug auf die Zahl der außer der He-
miazygos von links her in die Azygos tretenden
Venen, wie über die Vereinigungsstelle der bei-
den Hauptstämme.
So giebt Bock au , die Hemiazygos gehe bis
zum 7. oder 8. Brustwirbel und münde hier in
die Azygos; bisweilen trete sie mit 2 Zweigen
ein, immer aber sei sie durch kleine hinter der
Aorta, hin weglaufende Communicationsgänge mit
ihr verbunden. Von den übrigen linken Inter-
costalvenen treten die mittleren häufig zu einem
Stamm zusammen, der zur Azygos herabsteige,
die obersten gehen in die V. intercost. prima
und diese in die Subclavia. Hyrtl stellt als
Regel auf, daß die Hemiazygos bis zum 7.
oder 8. Brustwirbel aufsteige und dort in die
Azygos gehe, sowie daß die oberen Zwischen-
rippenvenen sich zu einem in die Hemiazygos
mündenden Stamm vereinigen.
Rüdinger läßt die beiden Hauptstämme sich
vor dem 8. Brustwirbel vereinigen , die linken
oberen Intercostalvenen gesondert in die Azygos
fließen und die obersten zu einem in die V.
anonyma gehenden Stämmchen zusammentreten.
247
Auch Luschka nennt den 8. Brustwirbel als
Mündungsstelle der Hemiazygos und sagt, die
oberen Intercostalvenen sammelten sich zu einem
bald dicht über der Hemiazygos in die Azygos
gehenden, bald mit ersterer sich verbindenden
Stämmchen.
Vor dem 8. — 9. Brustwirbel läßt Krause,
vor dem 7. — 9. Hollstein, vor dem 7. — 10. Hoff-
mann die Vereinigung erfolgen. Bezüglich der
übrigen linken Venen giebt Hollstein die Ver-
einigung zu einer Hemiazygos sup. oder access.
als Regel an und hält er das Vorkommen von
zwischen eigentlicher und accessorischer Hemia-
zygos direct in die Azygos eintretenden Venen
für Ausnahme, während die beiden anderen
1 — 3 isolirt eintretende Intercostalvenen für
die Norm erklären.
Nach Henle ist die Zahl der Verbindungs-
zweige verschieden. Selten ist es ein einziger,
gegen den sich der Strom im unteren Theil der
V. hemiazygos aufwärts , im oberen abwärts
wendet; häufiger sind es zwei, zwischen wel-
chen dann die Continuität des Stammes aufge-
hoben zu sein pflegt , so daß derselbe in ein
unteres Stück , die eigentliche V. hemiazygos
und ein oberes , V. hemiaz. access. , zerfällt.
Nicht minder häufig schaltet sich zwischen die
eigentliche und die accessorische V. hemiaz. ein
drittes transversales Stämmchen ein, zu welchem
zwei oder drei Vv. intercostales zusammentreten.
Es fehlt also offenbar an Material , um aus
den vielen Variationen , welche dieses Verhält-
niß darbietet, dasjenige herauszufinden, welches
die Regel bildet.
Mein Material sind bisher auch nur 54 Fälle ;
dasselbe hat aber bezüglich der Vereinigungs-
stelle der beiden Hauptstämme ein Resultat er-
248
geben , welches mit den meisten Angaben nicht
übereinstimmt und um deßwiJlen ich schon diese
wenigen Fälle veröffentliche.
Wie zu erwarten, zeigte sich nun zunächst
eine große Variabilität der Zahl der von links
in die V. azygos mündenden Venen. Es fanden
sich deren 1 bis 5, nämlich :
18mal 2,
14mal 3,
12mal 4,
6mal 1,
4mal 5,
sodaß man wohl mit Henle 2 — 3 Verbindungen
als das Häufigste ansehen muß. Jedenfalls ist
das von Hyrtl als Regel angenommene Ver-
hältniß die Ausnahme; ich fand in nur 6 Fällen
einen einzigen Zufluß von links. Unter ihnen
sind noch zwei, die von Hyrtls Norm abweichen,
indem hier einmal die 5 , das andremal sogar
die 8 obersten Intercostalvenen sich zu einem
aufwärts gehenden und direct in die Subclavia
mündenden Stamme sammeln.
Unter den 18 Fällen , in denen zwei von
links her kommende Venen in die V. azygos
münden, sind 9, bei denen die eigentliche und
accessorische Hemiazygos getrennt sind und dicht
über einander in die Azygos sich ergießen, die
erstere die unteren , die letztere die oberen In-
tercostalvenen aufnehmend. In den meisten (6)
Fällen anastomosirte die V. hemiaz. acc. durch
die V. intercost. supr. mit der V. subclavia, in
den übrigen ist diese Anastomose nicht vorhan-
den ; indem das Blut der 2 — 3 obersten Zwi-
schenrippenräume sich zu einem besonderen
Stämrachen, V. intercost. supr., sammelt.
In den 9 anderen Fällen dieser Abtheilung,
finden sich zwei parallele, die Brusthöhle durch-]
249
messende Stämme, die durch zwei Anastomoseu
yerbunden sind , Fälle , in denen also das bis
zur unteren Communication reichende Stück der
eigentlichen, das oberhalb der oberen gelegene
der accessorischen V. hemiaz. gleichzusetzen ist.
Von diesen Fällen hat einer das Besondere, daß
die beiden Anastomosen die Aorta ringförmig
umfassen, indem die eine vor, die andere hinter
derselben verläuft, während ja sonst alle hinter
der Aorta liegen. Anzusehen ist ein solches
Vorkommen, dessen auch Luschka gedenkt, wohl
als eine bedeutende Erweiterung einer der stets
vorhandenen Communicatiouen zwischen den aus
der Aortenwand kommenden und in die V. azy-
gos und hemiaz. gehenden Venen.
Die 14 Individuen, deren V. azygos drei Zu-
flüsse von Links erhält , zerfallen in mehrere
Kategorieen. 9mal findet sich das von Heule
als sehr häufig augegebeue Verhältniß, daß sich
zwischen die getrennt mündenden Vv. hemiaz.
und hemiaz. access. ein besonderes Stämmchen
einschaltet, welches das Blut aus 1 — 3 Inter-
costalräumen sammelt; auch in dreien von die-
sen erreicht die Hemiaz. access. den Anschluß
an die V. subcl. nicht durch Absonderung einer
Intercost. supr. In 2 anderen Fällen anasto-
mosirt der eingeschaltete Stamm mit der acces-
sorischen, in einem mit der eigentlichen V. he-
miaz., in 2 weiteren mit beiden, sodaß in diesen
letzteren ebenfalls zwei senkrechte durch die
ganze Länge der Brusthöhle gehende Stämme
a?t sind.
Die 12 Leichen mit 4 und die 4 mit 5 in
die Azygos eintretenden Venen zeigen so große
Verschiedenheiten des Verhaltens, daß sie sich
nicht anders als einzeln würden beschreiben
lassen und zu ihrer Classificiruug eine sehr viel
250
größere Anzahl von Fällen nöthig wäre. Die
Vier- und Fünfzahl der Zuflüsse kommt zu
Stande theils durch Einschaltung zweier oder
dreier Stämmchen zwischen Hemiaz. und Hemiaz.
access., welche dann wieder unter einander und
mit den Hauptstämmen anastomosiren können,
theils durch Erweiterung der zwischen der V.
azygos und den beiden linken Hauptstämmen
normal vorhandenen, hinter der Aorta gelegenen
feinen Verbindungen.
Bei Fällen der letzten Arten kann es na-
türlich schwer sein, zu entscheiden, welcher der
von Links kommenden Verbindungsäste die He-
miaz., welcher die Hemiaz. access. sei; in zwei-
felhaften Fällen habe ich stets die stärkste der
fraglichen Communicationen als Hemiaz. oder
Hemiaz. access. aufgefaßt.
Was nun die Einmündungsstelle der Hemiaz.
in die V. azygos betrifft, so lag dieselbe:
vor dem 6. Brustwirbel Imal
7.
3
8.
8
„ 9.
12
„ 9/10.1)
3
„ 10.
17
„10/11.
4
„ 11.
6
Daraus geht hervor, daß für meine 54 Fälle die
Angabe , vor dem 7. oder 8. Brustwirbel finde
in der Regel die Vereinigung statt (Bock, Hyrtl,
Luschka , ßüdiuger) , nicht zutreffend ist ; daß
in den meisten Fällen die Vereinigung vor dem
9. und 10. Brustwirbel gelegen ist.
Endlich führe ich noch au, daß unter jenen
1) Soll die Bandscheibe zwischen 9. und 10. Brust-
wirbel bezeichnen.
251
54 Fällen in 8 eine V. hemiaz. access. fehlt,
indem die Intercostalvenen bis zar 5ten oder
noch tiefer herab, sich zu einem zur V. sub-
clavia aufsteigenden Stamme sammeln.
Weitere Untersuchungen müssen über die
allgemeine Gültigkeit oder Ungültigkeit der an-
gegebenen Resultate entscheiden ; ich werde
diese Untersuchungen fortsetzen und namentlich
an der Hand größeren Materials versuchen, et-
waige Einflüsse , welche das Zustandekommen
der einen oder anderen Form begünstigen kön-
nen, aufzufinden.
Einige avestische Wörter undFormen.')
Von '
A. Bezzenberger.
1. Sechs avestische Monatsnamen.
Die Namen der sechs Gahanbärs sind trotz
der Bemühungen Burnoufs (Commentaire sur
le ya^na an verschiedeneu Stelleu), de Lagarde's
(Psalterium juxta Hebraeos Hierouymi , Lipsiae
1874, p. 161 f.) und anderer noch nicht be-
friedigend erklärt, weil bislang nicht erkannt ist,
daß, wie ich im folgenden zeigen will, in jenen
Namen Monatsnamen enthalten sind *). Die
1) Das Adjectivum >avesti8ch« , das besser als »alt-
baktrisch« oder >zendi8chf ist, brauche ich im AaschluB
•n Harlez's etades avestiques.
2) Ist das richtig, so sind die Aeußerungen J. Grimm's
2GDS.*79f. undF. Justi's im »Ausland« 1872 S. 124 we-
sentlich zu berichtigen.
252
Gahanbärs sind an verschiecjenen Stellen des
Avesta namhaft gemacht; ich beschränke mich
hier darauf, eine derselben anzuführen, Ya9na
1. 9 W. = 1. 26 fiF. Sp.: nivaedhayemi , hafi-
kärayemi yäiryaeibyo, ashahe ratubyo: maidhyö-
zaremyäi ^), ashaone ashahe rathwe; niv°, hank**
maidhyoshmäi 2) ^), ash^ asho rath"; niv°, hafik"
paitish'ahyäi*), ash*^ ash° rath"; niv°, hank° ayä-
threraäi ^)^), fraourvaestremäi varshni-harstäica ^),
ash" ash*' rath"; niv'', hank^' maidhyäiryäi , ash"
ash" rath^; niv°, hank° hama9pathmaidyäi '), ash°
ash^rath^; niv° hank° 9aredhaeiby6 ashahe ratubyo.
D. h.: ich übergebe, ich weihe [dieses Opfer]
den Genien der Jahreszeiten^), den Herren des
reinen : dem maidhyozaremya, dem reinen Herrn
des reinen, dem maidhyoshma, d. r. H. d. r.,
dem paitish'ahya, d. r. H. d. r., dem ayäthrema,
dem Förderer (?) ^) und Regenspender ^°) , d. r.
H. d. r. , dem maidhyäirya. d. r. H. d. r., dem
hama9pathmaidya, d. r. H. d. r. ; den Jahres-
genien, den Herren des reinen.
Die Namen der Genien der Jahreszeiten oder
1) Sp. : maidhyo. zaremayäi, var. maidhyo. zaremyäi,
maidhyoizaremayäi, maidhyoi. zaramayäi.
2) »These two words are as often written maidhyö-
shema and ayathrima botb in K5 and in tbe otker oopies«
Westerg.
8) Sp.: maidhyoshemäi, var. maidhyoshmäi, maidhyoi-
semäi.
4) Sp. : paitis. hahyäi. W
6) Sp. var. : ayätbrimäi, yä. thramäi. ■
6) Sp.: varshni. harstaica.
7) Sp.: hama^pathmaedhayäi.
8) Nicht »den Jahresgenien«, dieß sind die garedha.
9) Wohl eher dem »Vollender«, »Beendiger« sc. des
Sommers und der Feldarbeit.
10) Statt varshni-harstdi leseich varsh-niharatäi^DtX.
Sg. von varsh-niharsta »Regen -ausgießend«. Zu varshr
s= varsha- vgl. drmaUi = arümati.
253
— es läuft das auf dasselbe hiuans — ihrer
Feste, der Gabanbars siud also (ich gebe die
Namen in der mir richtig scheinenden Form):
maiähyozaremya, maidhyoshema, paitish'ahya, ayä-
tlirema , niaid/iydirya , hamarpathtmudya. Diese
Namen zerfallen formell in zwei Gruppen, in-
dem drei von ihnen übereinstimmend und im
Gegensatz zu den drei anderen mit maidhya-
(maidhyo-) beginnen; ebenso zerfallen die sechs
Gabanbars in zwei Gruppen indem drei von
ihnen einst je in der Mitte eines Monats ge-
feiert wurden, die drei anderen aber nicht; vgl.
Anquetil bei Burnouf Comm. p. 297 ff., ßunde-
hesh ed. Justi Kap. 25 , Hyde bist, relig. vet.
Persarum p. 164 tf. , Justi W beb. s. vv., Spiegel
Av. Uebers. II. C, 4, VuUers Fragmente über d.
Religion d. Zoroaster S. 23 f. , West Mainyo-i-
khard Glossary p. 81 f. ^). Da beide Gruppen
zusammenfallen, da die Gabanbars, deren Namen
mit maidhya- (maidhyo-) beginnen, eben die-
jenigen siud, die je in die Mitte eines Monats
fallen, da maidhya- »Mittler, Mitte« bedeutet
und da Composita, deren erstes Glied maidhya-
ist, bedeuten können »die Mitte von — < (sc.
dem durch das zweite Compositionsgliede ausge-
sagten, vgl. skr. madhyähna, madhyavxtta, madh-
yajihva), so ergiebt sich mit zwingender Noth-
weudigkeit, daß zwischeu jener sachlichen und
jener sprachlichen Unterscheidung ein Zusam-
menhang besteht, daß maidhyOzaremya^ viaidh-
1) Maidhyozaremya fiel auf d. 11. — 15. Ardibehesht
(April), maidhyoshema auf dieselben Tage des Tir (Juni),
nuüdbyairya auf d. 16. — 20. des Des (December) oder
Bebmen (Januar), paitish'ahya auf d. 26.— 30. Schahriver
(August), ayathrema auf dieselben Tage des Mithra (Sep-
tember), hamagpathmaedya endlich fiel auf die fünf Schalt-
tage am Ende des Espendermad (Februar).
21
254
yöshema mid maidhymrya ebendeshalb ^a^ Wort.
Lidhya enthalten, weil man sie J^.^^^f/Xr
eines Monats feierte. Ebenso zwingend aber
wie dieser Schlnß, ist der weitere, daß m den
IhlSeilen dieser drei Namen Mona^namen
stecken. Sachliche oder sprachliche Schwierig-
keTten reten dieser Folgerung nicht entgegen ;
denn es ist keine Schwierigkeit, daß -.amnya
(in maidhydmremya) in ^er Bedeutung >>Fruhlin^^^^^
vorkommt (Hang 18. Kap. d Vendid. m d. Sitzungs
her. d. Bayer. Akad. 1868, IL 534) und daß m
maidJiydshema, das nach Analogie von matdh-
yöshad zu erklären ist, das Wort ^«^^f«^;
mer« steckt, da mremya, hania ja außer ihren
allgemeineren Bedeutungen sehr wohl auch die
specielleren .Frühlingsmonat« ^), >> Sommermonat <<
gehabt haben können. - Da also die Ansicht,
daß in den Schlußtheilen von maidhyozarcmya,
maidhyöshema und mai(?%mnya Monatsnamen ent-
halten sind, logisch geboten und sach ich wie
sprachlich unbedenklich ist, so liegt aller (.rund
vor, sie festzuhalten und weiter zu verfolgen,
zumal da die die Datirung der Gahanbars betreffende
Ueberlieferung, auf welche ich o. Bezug nahm,
nur dann aufrecht erhalten werden kann, wenn
man diese Ansicht annimmt; ]ede von ihr ab-
weichende Auffassung von nmdhyomremya u.
n Der M&hyasht enthält eine deutliche Anspielung
auf de zVölf Monate, vgl. (Yt. 7. 5): yazäi inaonhem
gaocithrem, baghem 1) raevantem 2) q"«"-"ba"tem ^
afnai.haStem 4) tafnarihantem 5) varecat.hantem 6) khsta
vSem TUstivantem 8) yaokhstivantem 9) ^aokavantem
IS z^rimyävantem ll)\ohvävantem 12) baghem ba^ha-
z?i Sicherweise bezieht sich hjer -»-3;«'^;»^
auf den von mir angenommenen .Fruhhngsmonat« , den
zaremya (= zairimya).
255
s. w. ') muß sich nothwendig von vornherein
über jene Ueberlieferuug hinwegsetzen.
Waren bei der Benennung von dreien der
sechs Gahanbärs Rücksichten auf die Monate
maßgebend, in welchen sie gefeiert wurden, so
wird das wohl überhaupt der Fall gewesen sein,
und ich trage kein Bedenken, paitish'ahya, ayä-
threma und hama^mthmacdya für Monatsnamen
zu erklären. Da aber, wie wir aus der ange-
führten Stelle wissen, dieselben Namen zugleich
Genien der Jahreszeiten und — was jene Stelle
allerdings nicht sagt, aber zur Genüge bekannt
ist — ihrer Feste bezeichnen, so könnte Jemand
einwenden, es sei nicht wahrscheinlich, daß die-
selben Namen in so verschiedener Bedeutung
gebraucht seien. Indessen dieß kommt vor ; ich
erinnere an das, was ich oben über -zarcmya
und -(s)hema zu bemerken hatte , und ferner
u. a. daran, daß der Niederdeutsche sein Maifest
kurzweg als »Mei« bezeichnet (Schiller u. Lübben
mndd. Wbch. III. 57) und daß Walther von der
Vogelweide einen >her Meie« kennt (46. 30
Lachni.). Um zu leugnen, daß in paitish'ahya
u. s. w. Monatsnamen vorliegen, müste man vor-
her leugnen, daß solche in maidhyozaremya u.
8. w. enthalten sind; wie willkürlich dieß sein
würde, habe ich oben schon angedeutet und be-
darf keiner Ausführung.
Es erübrigt noch, die Namen maidhydirya
(er fiel in den December oder den Januar, die An-
gaben schwanken hier), paitish'ahya (= August),
1) Eine solche trägt Haug Essays p. 173 vor; ich
verstehe weder, wie Haug zu seinen Erklärungen von
maidhyozaremya als »niid-8umnier< , maidhyd-shema als
»mid-winter< , maidhyäirya »the middle of the year« u.
B. w. gekommen ist, noch wie er sie hätte begründen
können.
21*
256
ayäthrenia (= September) und hamagpathmaedya
(= Februar) zu erklären, soweit es möglich ist ;
maidhyözaremya (April) und maidhyöshema
(Juni) sind schon oben erklärt worden. —
Den Namen 7}iaidhyäirya weiß ich hinsichtlich
seines Schlußbestandtheiles nicht befriedigend zu
erklären; daß derselbe, wie Justi annimmt,
yäirya sei , ist nicht ganz sicher. — Paitish'aJiya
erkläre ich als »Herr des Getreides« (vgl. den
skr. Namen des Schaltmonates amhasaspati
Weber ind. Stud. I. 88), indem ich paitis als
Nom. Sg. von ^jmYi »Herr« betrachte (wegen der
"Verwendung des Nom. Sg. als erstes Compositions-
glied s. Vf. Kbeitr. 8. 363, hinsichtlich der in-
vertirten Stellung der Compositionsglieder vgl.
u. a. Justi Gram. §.399, Vf. ZGLS. SS. 106 if.,
852). — Ayäthrenia ist gebildet wie aiivigridhrmna
»das Lauschen«^); es gehört zu a-yä und heißt
»Heimkehr« (vgl. skr. ä-gam »zurückkehren«),
der September ist also darnach benannt, daß in
ihm die Arbeiter, die Senner, die Hirten und
Heerden beim Herannahen der kälteren Jahres-
zeit in ihre vi9 zurückkehrten (vgl. Vend. 2. 22
W. in der Uebersetzung Haugs, Ess. S. 204, dem
1) Die Tageszeit von Mittag bis zum Eintreten der
Dämmerung heißt rapithwina »die Zeit, in der das Essen
zur Hand ist« (vgl. ar^mpitu, arhn = skr. «ram; s. Fick
Wbch.^ I. 874) ; der ursprünglich nur dem Beginn des
Nachmittags zukommende Name ist also auf den ganzen
Nachmittag ausgedehnt. So mag auch aiwicrdthrema,
der Name der Tageszeit vom Erscheinen der Sterne bis
Mitternacht, ursprünglich nur der Name des ersten Theiles
derselben gewesen sein ; dieß aber ist die Zeit des Lau-
schens auf Rede und Erzählung, wie sie auch Homer
schildert: digt] /uty noXioyv juv&(oy X. 879. — Was Bumouf
Comm. p. 257 f. über aiwigrüthrema lehrt, ist alles »tire
d'un peu trop loin« , ebenso das, was de Lagarde Beitr.
Z. baktr. Lexikographie p. 7 über rapithwina vorträgt.
257
Hübschmanu ZDMG. 28. 82 f. folgt). Möglich
wäre es zwar auch, daß ayäthrema »Umkehr«
hieße, denu mit dem September, dem siebenten
Monat des parsischen Jahres, beginnt die zweite
Hälfte des Jahres, mit seinem Beginn wendet
sich also das Jahr zu seinem Ausgangspunkte
zurück. Ich ziehe indessen die erste Erklärung
vor; zu ayd^Ä/ema »Heimkehr« stimmt aitcigäma
»das Znsammenkommen, sich Nähern«, der Name
des Winters (vgl. skr. abhi-gam »herbeikommen,
sich nähern, kommen zu«). — HamaQiathmaedya
enthält zunächst, wie mir scheint, den Genit. Sg.
von ham = hania »Sommer«^), ferner das Wort
patknia (Y. 46. 4 W.), das ich mit Haug nnd
Harlez durch »Weg, Pfad« übersetze; über den
letzten Bestandtheil des W^ortes weiß ich nichts
■sicheres vorzubringen, er muß »frei machend,
öffnend« bedeutet haben ^). Denn der hamaQ-
pathnaedya ist der letzte der winterlichen Mo-
nate, die den Sommer^) verdrängt haben und
seine Rückkehr hindern, erst der Februar giebt
ihm die Bahn frei.
1) Vom Stamme ham sind im Av. der Genit. hämo
und der Instr. hama nachzuweisen ; vgl. skr. aishdma».
2) Erwähnt mag werden, daß nach Geldner Metrik
des jung. Avesta §. 2 Yt. 13. 49 der Acc. Sg. hamacpath-
matdayam zu lesen ist. Diese Form ist aber vermuthlich
erst aus hamacpathmaedyam entstanden, vgl. acpaem Yt.
14. 31 (von acpi/a = sfa:. devi/a).
3) Der Sommer steht im Avesta als eine Hälfte des
Jahres dem Winter gegenüber, s. Justi s. v. hama. —
Der Verfasser der Glosse zu Vend. 1. 4 W. (hapta henti
hSmino mäonha, panca zayana askare) wies dem Sommer
sieben, dem Winter fünf Monate zu; in derselben Weise
hätte Dirghatamäs die Monate eingetheilt, wenn sich wirk-
lich, wie Graßmann üebers. II. 457 vermuthete, pänca-
pddajn rv. 164. 12 auf die fünf feuchten, saptdcakre auf
die Bieben trocknen Monate bezöge. Diese Vermuthung
258
Ick knüpfe hieran einige naheliegende Be-
merkungen an. Daß das Volk , in dem das
Avesta entstand , sechs Jahreszeiten hatte , wie
zum Theil die Inder (Weber ind. Stud. 1. 88),
geht klar daraus hervor, daß es sechs Jahres-
zeitenfeste hatte ; daß auch bei ihm , wie z. B.
bei den Indern und Germanen, je zwei Monate
zu einem Paar verbunden und mit gemeinsamen
Namen benannt seien, ist möglich, aber nicht
beweisbar. Was für die Eintheilung des Jahres
in sechs Theile maßgebend war, ob klimatische,
astronomische oder politische Gründe, und ob
zwischen jener Eintheilung und der Eintheilung
der das karshvare qaniratha umgebenden Erde in
sechs Theile ein Zusammenhang besteht, wage ich
nicht zu entscheiden (vgl. Spiegel ZDMG, 6. 75,
Bundehesh Kap. 11, 12, aber auch Kap. 5).
Spiegel Av. Uebers. IL XCVIII sagt, es lasse
sich nicht bestimmt angeben, wie alt die par-
sischen Monatsnamen seien. Es scheint mir
nicht zweifelhaft zu sein, daß mehrere derselben
älter sind, als Darius, denn in dem ätriyäd^iya
der großen Inschrift von Behistän (I. 89, III. 18)
ist der spätere Mar (November) nicht zu ver-
kennen (Benfey Keilins. S. 75); ferner sind zwei
jener Namen, wenn auch nicht selbst, so doch
in synonymen Wörtern nachzuweisen , ich
meine die Monatsnamen hägmjäd^i (Beh. I. 55)
und viyakhna (Beh. I. 37, III. 67). Von ihnen
scheint mir der erstere dem späteren dai (De-
cember) = av. dadhväo zu entsprechen , denn
dadhväo ist im Avesta Bezeichnung des Ormezd,
der in den apers. Keilinschriften als der größte
ist aber unsicher, s. Haug Sitzungsber. d. Münoh. Akad.
phil.-phil Cl. 1876 II. 3. S. 22 des Separatabdruoks.
259
der haga bezeichnet wird und als haga xat
£|oxjyV aufgefaßt werden kann. So laufen dai,
der dem Ormezd heilige Monat, und bägayäd^i
der Monat, in welchem baga verehrt wird, sach-
lich auf dasselbe hinaus*). V^iyakhna ferner
muß, wie mir scheint auf den Monat mihr
(September) bezogen werden; vyukhna ist im
Avesta öfters als Epitheton Mithras verwendet
(Windischmann Abhandlungen f. d. Kunde d.
Morgenlandes I. 29). Zu Gunsten dieser etymo-
logischen Bestimmung der apers. Monatsnamen
bägayäd^i und viyaJchna sollen gleich sachliche
Gründe angeführt werden, vorher aber hebe ich
noch hervor, daß der Monat garmapada »Fuß
= Anfang der Wärme«, wenn wir uns von der
Etymologie leiten lassen, nur als »Mai« aufge-
faßt werden kann und so dem np. gherma-apzhäi
entsprechen würde (Benfey Keilins. S. 80, Ben-
fey und Stern Monatsnamen S. 130, Hyde a. a.
0. p. 197). Zwischen gherma-apzhäi und dai
liegen sechs Monate ; ebenso viele müssen zwi-
schen gannapada und bdgayäd'^i gelegen haben,
denn Gaumäta - Bard'iya trat am 9. Garmapada
seine Herrschaft an und wurde am 10. Bägayäd'i
getödtet*), seine Regierungszeit umfaßte aber
nach den Angaben des Herodot und des Ktesias ^)
1) Spiegel ap. Keilins S. 211 wendet gegen die im
Text angenommene Erklärung von bägayd^i >die Länge
des a in haga«. ein. Indessen dieser Einwand ist doch
nicht kräftig genug, um dieselbe zu' widerlegen, Bä-
gaydd'i verhält sich zu baga, wie ^vf^uöfi? zu ayfuog.
2) Garmapadahya mähyä IX raucabis tbakata aha,
avathä khsatram agarbäyatä I. 11 (42 — 43); Bägayadais
mähyä X raucabis thakatä aha, avathä adam hadä kama-
naibis martiyaibis avam Gaunnätam tyam Mag' um aväja-
nam I. 13 (55 — 57).
3) — anriunxi Ka/jßvfftjy lov Kvqov,' ßaatkfvaayra ftiv
Xtt näyjtt tniu hia xai /a^yas nivu Her. 3. 66, 6 di d>j
260
auf welche bereits Oppert Journ. as. IV serie t.
17 pag. 383 f. hingewieseil hat, etwa sieben
Monate — folglich steht der obigen Bestimmung
der Monatsnamen Garmapada und Bägayäd'i
nichts im Wege, sie stimmt vielmehr zu den
historischen Thatsachen auf das Beste, die wir
auf folgende Weise zusammenstellen dürfen: am
9. Garmapada warf sich Gaumäta zum Herrscher
auf — auf die Kunde hiervon brach Kambuj'iya
gegen jenen auf und starb unterwegs gegen
Ende des Garmapada (nachdem er sieben Jahre
und fünf Monate regiert hatte) — Gaumäta
herrschte die folgenden sechs Monate — im An-
fange des siebenten der auf den Garmapada fol-
genden Monate, oder, wenn wir diesen als den
ersten Monat der Regierung des Gaumäta be-
trachten, im Anfange des achten Monats der-
selben zettelte Utäna seine Verschwörung au,
durch die Gaumäta am 10. Bägayäd'i gestürzt
wurde.
Die Annahme, daß der Monat viyalihna dem
mihr entspreche , läßt sich nicht in gleichem
Grade wahrscheinlich machen, aber es läßt sich
zu ihren Gunsten doch ein Umstand anführen:
Gaumäta hat seinen Aufstand gewiß nicht plan-
los, nicht am ersten, besten Tage begonnen,
sondern er hat ihn sicher zu einer Zeit erhoben,
in der er am meisten Aussicht hatte zu reussiren,
also wahrscheinlich vor einem der großen Feste,
vor dem Nauroz- oder dem Mithrafest, weil da
seine Gegner durch Vorbereitungen zu ihren
fiäyog rtXivTi^aayng Kafißvetoi adtaq ißctaiXtvas, Inißa-
Tti'wy Tov ofiüivvfxov J£fif()dioe lovKvgov, ^r,vttg ima nvs
inikoinovs Ka/xßvajj fs in oxiw hin r^f ilriQiöOios das.
67 , oydücp dt jutjvt iyivin xnmdtjloq iporr^o TOKodf das.
(o juayos — ) f/uä)(no , xat riXos xaTctXfyrtj&tis vno ■tüiv
tniri. unif^avf, ßaatltvaae /tt^ya^ inrn Ktcs. de reb. pers. 14.
261
Feierlichkeiten in Anspruch genommen waren
und weil er nach ihrer Ueberrumpeluug das
Volk, das sich zur Feier jeuer Feste vereinigt
hatte, eben deshalb leichter in größeren Massen
für sich gewinnen konnte , als dieß zu anderen
Zeiten des Jahres möglich war. Das Mithrafest
aber mußte, weil es in den Herbst fallt, dem
Gaumäta für seine Zwecke geeigneter scheinen,
als das in das Frühfahr fallende Naurozfest,
schon deshalb, weil der bald nach dem Mithra-
fest beginnende Winter ihn einigermaßen vor
einem baldigen Angriff des Kainbufija sicherte.
Das Mithrafest nun beginnt am 16. Mihr, also
wenn meine Bestimmung des v*iyakhna richtig
ist, zwei Tage nach dem Tage, au welchem
nach dier Inschrift von Behistän Gaumäta seinen
Aufstand begann ^). — Worauf sich die dieser
Annahme widersprechende Behauptung Dnnckers
(Gesch. d. Alterthums 4. S. 441) »Gaumäta er-
reichte es, sich zwei, drei Monate nach seinem
Auftreten die Krone förmlich aufsetzen zu kön-
nen« stützt, weiß ich nicht.
üeber den Rest der uns bekannten alt-
persischen Monatsnamen läßt sich wenig sagen.
Daß andmaJca = skr. anämaka als Schaltmonat
aufzufassen sei , haben schon andere bemerkt
oder angedeutet (z. B. Mordtniann ZDMG. 24. 9,
Kossowicz inscr. pal.-pers. glos. p. 6); va ad'nkani
ist *ad'?< *Weg, Pfad« (adhtvan und adhu, Nom.
PL adhavo Yt. 8. 29) enthalten. Es erinnert da-
durch an av. hamaepathmaedya.
2. Vididhväo, Iceredushd.
Das erste der in der üeberschrift genannten
Worte wird von Justi ohne Erklärung der Form
l) V'iyakhnahya mähyä XIV raucabis thakatä äba^
yadMy udapalalä Beb. I. U (37 - 3S).
262
zu vid »wissen, kennen« gestellt und mit »ge-
lehrig« übersetzt ; Spiegel Comm. II. 624 über-
setzt es mit »ausschauend« und leitet es von di
»sehen« ab, was mir grammatisch unmöglich
zu sein scheint vgl. cUiyusatca, pipyüsMm, hi-
tviväo. Die Form keredushä nimmt Justi für
»partic. plur. nom.« von Jcar und übersetzt sie
»die wirkenden«; Spiegel comm. II. 209 hält
sie für »eine Weiterbildung aus einem Adjectiv
Jcereäus« — eine Erklärung, die der Erklärung
ausweicht; Hang Gäth. I. 80 will keredushä zu
ved. Jcr'tvas stellen, was weder lautlich noch
begrifflich angeht. Einen Schritt weiter, als die
Genannten, ist Alf. Ludwig Inf. i. Veda S. 60
gegangen, welcher die Zusammengehörigeit der
Formen vididhväo und keredushä mit einander
und mit ved. mtdhväms erkannte, worin ich ihm
durchaus beistimme, während ich dem, was er
zur Erklärung jener Formen vorbringt, durch-
aus nicht beitreten kann, denn daß das Suffix
des Part. Ferf. Act. einen anlautenden Dental
eingebüßt habe, ist eine völlig haltlose Behaup-
tung, welche durch einen Hinweis auf XsXstx-
liiöt- nicht im entferntesten bewiesen wird, zumal
da neben demselben XixiKxm und Xtxfid^m liegen ;
oder sollen diese aus X^xtpäat und XiXTpdiui ent-
standen sein?
Betrachten wir nun die Stellen, an denen
vididhväo und keredushä vorkommen ! Vididhväo
findet sich Yt. 14. 13: yo histaiti vididhväo,
yatha gägta hamo-khshathrö ; man kann dieß
übersetzen : er steht wissend, wie [ihn] der Herr
belehrte, oder: er steht, wie der Herr befahl,
verständig. Hinsichtlich der Bedeutung von
vididhväo laufen beide Uebersetzungen auf das-
selbe hinaus , beide lassen vididhväo als gleich-
bedeutend mit vidhväo erscheinen. — Keredushä
263
lesen wir ¥911. 29. 3: hätäm hvo aojisto, yah-
mäi zaveng jima keredushä. Ich übersetze dieß,
indem ich yahmäi von jimä (I. Sg. Praes.) und
zaveng von lercdushä abhängen lasse und indem
ich keredushä als dativisch gebrauchten Instru-
mental auf yahmäi beziehe (vgl. Hübschmann
z. Casuslehre SS. 221 f., 265 f.): unter denen,
die sind, ist er der mächtigste, zu dem ich
komme, sobald er gerufen hat (= den Ruf ge-
macht hat). Zu dem Plur. zaveng vgl. rv. I.
122. 6: 9rutäm me miträvarnnä hävenia'. —
Keredushä ist also Instrura. Sg. und zwar, wie
Justi richtig erkannt hat, eines Part. Praet, von
kar »machen«; sein Nom. Sg. Msc. würde keredh-
väo lauten.
Erklären wir vididhväo und keredhväo für
präteritale Participalformeu von vid und kar
und sehen wir uns nach einer Erklärung der-
selben um , so scheint eine solche sehr nahe zu
liegen , sobald wir uns an z. B. lit. Vip-davau,
l)p-dave^s, rq)-davusi, gelbe-dav^^, gelbe-davusi und
überhaupt an die Formen erinnern, die man als
»schwache Praeterita« zu bezeichnen pflegt, wie
ferner gt. sknlda, nasida. Diese beiden Formen ver-
halten sich genau so zueinander, wie av. keredh-
väo zu vididhväo; keredhväo beruht wie skulda
auf der Wurzel, dagegen vididhväo wie tiasida
auf einem abgeleiteten Verbalstamm (vidi bez.
vidya. vidaija), der auch in skr. viditd »kennen
gelernt, gekannt, bekannt« erscheint. Ich er-
kenne also in kere- und r?V7?- Verbalstämme ; ob
nun aber keredhväo und vididhväo Participien
einer dem schwachen Praeteritum der europäi-
schen Sprachen unmittelbar gleichstehenden Form
sind, ob in ihnen also Zusammensetzungen von
kere-, vidi- mit -dhväo, dem Part. Perf. von da
264
vorliegen ^) — diese Frage wage ich nicht zu ent-
scheiden. Ein entscheidender Grund spricht gegen
eine derartige Annahme freilich nicht {vididhväo
würde sie neben vidväo stellen, wie got. gaggida
neben an. gehh^ as. geng^ ahd. henc)^ aber sie ist
unsicher, denn es besteht die Möglichkeit, daß
Jceredhväo und vididhväo unreduplicirte Part. Perf.
der Verbalthemen ^liered, *vidid sind, die aus
*Jceredä, *vididä verkürzt und durch Composition
von liere, vidi mit da entstanden sein würden (vgl.
gnäd neben fwa^). Gegen die letztere Erklärung
könnte eingewendet werden, daß man von dem
mehrsilbigen Verbalthema *vidid ein periphrasti-
sches Praeteritum zu erwarten habe ; dieser Ein-
wand würde jedoch gegenüber iririthare , irtri~
thushäm und dem freilich zweifelhaftem urürudh-
usa (Geldner Metrik. S. 42 §. 56, Spiegel Comm.
II. 112) wenig gewichtig zu sein. Zu Gunsten der
letzteren Erklärung aber spricht die von Benfey
Gott. Nachr. 1874 S. 370 aufgestellte Erklärung
von ved. miähväms , das meines Erachtens von
Jceredushä und vihidhväo formell nicht zu trennen
ist; seine verbale Basis hat sich im Sanskrit
leider nicht enthalten.
Eine Entscheidung unter den hier aufge-
stellten Erklärungen von vididhväo und Jceredushä
. l) -dhväo kann aus -dadhväo verkürzt sein , vgl.
yaozhdäiti neben yaozhdadhäiti oder — wo freilich nicht
eine Reduplicationssilbe geschwunden ist — got. tavidu]^
Mat. 25. 45, ahd. neritumes neben got. tavidedu^, nasi-
dedum. — Ob -(ZAwa'o Part. Perf. von da = skr. dhd, oder
von da = skr. dd ist, läßt sich nicht entscheiden, vgl.
skr. ndma dhd: ndma dd, gr. ntQ-^u) : lat. per-do, skr.
crad-dhd: lat. cre{d)-do, [got. shul-da: mah-ta'^7].
2) Andere Verba der Art hat Benfey »Jubeo und
seine Verwandte« S. 22 ff. besprochen Ein besondere
interessantes ist das ved. i'd , das bislang nicht bestimmt
genug erklärt ist (einige Andeutungen finden sich in ßen-
feys Glossar z. Sämaveda): es ist aus yaj-dä entstanden,
I
,
265
kaun ich zur Zeit nicht trefifen ; ich bin zufrie-
den, wenn es mir gelungen ist; diese schwierigen
Formen ihrer Erklärung etwas näher zu bringen.
8. Khshännienc.
Va9na 29.9 findet sich das Wort klishämmne:
atcä geus urvä ra09tä ye anaeshem khshäumene ^)
rädem | väcim ueres a^ürahyä yem ä va^emi
ishä-khshathrem. Die Uebersetzung dieser Stelle
hängt wesentlich von hhslmnmh^e ab, das Spiegel
Comm. II. 215 an skr. ksham »ertragen« an-
schließt, während Haug Gath I. 88 es aus einer
reduplicirten Form der Wurzel hmi = san »spen-
den« erklärt und Justi es zweifelnd von Ihshan
»bauen, verwunden« ableitet. Harlez endlich
(Av. II. 107) übersetzt die obige Stelle : malheu-
reux qui n'ai obtenu qu'un don sans valeur, la
voix d'un horame faible u. s. w. — Im Folgenden
sollen drei dem für khshännu-ne vorauszusetzen-
den Stamme khshänman etymologisch entspre-
chende Stämme nachgewiesen werden ; ob einer
voD ihnen in khshätwienc anzunehmen ist, muß
ich der Entscheidung der iranischen Philologen
überlassen.
Ich habe Gott. gel. Auz. 1878 S. 201 darauf
hingewiesen, daß sich der Vorschlag eines Gut-
turals vor einem Sibilanten nicht nur in den
slavoletti sehen Sprachen findet, sondern auch
sonst , speciell in der Sprache des Avesta und
ich füge zu den a. a. 0. gegebenen Beispielen
was sich freilich nnr durch den Gebrauch des Wortes be-
weisen läßt. Ich nenne diese Verbum >besonders interes-
sant« aus phonologischen Gründen, die jeder Kundige so-
fort erkennet! wird.
1) Dazu die Varianten khshnänmene (W.), khshXnnm-
ne, khs^in . mene , khsnän.mene, khsnänmene, khsnän-
maini (Sp.).
266
noch av. Jchshnu »kennen« hinzu, das nach mei-
ner Meinung zu got. snutrs gehört, was ich bei
anderer Gelegenheit ausführen werde, sowie
thwarekhstar und mareJchstar , die direct von
thwareg, *mars abgeleitet sein werden. Nehmen
wir au, daß auch in Jchshämnene der Guttural
phonetisch entstanden und etymologisch ohne
Werth sei, so kommen wir zu einer Form
*sänmene; sie erhält weiter Licht, wenn wir
vergleichen : frayänmaln (Var. frayan. mabi Sp.
W., frayanmahi W. , fryan. mahl, fryänmahi
Sp.) Ya9. 38. 4 (12 Sp.), hvänmaJiicä (var. hvan.
mahecä W.) Y. 35. 5 (14 Sp.) äfr. 1. 6. Diese
Formen sind, wie ich im Gegensatz zu Alf.
Ludwig Inf. i. Veda S. 101 annehme , sehr un-
ursprünglich und aus frayämaht , hvä'inalii{cä),
weiter aus fr ayäniaM., 7wama/w entstanden, indem
zunächst nach der Regel ä vor dem ihm folgen-
den Nasal zu ä wurde (analoges ZGLS. S. 43 f.)
und weiter änm für dm eintrat, wobei es un-
entschieden bleiben muß, ob änm nur als gra-
phischer Vertreter von am aufzufassen ist (vrgl.
altlit. Tiewunmp ZGLS. S. 78 Anm. 3), oder ob
änm eine echte phonetische Verwandlung von
am repräseutirt. Daß die gegebene Erklärung '
von frayanmahi und hvänmahi nicht nur zuläs-
sig, sondern geradezu geboten ist, lehrt dänmahi
Y. 68. 1 {dämahi 67. 1 Sp. ; Var. daumahe, dan-
mahe W.), das nichts anderes als dämahi = dä-
mahi sein kann , wiewohl Justi aus ihm eine
Wurzel dän erschließt. — Nach Analogie von
dänmahi ist vielleicht auch dumnan »Nebel, Dunst«,
das Justi zu skr. dhüniä stellt, zu beurtheilen,
es kann jedoch auch mit dvänman »Gewölk«
zu skr. dhvan sich verhüllen, dhvänta »dunkel,
Finsterniß« gehören.
Wendet man das Gesagte nun auf *sa,nmme
267
= WisJiänmcnr an, so muß dasselbe auf *sdnmie
zurückgeführt werden, und diese Form ist deut-
lich Dat. Sg. eines Stammes suman, den wir drei-
mal im Sanskrit finden (sä'vian) mit den Be-
deutungen 1) Gesang 2) Erwerb, Besitz, Reich-
thum, Fülle 3) gute, beschwichtigende Worte,
Milde, freundliches Entgegenkommen.
4. Brighu, dregiaüt^ dritvi.
Die Wörter drighu (daregbu, drigu, dregu, fem.
drivi) »arm«, dregvailt »schlechte, dritcl »Bettel« ^?)
\Tg\. driuika »Armnth« gehören offenbar zusam-
men, aber weder ihre Etymologie noch das ge-
genseitige Verhältniß ihrer Laute ist in das
Reine gebracht. Ohne das Letztere hier aus-
führlich besprechen zu wollen bemerke ich nur,
daß das Verhältniß von driici zu drighu nicht
ohne Weiteres mit dem von lat. levis zu skr.
laghü verglichen werden darf (Windischmann
Mithra p, 43, Spiegel Comment. IL 119), weil
av. w dem lat. v nicht correspondirt. — Was
die Etymologie von drighu u. s. w. anlaugt, so
ist sie unschwer zu erkennen , vrgl. lit. dirgstu
{]/ dirg) »zu nichte werden, versagen«, sudirgstu
»schwach, elend werden Tvon Menschen und
Thieren); abnehmen, herunterkommen; schlecht
unangenehm, ungünstig werden (vom Wetter)«.
5. Häidhista.
Das Wort häidhista Yt. 12. 8 (atbista , häi-
dhista, jaghnista, na9ista täyümca hazarihanem-
ca u. s. w.) wird von Justi dufch »am meisten
tötend«, von Spiegel durch »bewaffnet« über-
setzt; beide Uebersetzungen sind rein conjec-
tural, weder etymologisch, noch philologisch hin-
reichend gestützt. Ich glaube aus der erwähnten
auf Rashnu bezüglichen Stelle schließen zu sol-
268
leii, daß hdidhista ein Epitheton Rashuus ist,
das ihn als Freund der Guten schildert, nicht
ein solches, das ihn als Feind der Bösen
bezeichnet, denn von vier ihm gegebenen Ephi-
theten ist das erste (atbista »nicht grollend =
versöhnlich, wohlwollend«, vgl. ved. advishenyä)
eins der ersten Art, die beiden letzten dagegen
sind solche der zweiten Art ; nehmen wir nun
an, daß auch hdidhista ein Epitheton der ersten
Art sei, so erhalten wir einen schönen .Paralle-
lismus, den Spiegel freilich ganz zerstört, nicht
nur durch seine üebersetzuug von hdidhista, son-
dern auch indem er jaghnista für »ganz uunö-
thig« hält (Comm. IL 590) und es demgemäß
auch nicht übersetzt (Uebers. IIL 107). Hat
hdidhista eine bedeutung , wie ich sie in ihm
^vermuthe , so darf es unbedenklich dem ved.
sadhishthah rv. V. 35. 1, välakh. 5.7 »derFör-
derndste« (superl. von sddhü) gleichgestellt werden.
6. Dahmdyu, perendyu.
In den Wörtern aetahmdyu, dahmdyUf peren-
dyu (vollkommen), vigpdyu , hacvardyu, gatdyu,
hasanrdyu erkennt Justi Composita mit -dyu, das
in ihnen jedoch seine sonstige Bedeutung einge-
büßt habe und affixartig stehe. Ich halte diese
Annahme für nicht unbedenklich und nicht
sicher, denn einerseits sind die Bedeutungen von
aetahmdyu, haevaräyu , gatdyu , hazanrdyu noch
nicht scharf erkannt , andrerseits zwingt nichts,
vtgpdyu im Sinne Justis zu erklären, da mau
es entweder als -echtes Compositum von vigpa
und dyu übersetzen, oder es zu dahmdyu, peren-
dyu stellen kann, die, wie mir scheint, nicht
Composita auf -dyu sind, sondern zu vedischen
Bildungen wie ayhdyü, nrndyü, prtandyn, prga-
ndyti gehören. Denn wenn man auch an der
269
Stelle, wo jeue beiden Wörter vorkommen (Y.
62. 2 W.), perenayus für sich als Compositum
aus pcretia -f- äyu auffassen und demgemäß über-
setzen könnte, so widerspricht dem doch das
pc^muyus parallel stehende und ihm deshalb
entsprechend zu erklärende dahmayus, das nicht
»frommes Leben führend« oder drgl, bedeuten
kann, da es sich auf einen der yazats, das Feuer
bezieht, das ein Mensch nicht wohl ermahnen
kann, ein frommes, gutes Leben zu führen.
Alle Schwierigkeiten fallen fort, sobald wir in
pereiiäyu, dahmäyn nicht -äyu Leben suchen '),
sondern sie zu den erwähnten vedischen Adjec-
tiven stellen , deren Formation vielleicht auch
durch Äxxhuyu im Avesta vertreten ist. Dann
läßt sich perenäyu durch »mit Fülle versehen«,
»von Fülle umgeben«, dahmäyu durch »von
Frommen umgeben« wiedergeben, und die ganze
in Betracht kommende Stelle wäre zu übersetzen :
sei [stets] von Fülle umgeben in Beziehung auf
I deine] Nahrung, sei in Beziehung auf [deine]
Nahrung [nurl von Frommen umgeben, o Feuer,
Sohn des Ormezd; dem Feuer wird also ge-
wünscht, daß es stets reichliche Nahrung finden
möge, daß ihm dieselbe von Frommen besorgt
werde, d. h. von solchen, die das Feuer in keiner
Weise verunreinigen*), es nicht mit grünem
Holze nähren, nicht Haare und drgl. in es wer-
fen (vgl. Ardä-Yiräf 10. 7 ff., 34. 5 ff.) und daß
ihm nicht Uufromme nahen, die es verunreini-
gen, oder gar auslöschen a. a. 0. 37. 6 ff.,
55. 4 ff.)
1) Dis Lesarten peretiäytis and dahmdyits in K5 er-
innern an sk. ayus; allein dieB kommt im Avesta nicht
vor,
2) üeber dahtna vgl. Hang über den gegenw. Stand
der Zend-Phüologie S. 27 ff.
22
270
Die Bildungen anf -yu^ zu denen ich pere-
näyu und dahmäyu gestellt habe , sind in einer
Beziehung höchst in structiv, sie veranschaulichen
nämlich sehr klar den von Fick behaupteten
Zusammenhang der Norainalbildung und Ver-
balbildung ^), sie zeigen klar die Entstehung no-
1) Die Arbeit Ficks, auf welche ich hier Bezug nehme
(Beitr. I. Iff) scheint einigen deutschen Gelehrten großen
Anstoß gegeben zu haben ; daß sie einiges Bedenkliche
hat, leugne ich nicht, daß aber, was Fick dort vorge-
tragen hat, daß speciell seine Behandlung grundsprachli-
cher »Wurzeln« wie bhar, dram von bei weitem größerer
Bedeutung und Wahrscheinlichkeit ist , als jene meinen
und als die sinnlose Besprechung der fraglichen Arbeit
in der Jen. Lit-Ztg. 1876, S. 760 anerkennt, mögen fol-
gende Aeußerungen beweisen :
Herr G. J. Ascoli Studj critici II. S. 29 N. 10 sagt:
»Non per vana pompa, ma per la realtä della storia, e
in ispecie per notare come l'intima concordanza de'ri-
sultati implica la verita generale del prinoipio, mi fo le-
cito di qui avvertire la graudissima somiglianza che corre
fra lo studio del Fick : Wurzeln und Wurzeldetermina-
tive (Vergl. Wörter!)." 927—1014, "IV , 1-120; 1870,
1876) .e il secondo de'miei 'Studj ario-seniitici' , letto
all' Istituto Lombarde nella tornata del 6 luglio 1865
e pubblicato in quello stesso anno. Ne io era il primo
che si mettesse per quella via. Che se in ordine alla
natura dei 'determiuativi' in paite ancora si disscuto, cio
non importa alcuua essenzialo difl'crenza; tanto e vero,
che io rivcdü letteralmente nie stesso nellc osscrvazioni
generali intorno ai tipi nominali bhara drama ecc,
anteriori alle 8iij)poste radici bhar dram ecc. , che il
Fick prepone a uu recente suo Articolo (nei 'Beiträge'
etc. I. 1 segg.) ; cfr. la uota che qui seguo a pag. 63
sgg. Man con ciö non iuteiido mica d'accusaro di plagio
qnosto gagliardü c opcrosu alonianuo!«
Herr Honoro Chavoc Idöologie lexiologique (Paris
1878) S. 611'. sagte: »Pour le moraent, qu'il me soit per-
njis d'etablir unc differcncc profonde entre les vuttables
monusyllabiquos premicrs , pronoras et vcrbs siraplea
— , et une foule de racines Qionosyllabiques ä consonne
finale autre qae R (ou L pour R) , telles que tan , man,
271
luinaler Stämme ans verbalen , denn e^ kann
keinem Zweifel unterliegen , daß jene Bildungen
aus Verbalstämmen auf -ya entstanden sind.
Wie das geschah, bedarf noch genauerer Unter-
suchung.
Av. gtri = skr. strt »Weib« ist bisher ety-
mologisch nicht erklärt; denn die Behauptung,
stri sei ans *sütn' entstanden (Graßraann Wbch.
c. 1596) kann nicht als Erklärung gelten. Sie
ist nicht besser als die Behauptung Yäkas Nir.
m. 21, strt komme von styä »sich schämen«
(apa-trap)^ denn wie diese nimmt sie eine un-
verbältnißmäßige Verstümmelung des Wortes
an, indem sie zugleich unbeachtet läßt, daß die
für strt vorausgesetzte Form *siUri sich im
Atbarvaveda in der Bedeutung »Geburtsglied«
findet (Av. IX. 7. 14; vgl. PW. s. v.).
Denkt man sich das aus av. f^ri und skr.
stri' ergebende arische Wort stri' einen Augen-
blick als ans *astri' entstanden, so ist seine Ety-
mologie sofort klar» denn alsdann verhält sich
stri zu asu (av. anhu), das, wie die begrifiF-
liche Uebereinstimmung von lat. herus , crus
(Brugman KZs. 23. 96) und av. anhu (Justi
s. V., Hang Sitzungsber. d. B. Akad. phil.-phil.
pat, päd, vrt, rabh, radh, etc., etc., formes tronquees
des derives dissyllabiques ta-na et ta-na, ma-na et ma-nu,
pa-ta et pa-ti, pa-da (derive par le pronom demonstratif
da , comme pa-ta l'eet par le pronom demonstratif ta),
vr-ta , ra-bha (derive par bha . paraitre, formant des in-
choatifs) , ra-dha (derive par dha , faire , formant des in-
tensifs), etc., etc.«
Zu dem was ich Ööt. gel. Anz. 1877 S. 834 im Afi-
BcWuß an Ficks Ansichten über Formen wie ifn^irqa ge«
sagt habe, bitte ich zu vergleicbea . was Henfej Göt.
Nachr. 1877 S. 541 über die Svarabhakti bemerkt hat.
22*
272
Cl. 1872 I. 109 fif.) wahrscheinlich macht, schon
in der ar. Grundsprache die Bedeutung »Herr«
hatte — alsdann, sage ich , verhält sich sfrt' zu
asu, wie skr. hltmiri »Erhalteriu , Ernährerin,
Mutter« zu hharii »Herr«. Bhartrl' ist Femin.
zu hhartx' (oder bhürtv) »Erhalter, Ernährer,
Herr, Gatte« ; demnach ist für ar. strt' ein mas-
eul. *stdr vorauszusetzen — daß dasselbe ver-
loren ist, begründet natürlich keinen Einwand
gegen die aufgestellte Erklärung von stri'.
Ar. dsti »Herr« wird mit Recht zu \/as
»sein« gestellt; vergleichen wir mit jenem nun
strt, so verhält sich jenes zu diesem ebenso,
wie sich die Singularformen skr. dsnii, dsi, dsti,
av. ahmi, ahi, agfi, zu den Pluralformen skr.
smds, sthd, sdiiti, av. mahl, ^td, liehti verhalten.
Die verschiedene Form der Wurzel in den
angeführten Singular- und Plural formen resultirt
aus der Verschiedenheit der Betonung dieser
Formen ; es liegt auf der Hand , daß die Diffe-
renz der wurzelhaften Bestandtheile in av. aiihii
und skr. stri' = zend. Qiri sich aue gleichem
Grunde gebildet hat. — Immerhin ist die Bil-
dung eines Nomen actoris *stdr, fem. str'i' von
\/^as eine Unregelmäßigkeit, aber sie steht nicht
vereinzelt, vgl. av. Jceretar, deretar, herdur , skr.
MSÄtr', uptrma{?), gr. ioicog (falls es nicht als
laitog aufzufassen und dem skr. veftr gleichzu-
stellen ist), lat. «xor neben vector (Fick Wbch.'
II. 244) u. A.
Von Wurzel (is sind mit Einbuße des wur-
zelhaften Vocals auch skr. sti = av. ^'ti und
av. gta gebildet (Graßmann Wbch. c. 1590).
Diese Behauptung ist unrichtig, wenn Roth über
Ya9na 31 S. 23 aus der Form ^idi, die er für
Dativ erklärt, ein msc. Thema {;tä mit Recht
erschlossen hat. Hiergegen scheint mir aber
I
273
ein gewichtiges Bedenken zu sprechen : wäre
gt<yi Dativ eines Thema ^tä, so wäre dieses, wie
Roth selbst bemerkt, flectirt wie z. B. skr. rti-
cipci' ; dann aber wäre das ä in (jfd verbal, dann
läge in diesem ]/f^d »stehen« vor und dann
wäre der auch von Roth (a. a. 0. und im Pe-
tersb. VVbch. s. v. sti) angenommene und klar
auf der Hand liegende Zusammenhang zwischen
dem für rt/ji angenommenen Thema ftu und dem
von ihm nicht zu trennenden {ii einerseits und
skr. sti andrerseits unmöglich, da dieses letztere,
wie sein nicht aspirirter Dental zeigt, nicht von
"]/ stJui herkommen kann. Wer diese Consequenz
vermeiden will, dem bleibt, wie mir scheint,
nichts übrig, als die Ansicht aufzugeben, daß
gföi Dativ eines Thema gtä sei. Wie die Form
definitiv zu erkläreu sei , weiß ich nicht ; daß
gtoi {= gte) dativisch gebrauchter Locativ sei,
wäre eine reichlich wohlfeile Erklärung. Mau
berücksichtige Y. 68. 14 W. : vi9paya vi9e mäz-
daya9ue. — Gegen die Annahme, daß av. gti
und ved. sti zn \/as gehören, kann eingewendet
werden , daß neben diesem im Veda die volle
Form *asti in svasti vorkomme. Indessen dieser
Einwand würde nicht viel besagen , denn es
kommt ja nicht selten vor, daß in einer Sprache
zwei lautlich verschiedene Wörter erscheinen,
die sich aus gleichen Elementen gebildet haben,
oder daß — um mich anders auszudrücken —
eine Sprache ein Wort in verschiedenen Gestal-
ten besitzt , deren Bildung dann freilich in der
Regel verschiede neu Phasen angehört. Ich er-
innere hier , nur an die schon oben angeführten
lat. Wörter uxor und vector ; einen Monstrebe-
jleg für das Gesagte würde J. Schmidt gegeben
haben, wenn er Voc. IL 492 lit. ilgas »lang«
und draihas »lang gestreckt« mit Recht für wur-
274
zelhaft verwandt erklärt hätte. Das bezweifle
ich nun freilich.
Nach der Flexion von as av. ah »sein« rich-
tet sich ad »essen«, mit dem Unterschiede jedoch,
daß dieses in den schwachen Formen sein a be-
wahrt. Nehmen wir, was nicht unwahrschein-
lich ist, an, daß einst auch cw? »formabstufend« ^)
conjugirte , so würden z. B. seine Pluralformen
in der arischen Grundsprache dmäsi, dfä, dänti
gelautet haben. Hierzu würde ein Nom. Actor.
dtär oder dträ (vgl. usMy und tishtra = av.
ustra) stimmen. Dasselbe hat sich in av. hhraf-
-gtra erhalten, wenn die von Hang stets vertre-
tene Erklärung dieses Wortes als »Fleisch-esser«
richtig ist (z. B. Gäth. p. 3 »carnem-devorantes«
= Jchrafgirä, Ahuna-vairya-Formel S. 125 Anm.
1). Ob sie das ist, will ich nicht entscheiden;
ich wollte nur zeigen, daß sie möglich ist.
8. Bis., haeshas.
Die Wörter bis und haeshaz nebst skr. bhish-
aj , hhishäj , hhishajy , hhishnaj , hheshajd haben
ohne Noth große Schwierigkeiten gemacht; eine
einfache Erklärung derselben liegt sehr nahe,
und ich erlaube mir, dieselbe hier vorzutragen.
Skr. bhäsh »reden, sprechen« ist vermuthlicb
aus *bhäs entstanden (vgl. lash, Benfey über
jubeo S. 37); davon konnte ein Nomen bhis
»Spruch, Besprechung, Hoilspruch, Heilung«, ge-
bildet werden, vgl. ved. *f/s in u^^ts »Bitte, Ge-
bet, Wunsch«, svägis »mit gutem Gebete verse-
hen«, pragis »Befehl, Vorschrift« von \/i;äs »be-
lehren, preisen« u, A. Jenes bhis findet sich
1) Weshalb dieser gute Ausdruck Bopps jetzt allge-
mein durch den schlechteren »stanimabstufoud« ersetzt
wird, verstehe ich uicbt.
275
nun in av. eredhucfbis , v'igpf'^bis, htd/is, Epitheten
eines wanderbaren Baumes (Windischmann Zor.
Stud. S. 166 ff.)- ^^^ jenem der arischen Grund-
sprache zuzuschreibenden hhis sind abgeleitet:
skr. bhishaj (Verb. n. Nom.) aus dem weiter
bhishajy (vgl. dhrshäj . sanaj. äsvapnaj) gebildet
wurde, und bhishnaj (vgl. trshnäj neben trshyä-
vant); andrerseits (mit gunirung) ar. btieshaz
und barshasa = skr. bheshaja, baeshazya.
Die Richtigkeit dieser aufgestellten Erklä-
rung wird einleuchtender werden, wenn man
vergleicht: slav. bajafi »fabulari, incantare, me-
deri«, balij »incantator, medicus« , balovati »cu-
rare«, balovanije »medicina«, balistvo »incantatio,
mediciua«.
Die Berechtigung bhis aus bhus schon in der
arischen Grundsprache entstehen zu lassen, ge-
ben av. v'f-mita, fra-mifa. berezi-mita (daneben
mata) = skr. mitu (Part. Perf. Pas. von tw«),
av. (za9t6-)w?Y/ = skr. miti »Maß« u. A.
A
9. Agyayäo, täshyaydo, fna^ayäo.
Die comparativischen Nomin. Sg. Fem. ä^ya-
yäo und täschijaydo finden sich Visp. 7. 3 (W.):
uairyam häm varetim yazamaide framen-naräm
frameu-uaro-viräm, yä ägaot ä9yayäo, yä takhmo ')
täsyayäo ^ u. s. w. Eine Erklärung derselben
1) So schreibe ich abweichend von Westergaard und
Justi, die inkhmn nnd das folgfend« Wort zu einem Com-
positum verbinden, denn takhmö kann gar nichts anderes
als Ablativ sein ; das beweist das parallele dmo\. Takh-
mö ist aus tukhtndi eutatandeu, indem das t abfiel (an-
dere Fälle der Art verzeichnet Flühschmann z. Casus). S.
242) und das </' durch den Einfluß des vorhergehenden
m zn ö wurde.
2) Spiepclä Text (8. 14) weicht unwesentlich ab; die
Varianten bei W. und Sp. sind ohne Warth.
276
ist meines Wissens bisher nicht gegeben ; die
meisten scheinen sich mit der Vermuthung be-
friedigt zu haben , daß -yayäo Schreibfehler für
-yäo sei, was ich für sehr unwahrscheinlich halte,
um so mehr, als jene Formen sehr wohl zu er-
klären sind.
Vergleicht man gtävacsta mit skr. sthävishtha
(Justi s. V., M. Müller KZs. 18. 213), so sieht man,
daß der Stammauslant eines mehrsilbigen Adjectivs
vor dem Suffix des Superlativs und folglich auch
des Comparativs in der Sprache des Avesta erhalten
bleiben konnte wie im Slav. u. Preuss. Demnach
trenne ich in äcyaydo und täshyayäo^) -yäo alsCom-
parativendung des Nom. Sg. Fem. ab ; so gewinnen
wir die adjectivischen Stämme ägya- und täshya-.
Diese Stämme sind im Avesta außer im Compar.
nicht nachzuweisen , denn »schnell« heißt ärii,
»stark« takhma. Aber darum ist das bisher Vorge-
tragene nicht zu beanstanden, denn ein Stamm ägya-
verhält sich zu afw-, wie got. hardia- zu hardu-,
lit. grazia- zu grazu-, gr. noXio- zu noXv- (ZGLS.
S. 153)'. Agyayäo neben ägu lehrt also, daß das
Tauschverhältniß, welches zwischen adjectiv. u-
und ya-Stämmen in mehreren europäischen Spra-
chen besteht, auch der Sprache des Avesta nicht
fremd war. Das Nicht- Vorkommen eines selb-
ständigen Stammes täshya- spricht ferner nicht
gegen das Gesagte , weil weder täshyayäo noch
— wenn dieses wirklich falsch sein sollte —
Häshyäo ja doch auf keinen Fall von takhma
gebildet sein können, mit Nothwendigkeit also
neben diesem ein anderer Stamm angesetzt wer-
den muß, der außer in jenem Comparativ nicht
1) So (mit sh) schreibt mit Recht Spiegel Oram. S.
176 und nach seinen» Vorgange Hübschmann Kbeitr. 7.
462; wegen des sh vgl. hasha, hasM neben hakhi.
277
im Ävesta vorkommt. Der von mir angenom-
mene Stamm täshya = *tanJcia- findet sich im
Litauischen, das in der Flexion des Adjectivs fan-
]ci(S »dicht« mehrfach einen Stamm fanha- zeigt.
Daß die Sprache des Avesta jemals neben dem
Stamme *fanlia- auch den im Lit. mit diesem
verbundenen «-Stamm gekannt habe, läßt sich
nicht behaupten, ist aber, wie das Nebenein-
ander von u^ti und ärya lehrt, wohl möglich.
Wie ägifaydo und töshyayäo ist magyayäo zu
erklären ; dieses findet sich Vend. 5. 24 (W.)
in den besten Hss. : mapjayäo üfs . . . ma^yayäo
vana. Westergaard liest, den schlechteren Hss.
folgend, nm^ydo; Spiegel hat in seiner Ausgabe
(5. 72, 73) nia^yaydo angenommen , in seinem
Commentar aber (I. 172) durch mnryno ersetzt ^).
Mir scheint es in Hinblick auf dcyayäo und
täshyayäo geboten zu sein , ma^yayäo festzuhal-
ten. Ich würde dieß noch bestimmter behaup-
ten , wenn ich den hierfür vorauszusetzenden
Stamm nux^ya- nachweisen könnte.
Sollte sich die vorgetragene Erklärung der
Formen ä^yayäo, täshyaydo und maryayäo als
unrichtig herausstellen, so wird es am nächsten
liegen, ihren Ausgang -yayäo aus einer Verdopp-
lung des Comparativsuffixes zu erklären (vgl.
ahd, meröro, mcriro). Einer solchen Erklärung
stehen aber viel größere Schwierigkeiten entge-
gen, als der oben gegebenen.
1) Mit Bezug auf eine dort geäußerte Bemerkung
Spiegels hebe ich hervor, das in der Sprache des Ävesta
ein besonderes Thema für das Femin. des Compar. nicht
gebildet zu werden braucht (was freilich vorkommt), daß
dort vielmehr — wie im Griech. und Latein. — derselbe
Stamm für Msc. , Fem. und Ntr. des Compar. verwendet
werden kann.
278
Universität.
Am 20. März entschlief sanft nach jahrelan-
gem Leiden der ordentliche Professor der Theo-
logie und erster Uuiversitätsprediger, Obercon-
sistorialrath Dr. theol. Eh reufeuchter, Abt
zu Bursfelde.
Friedrich August Eduard Ehrenfeuchter
war am 15. Decbr. 1814 zu Leopoldshafen im
Großherzogthum Baden geboren und erhielt seine
wissenschaftliche Vorbildung auf dem Lyceum
zu Mannheim, wohin sein Vater als Oberlehrer
versetzt worden. Bereits im 17. Lebensjahre
bezog er Michaelis 1881 die Universität Heidel-
berg, auf welcher er bis Ostern 1835 Theologie
und Philosophie studierte. Nach Beendigung
seiner Universitätssiudien übernahm er die Stelle
eines Religionslehrers an dem Lyceum zu Mann-
heim, wurde vier Jahre darauf Pfarrverweser in
Weinheim und bald darauf Hof- und Stadt- Vicar
in Carlsruhe. Von hier folgte er im Spätjahr
1845 einem Rufe als außerordentlicher Professor
der Theologie, Universitätsprediger und Director
des homiletischen Seminars nach Göttingen, wor-
auf zu Anfang des folgenden Jahrs die theolo-
gische Facultät der Universität Heidelberg ihm
die Würde eines Doctors der Theologie verlieh.
Im Jahr 1849 wurde er zum ordentlichen Pro-
fessor in der theologischen Facultät für das Fach
der praktischen Theologie und i. J. 1858 zum
Obercousistorialrath ernannt, nachdem er i. J.
1857 zum ordentliche)! Mitgliede des Consisto-
riums zu Hannover und i. J. 1858 zum außer-
ordentlichen Mitglied des Stautsraths ernannt
worden. Die Würde eines Abts zu Bursfelde
wurde ihm nach dem Tode Lücke's i. J. 185G
J
279
ertheilt. J. J. 1866 wurde er auch außeror-
dentliches Mitglied des neuerrichteten Landes-
Consistoriums.
Ehreufeuchter , der nnerachtet mehrerer und
zum Theil sehr verlockender Rufe Güttingen
und seiner einflußreichen Thätigkeit in der Han-
noverschen Landeskirche mit, deren Geistlichen
Gemeinschaft auzukuüpfen und zu pflegen er
wie wohl kein anderer Uuiversitäts- Lehrer be-
reit war, treu geblieben ist, hat auch noch
lange nach dem ersten Auftreten seiner Krank-
heit, welche, durch eine Geschwulst im Hirn
verursacht, schon vor fünfzehn Jahren, damals
Erblindung drohend , sich zeigte , seine segens-
reiche Thätigkeit auf Katheder und Kanzel in
treuer Hingebung und mit Aufbietung seiner
letzten körperlichen Kraft bis vor zwei Jahren
fortgesetzt, wo er sich ganz zurückziehen mußte.
Doch behielt er noch die geistige Kraft, ein
wissenschaftliches Werk, welches ihn viele Jahre
lang beschäftigt und welches er als das Haupt-
werk seines Lebens sich vorgesetzt hatte, druck-
fertig machen zu können.
Se. Majestät der Kaiser und König haben
allergnädigst geruht den Großherzoglich Baden-
schen Geheimen Hofrath und ordentlichen Pro-
fessor Dr. Gustav Hartmann zu Freiburg i.
Br., unter Verleihung des Charakters als Gehei-
mer Justiz-Rath, zum ordentlichen Professor in
der juristischen Facultät, und den ersten anato-
mischen Assistenten am pathologischen Institute
der Friedrich - Wilhelms - Universität äu Berlin,
Dr. J. Orth, zum ordentlichen Professor in der
medicinischen Facultät der hiesigen Universität
zu ernennen.
280
Der ordentliche Professor in der medicini-
sehen Facultät Dr. med. Ponfick ist in glei-
cher Eigenschaft in die medicinische Facultät
zu Breslau versetzt worden.
Der Privatdocent in der juristischen Facultät,
Dr. jur. Gustav Rümelin ist zum außerordent-
lichen Professor in dieser Facultät ernannt, und
demselben darauf, nachdem er inzwischen einem
an ihn ergangenen Rufe als ordentlicher Pro-
fessor nach Freiburg i. Br. Folge geleistet hatte,
die von ihm erbetene Dienstentlassung von
Ostern ab ertheilt worden.
In der philosophischen Facultät haben sich
als Privatdocenteu habilitiert :
Dr. phil. Eugen Geinitz zu Michaelis 1877
für das Fach der Geologie, und
Dr. phil. Otto Krümmel Ostern 1878 für
das Fach der Geographie.
Philosophische Facultät.
Benekesche Preisstiftung.
Die chemische Zusammenstellung der gleichen
in demselben Entwicklungsstadium stehenden
Organe ein and derselben Pflanzenspecies ist bei
verschiedenen Individuen innerhalb gewisser
Grenzen eine verschiedene. Die Samenkörner
des Weizens z. B. enthalten bald mehr bald
weniger Phosphorsäure, bald mehr bald weniger
Eiweißstoffe, bald mehr bald weniger Stärke.
Von Einfluß auf die Zusammensetzung sind unter
andern: Klima und Witterungsverhältnisse, Bo-
den und Düngung. Die Darlegung der bis jetzt
bekannten Thatsachen und der Versuch einer
Erforschung der hier waltenden Gesetze wird
als Preisaufgabe für das Jahr 1881 gestellt. —
281
Es wird gewünscht;
1. Eine umfassende Zusammenstellung der
bis jetzt vorliegenden Beobachtungen und Un-
tersuchungen . sowie kritische Beleuchtung der
bei den Untersuchungen angewandten Methoden.
2. Die Anstellung selbständiger Versuche
in der fraglichen Richtung , soweit solche zur
Begründung der Beweisführung erforderlich sind.
3. Eine eingehende Darlegung der geeig-
netsten Mittel und Wege, um die noch vorhan-
denen Lücken in der Erkenntuiß der betreffen-
den Gesetze auszufüllen.
Bewerbungsschriften sind in Deutscher, La-
teinischer, Französischer oder Englischer Sprache
mit einem versiegelten Briefe , den Namen des
Verfassers enthaltend, beide mit gleichem Motto
bezeichnet, bis zum 31. August 1880 an uns
einzusenden; die Entscheidung über die Preise
(1700 und 680 R-ichsmark) erfolgt am 11. März
1881, dem Geburtstage des Stifters, in öffent-
licher Sitzung der Facultät.
Gekrönte Arbeiten bleiben unbeschränktes
Eigenthum ihrer Verfasser.
Die Preisaufgabe für das Jahr 1880 ist
S. 280 der Nachrichten von 1877 bekannt ge-
macht worden.
1. Mai 1878.
Die philosophische Facultät der
Georgia Augusta.
Der Decan: F. Wüstenfeld.
282
Bei der Köiiigi. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung.)
W. R i d le y , Kämilaröi and other Australian languages.
Second edition, with comparat. tablcB of words etc.
Sidney 1875. 4.
Railways of New South Wales. Report. From 1872
—1875. Sid. 1876. Fol.
Annual Report of the Department of mines of N. S.
Wales for 1876. 4.
Bulletin de l'Acad. R. des Sciences de Belgique. T.
44. No. 11.
Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforsch.
Gesellschaft d. Osterlandes. Bd. 8. H. 2. Altenburg.
Nature. 431-434.
Mittheilungen aus dem naturwiss. Vereine in Greifs-
wald. Jahrg. 9.
Bivista Europea. Vol. V. Faso. III.
A. Scacchi. sopra un masso di pomici trovato in
Pompei. 1877. 4.
Id. Dell 'Anglesite sulle lave vesuviane. 1878. 4.
Corrections to Hansen's tables of the Moon. Washington
1878.-
Donders u. Engelmann , Onderzoekingen. Derde
Reeks. V. 1. Aflev.
Leopoldina. XIV. No. 1-2.
Societa Toscana di Scienze naturali. Proc. verb. 13.
1878.
Monthly Notes of the R. Atron. Society. Vol. 38.
No. 3.
Bulletin de la Soc. mathematique. T. VI. No. 2.
Verhandelingen rakende den natuurlijken en geopen-
baarden Godsdienst. Zesde Deel. Harlem. 1877.
P. Bleeker, Memoire sur les Chromides marins.
Harlem. 1877. 4.
Archives Neerlandaises. T. XII. Livr. 2—5. ,-J
Catalogus der Bibliothek van de Maatschappij der ne- 1
derlandsche Letterkunde te Leiden. 1. Gedeelte
Handschrift.
Handelingen en Medeelingen van de Maatschappij. li^77.
283
Levensberichten d. afgestorvene Medeleden van de Maat-
chappij. Bilage tot de Handelingen von 1877. Leiden.
Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft.
Bd. 31. H. 4.
W. Wright, Catalogue of the ethiopic Manoscripta
in British Museum.
Monatsbericht der Berliner Akademie d. Wias. Nov.
1877.
Verhandelingen der K. Akademie van Wet. Amster-
dam. 4. Afd. Natuurkunde. T. XVII. Afd. Let-
terknnde. T. IX. XI.
Verslagen en Mededeelingen. Natuark. 2. XI. Letterk.
2. VI.
Jaarboek van de K. Akad. te Amsterdam. Voor 1876.
Processen— Verbaal. 1876—77.
Pastor bonus. Preisachrift. Amsterdam 1877.
Carte g^ologique de la Snede. No. 57—62.
Dazu 8 Beschreibungen.
0. Gumaelius, om glaciala bildningar. G. Nath-
horst, om on Cycadekotte vid Tinkarp i Skäne. H.
Santeson, kemiska Bergartsanalyser I. G. Linnarson.
ofversigt af Nerikes Oefvergängsbildningar. G. Nath-
fa o r s t nya fyndorter for arktiska vaxtlemningar i
Skane. 0. T o r e 1 1 , sur les traces les plus anciennes
de Tex-istence de rhoiurae en Suede.
Transactions of the Connecticut Academy of Arte and
Sciences. Vol. IV. P. 1. New. Haven. 1877.
Acta Horti Petropolitani. T. V. Fase. 1. 1877.
Atti della R. Accademia dei Lincei. Vol. II. Fase. 1 — 2.
Abhandl. der naturhist. Gesellsch. zu Nürnberg. Bd. VI.
Annales de TObservat. de Bruxelles. 5.
Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou.
1877. No. 3.
Proceedings of the London Math. Soc. No. 122— 123.
23. Jahresbericht des Germ. Museums. Jahrg. 1. 1877. 4.
Anzeiger der Kunde der deutschen Vorzeit. 1877«
1-12. 4.
Sitzungsbericht der phil. histor. Cl. der Akad. d. W,
München. 1877. 3—4.
Verhandl. des naturf. Vereins in Brunn. XV. 1 — 2.
Mittheil. d. Vereins für Geschichte der Deutschen in
Böhmen. Jahrg. XV. No. 3—4. Jahrg. XVI. 1—2.
J. Enieschek, der Ackermann aus Böhmen. Prae.
1877.
Bulletin de l'Acad. R. des Sc. de Belgique. T.44. No. 12.
284
Nature. 435-443.
Compte-Rendu de la Soc. Entomologique de Belgique.
Serie II. 47-49.
Rivista Europea. Vol. VI. Fase. 1—4.
Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. Bd. 2. Zürich.
1877.
Verhandl. d. naturf. Gesellschaft in Basel. Th. 6. H. 3.
Verhandl. des histor. Vereins von Oberpfalz etc. Bd. 32.
R. Wolf, Astronom. Mittheilungen. XLV. XLVI.
Monthly Notices of the R. Astron. Soc. Annual
Report. Vol. 38.
Me'moires de la Soc. der Sciences phys. et uatur. de
Bordeaux. T. II.
Abhandlungen der K. K. Geolog. Reichsanstalt. VIII.
Band. Fol. (D. Stur, die Culm-Flora der Ostrauer
und Waldenburger Schichten.)
Jahrbuch der K. K. geolog. Reichsanstalt. XXVII.
Bd. No. 4. Dabei:
G. Tschermak, mineralog. Mittheilungen. Jahrgang
1877.
Verhandlungen der K. K. geolog. Reichsanstalt. 1877.
14-18.
Leopoldiua. Hft. XIV. No. 3-6.
Annales de TObservatoire de Bruxelles. 6 — 7.
P. Willems, le Senat de la Republique Romaine.
T. I. Louvain. 1878.
S. Ferency, Törtenelmöböl. Pest. 1870.
M. Tudom. Akademiai Almauach. 1873. Budapest.
1873.
Revista Euskara. No. 1—3. Pamplona. 1878.
Memoires de la Soc. Roy. des Sciences de Liegb. Ser.
2. T. VI.
Bulletin of the American geograph. Soc. No. 5.
Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik. B<]
8. H. 1.
Monatsbericht der Berliner Akademie. December 1877.
Januar 1878.
Atti della R. Accademia dei Lincei. Vol. II. Faso.
8. 4. Roma. 4.
(Fortsetzung folgt).
285
iVachrIchten
von der Königl. Gesellschaft der Wlgsen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
29. Mai. M 8. 1878.
KöDigliche Gesellschaft der Wisseiischaftea.
C optisch-Arabische Handschriften
der Königl. Üniversitäts-Bibliothek.
Beschrieben von
Ferd. Wüstenfeld.
Die Königliche Universitäts - Bibliothek hat
kürzlich eine Sammlung Orientalischer Hand-
schriften erworben , welche , wenn auch in ver-
schiedeneu Sprachen geschrieben, mit Ausuahme
von dreien sämmtlich der Coptischen Literatur
angehören. Es soll zwar noch eine ziemlich be-
deutende Anzahl Coptischer Handschriften in
Aegypteu vorhanden sein, sie sind aber von ih-
ren Besitzern sehr schwer zu erlangen und wer-
den nach und nach zu Grunde gehen, und je
weniger davon bisher nach Europa gekommen
ist, um so wichtiger ist es, die erreichbaren
üeberbleibsel iu Sicherheit zu bringen, und Herr
Dr. Brugsch Bey, welcher schon im Jahre 1853
eine Sammlung mitbrachte, die sich in der Königl.
Bibliothek zu Berlin befindet, hat sich das Ver-
dienst erworben, im Jahre 1870 aus einem der
größten und berühmtesten Klöster den letzten
23
286
Rest einer Bibliothek zu retten, nachdem die
immer mehr der Unwissenheit verfallenden Mönche
den übrigen Theil derselben nach und nach ver-
schleudert hatten ; und gerade dadurch , daß
diese Sammlung bei einander bleibt, wird ihr
Werth noch erhöht.
Das Kloster ist das des Amba BischoP), beim
Beginn der Libyschen Wüste in der gänzlich
unfruchtbaren Ebene Askit, welcher Name aus
dem Aegyptischen durch »Wage der Herzen«
erklärt wird , an dem kahlen Berge Schihat,
einige Stunden von dem Wädi Habib entfernt,
in welchem sich die Natron Teiche befinden,
wovon die Klöster den Namen der Natron Klö-
ster erhalten haben. Ihre Anzahl betrug vor
Zeiten über Hundert, sie waren in weiter Aus-
dehnung in drei Reihen erbaut und das Kloster
des Amba Bischoi' lag in der dritten Reihe ;
gegenwärtig sind außer diesem nur noch drei
übrig, das des Macarius, das der Domina (Maria)
von el-Baramus und das der Syrer, alle andern
liegen in Trümmern^).
Die ganze nicht sehr umfängliche Literatur
der Gopten besteht vorzugsweise aus religiösen
Schriften und solche bilden auch unsere Samm-
lung, sie enthält Uebersetzungen der Bibel, Com-
meutare dazu, Liturgien, theologische Abhand-
lungen und Kirchengeschichte in der Geschichte
der Coptischen Patriarchen und Heiligen. Etwa
]) Die Arabische Schreibart ist verschieden {Jiy*^,
2) Alle hier gebrauchten Namen werden von Ma-
c r i z i , Geschichte der Gopten , erwähnt und kommen
auch in den Unterschriften unserer Handschriften vor.
Vergl. H. Brugsch, Wanderung nach den Natron-
klöstern in Aogypten. Berlin 1855.
287
die Hälfte der Handschriften ist datirt und aus
der Aehnlichkeit der übrigen geht hervor, daß
die meisten erst am Ende des vorigen , einige
erst in diesem Jahrhundert geschrieben sind ;
wenn aber schon eine derselben die Angabe ent-
hält, daß die Vorlage, aus welcher sie copirt
wurde, die Jahreszahl 1073 der Märtyrer (1356
Chr.) trug, so reichen die Verfasser der meisten
in eine noch viel frühere Zeit zurück. Der
größte Theil ist Arabisch geschrieben, es ist
aber eine eigenthümliche Erscheinung, daß die
kirchlichen Schriften der Gopten aus einem Ge-
misch von Coptisch und Arabisch bestehen und
selbst beim Gottesdienst in den Vorlesungen und
Gebeten das Arabische mit dem Coptischen ab-
wechselt; zuweilen steht neben dem Coptischen
die Arabische Uebersetzung und in .sonst nur
Coptischen Werken sind die Ueberschriften der
Abschnitte zugleich Arabisch oder nur Ara-
bisch angegeben. Aus diesem Grunde habe ich
in der nachfolgenden Beschreibung die mehr
Coptischen nicht von den bloß Arabischen ge-
schieden, sondern alle nach dem Inhalte zusam-
men geordnet.
Die Sprache soll Alt-Arabisch sein und in
den biblischen Schriften ist sie auch noch er-
träglich, so daß man sieht, daß sie auf einer
guten Grundlage ruhen, die übrigen Werke sind
aber der Art, daß man ohne üebertreibuug sa-
gen kann, daß durchschnittlich fast in jeder
Zeile ein grammatikalischer Fehler vorkommt;
sie waren von Anfang an nicht correct und sind
dann durch die Abschreiber immer schlechter
geworden und diese haben das selbst gefühlt
und bitten in den Unterschriften wegen der
Fehler um Entschuldigung. Indeß verstanden
baben die Mönche noch, was sie lasen, und
23*
288
■wemx maB sagen wollte, die Litargien sind ohne
Verständuiß abgelesen und die Bücher durch
den täglichen Gebrauch so abgenutzt, so würde
dies bei den Heiligenlegenden nicht zutreJBFen,
welche in dem schlechtesten Arabisch geschrie-
ben sind und bei denen man doch ein Verständ-
uiß voraussetzen muß um zu begreifen, warum
gerade diese am meisten gebraucht sind, da
außer der äußeren Beschaffenheit die unzähligen
Wachsflecken im Innern auf das Bestimmteste
darauf hinweisen, daß sie beim Schein der Wachs-
kerzen viel gelesen wurden.
Einen auffallenden Gegensatz zu dieser Ver-
derbniß in der Sprache bilden die fast schönen,
großen, deutlichen Schriftzüge, in denen alle
diese Handschriften geschrieben sind, so daß mau
einige auf den ersten Anblick für alt und aus
der besten Zeit der Arabischen Literatur stam-
mend halten könnte ; sie wurden aus älteren
Exemplaren theils von Mönchen, theils von Ab-
schreibern von Profession und auf Bestellung
copirt, um sie dem Kloster zum Geschenk zu
machen, und alle waren als Wakf d. i. als un-
veräußerliches Eigenthum in das Kloster gestif-
tet. Die Stiftungsurkunden sind vorn oder am
Schluß eingeschrieben und immer in denselben
Wendungen abgefaßt: es soll eine Handschrift
unter keinem listigen Vorwande aus dem Kloster
entfernt, nicht gestohlen oder verkauft werden,
und wer dagegen fehlt, wird mit Excomniuni-
cation und ewigen Strafen bedroht, es soll ihm
ergehen wie Simon dem Zauberer, Judas dem
Verstoßenen, Diocletian dem Ketzer und Herodes
dem Abtrünnigen ; eine der ausführlichsten die-
ser Urkunden ist als Muster für alle unten bei
Nr. 14 abgedruckt.
Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein,
289
auf eine Kritik der Texte näher einzugehen nnd
z. B. über das Alter und den Ursprung der
Uebersetzungen der biblischen Bücher Untersu-
chungen anzustellen oder wie sich zu ihnen die
in den Vorlesungen und liturgischen Gebeten
vorkommenden Texte verhalten, das wird einem
anderen vorbehalten bleiben, welcher in diesen
Dingen bewanderter ist als ich. Ebensowenig
konnte ich meine Untersuchungen auf die Ver-
fasser ausdehnen, da unsere Hülfsmittel hierfür
zu ungenügend sind und dieselben so oft wie-
derkehrenden Namen, wie Macarius, Athanasius,
Anastasius, leicht zu Verwechselungen Anlaß
geben. Meine Absicht ist nur, das mit einiger
Vollständigkeit aufzuführen , was wir besitzen,
und ich bemerke dazu, daß fast alle Handschriften
mit der Formel beginnen: ^üj^Ij ^'^^^ V*^^ l^***^
lj#A\äIt Im Namen des Vaters, des Schnee und
des heiligen Geistes !
1. j!V*Ui^ Arabische Uebersetzung der Psal-
men, der Anfang fehlt, Ps. xix — cli; die Zäh-
lung folgt der Septuaginta und der Syrischen
Uebersetzung, in den Ueberschriften ist die Zahl
der Versglieder ^^:i?gi*«5 anxov angegeben, am
Rande finden sich einzelne Abweichungen aus
der Syrischen , Griechischen und Coptischen
Uebersetzung angemerkt. Der apokryphe Ps. cli
JuUl^ oy^^^J.?^ ^_5^L^i jy^jVi hat die Ueberschrift
Ä«_.L_I^ j.^\jl^ vXXc ^ ^j\j> C>^\0J ^y>,ji\ IJ^
vi^sA« ^^ oLJl> jjif LI 8A>j iuxT (sie) j^^.«^!^
Q^.Xwt » Jlxc »dieser Psalm, welcher über die ge-
wöhnliche Zahl von 150 Psalmen hinausgeht, ist
von David einzeln geschrieben, als er den Kampf
290
gegen Goliat bestand, er hat 16 Glieder«; zu
zwei Zeichen im Text ist am Rande bemerkt,
daß das 12. und 13. Glied sich nur im Syrischen
finden.
Als Anhang folgen, ebenso wie in der Sep-
tuaginta, aus anderen Büchern des A. Test, die
Loblieder und Gebete des Moses, der Hanna, des
Hiskia, Mauasse, Jonas u. s. w. mit der Angabe
von größeren Zusätzen oder Abweichungen im
Coptischen oder Griechischen. Das letzte Stück
ist der Lobgesang der Engel »Ehre sei Gott in
der Höh'!« nach der Ausführung des Athanasius,
Patriarchen von Alexandria LgJCii'^ äXj^I ä.^^a*j
K-j.iAJüCw'^t <SjiJoi ^4^*^' u^j^:**'^^ V*^^ Hierauf
das Vaterunser und das Glaubensbekenntniß der
318 in Nicäa versammelten Bischöfe üiL äjU;."^!
^yjÄji iCoUSj nebst einer Erwiederung des Jahja
ben 'Adi ^) * — c>^ aJJI ^ (^<Ac ^ (^^t^ ^^tV^
ÄJwL:?-! '»S\^'% J, oLc äJoäJ *b*il w5y ^^ v!>r" —
Den Schluß machen 20 U^JlS Ka^töfiara Sitzun-
gen, d.i. Gebete, welche hinter ebensoviel be-
stimmten Psalmen gesprochen werden, während
die Gemeine sich niedersetzt ; z. B. ^ij'^l UwJ'Liül
1) Dies ist der mit Vornamen Abu Zakarija genannte
Jacobitische Arzt und Philosoph zu Bagdad, welcher sich
durch die Uebersetzung mehrerer Griechischen Werke
verdient gemacht hat, gest. im J. Chr. 974. Vergl. Ge-
schichte der Arab. Aerzte §. 110. Seine Theologischen
Schriften nennt Van sieb, bist, de l'eglise d'Alexandriei
pag. Ö44.
291
Jo öbLj '^lXju L«^ (j«>,o^t JUu f^^y«^5 y>t
L^LjJj'^l vSj>^ '^ya-JL-J'^ q.^^jLi^ Die erste
Ka&iO(itt^ nach dem 8. Psalm, es wird gespro-
chen das äyiog nud das darauf folgende dreimal,
das nateq rmoav und das xvqts eXsrjaov und dies
sind die roonagta —
200 Blätter Octav. Da nach der Zählung
der Papierlageu. vorn vier derselben fehlen, so
müssen diese etwas mehr als die fehlenden 18
ersten Psalmen enthalten haben und der ganz
ähnliche Codex im Britischen Museum Catalog.
Codd. Mss. Arab, P. II. Nr. 3 enthält auch eine
ausführliche Vorrede, während sie in dem Ox-
forder Codex, Nie oll, Bibl Bodl. Cod. X nicht
vorkommt. Vergl. auch Uri, Bibl. Bodl. Codd.
Christ, pag. 30. Cod. X. XIH.
2. y.i-Äo iCju,"^! Arabische Uebersetzung der
vier Evangelien mit kurzen Vorreden und In-
haltsangaben. Anfang: ^i-jü »Ul ^yu j^^JO^o
X «w^Xäll jJ>\^ ^^j^^ JÜ«JÜij ^WMWO ttOLw.t ^^yiM»>3
d. i. Wir beginnen mit Gottes Hülfe und seiner
guten Leitung mit der Abschrift der Vorrede zu
den vier heil. Evangelien. — Ueber Matthäus
heisst es : Sein Name war Lewi, er war Steuer-
eiunehmer und wurde Schüler und Apostel; sein
Name bedeutet ^JtljL*ai\ der Auserwählte und er
gehörte zum Stamme Isaschar, aus der Stadt
Nazaret, sein Vater hieß ]ii^o , seine Mutter
^^LjV.l^. Er schrieb sein Evangelium in He-
bräischer Sprache, begann damit in Palästina
und vollendete es in Indien, als die Schüler aus
dem Lande Judäa vertrieben wurden im ersten
Jahre der Regierung des Kaisers Claudius und
292
im neunten der Himmelfahrt. Er erlitt das Mar-
tyrium io der Stadt ,^,jJ^ durch Steinigung
am 12. des Monats Bäbeh und wurde in !iJs>-\h.\
xj.Lw-^ begraben. Das Evangelium übersetzte
Johannes der Sohn des Zebedäus in der Stadt
^-vJ"^! und verkündete es in Indien und in Je-
rusalem. Es ist in 101 Capitel getheilt.
Die Vorrede zu dem Evangelium des Mar-
cus bewegt sich in allgemeinen Redensarten
und erwähnt nichts über seine Persönlichkeit ;
es enthält 54 Capitel.
Nach der Vorrede zum Evangelium des Lu-
cas waren er und Cleophas die beiden , welche
mit Jesus auf dem Wege nach Emmaus zusam-
mentrafen. Lucas hielt sich erst zu Petrus, in
der Folge zu Paulus ; er schrieb sein Evangelium
Griechisch in Alexandrien im 14. d. i. letzten
Jahre der Regierung des Claudius, im 22. nach
der Himmelfahrt. Zuerst verkündete es Paulus,
dann. Lucas selbst in der Stadt Macedonia; er
starb zu Rom als Märtyrer am 22. des Monats
Bäbeh. 86 Capitel.
Johannes schrieb sein Evangelium Grie-
chisch zu Ephesus im 8. Jahre der Regierung
des Nero, 30 Jahre nach der Himmelfahrt; er
verkündigte es zuerst in den Städten von Asien,
nachher in Ephesus und blieb dort 27 Jahre,
nämlich unter Nero 6, Vespasian 10, Titus 2,
Domitian 0, bis ihn dieser nach der Insel qm-^
Patmos verbannte, wo er sich sieben Jahre auf-
hielt, eine Kirche baute und die drei katholi-
schen Briefe schrieb. Er hatte drei Schüler bei
sich: Ignatius, nachher Patriarch von An-
tiochien bis er in Rom den wilden Thieren vor-
geworfen wurde; (j^jjLäJLo verschrieben aus
293
(jfc^.UuJLs Polykarpus, nachher Bischof von
li^fcjw Smvrna, welcher den Feuertod erlitt, und
-c>j3 Pü'gir (soll wohl Papias sein), welcher
in Ephesus sein Nachfolger wurde. Als Trajan
zur Regierung gekommen war, lebte Johannes
noch sechs Jahre zu Ephesns, er starb dort am
4. des Monats Tuba und wurde dort begraben ;
er erreichte ein Alter von 101 Jahr, von denen
30 vor und 71 nach der Himmelfahrt. Er hatte
seinen Schüler Pü'gir letztwillig verpflichtet, daß
er Niemanden die Stelle seines Grabes wissen
lasse, und so ist sie unbekannt geblieben, denn
das Grab , welches dafür ausgegeben wird , ist
das des Pü'gir. Dieser ist es, welcher die Apo-
calvpse aus dem Munde seines Lehrers Johannes
aufschrieb. Der Vater des Johannes hieß Zebe-
däus, seine Mutter anfangs Theophila, nachher
Maria; er war aus Bethsaida und gehorte zum
Stamme Sebulon. Als Johannes sein Ende nahe
fühlte, grub Pü'gir ein Grab nach dem Maaße
seiner Größe, dann schickte ihn Johannes fort,
um für ihn Todtenkleider zu holen, und als er
zurückkam, fand er das Grab zugeschüttet, aber
von Johannes fand er nichts als seine beiden
Schuhe. Das Evangelium hat 46 Capitel.
Die Unterschrift des Codex ist : ^^»JU^j Ji
^^mX^ py**^ ^j V'^^'i*^ v3^-^' (3^Jt ci't^^^ '^^-^
^;;^--äjLc5 v^I \i,s JCm« (3^^! *^. j^ y^ vüJli»' J:*^
'!i.*>*A. i u^ö \ütil^^ KAJbL^t ^«^^ ii-^H^ ^'^^
294
t^l ^Icjl^ i3j-iÄflj ^'(cU^ Vollendet am 29.
Buna, übereinstimmend mit dem 15. Rabt' I.
1208 der Hi'gra nach dem Arabischen Mondjahr
übereinstimmend mit dem J. 1515 der Märtyrer
(Chr. 21. Oct. 1798). 200 Blätter kl. Quart.
3. Arabische Uebersetzung der vier Evan-
gelien mit Commentar; die Blätter sind gezählt
von 12 bis 373, es fehlt die erste Papierlage,
welche vermuthlich eine allgemeine Einleitung
und eine besondere zum Matthäus enthielt und
es beginnt sogleich das Evangelium des Mat-
thäus .LäJ! ^la*a.i\ ^ J^i in 101 Abschnit-
ten.— Die Einleitung zum Marcus Joc^l '»j^'\3
-iJi-JI fj**^jA ^}yMj\ giebt an , daß er sein Evan-
gelium im vierten Jahre der Regierung des Clau-
dius, 12 Jahre nach der Himmelfahrt Griechisch
in Rom geschrieben habe, wo es sein Lehrer
Petrus zuerst verkündete; Marcus selbst that
dies in Alexandria, Mi9r (Cahira) und dessen
Districten und in den fünf Städten ; er starb
als Märtyrer in Alexandria. Die Uebersicht der
54 Capitel ist in einer Tabelle enthalten. —
Die Vorreden zum Lucas und Johannes sind
mit dem vorigen Codex fast wörtlich gleichlau-
tend. Vergl. Nicoll 1. 1. Cod. XIV.
In den Ueberschriften ist zugleich angegeben^
an vvrelchen Sonn- und Festtagen die Abschnitte
beim Gottesdienste vorgelesen werden. Der
Commentar ist aus den Schriften der Kirchen-
väter zusammen getragen; es werden genannt
Johannes Chrysosthomus ^_^JJI ^, Epiphauius,
Severus von Caesarea, Cyrillus von Jerusalem,
Titus, Basilius, Eusebius jj*jj^Lw*j,\ oder y^^Lvj!
an einigen Stellen y^^L«,!, was man Ausonius
lesen könnte , Clemens g^JaJuJüJ^ 5 Gregorius
295
Theologus (j^^^^bü! oder der Wunderthäter
j_c.jL_:5^! , Apolinus , Athauasius , Timotheus,
;j*jj^'j, Theophilns, Dydimus.
Die letzten 14 Blätter sind in neuerer Zeit
ergänzt und darauf bezieht sich die Unterschrift :
pU .Lpl lXs>^,^ l5^^ u^j^S iS^ y.'*-*^ "4;^^ J»*^
»jJl y5'^Li\ LT*^' ^<y. *^^-^^ ""^ er ^^j*-^ o*^^
JjjUi^3 ^J^] Low ^^jjCj iÜM^j^^ |?j!(j^tjj^i i^\iXx^\
iüuJLi> J>l oLc^t vL-ii^' tr^Li.^ ^^^^UJÖ! j^! ^-üi^\
^^; ^ _^! ^ly! JoiäJL ":< u--«^ ^^L. ^^j a]J\
Zu Ende sind die vier EvaDgelien des Matthäus,
Marcus , Lucas und Johannes , die Ströme des
Wassers des Lebens , die den Durst löschen , die
Erläuterung und Erklärung, durch den Segen
des Herrn , Amen. Die Vollendung dieser Er-
neuerung erfolgte am Donnerstag den 12. des
Monats Epep im Jahre der Märtyrer 1527 (Chr.
1810). Der Abschreiber ist der niedrige , ver-
ächtliche, träge, sündhafte. Staub und Asche,
das niedrigste und geringste der Geschöpfe Got-
tes, dem Namen nach Priester, nicht der That
nach , Ibrahim Abu Tabl Ihn Sam'än el-Chawä-
niki; Schüler des seligen Presbyter Gnr'gis, des
296
Vaters des ^yovfisvog Philemou, Diener des Mär-
tyrer Mercurius, er bittet euch um Fürbitte.
4. Coptische Uebersetzung der vier Evan-
gelien 200 Blätter gr. Folio , große , schöne
Schrift; das erste Blatt zeigt ein Kreuz in bun-
ten Farben, auch das erste Blatt jedes Evange-
liums ist bunt verziert. Die Ueberschriften und
der Inhalt oder die Anfänge der Capitel sind
am Rande auch Arabisch beigefügt, wie Jw^^'bJl
shj^\ ^ y*oiAÄll (j^iAÄl! Cap. I J>^LyO \JüS
^?oi*m py^. Matthäus hat 85, Marcus 52, Lucas
84, Johannes 40 Capitel.
Unterschrift: U5>^ ^j*oJüii! J^l J^^ J
juiiSi y5.Lil (jvJo':iJt |.o {j^\ Vir^^ CT* ^«^''^^ jir^^^
^L^'bJi i^liA^-iJ! (coptische Zahlen) 1491 ^^yuji j^
^L^i jjLÄ^t l5i^ '*^y- f^^ oKj *^«-H^ c;^*^^^
L-*-it ^j^=d\ goyi ^UJ! J^UJI v^^ »^5 *^
Äjwij^! yof, ^y^] iC>jJlj iijö^t v.JÜijw! (j*^-m«Lo!
j.jjPI S.Lä ^*wwUÜ5 f^^ji^ jj^5 «-V. er *^j*J^ y5ÜLS)
Zu Ende ist das Evangelium des heil. Evan-
gelisten Johannes, Amen! am Dienstag den 10.
des Monats Mesore im J. 1491 der Märtyrer (Chr.
1774); die alte ursprüngliche Zeit (der Hand-
schrift, als welcher die jetzige copirt wurde)
war das J. 1073 der Märtyrer (Chr. 1356); und
der, durch dessen Sorge (auf dessen Kosten) die
neue Abschrift dieser Evangelien , der Ströme
des Wassers des Lebens, bewirkt wurde, ist der
207
vortreffliche, wohlthätige , freigebige, geehrte
Vater Amba Athanasius, Bischof des Districtes
Manufia an der Seeseite von Mi9r, und diese
neue Abschrift ist gemacht dnrch den niedrigen
Ibrahim, Abschreiber in der Griechen-Straße zu
Mi9r.
5. Der von späterer Hand vom eingeschrie-
bene Titel ist:
»Dieses Buch enthält die Briefe des Paulas, die
Katholischen und die nqa%nq.<. Den Anfang
macht ^LmaJ! ^ i:7^>^^ ^-^^ U*^>^ v)^.'^'^ ä^JüU
»iLu ^ü U J^ «Uöi ÄxiL«^' ^^ »Einleitung in die
Briefe des Paulus, verfaßt von d-Mutamin ben
el-Assal, sie besteht aus acht Theilen, wie nach-
her näher angegeben wird;« nämlich
»J^^l lijj3 j.^^ »y= S3 ^y ^» «^L:# /^ vi;JUÜtj
(j«0-»*JI^ idJ^ ui^ ^Ji/ ,ji*^'^\^ o^XUJI *JjiÄJlj
»1. Seine Lebensumstände vor seiner Be-
kehrung. 2. Sein Leben nach seiner Bekeh-
rung. 3. Seine Wunder. 4. Sein Lebensalter
und der Tag an welchem er das Matyrium er-
298
litt und in das Himmelreich einging. 5. Er-
klärung einiger Ausdrücke in seinen Briefen.
6. Die Weissagungen, welche er in seinen Brie-
fen als Zeugnisse anführt. 7. Die Zeugnisse,
womit er den größten Theil der in seinen Brie-
fen enthaltenen Aussprüche beweist. 8. Erklä-
rung der Arabischen Ausdrücke, welche in die-
ser Einleitung gebraucht sind.«
Blatt 85 beginnt die üebersetzung der Briefe
des Paulus selbst; Bl. 225 folgen die sieben ka-
tholischen Briefe, Bl. 274 die Apostelgeschichte.
Den Schluß macht «ÄaJLj (j*^jywlj^J> y^jtAäli iüLw.
(jy. — *wj — II iA-mJj ywjlj'U-Ja (j^olXJÜI ^t i3ywwJ5 U^yi
(j/*y-iai (jw^IauJi {^^jiMjl\ oLg.vXÄjwl Jc>-i Qt j^i\4^\
I er» (jÄiwoLä-l ^ i^y^j '^.*^. {j^j-^i »Brief des
heil. Dionysius, Schülers des Apostel Paulus, an
den heil. Timotheus, Schüler des genannten
Apostels, wegen des Martyrium der beiden gro-
ßen Apostel Petrus und Paulus in der Stadt
Rom am 5. Epep.« Die Adresse q|^-uJI ist:
0^^[iitAj j,L=>j^i v'^'j ^-^^ (J^^ g-»l^>^5
»An den Schüler in Gott und den Sohn im Geist,
den Diener Gottes und seinen Auser wählten und
den VoUbriuger seines Willens, den Standhaften
in Bedrängnissen, den über jedes Lob Erhabe-
nen, den Lehrer der Wahrheit und den geisti-
gen Vater Timotheus.« 6 Blätter, der Schluß
fehlt. Dieser Brief findet sich auch in Oxford,
Uri, Bibl. Bodl. Codd. Christ, p. 40 Cod. civ. 2.
299
Epistola consolatoria Dionysii ad Timotheuin de
Petri et Pauli martyrio. Wenn man auch darin
ein späteres Machwerk erkennen muß, so be-
weist doch die Ueberschrift , daß in der Copti-
schen Kirche der TimotheKS, an welchen Diony.-
sius Äreopagita seine Schriften richtete, für den
Schüler des Apostels Paulus gehalten wurde.
Vergl. Biblioth. graeca ed. Migne. Vol. III.
Colum. 25. Vol. IV. Colum. 929.
6. Dasselbe Werk in einer ungleich älteren
Ausgabe, nach dem Aussehen zu urtheileu schon
vor mehr als hundert Jahren gänzlich verbunden,
so daß der Text des Briefes an die Römer vor-
ansteht und die Einleitung an verschiedenen
Stellen zwischen geschoben ist. Die Zeit der
Abschrift steht am Ende des Briefes an die He-
bräer :
g!^ — 5 vjb!^^ {j*,Jjj-»jJ3 ^ L^ vi^juj LiLLü! q, L^j
Zu Ende ist der Brief an die Hebräer und da-
mit enden seine Briefe ; er schrieb ihn aus Ana-
tolia^) und sandte ihn durch Timotheus. — Die
Vollendung der Abschrift desselben erfolgte am
Dienstag den 25. Babeh 985, übereinstimmend
mit den 6. ^afar 667 (Chr. 15.0ct. 1268). Am
Rande sind, mit ^ und ^j, bezeichnet, einige
1) So ist hier und in dem vorletzten Verse deutlich
geschrieben statt des sonst vorkommenden l-;<^LLut Italia.
300
Varianten der Coptischen und Syrischen Ueber-
setzung angemerkt. — 246 Blätter Octav.
7. Coptisch, 204 Blätter Folio große deut-
liche Schrift ywjULä Ka&i^fxsqog^) Vorlesungen
für alle Sonntage in der Fastenzeit, Ostern bis
Pfingsten. Das über den Coptischen Titel über-
geklebte Blatt hat die Arabische Aufschrift :
(.yaJI J>3c\ä- (j/,^Uiaä !JyJ> J^l ^\ ^Is^l ^\s>\ J_yai
äj,— AoÄÄ-Jt^ \X^\ {jiJtij\^ ^^jy*«.^^.! v>^iA>3 öjULJU,
Darunter daß dies mit der Arabischen Ueber-
setzung der Evangelien und der übrigen Schrif-
ten des N. Test, übereinstimmt: ^j^ ^^ !J^
(^ jJI aX*» J^ Die Ueberschriften für jeden
Sonntag sind Arabisch.
8. Lectionarium Coptisch, Anfang und Ende
d^fect; das noch erhaltene Schlußblatt hat die
Unterschrift: (j^UIaä L«-^! (j.-<AfiJI <^büi\ \Sj>
j^^ i^jl-y« Ab'j c5'^^ »dies ist das heilige Buch,
welches KadrjfieQog genannt wird, das bedeutet
das täglich Vorgeschriebne für den Mouat.«
Die Ueberschriften sind Coptisch und Arabisch,
die erste : I o, obLyo iu5i^A^= q^ ^ JijJl^ q^Uü!
^^wcjil isy^ ^i>^^ ?y**^- *^°^ ^^* *^^^ Kihak,
1) Man findet auch ^jA\hLi und (WjULLaä geschrie-
ben ; Vansleb 1. 1. p. 62 hat das Wort nicht erksmnt
und schreibt II • Cotmarus.
I
301
Geburtsfest unseres Herrn Jesus Christus,
Abends, der Psalm;« die letzte: s^ys ^^ jS>'\
.y«ii! *-y^ äni letzten des Monats Tuba, am
Feste der heiligen Pi&tis und ihrer Begleite-
rinnen Helpis und Gäpis;« auf dem Ueberbleib-
sel eines abgerissenen Blattes kommen die drei
Namen wieder vor und der letzte ist hier ,j(--oLtt
Agapis geschrieben, also Glaube, Hoffnung,
Liebe. — 228 Blätter.
9. Coptisch. schöne große Schrift 127 Blät-
ter gr. Folio, ohne besonderen Titel, enthält
die liturgischen Vorlesungen Morgens und Abends
vom 4. Sonntage in den Fasten bis zum Palm-
Sonntage. Die Ueberschriften sind Arabisch in
Thuluth-Schrift, die erste iüu^^ or '**^^ f^^- J^^
li^J ,^ßsXi\ (jMJijm »j*aJI ^^f, Äjul^l, die letzte
10. y",t t^'** Arabisches Lectionarium mit der
Ueberschrift : xaLaä!! äjuJ? Jj! q, &j!Jj ^-r"^- ^
— ^ji^A äaAc iV-cp? »Was gelesen werden muß
vom Anfang des Coptischen Jahres, dessen An-
fang der Monat Tut. Erster Sonntag des Mo-
nats Tut, Evangelium am Abend, Matthäus —
(Copt. Zählung d. i. Cap, XI, 11).« Ausschließ-
lich aus dem N. Testament für alle Sonntage
und einige Festtage; erster Theil . die ersten
sechs Monate euthalteud. Am Schluß des 6.
24
302
Mouats Amschir ist eine Stiftung, Waef, für
das Kloster Amba Bischoi* von späterer Hand
eingeschrieben und beginnt: *A£>^i *-*j!5j^' ^^ f*-*^
J3^? ji^^y U*)'-*^ V^JÜ' Dann folgen von der
Hand des ersten Schreibers noch einige Ab-
schnitte für die Festtage der Maria, des fingeis
Michael und der Märtyrer. 209 Blätter kl. Quart.
Auf dem ersten Blatte hat sieh ein anderer
Schenkgeber für das Kloster Priester Jobannes
aus Fajjum geaannt.
11. Arabisches Lectionarium für jeden Tag,
den 3. und 4. Monat des Coptischen Jahres,
Hatür und Kihak , enthaltend , auf dem Deckel
und in der üeberschrift mit dem Titel: ^_^ UbJ»
w^^A^^j .*ji^ j^ mXs^. 220 Blätter Quart. In
der Unterschrift ist als die Zeit dieser Abschrift
angegeben Dienstag den 15. des Monats Tut im
J. 1500 der Märtyrer (Chr. 1783) und als Ab-
schreiber nennt sich^5(^ el-Sajjid, (wie in Nr. 16).
^JJ-sc^ cr^y^ «Xw*Ji c>u* ^JiJ^sui>^\ JJJLüi^ ^^\
LL^I ^NAMuJt^ iC»jJuJI O^^! 8tÄ> U.«j|^ ^^4.^3jUX
12. Dasselbe Lectionarium für dieselben
beiden Monate Coptisch , die Ueberschriften für
die Tage Arabisch: _^ *J^. ^^.'^ jj«,.Ul33 v-iLiii
w5^^^ ^yJ? 234 Blätter Folio. Abschrift be-
endigt am Sonntag den 25. Kihak 1501 der
30»
Märtyrer (CUr. 1784) nach der Unterschrift:
twXju«JI^ >''-i^^^ ^lX^^' xaIsaÄ ««äi!^ juU>M..«3^ kXs»|^
13. Von demselben Werke der 5. und 6.
Monat, Tuba and Amsehir, Coptisch. %^jLi^o
j^-^S>^\^ iuvb j^ jwAsc?. ^J^ u^}-*^ Ohne Un-
terschrift, aber von derselben Hand wie der
vorige Band. 220 Blätter Folio.
14. Von demselben Werke der 11. und 12.
Monat, Epep und Mesore, Coptisch, die Ueber-
sehriften auch Arabisch, wie im Anfang (j*.*nidi
21 jMj^ *tv^ ---«tW' j^ ^™ Ende des Jahres
die Vorlesungen fnr die fünf Schalttage ^c***^S
Den Schluß macht eine lange Arabische Nach-
schrift, worin als die Zeit der Beendigung dieser
Abschrift Freitag der vierte Tag dee Monate
Buna 1496 der Märtyrer (Chr. 1779) und als
der , welcher sie veraulaßte und stiftete , der
Priester Gor'gis gen. Abul-Muchli9 ange-
geben wird.
^^^ (hJC^. ^\ ^j^\ ^^jjQä}>\ \j^ ^. J
V..S — Ä iÜjw WjjJ j^ j ^«jj ^\j äJ>y^\ xfc^i j,|jj
!iAw>*» 1! .w^'lJ! !cX.^AU xa^.«.''» (jvjcwj'^ juÜM äjL^jI^
24*
304
^^y—^i) UJ-^^ e5)'-^J«^^ Ci'-ÄÄJi XcLftvCio .^«Ä^J? jJw Qt
,j>*.-^j=> ^jlo*, ^L^^5 ^^y^! ^^aj^ilt iül^j ^bu^l
«jU*^! ijXo^ ^IXi! i:;^i »Ju q^ Joy^M«!! XsÜ' I^LiJot^
v.^A.AA^i Lpjt Q^ JLmö x^yii! »xLäAJ! x«.»-Lo xx&LxMiIt
^Lyto^l xLi^LäJI ^^'^\ J^ |9-^^' ^.J^ s^Ä «^ J^«^^
iüu.^l KfcUxia \ajUvJ\ ^♦-JLi.yj ^5 5r^' ijU*'--?»»»'!^
^^jy^Jt \JftJ^\ 'iS^ yMt.AJMÖ ^wiÜX£^ MU.^!^ Oljl^A»>
oy«aJI j)ö i^jj*^! Llo! «!i)^LaJI ^LäJÖ! IJ^ ,Uft' qI^^
j^Lpuj ^y ♦ *=^ ■> jjObXJ' 4)^' vJl?^ \s^'^ ^4^.^^'
^Uoil »jA^t v^^xUI ^LaJI j^Wii \Ä9yM .^ oy^^
305
^l— i* *xJyjJt ..^^Lo J^^^^« ^ w^i ^^\ jui\
»^^LJrÄ;ujJ. »ill »UL^I j^i ÄAfl^t ^t^^^t
otö ikcLiÄj* ol^-fw^t Oj-^aJu ^5 vvi*^5 Äi^3y-ä aiJ
<3>Ä^i (j?;^X*J! o!^^-Ji^ ^y^^i ,7*^5 O^^^"*^ o!cwäAJ{
^-uJI^ JmC^^ J^S^Xl\ ,-^Lo OUJLLu w<xfi bb e^Ut
j ,*A^x*il U-H^äil w^u ^^ iJjL^ 'u1a>5 IJu^ L^
"i «^ö Jo^! ^ ^pU v-i^ LiA^^ (.ijöl J--JU ^J
^^ ,*,L^t (j-^>^' J^+^'v»-?^ cf^'y v^< o'>^
^LbU 50^^ ,j^ [a5>^^ !•] a:>>^^ ^>>^yij^
306
«^^j^ ^^j-* >»-j^. ly^ vi.UJ3 .«JL^>^ wJi ^>-J» o^
,4»**-^ ,^5^^. *^5 yp^ oL^5 J^ ty» »J^l ;^3 fcSyw
^^4.AAM J-« iu-wai 0^3, c^Uiy 5 j;^- j *^^^ 05^- ^
At-kn-if (^^^M«^ Uii (H^Jk2*)i yM^.Jütil y^^fr-tf>^ \J>}^^
i^ßd^\ j-bUii aili j,^ v:>^' Q^3 (>..,titlS v«jiä^l ^i
321 Blätter.
15. .ij^^uil (^j***-* j^ ^O^. ^}^J^ ,^J*JUip5 Lee-
j - ,
tionarium für den Monat Mesore Arabisch. Un-
terschrift : jjl^J ^^t UJ;J| ^J., J.X-WO t^y*^ J^ J>-*^
v,^! xüjM xJ^y Qi /u! J! u5.LI! ^^jyjt^S ^y, &Ä^ AI;^^
I • «-" ^'i^jj .L^'!^}! iiA^.^ ^^jytAMJf^ ju;^3 jüL/jjl^
^^\ »Zu Ende ist der Monat Mesore. Die Be-
endigung erfolgte am Dienstag den 4. Biina 1493
der Märtyrer (Chr. 177C).« Dann folgen noch
die fünf Schalttage , welche j-u^aJi j%^^ »der
kleine Monat« genannt werden. — 92 Blätter
in Quart.
Bin lose darin liegendes Blatt beschreibt in
807
fehleriaftem Arabisch, wie im J. 1579 der Märt.
(Chr. 1862) am 20. des Monats Bermuda in der
dritten Worhe na^h i^fingsten der 111. Patriarch
Amba Demetrius zum Besuch nach dem Kloster
des heil. Macarius kam in Begleitung des Amba
Petras, MetropolitaB von Cahira, uud des Amba
^ji*^]^. Jonas oder Johannes, Metropolitan des
Distrietes Manufia, und mit großen Ehren em-
pfangen wurde; er begab sich dann auch nach
den Klöstern der Syrer, des Amba BischoT und
der Maria in Baramus; in dem letzteren wurden
von ihm acht Priester, in dem Kloster des Ma-
carius bei seiner Rückkehr sechs Priester ein-
gesegnet.
«is>^^ U^^^ oLs»3^ jA-«^^ j^ A&tiphouariHiH.
1. Theil, vom Anfiang des Tut bis «um Ende
des Monats Amschir. Die Antiphonie besteht
darin, daß an jedem Tage zwei Sprüche Coptisch
4ii4t verachiedeuer Modulation 4er Stiaune yor-
g^tragen werden , die eine *b! -Ja tpaX. tixof
adafi. die andere ^j-Jstj -J? ^al. 17x0g ßavoq.
Für jeden Spruch folgt eine Erläuterung Arabisch
J\S:^\ ^Jo}\ jJjmJlj und u^JalJ^ rj^^ j?y*^ '"^^ ^°
eine derselben ist ebenfalls Arabisch eine kurze
Geschichte des Tagesheiligen angeknüpft. Diese
Geschichten stimmen in der Reihenfolge für je-
den Tag uud in ihrem wesentlichen Inhalte mit
dem Calender der Heiligenlegenden Nr. 27. 28
überein. In der Nachschrift wird als Datum
dieser Abschrift der 17. des Monats Bermahät
im J. 1504 (Chr. 1787) angegeben und der Ab-
schreiber nennt sich Abd el-Sajjid mit Namen,
308
•Möuch im Kloster des Amba Bischoi. J^^^ Ji
pL^ÄiJ i^\^ äjj j^ IlXäjI q^ ij^UäjlXÜ o^ ^35"^! ^j^t
, jJisA (Aj Jwc (i^öj .L^*;^! icX-^-ÄÜJ iwujij iüLfw.-«J>5
^! j^^j-Ä-u Eine zweite Nachschrift giebt den
Nameu des Stifters an Gor'gis mit dem Beinamen
el-Nachili, Mönch wohnhaft in dem Kloster des
heil. Amba Bischoi und wiederholt die Jahrszahl
auf doppelte Weise 1504 der Märtyrer d.i. 1202
der Hi'gra. v^Ui LLot w^^LU! v-^LäÜI IJv^j ^\^
j-jJ^ qIjIj v^I; (Jii^^ «-.^äUJI ^J>*s>^J>' ^j^3.*}\
L\_s>t lXj Jw£ aIL:> v^J^3 ^^ CT* 'S^ uiy^l (t<^3^
tcX^Ail »Jtij^^ KjUw.4>:>3 \,^t xmm (^i3^ jri<^^ ^LmäJ^
t^.- y ;.U^ v^t xJUw Ä^ytii H«^-^ vjti|^t jl-f^'^t
^t ^LJt^ (^^1ä!5^ 226 Blätter in Folio.
oLfi»5iill^ oULoj^!^ sL-^ **J^^^3 oL^ltXj Die
tpaXfjitoäta für den Monat Kihak, die sieben
1) So fand auch Vensleb 1.1. p. 62 u. 325 den Titel
und erkannte die Entstellung nicht, indem er le Defnari
schreibt; er nennt als Verfasser den 70. Patriarchen Ga-
briel b. Tureik, welcher 846-861 (Chr. 1130 1144) auf
dem Stuhle saß.
309
^sodoxta , die vier nächtlichen Umgänge , die
xpsXha und die Antiphonien. Koptisch und Ara-
bisch. Unterschrift : iü.>jjL*ju^^ a^ J..»'^^ >
^^\ j Ujl« ^t ji! ^^l(5 (jy«^ v^^ er c^^ ä-mAüJ!
(kopt.Zahlen 1516)*jL*«j5iOyoj j^Q«j-ä^(j«>l-MJV
Äxk*jj ;Lfb"^i iJ^-iJJ Zu Ende sind diese heil.
Psalmodien; die Beendigung der Abschrift war
am 16. des Monats Bermuda im J. 1516 der
Märtyrer (Chr. 1799).
Ju3^ »J>o ^>-^^ (Js>.^5 t)jCiJ! y-o^t s-^l (sie)
gJ! ^i^i^ ^.^Jü! tÄP ^ iJU a^LiiJI «^Ju Der
Stifter dieser Psalmodien ist der liebe Bruder,
der weise Philosoph, der mit Engelsgestalt an-
getliane, der einzige seiner Zeit, die Perle seines
Jahrhunderts, unser Vater der geehrte Priester
Gabriel, einer der Priester der heil. Domina bei
den Syrern, aus Liebe zu dem heil. Amba Bischoi,
dessen Fürsprache er dafür erhofft in dieser und
der zukünftigen Zeit u.s.w. — 213 Blätter Folio.
18. Auf dem Deckel pLm*jÜ!^ (3'>^y5 jl-i> w'Jli'
qL^J\^ Gebete bei Leichenfeierlichkeiteu für
Männer, Frauen und Priester. Coptisch und
Arabisch. Der Anfang fehlt, eine Ueberschrift
lautet : \s>j:i ^-yar^l ^^ j Uj j^ jJt ^iyaälS t^
s^^AS Q^U^i J^^ L^OLo» c-Le U^ \yuaj,^ xJ^vXs» I.JÖ
s
310
jyo^l «iaüil »j^ |yL}j jy*^^ t^-7^-5 j^^^ »Dies
sind die Stücke, welche gelesen werden beim
Aufheben der Matte, man nimmt einen neuen
Topf, thut Wasser und Salz hinein, der Priester
spricht das Dankgebet, erhebt das Rauchfaß und
li^t folgende Abschnitte, aus dem Psajm —
^L^üt j!V^ — xm-woU^I j!^*^ — Abschrift
eendigt am 14. Buna 1269 der Märtyrer (Chr.
1552). 102 Blätter in Quart.
19. Arabisch. Vorn fehlen 19 Blätter; Bl.
20 — 116 Theologische Abhandlungen in Gesprä-
chen zwischen dem Lehrer und dem Schüler, —
Bl. 117 - 1^8 «J^—i. ^ \j'i\ j^:xiu jL- Uf vU^d
I^jLc äs^L;?»-.^ o"^Lg/> »jEüie Aiazahl von Fri^^u, die
einer der Väter au den Verfasser gerichtet hatte,
und seine Antworten darauf.« Acht Fragen in
acht Capiteln. .^^»-ölii vi>-JLij -Ucul ^5 S^"^^ v'-i^^
«ücc>;jj5 1. Cap. Erklärung der Dreiheit der
Personen (in Christo) und seiner Einheit. —
Ende fehlt.
20. Bruchstücke einer theologischen Ab-
handlung in Gesprächen zwischen dem Lehrer
und Schüler, Arabisch. Abth. 29 bis 43 sind
größten Theils erhalten , die üeberschrift der
29. Abth. ist: jj» ^1 ^ Aju ^w^^ itju^j J^
k>Lmiw« \a^ iXi^ ^^M^Jl ^^"^1 oy^^ &fi»Uuuo \iyjtiaÄJ\
UxjI ^^.«^Jb äW [Jf>J^^ ^JJ; yLiJt QjtH^ — 130
Blätter iu Quart. Die Zahl 43 läßt vermutheu,
>^aß dies dasselbe Buch sei, von dem Vansleb 1.1.
p. 346 — 347 sagt : Teäao , de Haha , a fait un
ijvra iütüule , U MaUre , & h JJisQ^e. II cou-
tient 43. colloques. Et j'ai envoye k la Biblio-
thet^iie dn Roy oe livre.
311
21. Theologische uud moralische Abhand-
lungen , Arabisch. Quart. Die erste Papierlage
fehlt; Blatt 13^ beginnt der 3. Abschnitt Juos
des 5. Kapitels ^^yö oder ^ über den Hoch-
muth sXijJi^ So ^ 4. Abschu. über den Mord.
5. Abschn. über Bahlerei und die verschiedenen
Arten derselben und über verbotene Verheira-
thnngen Mj:^\ *-?r^^j ssi]y\^ tüjJt j. El. 24\ Vom
6. bis zum 49. Kap. Alles wird mit Stellen aus
den Canones der Kirchenväter belegt und es
«chließen sich daran noch mehrere ungezählte
Beweisstücke , das letzte mit besonderer Ueber-
fichrift Bl. 98: das Verhalten derer, die ihre
verborgenen Sünden bekennen, von Amba Theo-
doros, Obern des Klosters el-I^taudion. Daß
dieser Theodoros der Verfasser sei, geht aus den
Anfangsworten hervor ^^-«X»MI! 'j! ^\. ünter-
«chrift Bl. 104: beendigt Freitag den 5. Tuba
des Copt. J. 1257 (Chr. 1540). Bl. 104^ bj*j>.^^
i5L*oiJt ^i 4A**«"bH ,y>''^\ — Kurze Gedichte über
das Erbtheil der Christen nach ihren Classen,
verfaßt von dem berühmten Scheich el-As'ad Ihn
el-'Assäl; zum Schluß drei kurze Gedicht« aus
den Canones des Amba Gabriel LJi i^yi er*
Bl. 108 N^RÄ*«! JuoLiry« l-*Jt J-^^ oJ»»>5 J'j'-**^
^«.JLo 37 Fragen (und Antworten) gefunden von
der Hand des Amba Michael, Bischof von Mali^.
•i^üJij^\ ■»jlkJ\ j^^JLiu. ^^\h^\ *^:^\^ Ein«
312
andere Erklärung ausgezogen aus den Canones
der heil. Väter und Lehrer der orthodoxen Kirche.
Bi. 121^ j — ^^- ^y«; ^ i3^^ joU^ ^^
Xa^NwwII Fragen und Abschnitte über Gegenstände
die sich auf Priester, Mönche und Laien bezie-
hen, nach den Bestimmungen der ersten Lehrer
der Christlichen Religion.
El. 129 (iUJ JäXi ^J<ÄJ^ Li iüLsM^j iüu*^ 'f^}-*^^
K*h.«,ftJi JUaJIj äJ^^I üyl>Äl5 iy 101 Frage, die
sich daran reihen aus den apostolischen Canones
in der Coptischen Kirche; von Amba Äthan asius,
Bischof der Stadt CÜ9.
Bl. 13B ^'juij iUxJI (sie) ^\ ^Lx^- ^U^
äJL*w« ^^JiX£j xäa^w 27 Fragen, deren die Kirche
bedarf; nur bis zur 17. Frage erhalten.
22. Ohne Titel. Abhandlungen über Fragen
und Stellen aus der Bibel. Arabisch. Es ist
das Autograph des unbekannten Verfassers im
Entwurf und nicht leicht zu lesen , mit ausge-
strichenen und veränderten Sätzen und Zusätzen
am Rande, und zwar nur der vorn defecte zweite
Theil des Werkes , die Blätter mit coptischen
Zahlen von 13 bis 453 gezählt. Li den ersten
Blättern kommt ein Citat aus der Chronik des
Sa'id Ihn Pitrik (Eutychius) vor. Bl. 23 be-
ginnt der /, Absch. des t. Cnp. des 2. Theils :
I — ^i ^^ ^ooi j_^ ^\ S^^-uiJi J^ ^'M\ ^■y4.^:aXj
U^ ^ Uj L^ ^ ^J, urj^yJ' j^ er ^jf:^ oy^
313
Li «5ÜÖ ^^ »lieber den Baum,
Ton welchem ausschließlich unter den Bäumen
des Paradieses Adam zu essen verboten war,
weßhalb er ihm verboten war, was fiir ein Baum
es war und was seine Wirkung und warum sich
der Tod an den Genuß desselben knüpfte, was
der Tod war, auf den hingedeutet wurde und
dem ähnliches, worauf die Rede kommt. —
2. Cap. lieber den Feigenbaum, welchen unser
Herr verfluchte. — In dem letzten Abschnitte,
über den orthodoxen Glauben , werden einige
Irrlehrer genannt: Marcion, Bardesanes, Sabel-
lius, Paulus von Samosate, Maui der Lügner,
Arius, Macedonius und seine beiden Genossen
Eustathius und Ausonius, Nestorius, mit Nach-
richten über ihre Person, z. B. über Bardesanes.
Seine Eltern lebten auf einem el-Chariba ge-
nannten Landgute, der Vater war genöthigt eine
Geschäftsreise nach el-Ruha (Edessa) zu machen
nnd nahm seine Frau mit. Unterwegs an dem
Dei9an , einem Nebenfluß des Euphrat, kam sie
nieder und das Kind erhielt davon den Namen
Bar Dei9an, Sohn des Deigan, am Flusse Dei9an
geboren. Sie gingen mit ihm nach Mambi^,
"WO Bardesanas unter Götzendienern aufwuchs;
später kam er nach el-Ruhä, die dortigen Chri-
sten zogen ihn zu sich herüber, er wurde ein
eifriges Glied der Kirche , verfaßte eine Schrift
gegen Marcion und eine andere gegen J,Ji
»(XotJiJl^, bis er selbst auf Abwege gerieth.
23. v^UI )Le^ j5 iuJLc ^>UX£^! ^_,^^ U w»^y
»Anleitung, wonach sich derjenige zu richten
314
bat, welcher »ich dem Priesteirstaude widmen
will.« Die Allleitung selbst ist Arabisch , die
dazwischen fallenden Gebete sind Coptisch. 80
Blätter in Quart, nicht ganz vollständig.
24. Bruchstück einer ausführlichen Geschichte
der Coptischen Patriarcheo, Arabisch, foliirt von
Blatt 178 bis 277, von dem 51. Patriarchen
Joseph (nicht ganz von Anfang) bis zum 66.
Patriarchen Christodulos (nicht ganz zu Ende).
25. y,»jj-y«jj>lj y^.tXJiJt I— »'IsJI äjjuM* Leben des
heil. Vaters Pachomius. Anfang: iüiJL> aJJI x«Ji
^ J^ »Das Wort Gottes, welches alle Dinge
erschaffen hat.« — Wiewohl das Werk ganz
vollständig ist und der jetzt sehr abgenutzte
Einband nicht mehr umfassen konnte, muß doch
ursprünglich ein anderer großer Abschnitt vor-
aufgegangen sein, worauf sowohl die fortlaufend
Arabisch gezählten Papierlagen , als auch die
damit übereinstimmenden Coptischen Zahlen der
Blattseiten von 109 bis 232 hinweisen. Unter-
schrift: ^Lpi v^ 1»^. Lot ^jL^\ LLuI HjMissyX^
^^\ (;;yu^t l;,^gjg' xj^Uo ii/j Quart in großer
sehr deutlicher Schrift.
26. Geschichte der Märtyrer, Aethiopisch
auf Pergament (Gazellenhaut) 159 Blätter in
Folio in drei Columnen sehr sorgfältig geschrie-
ben , angeblich aus der Bibliothek des Königs
Theodor.
oy -^ v^ö liji «^Ls^l JfjM^i* A^jli'j jCjL»«,ÄL»-M*.Ji:
315
äcLm^-Ä£ ^^\ JUS ^*^. ^LpJ! Q"i »Compendium
der Lebensbesehreibungen der Märtyrer und
Heiligen für die Zeit der ersten sechs Monate,
und dies ist das Buch, welches im Griechischen
xo 2vya^dQi heißt , dessen Erklärung im Arabi-
schen iui\^\ »der Sammler« ist; zuerst kommt
der Monat Tut, das ist der erste der Coptischen
Monate und zwar bei der Herbst- (Tag- und
Nacht-)Gleiche , weil der Tag darin zwölf Stun-
den hat.«
Das Griechische Wort ist richtig erklärt, hat
aber im Neu - Griechischen die specielle Bedea-
tang von »Heiligenlegenden« bekommen; bei
AL da Somavera, Tesoro della lingua Greca-
volgare ed Italiana. Parigi 1709 ist 2vva^dgt
Libro delle vite de santi. Daß das ganze Werk
aus dem Griechischen übersetzt sei, würde man
nicht daraus allein folgern können , daß viele
Griechische Wörter beibehalten sind, denn diese
gehörten der Orientalischen Kircheusprache an,
aber die zahllosen grammatikalischen Fehler,
die nicht alle den Abschreibern zur Last fallen
können , wenn sie auch durch dieselben noch
vermehrt sein mögen, lassen es nicht zweifelhaft,
daß das Arabische dem Verfasser nur eine schlecht
angelernte Sprache war. —
Unterschrift : ^[as> jfi^ _-yi^! -fi J»*/^ >'
^J^;.JUij\^ JUk^ Ä>Uw*r>^ V,jJt Kam XmA&J! ^^ — f^|
316
Zu Ende ist der Monat Amschir und damit
schließt die Hälfte des Coptischen Jahres. Die
Beendigung der Abschrift dieses Buches, nämlich
der Heiligenlegenden erfolgte Freitags in der
zweiten Woche nach Pfingsten im J. 1543 der
Märtyrer (Chr. 1826). 112 Blätter gr. Folio.
28. Dasselbe Wer]j mit einer kurzen Vor-
rede, die beginnt: v^UXJ! \Sj> ^^ 6^ *-Der
Sammler dieses Buches sagt« — Am Ende der
Vorrede heißt es, dieser Sammler habe schon
ein ähnliches Werk vorgefunden, das aber nicht
vollendet war, weil der Verfasser zu früh ge-
storben sei und bei Lebzeiten keine Hülfe ge-
funden habe. Diesen Band legte er zum Grunde
und machte dazu Nachträge, welche er am
Rande mit vier Punkten in Form eines Kreuzes
bezeichnete ; er will aber dem Anfänger die
Ehre lassen , nicht dem Nachahmer. J^AnäJl
j^lXääJJ "i ^Jjuji. Von dieser Bezeichnung ist
in unseren Abschriften nichts mehr zu sehen.
An die Vorrede schließt sich nach der Reihen-
folge der Tage ein Nachweiser über die Fest-
tage der Heiligen, um das Auffinden zu erleich-
tern <-jl Ä iJl IlXö» Lg»AAa:» t^iAJI oLaä"^! UwLt li'iJO
Lg:>.|y>t l^JLb Jx u^JvÄj J^^*^ Von diesem
Register fehlt das Ende des sechsten Monats,
ebenso der Anfang des Werkes selbst, die bei-
den ersten Tage des Monats Tut. Gezählt sind
die Blätter von 3 bis 8 und 13 bis 213 in Quart.
Unterschrift : ^_5^L*JCL^JI q^ Jj^I ^j4-^ ^ Be-
endigt ist der erste Theil von dem ^vva\äqi.
29. U^S xi^ U ^\ - *=^ ■• -- » ^^ j^LÜi y^\
317
CT* ^jtr^i f^^i V^j^^ tS*"^ t}^^-^^ ^^ \,,ÄÄam^)
>Der zweite Theil von dem Swa^ägi nach der
AnordnuDg des Vaters Bischof Amba Michael
auf dem Stuhle von Atrib und Mali'g und an-
derer Väter.« Diese Angabe stimmt nicht ge-
nau zu der des vorigen Codex, wozu wir hier
doch augenscheinlich den zweiten Theil haben,
denn es werden in gleicher Weise die Legenden
der Heiligen für die sechs Monate der zweiten
Hälfte des Jahres erzählt. Ebenso bezeichnet
Ässefucini das aus dem Orient mitgebrachte und
von ihm Bibl. Orient. Tom. I. pag. 624 aufge-
führte Exemplar : Synaxarium s. Martjrologium
Coptorum, auctore Michaele Episcopo Meligensi.
ludeß nennt Vaiisld) pag. 62 u. 335 einen Pe-
trus Bischof von Mali'g als Verfasser des Synaxar,
welches er in Aegypten in Coptischer, Arabischer
und Habessinischer Sprache gesehen habe, und
unser zweiter Theil ist in viel besserem Arabisch
geschrieben als der erste. Die Abschrift datirt
auch schon vom Dienstag den 19. Bermuda 1198
(Chr. 1481) nach der Unterschrift unter dem
Monat Paschons; und nach einer Stiftuugsur-
kuude auf dem ersten Blatte, wurde dieser Co-
dex am 7. des Monats Tuba 1204 (Chr. 1487)
durch üebereinkunft zwischen Abd el-Masih,
^jai d. i. ^yovfjuvog aus dem Kloster des Amba
Bischoi' und Cyriacus , ^j'ovfjisvog aus dem Kloster
der Syrer in Gegenwart mehrerer Priester aus-
getauscht gegen das Buch der Vier und der
Woche (?) Coptisch, sodaß dieses in das Kloster
der Syrer und jenes in das Kloster des Amba
Bischoi gestiftet wurde. Und jeden, welcher
eines von diesen Büchern aus einem der Klöster
25
auf irgend eine listige Weise ausführt, den führe
der Herr aus dem Leben zum Tode und er möge
das Loos mit Judas (Ischariot) - theilen. Die
Richtigkeit dieser Urkunde bezeuge ich Abd el-
Masih mit Namen ^yovfievog gegenwärtig, ich
Cyriacus mit Namen ^yovixsvog gegenwärtig.
Nach der Zeitrechnung im J. 1204 der heil.
Märtyrer.
^yu ^'Xo ifSj y^J\ liSjj jLfb*^! Ia^AJJ 1204 äJu«
^U.f^;^t vLi^^ '^ Ij^^^ o^j^^ ^'■♦^ ^>^
Uu^^s Jt\j j^3 i^l-^ M^ y.»^ (i^ Läjj Q5<^aJ Q^
^byJI jiö J^ vjiäj Qj^aJ o^ C5^ ^'3 **^^^^
lXoJ -j^. qJ^^ t^Lii-u Li! y,^> t^ Lftjjj ^yli tiAPj
^jwL.^^. ^ *^*A*^ Q»fr-t.ij oj-*J! vi,! sU^I er» v/^^
^L^^l IcH^ 1204
Den Schluß machen die Schalttage mit be-
sonderer Ueberschrift : ^\t\ >UmJ> ^^^ (c*^' ^\i^
w^,-JLj OjLö yy-w ^^! stf*i»f^ !v3i^ jkA^ jX ^ ^^^
,j**jlJ;I J31 iüuw äJLmJI Der Schalttage sind fünf
und ein Viertel in jedem Jahre und wenn vier
319
Jahre abgelaufen sind, werden es in diesem (vier-
ten) Jahre sechs und dies ist das Schaltjahr ^). —
254 Blätter in Quart, das letzte mit der Unter-
schrift fehlt. Beim Einbinden dieses Bandes
sind Blätter eines älteren Exemplares desselben
Werkes verwandt; das Blatt vom 29. Mesore ist
auf der innern Seite des Deckels aufgeklebt, es
finden sich darin abweichende Lesarten.
30. Auf dem Deckel ist der Titel v^-*^»
^_g^ LiJ^ ol^LjM vi^o^i »Das Buch der drei
Macarius und des Amba Bischoi.« Im Einzelnen
1) Blatt 1 — 52: Jw-äj'uJ\ y-uJüÜ! v*^^ j**^
olf/«j j^ er c^j-^^l^ j^UJI ^\ j »Memoria ^)
des heil. Vaters Macarius, des Vaters aller Prie-
ster in der Wüste el-Askit, geschrieben von dem
Vater Serapion, Oberhaupt der Schüler des
Vaters Antonius, welcher am 27. des Monats
Bermahät gestorben ist.c Unterschrift: ».aj>« ^y^
oLfA^ »Zu Ende ist die Lebensbeschreibung
des großen Heiligen Abu Macar, des Vaters der
1) Daher bei Freitag s. v. ^j«^>^ nach dem Camus
nicht subtrahitur , sondern additur.
2) j^j^A in diesem Bande, als gleichbedeutend mit
öjjy*' , ist vermuthlich entlehnt von IriojiD »Verkündi-
gung , Vortrag« ; das anklingende Wort Memoria schien
mir den Sinn am deutlichsten auszudrücken.
320
Klöster in der Wüste el-Asktt am (Berge) Schi-
hät.«
2) Bl. 53-92: ^^,jaA\ u^Aä^5 Ijy^ »j^^ j*^
^jvj*dt py*^ '»Memoria verfaßt von unserem Va-
ter dem heil. Patriarchen Amba Dioscorus,
Oberhaupt der Bischöfe von Alexandria, wegen
der Vollendung unseres Vaters Abu Macar, Bi-
schof von Cäw, welcher auf den Namen unseres
Herrn Jesus Christus den Märtyrertod erlitt ^).
Unterschrift : *.^? j*:***^ lilJ^iWi 1-^^ »;-^ vi>JU5'
JC— JL^t ^^ t\.^.ÄJw«t {^^\ 3I9 XJütXx „.ftiLwt .Üw^!
oLg^ tV-*-^. *Zu Ende ist die Lebensbeschrei-
bung unseres seligen Vaters (nach der Bedeu-
tung seines Namens) Abu Macar, Bischof der
Stadt Cäw, welcher für den heil. Glauben den
Märtyrertod erlitt; er ist körperlich der zweite
in der Zahl der drei Abu Macar am Berge Schi-
hät.«
3) Bl. 92^—109 (fehlt Bl. 103): u5Ui5 s^^
j\äa ^\ jfj^\ v^^t yiJlj' ^l^iXÄ^Aw'^t »Leben, from-
1) Dioscorus, der 25. Patriarch von Alexandria, wider-
setzte sich auf dem Concil zu Chalkedon dem hier ge-
faßten Beschlüsse über die Lehre von der Natur Christi
und wurde deßhalb verbannt; Macarius war sein Leidens-
genoBse.
321
mer Waudel uud Kampf uuseres heil. Vaters,
des vollendeten glückseligen Amba Macar, Pres-
byter von Alexandria, des dritten nach dem gro-
ßen Vater Abu Macar.«
4) Bl. 110—150: JJu ^m f^».\\ L^\ »-«-
^^j}\ ^j*a^ JUÄitt j iU^ l^J j^\ jAAaüH ^j.*J^.^\
v«Ä-Ju«! JwtoLftil -,.ÄJÜ«"bil (j«/bjl3'j iüi*AJt jjüu« iüLJi^t
»Lebensbeschreibung des großen Lichtes, des in
allen Tugenden vollendeten, unseres heil. Vaters^
^yovfievog des Klosters Waage der Herzen, Abu
Johannes des kleinen, erzählt aus dem Verlan-
gen zu nützen von dem mit dem Geist der Wahr-
heit angethanen Lehrer der Religion, Zacha-
r i a s , dem vortrefflichen Bischof der dem Mes-
sias lieben Stadt Sachä, als bei ihm lautere Brü-
der — anwesend waren an seinem heil. Gedächt-
nißtage d.i. am20.Bäbeh.« Unterschrift: vi^JL*/
oL^^ (jM^.LiL« j»/^h»!l ^jmuJüüI Ü..AJ »Zu Ende
ist die Lebensbeschreibung unseres heil. Vaters,
des großen Lichtes, ^yovfifvog in seinem Kloster
in der Wüste des großen Heiligen Macarius am
Schihät. «
5) Bl. 150^—180: ^^«aJÜÜI li^! ^I^^-^ »^^^
_jj\ ,j*uJüü\ Ijjj! ^y:ai\ rW^^ ^X^\jl^ JylJt
322
L—A-ii! ÄxLb «0^' ^;;yo*";i! ^>)^3 ^^^i^ iV-i^ li^^sx^
g^^.iAäil iS'.y'j »Leben und Kampf unseres heil.
Vaters , des jungfräulichen Gottergebenen , der
glänzenden Leuchte, unseres heil. Vaters Abu
Bischoi vom Berge Schihät, geschrieben von dem
heil. Vater, dem vortrefflichen ^yoi'fjtsvog Jo-
hannes dem kleinen, welcher ihm ein gei-
stiger Bruder war bei seinem Eintritt in den
Berg Schihät, als sie beide unter die Zucht des
heil. Amba Bamujeh kamen.« Unterschrift: vi>JU5'
«_]<^ (^i-^( L?^-"^^ W^^ (»■Ala.nii ijMOLXfiit ^.LmJ! ».{MM
yi^ (tf*iai^ V^-^J^^ ^♦■.*.^*^^ (j*^.^^5 iUj^J u*^ viAJlj'
oLg-i^ i)^A^ jLäx »Zu Ende ist die Lebensbe-
schreibung des Gottergebenen großen Heiligen
Amba Bischoi, dessen Kloster die dritte Reihe in
der Wüste des großen Heiligen, des glänzenden
Sternes Abu Macar am Berge Schihät bildet.
6) B1.181'— 215:y*^.«-y*Xc^^,y*oJüüU^*-*-»J^
\^, l...i^ {jm^jsI^'^ ^ i_«v^{ ii2^U{ L^*-M^ u^y.'^^}^^
iü^5j UtfTir!! iuüJuJi »Dies ist das Leben der bei-
den Heiligen Maximus und Dumadius, der bei-
den Kinder des von Gott geliebten Königs Leon-
tius, Königs der Hauptstadt Rom ^).
1) Der König wird im Text ein Sohn des Theophinus
ywji-Ojj ^! genannt; der Kaiser Leontius wurde im
J. 695 auf den Griechischen Thron erhoben.
3^3
1) Bl. 216 — 227 : ^,Jh%\\ ;j-oJüül l3^t i^f^
öyJ^S V^y {S^ ^' ^C*^'^ »Lebensbeschrei-
bung unseres Vaters des heil, großen Märtyrers
Abu Musa gen. der schwarze Mönch.« Unter-
schrift : öyjJ^S ^ß^ Lit ,j«*jjüii! ^4^ y*^^ > Zu
Ende ist die Memoria des heil. Amba Musa des
schwarzen.
jjj> [j>*^.j J^^ U^^*ß v«Äft*«t nJJiA uil ^jmj^^I i3j3
jijjLs» In diesem Titel sind mehrere Fehler, die
sicTi aus den Ueberschriften der einzelnen Ge-
schichten herstellen lassen ; es muß heißen Lj^^
*^Li Ixit -1^ LT^o (j*?.***'l^»^Ji Danach ist der
Titel: »40 Geschichten der frommen Heiligen
aus dem Munde des heil. Macarius, Bischof von
Nakius, des Boctor, Oberen des Klosters zu el-
Bahsämat, des Amba Ishak, Oberen des Klosters
des Amba Samuel zu el-Calamün, des Amba
Ja'cub, Amba Benjamin und des Anastasius,
Oberen des Klosters des Amba Pachom.« Von
Macarius dem Bischof sind 4 Geschichten , von
Amba Ishak von el-Calamün 7, von Amba Ja'cub
(Bischof von jt-uw^^ Ausim) 2, von Amba Benja-
min 1» von Anastasius 3 ; sonst kommen noch
vor Macarius der Secretär, Amba Theodoros und
Amba (oder Mari) Ishak, Bischof von Ninive mit
ä24
je einer Geschichte; bei den übrigen sind die
Erzähler nicht genannt, 282 Blätter in Quart.
32. Vierzehn Blätter Pergament in Quart
enthaltend Bruchstücke aus dem Coran in Ku-
fischer Schrift, nämlich Blatt 1 — 8 Sure 43, 12
— 77. Bj. 9 Sure 47, 32 — 37. Bl. 10. 11 Sure
48, 12 — 20. Bl. 12 Sure 48, 25 — 27. Bl. 13.
14 Sure 49, 12-50, 4.
33. ^tXjJI \J^ »Das Buch der Unterwei-
sung«, ein Compendium der Alchymie von Abu
Bekr Muhammed ben Zakarija el-JRäd, In der
Vorrede sagt der Verfasser: Die Veranlassung
zur Abfassung dieses Buches war, daß ein jun-
ger Schüler Namens Muhammed ben Juuus, der
in den mathematischen , naturwissenschaftlichen
und dialectischen Wissenschaften sehr gut be-
wandert ist, mich bat, nachdem ich die 12 Bü-
cher über die Kunst, die Widerlegung des Kincji *)
und des Muhammed ben el-Sinni el-Rasäili be-
endigt hatte, ihm etwas über die Geheimnisse
der Kunst zu sammeln, was ihm als Führer und
Stütze dienen könnte; da habe ich für ihn die-
ses Buch geschrieben und ihm damit ein Ge-
schenk gemacht, wie ich es keinem Fürsten und
keinem Emire gemacht habe, und ihm darin so-
viel von der Kunst auseinandergesetzt, daß er
nun alle meine anderen Bücher in dieser Bezie-
hung entbehren kann. Also habe ich diese Un-
terweisung verfaßt und wenn ich nicht wüßte,
daß meine Tage gezählt und mein Ende nahe
ist, und nicht fürchtete, daß das verloren ginge,
wozu ich ihm Hoffnung gemacht habe, würde
ich nicht dieses Alles in meinem Buche gesam-
melt und mir nicht soviel Sorge und Mühe ver-
1) Vergl. Geschichte der Arab. Aerzte. §. 98 Nr. 142
und 150.
325
ursacht haben. — Abschrift datirt von Freitag
(1. 13. Schawwäl ^^^; wenn hier ^ zu lesen
wäre und die Jahrszahl 676 (Chr. 1278) ausge-
drückt sein sollte, so stimmt der Wochentag
nicht. — 143 Seiten kl. Quart in kleiner aber
(deutlicher Magribinischer Schrift.
34. Dieser Sammlung ist noch beigefügt ein
Papyrus-Streif mit Demotiscber Schrift, zwischen
zwei Glasplatten.
35. u. 36. Zwei Steine, welche Herr Dr.
Brngsch Bey in Süd-Arabien aus einer Felswaud
hat heraushauen lassen; sie enthalten Alt -Ara-
bische Inschriften, der größere 45 cm laug, 21
cm hoch zu vier Zeilen , der kleinere 20 cm ins
Gevierte zu fünf Zeilen.
Nachschrift
Herr Dr. Brugsch Bey hat bei seinem
Weggange von Göttingen der Königl. Universi-
täts-Bibliothek noch mit mehreren werthvoUen
Geschenken bedacht, wovon wir hier um so lie-
ber eine kurze Nachricht geben, als die Kennt-
niß davon in weiteren Kreisen erwünscht sein
möchte. Außer ein Paar Arabischen und Persi-
schen gedruckten Büchern , Fragmenten von be-
schriebenen Leinenstreifen aus einem Aegypti-
schen Grabe und einem sehr schön verzierten,
abwechselnd mit Gold , Roth und Schwarz ge-
schriebenen Türkischen Ferman vom Jahre 11 H8
(1755). wodurch Sultan Othmän UI. den Chri-
sten im Orient freie Religionsübung zusichert, ist
besonders eine sehr schätzbare Sammlung von
Abklatschen von Aegyptischen Denkmälern, dar-
26
326
unter einige von bedeutender Größe, hervorzu-
heben, welche noch uiclit bekannt gemacht wur-
den, ja deren Monumente in den fünfundzwanzig
Jahren , die seit der Abnahme der Copien ver-
flossen, zum Theil entweder durch Naturereig-
nisse und Verfall untergegangen, oder durch die
Anwohner abgebrochen und als Baumaterial an-
derweit verwandt sind. Wir geben hier das Ver-
zeichnis derselben, wie es nach der Angabe des
Herrn Dr. Brugsch Bey aufgestellt ist.
1. Tempel von Dendera, 7 Tafeln.
2. Tempel von Edfu.
3. Stele des Amasis, auf der Insel Elephantine
gefunden.
4. Stele Königs Usurtasen I. (Museum zu
Bulak).
5. Tempel von Der el - Bahri (Theben).
6. Aethiopenstele König Bianchi's.
6. Aethiopenstele aus Meroe.
8. Stele aus Mendes in Unterägypten.
9. Stele Tutmes I. (Museum zu Bulak).
10. Stelen aus Abydos.
11. Stele der 12ten Dynastie (aus Bulak).
12. Bianchi-Stele.
13. Stele aus Mendes.
14. Stele aus üna (5te Dynastie).
15. Die große Alexander- Stele (aus Bulak).
16. Stele der 18ten Dynastie (aus Bulak).
17. Stele des Una (5te Dynastie).
18. Stele des Mendes.
19. Abdrücke aus den Gräbern der 4. — 5.
Dynastie bei Gizeh und Saggara.
20. Abdrücke aus dem Grabe Bekenraufs bei
Saggara.
327
llniTersität.
Petsch e Stiftu ng.
Die theologische Fakultät stallt für die Preis-
stiftuug der Wittwe des weilaud Gastwirths
P e t s c h e , geb. L a b a r r e die Preisfrage :
„Was Yerstelit das Alte Testament ant«r
„der Heiligkeit Gottes?**
Zur Bewerbung sind alle die zugelassen, welche
in dem laufenden oder im folgenden Halbjahre
an hiesiger Universität als Studirende einge-
schrieben sind.
Die Arbeiten müssen spätestens bis zum 1.
Januar 1879 au den Decan der theologischen
Facultät übergeben werden, mit einem Motto
versehen , welches gleichlautend auf einen ver-
siegelten , inwendig den Namen des Verfassers
enthaltenden , Zettel zu setzen ist.
Der Preis beträgt einhundert und achtzig
Reichsmark.
Göttingen, 1. Juni 1878.
Die theologische Facultät
der Georgia Augusta.
Der Decan Dr. Schultz.
Bei der Köniorl. Gesellschaft der* Wis-
o
seuschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung.)
A. Ernst, Estudios sobre las Deformationes enferme-
dades y enemigoö dei arbol de caffe en Venezuela.
Caracas. 1878. 4.
328
Piazzi Smith, Astronomical Observations made at the
R. Observatory Edinburgh. Vol. XIV. For 1870-77. 4.
Mömoires de l'Acad. Imp. des Sciences de St. Peters-
bourg. VII e Serie. T. XXIV. 1877. 4.
Nr. 4. J. F. Brandt, Monographie der tichorhinen
Nashörner.
Nr. 5. N. V. Kokscharow, über das russische Roth-
bleierz.
Nr, 6. A. Wischnegradsky, über verschiedene
Amylene u. Amylalkohole.
Nr. 7. Chr. Gobi, die Rothtange des Finischen Meer-
busens.
Nr. 8. A. von derPahlen, Monographie der bal-
tisch - silurischen Arten der Brachiopoden - Gattung
Orthisena.
Nr. 9. N. von Kokscharow, über das Krystall-Sy-
stem des Glimmers.
Nr. 10. J. D 0 g i e 1 , Anatomie und Physiologie des
Herzens der Larve von Corethra plumicornis.
Nr. 11. W. Grub er, Monographie über das zweige-
theilte erste Keilbein der Fusswurzel beim Menschen.
VII e Serie. T. XXV. 1877.
Nr. 1. A. S c h i e f n e r , über Pluralbezeichnungen im
Tibetschen.
Nr. 2. L. Cienkowski, zur Morphologie der Bak-
terien.
Nr. 3. C. Schmidt u. F. Dohrandt, Wassermenge
und Suspensionschlamm des Amu-Darja in seinem
Unterlaufe.
Nr. 4. N. V. Kokscharow, über Waluewit.
Linnaeana, in Nederland aanwezig. Amsterdam. 1878.
A. Oudemans, Rede ter herdenking van den sterftag
van C. Linnaeus.
F. C. NoU, der zoologische Garten. Jahrg. XVIII. 4—6.
Memoiri of the R. Astronomical Society. Vol. XLIII.
1875 — 76. London. 4.
Societk Toscana di scienze naturali. Proc. verb. 10.
März. 1878.
Bericht I des naturwiss. Vereine in Aussig für 1876
und 1877.
Bulletin de TAcad. B. des Sciences de Belgique. T. 45.
2e Ser. No. i - 2.
(Fortaetzung folgt).
329
iVachricIlten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
12. Juni. Aä 9. 1878.
Inifersität
Preisvertheilung.
Am 4. Juni fand in alter Weise die Preis-
vertheilung der Universität statt Die Festrede
hielt Professor Sauppe über die Sagen von einer
glücklicheren Urzeit und die ^Schilderungen eines
idealen Staates der Zukunft.
Die Aufgaben, welche vor dem Jahre gestellt
worden waren, hatten größere Beachtung gefun-
den, als dies seit einer Reihe von Jahren ge-
schehen war.
Die Aufgabe der theologischen Fakul-
tät: Weshalb ist die Kindertaufe in unserer
Kirche beibehalten worden und beizubehalten?
hatte einen Bearbeiter gefunden, der zwar, weil
die Aufgabe nicht vollständig gelöst erscheint,
nicht den vollen Preis erhalten konnte, aber bei
den Vorzügen der Arbeit und dem dargelegten
Fleiß und Talent mit Genehmigung des Cura-
toriums einen entsprechenden Theil des Preises
bekommen soll. Bei Eröffnung ergab sich als
Verfasser der Abhandlung Georg Geisenhof,
Cand. theol. aus Hannover.
27
330
Die Aufgabe der juristischen Fakultät
war nicht bearbeitet worden.
Für die Aufgabe der medicinischen Fakul-
tät über die alkalische Reaktion des Harnes war
eine Arbeit eingegangen, welcher die Fakultät
den vollen Preis zuerkennt. Der geöffnete Zet-
tel nannte als Verfasser Theodor Görges,
Cand. med. aus Lüneburg.
Von den zwei Aufgaben der philosophi-
schen Fakultät ist nur für die erste : Veteris
Testamenti emendandi pericula, quae Herderus
aut ipse fecit aut ab aliis facta coraprobavit,
colligantur et examinentur. eine Bearbeitung
eingegangen. Obgleich die Fakultät wegen for-
meller ünvollkommenheiten sich nicht entschließen
kann, die Arbeit unter ihrer Auctorität drucken
zu lassen, so ertheilt sie doch dem Verfasser in
Erwägung der entschiedenen Vorzüge, welche
dieselbe hat, den vollen Preis. Als Verfasser
nannte sich in dem eröffneten Zettel J. Spanuth,
Stud. theol. aus Hannover.
Die neuen Aufgaben für das Jahr 1878/9
sind folgende:
1. Die theologische Fakultät stellt als
Thema für die wissenschaftliche Arbeit: Ecdesiae
reformatio a Waldensibus et fratribus hohet)iicis
suscepta guomodo a Lutheri ratione ecdesiae re-
formandae disiincta sit, exponatur.
Als Text für die Preispredigt giebt sie Jo-
hannes 17, 17.
2. Die juristische Fakultät stellt die
Aufgabe ; Historisch-dogmatische Darstellung der
Gestaltung des Patronatsrechts in den protestan-
tischen Gebieten Deutschlands.
331
3. Die medicinische Fakultät stellt die
Aufgabe: Die neueren auf Experimente sich
sfiitzendeti Angaben über den günstigen Einfluß,
welchen Jüngere Zeit fortgesetzte Einführung Mei-
ner Dosen von QuecTisilbcrprüparaten auf die Blut-
mischung und Ernährung, auch bei Gesunden, an-
geblich äußefi, sollen durch Versuche an Thieren^
unter genauer BeriicJcsichtigung der Nahrungszu-
fuhr, des Körpergewichts und der Körperausgaben,
einer eingehenden Prüfting unterzogen werden.
4. Die philosophische Fakultät stellt
die zwei Aufgaben:
/. Docfrina et kantiana et schleiermacheriana
de voluptate, quaestionum ad psychologiam
et ad moralem philosopJiiam pertinentium
maxime ratione habita, explicetur atque
diiudicetur.
IL Auffindung einer neuen, einfacJien und
lumptsächlich ergiebigen Darstellungsueise
der Orthonitrobenzoesäure oder des Orthoni-
tramidobenzols.
Die Bearbeitung der Aufgaben wird in der
Sprache erwartet, in der sie gestellt sind.
Die Bearbeitungen müssen, mit einem Motto
versehn und begleitet von einem versiegelten
Zettel, der außen das gleiche Motto trägt und
innen den Namen des Verfassers enthält, bis
zum 15. April 1879 den Dekanen der Fakul-
täten übergeben werden.
Die Feier schloß, um den Gefühlen des
Schmerzes und der Entrüstung, mit denen alle
die grauenvolle Kunde von dem wiederholten
Mordversuch gegen unsern Kaiser und König
erfüllt hat, und den innigsten Wünschen für
27*
S32;
seine baldige Genesung öffentlichen Ausdruck
zu geben, mit einem dreima^igep. Hpcb der
sehr zahlreichen Festyersammlung aiif Seine
Majestät.
Köuigliche Gesellschaft der^Wisseinnplili^^fteiiv
Sitzung am 1. Juni.
Grisebach, Der Dimorphismus der Fortpflanzangsor-
gane von Cardamine chenopodifolia Pers. Ein Beitrag
zur Theorie der Befruchtung.
Henneberg, Chemische Untersuchungen auf apiatischem
Gebiete.
Schwarz, lieber den verstorbenen Corresp. der Soc.
Graßmann.
de Lagarde, Zur Erklärung der aramäischen Inschrift
von Carpentras.
Enneper, üeber die Flächen mit planen und sphäri-
schen Krümmungslinien (erscheint in den Abhandl.)
Marme, Beobachtungen zur Pharmacologie des Öalicins.
(Fortsetzung).
RöntgeUi Üeber Entladungen der Electricität in Isola«
toren. (Vorgelegt von Riecke).
Der Dimorphismus der Fortpflanzungs-
organe von Cardamine chenopodifolia
Pers.
Ein Beitrag zur Theorie der Befruchtung.
Von
A. Orisebach.
Es ist eine längst bekannte Thatsache, daß
333
die von Commerson im südlichen Brasilien und
in Uruguay entdeckte Cardamine chenopodifolia
neben der gewöhnlichen Fruchtbildung dieser
Gattung aus ihrer grundständigen Blattrosette
eine zweite Art von Früchten in der Gestalt von
Schötchen erzeugt, wobei jedoch unbemerkt blieb,
daß die letzteren sich in die Erde eingraben und
somit an einen für die Keimung ihrer Samen
geeigneten Ort gelangen. Eine bildliche Dar-
stellung des Dimorphismus von Schote q und
Schötchen, wodurch bei derselben Pflanze die
siliquosen und siliculoseu Cruciferen verknüpft
werden, findet sich in St. Hilaire's südbrasiliani-
scher Flora (Taf. 106). Die genauere Beobach-
tung dieser zwiefachen Art der Fortpflanzung
schien geeignet, auf die Befruchtung und deren
Bedeutung auf das Pflanzenleben einiges Licht
zu werfen: denn hier ist weder der Dimorphis-
mus, wie bei Viola mirabilis, ein Wechsel von
fruchtbaren und unfruchtbaren Blüthen, noch
die selbstthätige Versenkung von Erdfrüchten,
wie bei Trifolium subterraneum und nidificum,
auf die Leistung eingeschränkt, den Samen an
einen passenden Ort zu versetzen, sondern beide
Arten von Blüthen werden befruchtet und er-
zeugen keimfähige Samen. Hier durfte man
also vielleicht einen Aufschluß über die funda-
mentale Frage der Physiologie erwarten, weshalb
neben der den Pflanzen allgemein zukommenden
Theilungsfähigkeit und Reproduction des Orga-
nismus, der vegetativen Fortpflanzung, die zur
Erhaltung der Arten allein genügen würde, bis
zu den einfachsten Gebilden der organischen Na-
tur hinab die entweder diklinische oder gegen-
seitige Befruchtung verschiedener Individuen be-
steht, um Keime zu erzeugen, deren Eigenschaf-
ten von beiden Eltern beeinflußt sind. Unter
334
diesem Gesichtspunkte können nämlich die Erd-
früchte jener Crucifere als eins der entschieden-
sten Beispiele von Selbstbefruchtung dienen, auf
welche kein zweites Individuum einen Einfluß
ausübt, wohingegen die an den Blüthentrauben
gebildeten Schoten der gegenseitigen Befruch-
tung von andern Individuen zugänglich sind.
Die früher im Leben noch nicht genauer be-
obachtete Pflanze wurde kürzlich durch Samen aus
der argentinischen Provinz Entrerios in unsern
botanischen Garten eingeführt und sowohl aus
den abgesondert gesammelten Erdfrüchten als
aus den normal entwickelten Schoten erzogen.
Beiderlei Samen erwiesen sich in gleichem Maße
keimfähig, wobei jedoch Anfangs die Entwicke-
lung der Keimpflanzen sich darin ungleich zeigte,
daß diejenigen, welche von den Erdfrüchten ab-
stammten, den übrigen in ihrem Wachsthum
vorauseilten. Indessen hatte sich diese Verschie-
denheit, als die Pflanzen nach drei bis vier Mo-
naten (zu Ende April) zur Blüthe gelangten,
fast vollständig ausgeglichen, und sie ist wohl
daraus zu erklären, daß in den Schoten zahl-
reiche, in den Schötchen nur zwei Samen ent-
halten sind und daher die letztern von der
Mutterpflanze besser ernährt und zur Keimung
vorgebildet sein werden, als die erstem. Uebri-
gens waren bei der im Mai beobachteten Frucht-
reife auch an den Kulturpflanzen beide Eier des
zweifächerigen Schötchens befruchtet, nicht, wie
von St. Hilaire angegeben wurde, nur das eine
von ihnen zum Samen ausgebildet.
Sämmtliche in die traubenförmigen Bluthen-
stände ausgehenden Axen sind Axillarsprossen,
sie entspringen als Zweige erster Ordnung aus
den Axillen der Blattrosette, werden 16 bis 20
Centimeter hoch und tragen einige Laubblätter,
335
von denen die obersten zuweilen kürzere Trau-
ben zweiter Ordnung unterstützen. Die Blatt-
rosette selbst, welche aus der verkürzten Haupt-
axe entspringt, ist nach oben durch 6 bis 10
dicht gedrängte cylindrische Nebenaxen begrenzt,
welche die Blüthenstiele der unterirdischen Fort-
pflanzungsorgane sind und, gleich denen der
Traube ohne eigene Stützblätter, die Hauptaxe
nach oben abschließen. Im morphologischen
Sinne ist demnach die Traube der seitlichen
Axen an der Hauptaxe zu einer Dolde verkürzt,
die Blüthenstiele der Trauben sind denen der
unterirdischen Dolde homolog und werden in
beiden Fällen durch eine einzige Blüthe abge-
schlossen.
Gleichzeitig mit dem Aufblühen der Blüthens
trauben sind die Blüthenstiele der Dolde bereit-
tief in die Erde hineingewachsen. Kaum aus
der Blattrosette sichtbar hervorgetreten, biegen
sie sich in steilem Bogen nach abwärts und
wachsen neben deu Blattstielen der Rosette nach
allen Seiten sofort senkrecht bis zu einer Tiefe
von durchschnittlich zwei Centimeter in den
Erdboden hinab. Ihre Blüthe ist mit unbewaff-
netem Auge kaum bemerkbar : denn sie erreicht
nur die Länge von einem Millimeter (bei einem
Querdurchmesser von etwa zwei Drittel Milli-
meter) und gleicht der stumpfen Spitze des Blü-
thenstiels um so mehr, als sie geschlossen bleibt.
Aber auch die normalen Blüthen der Traube
sind von geringer Größe, ihre Blumenblätter (etwa
4 Millimeter lang) ragen nur wenig aus dem Kelche
hervor. Während aber diese Blüthen den typi-
schen Bau der Cruciferenblüthe zeigen, bestehen
die der unterirdischen Dolde nur aus 4 grünen
Kelchblättern, 4 ihnen anscheinend opponirten
Staminen und dem, vom Kelch umschlossenen,
336
bleichen Pistill. Das letztere enthält in jedem
der beiden Fächer ein einziges, hängendes, ana-
tropes Ei und ist von der halbkugelförmigen,
vertikal gefurchten Narbe gekrönt. Ausnahms-
weise gelingt es den Blüthenstielen nicht, in
das Erdreich einzudringen: dann liegen sie
schlaff am Boden, wie in St. Hilaire's Abbil-
dung, und die Schötchen werden grün, haben
aber denselben Bau, wie die unterirdischen, die,
dem Lichte entzogen, die bleiche Farbe be-
wahren.
Die Vorgänge bei der Befruchtung der unter-
irdischen Blüthen, deren Untersuchung^ von Dr.
Drude ausgeführt wurde, erwiesen sich weit
merkwürdiger, als der abweichende Bau der
Blüthen. Von der Richtigkeit der Beobachtun-
gen habe ich mich an den aufbewahrten Prä-
paraten überzeugt, auch war der argentinische
Botaniker Hieronymus bei den Untersuchungen
gegenwärtig. Die beiden Fächer jeder Anthere
enthalten nur etwa je 12 Pollenzellen von ku-
geliger Form mit tetraedrich geordneten Poren
und einer schwach warzigen Exine. Ohne daß
eine Dehiscenz der Anthere stattfindet, treiben
die Pollenzellen einzeln innerhalb des Fachs
ihren Schlauch, der sodann die Wandung der
Anthere durchbricht und, indem er die unmit-
telbar anschließende Narbe erreicht, sofort in
diese hineinwächst. Dieser Vorgang in dem
engen Räume, den der geschlossene Kelch übrig
läßt, kann mit der Befruchtung von Zostera
verglichen werden. Im Ovarium konnten die
Pollenschläuche bis in die Mikropyle des Ei's
verfolgt werden, in welchem die Befruchtung
schon erfolgt war, aber die Schläuche noch
sichtbar blieben.
Als ich die isolirten Pollenzellen in den
337
Antherenfächern der unterirdischen Blüthen mit
denen verglich, die in großer Menge in den de-
hiscirenden Antheren der Luftblüthen enthalten
sind, so zeigten diese zwar denselben Bau, aber
mit dem physiologisch bemerkenswerthen Unter-
schiede , daß sie vermittelst des von der Exine
ausgeschiedenen Klebstoffs zu Klümpchen zusam-
raenhäugen und in dieser Anhäufung sich frem-
den Körpern anhängen können, nachdem sie
unverändert aus dem Fache ausgetreten sind.
Wenn man sich hiebei der schönen Untersu-
chungen Kerner's über die Bedeutung des Kleb-
stoffs am Pollen für die Befruchtung durch In-
sekten erinnert, den er bei den im Winde stäu-
benden Pollenzellen vermißte, so ist es einleuch-
tend, daß die an der Luft sich öffnenden, mit
Blumenblättern und hypogynischen Drüsen aus-
gestatteten Blüthen der Traube zur gegenseiti-
gen Befruchtung verschiedener Individuen durch
fliegende Insekten bestimmt sind. Bei den unter-
irdischen Blüthen hingegen ist die Selbstbe-
fruchtung durch unmittelbare Beobachtung nach-
gewiesen.
Gegenwärtig sind die Erdfrüchte, welche die
bleiche Färbung des Ovariums bewahren, schon
so weit ausgebildet, daß sie an Größe uud Ge-
stalt der Beschreibung und Abbildung St. Hi-
laire's entsprechen. Wenden wir uns nun zu
der Frage, welche physiologische Leistung mit
dieser zwiefachen Fortpflanzungsweise erreicht
wird, so kann man zunächst klimatische Bedin-
gungen in's Auge fassen, deren störender Ein-
fluß zu bekämpfen ist. Am nächsten im Auf-
bau der Vegetationsorgane steht unserer Cruci-
fere Cardamine axillaris, die auf den feuchtem
Anden von Catamarca bis Bolivien wächst. Der
längern Dauer regenloser Jahrszeiten in den
338
südamerikanischen Ebenen jenseits des Wende-
kreises scheint es zu entsprechen, daß die Keim-
kraft des Samens durch Versenkung in den Erd-
boden sicherer gestellt wird, wogegen die in
den Schoten erzeugten Samen, an der Oberflache
durch den Wind zerstreut, leichter zu Grunde
gehen. Mit dem Eintritt erneuter Niederschläge
können die Erdfrüchte sofort zur Entwicklung
gelangen, nachdem die einjährige Mutterpflanze
auf demselben Boden längst zerstört war. Die
Ausstreuung des Samens in die Atmosphäre hat
aber nicht bloß die Bedeutung, denselben dahin
zu führen, wo seine Ernährung gesichert ist,
sondern auch die Ausbreitung der Arten auf
neue Standorte möglich zu machen. Somit wür-
den die Erdfrüchte die Erhaltung der Art m
einem ungünstigen Klima, die durch die Luft
verbreiteten Samen die Wanderungen derselben
sicher stellen oder doch begünstigen.
Wenn indessen die Natur die verschieden-
artigsten Ziele oft mit denselben Werkzeugen
der Organisation erreicht, so kann man doch
nicht umhin anzunehmen, daß der Befruchtung,
als einer der allgemeinsten ihrer Einrichtungen,
neben solchen Wirkungen, die nur dem einzel-
nen Falle zu Gute kommen, auch eine gemein-
same Bedeutung für die bestehende Ordnung
des organischen Lebens zu Grunde liegt. Nun
kennen wir, unter der Voraussetzung, daß der
befruchtende Stoff und das Ei von verschiedenen
Individuen erzeugt werden, als allgemeine Folge
ihres Zusammenwirkens die Thatsache, daß die
Gestaltung des neuen Individuums von beiden
Eltern abhängig ihre etwaigen Eigenthümlich-
keiten vermittelt und ausgleicht.
Man kann in der Bildungsgeschichte des Or-
ganismus zwei Klassen von Kräften unterschei-
339
den, von denen die eine, als erbliche Anlage
bezeichnet, den Plan der typischen Gestaltung
einer Art zur Ausführung bringt, die andere
jene Variationsfähigkeit bedingt, durch deren
mannigfache Wirksamkeit jedem Individuum ein
eigeuthümliches Gepräge verliehen wird. Es ist
ein nicht minder großes Gewicht darauf gelegt,
die Individuen zu besondern Lebensformen zu
gestalten, als den Typus der bestehenden Arten
festzuhalten. Diese letztere Aufgabe aber wird
durch die erstere beeinträchtigt, und, wenn die
Variation bald die verschiedensten Organe er-
greift, bald zu Mißbildungen sich steigert, so
kann der Typus zu Grunde gehen. Aus der
Voraussetzung, daß auf diesem Wege neue Ge-
bilde aus den vergangenen entstanden sind, ist
die Descendenzhypothese erwachsen.
Die Variationsfähigkeit aber ist eine Kraft,
die nur in den Anfängen der Entwickelung von
Keimen wirksam ist, am erwachsenen Indivi-
duum geht sie verloren. Ist der Organismus
der Pflanze erst einmal zu seiner individuellen
Eigenthümlichkeit ausgestaltet, so bleibt ihm
nur noch eine oft Staunens werth ausgebildete
Reproductionsfähigkeit seiner Organe, ohne daß
neue Veränderungen hervortreten. Hierauf be-
ruht der wesentliche Charakter der vegetativen
Fortpflanzung, die nicht bloß den Bildungsplan,
sondern auch die Eigenthümlichkeiten des Indi-
viduums bewahrt und dadurch für die Erhaltung
werthvoller Eigenschaften bei den Kulturgewäch-
sen eine so hohe Bedeutung hat. Dies ist nur
eine Fortsetzung des individuellen Lebens, so
vollständig dabei auch die Vermehrung der Ein-
zelwesen und die Erhaltung ungeschwächter
Reproductionskraft erreicht wird. In jedem Or-
gan , welches von der Mutterpflanze getrennt
340
"Wurde, ja in der einzelnen Zelle, wenn sie un-
ter angemessene Lebensbedingungen gestellt
■würde, ruht, darf man annehmen, jene leben-
dige Reproductionskraft , die alle verlorenen
Theile des Organismus in gleicher Gestaltung
und Mischung der Stoffe wiederherzustellen
fähig ist. Die Parthenogenesis ist in diesem
Sinne als vegetative Fortpflanzung aus der ein-
aelnen Keimzelle aufzufassen.
Diesen Vorgängen nun entgegengesetzt ver-
hält sich die Fortpflanzung aus befruchteten
Blüthen, wenn dabei zwei verschiedene Indivi-
duen thätig waren. Abgesehen von der Varia-
tionsfähigkeit, die hier zur Geltung gelangen
kann, erleidet der Keim eine Einbuße an indi-
viduellen Eigenschaften, in dem Sinne, daß sie
durch die Einwirkung beider Eltern auf ein
mittleres Maß zurückgeführt und dadurch dem
Typus des Bildungsplans um so mehr genähert
werden, je verschiedenartiger die Einflüsse von
beiden Seiten sind. In der diklinischen oder
gegenseitigen Befruchtung der Pflanzen tritt
demnach ein langsam, aber allgemein und stetig
wirksames Mittel in Thätigkeit, die individuellen
Ausartungen und Abschweifungen vom Bildungs-
plane einzuschränken und den Typus der Arten
in der unbegrenzten Reihenfolge der Generatio-
nen zu erhalten. Was bei der Zuchtwahl künst-
lich vereitelt wird , erreicht die Natur durch
das zufällige Zusammenleben verschiedenartiger
Individuen. Wenn man wüßte, daß die Varia-
tionsfähigkeit , von deren Quellen wir jedoch
nicht unterrichtet sind, durch die äußern Exi-
stenzbedingungen allein oder wesentlich bedingt
würden, ho könnte man schließen, daß säculare
Aenderungen des Klima's oder ähnliche geologi-
sche Einflüsse den Typus der Arten verändern
341
müßteu, wenn sie in einer einseitigen Weise die
Organismen beeinflußten. Allein da vrir sehen,
daß in der ganzen organischen Natur eine Ein-
richtung besteht, die Variationen abzuschwächen,
so ist man nicht berechtigt, die Descendenz-
hypothese als allgemeines Princip der Arten-
bildung anzusehen, wenn auch in einzelnen Fäl-
len neue Formen auf diesem Wege der Umbil-
dung ein selbständiges Bürgerrecht in den Flo-
ren und Faunen erlaugt haben.
Von dem Ueberblick dieser Anschauungen
zu der doppelten Befruchtungsweise unserer
Crucifere zurückzukommen, darf man die Bil-
dung der Erdfrüchte mit einer vegetativen Fort-
pflanzung vergleichen, zu welcher hier ausnahms-
weise statt der unterirdischen Brutknospen
selbstbefruchtete Samen verwendet sind, die ver-
möge ihrer Hüllen und NährstofiFe besser gegen
die Trockenheit der Jahreszeit verwahrt sind, als
jene. Und wiewohl zwischen den aus Erd- oder
Luftfrüchten gezogenen Pflanzen keine Verschie-
denheit sich wahrnehmen läßt, so wurde doch
die ungleiche Wirkung von Befruchtung durch
Insecten und von Selbstbefruchtung im Laufe
der Generationen zuletzt zur Geltung kommen.
Chemische Untersuchungen auf api-
stischem Gebiete.
Von
W. Henneberg.
Auf Veranlassung des bienenwirthschaftlichen
Centralvereins für Hannover und von dem Se-
S42
cretär desselben, Herrn Hauptlehrer Lehzen
in Hannover als bienenwirtlischaftlicliem Sach-
verständigen unterstützt, habe ich mich in Ge-
meinschaft mit den Herren Dr. M. Fleischer,
Dr. E. Kern, Dr. F. Meinecke und Dr. K. Mül-
ler während der Jahre 1872, 73 und 76 theils
in Weende, theils in Göttingen mit apistischen
Untersuchungen beschäftigt. Ich erlaube mir
der K. Gesellschaft der Wissenschaften eine
kurze Mittheilung darüber zu machen, indem
ich wegen aller Einzelheiten der umfangreichen
Arbeit auf einen so eben im »Journal für
Landwirthschaft« ^) erschienenen ausführlichen
Bericht verweise.
Es handelte sich bei diesen Untersuchungen
an erster Stelle um eine der verderblichsten
Bienenkrankheiten, die sog. bösartige Faulbrut.
Das Characteristische derselben besteht darin,
daß die Brut nach dem Bedeckelu, während des
Uebergangs aus dem Zustande der Made (Larve)
in den des ausgebildeten Insects abstirbt und in
eine eigenthümliche Fäulniß übergeht, deren
höchst, übelriechende, zähflüssige Producte aus
den betr. Zellen wegzuschaffen die Arbeitsbienen
sich nicht bequemen. Die Zahl solcher Zellen
nimmt mit der Zeit mehr und mehr zu, das
Volk schmilzt rasch zusammen, weil es nicht
genügend durch neu auslaufende Brut ergänzt
wird, und geht in der Regel schon im ersten
Jahre des Erkranktseins zu Grunde.
Bezüglich der bösartigen Faulbrut stand, wie
mehrfach sonst in analogen Fällen, der Ansicht,
daß sie eine Infectionskrankheit sei, die Ansicht
gegenüber, daß mangelhafte Ernährung die
grundlegende Ursache bilde.
1) 25. Jahrg. S. 377—401 und S. 461-589.
343
Zu einer Klärung dieser Ansichten vom che-
mischen Standpunkte aus beizutragen war uns
als hauptsächlichst.e Aufgabe gestellt und da-
durch die Fragestellung gegeben : Lassen sich
bestimmte qualitative oder quantitative Unter-
schiede zwischen der in gesunden und in kran-
ken Stöcken verwandten Nahrung, sowie zwi-
schen Thieren aus gesunden und aus kranken
Stöcken nachweisen?
Die allerdings nur in beschränktem Umfange
ausgeführten Untersuchungen der Nahrung ha-
ben ein negatives Resultat geliefert, die Unter-
suchungen der Thiere in ihren verschiedenen
Entwickeluugsstadien dagegen gelehrt, daß na-
mentlich bei dem Körpergewicht Unterschiede
zu Ungunsten der kranken Stöcke auftreten.
Eine im Jahre 1876 gemachte Beobachtung
stellt es jedoch, wie mir scheint, außer Zweifel,
daß die durch die Verminderung des Körperge-
wichts angedeutete mangelhafte Ernährung nur
als eine Folge der Krankheit aufzufassen ist
und daß die Krankheit selbst in der That durch
Infection hervorgerufen wird. Diese Beobach-
tung geht dahin:
Am 7. Mai wurden die acht stärksten Völ-
ker eines durchaus gesunden Bienenstandes von
Weende nach Göttingen auf den im landwirth-
schaftlichen Institutsgarten errichteten, bis dahin
unbenutzten Versuchsstand versetzt und bald
hinterher dreien von diesen Völkern Stücke faul-
brütiger Waben in eine Tafel neben der Brut-
wabe eingespeilt. Die faulbrütigen Waben wa-
ren aus Osnabrück geliefert und entstammten
einem im Vorjahre (1875) durch die Krankheit
zu Grunde gerichteten Stocke; der faulige In-
halt der kranken Zellen war im Verlauf der
Zeit von Motten etc. verzehrt, die Waben waren
m)^
vollständig trocken und enthielten nur geschro-
tenes GemüU. - Der Erfolg war, daß sich bei
einer Untersuchung am 27. Mai die drei Stocke
sämmtlich als erkrankt erwiesen. Die übrigen
fünf Stöcke, obgleich nahe zur Seite oder nahe
über den faulbrütig gemachten stehend, blieben
von der Krankheit verschont. Dieselbe brtah-
rung hatte man 1872 und 73 in Weende ge-
macht: auch damals fand keine üebertragung
der Krankheit von faulbrütigen Stocken, die
von auswärts (aus dem Braunschweigischen und
Lüneburgischen) bezogen waren, auf dicht da-
neben stehende gesunde statt. Offenbar wird
dadurch mit Sicherheit angedeutet, daß der m-
ficirende Stoff zu den flüchtigen nicht gehört.
Neuerer Zeit sprechen die Apistiker als solchen
eine Bacterienart an und haben zur Heilung
der Faulbrut antiseptische Mittel erfolgreich an-
gewandt. Zusammenfassende und kritische Mit-
theilungeu darüber hat »Einer der allerersten
Meister der Gegenwart«, Herr P. Kleine-Lüethorst
für das »Journal für Landwirthschatt« in Aus-
sicht gestellt. — — , 1 • •
Unsere Untersuchungen haben nebenbei eine
cenauere Kenntniß der quantitativen Verhaltr
nisse des Gesammtstoffwechsels der Bienenbrat
angebahnt und die zur Vervollständigung dieser
Kenntniß einzuschlagenden Wege gezeigt.
Die hier vorzugsweise in Betracht kommen-
den analytischen Befunde sind in den beiden
Tabellen S. 346—349 zusammengestellt, zu deren
Erläuterung zu bemerken :
Sämmtliche Angaben beziehen sich ant le-
bende Brut von Arbeitsbienen, bei denen die
EntWickelung den Verlauf nimmt, daß die Made
nach Ablauf des 6ten Tages seit dem Ausschlupfen
aus dem Ei zur Bedeckelung gelangt (mit einem
345
Wachsdeckel iu der Zelle verschlossen wird) nnd
l^ach Ablauf von 18 Tagen seit dem Aus-
schlüpfen oder 12 Tagen seit dem Bedeckein
als ausgebildetes Insect die Zelle verläßt, —
>Nymphe ohne Kopf« bedeutet bedeckelte Brut
mit noch nicht ausgebildetem Kopfe, »Nymphe
mit Kopf« solche mit bereits ausgebildetem
Kopfe ; ersterer ist ein durchschnittliches Lebens-
alter von etwa 9 Tagen seit dem Ausschlüpfen
aus dem Ei (= 3 Tagen seit dem Bedeckein),
letzterer ein solches von 15 (bezw. 9) Tagen
beizulegen. — Von den in den Tabellen aufge-
führten Werthen sind die für »stickstofiFhaltige
Substanz« und die davon abhängige für »son-
stige stickstofffreie Substanz« (organische Sub-
stanz im Ganzen minus Fettsubstanz minus stick-
stoffhaltige Subst.) nur als mehr oder weniger
grobe NäheruDgswerthe zu betrachten, da den-
selben die Annahme zu Grunde liegt, daß die
Thiere ihren sämmtlichen Stickstoff sämmtliche
Entwickelungsperioden hindurch in der Form
von Eiweißstoffen mit 16 Proc. Stickstoff ent-
halten haben ^). Es ist also das schon von vorn
herein, insbesondere aber nach Cntersuchungen
von Städeler und Frerichs, C. Schmidt u. A. nicht
zu bezweifelnde Vorkommen von stickstoffhalti-
gen Nicht-Eiweißsloffen , von Leucin, Tyrosin,
Harnsäure, Chitin etc., unberücksichtigt geblie-
ben und es bedarf unsere Arbeit namentlich
nach dieser Seite hin einer wesentlichen Ver-
vollständigung. Ich habe jedoch in meinem
ausführlichen Berichte gezeigt, daß die V e r 1 us t e
1) Die stickstoffhaltige Substanz ist nach dem Ver-
hältniß 16 ; 100 aus dem direct bestimmten Stickstoffge-
halt berechnet (1 Gew. Th. Stickstoff = 6,25 Stickstoff halt.
Subst.).
28
U6
I. Dur chschnittliches Gewicht
bestandtheile pro
Körper-
Trocken-
Was-
gewicht.
substanz .
ser.
Gesunder Stock 1873.
Maden unbestimmten Alters
94,82
21,04
73,76
Nymphen ohne Kopf
141,40
30,94
110,46
Nymphen mit Kopf
136,05
25,96
110,05
Auskriechende Bienen
118,17
16,59
101,56
Kranker Stock I 1873.
Maden unbestimmten Alters
108,78
24,76
84,02
Nymphen ohne Kopf
139,93
32,32
107,61
Nymphen mit Kopf
128,25
25,68
102,51
Auskriechende Bienen
102,66
19,75
82,81
Kranker Stock III 1873.
Maden unbestimmten Alters
80,06
17,02
63,0^
Nymphen ohne Kopf
132,38
80,55
101,8J
Nymphen mit Kopf
127,03
26,45
100,56
Auskriechende Bienen
100,08
18,63
81,4?
Ges. Stöcke, bezw. ges.
Ableger mit Brut aus
gesunden Stöcken 1876.
Eier
0,1375
0,020
0,117J
Eintägige Maden (Ableger)
1,339
0,272
1,06'
Fünf- bis sechst. Maden (desgl.)
144,90
30,60
114,3(
Nymphen ohne Kopf
149,67
33,86
116,3S
Auskriechende Bienen
118,30
17,88
100,4J
Kranke Stöcke, bezw.
gesundeAblegerm. Brut
a. krank. Stöcken 1876.
Eier
0,135
0,0176
0,1171
Eintägige Maden (Ableger)
1,547
0,321
1,221
Fünf- bis sechst. Maden (desgl.)
132,11
25,24
106,8'
Nymphen ohne Kopf
187,53
81,98
105,51
auskriechende Bienen
112,70
17,60
95,1(
347
des Körpers und der Körper-
Stück in Milligramm.
S^
.
Organ.
Stick-
Son-
-^ AD
0/ 'S
ic8
Fett-
Sab-
stoffhal-
stige
^^
E
^
Stick-
stanz
tige Sub-
stick-
1«
! 2 g
o
'S,
CO
1
stoff.
sub-
im
Gan-
stanz (als
Eiweiß -
stoff-
freie
si
O
stanz.
zen.
Stoffe be-
Sub-
so
Oi
rechnet).
stanz.
0,94
0,45 0,07
1,47
3,17
20,10
9,19
7,74
1,02
0,38
0,05
1,80
5,33
29,92
11,25
13,34
1,02
0,36
0,03
1,69
4,70
24,94
11,81
8,43
1,02
—
—
2,19(?)
1,51
15,57
13,69
0,37
1,08
0,45
0,07
1,56
3,95
23,68
9,75
9,98
1,28
0,51
0,07
1,98
5,84
31,04
12,37
12,83
1,15
0,54
0,06
1,90
4,88
24,53
11,87
7,78
1,16
—
—
2,45(?)
—
18,60
15,29
—
0,84
0,41
0,09
1,34
2,17
16,18
8,37
5,64
1,04
0,50
0,08
2,10
5,79
29,51
13,12
10,60
1,13
0,54
0,10
2,06
5,07
25,32
12,87
7,38
1,13
2,05
2,18
17,50
12,81
2,51
1,18
—
—
2,13
5,24
29,42
13,31
10,87
1,18
—
—
2,24
6,14
32,17
14,00
12,03
1,18
"
2,18
1,49
16,70
13,60
1,61
1,12
-r
—
1,60
4,26
24,12
10,00
9,97
1,12
—
—
2,11
6,06
30,86
13,19
11,61
1,12
—
—
2,15
1,49
16,48
13,44
1,65
348
IL Proc^fitische
Eier.
Gesunde Stöcke 1876 (0,1375 mg)»)
Kranke Stocke 1876 (0,185 mg)
Maden.
Eintäg. M. 1876 Abi. gee. (1,389 mg)
» » » »kr. (1,547 mg)
Ges. Stock 1873 (94,82 mg)
Krank. Stock I 1873 (108,78 mg)
» »III » (80,06 mg)
Fünf- bis secbstäg. M. 1876 Abi. ges. (144,90 tag)
» » » » » » kr. (132,11 tag)
Nymphen ohne Kopf.
Ges. Stock 1873 (141,40 mg)
Krank. Stock I 1873 (139,93 mg)
•» III » (132,38 mg)
Ges. Stöcke 1876
Kranke Stöcke 1876
Nymphen mit Kopf.
Ges. Stock 1873 (136,05 mg)
Krank. Stock I 1873 (128,25 mg)
» » m » (127,08 mg)
Auskriechende Bienen.
Ges. Stock 1873 (118,17 mg)
Kranker Stock I 1873 (102,56 mg)
» » III » (100,08 mg)
Ges. Stöcke 1876 (118,30 mg)
Kranke Stöcke 1876 (112,70 mg)
1) Die eingeklammerten Werthe bedeuten
eohnittliches Gewicht.
349
Znsammensetzung.
Mineral-
StickBtoff-
Fett-
Sonstige
Stickstoff-
Stick-
Btofife.
haltige
Sabstanz.
Substanz.
freie Sub-
stanz.
stoff".
0,99
9.69
8,34
1
8,17
1,55
0,93
8,96
8,63
9,18 i
1,43
1,05
10,45
2,71
7,05 !
1,67
0,81
9,18
3,63
7,50 i
1,47
0,85
7,57
3,22
7,47
1^21
0,72
7,96
3,77
9,48 .
1,27
0,91
8,84
4,17
9,18 '
1,41
0,79
9,91
4,37
8,01
1,59
0,79
9,35
4,10
8,04
1,50
0,81
9,59
4,41
8,44
1,53
0,75
8,68
3,45
6,20
1,39
0,90
9,26
8,80
6,07
1,48
0,89
10,13
3,99
5,81
1,62
0,86
11,58
1,28
0,32
1,85
1,12
14,90
-»)
3,24»)
; 2,38
1,13
12,80
2,18
2,51
2,05
1 1,00
11,49
1.26
1,36
1,84
i 0,99
11,93
1,33
1,37
1,91
2) Fett nicht bestimmt.
3) incl. Fett.
350
an »sonstiger stickstofffreier Substanz«, welche
die Thiere im Puppen- und Entpuppuugszu-
stande von einer Lebensperiode zur anderen er
leiden, trotz jener mißlichen Annahme unbe-
denklich aus den in die Tabelle aufgenommenen
Werthen für »sonstige stickstöfffr. Substanz«
abgeleitet werden können. — Ueber die näheren
Bestandtheile der »sonst, stickstöfffr. Substanz«
fehlt es (ebenso wie bei der stickstoffhalti-
gen Substanz und der durch Extraction mit
Aether bestimmten Fettsubstanz) an Untersu-
chungen ; man darf indeß vermutheu, daß von
der Nahrung herstammender Zucker (Honig) den
hauptsächlichsten Bestandtheil derselben ausge-
macht haben wird.
Aus den in den Tabellen niedergelegten und
anderen nebenher gehenden Beobachtungen er-
giebt sich u. A. :
Das Bienen-Ei hat ein Gewicht von 0,13 bis
0,14 mg. Das ausgeschlüpfte Thier wiegt als
»Eintägige Made« bereits 1,3 bis 1,5 mg, also
etwa 10 mal so viel wie das Ei. Die Zunahme
vertheilt sich jedoch uicht gleichmäßig auf
Trockensubstanz und Wasser, sondern überwiegt
relativ bei der erstereu, indem die Menge der-
selben vom Ei angerechnet in dem Verhältuiß
von 1 zu 14 bis 18, die Menge des Wassers da-
gegen nur in dem Verhältniß von 1 zu 9 bis 10
zunimmt. In Folge davon erhöht sich der proc.
Gehalt an Trockensubstanz von 13 bis 15 beim
Ei, auf 20 bis 21 bei der eintägigen Made.
Das rasche Wachsthum dauert bis zum Be-
deckein, am Schluß des sechsten Lebenstages
fort; das Körpergewicht beträgt zu jeuer Zeit
130 — 150 mg, also reichhch das lOOOfache von
dem Gewicht des Eis. Auch in dieser späteren
351
Zeit des Madeulebens überwiegt die relative Zu-
nahme der Trockensubstanz die des Wassers,
aber nur noch in geringem Grade , da der Ge-
halt an Trockensubstanz mit 22 bis 23 Proc.
seinen Höhepunkt erreicht. An der Zunahme
der Trockensubstanz sind ferner die stickstoff-
haltigen und die stickstofffreien Stoffe in ver-
schiedenem Verhältuiß betheiligt. Bei Maden
von etwa 70 mg Körpergewicht — auf einer
Entwickeluugsstufe, wo sie ungefähr ihr halbes
Endgewicht erlangt haben — beträgt der ab-
solute Gehalt an stickstoffhaltiger Substanz
7 bis 8, an Fettsubstanz 2 mg, am Schluß des
Madenlebens dagegen bez. 11 bis 14 und 5 bis
6 mg. Die Menge der stickstoffhaltigen Sub-
stanz ist demnach in dem betr. Zeiträume auf
nicht ganz das 2fache, die der Fettsubstanz da-
gegen auf das 2V2 bis 3fache gestiegen. Wie
mit dem Fett verhält es sich auch mit der son-
stigen stickstofffreien Substanz. Ihre Menge be-
trägt bei Maden von etwa 70 mg Körpergewicht
4 bis 5 mg, bei Maden von etwa 110 mg Kör-
pergewicht 10 bis 11 mg und bei ausgewachse-
nen Maden 13 bis 14 mg, also von einem Sta-
dium zum anderm in dem Verhältniß 1:2 bis
2V2 : 3 mehr.
Nach dem Bedeckein der Brut hört die Nah-
rungszufuhr auf und lebt das Thier nur auf
Kosten des in seinem Körper bis dahin aufge-
speicherten Stoffvorraths. Die Vorgänge wäh-
rend der Entwickelung von »Nymphe ohne
Kopf« zur »Nymphe mit Kopf« und von
»Nymphe mit Kopf« zur auskriechenden Biene
stimmen darin überein, daß Verluste an Stick-
stoff nicht stattfinden (die beobachteten Verluste
sind entweder minimal oder negativ). Es hat
sich also auch bei der Bienenbrut die Erfahrung
352
bestätigt, welche man bei allen anderen neuerer
Zeit darauf untersuchten Thieren gemacht bat,
daß von dm Sticl^stoff der im Stoffwechsel um-
gesetzten organischen Stoffe kemeswegs vne
Ln früher annahm, em betracbthcher Tb^ü
den Körper in Gasform verlaßt, Für ein anae
res Ä i. einem andern Entw.ckeli^^^^^^^^ .
Stadium, für die fressende Seidenraupe ist dieser
mchw^is bekanntlich schon ff - von^Pe^i^got )
erbracht. — Die Bienenbrut lebt mithin so
kapn man sagen, vom Beginn bis ^^m Ende
der Yerpuppung auf Kosten von stickstoff-
? • V SLtanz Der Verbrauch und dessen
^YertLi"^^^^ feUartige und nichtfet^^,^^^^^
Substanz gestalten sich aber während des Ueber-
^anes von Nymphe ohne Kopf zur Nymphe mit
Kopf (Nymphenperiode) und während des Ueber-
Ss von Nymphe mit Kopf zur auskriechenden
S: EntpUungsperiode) «f J J^f ^^^^^^^^
Je nachdem man annimnat, daß die^rut schop
vor dem Auskriechen oder erst nachher iLxcre
. reute^usscheidet, worüber die Ansichten der
ASker noch nicht feststehen, erha t man fol-
Äe Minimal- nnd Maximalwerthe für den Re-
Sions^nd Perspirationsverbrauch und für
dS dabd gebildeten Producte^) ui Milhgramm.
'2 Se;eTnt''d''e^'ormufigen Annahme daß daj
." fo FpH die üroc. ElementarzuBammensetzung des
SSÄer'E^hC-Thi^^^^ C und 12,0 H), d.e
?eSte sonstige sückstoffire. -J^^^"^^^^^^^^^^^
IjepQhränkt haben.
353
Pro Stück im Ganzen
Nymphen-
periode
(6 Tage)
1873
Fett verbraucht 0,77
Sonst, stickstofffreie ,
org. Subst. desgl. '3,40— 4,40 4,43—5,43
Kohlensäure ausge-' I
schieden 7,15—8,61 14,92—16,88 1 16,47 - 17,94
Wasserdarapf desgl. 5,09—5,69 21,72—22,32 17,38- 17,93
Verlust an Körper- i
gewicht 7,46 i 23,50
Entpuppungsperiode
(3 Tage)
1873 , 1876
3,02 j 3,78
4,00-5,00
20,33
Pro Tag und Stück
1,01
1,26
1,33-1,67
Fett verbraucht i 0,13
Sonst, stickstofffreie
org. Subst. desgl. 0,57-0,73 1,48—1,81
Kohlensäure ausge-
schieden 1,19—1,44 4,97—5,46 i 5,49—5,98
Waseerdampf desgl. 0,85— 0,95 7,24—7,44 ! 5,78-5,98
Verlust an Körper- 1
gewicht : 1,24 7,63 , 6,78
Daraus geht zunächst hervor, daß der Stoff-
wechsel im Entpuppungsstadium weit energi-
scher verläuft, als während des Nymphenlebens,
offenbar im Zusammenhange damit und abhängig
davon, daß das Thier dann aus dem Zustande
der Ruhe in den einer lebhaften Thätigkeit und
Bewegung übergeht (Durchnagen des Wachs-
deckels, Herausarbeiten aus der Zelle etc.). Die
Unterschiede im Stoffverbrauch und was damit
zusammenhängt, würden muthmaßlich noch grel-
ler hervortreten, wenn man für das Entpuppungs-
stadium statt der Stägigen Durchschnittswerthe
die auf den 3ten, letzten Tag als den des wirk-
lichen Zustandekommens der Entpuppung fallen-
den Werthe zum Vergleich heranziehen könnte.
In den vorstehenden Zahlen prägt sich fer-
29
354
ner auf das deutlichste der Unterschied aus, daß
das Fett an dem Stoffverbrauch im Nymphen-
zustande nur in absolut und relativ sehr ge-
ringem, an dem Stoffverbrauch in der Eut-
puppungsperiode dagegen in sehr erheblichem
Grade betheiligt ist. Während des Nymphen-
lebens wird das Fett geschont und vollzieht sich
die Entwickelung des Thieres vorzugsweise auf
Kosten von nichtfettartiger stickstofffreier Sub-
stanz; bei der Entpuppung hört diese Schonung
auf und der in dem sog. Fettkörper der Nymphe
angesammelte Fettvorrath kommt unter gleich-
zeitig zwar, aber bei weitem nicht ebenso ge-
steigertem Verbrauch von sonstiger stickstoff-
freier Substanz zu ausgiebiger Verwendung. —
In einem Anhange zu dem ausführlichen Be-
richte habe ich die mir bekannt gewordenen
zum Vergleiche mit den unsrigen und zur Er-
gänzung derselben geeigneten quantitativen Un-
tersuchungen bei anderen Insecten (bei Bombyx
Mori, Vanessa Jo, V. Urticae etc. von Haber-
laudt, Peligot, Wicke, Blasius, Verson u. A.) zu-
sammengestellt.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung.)
Annuaire statistique de Belgique. 8e ann^e. 1877. Brux.
Von der Ungarischen K. naturwissensch. Gesellsch. in
Budapest. 4.
E. Stahl berger, die Ebbe und Fluth in der Rhede
von Fiume. 1874.
355
0. Herman, üngarnB Spinnen-Fauna. Bd. I — II. 1878.
H. Gaza, Monographia Lygaeridarum Hungariae. 1875.
B. Samu, Rotatoria Hungariae. 1877.
A. Krenner, die Eishöhle von Dobschad. 1874.
E. Tarn äs, Magyarovasag Jellemzöbb Doh4nyalinak etc.
1. R. 1877.
Kerpely Antal, Magyarovszag vaskövei es Vaster-
menyei etc. 1877.
Verhandlungen der K. K. geolog. Reichsanstalt. 1874.
14 — 15.
Jahrbücher des Nassau. Vereins für Naturkunde. Jahrg.
29 u. 30.
G. Giebel, Zeitschrift für die gesammten Naturwissen-
schaften. 1877. Bd. I.
Openingsplechtighed van de Tentoonstelling. Amsterd.
1878.
Jahresbericht der Lese- und Redehalle der deutschen
Studenten in Prag. Vereinsjahre 1872—1876.
Chicago Academy of Sciences. Annual Address. 1878.
Abhandl. der histor. Gl. der K. Akad. der Wiss. zu Mün-
chen. Bd. XIII. 3.
— der philosoph.-philolog. Gl. Bd. XIV. 2.
Bestimmung der geograph. Breite der K. Sternwarte bei
München. 4.
J. V. Döllinger, Aventin und seine Zeit. München.
1877.
Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen
in Böhmen. I. u. IV.
Jahresbericht dess. 2—5. 1863—66.
Bibliotheque universelle. No. 243. 1878.
Sitzungsberichte d. naturf. Gesellsch zu Leipzig. No.
2—12. 3 fasc.
J. Lange, det joniske Eapitaels Oprindelse og tor-
historie. Kjöbenhavn. 1877. 4.
VIII. Jahresbericht (von 1877.) des naturwiss. Vereins
zu Magdeburg.
H. Wild, Annalen des physikal. Central-Observato-
riums. Jahrg. 1876. St. Petersb. 4.
0. Struve, Observations de Poulkova. Vol. VIl. St. Pe-
tersb. 1877. 4.
Jahresbericht 11. Mai 1877 an d. Comite Nicolai-Haupt-
sternwarte.
Bulletin de la Soc. mathöm. de France. T. VI. No. 3.
Proceedings of the London matbem. Soc. No. 124, 125.
356
Atti della R. Accademia dei Lincei. Classe di scienze
fisiohe, mathem. e naturali. Vol. I. Dispensa 1 e
2.— Gl. morali, storiche e filologiche. Vol. I. Roma.
1877. 4.
K. K. Akademie der Wissenschaften in
Wien:
Denkschriften. Mathematisch - naturwiss. Classe. Bd.
37. 4.
— — Philosophisch-historische Classe. Bd. 26. 4.
Sitzungsberichte. Philosoph.-histor. Classe. Bd. LXXXIV.
H. 1-3. Bd. LXXXV. H. 1-3. Bd. LXXXVI. 1—8.
Bd. Lxxxvn.
Sitzungsberichte. Mathem.-naturwiss. Classe.
Abth. I. Bd. LXXIV. H. 3-5. Bd. LXXV. H. 1—5.
Abth. II. Bd. LXXIV. H. 3-5. Bd. LXXV. H. 1-5.
Bd. LXXVI. H. 1.
Abth. III. Bd. LXXIV. H. 1—5. Bd. LXXV. 1-5.
Fontes rerum austriacarum. XL. Bd.
Archiv für Oesterreichische Geschichte. Bd. 55. 1 — 2.
Bd. 56. 1.
Almanach der K. Akademie der Wissensch. Jahrg. 27.
1877.
Monthly Notices of the R. Astronomical Society. Vol.
38. No. 5.
K. preuß. geodätisches Institut. Das rheinische Drei-
ecknetz, n. Hft. 1878. 4.
*)Abhandlungen u. Berichte aus den Sitzungen der
Akademie d. Wiss. zu Krakau. Philol. Abth. T. 5.
Mathem. naturwiss. T. IV. 1877.
Bericht der physiolog. Commission d. Akad. der Wiss.
T. XI. Krakau. 1877.
Katalog der Handschriften der Jnstikonischen üniv.-
Bibliothek H. 1.
Geographische slawische Namen, zusammengestellt nach
ihrer deutschen, italienischen , rumänischen, ungari-
schen, türkischen Bedeutung durch S. Zuranskiczo.
Ebd. 1878.
Abhandl. der Commission zur Erforschung der Kunst in
Polen. 1.
*) Die Krakauer Schriften in polnischer Sprache.
(Fortsetzung folgt).
S57
Nachrichten
Yon der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
19. Juni. M 10. 1878.
KöBi^licke Gesellschaft der Wisseiischaften.
Sitzung am 1. Juni.
(Fortsetzung.)
Zur Erklärung der aramäischen In-
schrift Ton Carpentras.
Von
Paul de La^rde.
In dem am 1 Januar 1878 fälligen, aber erst
am 18 Mai 1878 in meine Hände gelaugten ersten
Hefte des Bandes XXXH der Zeitschrift der deut-
schen morgenländischen Gesellschaft veröffentlicht
Herr C. Schlottmann einen auf der Philologen-
versammlung zu Wiesbaden am 28 September 1877
mitgetheilten Aufsatz »Metrum und Reim auf
einer aegyptisch-aramäischen Inschrift«. Das in
Wiesbaden verlesene Manuscript ist nach 192 an
Einer Stelle für den Druck wesentlich geändert
worden: die »Nachschrift« trägt kein Datum,
was auch gleichgültig ist. Herr Schlottmann
erklärt 193, daß er seinen Aufsatz »erst nach
wiederholter Prüfung nach Verlauf mehrerer
Jahre veröffentlicht« habe: um so schwerer fallen
dann seine Fehler ins Gewicht, da sie mit Ueber-
eilung nicht entschuldigt werden können.
30
Der Stein von Carpentras — denn dieser ist es,
welcher die gereimte und metrisch gemessene ara-
mäische Inschrift enthalten soll — heißt so, weil
er in der Bibliothek der Bischöfe von Carpentras
aufbewahrt wird. Er bietet eine bildliche Darstel-
lung — eine Mumie auf der Bahre, darüber eine
Frau als ewig Lebende vor Gottheiten und einem
reichbesetzten Altare erscheinend — , und eine
vier Zeilen lange aramäische Anrede an jeneTodte.
Von dem Steine besitzt man in Paris einen Gips-
abguß, welchen Herr Derenbourg für seine Arbeit
über die Inschrift leider nicht benutzt hat: es
scheint dringend geboten, neuen Versuchen einen
Papierabdruck des Originals zu Grunde zu legen :
mit den vorhandenen alten Abzeichnungen wird
man schwerlich zu Rande kommen, auch wenn
man für Untersuchung des semitischen Altertums
besser ausgerüstet ist als Herr Schlottmann.
Wer über den Reim eines semitischen Ge-
dichtes schreiben wollte, hatte vor allem die
Pflicht zu erkunden , was im semitischen Mor-
genlande Reim heißt. Ein Blick in einige für
Halle gedruckte arabische Poeten hätte das einen
Halleschen Professor lehren können : Arnolds
Muallaqät und A. Müllers Imrualqais wären wohl
zu erhalten gewesen. Sonst boten sich, um von
französischen und englischen Behandlungen des
Gegenstandes abzusehen , zum Studium dar : G.
W. Freytags 1830 erschienene Darstelhing der
arabischen Verskunst 296 — 333, P. Zingerles
Aufsatz ZDMG X 110—116, Th. Nöldekes Be-
merkungen ZDMG XXVII 491. Nach altsemiti-
schen Begriffen , welche wir bei einem Dichter
der Ptolemäerzeit vorauszusetzen alles Recht
haben , reimt weder Nn^N auf n^n , noch ■^Enn
auf ■'IM oder Tip oder "»ny^a: bei Ausgängen
auf NT'(n) entsteht der Reim erst durch die
359
Identität des jenen «T*(n) vorhergehenden Con-
sonanten. Man braucht der Stellung, welche
der Vocal in der semitischen Grammatik ein-
nimmt, noch keine besonders gründliche Be-
trachtung gewidmet zu haben, um zu wissen, daß
der Vocal aliein, der im Semitischen überhaupt
nirgends und nie existiert, einen Reim zu bilden
unfähig ist. Herr Joseph Derenbourg, welcher
zuerst in der Inschrift von Carpeutras Reime
gesucht, hat sich als tüchtiger Kenner arabischer
Poesie wohlweislich gehütet, sie anderswo als in
Snan — nT^h^ zu finden: der Tadel, welcher ihm
für sein nicht-Erkenuen des übrigen Materials
von Herrn Schlottmann auf Seite 191 gespendet
wird, dient lediglich zur Characterisierung des
Tadeluden.
Zu dieser verwende ich auch die für die Schlüsse
des die Inschrift von Carpeutras als gereimt
ansehenden Herrn ziemlich nothwendige Aus-
sprache "»irt: das ist ein Hebraismus, welchen in
einer aramäischen Rede ohne zwingende Gründe
so leicht niemand annehmen wird , und welchen
Herr Schlottmann nicht einmal als Hebraismus
kennzeichnet, was doch Gesenius noch für nöthig
erachtet hatte. 1837 durfte hingehn was 1878
nach dem großen Aufschwünge der semitischen
Philologie durchaus unerträglich ist, am uner-
träglichsten im Munde eines Vorstehers einer
orientalischen Gesellschaft. Aus einem in einer
aramäischen Inschrift stehenden Femininum "^ir:,
das selbstverständlich hwäy lautet, auf einen
Reim auf i zu schließen , weil man im Hebräi-
schen hwi sagte, — denn so etwa vrird im bes-
ten Falle der Herr Interpret geschlossen ha-
ben — , das wäre etwa so geistvoll, wie die Behaup-
tung geistvoll sein würde, im Deutschen reime
Wasser auf Kater, weil im Englischen für Wasser
30*
360
water gesagt werde. In den ehaldäischen Stü-
cken des alten Testaijients findet sieh nachLnz-
zatto § 87 88 kein Beispiel des Imperativs Eß-
minini Singularis eines Verbums rj"b: im Man-
däischen kommt dieser Imperativ von «in nach
Nöldeke § 19ö nicht vor, aber nach demselben
1 191 gibt es "»N^p, "üHH, '>»^Tt, •»NDN (die Seite
259 Rand erwähnten Beispiele einer Verwen-
dung des Masculinums statt des Femininums
scheinen mir auf Schreibefehlern zu beruhen):
im Syrischen lautet die entsprechende und sehr
häufige Form "«^ii, Uhlemann^ 70 Hofi^mann 222
Merx 337: und so wird auch wohl in TalmüD und
Targüm überall gesagt werden müssen. Auf ge-
druckte chaldäische Grammatiken ist bekanutlich
mit Ausnahme der seit 1873 in deutscher Ueber-
setzung vorliegenden Luzzattos gar kein Verlaß :
in der Sprache des Babylonischen TalmÜD kennt
Luzzatto § 87 für die Verba Tib keinen anderen
Imperativus Peminini Singularis als den auf
">t«^, mit ausdrücklich geschriebener Lesemutter:
er' nennt als Beispiele iNna, "linn, weiter ■'niü),
"'NDS'^N. Ueber die Sprache der Targume wird,
wer Wahrheit sucht, sich jetzt aus meinem 1872
erschienenen Abdrucke des Codex Reuchlins orien-
tieren: wer die chaldäische Uebersetzung in die-
sem alten Zeugen auch nur für ein Paar der
bekanntesten Zeitwörter nachschlägt , wird wis-
sen , was er über die Angabe älterer und auf
den Schultern der älteren stehender neuerer
chaldäischer Grammatiker von einem Imperati-
vus Singularis Feminini ^1T] zu denken hat.
Etwa Hebräischem •'N'n entspricht "»NTn Sam. a
25,17 35 lud. 16,5 und Ntn Isa. 49,18 60,4
lerem. 2, 19 3, 2: darum ist -^Tn Reg. a 17, 23
natürlich x*zäy zu lesen. Vergleiche Nb:»n''N für
■»•n!» Isaias 52, 1 und ähnliches. Wenn Herr
3G1
Schlotttnanu A. Berliners Massorali zum Targum
Onkelos 76 114 anzusehen belieben wollt«, würde
er lernen, daß auch im jüngsten Pentateuchtar-
gum die Handschriften ^n^" ^^^^ "''*^l!7 oder
"•N^r; oder •^»in bieten, wo die Lesemutter M
Herrn Schiott männs Aussprache '^^n, so nöthig
diese für seine allerdings auf Privatansichten
über den semitischen Reim ruhende Beweisfüh-
rung ist, schlechterdings unmöglich macht. Nach
diesen Auseinandersetzungen wird klar sein,
daß in einer aramäischen Inschrift ^'^^\ als An-
rede an ein Weib zu suchen so gelehrt ara-
mäisch ist, wie Schlottmannus docta oder mulier
formosissimus gelehrt lateinisch wäre. Weder
vor noch in noch nach Wiesbaden hat man dies
iirr des Halleschen Sachverständigen, obgleich
auf ihm die vorgelegte Argumentation mit ruhte,
beanstandet: nehmen wir an, daß man nicht
aus Mangel an Kenntnis geschwiegen, sondern
nur »unnöthige Schroffheit« habe vermeiden
wollen. Das Zeitwort «in, von welchem jenes
angebliche ■>■!- herstammt, ist im Aramäischen
soviel wie suni, fui, esse im Lateinischen.
Was nun das Metrum anlangt, so hat auch in
diesem Punkte Herr Schlottmann den französi-
schen Orientalisten Herrn Derenbourg zum Vor-
gänger , doch nur insoweit , als auch dieser die
Inschrift von Carpentras für metrisch hält: im
Einzelnen gehn die beiden Gelehrten auseinander.
Herr Schlottmann sagt 195 richtig aus, daß die
syrischen Verse kein andres metrisches Princip
kenneu, als Sylbenzählung. Wenn er aber hin-
zufügt, dies Princip sei dort [so] sicher nicht
zuföllig: »es ist aus den Lautverhältnissen des
AramiÜschen , welches unter allen semitischen
Dialecten am meisten die ursprünglichen Vokale
beseitigt, und in Folge dessen die Hauptmassen
362
schwerer Sylben unvermittelt nebeueiuander ge-
stellt hat, mit innerer Nothwendigkeit hervor-
gegangen« , so scheint er über den Sachverhalt
doch nicht genügend orientiert. Nur wer auf
dem Boden etwa der Uhlemannschen Gramma-
tik steht, kann die allerdings nicht geschriebe-
nen, aber sehr deutlich (vergleiche die Aspira-
tionsregeln) vorhandenen Halbvocale des Ara-
mäischen übersehen: syrisches "i "'S n^ hat nur den
Schlußvocal weniger als das entsprechende ara-
bische wätibina, syrisches ^luJn^ö gilt freilich
im Verse schon zu Ephraims Tagen für zwei-
sylbig, entspricht aber nichtsdestoweniger bis auf
den Auslaut einem arabischen mubaxxitioa, ist
also viersylbig: von unvermittelter Nebeneinan-
derstellung der Hauptmassen (was ist das?) schwe-
rer Sylben bedaure ich durchaus nichts zu se-
hen. Sodann zeigen auch die zum Theil recht
alten Dialecte des Arabischen stark eingeschmol-
zenen Vocalismus, ohne daß sie in Versen die
Sylben zählten. Vielleicht erinnert man sich auch
mit Nutzen an die Thatsache, daß, wie R. West-
phal, Aurel Mayr und R. v. Roth (über Ya9na 31 :
Festschrift für die Tübinger Philologenversamm-
luug) gelehrt, auch das Bactrische für die Poesie
die Sylben zählt, trotzdem in ihm nicht »ur-
sprüngliche Vocale beseitigt, und in Folge dessen
die Hauptmassen [was ist das?] schwerer Sylben
unvermittelt nebeneinander gestellt« sind.
Will man in der Inschrift von Carpentras »sy-
rische« Metrik nachweisen, so wird man vor allem
die Lesung der einzelnen Worte festzustellen,
danach zu fragen haben, ob die jetzigen Halb-
vocale von den Aramäern des Ptolemäerreiches
noch voll gesprochen worden sind , und erst nach
Erledigung dieser beiden Vorfragen wird man die
363
Sylben der Inschrift zählen, und das Ergebnis
der Zählung buchen und verwenden dürfen.
Nun steht in jeder Zeile der Inschrift
mindestens Ein Wort, dessen Aussprache oder
Lesung ganz unsicher ist : allzu vorsichtig ist es
mithin nicht, Schlüsse auf ein Metrum zu ma-
chen, welches nur in der Zahl der Sylben besteht.
Niin und ■'Dnn findet Herr Schlottmanu 188
von Herrn Fr. Leuormant befriedigend nach [so]
dem Aegyptischen erklärt. Wenn er Recht hat,
so wird gewiß nicht von Taypi geredet werden
dürfen, denn Herr Lenormant liest »saus aucun
doute possible« TaHapi (JAP VI x 513) = celle
qui appartient ä Apis, wozu Lagarde Symmicta
105, 35 nachgesehen werden mag. TaHapi (zu
vergleichen mit der von Usener Anecdoton Hol-
deri 44 verkannten -veJice = der Isis gehörig)
ist dreisylbig, wodurch des Herrn Schlottmann
»Metrum« vernichtet wird. Man wird zu mer-
ken haben: Herr Lenormant erklärte ■'Enn be-
friedigend TaHapi, folglich ist — zweisylbig —
Taypi zu sagen. Die Aussprache des Gottesna-
mens ■'•^ciN ist durch 'OaeiQtg Lagarde Clemen-
tina 76, 21 nicht gesichert. Den Hieroglyphi-
kern traue ich bitterwenig: Diodor deutet a 11
'OaiQig nokvdcfO^aXfiog ^ was durch oig e<ig«.i und
das alte, im Koptischen durch te.A ersetzte ipi
erläutert werden, aber nicht richtig sein kann,
da D von ""IOin unsres Steins und von -i"»sn Isa.
10,4 Lagarde Symmicta 105 Semitica I 19 bis
auf weiteres zum g von ouj Ä.u}e.i nicht paßt.
Wie ■'-iSiN gesprochen worden, ist noch durch-
aus ungewiß.
lu der zweiten Zeile ist die Lesung der zwei-
ten Hälfte unsicher, in der dritten Zeile schwan-
ken die Ausleger zwischen "»n,"?. ",^73 und n'^p.rr
oder gar r.'^j;;:"'?:, in der vierten verstehn wir
364
TiSJüS nicht, und ist der Schluß unvollständig er-
halten: beiläufig sei bemerkt, daß im Aramäi-
schen, wenigstens im Syrischen, nichts davon
bekannt ist, daß t vor ;]üia zu n wird, also y'2':
ein Hebraismus wäre : 'j^ai , was dem syrischen
Brauche entspräche, enthielte, nach den Grund-
sätzen des Herrn Schlottmann gemessen , eine
Sylbe weniger als y:i'^, eine Sylbe, welche der
Herr für sein System nicht zu entbehren vermag.
Die zweite Vorfrage betraf die Halbvocale.
Es lohnt mir in diesem Zusammenhange die Mühe
nicht , meine Sammlungen auszuschütten : ich
erinnere nur au die aus dem neuen Testamente
hinlänglich bekannten Tah&a, Taßid^a, Maqdv
d&ä Marc. 5,41 Act. 9,36 40 Cor. a 16,22:
nach Herrn Schlottmanns Ansicht würde TXi^a,
Tßt&ttj Magav d^a zu sagen gewesen sein: was
im ersten Jahrhundert nach Christus noch ge-
golten hat, ist schwerlich unter einem der älteren
Ptolemäer schon veraltet gewesen. Auch die
Aussprache NrnbN, was Herr Schlottmann lähä
mißt, könnte man bemängeln, da die Syrer Nnbt*
sagen, beiläufig eine für die Ableitung von ö'^nbN
recht wichtige Form, da sie eine Steigerungsform
sein könnte. Ich will, Weiteres vorbehaltend,
anmerken, daß aus dem Eigennamen Ntib"^^
Payne Smith 590 und ähnlichem allerdings ein
M^N folgt, und daß die eXa griechischer Zeugen
erst näher untersucht werden müssen , ehe man
sie ins Gefecht führen darf.
Ich knüpfe an diese Auseinandersetzungen
einige Bemerkungen zu den einzelnen Zeilen der
Inschrift und der Lesung des Halleschen Ge-
lehrten.
1. Was sagt "»t gegen das sonst übliche ""T
über die Heimat des hier vorliegenden Dialects
ausV Das von Nöldeke in der mandäischeu
365
Grammatik § 46 Gegebene verdient eben so sehr
Erwägung wie alles was 0. Blau und Andere
seit ZDMG IX 81 über das "»t der Münzen und
Gewichte geäußert: freilich ist it gewiß nicht die
»ältere Form« von "in. Herrn Schlottmann stand
außer der ZDMG auch Geigers zweite Zeitschrift
I 204 zur Verfügung.
2. Die Deutung des *^"'6«2 Q5i:73 durch
»etwas Schlechtes« behauptet Herr Schlottmann
von Herrn Halevy entlehnt zu haben, Sie lag
völlig auf der Hand: A. Geiger hat sie schon
1868 im sechsten Baude seiner zweiten Zeitschrift
158 gegeben: dieser Band ist in der Bibliothek
der Gesellschaft vorhanden, zu deren Vorstande
Herr Schlottmann gehört: ZDMG XXH xxxvii
Nummer 3064 XXHI xviii Nummer 11: ich stelle
fest, daß Herr Halevy in den von Herrn Schlott-
mann 189 citierten melanges 152 \C">«a ayn3T2
gar nicht im Originale anführt, Herr Schlott-
mann also sein sicher nicht bei ihm selbst ge-
wachsenes ■»r-'Ni ayn:72 gar nicht aus Halevy
hat: wegen Cyn:'^ sieht man seit 1875 Tb. Nöl-
dekes mandäische Grammatik § 150 ein. Uebri-
gens ist es sehr naiv, wenn Herr Schlottmann
sich über zwei ihm von einem Freunde angelie-
ferten Beispiele für "vü-iNn &5n:72 so herzlich
freut: die Redensart ist im Aramäischen so all-
täglich wie »etwas Schlechtes« im Deutschen,
xaxöv XI im Griechischen. An das specifisch
hebräische \D"'i* hätte man in einem rein ara-
mäisch geschriebenen Stücke nie denken sollen:
vergleiche meine Symmicta 40 flf. Stelle man
sich vor, auf dem Kreuze eines deutschen Gra-
bes stehe die Bemerkung, eine Mutter sei drei
Tage after ihrem Kinde gestorben , oder in ei-
nem Schreiben an eine deutsche Behörde werde
von belämmernden Umständen geredet, weil der
366
Engländer after the death sagen, der Nieder-
länder über omslagtige, belemraerende en niet
zelden met het taaleigen strijdende Titulaturen
sich beschweren darf: erwäge man dabei, daß
eine Verehrerin des Osiris kaum Veranlassung
hatte, ihr gutes niederSemitisch gerade mit he-
bräischen, wohl allemal etwas nach Adonai rie-
chenden Vocabeln zu durchsetzen: erwäge man
weiter, daß unter den Ptolemäern das Hebräische
■wahrscheinlich überhaupt nicht mehr, sicher
aber nicht mehr in Aegypten geredet wurde,
und daß ein ;r;-^N = Mann zu entlehnen , kaum
irgend welche Veranlassung vorlag, da »Mann«
kein technischer Begriff ist. Die Annahme der-
artiger Sprachmengerei möchte die Urtheilsfä-
higkeit derer kaum sonderlich empfehlen, welche
uns an sie zu glauben zumuthen.
Selbstverständlich ist auch in der zweiten
Hälfte der zweiten Zeile \23it< nicht zu suchen :
ich werde nachher auf diesen Punkt zurückkom-
men. Zu Anfang dieser zweiten Hälfte fanden
die älteren Ausleger "»is-isi, Herr Schlottraann
findet '^'il'^p. Ich bin nicht Epigraphiker, und
darf daher weniger als viele Andere wagen , in
dieser Sache dem Gelehrten entgegen zu tre-
ten, welcher bei Gelegenheit des Ankaufs der Moa-
bitischen Schätze amtlich für den besten Kenner
semitischer Epigraphik in Deutschland erklärt
worden ist: ich darf über "^is^n^T und •'iiip nicht
entscheiden. Nur gegen die Uebersetzung des
"irip oder ■'St'iD durch calumnias (Gesenius), Ver-
leumdungen (Schlottmann) möchte ich Beden-
ken äußern. Das syrische Nitnp VsN (niemals sagt
man Nitnp i?3N, und man kann es der Natur der
Sache nach nicht sagen) wird von Payne Smith
178 179 besprochen, womit mau Nöldekes Sätze
in der ueusyrischen Grammatik 406 vergleichen
367
wolle: von einem yip = Verleumdung ist mir
schlechterdiugs nicnts bekannt, so daß mir^Herrn
Schlottmanus Uebersetzung wiederum nur zu
seiner eigenen Characterisierung beizutragen
scheint. Wenn Herr Dereubourg uud der ver-
storbene A. Geiger in ""^cisi die hebräische Wur-
zel nifc'n suchten, so ist das um nichts glückli-
cher als was Gesenius und Herr Schlottmann
vorgebracht: das hebräische n2£"i lautet im Ara-
mäischen N^i , wie aus meinen Semitica I 26
klar hervorgeht: Herr Dereubourg gibt wenig-
stens zu erkennen, daß er von dem Gesetze selbst
weiß. Daß "ntzn am Ende eines Satzes so stehn
könne, wie Herr Schlottmann nach seinen Vor-
gängern glaubt, halte ich für unmöglich. Wer
soviel Aramäisch gelernt hat, um uj-^n^ =:'13'2
mit xttxoV w zu geben, möchte in nizn einen Ver-
treter des syrischen tnr?: vermuthen: Gin?: — «b
oder Qin7372 — «b = niemals. Vergleiche man
bei Titus von Bostra 14, 31 (gr. 11. 6) 44, 3
(34,33) 60, 13 (48, 12) 79,23 (64,23): besonders
ähnlich ist 60, 9 = gr. 48,9 öints b:in:i Niai: t<b:
siehe auch Hoffmann hermen. Arist. 190. man
dürfte abzuwarten haben, was ein Papierabdruck
des Originals an dieser Stelle zeigen wird.
3. Gegen Herrn Schlottmanns "^np "^ö ist
bereits in Wiesbaden bemerkt worden, daß npb
ein hebräisches, kein aramäisches Wort ist. Herr
Schlottmann beruft sich zur Vertheidigung die-
ses Hebraismus auf ;I;'<^< der Zeile 2. Da er von
dem ihm nicht nennbar erschienenen A. Geiger
für 2^ post festum hat lernen müssen, daß dort
(in einer aramäischen Inschrift) ui-'Na nicht das
hebräische Hauptwort u;"'N mit der Präposition 3,
sondern das aramäische Adjectiv uJ-iNi ist, über
welches er auch mich zu Proverbien 6, 11 nach-
zusehen beliebe, so wäre ein Zweifel an der
368
Richtigkeit der Auslegung von 2^ vielleicht nicht
uuangebracht gewesen : wer in einer Grabschrift
unmittelbar nach einer Anrede an die Verstor-
bene (mau denkt zunächst, es werde in der
zweiten Person fortgefahren werden), wer da die
Zeile findet: »Fetzen eines homme hat nicht
gesagt eine accomplie«, hat alle Veranlassung
gegen die Genauigkeit der Deutung bedenklich zu
sein : wenigstens sollte, falls die Deutung richtig
wäre, der Stein gleich vom ersten Steinmetzen eine
Randglosse mitbekommen haben, welche uns be-
lehrte, daß diese Worte besagen wollen : die hier Be-
grabene hat nie verleumdet. Einer Seligen zurufen
>Nimm Wasser« ist überhaupt trotz der von Beer
beigebrachten Parallele vom tpvxQÖv vöooq des
Osiris eigenthümlich: auf dem Steine steht aber
noch dazu nichts weniger als Wasser vor der
Seele: Gesenius erkannte fünf Kyphibüchsen,
einige Brote, zwei Näpfe, eine graue Gans, ein
geköpftes Kalb, ein lebendiges Huhn, drei Spen-
degefäße. Vor diesem Aufbaue die Entschlafene
ermahnen »Nimm Wasser«, oder um die Sprach-
mischung und die Wortstellung wiederzugeben
»Wasser prenez«, das scheint mir die Antwort zu
verdienen : Ich sehe keines, wo soll Ichs herneh-
men? Doch das wäre vielleicht »schrofiF« ge-
wesen.
4. Herr Schlottmann spricht nnbD aus. Er
sagt 190 »statt des gewöhnlichen ühSd nehme
ich aus metrischem Grunde [er meint: um meine
Behauptung, die Inschrift sei sfifAezQog ^ zu stü-
tzen] eine Form mit erhaltenem i der mittleren
Sylbe an, wie solche in dem Targum der Bomber-
ger [so] Ausgabe vorkommt [,] zum Beispiel «'^"'ait
sammelnd Ruth 2,16 (wofür Buxtorfs'nnü hat):
sonst müßte man, um drei Sylben zu erhalten,
eine Intensivform SinVe annehmen, wie sie allen
369
Hanptdialecten gemeinsam ist, wie sie aber das
Aramäische gerade bei dieser Wurzel nicht auf-
weist (vergleiche das arabische fallä/ mit ande-
rer Bedeutung)«. Es zeugt von großer Gründ-
lichkeit und vielem Geschmacke an nutzloser
Arbeit in Bombergs schwer zugänglicher, ohne
Zählung der Verse gedruckter Folioausgabe zu
lesen, was man in meinem (vocallosen) Octavab-
drucke der Bombergiana so bequem finden konnte.
Noch eigenthümlicher ist es, die gemeine Lese-
mutter "^ (denn eine solche ist nach Herrn Schlotfc-
mann das "< von NT^n::) zur Aufgrabung einer
archaischen Form in Mitten einer aller Archais-
men schlechthin haaren Umgebung zu benutzen.
Sind die ursemitischen Vocale in der Sprache
dieser Inschrift in syrischer Art behandelt (nach
Herrn Schlottmann stehn ja »die Hauptmassen
schwerer Sylben unvermittelt nebeneinander« !),
so sieht ein nnbc = nnbo hier genau so aus,
wie ein Tpanc^aw»' oder ein loXg rdv ipätpov (fs-
QÖvzeaai bei einem Geheimsekretäre der Com-
nenenzeit aussehen würde. Bomberg hat übri-
gens mit t<'J"':?2fc gewiß nicht das Femininum des
Particips gemeint. Characteristisch ist die Be-
hauptung, daß die Intensivform nnVc im Ara-
mäischen nicht aufzuweisen sei: sie ist völlig
alltäglich, und da Herr Schlottmann sich klar
darüber sein mußte, wie Noth es ihm thut, ara-
mäische Wörterbücher einzusehen, bevor er sich
über Aramäisches äußert, so hätte er die Mühe
nicht scheuen sollen, auch in diesem speciellen
Falle den syrischen Castellus in der Ausgabe von
J. D. Michaelis 707, G. H. Bernsteins Wörter-
buch zur Chrestomathie 399, F. Uhlemanns Wör-
terverzeichnis in der Grammatik * xlvi, E. Rö-
digers Lexicon zur Chrestomathie ^ 82 nachzu-
schlagen: auch G. Hoffmanns im Namen der
370
Universität Kiel zu Herrn Olshausens Jubilaenm
herausgegebene Festschrift hätte 88^ 45 — 89^ 4
gute Dienste geleistet: wenn das dort stehende
nicht genügt, so stelle ich die Beispiele schock-
weise zur Verfügung. Sonst siehe Nöldekes man-
däische Grammatik § lOB, aus welcher sich die
Lehre des Herrn öchlottmann , daß die Form
qattäl allen Hauptdialecten des Semitischen ge-
meinsam ist, ermäßigen wird. Allerdings hätte
ein Andrer als Herr Schlottmann sich vielleicht
gefragt, ob tinVo dem Sinne nach möglich sei:
einer Seligen zuzurufen »sei eine Bäuerin«,
möchte kaum irgendwo üblich gewesen sein:
für nicht-Orientalisten bemerke ich, daß das auch
in Deutschland sattsam bekannte Felläh = Bauer,
das Herr Schlottmann zum üeberflusse ja selbst
anführt, das Masculinum zu diesem tinVc ist.
Des Herrn Schlottmann nnVs könnte nur die
außerordentlich seltene Bildung sein, welche zum
Beispiel in s<D"'!:j;z3 Johannes 12,3 vorliegt: daß
diese so wenig wie ünVc paßt, brauche ich Ken-
nern nicht erst auseinanderzusetzen.
Herr- Schlottmann sagt 193 »statt des am
Ende von Zeile 4 nach Derenbourg hergestell-
ten nübuJ forderte man [in Wiesbaden]
Nnttbu3. Auch hier gilt dasselbe wie [so] in dem
vorhergehenden Falle. Man übersah die Ana-
logie von n3">")S Zeile 1 und 3, nJ2n Zeile 2,
Jnnbo Zeile 3, (uicht NnD"«-i3 u. s. w.). Uebri-
gens wäre auch für die Lesung Nn?:ibu; oder
nnXDbuJ hinlänglicher Raum in der Lücke vor-
handen«. 196 kommt er auf dies nni^buj mit
unverkennbarer Neigung zurück : daß nntjbu; un-
möglich macht von einem Reime zu reden,
übersieht er: Jinabuj und tiTon würden nur in
Halle, nicht im semitischen Morgeulaude reimen.
In Wiesbaden ist vielleicht eines der beliebten
371
»Misverständuisse« vorgekommen: Herr Schlott-
mann aber hat jedenfalls die seiner Angabe nach
in Wiesbaden gemachte Bemerkung für werth-
voll angesehen, wovon ich Akt nehme. NnrabttJ
ist ein NtDb'iJ mit dem Artikel : Kosegarten faßte
1834 in der Vorrede zu K. M. Agrells supple-
menta syntaxeos syriacae viii ix die Regeln
Agrells über das Praedicat im syrischen Satze
zusammen. Wenn es Herrn Schlottmann nicht
darauf ankommt für rT^V'U Nnttba oder rirrob»
zu lesen , so zeigt er nichts geringeres , als daß
er bei lacobus 1, 19 für eatui taxvg auch sota) o
za^vs duldeu würde, oder im Französischen für
soyez sage ein soyez le sage. Nnabtt) wäre als
Praedicat in altem Aramäisch schlechthin un-
denkbar.
Da die letzte Arbeit des Herrn Schlottmaun
sich von seinen früheren in nichts unterscheidet,
hätte ich über sie so gut schweigen dürfen,
wie ich über die früheren schweigen durfte.
Daß ich diesmal rede, hat in dem Herannahen
einer neuen moabitischen Invasion seinen Grund.
Das Athenaeum hat die nöthigen Mittheiluugen
und Warnungen gebracht: der deutsche Consul
in Jerusalem, Herr von Miinchhausen, bezeugt, daß
diesmal die Sachen — es handelt sich aber noch
nicht um den gleich zn nennenden Hauptschatz
— »unmögliche gefälscht sein köunen. Für Viele
wird der Umstand zur Aufklärung genügen, daß
die Sammlung auch Bruchstücke von dem bleier-
nen Sarcophage des israelitischen Richters Sam-
son enthält , auf welchen Samsons nnd seines
Vaters Manoe Namen durch ein vorzugsweise
gütiges Geschick besonders geschützt worden
sind: der Verstorbene schreibt sich mit Waw
■jiTTTa'r , was wohl den Freunden derartiger
Waare kaum zum ö^d Nb« verhelfen wird.
372
Das Dasein einer Vorsehung kann nun in de»
That nicht weiter geleugnet werden , nachdem
einem zum Christenthume bekehrten Juden 1877
genau die Reste jenes Heroensarges in die Hände
gespielt worden, welche die Herrlichkeiten —
nicht mir noch meinen Freunden, aber Andern —
kaufwürdig erscheinen lassen. Man schlage den
zweiten Band des Athenaeums für 1877 auf den
Seiten 699 733 773 815 nach, welche alle in
den December des bezeichneten Jahres fallen.
Das jüdische Litteraturblatt von M. Rahmer fragt
in Nummer 1 des laufenden Jahrganges bereits
an, ob nicht vielleicht nächstens auch die Grab-
achrift von Adam und Eva zum Vorschein kom-
men werde. Herr Schlottmann ist von der preu-
ßischen Regierung für das erste Unheil als Sach-
verständiger benutzt worden. Da wiederholte
private Warnungen in Halle und Leipzig nichts
gefruchtet haben, schien es Pflicht, bei erster
Gelegenheit öffentlich festzustellen, wie es mit
des Herrn Schlottmann Sachverständigkeit be-
schaffen ist: wir wollen durchaus keine zweite
Auflage .Moabitica erleben, und verzichten auch
mit dem alleraufrichtigsten Vergnügen auf alle
die Zuthaten, welche an der ersten Auflage gehan-
gen haben und noch hangen. Meine Auseinan-
dersetzung wird hoffentlich so ausgefallen sein,
daß etwas weiteres nicht nöthig ist, und sie wird
den am deutschen Horizonte erscheinenden Sar-
eophag des Samson und des Moabitischen Plun-
ders muthmaßlich einzigen, aber hochgestellten
und einflußreichen Freund ebenso grell beleuch-
ten wie manches andere, das hier nicht ausdrück-
lich aufgezählt werden soll.
373
Beobachtungen zur Pharmacologie
des Saliciu
Von
W. Manne.
(Fortsetzung von Seite 245).
Die Oxydation zu Salicylsäure , die weder
durch fortgesetzte Einwirkung von Ozon noch
durch längere Einwirkung von Wasserstoffhjpe-
roxyd ^) außerhalb der Körper erreicht wird, ge-
lingt dem thierischen Organismus innerhalb kur-
zer Zeit. Erhalten Fleischfresser (Hunde
und Katzen) innerlich fortgesetzt Sali-
cin, so scheiden sie ebenso wie Pflan-
zenfresser und Omnivoren neben Sa-
licin, Saligenin und salicyliger Säure
im Harn auch Salicylsäure aus. Sie se-
tzen demnach das Salicin bei interner Applica-
tion ganz wie der Mensch um. Der Nachweis
der Salicylsäure gelingt leicht , wenn man den
täglich gesammelten Harn möglichst rasch ver-
dampft, mit Weingeist auszieht und den Verdun-
stungsrückstand dieses Extracts mit angesäuertem
Aether ausschüttelt. Die im Laufe von 8 — 14
Tagen gesammelten Aetherauszüge hinterlassen
nach dem Verdunsten die Salicylsäure in ausge-
bildeten Krystallen neben der öligen salicyligen
Säure.
Der nahe liegenden Annahme , die Salicyl-
säure bilde sich im thierischen Organismus aus
der salicyligen Säure einfach durch Aufnahme
1) Die Oxydationsvereuche mit einer lO^/o Lösung von
Wasserstoffhyperoxyd (einem englischen im Handel be-
findlichen, von Dr. H. Friedländer zu Berlin bezogenen
Präparat fielen bis jetzt nicht befriedigend aus. Eis scheint
Saliretin statt Saligenin gebildet za werden.
31
3T4
von 1 Mol. Sauerstoff, stehen die Resultate der
allbekannten Untersuchungen, die Wöhler und
Frerichs^) mit salieyliger Säure und anderen
organischen Substanzen angestellt haben, anschei-
nend entgegen. Auf wiederholte Gaben von V2
— 4 Grm. salicylige Säure enthielt der Harn
immer unveränderte spirige Säure. Salicylsäure
wurde vergebens gesucht. Die salicylige Säure
wirkt, wie diese Versuche lehrten und wie später
Hamon und Falk bestätigt haben, stark rei-
zend auf die Schleimhäute der ersten Wege, aber
in den angewandten Dosen nicht giftig. Nach
unseren Versuchen wirkt die freie salicylige
Säure nicht allein irritirend auf die Applications-
organe, sondern auch stark erregend auf die
Herzaction. Wird sie in nicht zu großen Dosen
innerlich gegeben oder direct ins Blut injicirt,
so wird der Puls sehr beschleunigt (von 8 auf
25 in 5 See. bei Hunden) uud die Herzaction
sehr verstärkt. Vielleicht gibt diese erregende
Einwirkung auf das Herz zum Theil die Erklä-
rung für die von Wöhler und Frerichs Con-
sta tirte- Ausscheidung der eingeführten salicyligen
Säure in unverändertem Zustande. — Mit der
Größe der Dosis, in welcher die salicylige Säure
in den Körper des Hundes eingebracht wird, und
mit der größeren Beschleunigung der Herzaction
wächst die ünwahrscheiulichkeit für die Oxyda-
tion der salicyligen Säure in ihrer Gesammtheit
oder in nachweisbarer Quantität. Wenn aber
Saligenin vom Darm aus oder Salicin direct ins
1) Wöhler und Frerichs. lieber die Verände-
rungen , welche namentlich organische Stoffe bei ihrem
üebergang in den Harn erleiden. (1848) Annalen der
Chemie u. Ph. Bd. 65 S. 336.
Hamon und Falk in Canstatts Jahresbericht vom J.
18^2 V. Bd. S. 128.
375
Blut gelangt, so kann die allmählich sich bil-
dende salicylige Säure in statu nosceati viel eher
eine Oxydation erfahren. Obgleich die Möglich-
keit, daß das ins Blut gelangte Salicin auch di-
rect zu Salicylsäure sich oxydirt, nicht abgewiesen
werden kann. Immerhin war es denkbar, daß
kleine aber fortgesetzt in den Magen eingeführte
Dosen von salicyliger Säure im Organismus zum
Theil wenigstens zu Salicylsäure oxydirt würden.
Indem wir dieser Frage nachgingen, haben wir
in der Voraussetzung, daß sehr kleine Mengen
salicyliger Säure in den ersten Wegen höchst
wahrscheinlich an Alkalien gebunden und so erst
resorbirt werden, nicht mit freier Säure, sondern
mit salicyligsaurem Natrium experimentirt und
außer der angegebenen auch noch die Frage nach
der angeblich diuretischen, der bestrittenen gif-
tigen und einer etwaigen temperaturherabse-
tzenden Wirkung des Salzes näher verfolgt.
Das Natriumsalz haben wir aus der nach
Ettling') aus Salicin dargestellten und durch
wiederholte Destillation rectificirten, salicyligen
Säure dadurch gewonnen, daß wir diese mit
einer kalt gesättigten, alkoholischen Lösung von
Natriumhydroxyd versetzten bis die Mischung
zu einem steifen Brei erstarrte. Diesen lösten
wir in heißem Alkohol und das nach dem Er-
kalten auskrystallisirte Salz preßten wir, nach-
dem es mit kaltem Alkohol ausgewaschen war,
rasch zwischen Fließpapier und trockneten es
über Schwefelsäure. Die seideglänzendeu, blen-
dend weißen Krystalle lösen sich leicht in warmen
Wasser. Die Lösung zersetzt sich aber nach
einiger Zeit, wie sich an dem Uebergang ihrer
hellgelben in eine anfangs dunkelgrüne, später
1) Ettling in Annalen der Ch. a. Ph. v. J. 1840 Bd.
89 S. 269.
31*
376
fast schwarze Farbe zu erkenn en gibt^). Zu
den Experimenten haben wir immer ganz frisch
bereitete warme Lösungen oder das Salz in Sub-
stanz benutzt.
Die Untersuchung des Harns von Hunden
und Ziegen, die fortgesetzt kleine Dosen des
Salzes innerlich erhalten hatten, können wir leider
noch nicht als beendet ansehen. Die Versuche
mußten unterbrochen werden. Nach vierwöchent-
licher Dauer derselben war nämlich der Vorrath
an Salz consumirt und kein neues Salicin aufzu-
treiben. Jetzt von Neuem aufgenommene Ver-
suche dürften aber günstig ausfallen, nur müssen
dieselben längere Zeit fortgesetzt werden." Denn
die Oxydation der als Salz eingeführten Säure
geht jedenfalls nur in sehr beschränktem Maaße
und allmählich vor sich. Dafür spricht auch der
Umstand, daß das Natriumsalz in frisch defibri-
nirtem Blute nicht reducirend wirkt; das Blut
behält unverändert die beiden Absorptionsstreifen
des Oxyhämoglobins.
Werden größere Dosen des Salzes bei Hun-
den, Ziegen und Kauincheu innerlich gegeben,
so wird jedenfalls der größte Theil desselben un-
verändert ausgeschieden. Die alkoholischen Aus-
züge des Harns setzen reichlicli Krystalle ab,
welche in Wasser gelöst und durch Salzsäure
zersetzt an Aether die salicylige Säure abgaben.
Neben ihr konnten wir größere Mengen von Sa-
licylsäure nicht mit Sicherheit isoliren , obwohl
in der wäßrigen Lösung des Aetherrückstandes
Brom einen krystalliuischen Niederschlag her-
vorrief, der neben den characteristischen , sehr
langen Nadeln der bibromsalicyligen Säure auch
1) Nach Piria zersetzt eich das Salz in feuchtem Zu-
stand unter Grün und Scbwarzfärbung in Melan und Es-
sigsäure. Annal. d. Ph. v. J. 1889 Bd 80. S. 1Ü7.
377
kleine farblose Prismen aufwies, die für eine
Bromverbindung der Salicylsäure angesehen wer-
den konnten. In der HoflPnung diese letzteren
in größerer Anzahl zu erhalten, werden die obigen
Versuche mit kleineren Dosen noch fortgesetzt.
Die local irritirende Wirkung der freien sa-
licyligen Säure besitzt auch das Natriumsalz.
Bei Ziegen und Kaninchen manifestirt sich die-
selbe, wenn größere Dosen in Lösung applicirt
werden, theils in Anoresie, theils in profluvium
alvi. Bei Hunden und Katzen erregten schon
3,0 des Salzes, wenn es in Substanz gereicht
war, nicht selten Erbrechen, was übrigens Ha n-
non auch bei Anwendung der freien Säure be-
obachtet hat und wenn Falk dies bezweifelt,
weil er wie auch Wöhler undFrerichs keine
Emese bei ihren Hunden gesehen haben, so steht
zu vermuthen, daß in diesen Fällen die ange-
wandte Säure in starker Verdünnung und wahr-
scheinlich bei mehr oder weniger angefülltem
Magen gereicht worden ist. Bei Hunden beob-
achteten wir Erbrechen auch dann , wenn sie
vor der Einführung der Pillen (in Fleischboli)
gefüttert worden waren; nur trat dann die eme-
tische Wirkung später ein. Das Auftreten der
Emesis machte es unmöglich bei Hunden und
ebenso bei Katzen, die gleichfalls leicht des
Salzes ausbrechen, die dosis toxica und lethalis
bei innerer Application zu bestimmen. Die gif-
tige Wirkung des Salzes, auf die schon Hanno n
(nach Falk ohne experimentelle Beweise) hin-
gewiesen hat, zeigte sich bei anderen Versuchs-
thiereu in entschiedenster Weise. Kaninchen
von 2000 Grm. Körpergewicht vertragen allerdings
intern 1,0 — 1,5 Grm., erst sehr viel höhere
(^Tabeu wirken in ähnlicher Weise giftig wie
geringere nach directer Injection in die Blut-
378
bahn. Es erklärt sich dies offenbar aus der
stets vorhandenen Anfüllung des Kaninchenmagens
mit Futterstoffen, Spritzt man verdünnte (57o)
oder concentrirtere (1,5%) Lösung direct in das
Blnt, so treten intensive Vergiftungserscheinungen
auf, die mit Tod durch Syncope oder Aophyxie
enden. Registrirt man gleichzeitig die Blutdruck-
curve, so sieht man schon bald nach der Injec-
tion eine sehr bedeutende Beschleunigung der
Herzaction eintreten ohne wesentliche Aenderung
des Blutdrucks. Die Vagusenden im Herzen
werden nicht gelähmt, sie reagiren bis kurz vor
dem Tode auf elektrischen Reiz. Es stellt sich
aber fast gleichzeitig eine Beeinträchtigung der
Respiration ein. Die Thiere athmen, wenn sie
nicht narcotisirt noch curaresirt sind, mit starker
Anstrengung der In- und Exspirationsmuskeln.
Erbrechen haben wir bei Hunden nach Injection
des Salzes ins Blut nie eintreten gesehen. So-
bald aber die dosis toxica erreicht ist, stellen
sich sowohl bei Kaninchen wie bei Hunden, so-
wohl in der Morphinnarcose wie ohne dieselbe
Zuckungen ein, die rasch an Zahl und Intensität
zunehmen bis sie den Character eines äußerst
heftigen Schüttelfrostes annehmen. Sistirt man
jetzt die Injectionen, so erholen sich die Thiere
nach kürzerer oder längerer Zeit vollständig und
sind nach spätestens 24 Stunden wieder ganz
gesund. Bei Hunden von 8—10000 Grm. Kör-
pergewicht genügt etwa 1,0 und bei 2 — 3000
Grm. schweren Kaninchen circa 0,1 — 0,15 des
Salzes um bei directer Injection die Schüttel-
krämpfe hervorzurufen. Setzt man nach Eintritt
derselben die Injectionen fort, so steigern sich
die Krämpfe zu ausgebildetem Tetanus mit Si-
stirung der Respiration. Die Krämpfe treten
selbst bei Thieren auf, deren Cerelerum durch
379
Unterbinduug der großen Arterien am Halse
vom Gifte verschont bleibt. Läßt der Krampf-
anfall nach, so erscheint die Respiration keu-
chend, anfangs etwas beschleunigt und dann wieder
wie vorher verlangsamt. Die V* — V« Minute
dauernden Anfälle wiederholen sich jedoch noch
mehrmals ehe eine durch steiles Absinken des
Blutdrucks und kleinste Pulswellen characterisirte
Erlahmung des Herzmuskels eintritt. Der Tod
erfolgte in der Mehrzahl unserer Versuche durch
Herzstillstand , auf welchen noch 6 — 8 tiefe,
schnappende Inspirationsbewegungen folgten.
Nur in einzelnen Fällen sistirte bei Kaninchen
die Respiration vor dem Herztod.
Zwei Experimente dürften genügen den Symp-
tomencomplex darzulegen.
1. Mittelgroßer Hund, 9330 Grm. schwer. Tracheal-
kanüle, beide Vagi am Halse isolirt, die vena jngal. ext.
dextra mit einer Kanüle versehen und die rechte art.
femoralis mit L u d w i g' s Kymographium verbanden. Wegen
sehr großer Unruhe werden 0,04 Morph, hydrochl. in die
Vene injicirt. Weil bald darauf die Respiration still-
steht wird künstlich respirirt. Nach 15 Minuten hat der
Blutdruck die ursprüngliche Höhe und das Herz seine
frühere Energie wiedererlangt. Jetzt werden in Zwischen-
räumen von 5 und 10 Minuten 0,18 salicyligsaures Na-
trium in blutwarmer Lösung injicirt. Nachdem bei fast
unverändertem Blutdruck, starker Beschleunigung der Herz-
action und erhaltener Reizbarkeit des Vagus 9,0 injicirt
sind, treten heftige Zuckungen auf, die an Zahl und
Intensität zunehmen und das Thier so heftig erschüttern,
daß trotz der Sieherheitsligatur der Gummiansatz der Glas-
kanüle reißt. Experiment abgebrochen, die GefaRe unter-
bunden, die Wunden geschlossen und mit Thymol ver-
bunden. Während der nächsten Viertelstunde treten die
Krämpfe häufig und heftig auf und nehmen dann immer
mehr ab. Am nachten Morgen hat der Hund sich voll-
ständig erholt, frißt begierig sein Futter. Erst nach 2
Tagen , als ihm ein Maulkorb angelegt wird , läßt er
dunkelgrünen Harn. Er erhält nun in die linke vena jugular.
ext. in blutwarmer Lösung größere Dosen salicyligs. Natr.
380
12 L. 22 Herzact. 8 in 5 See. Resp. 2—3 in 5 See.
»23 0,45 inj icirt.
> 24 » 20 » » 3 »
» 25 » 17—18 » » 3 •
» 26 » 15—17 j> » 3 »
»27 » große Unruhe.
» 28 > 10 » » 3 »
» 30 » 9 — 10 » » 3—5 sehr angestrengt
» 31 > 10 > » 4—5 desgl.
» 33 » 10 » » 3 »
»34 0,45 injicirt.
»35» 20 > > 3 gewaltsam.
» 36 » 18 » » leichte Zuckung.
> 87 » 14 » die Zuckungen starkem, häufiger.
»38 intensiver Schüttelkrampf und
sehr angestrengte Respiration.
» 39 werden wieder injicirt 0,45.
» 39,5 Herzact. 20 in 5 See.
» 40 Die Zuckungen treten mit großer Heftigkeit
auf, die Respiration sehr erschwert ; keuchend ;
Herztöne nicht zu unterscheiden, da die Zu-
ckungen in Schüttelkrampf ausarten, der V4M.
anhält.
» 41 Herzaction 20 in 5 See. Resp. 4—5 in 5 S.
sehr mühsam,
» 42 Einzelne Zuckungen.
» 43 Herzaction 20 in 5 See. Resp. 5 in 5 S.
» 43,75 heftiger Schüttelkrampf, Respir. setzt aus.
> 44,25 Krampf läßt nach, Resp. beginnt wieder, 4—
5 sehr angestrengte Resp. in 5 See.
» 45,5 ausgebildeter Starrkrampf.
» 46 Nachlaß und Injection von 0,45.
> 46,5 Herzaction 16 in 6 S. Respirat. 3 in 5 See
» 47 Streckkrampf.
» 48,5 während eines Streckkrarapfs 0,45 injicirt.
» 49 Herzaction ganz undeutlich, Respiration auch
in der Pause sistirt.
» 50 Herzaction nicht hörbar; einzelne mit Inter-
vallen auftretende Respirationsbewegungen.
» 51 Die eingeführte Herznadel steht still ; es folgen
noch mehrere schnappende, tiefe Inspirations-
bewegungen in längeren Pausen.
Section nach 10 Minuten. Schleimhaut der Trachea
injicirt. Die Lungen beiderseits durchweg lufthaltig hoch
und hellroth gefärbt. Herz in beiden Ventrikeln mit
381
Blutgerinsel gefüllt, im rechten die lockeren Gerinsel
dunkel, im linken auffallend hellroth. Weder auf, noch
im Herzen etwas abnormes sichtbar. Der Muskel zeigt
bei der mikroskopischen Untersuchung seine ganz normale
Querstreifung. Speiseröhre blaß, Mngen mit Futter ge-
fällt, seine Schleimhaut mäßig geröthet. Die Gefäße des
Mesenteriums prall gefüllt. Schleimhaut des Dünndarms
injicirt, Leber marmorirt. Beide Nieren sehr blutreich,
von normaler Structur. In der Harnblase etwas schmutzig
gelber Harn, der frei von Eiweiß und Zucker ist.
2. Männliches Kaninchen von 2630 Grm. Körperge-
wicht , linke Carotis mit dem Kymograph. verbunden,
rechte Ven. jugul. ext. mit Kanüle versehen. Inn?rhalb
12 Minuten werden in Absätzen 0,075 salicyligs. Natr.
injicirt. Es erscheinen die ersten Zuckungen. Nachdem
in den folgenden 22 Minuten nochmals 0,075 injicirt sind,
haben sich die Zuckungen zu intensiven SchSttelkrämpfen
gesteigert ; Respiration sehr angestrengt, markirt die Puls-
curve. Während den Krampfespausen beruhigt sich bis-
weilen die Respiration und dann erscheinen die Pulscurven
für kurze Zeit unverändert wie vor Eintritt der Zuckungen,
die Pulse sind von 16 auf 24—26 in 5 See. beschleunigt.
Nachdem in den folgenden 7 Minuten noch 0,09 injicirt
sind , steht die Respiration still , während das Herz an
der steil abgefallenen Curve noch einzelne Pulse verzeichnet.
Nach diesen und andern Experimenten läßt
sich die lethale Dosis bei directer lujectiou für
entsprechende Hunde auf 2—2,5 Grm. und für
Kaninchen auf 0,2 — 0,25 normiren.
Bei diesen und ebenso bei anderen, aber nur
bis zum Eintritt von Intoxicationserscheinungen
behandelten Thieren zeigte das ins Rectum ein-
geführte Thermometer keine Abnahme der Kor-
pertemperatur, weder bei Hunden und Katzen,
noch bei Kaninchen und Ziegen, während nach
interner Einführung von großen, aber nicht
toxisch wirkenden Dosen von Salicin junge Ziegen
eine Temperaturabuahme bisweilen um P C. für
längere Zeit darboten. Das Salicin kann seine an-
tipyretische Wirkung nicht einmal zum Theil
seiner Umsetzung in salicylige Säure verdanken.
382
Die der salicyligen Säure und ihren Alkali-
salzen zugeschriebene diuretische Wirkung haben
wir nicht bestätigt gefunden. Bekanntlich hat
Hannon in Brüssel, nachdem Obriot und
Te ssier die Stipites et Herba Spiraeae ulraariae
als kräftiges Diureticum bei Hydropsien em-
pfohlen hatten, die salicylige Säure als wirk-
samen Bestaudtheil der Drogue zum Ersatz der-
selben dringend empfohlen. Als geeignete Prä-
parate rühmte er neben einer Tinctura und Potio
salicylica ^) die salicyligsauren Alkalien. Viel-
leicht hat Hannon^) das Kaliumsalz gemeint,
das möglicher Weise wie andere Verbindungen
des Kaliums mit organischen und unorganischen
Säuren verrnöge der bekannten Einwirkung auf
Herz und Gefäßnerven eine Steigerung der Diu-
rese bewirkt. Nur wird dabei nach unseren
Versuchen die salicylige Säure in den von H a n-
non empfohlenen Dosen durchaus ohne Bedeu-
tung sein.
Sowohl Hunde wie Katzen und ebenso Ziegen
und Kaninchen , welche salicyligsaures Natrium
innerlich oder subcutan oder direct ins Blut er-
halten hatten , lieferten weder mehr noch häu-
figer Harn als vor der Application des Mittels.
Es stellte sich im Gegeutheil sogar fast immer
eine Verzögerung der Harnescretion ein, obgleich
gewiß keine Iseturie vorlag. Denn so wie sie
auf den ihnen bekannten Operationstisch ge-
bracht wurden , lieferten Hunde , Katzen und
Ziegen den vollgültigsten Gegenbeweis.
Das nicht nur irritirend, sondern in geeig-
neten Dosen auch giftig wirkende, salicyligsaure
1) Siehe bei W. Reil Materia medica der reinen chemi-
schen Pflanzenstoffe Berlin 18B7 S. 287.
2) Ilannon's Originalmittheilung Bullet, de Therap.
Dec. 1851 war uns nicht zugänglich.
383
Natrium wirkt weder antipyretisch noch diare-
tisch. Die experimentelle Prüfung der Salicin-
spaltungsproducte bestätigt also die Annahme,
daß das Saliciu seine febrifuge Wirkung nur
seiner Umsetzung in Salicylsäure verdankt. Denn
da das Salicin als solches im Thierkörper jeden-
falls nur kurze Zeit besteht, das Saligeniu gleich-
falls leicht oxydirt wird und die salicylige Saure
nicht antipyretisch wirkt bleibt nur die Salicyl-
säure als antifebriles Spaltuugsproduct übrig*).
Nachdem der lebhaft geführt« Streit über
die antipyretische Wirkung der Salicylsäure po-
sitiv zu Gunsten derselben und ihres Natrium-
salzes entschieden ist, stehen sich immer noch
die Ansichten über die Art und Weise des Zu-
standekommens der Wirkung der als Natrium-
salz im Blute circulirenden Säure schroff gegen-
über. Während H. Köhler gestützt auf eigene
Untersuchungen und die Lehre von Kolbe, daß
nur die freie Salicylsäure antiseptisch wirke, in
einer deprimirenden Einwirkung des Natrinm-
salicylats auf Herz Circulation und Respiration
den wesentlichen Factor der antifebrilen Wirkung
sucht, plaidirt C. Binz für eine innerhalb der
Organe durch freie Kohlensäure bedingte Zer-
setzung des salicylsauren Natriums und legt der
frei gewordenen Salicylsäure eine dem Chinin
ähnliche, antiseptische Wirkung bei. H. Köh-
ler''), Fleischer') u. A. haben sich bemüht
die Ünhaltbarkeit der Binz'schen Hypothese,
die sich auf bekannte, leicht zu bestätigende
1) Die Salicylursäure darf wohl ganz außer Rechnung
bleiben, da sich wohl schwerlich die Annahme bestreiten
läßt, daß sie ebenso wie nach Meißner, Schmiedes-
berg und Bange die Hippursäure aas der Benzoesäure
erst in den Nieren aus der Salicylsäure entsteht,
2) Köhler in Centralbl. f. d. m. W. 1876 No. 32.
3) Fleischer Arch. f. kl. Med. XIX. 81.
384
Versuche stützt, darzuthun. Er konnte unter
keinen Umständen im normalen Blute lebender
Thiere, die salicylsaures Natrium erhalten hatten,
freie Salicylsäure nachweisen; im Erstickungs-
blute gelaug es dagegen leicht. Ganz mit Recht
macht B i n z ^) dagegen geltend , daß ein g e-
suudes Kaninchen keineswegs gleich gesetzt
werden dürfe einem fiebernden Menschen.
Ferner wenn das Blut und die Gewebe des ersteren
das Natriumsalicylat nicht zerlege, sei man nicht
berechtigt zu schließen, daß auch die des letz-
teren es nicht können. Da außerdem die Span-
nung der Kohlensäure in entzündeten Geweben
nach Ewald^) die des Erstickungsblutes um
mehr als die Hälfte übertreffen könne, hält B i nz
sich immer noch berechtigt, seine Hypothese von
der antipyretischen Wirkungsweise des Natrium-
salicylats aufrecht zu erhalten.
Versetzt man Kaninchen nach der zuerst von
Otto^) bei Epileptikern und Pel*) bei Men-
schen und Kaninchen gemachten Erfahrung durch
subcutane Injection von kleinen Dosen Digitalin
für einige Stunden in Fieberzustand und gibt
ihnen gleichzeitig möglichst große Dosen Natri-
umsalicylat innerlich, so läßt sich doch zur Zeit,
wo der Harn bereits Salicylsäure enthält, aus
dem Blute der fiebernden Thiere keine freie
Salicylsäure mit reinem Aether ausschütteln.
Weder bei Hunderr noch Ziegen konnten
wir die Temperatur durch subcutane Injection
kleiner Dosen Digitalin steigern , ebenso wenig
1) Binz im Arch. f. exp. Path. und Pharm. 1877
Bd. VII. S. 276.
2) Ewald Arch. f. Anat. und Phys. v. Reuchert und
Dubois 1876 S. 446.
8) Otto Arch. f. kl. M. XVI. S. 140.
4) Pel C. f. m. W. 1877 S. 269.
385
gelang es dadurch die Pulsfrequenz zu vermehren
und größere Dosen setzten bei beiden Thieren
eine Yerlangsamung der Herzaction. Durch In-
jection putrider Flüssigkeit kann mau aber
(ebenso wie bei Kaninchen) für längere Zeit
hohes Fieber erzielen. Verabreicht man fiebernden
Hunden oder Ziegen größere Dosen Natriumsa-
lycilat, so kann auch bei diesen Thieren aus
dem Blute mit reinem Aether keine freie Salicyl-
säure gewonnen werden.
Unser Verfahren war folgendes.
Die fiebernden und im Harne bereits Sali-
cylsäure absondernden Thiere wurden mit einer
Trachealkanüle versehen, mit Morph, hydrochl.
narcotisirt; dann wurde durch ein an der rechten
Thoraxseite angelegtes Fenster rasch in die zu-
geklemmte Vena cava ascendens eine knieförmige
Glaskauüle so eingeführt, daß der eine Schenkel
bis zu den Venae hepaticae reichte. Durch die
befestigte Kanüle floß das Blut in ein mit Aqua
destillata versehenes Gefäß, in welchem es so-
gleich mit Aether geschüttelt werden konnte.
Um größere Quantitäten Blut zu erhalten, wurde
bei Hunden während künstlicher Respiration
gleichzeitig die Leber von der Vena portar. aus
mit ausgekochtem, blutwarmen Wasser durch-
spült. In keinem Falle enthielt der Aetherrück-
stand Salicylsäure. Wurde die Respiration nach
Eröfi'nung des Thorax nicht in ergiebigster Weise
unterhalten , so gab der Aetherrückstaud des
Blutes bisweilen mit Eisenchlorid eine blaue
Färbung.
Bei diesen Versuchsthieren hatte also auch
das Fieberblut in der Leber keine Spaltung des
Natriumsalicylats veranlaßt. Daß das Blut des
fiebernden Menschen sich ebenso verhält ist
damit freilich nicht bewiesen, aber es ist min-
386
destens durchaus nicht wahrscheinlich, daß, was
im Fieberblut von Fleisch und Pflanzenfressern
nicht geschieht, im Blute eines fiebernden Men-
schen zu Stande kommen sollte. Wenn dem
aber doch so wäre, so steht in keinem Falle
die verlockende , aber unbewiesene und zur Zeit
unbeweisbare Annahme der Zersetzung des Na-
triumsalicylats durch die Kohlensäure des Fieber-
blutes mit einer von Köhler urgirten depres-
sorischen Wirkung der Salicylsäure und ihres
Natriumsalzes auf die Circulation und Respiration
im Widerstreit. Da der letztere Autor selbst
zugibt, daß diese letztere Wirkung allein das
rapide Absinken der Körpertemperatur nicht er-
klären kann ^) und dieselbe nach den überein-
stimmenden Ergebnissen sämmtlicher, klinischen
Beobachter beim fiebernden Menschen kaum und
meist gar nicht zur Geltung gelangt, anderseits
aber B i n z für die Salicylsäure und deren Natrium-
verbindung ebensowenig wie für die Chininsalze
eine ausschließliche antiseptische Wirkung bean-
sprucht^), können die von beiden Autoren ver-
tretenen Wirkungen nebeneinander und neben
anderen noch unaufgeklärten Einflüssen des Na-
triumsalicylats auf den fiebernden Organismas
friedlich und sich ergänzend einhergehen. Die
trotzdem immer noch mangelhafte Einsicht in
das Wesen der Wirkung des Salicylats wird er-
heblich vervollständigt durch eine unter Dra-
gendorffs Leitung ausgeführte Untersuchung
von Buchholtz über Antiseptiren und Bacte-
rien'). Durch diese sorgfältig ausgeführten,
1) Köhler Separatabdruck aus der deutschen Zeit-
schrift für practische Medicin S. 22.
2) Binz Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. VII S. 271.
8) Buchholtz Archiv für exp. Pathologie und Phar-
macologie v. J. 1826 Bd. IV S. 1—81.
i
587
comparativeu Versuchen wissen wir jetzt , daß
Kolbe's Lehrsatz »nur die freie Salicylsäure
wirkt antiseptisch« wesentlich eingeschränkt
werden muß , weil das salicylsäure Natrium für
gewisse kleinste Organismen ein energisches,
manche andere ähnlich wirkende Stoffe weit
übertreffendes Antisepticum ist. Nach allen bis-
herigen Erfahrnugen wird man der antiseptischen
Wirkung des Natriumsalicylats den Löwenantheil,
der etwaigen Depression von Circulation und
Respiration besten Falles eine begünstigende
Nebenwirkung bei der Antipyrese zugestehen.
Endlich haben wir noch einige Beobachtungen
über die Elimination des Salicin und seiner Spal-
tungsproducte mitzutheilen. Während Schottin
vergeblich Zersetzungsproducte des innerlich ge-
nommenen Salicin im Schweiß gesucht hat, ist
es uns gelungen mit Hülfe von Pils carpinum
muriaticum Salicinderivate im Pfotenschweiß jun-
ger Katzen mit Sicherheit zu constatiren ^). Ebenso
gelingt es den Uebergaug derselben Producte in
das Secret der Speichel- und Thränendrüse dar-
zuthun. Bei Ziegen lassen sich Spaltnngspro-
ducte des Salicin auch an der Milch (ohne An-
wendung von Pilocarpin'' gewinnen.
Eine mehrjährige, frisch milchende Ziege er-
hielt während 4 Tagen innerhalb je 24 Stunden
10 Grm. Salicin innerlich in Eibischwurzelpillen.
Die täglich gesammelte Milch wurde mit ange-
säuertem Alcohol extrahirt und am 5. Tage die
sämmtlichen Extracte vereinigt und der Yerdun-
stungsrückstand mit Aether erschöpft. Der in
Wasser aufgenommene Rückstand des Aetherex-
tracts gab auf Zusatz von Eisenchlorid die in-
1) Der Nachweiß wnrde nach derselben Weise geführt
die in diesen Nachrichten No. 3 ds. Jahres für Salicyl-
säure angegeben ist.
388
tensivste Blaufärbung. Der Harn der Ziege
wurde schon am zweiten Tage durch das Rea-
gens characteristisch blau tingirt.
Die Elimination des innerlich gegebenen Sa-
licins resp. seiner Derivate wird hauptsächlich
durch die Nieren-, zum Theil aber auch durch
die Schweiß- Speichel- Thräneu- und Milchdrüsen
besorgt.
Als Resultate unserer Experimente ergeben
sich folgende Schlußsätze:
1. Das Salicin, ein ausgesprochen bitteres
Mittel, veranlaßt keine Reizung des Gefäßnerven-
centrums, weder bei directer Injection in 's Blut,
noch bei interner Application.
2. Die durch H. Köhler 1. c. aufgestellte
Lehre von der Wirkung der bitteren Mittel auf
die Circulation und die daraus abgeleiteten Fol-
gerungen haben keine allgemeine Gültigkeit.
3. Im Blute der Fleischfresser wird, wie
Scheffer 1. c. angegeben, Salicin so gut wie
nicht umgesetzt. Kleine Gaben werden, wie
Bau mann 1. c. mittheilt, zur Bildung von ge-
paarter Schwefelsäure benutzt. Nach interner
Application größerer Dosen setzen Fleischfresser,
Säuger sowohl wie Vögel, das Salicin ebenso
(wenn auch vielleicht etwas langsamer) um, wie
Pflanzenfresser und der Mensch.
4. Die Umsetzung des Salicin beginnt schon
in dem oberen Theil des Dünndarms, ist bedingt
durch die Einwirkung von Fermenten und wird
vielleicht unterstützt durch die gleichzeitige Ein-
wirkung kleinster Organismen.
5. Im oberen Theil des Dünndarms läßt sich
kurze Zeit nach der internen Application von
Salicin mit Sicherheit Saligeuin nachweisen.
389
6. Nicht nur Warmblüter, sondern auch
Kaltblüter zersetzen das Salicin und zwar inner-
halb der Blutbahu und sogar ohne Mitwirkung
der wichtigsten Drüsen (Leber, Milz, Eautdrüsen)
und bei Ausschluß der Nieren und der Lungen-
athmung.
7. Außerhalb des lebenden Körpers wird Sa-
licin durch defibrinirtes bei Körperwärme eine
Niere oder die Leber durchströmendes Blut selbst
nach 10 Stunden nicht umgesetzt.
8. Durch Ozon wird reines krystallisirtes
Saligenin zu salicyliger Säure oxydirt, während
Salicin davon, wie schon Gornp-Besanez an-
gegeben hat, selbst nach Wochen langer Einwir-
kung unverändert bleibt.
9. Salicylige Säure wirkt nicht nur im freien
Zustande, sondern auch als Natriumsalz local
irritirend und nach erfolgter Resorption stark
excitireud auf die Herzthätigkeit.
10. Salicyligsaures Natrium in größeren Do-
sen angewandt, wirkt giftig und führt unter
heftigen, vom Rückenmark ausgehenden Convul-
sionen zum Tode durch Syucope oder Asphyxie.
11. Innerhalb des Organismus erfolgt jeden-
falls nur eine sehr spärliche Oxydation des ein-
geführten salicyligsauren Natriums, der bei Weitem
größte Theil wird, wie nach Wo hier und Fre-
r i c h s die freie salicylige Säure , unverändert
mit dem Harn eliminirt.
12. Weder salicylige Säure noch ihr Natri-
umsalz wirken antipyretisch.
13. Dem salicyligsaurem Natrium kommt
keine diuretische Wirkung zu.
14. Salicin setzt bei Pflanzenfressern bes.
Ziegen auch die normale Temperatur, selbst bis
um VC. herab.
32
390
15 Die antipyretische Wirkung verdankt es
nachweisbar nur seiner Umsetzung in Salicylsäure.
16 Nach Einführung sehr großer Dosen ba-
licin erscheint im Harn relativ mehr salicyhge
Säure als Salicylsäure. , • -dw
17. Salicylsaures Natrium wird auch im mute
fiebernder Thiere nicht zersetzt.
18 Die Elimination der im Körper von Men-
schen und Thieren gebildeten Salicinderivate er-
folgt zwar hauptsächlich im Harn, außerdem
aber auch im Schweiß, dem Speichel, der Thranen
und der Milch. . -, ^ -, c r i
19. Salicin ist kein Aequivalent der balicyl-
säure oder des salicylsauren Natriums.
20. Das Salicin ist als Arzneimittel entbehrlich,
weil es im Organismus nur zum Theil m Sali-
cylsäure umgesetzt wird, weil größere Dosen ba-
licin im Harn relativ mehr salicyhge Saure als
Salicylsäure liefern, weil endlich die salicyhge
Säure in größeren Gaben geradezu giftig wirkt.
üeber Entladungen der Elektricität
in Isolatoren.
Von
W. C. Röntgen.
In der folgenden Mittheilung sind die Resul-
tate einer schon seit längerer Zeit angefangenen,
jedoch öfters unterbrochenen Expenmeutalunter-
suchung über die zerreißende Entladung der Elek-
tricität durch Isolatoren enthalten. Ich hatte
mir nämlich die Aufgabe gestellt zu erforschen,
ob bei einer solchen Entladung eine angebbare
Beziehung zwischen der physikahschen Beschat-
391
feuheit des Isolators uud der zn einer Entladung
benöthigten Potentialdifl'erenz , sowie der entla-
deneu Elektricitätsmenge besteht.
Die Untersuchung erstreckte sich auf feste,
flüssige uud gasförmige Körper; es ist mir jedoch
bis jetzt nur gelungen bei den letzteren eine
solche Beziehung aufzufinden.
Die festen Körper, größten Theils Krystalle,
wurden in Gestalt von dünnen Platten zwischen
zwei abgerundete Messingspitzen gebracht, von
denen die eine zur Erde abgeleitet, die andere
mit einer Elektricitätsquelle, meistens einer Holtz'-
schen Maschine verbunden war. Durch lang-
sames Drehen der Maschine wurde das Potential
solange gesteigert, bis ein Funke die dünne
Platte durchsetzte. Ein iür den vorliegenden
Fall besonders construirtes Elektrometer gestattete
den Verlauf des Potentials zu verfolgen und das-
selbe im Augenblick der Entladung genau zu
bestimmen. Ich hofi'te nun in dieser Weise bei
Platten aus verschiedenen Substanzen und insbe-
sondere bei Platten , die in verschiedener Rich-
tung aus demselben Krystall geschnitten waren,
eine für jede Substanz und für jede Richtung
charakteristische Potentialdifferenz zu erhalten;
allein bis jetzt waren meiue Bemühungen frucht-
los. Es war mir nicht möglilich bei einer uud
derselben Platte aus verschiedenen auf einander
folgenden Versuchen genügend übereinstimmende
Werthe dieser Potentialdifferenz zu erhalten ; die
Ursache dieser Unregelmäßigkeit ist ohne Zweifel
in einer nicht zu vermeidenden Verschiedenheit
in der Anordnung der Elektricität auf den
Spitzen und der Platte zu suchen. Die zur Fun-
kenentladuug benöthigte Potentialdifferenz ist
wesentlich von dieser Anordnung abhängig und
letztere ändert sich bei der gewählten Ver-
32*
3Ö2
suchsmethode bevor der Funke überschlägt in
Folae einer kleineren oder größeren Leitungs-
fähigkeit der Platte und ihrer Oberflache, sowie
in Folge von durch Convectiou von der Spitze
zugeführter Elektricität in einer unregelmäßigen
und nicht controlirbaren Weise.
Vielleicht würden Versuche mit viel größeren
Platten und mit sehr schwach gewölbten ^lek-
troden im Stande sein,- günstigere Resultate zu
^'^^Die Versuche, welche ich mit Flüssigkeiten
anstellte sind trotz ihrer Zahl noch zu unvoll-
ständig und bieten noch zu wenig allgemeine
Gesichtspunkte um darüber Näheres mittheilen
^"^ Bekanntermaaßen sind die Elektricitätsent-
ladungen in Gasen öfters Gegenstand der Lnter-
sucSung gewesen ; es wurde sowohl die Funken-
entladung bei größeren und kleineren Drucken
a?s aSie unter dem Namen Zerstreuung be-
kannte langsame Entladung mehrfach untersucht.
Es^äßt sich aus diesen Versuchen keine ein-
fache Beziehung zwischen irgend welcher kon-
stante der verschiedenen Gase und der jedem Gas
entsprechenden, zur Entladung ^«"«f ?f «^P*^;
Lntialdifferenz oder der entladenen Elektricitats-
mengen mit Sicherheit ableiten Es wurde jedoch
gewagt sein auf Grund dieser Versuche zu schlie-
ßen, daß eine derartige Beziehung nicht existirt
deni erstens, muß man bei den Funkenentladungen
immer befürchten, daß die bei einigen Gasen
ohne Zweifel stattfindende Zersetzung, sowie die
bedeutende Temperaturändrung in der Funken-
bahn eine solche Beziehung moghcherweise ver-
decken, und zweitens, haben bis jetzt nicht ver-
öffentlichte Versuche von Hrn. War bürg ge-
zeigt, daß eine Zerstreuung der Gase nicht mit
393
Sicherheit nachweisbar ist; der von Coulomb,
Rieß, Warburg etc. beobachtete Elektricitäts-
verlust von Conductoren , die in Gasen isolirt
aufgestellt sind, wird sehr wahrscheinlich nur
durch die isolirenden Stützen und durch Staub-
theilchen bewirkt^).
Ich habe mich in Folge dessen nach manchen
Vorversuchen und nach reiflicher Ueberlegung
entschlossen, für meinen Zweck eine Entladungs-
art zu wählen, welche bis jetzt noch wenig un-
tersucht war, nämlich die sogenannte fortführende
Entladung; dieselbe findet bekannte rmaaßen zwi-
schen einer sehr scharfen Spitze und einer großen
ebenen Platte bei nicht zu geringen Drucken
statt. Ich glaube es in der That dieser Wahl
zuschreiben zu können , wenn es mir schießlich
gelungen ist die gesuchte Beziehung aufzufinden.
Die zuletzt als brauchbar befundene Ver-
suchsmethode war folgende. Durch ei uen Schmidt '-
sehen Wassermotor wurde eine Holtz'sche Ma-
schine bei möglichst constanter und großer Ro-
tationsgeschwindigkeit der Scheibe in Thätigkeit
erhalten. Die eine Elektrode war durch die
Gasleitung mit der Erde verbunden und von der
zweiten führte ein mit Guttapercha überzogener
Kupferdraht zu den inneren Belegungen zweier
nach W. Thorason's Angabe aus gut isoli-
rendem Glas und Schwefelsäure construirten
Leydner Flaschen, deren äußere Belegungen zur
Erde abgeleitet waren. Diese Flaschen bildeten
eiQ elektrisches Magazin von ziemlich bedeutender
Capacität und hatten den Zweck die vielleicht
durch unregelmäßige Elektricitätsentwickelung
der Maschine verursachten Schwankungen des
Potentials möglichst abzuschwächen. Hinter
diesen Flaschen theilte sich die Leitung : Der
^) Sehe. Boltzman. Pogg. Aan. Band 155 S. 415.
394
eine Zweig ging zu einer engen mit Glycerin
gefüllten Glasröhre, welche als Rheostat diente;
durch einsenken oder herausziehen einer metalli-
schen Erdleitung konnte der Glycerin wiederstand in
stetiger Weise verkleinert oder vergrößert werden.
Der zweite Zweig führte zuerst zu der Spitze in
dem Entladungsapparat, und von da zu einem
eigens für die Untersuchung construirten Elek-
trometer.
Der Entladungsapparat bestand aus folgenden
Theilen. Eine verticale, unten mit einer ver-
goldeten Nähnadel versehene Messingstauge ging
gut isolirt durch den Tubus einer weiten Glas-
glocke, die luftdicht auf einen Luftpumpenteller
gesetzt war. In dem durch die Glocke abge-
sperrten Raum stand sorgfältig vom Teller isolirt,
in einer Entfernung von 19,3 mm der Spitze
centrisch gegenüber eine polirte Messingscheibe
von 132 mm Durchmesser; dieselbe war in lei-
tender Verbindung mit dem einen Ende der Win-
dungen eines äußerst empfindlichen Spiegelgal-
vanometers von sehr großer Windungszahl; das
andere Ende der Winduugen führte zur Gaslei-
tung. — Durch eine Luftpumpe und weitere
geeignete Einrichtungen konnte die Glocke mit
verschiedenen Gasen, bei verschiedenen Drucken,
die durch ein Manometer bestimmt wurden, ge-
füllt werden.
Das benutzte Elektrometer hat sich zwar für
die vorliegende Untersuchung als brauchbar er-
wiesen, dasselbe hat aber noch viele Mängel die
beseitigt werden müssen. Ich bin somit mit der
Construction eines besseren Apparates beschäftigt
und hoffe später darüber zu berichten. Es sei
nur noch erwähnt, daß dasselbe nach Art des
Thomsou'schen Quadrantenelektrometers ein-
gerichtet war und daß die Ablesungen durch
395
Vergleichuug mit einem long ränge Elektrometer,
welches ich zum größten Theil nach Thomson's
Angaben anfertigen ließ, auf vergleichbares Maaß
reducirt wurden. Es ergab sich weiter, daß 6
der Einheiten, in welchen im Folgenden die Poten-
tialdifferenzeu ausgedrückt sind, ungefähr einer
Potentialdifferenz von 5 Daniell entsprechen;
indessen möchte ich auf diese Angabe kein zu
großes Gewicht legen, da die mir zur Verfügung
stehende Batterie zu klein war, um eine genauere
Bestimmung ausfuhren zu können. —
Nehmen wir nun an, daß die mit der Gas-
leitung verbundene Elektrode der Holtz'schen
Maschine die negative Elektricität wegführt,
so findet die von der anderen Elektrode weg-
gehende positive Elektricität zwei Wege, erstens
durch den Rheostaten zur Gasleitung und zwei-
tens durch den Entladungsapparat und das Gal-
vanometer ebenfalls zur Gasleitung. Man kann
nun durch Aendrung des Rheostatenwiederstandes
die Menge Elektricität, welche durch den Eut-
ladungsapparat geht innerhalb weiter Grenzen
variiren. Das Galvanometer giebt über diese
Menge Aufschluß, und das Elektrometer mißt
die Potentialdifferenz zwischen Spitze und Platte.
Ich machte nun bald die Beobachtung, daß
die Entladung nicht bei jeder Potentialdifferenz
stattfindet , sondern daß vielmehr immer eine
ganz bestimmte Differenz zum Einleiten derselben
erforderlich ist. Hat man beim Anfang des
Versuches den Rheostatenwiederstand nahezu
gleich 0 gemacht, wobei selbstredend die Aus-
schlüge des Galvanometers und des Elektrometers
ebenfalls gleich 0 sind und vergrößert nun all-
mählig diesen Wiederstand, so bemerkt man zwar
am Elektrometer ein stetiges Steigen des Poten-
tials; dasselbe muß jedoch einen bestimmten
396
Wertli erreicht haben, bevor das Galvanometer
durch einen plötzlichen, verhältnißmäßig großen
und bei constant bleibendem Rheostatenwieder-
stand Constanten Ausschlag die eingetretene Ent-
ladung anzeigt. Ist einmal die Entladung vor-
handen, so kann man den Rheostatenwiederstand
und somit das Potential wieder verkleinern, wo-
durch die Entladung zwar stetig abnimmt, jedoch
nicht sofort auf 0 herabsinkt. Erst bei einer
Potentialdifferenz, die wesenthch kiemer ist als
diejenige bei welcher die Entladung anfing, hört
diese wieder vollständig auf. — , „ ' . p
Es ergab sich nun weiter, daß der Anfang
der Entladung von manchen Nebenumstanden,
z. B. davon abhängig war, ob seit kürzerer oder
längerer Zeit eine Entladung stattgefunden hatte ;
auch haben nicht zu vermeidende kleine btaub-
theilchen wahrscheinlich einen Einfluß. Dagegen
lieferten die Bestimmungen der Potentialdifiereuz,
bei welcher die Entladung aufhört, aus verschie-
denen, durch längere Zeiträume von einander
getrennten Versuchen Werthe, welche vorzuglich
unter einander übereinstimmten. Ich habe mich
deßhalb entschlossen wenigstens vorlaufig meine
Hauptaufmerksamkeit auf die Bestimmung dieser
Potentialdifferenz, die wir Minimum Potential-
differenz benennen und der Kürze halber mit
M. P. bezeichnen wollen, zu richten.
Der Moment, wo die Entladung aufhört macht
sich meistens dadurch in charakteristischer Weise
bemerkbar, daß der schon sehr klein gewordene,
nur noch 2-4 Scalentheile betragende Cialvano-
meterausschlag, nach einer weiteren sehr geringen
Wiederstandsverminderung im Rheostaten plötz-
lich zu Null wird; in diesem Augenb hck wird
am Elektrometer dieM.P. abgelesen. Ich mochte
diese Erscheinung durch die kleinen bchwan-
Uiiugeu, welche das Poteutial trotz der einge-
schalteten Leydner Flaschen erleidet erklären.
Das Elektrometer , welches mit einer starken
Dämpfung versehen ist, giebt den Mittelwerth
an um welchen das Potential schwankt. — Daß
nun auch wirklich die Entladung aufgehört hatte,
habe ich noch in anderer Weise controlirt; wurde
nämlich das Galvanometer durch stärkere Asta-
tisiruug bedeutend empfindlicher gemacht, so
verschwand der Ausschlag desselben genau bei
derselben Potentialdifferenz wie früher; ebenso
wurde ein Elektroskop, welches anstatt des Gal-
vanometers mit der Platte im Eutladungsapparat
verbunden wurde nicht geladen, und es verschwand
die im Dunkeln sichtbare, bei einer Entladung
vorhandene charakteristische, sternförmige Licht-
erscheinung, wenn die M. P. erreicht war. —
Bei sämmtlichen Versuchen, die im Folgenden
angegeben werden, blieb der Abstand der Spitze
von der Platte derselbe. Weiter war, wenigstens
bei den Versuchen, die direct mit einander ver-
glichen werden sollen, die Temperatur constant
und schließlich ist zu beachten , daß die Spitze
immer positiv ist, wenn nicht ausdrücklich das
Gegentheil erwähnt wird.
Leider mußte die Untersuchung unterbrochen
werden; erstens, weil die Frühlings- und Sommer-
zeit zu Arbeiten mit statischer Elektricität sehr
ungeeignet ist, und zweitens, weil für die Fort-
setzung der Umbau einiger Apparate, insbesondere
des Elektrometers durchaus nothwendig geworden
war. Von den vielen Fragen , die man sich
stellen kann konnten somit nur einige beant-
wortet werden. Die Resultate sind in dem Fol-
genden mitgetheilt.
1. Wie hängt bei einem Gas die M.P. vom
Druck ab? Die Frage wurde mehrfach für tro-
398
ckene, kohlensäurefreie Luft beautwortet. Fig. 1.
stellt das Ergebniß eines Versuches dar. Als
Abscisseii wurden die in Mm. Quecksilber ausge-
drückten Drucke, als Ordinaten die M.P. aut-
getragen; die Einheit, in welcher die letzteren
ausgedrückt sind, ist nicht direct mit der oben
besprochenen vergleichbar.
mm\lgl6l5l544|499|445|385|266|l98ll38| 68|29.o|l0.9|7.1
" M. P. |639l602|577i547|503|439|4ü2l361i301! 2581 198 1^«^
Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß
bei Drucken über 200 mm die Zunahme des
Druckes wenigstens sehr nahezu der Zunahme
der M P. proportional ist. Unter dieser grenze
nimmt die M.P. verhältnißmäßig viel rascher ab.
Bei anderen Gasen wurden ähnliche Verhaltniße
gefunden.
2 Wie hängt bei einem Gas, welches unter
einem bestimmten Druck steht, die entladene
Menge Elektricität mit der Potentialdifferenz
zwischen Spitze und Platte zusammen?
Es wurde trockene kohlensäurefreie Uüt bei
den Drucken 391; 294; 2034; 1097; 51.8mm
Hg. geprüft. Die größte Potentialdifferenz, welche
mit meinem Elektrometer bestimmt werden konnte,
war 3684 Einheiten: (6 Einh. = 5 Dan.) die
größte Menge Elektricität, die gemessen werden
konnte betrug etwas über 500 willkürlich ge-
wählte Einheiten. In den folgenden Tabelen
stehen in der ersten Verticalcolumne die Poten-
tialdifferen/en, in der zweiten die entladenen,
entsprechenden Elektricitätsmengen und in der
dritten habe ich unter dem Namen »disponibele
Potentialdifferenzen« die Differenzen der in der
ersten Columne vorkommenden Zahlen und der
399
jedem Druck entsprechenden M. P,, (bei welcher
selbstredend die entladene Menge = 0 ist) an-
gegeben. Ich habe diese Differenzen berechnet
und ihnen den angegebenen Namen gegeben,
weil möglicherweise die Anschauung richtig ist,
daß die M. P. zur Ueberwindung eines gewissen
Uebergangswiederstandes benöthigt ist, und daß
bloß die disponibele Potentialdifferenz für die
entladene Menge maaßjjebend ist. Die letztere
soll der Kürze halber mit D. P. bezeichnet werden.
Druck 51.8
Pol.Diff. Enll. Menge D. P.
1462
0
0
1727
71
265
2004
171
542
2199
•271
737
2349
371
887
2487
471
1025
Druck 109.'
7
Pol. Difl. Enll. Menge D. P.
1806
0
0
2094
38
288
2859
208
1053
3396
370
1590
3684
522
1878
Druck 203.4
PoUDiff. ,EnlJ. Menge; D. P.
2162
0
0
2645
45
483
2859
67
697
3396
138
1234
3684
192
1522
Druck 294
Pol.Diff. Enll. Menge D. P.
2433
0
0
2859
29
426
3396
72
963
3684
105
1251
Druck 391.
Pol.Diff. Enü. Menge D. P.
2775
0
i 0
3169
24
1 394
3684
65
1 909.
In Fig. 2. ist die erste dem Druck 51.8 ent-
sprechende Tabelle graphisch dargestellt. Die
Abscissen bezeichnen die entladenen Mengen,
die Ordinaten die D.P. Die Curven für die an-
deren Drucke haben ähnliche Gestalt.
400
3. Wie hängt bei einem Gas bei einer be-
stimmten Potentialdifferenz die entladene Elek-
tricitäts-Meuge von dem Drucke ab? Es wurde
in ausführlicher Weise trockene, kohlensäurefreie
Luft bei der Potentialdifferenz 3684 untersucht.
Druck in mm Hg.|641.2[466.4i391.0|294 0|203.4|109.7
Entlad. Menge | 0 !41.5| 65 | 105 [ 193 [ 522
Fig. 3. stellt die Tabelle graphisch dar; die
Abscissen bezeichnen die entladenen Elektricitäts-
mengeu , die Ordinaten die Drucke. Andere
Gase verhalten sich in ähnlicher Weise.
Bei diesen Versuchen war, wie "erwähnt, die
Potentialdifferenz constant, da jedoch nach 1. bei
verschiedenen Drucken die Entladung bei ver-
schiedenen Potentialdifferenzen aufhört, resp. an-
fängt, so waren die D. P. nicht dieselben; es
wäre somit noch fraglich, ob keine einfache Be-
ziehung zwischen Druck und entladener Elektri-
citätsmenge bestände, wenn bei verschiedeneu
Drucken nicht die absolute Potentialdifferenz,
sondern, die disponibele Potentialdifferenz constant
erhalten wird. Die Frage läßt sich aus den Data
von 2. beantworten. Ich habe aus der graphi-
schen Darstellung der Tabellen folgende für die D. P.
= 1000 gültige Zusammenstellung entnommen.
Druck in mm. Hg. |391|294|203,4|109,7|51,8
Entlad. Menge j 71 | 79 | 106 | 194 |450
In Fig. 4 findet man die graphische Dar-
stellung; eine einfache Beziehung ist nicht er-
kennbar; allerdings ist das Product aus Druck
und Menge für die vier letzten Drucke sehr na-
hezu comtant, allein bei dem Druck 391 findet
mau eine bedeutende Abweichung von dieser Kegel.
Zur vollständigen Beantwortung der Fragen
2. und 3. werden Versuche, die mit verschiedenen
401
Gasen zwischeu weiteren Grenzen der Potential-
differenzen , der Drucke und der entladenen
Mengen nnbedigt nothwendig sein.
4. Besteht eine angebbare Beziehung zwischen
der Miniraumpotentialdifferenz und der Natur
der verschiedenen Gase, worin die Entladung
stattfindet? Die Gase wurden sämmtlich bei zwei
Drucken, nahezu 205 und HO mm. Hg. geprüft;
Versuche bei höheren Drucken waren ausge-
schlossen, weil das Elektrometer die entsprechenden
Potentialdifferenzen bei einzelnen Gasen nicht
mehr zu messen im Stande war. Es sei noch
erwähnt, daß diese Versuche nicht direct mit
den obigen vergleichbar sind.
In der folgenden Tabelle sind die Mittel werthe
aus verschiedenen mit einander gut in Einklang
stehenden Bestimmungen angegeben.
p iM.P.bei M.P.bei
^^*® 205mm , UOmm
Wasserstoff
129ti
1174
Sauerstoff
2402
1975
Kohlenoxyd
2634
2100
Grubengas
2777
2317
Stickoxvdul
3188
2543
Kohlensäure
3287
2655
lu dieser Tabelle sind die Gase nach stei-
genden Werthen der M. P. geordnet; vergleicht
man diese Reihe mit derjenigen, welche man er-
hält, wenn die Gase nach abnehmenden Werthen
ihrer mittleren, molecularen Weglängen geordnet
werden, so findet man, sowohl bei dem Druck von
205 als bei dem Druck von 110 mm eine vollständige
Uebereiustimmung. Da die Minimumpoteutial-
differeuz ein directes Maas für die Isolationsfä-
higkeit des Gases ist, so kann man das in obiger
Tabelle enthaltene Resultat in folgender Weise
402
aussprechen: die Gase haben ein desto größeres
Isolationsvermögen, je kleiner ihre Weglänge ist.
Nun ist bekanntermaaßen die Weglänge desto
größer, je kleiner die Gasmoleküle sind, folglich
wird man auch sagen können: die Gase sind
desto isolationsfähiger, je größer ihreMolecüle sind.
Der Zusammenhang zwischen der M. P. und
der Weglänge tritt noch überzeugender hervor,
wenn man für jedes Gas das Product aus Weg-
länge und M. P. bildet :
Gase.
Product aus Weglänge und M. P.
Druck 205 mm
Druck 110 mm
Wasserstoff
240
218
Sauerstoff
254
209
Kohlenoxyd
259
207
Grubengas
236
197
Stickoxydul
217
173
Kohlensäure
224
181
Die Wegläugen sind aus den Graham'schen
Transpirationsversuchen berechnet und dem Buch:
0. E. Meyer, Gastheorie entnommen ; der Faktor
— — ist überall weggelassen.
Aus diesen Zahlen ergiebt sich nun eine
merkwürdige Beziehung: es folgt nämlich sowohl
aus der ersten wie aus der zweiten Reihe, daß
das Product aus der Weglänge und der bei glei-
chem Druck gemessenen Minimurapotentialdiffe-
renz bei allen untersuchten Gasen sehr nahezu
denselben Werth hat.
Von Stefan wurde auf den Zusammenhang
zwischen Weglänge und Brechungsexponent auf-
merksam gemacht und Boltzmann's Versuche
haben gezeigt, daß die Dielektricitätsconstanteder
Gase in der von dem MaxweH'scheu Gesetz ge-
forderten Beziehung zum Brechuugsexponeuten
403
steht; durch die vorliegende Arbeit ist auch die
Isolationsfähigkeit der Gase mit den drei ge-
nannten Eigenschaften in Causalverband gebracht.
Das Lsolatiousvermögeu eines Gases ist demzu-
folge desto kleiner je größer sein Yertheilungs-
vermögen ist, und umgekehrt. —
Es sei noch erlaubt darauf hinzuweisen , daß
ähnliche einfache Beziehungen zwischen Weg-
länge und M. P. für ein und dasselbe Gas, aber bei
verschiedenen Drucken bestehen; eine einfache
Discussion der unter 1. besprochenen Versuche
führt zu diesem Resultat.
Außer den angeführten Gasen wurde noch
Ölbildendes Gas untersucht; die besprochene
Gesetzmäßigkeit wurde bei demselben nicht be-
stätigt gefunden , denn das Product aus M. P.
und Weglänge war bei den Drucken 205 und 110
mm = 149 resp. = 123. Ich glaube jedoch
auf diese Abweichung kein Gewicht legen zu
dürfen , da die Entladungserscheinungen einen
ganz anderen Charakter hatten als bei den übrigen
Gasen und fast mit Sicherheit auf eine Zersetz-
ung des Gases schließen ließen.
Zum Schluß sei noch bemerkt, daß bei feuchter
Luft die M. P. , folglich die Isolationsfähigkeit
viel größer war als bei trockener.
5. Eine Reihe von Versuchen mit Luft und
Wasserstoff beweisen, daß die M. P. unter sonst
gleichen Umständen kleiner ist bei negativer
Ladung der Spitze als bei positiver ; ob auch
ähnliches stattfindet in Bezung auf die Poteu-
tialdifferenz, bei welcher die Entladung anfängt,
habe ich bis jetzt nicht entscheiden können.
Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß die
Untersuchung nicht frei von Lücken ist, und
404
somit nicht als abgeschlossen betrachtet werden
darf. Ich behalte mir vor im nächsten Winter
mit besseren und mehr geeigneten Hülfsmitteln
die Versuche zu wiederholen und das Gebiet
derselben zu erweiteren.
Straßburg i/E. Mai 1878.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung.)
Die SuUjische Abtei. Ein üeberreet der Architectur des
13. J. H, beschrieben von Wlad. Luszctzkiwecz. Kra-
' kau 1877.
Äbhandl. der Akad. d. Wies. Mathem. naturwiss. Abth.
T. III. Ebd.
Memoires de la Societe Nationale des Sciences Naturelles
de Cherbourg. T. XX.
Mittheil, des naturwiss. Vereins für Steiermark. Jahrg. 1877.
Nachrichten u. gelehrte Denkschriften der Kaiserl. Kasan'-
schen Universität. Jahrg. 44. No. 1 — 6. Kasan 1877.
(Russisch).
Memoires de l'Acad. de Montpellier. Section des Sciences.
T. IX. 1er fasc. 1876. — Section des Lettres. T. VI.
2e fasc. 1876. 4.
J, L. Ussing, kritiske Bidrag til Graekenlands gamle
Geographie. Kjöbenhavn 1878. 4.
E Holm, under den svensk-russike Krig fra 1788— 1790.
Ebd. 1868. 4.
Yerhandelingen van het ßataviaasch Genootschap van
Künsten en Wetenschappen. Deel 39. St. 1. Bata-
via 1877. 4.
Tijdsohrift voor Indische Taal- Land- en Yolkenkunde.
Deel. 24.
Twede Yervolg — Catalogas der Bibliothek van het Ba-
taviaasch Genootschap.
Notulen van het allgemeene en Besturs •Vergaderingen.
D. 15. No. 1.
1
1
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400
300
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■uU.St
rM$.
i
405
IVaeiirichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
19. Juni. M 11. 1878.
Königliche Gesellschaft der WissenschafteR.
Preisaufgaben
der
Wedekindschen Freisstiftung
für Deutsche Geschichte.
Der Verwaltungsrath der Wedekindschen Preis-
stiftung für Deutsche Geschichte macht hierclurcli
die Aufgaben bekannt, welche von ihm für den
vierten Verwaltungszeitraum, vom 14. März 1876
bis zum 14. März 1886 , nach den Ordnungen
der Stiftung (§. 20) gestellt werden.
Für den ersten Preis.
Der Verwaltungsrath verlangt eine allen An-
forderungen der Wissenschaft entsprechende Aus-
gabe der von dem Mainzer Eberhard Windeck
verfaßten Denkwürdigkeiten über Leben und
Zeit Kaiser Sigismunds.
Es gilt den völlig werthlosen und unbrauch-
baren Abdruck bei Mencken durch eine nach
Seite der Sprache wie des Inhalts gleich tüch-
tige Ausgabe zu ersetzen. Auch nach den Vor-
arbeiten von Dümge, Mone, Aschbach, Droysen,
die mehr nur andeutend als abschließend ver-
fahren konnten, steht das Verhältniß der bis an
die Zeit des Verfassers hinaufreichenden Hand-
söhriften noch keineswegs fest.
Vor allem ist erforderlich, die aus Nürnberg
stammende, aber von da nach England verkaufte
Ebnersche Handschrift wieder aufzufinden und
33
406
festzustellen, ob die in der jetzt zu Cheltenham
befindlichen Bibliothek des verstorbenen Sir
Thomas Phillipps unter No. 10,381 aufgeführte
Handschrift der Beschreibung bei Aschbach, König
Siegmund IV, 458, entspricht. Da nur auf Grund
einer vollständig zuverlässigen Abschrift dersel-
ben der Nachweis geführt werden kann, ob in
ihr das Original vorliegt oder nicht, so wird
der Verwaltungsrath so bald als möglich für
eine solche Abschrift Sorge tragen und diese
der hiesigen Universitätsbibliothek übergeben,
von der sie Bearbeiter der Aufgabe zur Be-
nutzung erhalten können^).
Es wird aber nothwendig sein auch die übri-
gen Handschriften des 15. Jahrhunderts zu Gotha
und Hannover zu untersuchen, wo möglich noch
unbekannte oder unbeachtete heranzuziehen und
sowohl ihr Verhältniß unter einander als die Ab-
leitung der späteren Abschriften festzustellen.
Es wird dabei vor allem darauf ankommen, die
verschiedenen vom Verfasser selbst herrührenden
Bearbeitungen und Zusätze, auf welche Droysen
eingehend hingewiesen hat, in den Texten selbst
nachzuweisen , um Entstehung und Ausbildung
der Denkwürdigkeiten durchschauen zu können.
Die Urkunden und Aktenstücke aller Art,
welche dem Werke zahlreich eingefügt sind, er-
fordern genaue Untersuchung in Bezug auf Her-
kunft, Wiedergabe und anderweitige Benutzung,
eventuell Ersetzung durch die in den Archiven
noch vorhandenen Originale. Desgleichen ist
wenigstens annäherungsweise der Versuch zu
machen für die rein erzählenden Theile Ursprung
oder Quelle beizubringen , namentlich in Bezug
auf An- und Abwesenheit des Verfassers. Es
darf dem Text an Erläuterung in sprachlicher
und sachlicher Hinsicht nicht fehlen.
1) Es ist geschehn: die Abschrift ist im Besitz der
Kön. Universitätsbibliothek,
407
Die Sprache, welche auf Mainz als die eugere
Heimath Windecks hinweist, verlangt in der
Einleitung eben so gut eingehende Erörterung
als die man nich fachen Lebensschicksale des Ver-
fassers, die Beziehungen zu seiner Vaterstadt,
seine Reisen, sein Verhältniß zum Kaiser und
zu andern namhaften Zeitgenossen, seine übrigen
Werke in Prosa und Dichtung. Auch ist es
sehr wünschenswerth, daß die bei der Untersu-
chung und Herstellung des Textes befolgte Me-
thode klar auseinandergesetzt werde.
Viel Schwierigkeit wird voraussichtlich das
sprachliche Wortverzeichniß machen , doch ist
es, um eine wirklich brauchbare Ausgabe herzu-
stellen , ebenso unerläßlich , als die Wiedergabe
der originalen Rubriken und Kapitelüberschrif-
ten nnd die Zusammenstellung eines geschickten
Sach-, Personen- und Ortsverzeichnisses.
Für den zweiten Preis
wiederholt der Verwaltungsrath die für den vo-
rigen Verwaltungszeitraum gestellte Aufgabe:
Wie viel auch in älterer und neuerer Zeit
für die Geschichte der Weifen, und namentlich
des mächtigsten nnd bedeutendsten aus dem
jüngeren Hause, Heinrich des Löwen, gethan ist,
doch fehlt es an einer vollständigen, kritischen,
das Einzelne genau feststellenden und zugleich
die allgemeine Bedeutung ihrer Wirksamkeit für
Deutschland überhaupt und die Gebiete, auf welche
sich ihre Herrschaft zunächst bezog, insbesondere
im Zusammenhang darlegenden Bearbeitung.
Indem der Verwaltungsrath
eine Oeschichte des jüngeren Hanses der
Weifen Ton 1055—1*235 (von dem ersten
Auftreten Weif IV. in Deutschland bis
zur Errichtnng des Herzogthums Braun-
st Ii weig-Lü uebur g)
ausschreibt, verlaugt er sowohl eine ausführliche
aus den Quellen geschöpfte Lebensgeschichte der
408
einzelnen Mitglieder der Familie, namentlich der
Herzoge, als auch eine genaue Darstellung der
Verfassung und der sonstigen Zustände m den
Herzogthümern Bayern und Sachsen unter den-
selben, eine möglichst vollständige Angahe der
Besitzungen des Hauses im südlichen wie im
nördlichen Deutschland und der Zeit und VV eise
ihrer Erwerbung, eine Entwickelung aller Ver-
hältnisse, welche zur Vereinigung des zuletzt
zum Herzogthum erhobenen Weifischen Territo-
riums in Niedersachsen geführt haben. Beizu-
geben sind Register der erhaltenen Urkunden,
fedesfalls aller durch den Druck bekannt ge-
machten, so viel es möglich auch solcher, die
noch nicht veröffentlicht worden sind.
In Beziehung auf die Bewerbung um diese
Preise, die Ertheilung des dritten Preises und
die^Rechte der Preisgewinnenden wird aus den
Ordnungen der Stiftung Folgendes wiederholt :
1. TIelber die zwei ersten Preise. Die
Arbeiten können in deutscher oder lateinischer
Sprache abgefaßt sein.
Jeder dieser Preise beträgt 1000 Thaler in
Gold (3300 Reichsmark) und muß jedesmal g^nz,
oder kann gar nicht zuerkannt werden.
3. reber den dritten Preis. Für den
dritten Preis wird keine bestimmte Aufgabe
ausgeschrieben, sondern die Wahl des Stoffs
bleibt den Bewerbern nach Maßgabe der folgen-
den Bestimmungen überlassen.
Vorzugsweise verlangt der Stifter für densel-
ben ein deutsch geschriebenes Geschichtsbuch,
für welches sorgfältige und geprüfte Zusanimen-
Stellung der Thatsachen zur ersten, und Kunsl
der Darstellung zur zweiten Hauptbedingung ge-
macht wird. Es ist aber damit nicht bloß eint
gut geschriebene historische Abhandlung, sonderr
ein umfassendes historisches Werk gemeint
409
Speciallaudesgeschichteu sind nicht ausgeschlos-
sen, doch werden vorzugsweise nur diejenigen
der größern (15) deutschen Staaten berücksichtigt.
Zur Erlangung des Preises sind die zu die-
sem Zwecke handschriftlich eingeschickten Arbei-
ten, und die von dem Einsendungstage des vori-
gen Yerwaltungszeitranms bis zu demselben Tage
des laufenden Zeitraums (dem 14. März des zehn-
ten Jahres) gedruckt erschienenen Werke dieser
Art gleichmäßig berechtigt. Dabei findet indes-
sen der Unterschied statt, daß die ersteren, so-
fern sie in das Eigenthum der Stiftung übergehen,
den vollen Preis von 1000 Thalern in Gold,
die bereits gedruckten aber , welche Eigenthum
des Verfassers bleiben , oder über welche als
sein Eigenthum er bereits verfügt hat, die HäKt«
des Preises mit 500 Thalem Gold empfangen.
Wenn keine preiswürdigen Schriften der be-
zeichneten Art vorhanden sind, so darf der dritte
Preis angewendet werden, um die Verfasser sol-
cher Schriften zu belohnen, welche durch Ent-
deckung und zweckmäßige Bearbeitung unbe-
kannter oder unbenutzter historischer Quellen,
Denkmäler und ürkundensammlungen sich um
die deutsche Geschichte verdient gemacht haben.
Solchen Schriften darf aber nur die Hälfte des
Preises zuerkannt werden.
Es steht Jedem frei, für diesen zweiten Fall
Werke der bezeichneten Art auch handschriftlich
einzusenden. Mit denselben sind aber ebenfalls
alle gleichartigen Werke, welche vor dem Einsen-
dungstage des laufenden Zeitraums gedruckt er-
schienen sind, für diesen Preis gleich berechtigt.
Wird ein handschriftliches Werk gekrönt, so er-
hält dasselbe einen Preis von 500 Thaleru in
Gold; gedruckt erschienenen Schriften können
nach dem Grade ihrer Bedeutung Preise von
250 Thlr. oder 500 Thlr. Gold zuerkannt werden.
Aus dem Vorstehenden ergiebt sich von selbst,
410
daß der dritte Preis auch Mehreren zugleich zu
Theil werden kann. , c. .
3. Rechte der Erben der gekrönten
Schriftsteller. Sämmtliche Preise fallen, wenn
die Verfasser der Preisschriften bereits gestorben
sein sollten, deren Erben zu. Der dritte Preis
kann auch gedruckten Schriften zuerkannt wer-
den, deren Verfasser schon gestorben sind, und
fällt alsdann den Erben derselben zu.
4 Form der Preisschriften nnd ihrer
Einsendung. Bei den handschriftlichen Werken,
welche sich um die beiden ersten Preise
bewerben, müssen alle äußeren Zeichen vermieden
werden, an welchen die Verfasser erkannt werden
können. Wird ein Verfasser durch eigene bchuld
erkannt, so ist seine Schrift zur Preisbewerbung
nicht mehr zulässig. Daher wird em Jeder der
nicht gewiß sein kann, daß seine Handschrift
den Preisrichtern unbekannt ist, wohl thiin, sem
"Werk von fremder Hand abschreiben zu lassen.
Jede Schrift ist mit einem Sinnspruche zu ver-
sehen, und es ist derselben ein versiegelter Zettel
beizulegen, auf dessen Außenseite derselbe binn-
spruch sich findet, während inwendig JName,
Stand und Wohnort des Verfassers angegeben sind.
Die handschriftlichen Werke, welche sich um
den dritten Preis bewerben, können mit dem
Namen des Verfassers versehen, oder ohne den-
selben eingesandt werden.
Alle diese Schriften müssen im Laufe des
neunten Jahres vor dem U.März, mit welchem
das zehnte beginnt, also diesmal vor dem 14.
März 1885, dem Director zugesendet sein wel-
eher auf Verlangen an die Vermittler der Uebersen-
dung Empfangsbescheinigungen ausxiistellen hat,
5. Ueher Zulässigkeit zur Prelshewer-
hung. Die Mitglieder der Königlichen Socictat,
welche nicht zum Preisgerichte gehören, durien
Bich wie jeder Andere um alle Preise bewerben,
411
Dagegen leisten die Mitglieder des Preisgerichts
auf jede Preisbewerbung Verzicht.
6. Verkündigung der Preise. An dem
14. März, mit welchem der neue Verwaltungs-
zeitraum beginnt , werden in einer Sitzung der
Societät die Berichte über die Preisarbeiten vor-«
getragen , die Zettel , welche zu den gekrönten
Schriften gehören, eröflFnet, und die Namen der
Sieger verkündet, die übrigen Zettel aber ver-
brannt. Jene Berichte werden in den Nachrich-
ten über die Königliche Societät, dem Beiblatte
der Göttingenschen gelehrten Anzeigen, abge-
druckt. Die Verfasser der gekrönten Schriften
oder deren Erben werden noch besonders durch
den Director von den ihnen zugefallenen Preisen
benachrichtigt, und können dieselben bei dem
letzteren gegen Quittung sogleich in Empfang
nehmen.
7. Zurückforderung der nicht gekrönten
Scliriften. Die Verfasser der nicht gekrönten
Schriften können dieselben unter Angabe ihres
Sinnspruches und Einsendung des etwa erhalte-
nen Empfangsscheines innerhalb eines halben
Jahres zurückfordern oder zurückfordern lassen.
Sofern sich innerhalb dieses halben Jahres kein
Anstand ergiebt, werden dieselben am 14. Octo-
ber von dem Director den zur Empfangnahme
bezeichneten Personen portofrei zugesendet.
Nach Ablauf dieser Frist ist das Recht zur Zu-
rückforderung erloschen.
8. Druck der Preisschriften. Die hand-
schriftlichen Werke, welche den Preis erhalten
haben, gehen in das Eigenthum der Stiftung für
diejenige Zeit über, in welcher dasselbe den Ver-
fassern und deren Erben gesetzlich zustehen
würde. Der Verwaltungsrath wird dieselben einem
Verleger gegen einen Ehrensold überlassen oder,
wenn sich ein solcher nicht findet , auf Kosten
der Stiftung drucken lassen, und in diesem letz-
412
teren Falle den Vertrieb einer zuverlässigen und
thätigen Buchhandlung übertragen. Die Aut-
sicht über Verlag und Verkauf führt der Director.
Der Ertrag der ersten Auflage, welche aus-
schließlich der Freiexemplare höchstens lOUU
Exemplare stark sein darf, fällt dem verfügbaren
Capitale zu, da der Verfasser den erhaltenen
Preis als sein Honorar zu betrachten hat. Wenn
indessen jener Ertrag ungewöhnlich groß ist,
d h. wenn derselbe die Druekkosten um das
Doppelte übersteigt, so wird die Königbche bo-
cietät auf den Vortrag des Verwaltungsrathes
erwägen, ob dem Verfasser nicht eine außeror-
dentliche Vergeltung zuzubilligen sei.
Findet die Königliche Societät fernere Aufla-
gen erforderlich, so wird sie den Verfasser, oder,
falls derselbe nicht mehr leben sollte, einen an-
dern dazu geeigneten Gelehrten zur Bearbeitung
derselben veranlassen. Der reine Ertrag der
neuen Auflagen soll alsdann zu außerordentli-
chen Bewilligungen für den Verfasser, oder, falls
derselbe verstorben ist, für dessen Erben, und
den neuen Bearbeiter nach einem von der Kö-
niglichen Societät festzustellenden Verhältnisse
bestimmt werden. „., , , ,v
9. Bemerkung auf dem Titel derselben.
Jede von der Stiftung gekrönte und herausgegebene
Schrift wird auf dem Titel die Bemerkung haben :
Von der Königlichen Societät der^ Wissen-
schaften in Göttingen mit einem Wedekiud-
schen Preise gekrönt und herausgegeben.
10. Freiexemplare. Von den Preisschnf-
ten, welche die Stiftung herausgiebt, erhalten
die Verfasser je zehn Freiexemplare.
Göttingen, den 14. März 1877.
Der Verwaltungsrath der WcdcJcindschcn
Preisstiftung.
413
iVaehrichteu
von der Königl. Gesellschaft der WiBsen-
sehaften und der G. Ä. Universität zu
Göttingen.
17. Juli. M 1«. 1878.
Königliche Geseilsckaft der Wisseiiüehaften.
Sitzung am 6. Juli.
Benfey, Der Bindevocal j im Sanskrit.
Kiepert, Ueber die Auflösung der Gleichungen fünften
Ghtdes; (Vorgel. von Schwarz.)
Marme, üeber Duboisia myoporoides.
Schering, üeberreichung der beglaubigten Abschrifteri
von 82 Briefen von and an Gauß als Geschenk von
Hm. Hänselmann in Braonschweig.
Mittheilungen aus dem pharmacol ogi-
schen Institut der Universität
Göttingen.
üeber Duboisia myoporoides R. Br.
von
W. Manne.
In der Duboisia myoporoides R. Br. ^), einem
in Australien und Neu-Caledonien ein-
1) Abbildungen bei Miers Illust. 87 und Journ. d.
Pharm, et de Chimie Juin 1878, p. 487 u. 488 u. a.
34
414
heimischen ^) , 4 — 5 Meter Höhe erreichenden
strauchartigen Baume, den Endlicher zu den
Scrophularineen zählte, B e n t h a m und H o o k e r
neuerdings zu den Solaneen stellen, ist der Arz-
neischatz in diesem Jahre um ein Mydriaticum
bereichert worden , das die bisher gebräuchlich-
sten , das Ätropin , Hyoscyamin und Daturin
anscheinend an Wirksamkeit weit übertrifft.
Dr. Bancroft in Brisbane entdeckte die
auffallend stark mydriatische Wirkung der aus
verschiedenen Theilen der Buboisia dargestellten
wäßrigen Extracte. Dr. Portescue in Syd-
ney, dem er seine Beobachtungen mittheilte,
sandte zuerst im December vorigen Jahres das
Extract nach England , wo Dr. T w e e d y , Arzt
am Royal London Ophthalmie Hospital, Syd-
ney Ringer und William Murell das neue
Mittel nach verschiedenen Richtungen prüften
und eine große Aehnlichkeit zwischen ihm und
dem Belladonuaextract coustatirten. Ger rar d
in London und Petit in Paris bemühten
sich mit Erfolg den wirksamen Bestandtheil aus
dem Extract zu isolireu und betonen beide die
autfallend große Uebereinstimmung seiner che-
mischen Eigenschaften mit denen des Atropin,
sind aber doch der Ansicht , daß das Duboisin
mit dem Alkaloid der Tollkirsche nicht iden-
tisch sei.
Gerrard ^) bediente sich zur Gewinnung
des Duboisin fast ganz derselben Methode, die
zur Darstellung des Atropin von verschiedenen
Chemikern empfohlen ist. Das gereinigte, mit
1) In Australien iet Duboisia nach Büntbam und
Müller Flora Australiensis L. 1869 Vol. VI S. 474 sehr
verbreitet , ist aber auch in Neu-Caledouien bes. auf Ba-
ladea und der Fichteninsel häufig anzutreffen.
2) Pharmaceutical Journ. a. Tr. April 1878.
415
Wasser verdünnte und mit Ammoniak im Ueber-
schuß versetzte Extract schüttelte er mit Chloro-
form, löste den Chloroformrückstand in ver-
dünnter Schwefelsäure und zog aus dieser alka-
lisch gemachten Lösung das Alcaloid mit Aether
aus. Die gewonnene Substanz löste sich außer
in Aether, Alcohol, Chloroform, Benzol, Schwe-
felkohlenstoff auch in Wasser, dem sie eine ent-
schieden alkalische Reaction ertheilt. Obgleich
sie in ihrem Verhalten gegen die meisten Rea-
gentien — Aetzalkalien, Gerbsäure, Goldchlorid,
Platinchlorid , Schwefelcyankalium und Subli-
mat — mit dem Atropin übereinstimmt, konnte
Gerrard den neuen Körper nicht krystallisirt
erhalten. Wahrscheinlich war derselbe noch
nicht völlig rein und deßhalb kann es auch nicht
Wunder nehmen , daß er bei Behandlung mit
conc. Salpetersäure und Schwefelsäure etwas an-
dere Farbenreactionen zeigt als Atropin. Petit
in Paris ist es nach neuereu Nachrichten gelun-
gen den wirksamen Bestaudtheil in Krystallform
zu gewinnen. Er soll in Wasser zehnmal lös-
licher sein als Atropin. Ausführlichere Detail-
angabe über das von Petit »Dnboisin« ge-
taufte Alcaloid sind uns zur Zeit nicht bekannt
geworden.
Die in England und Frankreich, neuerdings
auch in Deutschland an Menschen und Thieren
angestellten Versuche mit Duboisin haben das-
selbe als ein energisch wirkendes Mydriaticum
dargethan, das nach den Experimenten von
Ringer und Murr eil außerdem ähnlich wie
das Atropin auch die Schweiß- und Speichelse-
cretion beschränkt oder sistirt, ferner den durch
Muscarin bedingten Herzstillstand aufhebt und
bei Fröschen innerhalb 24 Stunden Tetanus ver-
anlaßt.
34*
416
Durch meinen verehrten CoUegen Leber erhielt
ich eine aus Paris bezogene 0,5 % farblose, klare
Lösung des Alcaloids und durch Gehe u. Co.
eine kleine Blechdose Extractum Duboisiae, mit
welchen beiden Präparaten ich eine Reihe von
Experimenten ausgeführt habe, die einerseits
iene Resultate der englischen Beobachter bestä-
tigen, anderseits noch weitere Aehnhchkeiten
mit Atropin, aber auch gewisse Differenzen zu
Tage gefördert haben.
In der Empfindlichkeit und Resi-
stenzfähigkeit gegen die giftige Wirkung,
des Duboisin zeigen ähnlich wie gegen Atropin
die verschiedenen Thiere eine sehr auffallende
Verschiedenheit. Pflanzenfresser - Sauger und
Vögel — werden am geringsten afficirt, Fleiscü-
firesser zeigen auf verhältnißmäßig kleine Dosen
schon ausgesprochene Vergiftungserscheinungeu.
— Resorbirt wird das Duboisin von allfen Appü-
cationsstellen aus. Bei Fröschen, denen die Lo-
sung auf die unverletzte Bauchhaut aufgestrichen
wird, treten die Intoxicationssymptome relativ
spät auf. Nach interner oder subcutaner Appli-
cation machen sich die Wirkung auf Circulation
und Secretiouen in kürzester Zeit schon geltend
Wie das Alcaloid rasch resorbirt wird, unterliegt
es auch einer beschleunigten Ehminatiou und
verläßt jedenfalls zum- Theil unverändert den
thierischen Organismus, am raschesten oüenbar
den der Pflanzenfresser. ,.,,,. ,^
Spritzt mau Kaninchen täglich kleine Quan-
titäten des Extracts in Wasser gelbst m das
Unterhautbindegewebe, sammelt den Harn, ver-
setzt denselben mit Oxalsäure, engt das neutra-
lisirte Filtrat ein, macht es alkalisch und schüt-
telt es mit Chloroform aus, nimmt den Ruckstand
in schwach angesäuertem Wasser auf, so kann
417
man mit dieser Lösung die mydriatische und die
characteristische Wirkung auf den Herzvagus
ohne Schwierigkeit constatiren.
Die practisch wichtigste Wirkung auf
Pupille und Accomodation ist bei Men-
schen zuerst beobachtet. Die Pupille wird so-
wohl nach Einträufelung minimaler Mengen in
den Conjunctivalsack wie nach interner oder
subcutaner Application etwas größerer Mengen
stark erweitert. Diese Dilatation tritt bei Men-
schen und Thieren innerhalb sehr kurzer Zeit
ein. Bei Vögeln bleibt sie selbst nach Anwen-
dung großer Dosen aus. Bringt man , um die
Wirkung des Atropin und Duboisin zu verglei-
chen, einem großen Hunde in ein Auge 0,00005
Duboisin in Wasser gelöst und ebensoviel Atro-
pin in das andere, so sieht man die Pupille des
ersteren Auges viel früher sich erweitern als die
des Atropinauges. Die Erweiterung nimmt ra-
scher zu, erreicht früher das Maximum und dau-
ert auch 1 — 2 Tage länger. Ebenso tritt die
Unempfiudlichkeit der duboisinirter Pupille gegen
Lichteiudrücke und Eserinwirkung früher ein
und erhält sich länger als bei atropinisirten
Augen. Das Duboisin wirkt also (die Richtig-
keit der französischen Lösung vorausgesetzt)
rascher, energischer und länger auf die Pupille
ein als Atropin. Nach verschiedenartigen Be-
obachtungen an Menschen soll es, ähnlich wie
nach A. von Gräfe das Daturin, auch in sol-
chen Fällen zweckmäßig zu verwerthen sein, wo
Atropin nicht oder nicht mehr vertragen wird.
Aehnlich wie die Pupille beeinflußt das Duboisin
auch die Accomodation stärker als das Atropin.
— Bringt man Duboisin in ein Auge dessen
Cornea perforirt ist, so bewirken selbst größere
Dosen (0,0001) zunächst gar keine Dilatation
418
der Pupille und erst nach einiger Zeit stellt sich
eine unbedeutende Erweiterung ein , während
eine gleichzeitig auf das gesunde Auge gebrachte
zehnfach kleinere Dosis längst die Maximalwir-
kung vollbracht hat. Diese Beobachtung die
sich theils aus der starken Reizung des Sphincter
Pupillae, theils aus dem ungehinderten Abfluß
des Kammerwassers in einfachster Weise erklärt,
erscheint uns keineswegs besonders »merkwür-
dig« und gestattet sicherlich gar keine Schluß-
folgerungen über das Vorhandensein erweitern-
der Kräfte der Irismusculatur. ^)
Nach unseren Versuchen scheint das Duboi-
sin auch die Enden der sensiblen Fa-
sern des Bulbus in etwa abzustumpfen. We-
nigstens fiel es uns auf, daß sowohl Warm- wie
Kaltblüter nach der Application von Duboisin
Berührungen der Cornea, Sclera und Conjunctiva
viel ruhiger ertrugen und erst auf stärkere An-
griffe das Auge schlössen.
Nächst der Einwirkung auf die Nerven des
Auges ist am kräftigsten ausgesprochen der Ein-
fluß, den Duboisin auf Circulation und N.
Vagus ausübt. Schon sehr kleine Dosen setzen
die Hemmungsfasern des Herzvagus im Herzen
außer Function. Die Herzaction wird , soviel
wir bis jetzt gesehen haben, ohne vorangehende
Verlangsamung unter gleichzeitiger Steigerung
des Blutdrucks enorm, bis auf die doppelte Puls-
zahl beschleunigt und diese Wirkung tritt bei
Hunden gleichfalls sehr rasch, fast unmittelbar
nach der subcutanen Application oder der direc-
ten Injection in die Blutbahn auf. Sie ist haupt-
sächlich bedingt durch Lähmung der im Herzen
1) Verj?l. die ähnliche Wirkung des Atropin nach
Welz bei Nothnagel und Roßbach 1. c.
419
gelegenen letzten Vagusendigungen, vielleicht auch
durch eine gleichzeitige directe oder indirecte Erre-
gung des vasomotorischen Ceutrums. Die stärkste,
electrische Reizung des Halsvagus vermag, wenn
diese Wirkung ausgebildet ist, keine Yerlang-
samung der Herzaction herbeizuführen, während
die Reizung der Nu. depressores beim Kaninchen
den Blutdruck nach wie vor herabsetzt. Für
diese Wirkung auf den Vagus genügen 0,00005
bis 0,0001 Duboisin. Größere Gaben setzen den
Anfangs gesteigerten Blutdruck herab und sehr
große lähmen auch die excitomotorischen Gang-
lien des Herzens, der Puls verlangsamt, die
Coutractionen des Herzens werden schwächer
bis schließlich das Herz in Diastole stillsteht
und der Tod durch Herzlähraung eintritt.
Mit der Beschleunigung der Herzaction ver-
bindet sich eine auffallende Unruhe der
vorher ganz geduldigen Versuchshunde ähnlich
wie bei Menschen nach Atropinvergiftung ein
Stadium der Aufregung sich ausbildet. Zur Er-
klärung dieser Excitation eine directe Erregung
des Cerebrum durch Duboisin resp. Atropin an-
zunehmen, können wir uns nach den bis jetzt
vorliegenden Versuchsresultaten nicht entschlie-
ßen. Der von Einigen geraachte Versuch die
Aufregung mit der gestörten Circulation iu Cau-
salnexus zu bringen, scheint uns durchaus nicht
widerlegt. Namentlich ist der Einwand, daß
Durchschueidung des Vagus zwar Beschleunigung
der Herzaction und Steigerung des Blutdrucks,
aber keine Aufregung veranlasse ganz hinfällig.
Die durch Duboisin gesetzte Lähmung der Hem-
mungsfasern, ist doch nicht gleichwerthig mit der
durch die Discision gleichzeitig gesetzten Beein-
trächtigung sensibler, vasomotorischer, acceleriren-
der und trophischer Nerven des Vagosynipathicus.
420
Zu der Wirkung auf die Herzaction gesellt
sich stets eine nach kurz dauernder Verlangsa-
mung eintretende starke Beschleunigung
der Respiration. Diese letztere erhält sich
wie bei der Atropinintoxication sowohl während
der Erhöhung wie während der Herabsetzung
des Blutdrucks.
Entsprechend der Einwirkung auf Respira-
tion und Circulation wird durch kleinste Gaben
Duboisin die Körpertemperatur erhöht,
durch größere vermindert.
Hinsichtlich der Einwirkung des Duboisin
auf die Darmganglien und den N. splanch-
nicus stimmen unsere Resultate nicht ganz mit
den Beobachtungen die Keuchel^) und Roß-
bach 2) bei ihren Versuchen mit Atropin er-
halten haben. Niemals haben wir auch bei An-
wendung der kleinsten Dosen (in erwärmter
Lösung injicirt) eine lebhaftere Darmbewegung
eintreten gesehen, wenn vorher bei den schwach
curarisirten , künstlich respirirten Thieren nach
Durchschneid ung des Halsvagus das Abdomen
unter 0,6 7o blutwarmer Kochsalzlösung eröffnet
war und von der Luft während des ganzen Ver-
suchs abgeschlossen blieb. Die Darmschlingen
zeigten vielmehr eine ganz auffallende Ruhe, die
sich durch mechanischen Reiz nurlocal, anschei-
nend durch directen Muskelreiz in Bewegung
umsetzen ließ. Daß dabei die vasomotorischen
Nerven des Splanchnicus nicht afficirt waren,
zeigte das Steigen des Blutdrucks bei Reizung
des linken Splanchnicus nach der von Asp^)
1) Keachel das Atropin und die Pemmungsnerven,
Dissert. Dorpat 1868.
2) Arzneimittellehre von Nothnagel und RoPbacli
1878 S. 661.
8) Cyon, Methodik pg. 198.
421
zuerst in L u d w i g's Laboratorium ausgeführten
Methode an dem aus der Salzlösung entfernten
Versuchsthiere (Kaninchen, Katze).
Die Thätigkeit der Absonderungs-
nerven, die Pilocarpin in früher angegebener
Weise anregt ^),sistirtDuboisin schon in sehr klei-
ner Dosis. Nachdem jetzt R. Heidenhain in
seiner neuesten, klassischen Arbeit ') die Existenz
zweier bisher in ihrer Wirkungsweise vielfach
durcheinander geworfener Klassen von Nervenfa-
sern, die er als secretorische und als trophi-
sche bezeichnet, in überzeugendster Weise endgül-
tig dargethan und zugleich bewiesen hat, daß einer-
seits das Pilocarpin wenigstens bei den Speichel-
drüsen die hauptsächlich (beim Hunde für die
Parotis sogar ausschließlich) in den cerebralen
Absonderungsnerven und nur spärlich im Sym-
pathicus verlaufenden secretorischen Fasern zu
gesteigerter Thätigkeit erregt und anderseits das
Atropin die Thätigkeit dieser Nervenfasern auf-
hebt , dürfen wir für das Duboisin ganz gewiß
dieselbe Wirkungsweise in Anspruch nehmen.
Einen doppelten Antagonismus wie ihn Luch-
sing er für Atropin und Pilocarpin behauptet,
haben wir ebensowenig beim Duboisin wie beim
Atropin gesehen.
Duboisin kann endlich ebenso wie Atropin
bei schwerer Morphinvergiftung gün-
stig wirken. Hat man Hunde mit Morphin,
hydrochl. so weit vergiftet, daß die Herzacfcion
bis auf 2 — 3 Contractionen in 5. See. gesunken
ist und die Respiration unregelmäßig geworden,
für längere Pausen aussetzt und injicirt nun
1) Diese Nachrichten No. 3. 1878.
2) Archiv f. d. ges, Physiolog. vom J. 1878 Bd. XVn
H. 1 S. 1—67.
422
kleine Dosen Duboisin in das subcutane Binde-
gewebe oder in die Blutbahn, so kräftigt und
beschleunigt sich sofort die Herzaction und re-
gelt sich in kurzer Zeit die wieder frequenter
gewordene Respiration. Anderweitige soge-
nannte antagonistische Wirkungen zeigt das
Duboisin abgesehen von Pupillendilatation so-
wenig wie das Atropin. Genügt die eingespritzte
Dosis, bei den immer noch tief narcotisirten
Thieren ruhigen Schlaf zu ermöglichen , so er-
holen sie sich meist schon nach wenig Stunden ;
sind dagegen wiederholte Injectionen von Duboi-
sin erforderlich um die gesunkene Herzaction
und Respiration zu beleben, so ist der Ausgang
gewöhnlich ein letaler.
Bekanntlich wird in allen Sammelwerken
das Daturin für identisch mit Atropin ausgege-
ben. Diese angebliche Identität stützt sich 1.
auf eine einzige Kohlen- und Wasserstoffbestim-
mung des Daturingoldchlorids und 2. auf zwei
Stickstoffbestimmungen des Alcaloids, von wel-
chen 1. c. die eine für glaubwürdiger als
die andere erklärt wird und auf drei fernere
Kohlen- und Wasserstoffbestimmungen , deren
Resultate, wie v. Planta^) S. 255 selbst sagt
»nicht jene Uebereinstimmungen bieten, wie man
sie bei guten Analysen zu verlangen gewohnt
ist.« Buchheim^) hat daher gewiß Recht,
wenn er die Identität des Atropin und Daturiu
für nicht erwiesen ansieht , so lange nicht für
das letztere Alcaloid dieselben Spaltungsproducte ')
1) Annalen der Chemie und Ph. v. 1850 Bd. 74 S.
252-257.
2) Buchheim, die pharmacol. Qrappe des Atropin,
Arch. f. exp. Path. und Pharm. 1876 Bd. V S. 470.
8) Kraut und Lossen Annal. d. Ch. B. 128. S.
280. — Bd. 181. S. 48. — Bd. 133. S. 87. — Bd. 188.
S. 280. — Bd. 148. S. 236.
423
wie für das erstere constatirt sind. Schroff),
der Altmeister der experimeutellen Pharmacolo-
gie, hat hei seioeu Üntersnchungen über Atro-
pin uud Daturin zwar eine qualitativ gleiche,
aber quantitativ so verschiedene Wirkung ge-
funden, daß er dem Daturin die doppelte Wirk-
samkeit zuschreibt. Danach allein schon kann
von einer Identität beider Alcaloide keine Rede
sein. Da nun das Duboisin in einer Dosis, die
fast zehnfach kleiner als die des Atropin ist, die-
selbe Wirkung wie dieses auf die Yagusenden
und andere Nerven ausübt, schließen wir uns
der Ansicht, die Gerrard und Petit aus dem
chemischen Verhalten des Alcaloids bereits ab-
geleitet haben, daß das Duboisin mit Atro-
pin nicht identisch sei , aus experimentell-
pharmacologischen Gründen an und kommen so-
mit zu dem Schlußresultat daß das Duboi-
sin in seiner Wirkung auf Pflanzen-
fresser und Fleischfresser, in seiner
Einwirkung auf Pupille, Accommoda-
tion und sensible Nerven, auf Circula-
tion und N. Vagus, auf die Function
der Nervenceutra, auf Respiration und
Temperatur, auf Darmganglieu und N.
splanchnicus , auf die Thätigkeit der
secretorischen Nerven und endlich auch
in seiner Eigenschaft als sog. physio-
logisches Antidot bei Morphinvergif-
tungen qualitativ demAtropin gleich-
steht, quantitativ aber nach allen ge-
nannten Richtungen hin das Atropin
und auch das doppelt so stark wirkende
Daturin weit übertrifft.
4) Zeitachr. d. Ges. d. Aerzte z. Wien 1852. S. 211.
424
lieber die Auflösung der Gleichungen
fünften Grades
von
L. Kiepert in Darmstadt.
Die neuerdings von den Herren Klein '),
Brioschi^) und Gordan') über die Auflösung
der Gleichungen fünften Grades veröffentlichten
Arbeiten haben mich veranlaßt, eine Untersu-
chung über denselben Gegenstand anzustellen,
durch deren Ergebniß, wie mir scheint, eine
nicht unbedeutende Vereinfachung der von Herrn
Gordau gegebenen Ausdrücke herbeigeführt
wird. Während nämlich Herr Gordan seiner
Lösung die Jerrard- Her mit eschen Formeln
zu Grunde legt, kann man mit Anwendung der
von Herrn Weierstraß eingeführten Function
pu *) auf einem kürzeren Wege zum Ziel gelan-
gen. Der Königlichen Gesellschaft der Wissen-
schaften beehre ich mich im Nachfolgenden
einen Auszug aus meiner Untersuchung mit-
zutheilen.
§• 1.
Es sei die elliptische Function pii definirt
durch die Gleichung
p'^u = 4p^u — g^pu — g^,
1) Klein, Weitere Untersuchungen über das Iko-
sfieder (Math. Annalen Bd. 12. p. 503—560.)
2) Brioschi, Ueber die Auflösung der Gleichungen
vom fünften Qrade. (Math. Annalen Bd. 18. p. lOB
-160.)
3) Qordan , lieber die Auflösung der Gleichungen
vom fünften Grade. (Math. Annalen Bd. 18. p. 875
-404.)
4) Vrgl. Borchardt'8 Journal Bd. 76. p. 21—88.
425
während 2ö), 2w' ein Paar Fuudamentalpe-
rioden dieser Function bezeichnen; dann sind
für r = 0, 1, 2, 3, 4
/■ =
1
/2<tf'4- 16rtt>\ /4tti' + 32r«\
n 5 ""/ »'i 5 ;
die Wurzeln der Gleichung
wo
ist*. Die Berechnung der Größen f, /"o > /^i ' A ' A » ^4
wird erleichtert durch eine Umformung, die man
mit denselben vornehmen kann, und durch die
man erhält
(2.) f=jJ^j-hy^Tja-h
3ni
(1)711
wobei f = e ist. und ä == c *^ berechnet
426
werden kann, sobald man die absolute Inva-
riante — ~ der elliptischen Function kennt.
Entwickelt man Zf(l — }?") . f und n{l — !?").( ^
nach Potenzen von Ä, so findet man folgende
Relationen bestätigt:
[/"o + /i + A + A + A = /Vs;
(3.) k 4-^A +^r2+^y3+«Y4 = 0,
§. 2.
Setzt man jetzt
(4.) 2/r =
-^ W - fr) if\-V 2 -fr+s) (/V+4 - /V+l)l^
1/5 • ^
80 werden ^o'^/u^a' ^31^4 <^i6 Wurzeln einer
Gleichung fünften Grades
(5.) ^3^5 _j_ 10 ^22^3 + 45 ^y — 216^3 = 0.
Auf diese Gleichung läßt sich aber die all-
gemeine Gleichung fünften Grades
(6.) x^ -\- Äx^ -^Bx^-\- Cx'' -\- Dx -\- E = 0
zurückführen durch die Substitution
(7.) .^_„. + . = -3-±|-, = ^,
427
9^
wobei die Größen m, r, a, jS, -* durch Aufloscmg
von nur zwei quadratischen Gleichungen
bestimmt werden. Zunächst folgt aus
daß z wieder die Wurzel einer Gleichung fünf-
ten Grades ist, in der man aber durch passende
Bestimmung von u und v die Summe der Wur-
zeln und die Summe der Quadrate der Wurzeln
gleich Null macheu kann. Dies erreicht man
indem man setzt
(8.) - (2 J.» - 55) w* + (44» — 1 %AB + 15C) M 4-
2^*— 8^^5 + lO^CH- 3J5»- 102) = 0.
Man findet also für u und v die Werthe
durch Auflösung einer quadratischen Gleichung
uud erhält für z die Gleichung
(9.) z^ 4- 5L?2 — hmz + n = 0,
wobei
'52 = — 10f3 - Cu3 + (— ^0-f 4D)u« 4-
{ZAD - BC - 5^;) H - 2ÄE +2BD-C*,
5w == bv*- + lOZt? -Dtt* + (- AD + 5J5) m* +
(10.){ {^LiE— BD) u^ + {^BE — CD) u -\-
2CE — D\
n = — v^ — Uv^ -j- hniv —
E{tt''-^Au^'\-Bn^^Cu*-\-Dti-YE).
428
Dieselbe Form wie bei Gleichung (9.) erhält
man, wenn man den andern, aus Gleichung (7.)
sich eingebenden Werth von ^, nämlich
^__ « + /%
3 + ^1/2
mit Gleichung (5.) zusammenstellt und y elimi-
nirt. Damit nun aber völlige Uebereinstimmung
mit Gleichung (9) stattfindet, müssen a, ß und'
—- so gewählt werden, daß die Gleichungen
8^2 «3 __ rj2jaß^ + 21 6^3 {Ja^ß — ß^) '
J^a* + ISJa^ß^ — 27/J* + 216^3 ccß^
= 12^ g^Jmi
J^a^ -f- 10^2 „3^2 j^ ^^Jccß* + 216^3 /J^
= 128flf3^2^
befriedigt werden. Dies geschieht, wenn man «
aus der quadratischen Gleichung
[(Z* - Zww + m^) «H (1 U» w + Zw* — 2m*7i) a —
^ '1 27ZSw + 64Z2m8--mM« == d
berechnet und in die Formeln
r± 12^2 = la^ -f- 3wa — 3w,
(13.)|± ^ = Z* [(Zw — m*) a -f- mw],
/J2 = + Z» [(«2 «2 -}- 1 Uma + 64*n2 - 27Zwl
einsetzt.
(ii-K
429
§.3.
Zur vollständigen Auflösung einer allge-
meinen Gleichung fünften Grades sind nach
dem Vorhergehenden also nur folgende Rech-
nungsoperationen nöthig :
1) Mau berechne aus einer quadratischen
Gleichung (8.) die Größe m, dann geben die
Gleichungen (8.) und (10.) unmittelbar die Werthe
von 17, ?, m und n.
2) Sodann berechne man aus einer zweiten
quadratischen Gleichung (12.) a und setze den
gefundenen Werth in die Formeln (13.) ein.
(tf'nt
3) Man berechne aus j die Größe h = e
(Vergl. H. Bruns, Ueber die Perioden der ellip-
tischen Integrale erster und zweiter Gattung,
Dorpat 1875).
4) Man bestimme f und /^ (r = 0, 1, 2, 3, 4)
durch die Gleichungen (2.)
'(^7^}
berechne
1
V5 ^ ^ J
und daraus
35
z^ = —
430
3 + ^y!'
dann sind die Wurzeln äj^, x^^ x^^ x^, x^ der
allgemeinen Gleichung fünften Grades (6.), wie
unmittelbar aus Gleichung (7.) folgt, für r = 0,
1, 2, 3, 4
— jEJ 4- (ü_^^) {u^.\.Au^^Bu ■\-G)—[v -0^)« (2m + A)
wH^M^4--Bw^+0w+7>-(t;-^^)(3w2+2^w+5)+(t;-^^)>
Universität.
Se. Majestät der Kaiser und König haben
allergnädigst geruht dem Hofrath Dr. Grise-
bach den Charakter als Geheimer Regierungs-
Eath zu verleihen.
Promotionen der philosophischen Pa-
cultät unter dem Decanate von Pro-
fessor Wüstenfeld vom 1. Juli 1877
bis Ende Juni 1878.
I. Zum fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum wurde
das Diplom erneuert:
15. October 1877 dem Hrn. Dr. Aug. Fried.
Pott, Professor in Halle.
8. März 1878 dem Hrn. Dr. Ad. Moraht, Pa-
stor Primarius in Mollen.
IT. Von den unter dem Decanat des Professors
W. Müller beschlossenen Promotionen wurden
vollzogen :
26. Februar 1877. Georg Boehm aus Frank-
431
fort a. O. Dissertation; Beiträge zur geo-
gnostischeu Kenntniß der Hilsmulde.
5. Mai. Franz Wilkens aus Lüneburg. Diss.:
lieber Orthochlornitro- und zugehörige Chlo-
ramido-Beuzoesäure.
7. Mai. Job. Herrn. Kloos aus Amsterdam.
Diss. : Geognostische Beobachtungen im
Staate Minnesota.
7. Juni. Ernst Rosochatins aus Danzig.
Diss.: Ueber Bewegungen eines Punktes.
8. Juni. Herrn. Hahn aus Hamburg. Diss.:
De particnlis quas^i et vehtt apud Tacitum.
16. Juni. Maximilian Klatt aus Bratwien in
Westfalen. Diss. : Studien zur Geschichte
des Kleomeuischen Krieges.
25. Juni. Georg Huges aus Hannover. Diss.:
Ueber die lineare Transformation der The-
tafunctionen.
27. Juni. Walter Friedensburg aus Ham-
burg. Diss.: König Ludwig der Bayer und
Friedrich von Oesterreich von dem Vertrage
zu Trausnitz bis zur Zusammenkunft in
Innsbruck 1325—1326.
28. Juni. Samuel Löwenfeld aus Posen.
Diss.: Leo von Vercelli 999—1026.
ni. Folgende Promotionen sind unter dem De-
canate des Professors F. Wüsten feld vom 1.
Juli 1877 bis zum 30. Juni 1878 bewilligt und
vollzogen worden:
11. Juli 1877. Friedr. Chr. Müller aus Wah-
renholz bei Gifhoru. Diss.: Untersuchungen
über die Struktur einiger Arten von Elatine.
14. Juli. Friedr. Schwarzer aus Glatz in
Schlesien. Diss. : Ueber Additions- und
Substitutionsproducte des Authracens.
20. Juli. Joseph Will. Spencer aus Dundas
432
inCanada. Diss.: OntheNipigon or copper-
bearing rocks of Lake saperior, with notes
on copper mining in that region.
22 Juli. Paul Hunaeus aus Hannover. Diss.:
Ueber gechlorte Acrylsäuren und über einige
dem Chlorid analoge Körper.
27 Juli. Carl Otto Schlutess aus Druxberge
bei Magdeburg. Diss.: De Epimenide Crete.
29. Juli. Herrn. Behaghel v. Adlerskron
aus Friedrichshof in Livland. Diss.: Ueber
Dinitrosilicylsäure. .
31. Juli. Otto Kern aus Hildesheim. Diss.:
Ueber die Einwirkung von Brom auf Me-
tamidobenzoesäure und von Chlorbenzoyl auf
Orthoamidobenzoesäure , sowie ein Beitrag
zur Kenntniß der Amide der Zimmtsaure.
1. August. Carl Z e u m e r aus Hannover. Diss :
Die deutschen Städtesteuern im 12. u. 13.
Jahrhundert. ^ j^. •
2. August. Job. Nie. Kruse aus Henustedt im
Ditmarschen. Diss.: Ueber die Alpha Me-
tänitro ortho amido benzoesäure und die
Ueberführung derselben in Metanitro ben-
zoesäure. ,, .. ,
3 August. Georg Matt ha ei aus Crrunberg in
Schlesien. Diss.: Die Klosterpolitik Kaiser
Heinrichs H. Ein Beitrag zur Geschichte
der Reichsabteien. .
5 August. Imm. Ernst Lausch aus Königs-
berg. Diss.: Die kärnthenische Belehnungs-
frage. r> lu
7 August. Robert Roll wage aus Sehlde am
Harz. Diss.: Ueber gebromte Salicylsaure
und Aethylimidobenzoesäure.
(Fortsetzung folgt.)
433
JKachrichten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
24. Juli. ^V. 18. 1878.
llniTersität.
Verzeichniß der Vorlesungen
auf der Georg-Augusts-Universität zu Göttingeu
während des Winterhalbjahrs 18^*/79.
Die Vorlesungen beginnen den 15. October 1S77
und enden den 15. März 1878.
Theologie.
Kritische und hermeneutische Eiuleitung in die kano-
nischen und apokrj'phischen Bücher des Alten Testaments :
Prof. Bertheau vierstündig um 3 Uhr.
Einleitung in das Alte Testament: Prot Duhm vier-
stündig um 3 Uhr.
Alttestamentliche Theologie : Prof. Schultz fünfstündig
um 11 Uhr.
Geschichte des Volkes Israel: Prof. Duhm dreistündig
Montag, Dienstag. Mittwoch um 4 Uhr.
Leben Jesu: Prof. Wagenmanti vierstündig um 9 Uhr.
Erklärung der Genesis: Prof. Schultz fünistündig um
10 Uhr.
Erklärung des Buches des Propheten Jesaia : Prof. Ber-
theau fünfstündig um 10 Uhr.
Erklärung der chaldäischen Abschnitte dos Buches
Daniel: Derselbe Dienstags und Freitags um 2 Uhr.
Erklärung der Psalmen : Prof. de Lagarde fünfstündig
um 10 Uhr.
Erkläining der Bücher der Richter und Samuelis : Prof.
JJuhm Donnerstags and Freitags um 4 Uhr öffentlich.
36
434
Erklärung der synoptischen Evangelien: Lic. Wend
fünfmal um 9 Uhr.
Erklärung der Briefe des Paulus an die Römer und
Galater: Prof. Lünemann fünfmal um 9 ühr.
Erklärung der paulinischen Briefe mit Ausnahme des
Römerbriefs und der Pastoralbriefe: Prof. Wiesinger
fünfstündig um 9 Uhr.
Erklärung der katholischen Briefe ; Prof. Ritschi fünf-
mal um 11 Uhr.
Kirchengeschichte Theil II: Prof. Wagenmann fünf-
stündig um 8 Uhr,
Hannoversche Kirchengeschichte : Derselbe Sonnabends
um 8 Uhr, öflfentlich.
Kirchengeschichte der neueren Zeit seit der Reforma-
tion mit Rücksicht auf Hasse's Kirchengeschichte: Prof.
Reuter sechsmal um 12 Uhr.
Dogmengeschichte: Derselbe sechsmal um 9 Uhr.
Ueber die sogen, oecumenischen Symbole: Lic. Katten-
busch unentgeltlich Mittwochs um 6 Uhr.
Comparative Symbolik: Prof. Schüber lein viermal um
5 Uhr; Lic. Kattenbusch vierstündig.
Prolegomena zur Dogmatik: Prof. SchUberleifi Sonn-
abend um 12 Uhr, öfifentlich.
Dogmatik Th. I.: Prof. Ritschi fünfstündig um 12 Uhr.
Theologische Ethik: Prof. Schöber lein fünfstündig um
12 Uhr.
Praktische Theologie: Prof. Wiesinger vier- bis fünf-
mal um 3 Uhr.
Kirchenrecht und Geschichte der Kirchenverfassung
ß. unter Rechtswissenschaft S. 435.
Die Uebungeu des königl. homiletischen Seminars
leiten Prof, Wienm/er und Prof. Schultz abwechselnd
Sonnabend von 9—10 und 10— -12 Uhr öffentlich.
Katechetische Uebungeu : Prof. Jriesinger Mitiv/ochB von
5— 6 Uhr, Vroi. Schultz Sonnabendsvon4 — 5 Uhr öffentlich.
Die liturgischen Uebungen dos praktisch-theologischen
Seminars leitet Prof. Scfiöberlcin Mittwochs um 6 Uhr
und Sonnabends von 9—11 Uhr öffentlich.
Eine dogmatische Societät leitet Prof, Scliöberlein
Donnerstags um 6 Uhr ; eine historisch-theologische Socie-
tät Prof. fVugenmann Freitags um 6 Uhrj kircheuhisto
'
435
tische üebungen Prof. Reuter Donireretags um 6 ühr;
eine hebräische Gesellschaft leitet zu gelegenen Stunden
Prof. de Lagarde.
Rechtswissenschaft.
Institutionen des Römischen Rechts: viermal wöchent-
lich von 11 — 12 Uhr Prof. Jlartmann.
Geschichte des römischen Rechts : fünfmal wöchentlich
von 12—1 Uhr Prof. Hartmann.
Römischer Civilprocess : Prof. Hartmann Montags und
Donnerstags von 4 — 5 ühr.
Pandekten, allgemeiner Theil und Sachenrecht: täglibh
von 11 — 12 Uhr nnd Sonnabend von 12 — 1 ühr Prof.
V. Jhering.
Pandekten, Obligationenrecht: fünfmal von 12 — 1 ühr
Prof. r. Jhering.
Römisches Erbrecht : fünfmal von 3— 4 ühr Prof. Wolff.
Römisches Erbrecht: Dr. Zitelmann Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag von 10—11 ühr.
Pandekten-Prakticum : Dr. Zitelmann, Mittwoch von &
-7 Uhr.
Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte : fünfmal wöchent-
lich von 10—11 Uhr Prof. Mejer.
Geschichte des deutschen Städtewesens : Prof. Frens-
dorff Mittwoch und Sonnabend von 12 — 1 ühr.
Deutsches Privatrecht mit Lehnrecht: Prof. Frensdorff
Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 11 — 1 Uhr.
Handelsrecht und Wechselrecht und Seerecht: fünfmal
von 9—10 Uhr Prof. Thöl. nach seinem Buch (das Han-
delsrecht 5. Aufl. Das Wechselrecht 4. Aufl.).
Seerecht: zweimal wöchentlich Dr. Ehrenberg.
Die Lehre von den Handelsgesellschaften , sowie den
Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften : einmal wö-
chentlich unentgeltlich Dr. Ehrenberg.
Preussisches Privatrecht: viermal wöchentlich von 11
— 12 Uhr Prof. Ziebarth.
Deutaches Strafrecht: fünfmal wöchentlich von 10—11
ühr Prof. Joh».
Geschichte des Strafrechts und des Strafprocesses Dr.
f. JCn'e« Montag und Donnerstag von 4 — 5ühr unentgeltlich.
Pressstrafrecht: Dr. v. Krtes Sonnabend von 11 — 12
ühr unentgeltlich.
36»
436
Deutsches Staatsrecht : fünfmal wöchentlich von 11-12
Uhr Prof. Mejer.
Königthum und Kaiserthum deutscher Nation: Dr.
Sickel Freitag 5—6 ühr unentgeltlich.
Kirchenrecht einschliesslich des Eherechts : täglich von
8—9 Uhr Prof. Dave.
Geschichte der Kirchenverfassung und des Verhält-
nisses von Staat und Kirche: Prof. Dove Dienstag und
Freitag von 6—7 Uhr, öffentlich.
Deutscher Strafprocess : viermal wöchentlich von 10 —
11 Uhr Prof. Zieharth.
Strafprocess: viermal wöchentlich von 9 — 10 ühr Dr.
V. Kries.
Geschichte des Strafprocesses: Prof. Ziebarth Mittwoch
von 10-11 Uhr, öffentlich.
Civilprocessprakticum : Dienstag und Freitag von 4 —
6 Uhr Prof. John.
Criminalistische Uebungen: Prof. Zieharth Mittwoch
(oder an einem anderen Tage) von 4 — 6 Uhr.
Medicin.
Zoologie, vergleichende Anatomie, Botanik, Chemie
siehe unter Naturwissenschaften.
Knochen- und Bänderlehre: Prof. Henle Montag,
Mittwoch, Sonnabend von 11 — 12 Uhr.
Systematische Anatomie I. Theil: Prof. Henle täglich
von 12-1 Uhr.
Topographische Anatomie : Prof. Henle Dienstag, Don-
nerstag, Freitag von 2—3 Uhr.
Präparirübungen, in Verbindung mit Prosector Dr. v.
Brunn täglich von 9—4 Uhr.
Mikroskopische Uebungen (normale Gewebelehre) hält
Dr. V. Brunn wöchentlich in vier zu verabredenden Stunden,
Mikroskopischen Cursus in der normalen Histologie
hält Prof. Krame Dienstag, Donnerst, u. Freitag von 2 —
8 Uhr.
Allgemeine und besondere Physiologie mit Erläute-
rungen durch Experimente und mikroskopische Demon-
strationen: Prof. Herbst in sechs Stunden wöchentlich
um 10 Uhr.
437
Experimentalpbysiologie II. Theil (Physiologie des
Nervensystpms und der Sinnesorgane): Prof. Meitsner
täglich von 10 — H Uhr.
üeber Auge und Mikroskop trägt Prof. Listing zwei
Mal wöchentlich in passenden Stunden privatissime vor.
Arbeiten im physiologischen Institute leitet Prof.
Meissner täglich in passenden Stunden.
Allgemeine Pathologie und Therapie lehrt Prof. Krä-
mer Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 4 5 ühr
oder zu anderen passenden Stunden.
Allgemeine Pathologie trägt Prof. Orth Montag, Dienstag,
Mittwoch, Donnerstag von 12 — 1 ühr vor.
Pathologische Anatomie der Knochen und Muskeln
lehrt Prof. Orth Sonnabend von 12 — 1 Uhr.
Demonstrativen Cursus der pathologischen Anatomie
and Histologie hält Prof. Orth Montag, Mittwoch , Sonn-
abend von 2-3 Uhr, verbunden Tnit Sectionsübungen au
der Leiche zu passenden Stunden.
Praktischen Cursus der pathologischen Histologie hält
Prof. Orth in später zu bestimmenden Stunden.
Physikalische Diagnostik mit praktischen üebungen
lehrt Prof. Eichhorst Montag von 4—5, Donnerstag von
4 — 6 Uhr. Dasselbe trägt Dr. Wiese viermal wöchentlich
in später näher zu bezeichnenden Stunden vor.
Larjngoskopische üebnngen hält Prof. Eichhorsi
Montag von 5-6 Uhr.
lieber Diagnostik des Harns und Sputums nebst prak-
tischen Üebungen trägt Prof. Eichhorst Mittwoch von 6
— 7 Uhr vor.
Experimentelle Arzneimittellehre verbunden mit prak-
tischen UebuDgen im Receptircn und Dispeuairen lehrt
Prof. Marnie dreimal wöchentlich von 5—6 Uhr.
Die gesammte Arzneimittellehre, mit Demonstrationen
and Versuchen verbunden, trägt Prof. Husemann fünfmal
wöchentlich von 3 — 4 Uhr oder zu gelegenerer Zeit vor.
Ausgewählte Capitel aus der Toxikologie demonstrirt
experimentell Prof. Marme Donnerstag von 6 — 7 Uhr
öffentlich.
Ueber die Gifte des Mineralreichs trägt Prof. Huse-
mann Mittwoch von 2 3 Uhr öflFentlich vor.
Pharmakologische und toxikologische Untersuchungen
leitet Prof. Manne im pharmakologischen Institut täglich
privatissime und gratis.
438
Uebungen und Untersuchungen aus dfim Gebiete der
Pharmakologie und Toxikologie leitet Prof. Husemann
in gewohnter "Weise.
Pharmakognosie, II. Theil, lehrt Prof. Wiffgers fünÜBal
wöchentlich von 2—3 Uhr.
Pharmacie, II. Theil, lehrt Prof. Wigffers sechsmal wö-
chentlich von 8—9 Uhr; Dasselbe Prof. von Uslar 4
Stunden um 3 Uhr ; Dasselbe Dr. Stromeyer privatissime.
Elektrotherapeutische Curse verbunden mit praktischen
Uebungen an Gesunden und Kranken hält Prof. Marme
zweimal wöchentlich in später zu bestimmenden Stunden.
Specielle Pathologie und Therapie 2. Hälfte: Prof. ^6-
stein Dienstag, Mittwoch, Freit., Sonnab. von 4-— 5 Uhr.
Ueber acute Infectionskrankheiten trägt Prof. Hasse
viermal wöchentlich vor.
Ueber Hautkrankheiten und Syphilis trägt Prof. Krä-
mer dreistündig vor.
Ueber Kinderkrankheiten 2. Theil liest Prof. Eichhorst
Dienstag und Freitag von 6 — 7 Uhr.
Die medicinische Klinik und Poliklinik leitet Prof.
JEis^em täglich von lOVj— 12 Uhr.
Specielle Chirurgie : Prof. Lohmeyer fünfmal wöchent-
lich von 8—9 Uhr.
Ueber die Krankheiten der Gelenke trägt Prof. König
viermal wöchentlich von 5—6 Uhr vor.
Die Lehre von den chirurgischen Operationen trägt
Prof. 'Rosenhach vier Mal wöchentlich vor.
Einen chirurgisch-diagnostischen Cursus hält Dr. Riedel
zweistündig.
Einen Verband-Cursus hält Dr. Riedel einstündig.
Die chirurgische Klinik leitet Prof. König täglich
ausser Sonnabend von 9 — 10 Uhr.
Chirurgische Poliklinik wird Sonnabend von 10—11
Uhr von Prof. KUnig u. Prof. Rosenbach gemeinschaftlich
und ö£fentlich gehalten.
Die Anomalien der Refraction, Accommodation und der
Muskeln des Auges mit praktischen Uebungen lehrt Dr.
Deutschmann zweimal wöchentlich in zu verabredenden,.
Stunden.
Augenoperationscursus hält Prof. Leier Mittwoch und
Sonnabend von 3—4 Uhr.
Praktische Uebungen im Gebrauch des Augenspiegels
leitet Prof. lieber gemeinsohaltlioh mit Dr. Deutschmann
Mittwoch und Sonnabend von 12 — 1 Uhr.
439
Klinik der Augenkrankheiten hält Prof. Leber Montag,
Dienstag, Donnerstag, Freitag von 12 — 1 Uhr.
Demonstrativen Cursos der Pathologie und Therapie
des Ohres mit üebangen im Untersuchen des Gehörorgans
verbunden hält Dr. Biirkner Dienst, u. Freit, von 2—3 Uhr.
Poliklinik für Ohrenkranke hält Dr. Biirkner an zwei
noch zu bestimmenden Tagen von 12—1 Uhr.
Geburtskande trägt Dr. Harhcig Montag, Dienstag,
Mittwoch, Donnerstag, Freitag um 3 Uhr vor.
Gebnrtahülflichen Operationscursus am Phantom hält
Prof. Sckwartz Mittwoch und Sonnabend um 8 Uhr.
Gynaekologische Klinik leitet Prof. Schxcartz Montag,
Dienstag, Donnerstag und Freitag um 8 Uhr.
Psychiatrische Klinik in Verbindung mit systematischen
Vorträgen über Geisteskrankheiten hält Prof. Meyer Mon-
tag und Donnerstag von 4—6 Uhr.
Gerichtliche Medicin trägt Prof. Krause Dienstag und
Freitag von 4 — 5 Uhr vor.
Ueber öflfentliche Gesundheitspflege trägt Prof. Meissner
Dienstag, Mittwoch. Freitag von 5-6 Uhr vor.
Anatomie, Physiologie und specielle Pathologie derHaus-
thiere lehrt Prof. Esser fünf Mal wöchentlich von 8 — 9 Uhr.
Klinische Demonstrationen im Thierhospitale hält Prof.
Esser in zu verabredenden Stunden.
Philosophie.
Geschichte der alten Philosophie : Prof. Peipers, Mont
Dienst. Donn. Freit., 5 Uhr. — Geschichte der neueren Phi
losophie, mit Einleitung über Patristik und Scholastik : Prof
Banmann, Mont. Dienst. Donnerst. Freit., 5 Uhr. Die Phi
losophie Kants: Dr. üeberhorst, Mittw. u. Sonn. 12 Uhr
Logik und Encyclopädie der Philosophie: Dr. Reh
nisch, Mont. Dienst. Donnerst. Freit., 11 Uhr.
Erkenntnisstheorie und Metaphysik: Prof. Baumann,
Mont. Dienst. Donn. Freit., 3 Uhr.
Psychologie: Prof. Lntze, vier Stunden, 4 Uhr.
Religionsphilosophie; Prot Lofze, vier Stunden, 10 Uhr,
Geschichte und System der Naturphilosophie: Dr.
Müller, vier Stunden, 3 Uhr.
Aesthetik : Prof. Bohtz , Mont. Dienst. Donnerst, u.
Freit., 11 übr.
440
lieber die Tonempfindungen: Dr. Müller^ Mittwoch 4
ühr, unentgeltlich.
Prof. Peipers wird in einer philos. Sooietät Abschnitte
aus Kants Kritik der reinen Vernunft, Mittw. 4 Uhr, be-
handeln, öffentlich.
Philosophische Uebungen: Dr. Rehnisch.
Dr. Ueberhorst behandelt in einer philos. Soc. Hume's
Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes
(v. Kirchmanns Uebersetzung), Donnerst. 6 Uhr, un-
entgeltlich.
Dr. Müller wird in einer psychologischen Soc. einige
ausgewählte Kapitel der Psychologie behandeln , Freit 6
Uhr, unentgeltlich.
Geschichte der Pädagogik: Prof. Krüger, zwei Stun-
den, 3 Uhr.
Grundzüge der Geschichte der neueren Pädagogik :
Prof. Baumann, Mont., 6 Uhr, öffentlich.
Die Uebungen des K. pädagogischen Seminars leitet
Prof. Sauppe, Donn. und Freit., 11 Uhr, öffentlich.
Mathematik und Astronomie.
Analytische Geometrie : Prof. Schwarz, 5 Stunden, 9 ühr.
Ueber Maxima und Minima (in geometrischer Behand-
lungsweise): Vco f. Schwarz, Mont. u. Donn., 4Uhr, öffentlich.
Theorie der realen , der imaginären und der idealen
Zahlen : Prof. Schering, Mont. Dienst. Donnerst. Freit., 8 Uhr.
Algebraische Analysis , mit einer Einleitung über die
Grundbegriffe der Arithmetik: Prof. Stern, fünf Stunden,
11 Uhr.
Differential- und Integralrechnung nebst Einleitung
in die analytische Geometrie der Ebene: Prof. Enneper,
Mont. bis Freit., 10 Uhr.
Theorie der bestimmten Integrale: Prof. Stern, 4
Stunden, 10 Uhr.
Einleitung in die Theorie der analytischen Functionen :
Prof. Schwarz, 5 Stunden, 11 Uhr.
Theorie der elliptischen Funktionen : Prof. Enneper,
Mont. bis Freit., 12 Uhr.
Molecular -Mechanik: Prof. Schering, Mont. Dienst.
Donn. Freit. 9 Uhr.
Hydrostatik: Prof. Ulricfi, 4 Stunden, 5 ühr.
441
Elektrodynamik in mathematischer Behandlang: Dr.
Fromme, Dienst, n. Donn. 12 Uhr.
Theoretische Astronomie: Prof. Klinkerfues, Mont.
Dienst. Donnerst, u. Freit. 12 Uhr.
In dem mathematisch - physikalischen Seminar leiten
mathematische Hebungen Prof. Stern, Mittwoch 10 Uhr,
und Prof. Schering,- Mittw. B Uhr; leitet geometrische
Uebungen Prof. Schwarz, Freit. 12 Uhr; giebt Anleitung
zur Anstellung astronomischer Beobachtungen Prof. Klin-
kerfties , in einer passenden Stande. Vgl. Naturwissen-
schaften S. 441.
Mathematische CoUoquien wird Prof. Schwarz, priva-
tissime und unentgeltlich, wie bisher leiten.
Naturwissenschaften .
Specielle Zoologie. 2r Theil: Prof. Ehlers, Mont. —
Freit. 10 Uhr.
Anthropologie: Frol. Ehlers, Mont. Dienst. Mittw., 6 Uhr.
Zootomisch-mikroskopischer Kurs : Prof. Ehlers, Dienst,
und Donnerst. 11 — 1 Uhr.
Zoologische Uebungen wird Prof. Ehlers täglich mit
Ausnahme des Sonnabend von 10 — 1 Uhr anstellen.
Eine zoologische Societät leitet Prof. Ehlers, priva-
tissime, unentgeltlich.
Allgemeine Einleitung in die Botanik: Dr. Drude,
Mont. bis Freit., 12 Uhr.
Allgemeiner Theil der Physiologie der Pflanzen: Prof.
Grisebach, Mont. a. Donnerstag, 4 Uhr.
Pflanzengeographie: Prof. Grisebach, Dienst, u. Freit.,
4 Uhr.
Allgemeine Botanik (incl. Anatomie und Physiolog^ie
der Pflanzen): Prof. Reinke , Mont. Dienst. Donn. Freit.,
12 Uhr.
Ueber officinelle und medicinisch - wichtige Pflanzen:
Prof. Reinke, Dienst, u. Freit., 4 Uhr.
Ueber die Krankheiten der Cultargewächse : Prof.
Reinke, Mittw. 12 Uhr.
Demonstrationen von Pflanzen des botanischen Gar-
tens : Prof. Grisebach, Mittw. 11 Uhr , öffentlich.
Mikroskopisch - botanischer Kursus : Prof. Reinke,
Mittw. von 8-12 Uhr.
Mikroskopisch-pharmaceutischer Korsus: Prof. Reinke^
Sonnabend 9—11 Uhr.
442
Mikroskopischer Kursus zur Untersuchung von Nah-
rungs- und Genussmitteln: Prof. Heinke , Sonnabend 11
— 1 Uhr.
Anleitung zu eigenen botanischen Untersuchungen
giebt Dr. Drude, Mittw. 2—4 und Sonnab. 8 — 1 Uhr,
privatissime.
Mit den Fortgeschritteneren wird *Dr. Drude die bo-
tanische Societät Donnerst. Abend 6 Uhr fortsetzen.
Mineralogie: Prof. Klein, fünf Stunden, 11 Uhr.
Elemente der Mineralogie, mit besonderer Berück-
sichtigung der nutzbaren Mineralien, verbunden mit De-
monstrationen und Uebungen : Dr. Lauff , Mont. Dienst.
Donn. Freit., 2 Uhr.
Krystallographie (nach Miller) und Krystalloptik :
Prof. Listing, Mont. Dienst. Donn. Freit. 12 Uhr.
Palaeontologie : Prof. von Seebach, fünf Stunden, 9 Uhr.
Petrographische und palaeontologische Uebungen leitet
Prof. von Seebach, Montag, Dienstag und Donnerstag
10—1 Uhr, privatissime, aber unentgeltlich.
Mineralogische Uebungen: Prof. Klein, Sonnabend
10-12 Uhr, öffentlich.
Krystallographische Uebungen: Prof. Klein, priva-
tissime, aber unentgeltlich, in zu bestimmenden Stunden.
Die in der Geologie Fortgeschritteneren ladet Prof. von
Seebach zu der geologischen Gesellschaft ein, Mittwoch
Abends 6-8 Uhr.
Experimentalphysik , zweiter Theil : Magnetismus,
Elektricität und Wärme: Prof. Riecke , Mont. Dienstag
Donnerstag Freitag, 5 Uhr.
Ueber Auge und Mikroskop: Prof. Listing^ privatis-
sime, in zwei zu verabredenden Stunden.
Die praktischen Uebungen im physikalischen Labora-
torium leitet Prof. Riecke , in Gemeinschaft mit den As-
sistenten Dr. Fromme und Kand. Niemöller (Ehi^te Ab*
theiluüg: Dienst. Donnerst. Freit. 2 — 4 Uhr und Sonn-
abend 9-1 Uhr; zweite Abtheilung: Dienst, u. Freit.
2—4 Uhr, Sonnabend 11 — 1 Uhr).
Physikalisches Colloquium : Prof. Listint/ , Sonnabend
11—1 Uhr.
Repetitorium der Physik , in gewohnter Weise : Dr.
Promme, Dienst, u. Freit. 6 Uhr, privatissime.
Mechanik und Elektrodynamik: \g\. Mathematik S.440.
443
In dem mathematisch - physikalischen Seminar leitet
physikalische Uebangen Prof. Listing, Mittwoch, um 12
Uhr. Ausgewählte Kapitel der Experimentalphysik und
der mathematischen Physik: Prof. Rieeke , Mittwoch 11
Uhr. Vgl. Mathematik und Astronomie S. 440.
Allgemeine Chemie: VroL Hubner, sechs Stund., 9 Uhr.
Allgemeine organische Chemie (2r Theil) : Prof. ffüb-
ner, Freit., 12 Uhr.
Organische Chemie für Mediciner: Prof. von Uslar, in
später zu bestimmenden Stunden.
Organische Chemie für Landwirthe: Prof. ToUens,
Mont. u. Dienst. 10 Uhr.
Technische Chemie für Landwirthe : Prof. TolUns,
Mittw. Donnerst, u. Freit. 10 Uhr.
Chemische Technologie, IL Theil: Dr. Post, Dienst,
und Donnerst., 12 Uhr.
Quantitative Analyse: Dr. Fost, 2 Stunden.
Qualitative Analyse: Hr. Post, 2 Stunden, anentgeltlich.
Einzelne Zweige der theoretischen Chemie: Dr. Stro'
meyer, privatissime.
üebungen in chemischen Rechnungen (Stoechiometrie) :
Prof. ToUens, Dienst., 5 Uhr, öffentlich.
Die Vorlesungen über Pharmacie s. unter Medicin S.437.
Die praktisch-chemischen üebungen und wissenschaft-
lichen Arbeiten im akademischen Laboratorium leiten die
Professoren Wähler und Hühner in Gemeinschaft mit den
Assistenten Dr. Jannasch, Dr. Post^ Dr. Frerichs, Dr.
Polistorf, Dr. Brückner, Dr. Rudolph.
Prof. Boedeker leitet die praktisch - chemischen üe-
bungen im physiologisch -chemischen Laboratorium, täg-
lich (mit Ausschl. d. Sonnab.) 8 — 12 und 2-4 Uhr.
Prof. ToUens leitet die üebungen im agriculturchemi-
schen Laboratorium in Gemeinschaft mit dem Assistenten
Dr. Schmöger , Mont. bis Freit, von 8 — 12 und von 2 —
4 Uhr.
Historische Wissenschaften.
Allgemeine Erdkunde: Dr. Krümmet, Mont., Dienst.,
Donn., Freit 6 LTir.
Praktische Diplomatik mit üebungen : Prof. Weizsäcker^
Mont. und Dienst. 9 Uhr.
444
Allgemeine Geschichte des Mittelalters: Prof. Pauli,
vier Stunden, 8 Uhr.
Geschichte unserer Zeit : Prof. Pauli, 4 Stunden, 5 Uhr.
Deutsche Geschichte im Mittelalter : Dr. Bernheim, vier
Stunden, 10 Uhr.
Vergleichende Verfassungsgeschichte Deutschlands und
Frankreichs: Prof. Weizsäcker, 4 Stunden, 4 Uhr.
Aeltere Geschichte Frankreichs : Prof. Steindorff, Mitt-
woch u, Sonnabend, 10 Uhr.
Geschichte Italiens seit dem Beginn des Mittelalters:
Assessor Dr. Wüstenfeld, Mont. Dienst. Donn. Freit.,
10 Uhr, unentgeltlich.
Ueber moderne Geschichtsauffassung: Dr. Bernhehn,
1 Stunde, 6 Uhr, unentgeltlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Pauli, Mittwoch, 6
Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Weizsäcker, Freitag,
6 Uhr, öffentlich.
Historische Uebungen leitet Prof. Steindorff, Donnerst.,
6 Uhr öffentlich.
Historische Uebungen: Dr. Bernheim, Dienst., 6 Uhr,
unentgeltlich.
Historische Uebungen: Dr. Höhlbawn, 1 Stunde, un-
entgeltlich.
Kirch en geschichte : s. unter Theologie S. 434.
Geschichte des deutschen Städtewesens s. unter Rechts-
wissenschaft S. 435.
Staatswissenschaft und Landwirthschaft.
Einleitung in das Studium der Statistik : Prof. Wappätis,
Mittw. u. Sonn., 11 Uhr.
Nationalökonomie: Dr. Pierstorff, 4 Stunden, 5 übr.
Volkswirthschaftspolitik (praktische Nationalökonomie) :
Prof. Hanssen, vier Stunden, 3 Uhr.
Lehre vom Gelde und Kredit: ]^roi. Soetheer , Dienst,
und Donn., 6 Uhr.
Entwicklung der Fabrikgesetzgebung in England: Dr.
Pierstorff, Mittw., 6 Uhr, unentgeltlich.
Unterredungen über kameralifitische Gegenstände: Prof.
Hanssen, in 2 zu bestimmenden Stuuden, privatissime,
aber unentgeltlich.
Verfassungsgeschichte von Deutschland und Frank-
reich : vgl Histor. Wissensch. S. 444.
445
Einleitnng in das landwirthschaflliche Stadium: Prof.
Drechsler, 1 Stunde, öffentlich.
Allgemeine Ackerbaulehre : Dr. Fesca, zweimal wöchent-
lich, 10—11 Uhr.
Die Ackerbausysteme (Felderwirthschaft, Feldgraswirth-
schaft, Fruchtwechselwirthschaft u. s. w.l: Prof. Griepen-
kerl, in zwei passenden Stunden, unentgeltlich.
Die allgemeine und specielle landwirthschaftliche Tliier-
productionslehre (Lehre von den Nutzungen, Rayen der
Züchtung, Ernährung und Pflege des Pferdee, Rindes,
Schales und Schweines) : Froi. Griepen/cert, Mont, Dienst.'
Donnerst, und Freit., 5 Uhr. — Im Anschluss an diese
Vorlesungen werden Exkursionen nach benachbarten Land-
gütern und Fabriken veranstaltet werden.
Landwirthschaftliche Betriebslehre: Prof. Drechsler,
vier Stunden, 4 ühr.
Die Lehre vom Futter: Prof. Henneberg, Mont., Dienst
und Mittw., 11 ühr.
Landwirthschaftliches Praktikum : Prof. Drechsler und
Dr. Fesca (üebungen im landw. Laboratorium, Freit, u.
Sonnab. 9 — 1 Uhr; Üebungen in landw. Berechnungen,
Dienst, und Donnerst., 12 Uhr).
Landwirthschaftliche Societät : Prof. Drechsler, priva-
tissime, unentgeltlich.
Exkursionen und Demonstrationen: Prof. Drechsler
Mittwoch Nachmittag.
Organ, u. techn. Chemie u. praktisch-chemische Üebungen
f. Landwirthe s. unter Xaturwissenschaften S. 441.
Anatomie, Physiologie und Pathologie der Hausthiere
8. Medicin S. 439.
Literärgeschichte.
Geschichte der griechischen Dichtung bis auf Alexander
den Gr.: ?rof. Dilthei/, Mont. Dienst. Donn. Freit., 12 ühr.
Geschichte der deutschen Nationalliteratur bis zum An-
fang des 16. Jahrhunderts: Prof. W. Müller, vier Stunden
3 Uhr. '
üeber die deutsche Dichtung des 16. Jahrhunderts-
Prof. Gotdeke, Mittw. 5 Uhr, öflFentlich.
Alterthumskunde.
Die bauliche Einrichtung des griechischen und römi-
schen Theaters ausemandersetzen , die scenischen Alter-
W6
thümer der Griechen vortragen und EuripidesKyklops er-
klären wird Prof. Wieseler, vier oder fünf Stunden, 10 Uhr.
Im k. archäologischen Seminar wird Prof. ^«««'^^f^
ausgewählte Kunstwerke erklären lassen, Sonnabend 12
Uhr, öffentlich. - Die schriftlichen Arbeiten der Mitglie-
der wird er privatissime beurtheilen.
Römische Staatsalterthümer: Dr. Gilbert, vier Stunden,
A TTVir
Deutsche Mythologie: Dr. Wüken, Mittw., 4 Uhr, un-
^^^üibe^r 'die deutsche Heldensage: Dr. Tittmann, Dienst,
u. Freit., 6 (Ihr, unentgeltlich.
Vergleichende Sprachlehre.
Ueber die Entwicklung der indogermanischen Sprachen
und Völker: Prof. Fick, 2 Stunden, 10 Uhr, öffentlich
Erklärung der umbrischen und oskischen Sprachdenk-
mäler: Prof. Fick, 4 Stunden, 10 Uhr. . , t, .,.
Litauische Grammatik und Erklärung litauischer Texte.
Dr. Bezzenherger, 2 Stunden.
Orientalische Sprachen.
Die Vorlesungen über das A. und N. Testament siehe
unter Theologie S. 433. „,./., ^ n
Ausgewählte Stücke aus Arabischen Schriftstellern er-
klärt Prof. Wnstenfeld privatissime.
Hebräische Gesellschaft s. Theologie, % J^%b.
Grammatik der Sanskritsprache: Frot Benfey, m drei
zu verabredenden Stunden.
Griechische und lateinische Sprache.
Aristophanes Frösche: Troi. von Leutsch, vier Stunden,
Wnr^nulps KvkloDS : Vgl- AUerfhutmkunde S. 446.
SÄe lerlriechfschen Metrik und die Elemente
der Rhythmik: Prof. von Leuisch, vier Stunden, 10 Uhr.
Griechische Syntax : Prof. Sauppe, Mont., Dienst., Donn.,
Freit., 9 Uhr. t .. « q aak
Geschichte der griech. Dichtung s- ^f '^'j^rf ' J« ^J^„
Plautus Pseudulus: Vroi.Sauppe, Moni. Dienst. Donn.
^'Im K."pWlologiechen Seminar leitet die schriftlichen
Arbeiten und Disputationen Vvoi.Diltheg, Mittw. U Uhr,
447
läflst Theognis erklären Prof. fo« i«M/«cA. Mont. n. Dienst.,
11 Uhr; lässt Lucretius B. I erklären Prof. Sauppe, Don-
nerst, n. Freit., 11 Uhr, alles öffentlich.
Im philologischen Proseminar leiten die schriftlichen
Arbeiten und Disputationen die Proff. v. Leutsch (Mittw.
10 Uhr) , Sauppe (Mittw. 2 Uhr) und Düthey (Sonnab.
U Uhr); läsBt Tyrtäus Prof. v. Leutsch Mittw. 10 Uhr,
und Lucretius B. VI Prof. Sauppe erklären, Mittw. 2 Uhr,
alles öffentlich.
Deutsche Sprache.
Grammatik der gotischen Sprache: Prof. Fick, zwei
Stunden, 11 Uhr, öffentlich.
Gotische Grammatik und Lektüre der gotischen Bibel-
übersetzung: Dr. JrUken, Mittw. u. Sonnab. 11 Uhr.
Altnordische Grammatik und Lektüre: Dr. Wilken,
Mont. Dienst. Donnerst., 9 Uhr.
Die althochdeutschen Dialekte und ihre Quellen: Dr.
Bezzenherger, 1 Stunde, unentgeltlich.
Erklärung althochdeutscher und mittelhochdeutscher
Dichtungen nach W. Wackernagels kleinerem altdeutachem
Lesebuche: Prof. U'.3Iü'ller. Mont., Dienst., Donn., 10 Uhr.
Die Uebungen der deutschen Gesellschaft leitet Prof.
WM. Müller, Dienst. 6 Uhr.
Geschichte der deutschen Literatur : s. Literärgeschichte
S. 445.
Neuere Sprachen.
Altfranzösische Grammatik, mit Erläuterung des Ro-
landsliedes (nach seiner Ausgabe, 1878) : Prof. Th. Müller,
Mont., Dienst., Donnerst., 4 Uhr.
Uebungen in der französischen und englischen Sprache,
die ersteren Mont. Dienst. Mittw., die letzteren Donnerst.
Freit. Sonnabend 12 Uhr: Prof. Th. Müller.
In der romanischeu Societät wird Derselbe, Freitag 4
Uhr , öffentlich , die Elemente der italienischen Sprache
lehren.
Schöne Künste. — Fertigkeiten.
Unterricht im Zeichnen mit besonderer Rücksicht auf
naturhistorische und anatomische Gegenstände: Zeichen-
lehrer Peters^ Sonnabend Nachm. 2—4 Uhr.
448
Geschichte der Musik der letzten Jahrhunderte: Prof.
Krüger, vier Stunden, 12 Uhr.
Harmonie- und Kompositionslehre , verbunden mit
praktischen Uebungen: Musikdirector Hille , in passen-
den Stunden.
Zur Theilnahme an den Uebungen der Singaka-
demie und des Orchesterspielvereins ladet Derselbe ein.
Reitunterricht ertheilt in der K. Universitäts - Reit-
hahn der Univ.-Stallmeister Schweppe, Montag, Dienstag,
Donnerstag, Freitag, Sonnabend Morgens von 8 — 12 und
Nachm. (ausser Sonnabend) von 3 — 4 Uhr.
Fechtkunst lehrt der Universitätsfechtmeister Grüne-
klee, Tanzkunst der Universitätstanzmeister Höltzke.
Oeffentliche Sammlungen.
Die üniversiüitshihliothek ist geöifnet Montag, Dienstag,
Donnerstag und Freitag von 2 bis 3, Mittwoch und Sonn-
abend von 2 bis 4 Uhr. Zur Ansicht auf der Bibliothek
erhält man jedes Werk, das man in gesetzlicher Weise
verlangt; verliehen werden Bücher nach Abgabe einer
Semesterkarte mit der Bürgschaft eines Professors.
Ueber den Besuch und die Benutzung der theologi-
schen Seminarbibliothek , des l'heatrtim anatomicum , des
physiolo'gischvn Inntitiits, der pathologischen Sammlung,
der Sammlung von Maschinen und Modellen, des zoolo-
gischen und cthnograiihischvn 3Iuseums , des botanischen
Gartens, der Sternwarte, des physikalische?! Cabinets,
der mineralogischen und der geognostisch-paläontologischen
Sammhing, der chemischen Laboratorien , des archäologi-
schen Musetims, der Gemäldesammlung, der Bibliothek
des k. philologischen Seminars, des diplomatischen Appa-
rats, der Sammlungen des landtvirihschaftlichen Institute
bestimmen besondere Reglements das Nähere.
Bei dem Logiscommissär, Pedell Bartels (Weender8t.82),
können die , welche Wohnungen suchen , sowohl über
die Preise, als andere Umstände Auskunft erhalten
und auch im voraus Bestellungen machen.
449
Xach richten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
14. Augüst. M 14. 1878.
KöDiflfliche Geselisrhaff der WigseHschaften.
Sitznng am 3. Angnst.
Klein, über den Feldspath im Basalt vom Hohen Hagen
bei Göttingen und seine Beziehungen zum Feldspath
von Mte. Gibele auf der Insel Pantellaria.
T h 0 m a e , corresp. Sätze aus der Fnactionstheorie.
Ueber deu Feldspath im Basalt vom
Hohen Hagen bei Göttingen und seine
Beziehungen zu dem Feldspath von
Mte. Gibele auf der Insel Pantellaria.
Von
C. Klein.
In den Studien des Göttingischen Vereins
bergmännischer Freunde 1849 Bd. V p. 83 u. f.
hat Hausmann das A^orkommen des sogenannten
glasigen Feldspaths vom Hohen Hagen beschrie-
ben , sein specifisches Gewicht zu 2,5927 ange-
geben und zwei von Schuedermaun ausgeführte
Aualyseu mitgetheilt, von denen die weiter un-
ten au erster Stelle stehende vielfach in Lehr-
und Haudbücher, so z. B. in die Mineralchemie
von Rammelsl)erg übergegangen ist.
Nach dieser Analyse besteht der Feldspath
aus:
37
460
Kieselsäure 64,86
Thonerde 21,46
Kali 2,62
Natron 10,29
Kalkerde J
Talkerde j Spuren
Eisenoxyd )
99,23
Eine zweite Analyse, wohl mit Rücksicht auf
die Sicherstellung des hohen Natrongehaltes der
ersten unternommen, ergab (1. c. p. 348) :
Kieselsäure 64,89
Thonerde 21,92
Kali 4,15
Natron 7,53
Kalkerde
Talkerde
Spuren
97,49
In dieser neuen Analyse ist die Kieselsäure, wie
Hausmann angibt, aus der ersten Zerlegung ent-
nommen, aber es scheint auch keine neue Prü-
fung auf Kalk stattgefunden zu haben. Dieser
letztere ist indessen unzweifelhaft vorhanden und,
wenn man die Differenz von 97,49 zu 100 als
Kalk ansieht, so drückt die zweite Schneder-
mann'sche Analyse recht befriedigend die Con-
stitution des Minerals aus.
Diese zweite Analyse ist indessen unberück-
sichtigt geblieben ; die Handbücher nehmen bis
auf die Miller'sche Mineralogie 1852 p. 307 nur
von der ersten Analyse Notiz und stellen den
Feldspath vom Hohen Hagen zu den Sanidineu
mit hohem Natrongehalt.
In der That zeigt auch dieser Feldspath bei
einer oberflächlichen Betrachtung Vieles, was
an Sanidin erinnert. Mißt man die Winkel voii
451
Spaltstückchen nach Basis und seitlichem Pina-
koid, so weichen sie wenig von 90° ab, geben
oft diesen Werth ganz genau ; die optische Orien-
tirung ist in SchlifiFen nach der Basis fast der
Kante P : M senkrecht und parallel und auf
dem seitlichen Piuakoid findet mit derselben
Kante eine Schiefe der Hauptauslöschungsrich-
tung des Lichtes statt, die nur wenig von dem
für den Sanidin bekannten Werthe verschie-
den ist.
Nach all' diesen Merkmalen könnte man
glauben einen raonoklinen Feldspath vor sich
zu haben und doch ist dem nicht so.
Wenn man zu einer genaueren Untersuchung
Schliffe nach der Basis herstellt und darauf ach-
tet, daß dieselben normal zum seitlichen Pina-
koid seien, so findet mau stets für die Haupt-
masse des Feldspaths eine schiefe Auslöschung
gegenüber der Kante P : M. Es wurde bei
Anwendung von Na licht und unter Zuhülfe-
nahme der Brezina'schen Doppelplatte ^) sowohl,
als auch der Quarzplatte, vermittelst des polari-
sirenden Mikroskops gefunden, daß eine Abwei-
chung von 3° — 4° zu beobachten ist und die
1) Bei dieser Gelegenheit wurde meist mit einer aaf
das Ocular des Mikroskops orientirt aufzasetzenden Bre*
zina'schen Platte gearbeitet. — Die Verwendbarkeit der-
selben beim Groth'scben Stauroskop läßt sich dadurch
bedeutend steigern, daß man die Krystallplatte nicht
völlig das Loch des schwarzen Glases, auf das sie befe-
stigt wird, überdecken läßt, so daß noch etwas Licht
seitlich durchgeht. Durch Neigen des Auges sieht man
dann die Erscheinung ein Mal ungestört, das andere Mal
beobachtet man die Veränderung derselben, welche durch
die Krystallplatte bewirkt worden ist, kann durch Drehen
des Tisches die zweite Erscheinung immer vollkommener
werden lassen und dieselbe gewissermaßen auf die erste
einstellen. —
37*
452
klarsten Stellen Werthe von SVa»— 3^4^ er-
geben.
Vielfach zeigten sich im polarisirten Lichte
Zwilliügslamellen nach dem Gesetze: »Zwillings-
axe senkrecht auf ilf« in den Schliffen einge-
schaltet. Diese Lamellen variiren in ihrem Auf-
treten sehr und verlaufen von breiten nebenein-
ander herziehenden Bändern bis zu den feinsten
in einander gekeilten Partien^). Letztere wer-
den, besonders bei Anwendung der Quarzplatte
im Mikroskop, als in Zwillingsstellung befindlich
erkennbar, die meisten der ersteren lassen, bei
einer gewissen Breite, eine Abweichung der
Hauptauslöschungsrichtung des Lichts von der
Kante P : M bis zu 3^ und 4® wahrnehmen.
Stellen, die sich bezüglich der Kante P : M
orientirt erweisen würden, habe ich in den ge-
nau senkrecht zu M gefertigten SchHfPen nicht
beobachten können , dagegen zeigten sich mir
bisweilen Lamellen, die eine größere Abweichung,
als die vorhin erwähnte, nämlich von etwa 10^,
darboten. Auf die Deutung dieser übrigens nicht
oft beobachteten Lamellen werde ich später ein-
gehen.
Fertigt man Schliffe nach dem seitlichen
Pinakoid ilf an, so zeigt sich eine Schiefe von
6^40', gebildet von der Hauptauslöschungsrich-
tung des Lichts mit der Kante P : 31 und lie-
gend im stumpfen ebenen "Winkel der Kanten
P : 31 und 31 : 1c. Diese Zahl stellt einen
Mittelwerth zahlreicher mit Na licht ausgeführter
Beobachtungen dar.
1) Die überaus feine Bildung: dieser Zwillingslamellen
gestaltet die Basis %a einer Scheinfläche um, auf der die
Differenzen der Neigungen 1' : M auRgeglichen sind, so
daß dann P : M fast unter 90° neigt.
453
Schleift man endlich Dünnschliffe aus der
Zone der Basis zum vorderen Pinakoid Ä, so
zeigen sich im polarisirten Lichte die Zwillings-
lamellen sehr deutlich und die Auslöschungs-
schiefe nimmt in den einzelnen Individuen ge-
genüber der Zwillingsgrenze zu , bis der Schliff
normal zur ersten Mittellinie der optischen Axen
steht.
In Schliffen, die ungefähr in der Richtung
des vorderen Pinakoids gefertigt waren, aber
nicht senkrecht auf dem seitlichen standen,
konnte ich eine Schiefe von 5° in dem einen,
von 13^8*^ in dem anderen Systeme der Zwil-
liugslamellen beobachten. In einem besser orien-
tirten, d. h. näher senkrecht auf M stehenden
Schliff derselben Lage, waren diese Abweichun-
gen 9Vs^ und 10^
Waren die Schliffe annähernd senkrecht zur
ersten Mittellinie der optischen Axen und dabei
möglichst senkrecht auf dem seitlichen Pinakoid,
so beobachtete ich bei Untersuchung der Zwil-
lingslamelleu :
15*^ Abweichung in dem einen; 12° in dem an-
deren Individuum
13® Abweichung in dem einen; 11 <> in dem an-
deren Individuum
14° Abweichung in dem einen; 12<' in dem an-
deren Individuum
IS** Abweichung in dem einen; 14^/8*' in dem
anderen Individuum,
ein jedes Mal von der Zwilliugsgrenze aus ge~
messen. Ich glaube sonach, daß bei genau senk-
rechter Führung des Schliffs zur ersten Mittel-
linie noch größere Werthe erhalten werden kön-
nen, wenngleich der von Des-Cloizeaux angege-
bene Werth für die von ihm untersuchten Oligo-
454
klase mit 18° 10' nicht ganz erreicht werden
dürfte.
Daß der vorliegende Feldspath aber ein Oligo-
klas und kein Orthoklas sei, das beweisen die
eben erwähnten Schliffe auf das Beste, und nicht
eine Spur von Feldspath, der Auslöschung senk-
recht und parallel der Zwillingsgrenze zeigen
würde, ist in ihnen vorhanden, wie mich eine
eingehende und sorgfältige Prüfung der biswei-
len sehr feinen Zwillingslamellen mit der Quarz-
platte gelehrt hat. Ueberdies beobachtet man
noch in den beiden letzten Arten von Schliffen
(nach dem vorderen Pinakoid und nahe senk-
recht zur ersten Mittellinie) Lamellen annähernd
nach der Basis (Gesetz: Zwillingsaxe die Makro-
diagonale) eingelagert, wodurch das Ansehen der
Schliffe im polarisirten Lichte ein sehr fein git-
terartiges wird.
An drei Präparaten , annähernd senkrecht
zur ersten Mittellinie geschliffen, konnte ich
endlich auch Axenaustritt, Dispersion und Cha-
rakter der Mittellinie beobachten. Wurden die
einheitlichsten und klarsten Stellen dieser Prä-
parate zur Uirtersuchung verwandt, so zeigte
sich ein ziemlich großer Axenwiukel mit einer
Dispersion der Axen q'^ v , ferner horizontale
Dispersion der Axeuebeuen und negativer Cha-
rakter der ersten Mittellinien.
Im Axenwinkelapparat fand ich:
2H^ = 620 15' Roth (Li)
= 610 30' Gelb (Na),
woraus sich unter Berücksichtigung der Bre-
chungsexponenten des Oels:
n = 1,47062 (Li)
= 1,47220 (Na)
ergaben :
45Ö
2E^ = 98057V2' (Li)
" = 97039' (Na).
Sämmtliche Stücke, in denen der Axenaus-
tritt untersucht wurde, habe ich endlich noch
darauf geprüft, ob die Ebene der optischen Axen
mit der Spalttrace des seitlichen Pinakoids recht-
winkelig sei. In allen Fällen konnte eine Ab-
weichung bis zu 15*^ constatirt werden, sonach
ist auch dadurch die trikline Natur des Feld-
spaths erwiesen.
Sucht man nach diesen Mittheilungen die
Art des vorliegenden Feldspaths zu bestimmen,
so ist das Auftreten von monoklinem Feldspath
vorab ausgeschlossen und durch die Abweichung
der Hauptauslöschungsrichtung des Lichts von
30 _ 40 iß Schliffen nach der Basis, aber senk-
recht auf dem seitlichen Pinakoid, die Anwesen-
heit von Oligoklas erwiesen.
In den Schliffen dieser Orientirung kommen,
wie mitgetheilt, bisweilen Lamellen vor, die un-
ter einem Winkel von 10*' und darüber auslö-
schen. Ob dieselben Mikroklin sind , wie man
vermutheu könnte, soll am Schlüsse gezeigt
werden. Jedenfalls erweist sich die Hauptmasse
des Feldspaths in Schliffen nach P als Oligoklas.
In den Schliffen nach dem 'seitlichen Piua-
koid läßt sich, da Oligoklas und Mikroklin hier
annähernd gleiche Schiefe der Auslöschung ha-
ben, bezüglich des Auftretens dieser beiden Feld-
spathe nichts Sicheres aussagen; ausgeschlossen
sind aber Albit und Labradorit.
In Schliffen, senkrecht zu M und ungefähr
senkrecht zu P weisen die Hauptauslöschungs-
richtungen des Lichts auf Oligoklas, Albit oder
Mikroklin hin, der Labradorit ist hier ausge-
schlossen, überdies auch durch die Untersuchung
456
des Axenbildes, der Dispersion und des Charak-
ters der ersten Mittellinie der Albit, sodaß nur
Oligoklas und Mikroklin in Frage kommen.
Sämmtliche Schliffe erweisen endlich das Fehlen
des Anorthits.
Somit bleibt für die Hauptmasse des Feld-
spaths nur Oligoklas übrig, vorbehaltlich der
Deutung der Lamellen , die man als Mikroklin
ansehen könnte.
Um dies Resultat auch durch die chemische
Analyse zu prüfen, ersuchte ich Herrn Dr. Jan-
nasch , ersten Assistenten am Wöhler - Hübner'-
schen Laboratorium um die Ausführung einer
sorgfältigen Analyse. Zu derselben wurden zwei
Proben des Feldspaths vom Hohen Hagen ver-
wendet, von denen die eine nur sehr klein war
und darthun sollte, ob der betreifende Krystall,
von dem sie genommen , in der Hauptsache
gleiche Zusammensetzung mit den anderen habe,
die etwas eisenschüssig waren, aber in reichli-
cherer Menge zu Gebote standen.
Die annähernd gleiche Constitution beider
Proben, hat sich bei der Analyse herausgestellt
und die Probe, von dem reichlicheren Material
genommen ,
ergab :
SiO» = 64,337o
APO' = 21,97
Fe^O^ = 0,45
CaO = 2,07
MgO = 0,13
Ka^O = 4,95
Na^O = 6,99
100,89.
Rechnet man die 0,457o Fe^O' als nachträg-
lich eingedrungen ab, was durch den mikrosko-
pischen Befund völlig bestätigt wird, so enthält
der Feldspath iu 100 Theilen;
457
Ox.
SiO^
= 64,05
34,16
10,45
APO^
= 21,87
10,23
3,13
CaO
= 2,06
0,59
MgO
= 0,13
0,05
1
Ka^O
= 4,93
0,84
l
Na^O
= 6,96
1,80
100
Berechnet man ans den gefundenen Mengen
von CaO (MgO), Ka^O und Na^O die entspre-
chenden Feldspathconstitutioneu, so ergiebt sich:
Kalkfeldspath = 11,10%
Kalifeldspath = 29,19,,
Natron feldspath = 58,89,,
Es liefert die Analyse zu wenig : 0,05o/» SiO^
zu viel: 0,87 „AP03.
Die optische Untersuchung fordert wesentlich
Oligoklas. Ist nur dieser Feldspath vorhanden,
so gibt die Berechnung seine Zusammensetzung,
welche sich zwischen den einfachen Verhältnis-
sen der drei Feldspathe 1 : 2V2 : 5 und 1:3:6
bewegt, ohne einem derselben indessen völlig zu
entsprechen. Kann neben Oligoklas noch Mi-
kroklin angeuommen werden , so ist eine Be-
rechnung der Zusammensetzung dieser beiden
Feldspathe nicht thunlich, da man nicht sagen
kann, ob der Oligoklas reiner Kalknatronfeld-
spath sei und keinen Kalifeldspath isomorph
beigemischt enthalte, andererseits kann auch
nicht bewiesen werden, daß der auftretende Mi-
kroklin aus reinem Kalifeldspath bestehe.
— Was schließlich das Auftreten der Kry-
stalle des Feldspaths vom Hohen Hagen anlangt,
so habe ich der Hansmann'schen Beschreibung
derselben nur das hinzuzufügen, daß man in den
458
Schliffen nach P an den unregelmäßig begrenzten
Berührungsstellen der Krystalle mit dem Gestein
eine eigenthümliche V2 — 1 Mm. breite Zone ge-
wahrt, die bei mikroskopischer Betrachtung zwi-
schen den anderen Gesteinspartikeln reichlich
Feldspathsubstanz enthält, als ob diese am Rande
der Krystalle sich aufgelöst und mit dem Gestein
gemengt hätte.
Als ich die Resultate dieser Untersuchungen
mit anderen bekannten verglich, fielen mir na-
mentlich H. Dr. Förstner's Natronorthoklase von
Mte. Gibele (Zeitschr. f. Kryst. 1877. B. I
p. 547 u. f.) auf, als in ihren Eigenschaften mit
den Krystallen des Hohen Hagen manche Aehn-
lichkeiten darbietend.
Da die Constatirung des Oligoklas hier eine
so schwierige war und namentlich in Schliffen
nach der Basis und nach dem seitlichen Pinakoid,
wegen möglicher Verwechselungen mit anderen
Feldspathen , keine absolute Sicherheit zu er-
langen ist, so prüfte ich die Angaben des H. Dr.
Förstner kritisch und kam zu folgendem Re-
sultat: •
1. Die Analyse der Krystalle läßt sich, wie
H. Dr. F. es gethan hat, deuten ; es kann indessen
die Deutung auch in anderer Weise erfolgen.
2. Die goniometrische Untersuchung des be-
treffenden Feldspaths läßt eine dem Albit nahe
stehende Form hervortreten.
3. Die Schliffe nach der Basis sind nur dann
entscheidend für die Annahme, der Feldspath
bestehe aus Natronorthoklas und Labrador, zu
verwerthen , wenn sie genau senkrecht auf dem
seitlichen Pinakoid stehen.
4. Der Schliff parallel 31 soll die Abweichung
der Hauptschwingungsrichtung von der Kante
P:M für den orthoklastischeu Theil des Feld-
459
Späths ergeben ; es ist aber nicht nur nicht nach-
gewiesen, daß die Substanz wirklich orthoklasti-
scherFeldspath war, sondern es haben Oligoklaa
und Mikroklin auch dem Orthoklas sehr naheste-
hende Auslöschungsschiefen.
5. Der charakteristische Schliff zur Unter-
scheidung raonoklinen und triklinou Feldspaths,
uämlich senkrecht zu M und auch senkrecht zu
P ist nicht gemacht worden.
Danach ersachte ich Herrn Dr. Förstner mir
einiges Material zum Vergleich zu senden und
erhielt mit größter Bereitwilligkeit mehrere Kry-
stalle, wofür ich hiermit nochmals meinen besten
Dank sage.
An diesen Krystallen konnte ich zunächst
alle von H. Dr. Förstner angegebenen optischen
Beobachtungen bestätigen, aber mich nicht der
von genannten Herrn gegebenen Deutung der-
selben anschließen. Die von mir erhaltenen Re-
sultate sind die folgenden:
In einem Schliffe nach dem seitlichen Pina-
koid M beobachtet mau Auslöschungsschiefen
mit der Kante P: M, die au vier verschiedenen
Stellen die Werthe:
7V4^ 6°, 5V4° und 6»
hatten. Dr. F. gibt den Werth von e*/:" an.
Auf Grund dieser Beobachtungen kann man nicht
wissen, ob Orthoklas, Mikroklin oder Oligoklas
vorliegt, dagegen sind Albit, Anorthit und La-
brador ausgeschlossen.
In Schliffen, annähernd unter 90° zu P und
genau unter 90° zu M geschliffen , erkennt man
dagegen die völlige Abwesenheit von monoklinem
Feldspath. Zahlreiche Zwillingslamellen durch-
setzen das Mineral , ja stellenweise besteht es
nur aus solchen. Diese Lamellen sind nach dem
Gesetze »Zwillingsaxe senkrecht auf ü/«, dem
460
gewöhnlichen der triklinen Feldspathe , eingela-
gert und gebildet; sie werden öfters noch von
anderen, nahezu rechtwinkelig zu ihrer Haupt-
erstreckung liegenden, durchsetzt, die annähernd
nach der Basis (Zwillingsaxe die Makrbdiagonale)
eingeschaltet sind. Beide Laniellensysteme be-
wirken eine deutliche gitterförmige Stractur.
Einige dickere Schliffe erlaubten zunächst
au den sehr sparsam vertheilten hellen Stellen
den Axenanstritt zu erkennen (Undeutliche Axen-
bilder gibt der ganze Schliff, aber solche die
Färbung der Axenpuukte zeigen, trifft man selten
an). Es fand sich:
2 H^^ = 60" 0' für weißes Licht. Dispersion
der Axen ^ >• v. Dispersion der Mittellinien
sehr wahrscheinlich horizontal ^) , doch wegen
nicht völliger Durchsichtigkeit nicht in aller
Strenge zu constatiren. Charakter der ersten
Mittellinien sehr deutlich und unverkennbar ne-
gativ. Von diesen Daten spricht namentlich der
Charakter der ersten Mittellinien und ihre Lage
gegen Labrador und Albit und für Oligoklas oder
Mikroklin.
In Dünnschliffen nach derselben Richtung
war von monoklinem Feldspath nichts zu er-
kennen. Die Stellen, in denen sich die Zwil-
lingslamellen in einander keilen, zeigten mit dem
empfindlichen Ton der Quarzplatte geprüft, deut-
lichst ihre von der Zwillingsgrenze abweichende
Orientirung. Wurden größere einheitliche Stellen
oder breitere Lamellen in Zwillingsstellung ge-
prüft, so gaben sich Abweichungen von der
Trace der nach M gehenden Spaltung im er-
steren Falle zu 15" zu erkennen, im letzteren
1) Jedenfalls nicht deutlich geneigt , sondern sehr
wahrscheinlich horizontal, weniger wahrscheinlich gekreuzt.
461
betrug die Abweichung nach der einen Seite 15^
nach der anderen 15", auch kamen Werthe von
IS** und 16" in anderen Schliffen vor. Diese
Werthe sprechen für Oligoklas, sind für Mikro-
klin, der etwa noch in Fratre kommen könnte,
schon etwas groß und würden, wäre nicht die
Beobachtungen am Axenbild widersprechend,
auch für Albit gelten können. Während sie
also ganz wesentlich mit den Beobachtungen am
Oligoklas stimmen, kommen Labradorit und mo-
nokliner Feldspath durch sie gar nicht in Be-
tracht.
Es war mir nun darum zu thun. auch die
Dünnschliffe der eben erwähnten Lage auf den
Austritt der optischen Axen zu prüfen und ganz
besonders, neben der Hauptmasse des Schliffs,
die größeren, zu beiden Seiten gleich und unter
15" auslöschenden Lamellen, deren ich soeben
gedachte.
Wenn man zu diesem Zwecke das Mikroskop
mit Polarisationsvorrichtung verwendet ') und
das Hartnack'sche System 7, sowie das Ocular 3
gebraucht, so sieht man bei gekreuzten Nicol
und passender Erhebung des Auges oder, nach-
dem zwischen Analysator und wieder dem Ocular
genähertes Auge eine achromatische Loupe gefögt
ist, deutlich die beiden Barren der optischen Axen
und ihre sie umgebenden Corven zum Beweis,
daß auch diese Plättchen annähernd senkrecht
1) Diese Methode hat inzwischen völlig unabhängig
A. von Lasaulx im N. Jahrb. f. Min. 1678 p. 377 n. f.
in etvas abgeänderter Weise beschrieben. In derselben
Weise beschrieben, aber wieder völlig unaV)hängig, findet
man sie von Bertrand dargelegt, cf. BalletiD de la societe
mineralogiqne de France 1878 p. 22 u. f. — Ich wende
sie schon seit einiger Zeit mit Erfolg an und beschreibe
sie in der Vorlesung.
462
zu ersten Mittellinie der optischen Axen sind.
Entfernt man die Loupe und senkt das Auge bis
zu der Lage, die es bei mikroskopischer Beo-
bachtung einnimmt, so kann man alsbald wieder
die Plättchen und die Schiefe ihrer Auslöschung
gegen die Zwillingsgrenze bestimmen.
Untersucht man endlich Schliffe nach P, so
findet man, wenn dieselben nicht normal auf M
sind, auf den einen Lamellen Abweichungen, die
über 4" bis zu 6° und darüber gehen, während
die anderen fast orientirt erscheinen. Dies ent-
spricht Herrn Dr. Förstner's Beobachtungen.
Sind aber die Schliffe senkrecht auf M, so
beobachtet man gleichmäßige Auslöschungen zu
beiden Seiten der Zwillingsgrenze und kann bei
näherer Betrachtung drei Fälle unterscheiden:
1. Lamellen mit höchst feiner, in einander
gekeilter Zusammensetzung, die auch im ge-
wöhnlichen polarisirten Licht fast orientirt er-
scheinen, deren Nichtorientirung in Bezug auf
die Zwillingsgrenze man qualitativ zwar noch
mit Hülfe des empfindlichen Tons der Quarz-
platte bestimmen, aber nicht mehr quantitativ
genau feststellen kann.
2. Lamellen, die auf beiden Seiten der Zwil-
lingsgrenzen Abweichungen zeigen, welche von
2V2*^ — 4*^ schwanken (wohl in Folge der nicht
breiten Lamellen und der dadurch erzeugten Un-
sicherheit in der Messung), Diese Lamellen sind
die häufigeren und gehen oft ganz allmälig in
die ersteren über, weßhalb ich diese jenen zu-
rechne. Mit Rücksicht auf die vorhergegangenen
Untersuchungen können sie nur dem Oligoklas
znge hören.
3. Scharf davon geschieden finden sich iu
denselben Schliffen Partien, in denen die Lamellen
unter je 10**, manchmal, aber seltener, auch
463
unter je 14^ — 15° gegen die Zwillingsgrenze aus-
löschen.
Nachdem, was schon in Schliffen gleicher
Lage des Feldspaths vom Hohen Hagen beob-
achtet wurde und was hier in größerer Menge
wieder auftritt, sollte man an Mikrokliu denken
und in der That liegt dieser Gedanke sehr nahe.
Aber eine sorgfältige Prüfung läßt ihn als ver-
werflich erscheinen und weist die so orieutirten
Lamellen ebenfalls dem Oligoklas zu. Prüft
man nämlich die breiteren dieser unter größerer
Schiefe auslöschenden Lamellen auf Axenaustritt,
so sieht man im Polarisationsmikroskop eben-
falls, wenngleich gegen den Rand des Gesichts-
felds hin geneigt, die optischen Axen austreten *).
Sonach kann der Schliff dieser Lamellen , trotz
der ähnlichen Auslöschungsschiefe nicht der Ba-
sis des Mikroklin entsprechen. Vielmehr zeigt
es sich , daß hier Oligoklas in Zwillingsbildung
nach dem Gesetz: »Zwillingsaxe die Verticale,
Zusammensetzuugsfläche M«i vorliegt, bei welcher
Zwillingsbilduug P des einen Individuums neben
X des anderen zu liegen kommt. Wird ein
Schnitt nach der Basis des einen Stücks herge-
stellt, so wird der andere in Zwillingsstellung
dazu stehende Krystall ungefähr nach seiner
Fläche X angeschnitten , die au der Hinterseite
des einfachen Krystalls fast gerade so gegen die
Verticalaxe neigt, wie P auf der Vorderseite
gegen dieselbe Axe geneigt ist, also unter etwa
64". Somit würde der Schnitt nach dieser Fläche
zur Basis desselben Krystalls unter etwa 128°
stehen und deßbalb um etwa 30° von einem
Schliffe abweichen, der auf der ersten Mittel-
1) Eine Untersuchung des Charakters der ersten
Mittellinie ergab denselben als negativ.
464
linie clfer opt. Axeii senkrecht ist. Daß man in
einem Solchen Schliffe noch Axenaustritt beob-
achten kann, beweist am besten der Sanidiu,
bei dem man nach der Fläche Z;, die zur ersten
Mittellinie nicht unter 90°, son'dern unter etwa
IIP geneigt ist, noch deutlich das Axenbild
•sieht. Jedenfalls leuchtet ein, daß man bei dem
wirklichen Mikroklin , bei dem die erste Mittel-
linie der optischen Axen noch fast in die Basis
fällt, nach dieser Fläche keinen Axenaustritt be-
obachten kann.
Die in Rede stehenden Zwilliugslamelleu
sind also ebenfalls nicht anderes als Oligoklas;
ein Gleiches gilt von den im Feldspath des Hohen
Hagen unter denselben Umständen gefundenen
Lamellen und von den beobachteten Auslöschungs-
werthen ihrer Individuen gegen die Zwillings-
grenze müssen wohl die mit etwa 10° als die
richtigeren betrachtet werden, die anderen dürften
von gestörten Lagen der Individuen zu einander
herrühren.
Man' sieht hieraus wiederum , mit welcher
Vorsicht man bei dergleichen Untersuchungen
verfahren muß und wie leicht man Täuschunseu
auheim fallen kann. Sollte nicht mancher als
Mikroklin bestimmte Feldspath bei einer genauen
Untersuchung sich als derartig verzwillingter
Oligoklas erweisen??
Die Schliffe nach der Basis lassen endlich
noch Glaseinlagernngen und langgestreckte dop-
peltbrechendc Krystallnadeln erkennen. Mit der
Lonpe betrachtet, zeigen die Schliffe, in denen
die unter größeren Winkeln gegen die Zwillings-
grenze auslöschenden Lamellen liegen, schillernde
Stellen , wie sie sonst bei beiden Feldspathen
beobachtet werden , wenn Schnitte nach dem
465
vorderen Pinakoid vorliegen, ein nener Beweis
für die Zwillingseinlagerungen.
Berüeksichtigt man endlieh die Analyse des
Feldspaths von Mte Gibele, so liefert dieselbe
unter Abzug der 3, 27 % Fe^O^ welche mi-
kroskopisch nachweisbar als fremde Substanz
zu bezeichnen sind, auf 100 berechnet:
SiO^ = 65,55
34,94
10,40
APO» = 21,00
9,82
2,92
CaO = 2,85
0,81 1
MgO = 0,31
0,12
1
Ka^O = 2,62
0,45
j.
Na^O = 7,67
1,98 )
100
Berechnet man wieder die Antheile von rei-
nem CaO (MgO), Ka^O und Na*0 Feldspath,
so erhält man:
Kalkfeldspath 16,22 %
Kalifeld spatli 15,51 »
Natronfeldspath 64,89 >
96,62 >
und es liefert die Analyse zu wenig: 0^7 7o Al'O'
» » » i> > viel: 3,95% SiO^
Letzterer TJeberschuß ist wohl auf Rechnung
der mikroskopisch nachgewiesenen Glaseinschlüsse
zu setzen cf. Zeitschr. f. Kryst. pag. 556.
Das Material für einen dem Albit naheste-
henden, sauren Oligoklas ist, ähnlich wie bei
dem Feldspath vom Hohen Hagen auch hier vor-
handen und wahrscheinlich ist er eine isomorphe
Mischung der drei genannten Normalzusammen-
setzuugen im Yerhältniß von 1:1:4, welchen
"Werthen, die obenstehenden Zahlen sich nähern.
Jedenfalls kann aber auf Grund dieser Unter-
suchungen die Behauptung ausgesprochen werden,
38
466
daß sowohl der Feldspath vom Hohen Hagen,
als auch der von Mte. Gibele aus der Reihe der
orthoklastischen Feldspathe ausscheiden müssen
und fortan als Oligoklase anzusehen sind.
Sätze aus der Functionentheorie.
Von
J. Thomae.
In seinen so interessanten »Beiträgen zur
Mannigfaltigkeitslehre« im 84ten Baude des
Crelle'schen Journals zeigt Herr G. Cautor, wie
man eine stetige lineare Mannigfaltigkeit von
n Dimensionen und eine stetige Mannigfaltigkeit
von m Dimensionen einander eindeutig zuordnen
kann, wenn der Correspoudenz die Bedingung
nicht auferlegt wird, eine stetige zu sein.
Der Beweis des umgekehrten für m = 1,
n >• 1 evidenten Satzes, daß man zwei solche
Mannigfaltigkeiten einander in stetiger Corre-
spoudenz nicht eindeutig zuordnen kann, soll
nach Bemerkungen der Herrn Cautor und Lüroth
auf Schwierigkeiten stoßen. Letzterer hat für
den Fall m = 2 in den Sitzungsberichten der
phys. -medic. Societät zu Erlangen vom 8. Juli
1878 einen Beweis geliefert. Mir scheint, daß
der Beweis des allgemeinen Satzes leicht zu
führen sei, wenn man eine Voraussetzung aus
den analysis situs macht, deren allgemeiner Gil-
tigkeit keine erheblichen Bedenken entgegen
stehen dürften. Ich meine den Satz,
I. Eine zusammenhängende continuirliche
Mannigfaltigkeit M^ von n Dimensionen kann
durch eine oder mehrere Mannigfaltigkeiten von
407
w— 2 oder weniger Dimensionen (JJf^, J/'^,Jtf"^«,..;
V, v', v", . . < n — 2) nicht in getrennte Stücke
zerlegt werden.
Dabei muß allerdings vorausgesetzt werden,
daß nicht die Anzahl der Mannigfaltigkeiten
M , 3f' ,, M" „1 • . in jedem noch so kleineu
Stücke einer continuirlichen Mannigfaltigkeit von
n — 1 Dimensionen abzählbar unendlich groß
sei. Dieser Fall kommt jedoch hier, wie wir
sogleich sehen werden, nicht in Betracht.
Bekanntlich (vergl. meine Einleitung in die
Theorie der bestimmten Integrale §. 46 und
§. 48 Seite 32.)
II. Nimmt eine stetige Function Xy von
!/ii ^2' • • 2/ ^° einem endlichen Gebiete den
coutinuirlich Veränderlichen yi^ Vi, • - y„ ihre
obere und untere Grenze mindestens je einmal
wirklich au.
Solche Puncte seien A und B das Maximum
a, das Minimum h.
III. Verbindet man diese Puncte Ä und B
im w-dimensionalen Räume durch Curven, so
nimmt x^ jeden Mittel werth c zwischen a und b
mindestens einmal auf jeder dersel\3en an.
Der Werth c wird also in M„ unendlich oft
n
erhalten. Ich behaupte nun
IV. Die Puncte, für welche x^ einen festen
Mittelwerth c annimmt, erfüllen an mindestens
einer Stelle ein continuirliches Gebiet von n— 1
Dimensionen {31^ _ j) stetig.
Denn erfüllten dieselben nur Gebiete von
n — 2 oder weniger Dimensionen M^, M'^,, M"^„, . .,
so könnten dieselben nach I. M nicht zerstü-
n
ekeln, d. h. man könnte Ä mit B durch eine
468
Curve verbinden, auf welcher x^ jenen Miitel-
werth c nicht annähme, was gegen III ist.
Die Mannigfaltigkeiten J/,, M'^„ M"^,,, . •
können aber auch nicht eine Mannigfaltigkeit
M . von n — 1 Dimensionen überall nur ab-
n — 1
zählbar unendlich dicht besetzen. Denn wegen
der vorausgesetzten Stetigkeit müßte dann x^
denselben Werth in allen Puncten von 3I^^__^
annehmen (vergl. meine Einleitung in die Theorie
der bestimmten Integrale §. 7 Seite 6.) Wir
haben also den Satz.
V. Eine stetige Function x^ einer conti-
nuirlichen Mannigfaltigkeit von n Dimensionen
nimmt mindestens einen Werth längs einer con-
tinuirlichen Mannigfaltigkeit von mindestens
n — 1 Dimensionen wirklich an.
Ebenso nimmt eine stetige Function x^ in
M^ _ j längs einer continuirlichen Mannigfaltig-
keit M^_2 von mindestens n — 2 Dimensionen
einen gewissen Werth an. So folgt successive
der Satz,
VI. Die m stetigen Functionen x.^, x^^ . . x^^
von Vii y^, ' ' y^\ tn <C n nehmen in einem
continuirlichen Gebiete von y^ y^ ' • Vn ™"i<i6~
stens ein Werthsystem x^ x^ . • x^^ mindestens
in einem continuirlichen Gebiete von n — m Di-
mensionen wirklich an.
Diesem Werthsystem der x entsprechen also
unendlich viele Werthsysteme der ?/, womit die
vorangestellte Behauptung erwiesen ist.
Freiburg im Juli 1878.
469
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften.
(Fortsetzung.)
1 *). Kasanisch-Tatarifiche Sprachstudien gesammelt
und herausgegeben von Gabriel Baliut von Szentkatolna
Heft I: Kaz.-Tatar. Texte Budapest 1875.
» II: > » Wörterbuch > 1876.
» III: » » Grammatik » 1877.
2. Joseph Budenz, Magvarisch - ügrisches verglei-
chendes Wörterbuch. Heft IIL Pest 1877.
3. Andreas György, Die Berechtigung und Wirkung
der Differentialtarife. Budapest 1876.
4. August Helmar, Charakteristik des Bonfinins als
Historiker. Budapest 1876.
5. Alexius Jakab, Ueber Archive mit Rücksicht auf
den Stand des Ungarischen Staatsarchivs. Pcst 1877.
6. Kalkbrenuer, Icones selectae. Fol. 1377.
7. Ferdinand Enauz , Die Chronologie auf unsere
vaterländische Geschichte angewandt. Budapest 1877.
8. Anton Koch, Geologische Beschreibung des auf
dem rechten Donauufer befindlichen Theiles der Donau-
trachytgruppe. [Mit 1 geol. Karte 6 Steindrucken imd
37 Holzschnitten.] Pest 1877.
9. Sammlung alt-ungar. Dichter. Band I: Ueber-
reste der mittelalterlichen Dichter. Budapest 1877.
10. Sprachdenkmäler aus alten Ungarische» Hand-
schriften und Drucken. Band IV. V. Pest 1876.
11. Franc. II. Rakoczi Coufessiones et asperationes
principis Christiani. Pest 1876.
12. Jakob Rupp, Topographische Geschichte Ungarns
mit Hauptrücksicht auf seine kirchliche Eintheilung. Bd.
III. Pest 1876.
13. Uugaiisches wissenschaftliches Repertorium der
in- und ausländischen Zeitschriften, von Joseph Szinnyei.
Abtheilg. II. Naturwissenschaft und Mathematik. Band
I. Budapest 1876.
14. Berichte der Ungarischen Akademie der Wissen-
schaften. Jahrg. IX. Heft 13—17. 1875. X. 1—15.
1876. XI. 1—17. 1877. Pest.
*) No. 1 bis 31 in angarischer Sprache.
470
15. Mathemat. u. naturwissenschaftliche Mittheilun-
gen. Band XI— XIII. Budapest 1873—75.
16. Archaeologischer Berichterstatter. Redigirt von
Emmerich Henszlmann u. Theodor Ortvay. Bd. IX— XI.
Pest 1875—77.
17. Forschungen aus dem Gebiete der Mathematik.
Bd. IV. Hft. 4-9, V. 1— 10, VI. 1.2. Pest 1876. 77.
18. Forschungen aus dem Gebiete der philolog. u.
schönen Wissenschaften. Bd, V. Hft. 1-10. VI. 1-10.
VII. 1. 2. Pest 1875-77.
19. Forschungen aus dem Gebiete der philosophi-
schen Wissenschaften. Bd. II. Hft, 4. 5. Pest 1876.
77. 78.
20. Forsch, aus d. Geb. der Staatswissenschaften.
Bd. III. 7—9, IV. 1-9, Pest 1875— 7«.
21. Desgl. aus d. Geb. d. Naturwissenschaften. Bd.
VI. 7—12. VII. 1-6. Vni. 1-7. Pest 1876. 77.
22. Desgl. aus d. Geb. d. historischen Wiss. Bd,
V. 2-6, VI, 1—10. VII. 1-4. Pest 1875—78.
23. Jahrbuch der Ungar. Akad. der Wiss. Bd. XIV,
Theil 7. 8. XV. 1—5, XVI. 1, Pest. 4,
24. Archaeologische Mittheilungen. Bd. X. 1 — 3.
Bd. XI. 1. 2. Pest, 4,
25. Philologische Mittheilungen, Bd. XII. 2—3,
XIII, 1-3. XIV. 1. Pest 1875-77. 4.
26. Monumenta Hungariae archaeologica. Bd, II,
Theil 2.. Pest 1876, 4.
27. Monumenta Hungariae historica. Sectio I.
Scriptores, Vol. 14. 21. 28. 29, Sectio II, Diplomata-
ria. V5l, 25. Sectio III, Acta externa aetate domus
Anjon Bd. III. Sectio IV, Acta extera aetate regia Mat-
thiae Bd. 1—3, Pest 1875—77.
28. Archivum Rakoczianum Francisci Rakocz II.
Sectio I. Vol. V. Sect. II Vol. 3, Pest 1877,
29. Thesaurus historicus Ungaricus, Bd, XXII. XXIII.
XXIV. Pest 1877.
30. Monumenta comitialia regni Hungariae. Bd, III.
IV. V. Pest 1876—77.
81. Monumenta comitialia regni Transsylvaniae.
Bd. I -III. Pest 1876—77.
32, Literar. Bericht aus Ungarn herausg. v. Paul
Hunfalvy, Bd, I. 1877. Budapest 1877.
471
Mai 1878.
Verhandlangen der K. Leop.-Carol. Deutsch. Akad. der
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year 1677. P. 3 — 4.
Mitth. der deutsch. Gesellsch. für Natur- and Völkerkunde
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Observations meteorologiques de la Belgique.
Leopoldina. H. XIV. No. 7 — 8.
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W. Schlötel, Nachtrag zu seinem vorjährigen Circular.
Monthly Notices of the R. Astronomical Soc. Vol. 38. No. 6.
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phenomenes subjectifs de la vision, etc. Deuxi^me et
troizieme Section.
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Abhandl. des naturwiss. Vereins zu Bremen. Bd. 5. H.8 — 4.
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0. Hergt, die Valenztheorie in ihrer Entwickliyig und
jetzigen Form. 1678. 4.
The American Ephemeris and Nautical Almanac for 1880.
Wash. 1877.
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Vol. V. P. 1. Boston.
Proc. of the Amer. pharmaceut. Association at the 25.
Annual Meeting held in Toronto , Sept. 1877. Phila-
delphia. 1878.
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472
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Zeitschrift der deutsch. Morgenland. Gesellsch. Bd. 82.
H. 1.
Atti della R. Accad. dei Lincei. Vol. II. Fase. 5.
Vierteljahrsschrift der Astron. Gesellschaft. Jahrg. 13. H.l.
Carte geographique des vigitaux du Royaume de Norvege.
3ieme Ed. Christiania, 1878.
Festskrift til det K. ünivers. i üpsala Jubiläum 1877.
Ebd. 4.
H. Mohn, Jahrbuch des Norweg. meteorol. Instituts.
1874. 1875. Christ. 4.
Nyt Magazin for naturvidenskaberne. 23 Binds. 1 — 4.
H. 24 Bds. 1 - 2 H. Ebd.
Det K. Norske vidensk. Selskabs Skrifter. 8. Bind. 4 H.
Trondhjem. 1877.
Norges Flora. Trondhjem.
Beretning om Bodsfängstets virksomhed i aaret 1854 n.
1876. Christ,
Archiv for Mathematik og Naturvidenskab. Bd. I — II.
Ebd. 1876-77.
C. R. Unger, Heilagra Manna Sögur. II. Christ. 1877.
0. G.v. Lundh, Norske Rigs registrantes. Bd. VI. H. 2.
Bd. VII. Ilf. 1. Ebd. 1877.
L. Dietrich son, den Norske Träskjärerkunst. Christ.
1878.
A. N. Kiär, om Soddelbanker. Ebd. 1877.
J. C. Gamborg, Seddelbankers. Ebd. 1877.
E. Hertzberg, en kritisk, fremstilling af grundsätrin-
gerne for Seddelbankers Indretning og Virksomhed,
etc. Christ. 1877.
(Fortsetzung folgt).
473
iVaehnVhten
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
13. November. M 15. 1878.
Königliche Gesellschaft der Wisseuschaften.
Sitzung am 2. November.
Grisebach, Symbolae ad Floram argentinam. (Er-
scheint in den Abhandlangen.)
R i e c k e, Ueber das ponderomotorische Elementar-Gesetz
der Electrodynamik. (Erscheint in den Äbbandl).
Reinke, üeber eine Fortpöanzung des durch die Be-
fruchtung erzeugten Wachsthums-Reizeg auf vegetative
Glieder. (Vorgelegt von Grisebach).
Ueber eine Fortpflanzung des durch
die Befruchtung erzeugten Wachs-
thnms- Reizes anf vegetative Glieder.
Von
J. Reinke.
In einer kürzlich erschienenen Mittheilung ^)
hat Holle den fleischigen Theil der Bimen-
frucht dahin erklärt, daß derselbe als eine Wu-
cherung des unter den ßlattspuren der Kelch-
blätter befindlichen Rindenparenchyms der Blü-
thenaxe aufzufassen sei. Da nun die Birnen
1) Monströse Bimenfrüchte. Deatsche Garten- tmd
Obatbauzeitung. 1878. No. 7.
39
474
und Aepfel in der Regel längeren, nackten Stie-
len aufsitzen , so können wir auch sagen , daß
der oberste Theil des unter dem Kelche stehen-
den Internodiums sich zum fleischigen Theile
der Birnenfrucht entwickele.
Holle stützt diese Deutung auf Thatsachen
der Anatomie , der Entwicklungsgeschichte und
der Vergleichuug ; insbesondere waren es aber
die in der betrefiPenden Mittheilung beschriebe-
nen monströs gebildeten Früchte, welche ein
weiteres Moment für diese Auffassung in die
Wagschale legten.
Diese Früchte waren zu Stande gekommen
durch eine abnorme Verlängerung der zwischen
Kelch- und Kronblättern, sowie zwischen diesen
und den Staubgefäßen befindlichen Internodien
der Blüthenaxe. Die Kelchblätter sitzen mit
verschmälerter Basis , aber ohne eigentlichen
Stiel nicht auf, sondern seitlich an der Frucht,
sie sind dabei kleineren Laubblättern ähnlich
geworden. Die monströsen Früchte unterscheiden
sich von normalen hauptsächlich dadurch , daß
der fleischige Theil sich nicht blos aus dem un-
terhalb des Kelches stehenden luternodium,
sondern aus den sämmtlichen gestreckten Inter-
nodien der Blüthe entwickelt hatte. —
Die von Holle vertretene Auffassung der
Pomaceen - Frucht wird auch unterstützt durch
das Verhalten der normalen Quitte').
Bei der Quitte sind die Kelchblätter mit
kubblattartiger Spreite ausgestattet und mit
Terschmälerter Basis inserirt. Schon die Sec-
tion der reifen Frucht läßt hier die Deutung
des fleischigen Theils als Anschwellung des unter
1) Die Beobachtungen wurden angestellt an der unter
dem Namen Apfelquitto bekannten Spielart.
475
dem Kelchwiftel gelegenen Internodiums als die
natürlichste erscheinen.
Es gelangt nun am Quittenstranche noch
eine Thatsache zur Beobachtung , welche auch
für diese Deutung spricht, eine Thatsache, die
allen aufmerksamen Obstzüchtern sicherlich be-
kannt , meines Wissens doch noch keine wis-
senschaftliche Verwerthung gefunden hat.
Die Qnittenblüthe steht terminal auf kurzen,
in der Regel fünf ausgebildete Laubblätter tra-
genden Seitensprosseu ; auf diese schraubig nach
Vs geordneten Blätter, deren oberstes Interno-
dium den unteren gegenüber beträchtlich ver-
kürzt erscheint , setzt die Blüthe unmittelbar
mit dem Kelchwirtel ein , ohne daß ein Blü-
thenstiel dazwischen eingeschaltet wäre.
Wenn man nun im Herbste fertile Sprosse,
welche Früchte gezeitigt haben, mit solcher eben-
falls fertilen Sprossen vergleicht, deren Blüthen
aber, ohne Früchte anzusetzen, im Frühjahr ab-*
gefallen waren , so fällt der bemerkenswerthe
Unterschied ins Auge, daß die fruchtbaren Sprosse
um Vieles dicker sind, als die correspondirenden
und oft derselben relativen Hauptaxe entsprin-
genden unfruchtbaren Sprosse, welche ihre Blü-
then nach mißlungener Befruchtung abgeworfen
hatten; der Kürze des Ausdrucks wegen wollen
wir die beiderlei Sprosse als befruchtete und
unbefruchtete unterscheiden.
In der Länge stimmen beide Sprosse über-
ein, dieselbe beträgt 3 bis 5 Centimeter; Län-
genwachsthum ist in dem laufenden Jahre auch
an den unbefruchteten Sprossen , welche durch
Blüthenbilduug begrenzt waren, nicht eingetreten.
Die Dicke der unbefruchteten Sprosse
ist eine fast gleichmäßige, nur unter den Blatt-
Insertionen finden sich geringe Anschwellungen.
39*
476
Es wurde der Durchmesser von 6 Individuen an
je drei verschiedenen Stellen bestimmt — war
der Querschnitt unregelmäßig, ward das Mittel
aus dem größten und kleinsten Durchmesser ge-
nommen — und ergaben diese Werthe in Milli-
metern
Unbefruchteter
Sproß
Unten
Mitte
Oben
I
1,5
1,5
1,4
II
2,2
2,5
2,5
III
2,5
2,2
2,0
IV
2,2
2,0
1,7
V
2,5
2,0
2,5
VI
1,8
1,8
1,8.
Aus der Messung dieser 6 Sprosse ergeben
sich folgende Durchschuittswerthe der Dicke für
den unbefruchteten Sproß:
Unten Mitte Oben
2,1 2,0 2,0
Diese Dimension vertheilte sich auf die einzelnen
Gewebe in folgender Weise
Durchmesser der Rinde 0,6
Durchmesser des Holzkörpers 0,8
Durchmesser des Markes 0,6
Die befruchteten Sprosse dagegen zeigen
nach oberwärts eine nicht unbeträchtliche Zu-
nahme der Dicke, abgesehen davon, daß sie an
sich ja dicker sind, als die unbefruchteten. Das
zwischen den beiden obersten La üb blättern ge-
legene , kurze luternodium zeigt dabei meistens
eine tonnenförmige Anschwellung ; auch im
zweitobersteu Internodium kann eine solche
tonnenförmige Verdickung des oberen Stückes
vorkommen, die übrigen Stücke sind cylindrisch.
Bei den auf nachstehender Tabelle verzeich-
neten Messungen ward die Dicke der Mitte des
untersten , mittleren und obersten Interuodiums
477
bestimmt; im obersten Intemodium also die
dickste Stelle der tonnenförmigen Anschwellung,
in den beiden andern der cylindrische Theil.
Befrachteter Sproß Unten Mitte Oben
I
4,5
5,0
7,5
n
5,0
5,5
8,0
m
5,5
6,5
6,5
IV
5,0
5,0
6,0
V
4,0
5,0
6,0
IV
4,5
5,0
6,2
Hieraus ergeben sich folgende Durchschnitts-
werthe in Millimetern für den befruchteten Sproß:
Unten Mitte Oben
4,7 5,3 6,7
Für die einzelnen Gewebe betrug der Durch-
messer :
a) im cylindrischen Theil der Mitte eines
Sprosses.
Durchmesser der Rinde 1,3
Durchmesser des Holzkörpers 3,3
Durchmesser des Markes 1,0
b) In der Anschwellung des obersten Inter-
nodiums:
Durchmesser der Rinde 1,6
Durchmesser des Holzkörpers 2,2
Durchmesser des Markes 3,4
Demnach zeigt sich zwischen dem dünneren
unteren Theile des befruchteten und dem unbe-
fruchteten Sprosse die üebereinstimmung , daß
die Mächtigkeit des Holzkörpers größer ist als
die der Rinde und des Markes; dagegen zeigt
sich im angeschwollenen oberen Theile des be-
fruchteten Sprosses dem unteren Theile dessel-
ben Sprosses gegenüber eine excessive Wuche-
rung des Markes, eine geringe Verstärkung der
Rinde und eine Verringerung des Holzkörpers.
Die Stiele der am befruchteten Sprosse ste-
47Ö
henden Blätter zeigen nicht die geringste An-
schwellung oder Aenderung. —
Während der untere, cylindrisehe Theil eines
befruchteten Sprosses, dessen Holzkörper ja sehr
entwickelt ist, beim Durchschneiden dem Messer
einen entsprechenden Widerstand entgegensetzt,
wie ein unbefruchteter oder beliebiger vegetati-
ver Sproß, ist dagegen der obere, angeschwollene
Theil des befruchteten Sprosses viel weniger
fest, er durchschneidet sich leicht und fast weich
wie die Frucht selbst. Es beruht diese größere
Weichheit auf einer geringeren Verdickung der
Zell wände des Holzkörpers; auch die Markzellen
sind größer und lockerer an einander gefügt,
als im unteren Theile des Sprosses, so daß das
ganze Gewebe einen hypertrophen Character
gewinnt.
Die Laubblätter der Blüthen tragenden Sprosse
stehen, wie bereits hervorgehoben, schraubig nach
2/5 mit gestreckten Internodien. Das einzelne
Blatt ist dreispurig , das eine Gefäßbündel des
Blattstiels theilt sieh beim Eintritt in den Stamm
in drei Stränge, welche gesondert in der Rinde
des Internodiums nach abwärts laufen, um erst
dicht oberhalb des nächsten Knotens in den
centralen Holzcylinder sich einzufügen. Die den
oberhalb des höchsten Laubblattes vorhandenen
Holzcylinder zusammensetzenden Gefäßbündel
repräsentiren das Blattspur - System der Floral-
blätter.
Die braungeförbte Oberfläche des befruchteten
Sprosses wird von einer dünnen, durch zalreiche
Lenticellen durchbrochenen Korkschicht gebildet.
In dem noch stengelähnlichen Theile des Kelch-
Internodiums ist nur eine Epidermis mit stark
verdickter und gebräunter Cuticula vorhanden;
beim Uebergang derselben in die Oberhaut der
479
Frucht hört diese Bräunung auf, die sehr dicke
Cuticula wird glashell, so daß die Farbstoffkömer
hiudurchscheineu können. In dem oberen Theile
des Kelch-Interuodiums, den wir als Fruchtfleisch
bezeichnen , erweitert der Mark-Cylinder seinen
Durchmesser nur noch wenig; derselbe setzt sich
fort bis zur Insertionsstelle der Carpiden , d. h.
bis zum Kernhause, wo er verschwindet, um ei-
nem Hohlräume Platz zu machen; dagegen be-
ginnt nun plötzlich die Aufschwellnng der Rinde
und bildet das eigentliche Fruchtfleisch.
Zur Zeit der Fruchtreife ist der stengelähn-
liche Theil des Kelch-Internodiuma sehr fragil,
dort pflegt mau die Frucht abzubrechen. Un-
terhalb dieser fragilen Region wird, kurz bevor
die Frucht zeitig ist, das Mark von einer Kork-
platte durchsetzt , welche quer zur Axe steht
und in kappenförmiger Wölbung noch eine
Strecke auf der inneren Seite der Holzstränge
herabläuft. Holz, Cambium und Rinde bilden
vor dem Abbrechen keine solche Korkplatte
aus, erst nach der Verletzung kommt es hier
zur üeberwallnng. Die Korkplatte des Markes
steht etwa auf dem durch das oberste Laubblatt
gebildeten Knoten; der brüchige Theil der Blü-
thenaxe gehört zum Kelch - Internodium. Das
sonst sehr stärkereiche Mark enthält oberhalb
der Korkplatte keine Stärke.
Der befruchtete Sproß findet seine Fortset-
zung durch Äxelsprosse , welche sich entweder
gleichzeitig mit der Frucht entwickeln oder erst
im nächsten Jahre; derselbe wird dadurch wie
ein normales Glied in das System vegetativer
Sprosse des Strauches eingeschaltet. —
Suchen wir diese Beobachtungen zunächst
für die morphologische Deutung der Quitten-
frucht zu verwerthen , so kommt zur Geltung,
480
daß die Internodien der befruchteten Axe
eine erhebliche Verdickung gegenüber der nicht
befruchteten zeigen, während die basalen Theile
der^Laubblätter so wenig eine Anschwellung
verrathen, wie die der Kelchblätter. Die Inter-
nodien also zeigen ganz allgemein Tendenz zu
gesteigertem Dickenwachsthum in Folge der Be-
fruchtung, nicht aber die Blätter. Da nun der
fleischige Theil der Frucht unzweifelhaft dem
zwischen Kelch und erstem Laubblatt gelegenen
Sproßglied e angehört, so sprechen auch die an
der Quitte gemachten Wahrnehmungen für die
von Holle gegebene Erklärung der Pomaceen-
Frucht.
Allein die geschilderten Verhältnisse sind
geeignet, auch in physiologischer Hinsicht das
Interesse wach zu rufen.
In überaus zahlreichen Fällen sehen wir im
Pflanzenreiche durch die Befruchtung Wachs-
thums-Bewegungen zur Auslösung kommen, welche
sich mehr weniger weit über diejenige Sproß-
Region hinaus fortsetzen, die wir morphologisch
als Blüthe zu bezeichnen gewohnt sind : dadurch
entstehen jene manchfaltigen Scheinfrüchte, von
denen die Feige eine der merkwürdigsten ist.
Aber in allen diesen Fällen sind wir genöthigt,
die durch den singulären Wachsthums - Proceß
ergrifi'enen Internodien und Blätter physiologisch
mit zur Frucht zu rechnen , weil sie zur Unter-
stützung des von der Fruchtbildung angestrebten
Zieles sich entwickeln, demgemäß auch mit der
reifen Frucht abgeworfen werden. In der That
ist es ja physiologisch ganz gleichgültig , wenn
eine Fleischfrucht erzielt werden soll , ob das
Fruchtfleisch aus den Fruchtblättern , aus dem
Kelche, aus den Blüthenstiele oder den Deck-
blättern sich bildet.
481
Dagegen habe ich in der Literatur keine Er-
wähnung von Fällen finden können, wie der an
der Quitte beschriebene , wo die in der Frucht-
entwicklung hervorgerufene Wucherung des Ge-
webes sich auf Theile des die Blüthe tragenden
Sprosses fortsetzt, welche rein vegetative Func-
tionen versehen , mittelst ihrer ganz normalen
Laubblätter die Eruährungs - Arbeit der nicht
blühenden Aeste theilen und im Laufe der Ent-
wicklung , nach Abstoßung der Frucht , in die
Sproßverkettung des vegetativen Systems sich
einfügen.
Ob dies abnorme Dickenwachsthum der
fruchttragenden Sprosse der Quitte irgendwie
für die Fruchtentwicklung nützlich sei, ist eine
Frage, die, weil schwer zu entscheiden, wir hier
nicht weiter erörtern wollen. Begünstigt wird
die in Rede stehende Erscheinung sicher durch
den Umstand, daß die Frucht der Quitte nicht
mit der scharfen Gliederung eines Fruchtstiels
gegen den sie tragenden Ast sich absetzt , wie
bei der Birne, dem Apfel. Wenn wir bei diesen
letzteren beiden Früchten nicht selten fleischige
Anschwellungen des Fruchtstiels finden, so läßt
sich das nicht vergleichend hierherziehen , weil
die Stiele mit der Frucht abgeworfen werden.
Die Befruchtung gehört zu den Reizen, wel-
che specifische Wachsthumsbewegungen erzeugen.
Das Licht, die Schwerkraft, äußerer Druck oder
Verwundung wirken als äußere mechanische Reize
in dieser Richtung. Reize, welche durch chemische
Impfung eiuerheterogeuen Substanz eigeuthümliche
Wucherungen der Gewebe verursachen , liegen
uns vor in den durch den Stich von Arthropoden
hervorgerufeneu Gallenbildungen ^). An diese
1) Bereits von Röper ist die Gallenbildang mit dem
durch Befruchtang hervorgerufenen Wachsthum verglichen
482
Kategorie schließt sich der durch die Vereini-
gung männlicher befruchtender Substanz mit der
Eizelle gegebene Anstoß zu derjenigen Wachs-
thumsbewegung, welche in der Frucht- und Sa-
menbildung uns vorliegt. Daß hierbei der von
dem Ceutrum des Reizes angezogene intensive
Zufluß von Bildungsstoffen nicht der Frucht al-
lein zu Gute zu kommen braucht, sondern auch
zur stärkeren Ernährung und selbst Hypertro-
phie benachbarter vegetativer Glieder dienen
kann , wird durch das Beispiel der Quitte ge-
lehrt. Vermuthlich wird dies Beispiel bei wei-
terem Umblick kein isolirtes bleiben.
Ilniyersität.
Mittheilungen aus dem pharmacologischen
Institut der Universität Göttingen.
Beobachtungen zur Verwerthung der
Ligatur der großen Hirnarterien für
experimentell-pharmacologische
Untersuchungen.
Von
W. Marmö.
Die Unterbindung der vier großen Hirnarterien,
die Kuß maul und Ten n er mit so glänzenden
Resultaten für die exi3e4'imentelle Pathologie ver-
werthet haben, ist von S. Mayer auf die expe-
rimentelle Prüfung von Arzneimittelwirkungen
ausgedehnt worden ^), Während aber Mayer
worden. Vgl. die üebers. von D. C. 's Pflanzenphysiolo-
gie II. pagr. 143.
1) Archiv f. exp. Path. u. Pharm. V. Bd. S. 55.
483
besonders hervorhebt^) »die aus^ebige Verwer-
thunw der Methode werde leider dadurch beein-
trächtigt, daß dieselbe nur bei Kaninchen in
der (von ihm) geschilderten Weise anzuwenden
sei,« haben Luchsin ger*) und ich') unab-
hängig von einander dieselbe Methode auch an
Katzen mit Erfolg in Anwendung gebracht. Al-
lerdings sind uns beiden unter den letzteren
Versuchsthieren wiederholt Individuen begegnet,
die trotz der tadellosen Ligatur des Tr. brachio-
cephalicus und der A. subclavia sin., wie dies
bei Hunden nach den übereinstimmenden Beo-
bachtungen von A. C 00 per*), Panum^), Hei-
denhain ^) S. Mayer^) u. A. in der Regel der
Fall ist, ruhig fortathraeten und nicht in Con-
vulsionen verfielen. Da mir derartige unliebsame
Begegnungen in den letzten beiden Semestern
noch wiederholt aufgestoßen sind und das Re-
sultat des Experiments vereitelt haben, drängte
sich mir die Frage auf, ob S. Mayer mit seiner
exclusiven Ansicht nicht doch im Rechte sei.
Ich sah mich daher, um jeden Zweifel zu besei-
tigen, veranlaßt, bei allen im Institut gebrauchten
Katzen den Ursprung und A^erlauf der großen
Halsgefäße genauer zu verfolgen und durch In-
jectionen die Bahnen festzustellen , auf welchen
ausnahmsweise bei diesen Thieren trotz der Un-
terbindung der genannten Arterien dem Gehirn
1) Sitzgsb. d. kais. Akad. d. W. 73. Bd. S. 105.
2) Archiv für die gesamtnte Physiologie 1877 Bd. XV.
und 1878 Bd. XVI.
3) Diese Nachrichten No. 3. 1878.
4) Guy's Hosp. Rep. Vol. I p. 457—475. (1836).
5) Günsburgs Zeitschrift für kl. Medicin 1856. S.
401—409.'
6) Studien des physiol. Inst. z. Breslau IV H. 1868
S 87
7) S. Mayer Sitzgsb. d. k. Akad. Bd. 73. S. 105. 106.
484
sauerstoffhaltiges Blut zufließt. Im Anschluß
an diese Untersuchungen habe ich auch bei
Hunden die entsprechenden Wege aufgesucht,
da dieselben auch bei diesen Thieren bisher Nie-
mand bestimmt nachgewiesen hat. Zwar liegt
ein dahinzielender Befund von P an um I.e. vor,
auf den ich zurückkomme, derselbe hat aber nur
Gültigkeit für das von ihm allein gewählte Opera-
tionsverfahren. Er unterband bei einem Hunde,
abgesehen von beiden Carotid. com., die Aa. ve-
tebrales zwischen dem 2. und 3, Halswirbel,
während alle Anderen vor ihm und nach ihm
beide Vertebralarterien viel näher dem Herzen oder
statt dieser Gefäße die Aa. subclaviae ligirt haben.
Meine Untersuchungen, die sich auf etliche
dreißig Thiere erstrecken, ergeben als Resultat,
daß bei mehr weniger erwachsenen Katzen
die Blutzufuhr zum Gehirn nach der
Ligatur des Tr. brachioc. und der A.
subclavia sin. nur durch eine Anomalie
im Ursprung oder im Lumen der Sub-
claviaäste ermöglicht wird.
Die' Anomalien des Ursprungs, die
mir begegnet sind, betrafen stets die Aeste der
linken Subclavia. Eine derartige habe ich schon
früher erwähnt^); sie betraf die linke Wirbel-
arterie, welche aus dem Arcus Aortae zwischen
Tr. brachioc. u. A. subclavia sin. entsprang. In
einem anderen Falle zweigten sich von der Sub-
clavia sinistra zwischen Aorta und Vertebralis
sinistra zwei, in einem dritten Pralle nur eine
Arterie ab, welche mit der unterbundenen link-
seitigen Vertebralis nicht weit von deren Ur-
sprung communicirten.
Abnorme Stärke der Wirbelarterien sah
1) Diese Nachrichten 1878 v. 20. Febr.
485
ich bei zwei Thieren. Hier konute, wie nach-
trägliche Injectionen constatirten , das arterielle
Blut nach Unterbindung des Trane, und der A,
subcl. sin., ähnlich wie wir es später bei Hunden
sehen werden, durch Vermittelung anderer Aeste
der Subclavia und der Brustaorta genügend rasch
und in genügender Menge in die Wirbelart^rien
gelangen, um das Respirationscentrum in Action
zu erhalten. Bei allen anderen untersuchten,
großen Katzen zeigten sich die Yertebralarterieu
sehr eng und linkerseits gab die Subclavia von
ihrem Ursprung bis zum Abgang der Vertebralis
keine besondere Arterie ab.
Während die angeführten Anomalien durch
Injectionen von blauer Leimmasse klar zu Tage
traten, war es nicht möglich, durch dasselbe
Mittel endgültig den Beweis zu liefern, daß die
Ligatur der wiederholt genannten Gefäße die
Zufuhr von Blut von dem Hirn vollständig ab-
sperrt. Der Grund dafür liegt darin, daß es an
eiuem Anhaltspunct zur Bestimmung der Zeit
fehlt, wann die lujection abgebrochen werden
muß. Setzt man dieselbe länger fort, so füllen
sich schließlich sämmtliche mit unbewaflFuetem
Auge sichtbaren Gefäße des Hirns und Rücken-
marks und von der Peripherie aus selbst die
unterbundenen Arterien des Halses.
Die Injection geschah m folgender "Weise. Das Ster-
num der curarisirten oder eben getödteten Katze, wurde
bis zur dritten Rippe entfernt, der Tr. brachioc. und
die Subclavia sin. nahe ihrem Ursprung aus der Aorta
und diese selbst (natürlich am todten Thiece) vom Ab-
domen aus dicht über dem Diaphragma unterbunden.
Oberhalb der Ligatur wurde eine möglichst weite Gias-
kanüle eingelegt. Das so vorbereitete, auf einer Bleiplatte
befestigte Thier senkten wir in einen großen, mit 40*^ war-
mem Wasser gefüllten Harting'schen Injectionska&ten '),
1) Harting, das Mikroskop. Bd. 1. S. 119.
486
in dessen tieferem Theile schon vorher eine mit blauer
Leimmasse gefüllte Woulff'sche Flasche untergebracht
war. Von dieser letzteren führte je ein Gummischlauch
zu der Aortakanüle, zu einem Qaecksilbermanometer nnd
zu einem mit Luft gefüllten Gasometer, welcher wie bei
dem auf S. 244 No. 7 dieser Nachr. erwähnten Durch-
strömungsapparat, mit einem Hahn der städtischen Was-
serleitung in Verbindung stand. Die Injectionen wurden
stets bei ganz geringem Druck begonnen und derselbe
nur allmälig gesteigert, immer aber weit unter der Durch-
Bchuittshöhe des Blutdrucks gehalten , weil ein höherer
Druck schlechtere Füllung der kleinen Gefäße zur Folge
hat. Wurden die Injectionen länger als 15 Minuten und
höchstens Va Stunde fortgesetzt, so fanden wir 24 Stunden
später bei der Section *), alle oben genannten Gefäße und
außerdem die Intercostalarterien und Mammariae int. nebst
ihren Anastomosen, mit blauem Leim gefüllt. Dabei
waren die Conjunctivae ganz blaß geblieben und Mund-
schleimhaut und Zunge ließen kaum einen blauen Schimmer
erkennen.
Da wir im Gegensatz zn den Katzen bei den
größten Lapins , wenn die Ligaturen angelegt
waren, selbst bei Stunden lang fortgesetzter In-
jection nie eine ebenso vollständige Füllung der
Hirn- und Schädelget'äße erreichten , wurde der
Verdacht rege, es könnte vielleicht bei den durch
Curare gelähmten Katzen, während längerer
Dauer eines Experimentes art. Blut und mit
diesem ein Theil des zu prüfenden Arzneimittels
oder Giftes allmälig ins Gehirn geführt werden.
Um bei dieser Ungewißheit zu einer bestimmten
1) Bei der Section einer Katze fanden wir im Groß-
hirn und im Rückenmark je einen Blasenwurm, den Col-
lege Ehlers die Güte hatte zu bestimmen. Es war nicht,
•wie zu vermuthen stand, Cystic. fasciolaris, der in der
Hausmaus, oder C. longicollis, der in der Brusthöhle der
Felamaus schmarotzt sondern der gemeine C. cellulosoae,
dessen Vorkommen im Rückenmark der Katze weder bei
Diesing noch anderwärts angeführt ist. Krankheitser-
scheinungen hatten die Parasitsn bei Lebzeiten des Thieres
nicht veranlaßt.
487
Entscheidung zn kommen, versuchte ich normale
Katzen, bei denen entweder in der Chloroform-
narcose oder während möglichst schwacher Cu-
rarelähmuug die Gefäßatämme unterbunden worden
waren, durch Stunden lang unterhaltene Respi-
ration am Leben zu erhalten. Es stellten sich
aber bei den Versuchsthieren niemals spontane
ßespiratiousbewegungen ein und auch wenn die
Thiere iu einem geeigneten Wärmekasten bei
38° C. vor jeder nachtheiligen Abkühlung ge-
schützt blieben, gingen sie schließlich doch an
Herzlähmuug zu Grunde. — Um zu entscheiden
ob oder ob nicht Spuren eines in die Blutbahn
gespritzten Giftes trotz der Ligatur ins Gehirn
gelangen können, jnjicirte ich operirten Kaninchen
und Katzen während künstlich unterhaltener Re-
spiration eine wässerige Lösung von Thallium-
suUat in eine Schenkelvene und prüfte *j p. m.
das Gehirn auf seinen Gehalt an Thallium. Al-
lerdings fand ich niemals im Hirn solcher Thiere
Thallium. Da aber auch bei ganz intacten
Katzen der Nachweis des injicirt^n Metallsalzes
im Gehirn nicht iu allen Fällen gelang, durfte
ich auch diesen Beweis nicht gelten lassen und
kam deßhalb zu dem früher schou angegebenen *)
Mittel, ich infuudirte den operirten Thieren bei
Lebzeiten in eine Vene Natriumindigosulfat.
Durch dieses Verfahren fand ich denn bei allen nor-
malen^) ausgewachsenen Katzen die oben
ausgesprochene Annahme vollkommen bestätigt.
1) Nach der 1867 i. d. Nachr. No. 20 angegebenen
electrolytisch-spectroscopischen Methode.
2) Diese Nachrichten 1. c.
3) Es sind mir übrigens auch Gefäßanomalien begegnet
welche den Erfolg der Unterbindung mcht alteriren, wie
z. B. Ursprung der Subclavia sin. aas dem Tr. brachio-
cephalicQs.
488
Nicht so verhielten sich sehr junge Kätz-
chen. Experimentirt man an solchen, so trifft
man unter diesen nicht so selten Individuen, die
ohne jede nachweisbare Gefäßanomalie nach re-
gelrechter Unterbindung der großen Gefäßstämme
spontan fortathmen. Injicirt man p. m. die Ge-
fäße , so läßt sich keine ungewöhnliche Anosto-
mosenbildung mit Sicherheit constatiren. Da-
gegen zeigen sich die Aa. vertebrales und mam-
mariae int. sehr stark ausgedehnt und prall an-
gefüllt. Es liegt daher nahe, anzunehmen, daß
bei diesen jungen Thieren die Gefäße sich leichter
und stärker ausdehnen , als bei alten Thieren
und daß namentlich die Vertebrales sich inner-
halb ihrer noch nicht verknöcherten Umgebung
genügend rasch erweitern können , um dem Ge-
hirn trotz der Unterbindung , ähnlich wie bei
Hunden , so viel arterielles Blut zuzuführen,
wie zur Unterhaltung der Respiration noth-
wendig ist.
Bei erwachsenen Katzen stimmen auch die
Erscheinungen , welche man nach Absperrung
des Blutstromes vom Hirn beobachtet im We-
sentlichen mit denen überein, die bei Kaninchen
vorkommen.
Gleich nach der Absperrung sieht man
1. Veränderungen der Pupille wie sie Kuß-
maul unter gleichen Bedingungen bei Kanin-
chen beschrieben hat. 2. Stürmische Athembe-
wegungen von kurzer Dauer und heftige Con-
vulsioneu , wie sie der Straßburger Kliniker
gleichfalls bei Kaninchen anführt. 3. Auffallend
starkes Lungenoedem, wenn die Thiere nicht
curaresirt sind oder sich von der Curarewirkung
wieder erholt haben und noch nicht zu sehr er-
schöpft sind. 4. Ansteigen des Blutdrucks mit
nachfolgendem Sinken und allmälig eintretender
4^^
Herzscbwäche 5. kommen nach dem Aufhören
der Hirnfunctionen Reflexfunctionen des Rücken-
marks in exquisiter Weise zur Beobachtung.
Löst man die Ligaturen nach etwa 10 Mi-
nuten, so treten die von L. Mayer^) bei Ka-
ninchen geschilderten postanämischen Bewegun-
gen auf.
Katzen vertragen übrigens die Absperrung
des Blutes vom Hirn nur kurze Zeit und wenn
nach Wiederberstellung der Hirncirculation auch
die Respiration wieder in Gang kommt, erholen
sich, soweit meiue Beobachtungen reichen, die
Thiere doch nie mehr vollständig. Bis jetzt ist
es mir wenigstens in keinem Falle gelungen eine
Katze, die wieder spontane Athembewegungen
machte, dauernd am Leben zu erhalten. Dieser
negative Erfolg läßt sich nicht auf die Opera-
tionsmethode als Ursache zurückfiihren. Denn
die Katzen, die am Leben erhalten werden soll-
ten, hatte ich nicht nach der von Luchsin ger
1. c. angegebenen Methode operirt, sondern nach
dem weiter unten beschriebenen Verfahren, wel-
ches bei Hunden stets zu dem gewünschten Re-
sultate führte.
Nach allen diesen Ergebnissen kann man
mit demselben Rechte und demselben Erfolge
wie bei Kaninchen auch bei mehr oder weniger
erwachsenen, normalen Katzen die Unterbindung
der großen Halsarterien experimentell verwer-
then und es bedarf kaum einer besondern Her-
vorhebung, wie wichtig es für den experimenti-
renden Pharmacologen ist ein Arzneimittel oder
Gift unter ganz gleichen Bedingungen nicht nur
an einem Herbiroreu, sondern auch an einem
Repräsentanten der Fleischfresser untersuchen zu
können.
1) Centralblatt f. d. med. W. No. 32 u. 33 v. 1878
40
490
Ueberall wo man bei der exp. Prüfung von
Substanzen mit Umgehung der Narcotica und
Anaesthica den Einfluß des Großhirns, des re-
spiratorischen und vasomotorischen Centrums
auf Circulation und Respiration, auf die Organe
der Bewegung und auf die Function der ver-
schiedenen Ünterleibsorgane ausschalten will,
kann man die Unterbindung der genannten
Gefäße mit Nutzen verwerthen. Wenn es ferner
von Wichtigkeit ist, bei irgend einer Untersu-
chung ein Arzneimittel oder Gift nur in das Ge-
hirn und die genannten Centra gelangen und
auf diese Theile einwirken zu lassen, kann man
unter den von L. Mayer 1. c. angegebenen
Cautelen und genauer ausgeführten Erweiterun-
gen des Experiments gleichfalls die Ligatur bei
beiden Thierarten in Gebrauch ziehen.
Endlich ist, wie Luchsinger betont , die
vorgängige Ligatur der Halsarterien sehr vor-
theilhaft , wenn bei einem Experiment die Dis-
cision der Medulla spinalis erforderlich wird.
Durch die Unterbindung kann die Discision ohne
jede Blutung ausgeführt und fast jede störende
Shock- Wirkung umgangen werden. —
Bei den viel leichter zu behandelnden Hun-
den und wie ich hinzufügen kann auch bei Zie-
gen, ist die Unterbindung der großen Hirnarte-
rien zu gleichen Zwecken nicht brauchbar.
Hunde leben, wie zuerst A. Co o per dargethan
hat, nach dem Verschluß der Carotiden und
derVertebrales in ungetrübter Gesundheit
fort. Sie ertragen ebensogut die Unterbindung
des Tr. brachiocephalicus und der Sub-
clavia sinistra. Am 5. April 1878 injicirte
ich einer kleinen Hündin von c. 5000 Grm.
Körpergewicht in die rechte Schenkel vene 0,12
Morphin, hydrochlor. Dem tief narcotisirten
491
Thier unterband ich daranf unter Thymolspray
den Truncns brachiocephalicus. Nachdem hier-
durch die Carotis com. dext. und die gleichsei-
tige Subclavia verschlossen waren, ligirte ich in
gleicher Weise die Subclavia sinist. nahe an ih-
rem Ursprung aus der Aorta. Einige Minuten
später legte ich auch um die Carotis com, si-
nist. eine Ligatur. Die Operationswuude wurde
mit carbolisirtem Catgut geschlossen. Am fol-
genden Tage war das Thier noch etwas träge,
aber am dritten Tage verzehrte es schon etwas
Futter und erholte sich dann rasch, während
die Operatiouswunde ohne Schwellung und Ei-
terung heilte. lu den folgenden Pfingstferien
warf die Hündin drei normale Junge, an welchen
College Eichhorst im Anschluß an frühere
Arbeiten die Discision der medulla spinalis vor-
nahm. Am 10. October habe ich das Thier ge-
tödtet, um das weiter unten beschriebene Injec-
tionspräparat zu gewinnen.
Bei einiger üebung und geeigneter Assistenz
ist die Operation nicht schwierig. Ich mache
in der Mittellinie des Halses einen Längsschnitt
durch Haut und subcutanes Bindegewebe, gehe
anfangs mit Hülfe des Messers, später nur mit
Ludwig' s Schaber und Pincette an der late-
ralen Seite des rechten M. Sternocleidomast. ein
bis auf die Carotis com. Von ihr geleitet dringe
ich, während die Wunde vom Assistenten mit-
telst zweier stumpfer Haken auseinander gehal-
ten wird , ohne jede Blutung bis unter den Ur-
sprung der Subclavia vor, unterbinde den Trun-
cus und sperre mit dieser einen Ligatur rechter-
seits beide großen Arterienstämme vom Herzen
ab. Von der lateralen Seite des linken M.
Sternocleidomast ist bei kleinen Thieren die A.
Subclavia sinist. bald erreicht Sie wird vor-
40*
4S2
sichtig centträlwärts isoiirt, bis' siob a^i^schöW
Aorta uud Vertebralis eine Ligatur anbritigett
läßt. Zweckmäßig pausirt man nun' etwas ehe
man auch die linke Carotis com. zuschnürt. —
In anderen Versuchen habe ich die linke Kopf-
schlagader erst 14 Tage später unterbunden^
nachdem die erste Operationswunde vollständig ver-
heilt war, weil mir einzelne Thiere , bei denen
die vier großen Halsarterien fast gleichzeitig vör-
schlossen wurden, kurz darauf trotz rasch ein*-
geleiteter und lange Zeit fortgesetzte^ Respiration
zu Grunde gegangen sind.
Schon R. Heidenhain hat 1. c. in seiner
schönen Arbeit über die Speicheldrüsen darauf
aufmerksam gemacht, daß bei Hunden das Ge-
hirn noch auf anderen Wegen als diirch die ge-
nannten großen Arterien sauerstoffhaltiges Blut
erhalten müsse. Er hat wiederholt bei Hunden
die Carotiden und Subclavien unterbunden, die
Thiere aber nie am Leben erhalten, sondern zu
weiteren Versuchen verbraucht. Die Wege, auf
welchen das Gehirn nach der Opöratiön mit
Blut versorgt wird, hat He i d e n h a i n' nicht ge-
nauer ermittelt.
S. Mayer hat, wie er gelegentlich seiner
Studien zur Physiologie des Herzens (1. c.) mit-
theilt, an zwei Hunden die Carotiden und die
Vertebrales, bei einem dritten die Carotiden und'
die Subclavien unterbunden. Die beiden erste röh*
Thiere , welche mit Opium narcotisirt waren,
zeigten keine Lähmung der Respiration noch
Circulation. Bei dem dritten Thiere , welches
mittelst Curare gelähmt war, fUnctionirte das
vasomotorische Ceutrum während' künstlicher
Respiration ruhig fort. Am Leben erhalten hat
Mayer seine Thiere nicht und gibt auch keine
genauere anatom. Erklärung für die Fortdauer
493
des Lebens nach der Operation, hebt aber be-
sonders hervor, daß die Erklärung, welche Pa-
tt um vor zweiundzwanzig Jahren gegebeu hat
nicht für seine Versuche , sondern nur für dag
von Panum und vielleicht noch für das viel
ältere von Cooper angestellte Experiment Gel-
tung haben könne.
Panum war 1856 der Meinung, die ein-
zigste Stelle, an welcher man die Vertebralarte-
rien beim lebenden Hunde unterbinden könne,
sei die, »wo sie vom Kauale im Epitropheus
aus in den Kanal im Atlas übertritt. € Er isor
lirte und unterband gelegentlich einer Studie
über Embolie 1. c. beide Vertebrales an dieser Stelle
und ligirte gleich danach auch beide Carotiden.
Vier Stunden später tödtete er das Thier und
injicirte durch die Aorta descendens nach- oben
hin eine schwarze Fettmasse. Obgleich die Li-^
gaturen sich als impermeabel erwiesen , waren
die Hirnarterien doch von der schwarzen lujec'^
tionsmasse stark angefüllt. Die Erklärung hier-
für sah Panum darin, daß die Vert^bralis un-
terhalb der Ligatur zwischen 2. und 3. Hals-
wirbel einen sehr starken Arterienzweig zum
Rückenmark abgab , welcher sich mit dem eutr
«prechenden Arterienzweig von der anderen Seit^
zu einem gemeinschaftlichen Stamm vereinigt.
Diesen letzteren läßt Panum nachdem derselbe
etwas höher oben nochmals zwei Zweige von
der Vertebralis aufgenommen hat, schließlich
die Arterie basilaris bilden. Es ist dies eine
Auffassung, die, wenn sie auch den Erfolg des
P a u u m'schen Experiments erklären kann , der
Anschauung heutiger Anatomen nicht entspricht.
Denn die im Wirbelkanal aufsteigende Arterie
Panums ist, wie sich leicht constatiren läßt,
die von den Vertebrales stammende A. Spiualis
494
anterior. Diese letztere gibt beim Hunde, gerade
wie nach Henle^) beim Menschen, in ihrem
Verlaufe an variabeln Stellen seitliche Zweige
ab , die ihrer Seits theils mit Zweigen der A.
Spinalis posterior, theils mit tiefern Parthien
beider A. Vertebrales und weiter abwärts durch
die foramina intervertebralia mit den Interco-
stalarterien Anastomosen eingehen.
Auf den seiner Zeit sehr berühmten Versuch
von Astley Co op er paßt Pan ums Erklärung
nicht. Cooper 1. c. unterband am 28. Jan.
1831 einem Hunde beide Vertebrales nahe an
ihrem Ursprung und gleich darauf beide Caro-
tiden. Der Hund erholte sich und wurde erst
9 Monate später getödtet und injicirt. Genaue
Abbildungen des Injectionspräparates zeigen so-
wohl die Obliterationsstellen wie die zahlreichen
Anastomosen. Auf welchen Wegen aber gleich
nach der Operation das Ilirn sauerstoffhaltiges
Blut erhält lehrt auch der C o o p e r'sche Versuch
nicht.
Um diese Bahnen kennen zu lernen präpa-
rirte ich an frischen Hundeleichen die Aorta tho-
racica asc, den truncus brachioceph., (aus welchem
bei Hunden wie fast immer bei Katzen ^) die
rechte Subclavia und beide Carotiden entsprin-
gen), die rechte und linke Carotis com., die Sub-
clavia dextra, und die Aeste, welche aus derselben
entspringen ehe die Subclavia über die erste
Rippe hinweg auf die Außenseite des Thorax
gelangt. Auf dieser Strecke entspringen in der
Regel die Aa. vetebralis, mamaria interna, die
eervicalis profunda, intercostalis suprema und
thyreoidea. Die drei zuletzt genannten Arterien
1) Handb. d. syst. Anat. III Bd. 1868. S. 120 u. 121.
2) Nach Luch sing er 1. c. entspringen diese Arterien
nicht immer aus dem Truncus.
495
treten oft zu einem gemeinschaftlichen Stamme,
der aus der Subclavia entspringt, zusammen.
Einmal sah ich sie mit gemeinschaftlichem Stamme
aus der Vertebralis kommen. Hinsichtlich ihres
Lumens zeigen diese 3 Arterien mannigfache
Variationen; meist war die der Cervicalis prof.
beim Menschen entsprechende Arterie weiter als
die Intercostalis suprema und die Thyreoidea.
Ungefähr von gleicher Weite wie die Vertebralis
ist oft die Mammaria int. Nachdem diese sämmt-
lichen Aeste möglichst vollständig isolirt waren,
unterband ich die beiden Carotiden, die Verte-
bralis dext., die rechte Mam. int. an ihrem Ur-
sprung und dann die Subclavia selbst peripher
von der Cervicalis profunda. Es blieb also nur
die zuletzt genannte frei. Dann wurde das Schä-
deldach in seiner ganzen Ausdehnung entfernt,
das Hirn aus seinen Verbindungen gelöst und
mit der Medulla oblongata so zurückgeschlagen
(den Hund in Rückenlage gedacht), daß die Art.
basilaris und die von ihr ausgehenden beiden
Schenkel der Spinalis ant. gut beobachtet werden
konnten. Nun injicirte ich in den Tr. Berliner-
blau in Glycerin gelöst und sah fast unmittelbar
nach Beginn der Injection aus der angeschnit-
tenen A. basilaris die blaue Flüssigkeit austreten.
Bei dieser Anordnung des Experiments vermittelt
die Cervicalis profunda die Füllung der Verte-
bralis resp. der Basilaris.
Wird der Versuch so variirt, daß nur der
Truncus brachioc. und die Subclavia sinistra dicht
am Arcus Aortae und die Subcl. dextra peripher von
der Cervicalis profunda unterbunden sind und
injicirt man jetzt von der Aorta thoracica descen-
dens aus, ähnlich wie es Panum gemacht hat,
nach dem Herzen zu blaues Glycerin, so füllt
sich auch jetzt die A. basilaris sehr rasch. Es
496
vermitteln unter den gegebenen Bedingungen
rechterseits die Anastomosen, welche die Inter-
costales äorticae mit der Mamaria int. und der
Intercostalis suprema verbinden zunächst die
Füllung des unterbundenen Theiles der Subclavia
^extr. und von hier aus die Füllung der Verte-
bralis und der beiden Carotides com.
Legt man nach Unterbindung des Trumcus
'brachioceph. und der Subclavia sinistra noch be-
sondere Ligaturen um die Mamariae int., die
Cervicales'prof., die Vertebrales und um beidß
Carqtides com., injicirt wieder in die Aorta tho-
racica descendens aufwärts, so dringt auch jetzjt
noch das blaugefärb,te Glycerin in die Basilaris.
Die Füllung kommt aber erst längere Zeit' nach
Beginn der Injection zu Stande und ' es bleibt
"zweifelhaft ob hier nicht die Füllung durch die
Venen plexus im Wirbelkanal vermittelt wird.
Die rasche Versorgung des Hundejiirns mit
arteriellem Blute besorgen nach Unterbindung
des Truncus brachioc. und der Subclavia! sinistra,
wenn nicht allein , so jedenfalls haupjtsächlich
die Aa. intercostales äorticae, die Aa. mammariae
int. und in'bercostales supremae. Daß (^iese Ar-
terien wirklich die hauptsächlichsten Bahnen sind,
auf welchen nach der Unterbindung das Efii-u
init arteriellem Blut versorgt wird, bewies schl^,-
gend die Leim -Injection der am 5. April ope-
rirten und am 10. October jgetodteten Hündin.
Die Intercostales sowohl wie die Mammariae und
die Cervicales profund, zeigten sich deutlich aus-
gedehnt und von deti zuletzt genannten Arterien
ließen sich schon bald nach ihrer Abzweigung
aus der Subclavia relativ starke Anastomosen
lÜit der Vertebralis jaloslegen.
497
Erklärung der zu No. 7 S. 244 dieser Nachr.
gehörenden Abbildung des Darchströmungsap-
parates aus dem pharmacologischeu. Institut.
A. mit Luft gefüllter Gasometer ; B. mit defibrinirtem
Blute gefüllte Glasbirne ; E. Manometer ; F. Glas-
birne zur Aufnahme des durch die Niere getrie-
benen Blutes; G. Kochflasche in 38° C. warmem
Wasser, in welcher das Blut aus F. gesammelt
und mit Luft geschüttelt wird; a. Verbindung
mit der städt. Wasserleitung; b. Glashf^hn; c.
Bohre von Glas mit Quetschhahu, welcher ge-
öffnet wird nachdem b, geschlossen ist, weun das
in G. gesammelte Blut durch den Trichter d. in
die Birne B. nachgefüllt wird ; e. Gummischlauch-
.verbindung mit einer Klerampincette verschließ-
Tjar; f. Glashahn zur Verbindung mit denj Ma-
nometer E ; welcher außerhalb des Kastens g. h.
i. k. steht; g. h. i k. Zijikkasten, welcher biß
zur punctirten Linie 1. m. mit 0,6% Kochsalz-
lösung von 37,5 — 38,0*^ C. gefüllt ist und durch
die Brenner n. und o. erwärmt wird; p. Glas-
kanüle £nr die Nierenarterie-, q. Metajlk^nüle,
sie verbindet den Ureter vom Nierenbecken an
mit der weiteren Glasröhre r, welche durch die
mit Quetschhahn versehene engere Glasröhre
8. fast lulftleer erhalten werden kann; t. Glas-
kanüle für die Nierenvene; u. Glasschale für die
Niere.
498
Promotionen der philosophischen Fa-
cultät unter dem Decanate von Pro-
fessor Wüstenfeld vom 1. Juli 1877
bis Ende Juni 1878.
(Fortsetzung.)
7. August. Louis Grube aus Goslar. Diss.:
üeber Nitroamidobenzoesäure.
8. August. Martin Wetzel aus Dingelstedt.
Diss.: De cousecutionetemporumCiceroniana.
9. August. Heinrieh P recht aus Jobber in
Hannover. Diss. : Untersuchungen über De-
rivate des Acetessigäthers und der Dehy-
dracetsäure.
10. August. Wilh. G e r c k e n aus Lesum. Diss. :
Ueber die mathematische Theorie der Disper-
sion des Lichtes.
H.August. Robert De ttl off aus Riga. Diss.:
Der erste Römerzug Kaiser Friedrichs L 1154.
1155. Ein Beitrag zur Reichsgeschichte.
15. August. John Will. Raveil aus Toronto
in Canada. Diss.: Verhalten der Salpeter-
säure zur Parabrombenzoesäure und zum Pa-
rabrombenzanilid.
15. August. Aug. Bock er aus Eschede in
Hannover. Diss.: Ueber die Natur der Di-
nitrobenzoesäure aus Metanitrobenzoesäure.
16. October. J. G. Rud. Langen beck aus
Göttingen. Diss.: Ueber diejenigen geodä-
tischen Linien auf dem dreiaxigen Ellipsoid,
welche durch einen der Nabelpunkte des-
selben gehen.
23. October. E. G. Heinr. Weudlandt aus
Uelzen. Diss.: Die Sturmschen Functionen
zweiter Gattung.
28. October. Theodor Friederici aus Wehlau
in Ostpreußen. Diss.: Ueber die Einwirkung
499
von Wasserstoff auf Trichloracetylmetanitro-
paratoluid und Monovalerylmetanitroparato-
luid.
1. November. Paul Rieh. Bruch er aus Glan-
dorf in Hannover. Diss. : Grnndzüge der
Mechanik des Hufes und einer darauf ge-
stützten naturgemäßen Diätetik desselben.
8. November. Heinr. Schäfer aus Calcar. Diss.:
De nonnuUarum particularumapud Antiphon-
tem usu.
10. November. Oscar G ö 1 1 s c h k e aus Leimbach
Prov. Sachsen. Diss. : Ueberführuns; der
B-Nitrosalicylsäure in Metauitrobenzoesäure.
18. November. Robert Heinr. Lüning aus
Horneburg. Diss. : 1. Ueber Natrium, Schwe-
felwasserstoff und Benzonitril. 2. Ueber
Benzonitril, Benzylchlorid und Zink oder
Natrium. 3. Nitrimng von Paratoluidinsul-
fat. 4. Propionylchlorid und Orthodiamide.
5. Ueber ein Nitrosulfobenzol.
20. November. Carl Dyckerhoff aus Mann-
heim. Diss. : Beiträge zur Kenntniß des
Acetophenons.
20. November. John T. Stoddard aus Nort-
hampton in Massachusetts. Diss. : Ueber
Anhydrobenzamidotoluylsäure.
30. November. Georg Rob. Hasse aus Lieg-
nitz. Diss. : Ueber die Einwirkung von Te-
trachlorkohlenstoff auf Phenole in alkalischer
Lösung.
8. December. Carl Rodenberg aus Bremen.
Diss. : Die vifa Walae als historische Quelle.
9. Februar 1878. Rud. L e h m a n n aus Crefeld.
Diss. : Kant's Lehre vom Ding an sich. Ein
Beitrag zur Kantphilologie.
12. Februar. Diro Kitao aus Mazzäi in Japan.
Diss.: Zur Farbenlehre.
500
19. Februar. Georg Winter aus Breslau. Diss. :
Geschichte des Rathes in Straßburg von
seinen ersten Spuren bis zum Statut von 1263.
26. Februar. Georg W e n d t aus Stendal. Diss. :
Die Nationalität der Bevölkerung der deut-
schen Ostmarken vor dem Beginne der Ger-
manisirung.
28. Februar. Oscar Gust. Landgre be aus Düs-
seldorf. Diss.: üeber Verbindungen des
Cyans mit organischen Basen.
2. März. Georg Bockwoldt aus Bisdorf auf
Fehmarn. Diss.: Ueber die Enneper'schen
Flächen mit coustantem positivem Krüm-
mungsmaas, bei denen die eine Schaar der
Krümmungslinien von ebenen Curven ge-
bildet wird.
7. März. Carl Heinr. Bernh. Hachez aus Bill-
wärder. Diss. : De Herodoti itineribus et
scriptis.
S.März. Herrn. Beutnagel aus Thiede in Braun-
schweig. Diss.: Ueber Metabrombenzoesäure,
Bromnitro- und Bibrom-Benzoesäure.
9. März. Martin K 1 a m r o t h aus Fiddichow in
Pommern. Diss.: Gregorii Abulfaragii bar
Ebhraya in Actus Apostolorum et Epistulas
Catholicas adnotationes Syriace.
12. März. Emil Heikenberg aus Hagen in
Westfalen. Diss.: Beiträge zur Keuntniß
des Orcins.
12. März. Leo Lewy aus Posen. Diss.: Die
bei der Einwirkung von Chloroform auf Re-
sorcin in alkalischer Lösung entstehenden
Aldehyde und einige Derivate derselben.
13. März. Ed. Aug. Gustav F e 1 i s c h aus Hey-
debeck in Pommern. Diss. : Beitrag zur Hi-
stologie der Schleimhäute in den Lufthöhleu
des Pferdekopfes.
501
14. März. August Hecht aus Wahneberj^en in
Hannover. Diss. : üeber die Einwirkung
von Benzoesäure auf Bariumpaianitro- und
Brom-Benzoat.
14. März. Carl Krise he aus Göttin gen. Diss.:
I. lieber NitrobenznitrotoUiide und die Ein-
wirkung von Wasserstoff auf dieselben. U.
Zur Kenntniß der Sulfauilsäure.
15. März. Okko Beruh. Ledin g aus Klein-
Midlum in Ostfriesland. Diss. : Die Freiheit
der Friesen im Mittelalter und ihr Bund
mit den Versammlungen beim üpstallsbom.
17. März. Maximilian Dohrn ßrütt aus Marne
in Ditmarschen. Diss.: Die Anfänge der
classischen Tragödie Frankreichs.
22. März. P. G. Richard Schwartz aus Stol-
zenau. Diss. : Gregorii bar Ebhraya in Evan-
gelium Johannis Commentarius. E thesauro
mysteriorum desumptum edidit.
24. März. Adolf W ultze aus Göttingen. Diss.:
Ueber die Einwirkung der Salpetersäure auf
paranitrobenzoylirtes Anilin und Beitrag zur
Kenntniß der Parachlormetauitrobenzoesäure.
2. April. Ignaz Jastrow aus Nakel in Posen.
Diss. : Zur strafrechtlichen Stellung der
Sklaven bei Deutschen und Angelsachsen.
1. Juni. J. E. Carl Schering aus Scharnebeck.
Diss.: Zur Theorie des Bernhardtschen arith-
metisch-geometrischen Mittels aus vier Ele-
menten.
28. Juni. John Robin Irby aus Lynchburg im
Staat Virginia. Diss.: On the Crystallo-
graphy of Calcite.
Sechs Candidaten wurden nach der münd-
lichen Prüfung zurückgewiesen, um sich nach
einem halben oder einem ganzen Jahre zu einer
zweiten Prüfung zu melden.
502
Fünfzehn Candidaten konnten wegen der
nicht genügend befundenen Dissertationen zur
mündlichen Prüfung nicht zugelassen werden.
Zwei Candidaten zogen ihre Bewerbung zu-
rück und Einer wurde von vornherein abgewiesen.
Bei der Königl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften
Mai 1878.
(Fortsetzung).
E. Hertzberg, om Kredittens begrab og väsen. Ebd.
1877.
A. N. Kiär, Bidrag til Belysningen af Skibsfartens öko-
nomiske Forhold. Ebd. 1877.
J. Garn borg, om Byerne og Landet, etc. Ebd. 1877.
Norges officielle Statistik. 57 Hefte. 4.
F. Herb ich, Das Szeklerland, geolog. u. paläontol. be-
schrieben. Pest. 1878.
XVU. Soc. Toscana di Sc. naturali. Proc. verbali.
Neues Lausitzisches Magazin. Bd. 54. H. 1.
Sitzungsber. der k. böhm. Gesellsch. der Wiss. in Prag.
1877.
VictorSchlegel, Hermann Grassmann's Leben und
Werke. 1878.
Nbrske Frederiks üniversitet Aarsberetning. 1869. 60. 62.
73. 74. 76.
Forhandlinger i Videnskabs Selskabet i Christiania. 1876.
1877.
Juni 1878.
Natura, 448 — 463.
G. Striivar, sopra Spinello Orientale. Roma. 1878. 4.
ßivista Europea. Vol. VH. Fase. 8.
Leopoldina. XIV. No. 9 — 10.
Astronom., magnet. u. metaorolog. Beobachtungen an der
Sternwarte zu Prag. 1877. Fol.
F. Neumann, zur Laut- und Flexionslehre des Altfran-
zösischen. 1878.
A. Porti 8, über fossile Schildkröten aus der Provinz
Hannover. 1878. 4.
503
Monthly notices of the R. Astronom. Society. Vol. 38.
No. 7.
F. de Müller, Fragmenta phytographiae Australiae.
Vol. X.
Verhandl. der physik. med. GeaellBchaft zu Würzborg.
Bd. XII. 1. 2. H.
J. Schmidt, Charte der Gebirge des Mondes. 25 Blät-
ter. Gross Folio in Quadrat nebst Erläuterungs-Band.
Klein Foüo. Berlin. 1878.
Bulletin de l'Acad. R. des Sciences de Belgique. T. 45.
No. 4.
Schriften der natorforsch. Gesellsch. in Danzig. Bd. IV.
H. 2.
Rivista Europea. Vol. VII. Fase. 4. Vol. VIH. Fase. 1.
Pubblicazion i del R. Istitnto di studi sape-
riori in Firenze:
Sezione di Medicina, Chirurgia e Pharmacia. Vol. I.
Sez. di scienze Fisiche e Naturali. Vol. I.
Sez. di Filosofia e Filologia. Vol. I.
Repertorio Singo-Giapponese. Fase. 1 — 2.
Enciclopedia Singo-Giapponese.
In Hegesippi oratione de halonneso etc.
Sulla epistola oridiana di SafFo a Faone.
Sei tavolette cerate scoperte in una antica torre in Firenze.
II coramento medio di averroe alla retorica di Aristotele,
Miscellania.
Studi e ricerche sui Picnoyonidi.
Opere pubblicate dai professori della sezione fis. e natura.
Compte-Rendu de la Commission imp. archeologique pour
l'annee 1875. Avec aa Atlas. St. Petersbourg. 1873.
Fol.
S. Angelin, Jeonographia Crinoideorum in stratis Sue-
ciae siluricis fossilium. Cum tabulis XXIX. Holmiae.
1878. Fol.
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der K. Akademie. München. 1878.
504
25.— 26.Jahresb. der naturhist. Gesellschaft in Hannoyer.
Jahresbericht des naturhist. Vereins Lotos für 1877.
(Jahrg. 27).
Von derselben Zeitschrift die Jahrgänge II — IX.
Jahresb. der Lese- und RedehaUe der deutschen Stad. in
Prag. 1878.
Monatsbericht der Berliner Akad. der W. März — April.
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F.V. Hayden, Report on the Unit. St. geological Surv^y
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Colleccion de tratados celebrandos por la republica de
Chile. T. II. 1875. 4.
Anuario estadistico de la repub. de Chile. T. XVII.
1874—75. Fol.
Sesiones ordinarios de la camera de diputados. No. I.
1875. Fol.
Sesiones estraordinarios. No. IL 1876. ' Fol.
(Fortsetzung folgt.)
505
Varlirirhfen
von der Königl. Gesellschaft der Wissen-
schaften und der G. A. Universität zu
Göttingen.
18. December. M 16. 1878.
KöDivliche Gesellschaft der Wissenschaften.
Oeffentliche Sitzung am 7. December.
Henle, Zur Erinnerung an E. H. Weber.
Listing, Zum Andenken an A. von Ettingshausen.
Pauli, Magister Thomas Brunns , Beamter Rogers von
Sicilien und Heinrichs II. von England.
de Lagarde, üeber die koptischen Handschriften der
hiesigen Bibliothek und über den Stand der Arbeiten
zur Kritik des Bibeltextes. (Erscheint in den Ab-
handlungen).
Riecke, üeber das ponderomotorische Elementargesetz
der Electrodynamik.
Enneper, üeber eine Gleichung zwischen Theta- Func-
tionen.
K r ü m m e 1 , Die mittlere Tiefe des Oeeans und das
Massenverhältniß von Land und Meer. (Vorgelegt von
Wappäus).
W i e s e 1 e r , üeber die neuesten archäologischen Ent-
deckungen.
Jahresbericht des Secretärs.
Die K. Gesellschaft der Wissenschaften feierte
in der heutigen Sitzuug ihren Stiftungstag zum
siebenundzwanzigsten Mal in dem zweiten Jahr-
hundert ihres Bestehens. Nach den obigen
Vorträgen erstattete der Secretär den folgenden
Jahresbericht :
Die Societät hat in diesem Jahre 9 Sitztin-
gen gehalten, in denen 12 ausführlichere Ab-
41
506
handluugen und 40 kürzere Mittheilungen
vorgetragen oder vorgelegt worden sind. Die
ersteren machen den Inhalt des bereits im Druck
vollendeten XXIII. Bandes der »Abhandlangen
der K. Gesellschaft der Wissenschaften« aus;
die letztern sind in dem gegenwärtigen Jahr-
gang der »Nachrichten« enthalten.
Die für den November d. J. von der physi-
kalischen Classe gestellte physiologische Preis-
frage hat einen Bearbeiter nicht gefunden ; sie
wird nicht von Neuem aufgegeben.
Für die nächsten drei Jahre werden von der
K. Societät folgende Preisfragen gestellt:
Für den November 187y von der mathe-
matischen Classe:
Während in der heutigen Undulationstheorie
des Lichtes neben der Voraiisseizuiig transver-
saler Oseillationen der Aethertheilchen das me-
chanische Princip der Coexistenz kleiner Betve-
gungen zur Erklärung der Polarisations- und
der Interferenz - Erscheinungen genügt, reichen
diese Unterlagen nicht mehr aus, wenn es sich
um die Natur des unpolarisirten oder natürli-
chen Lichtes^ oder aber um den Conflict zwi-
schen Wellenzügen handelt, welche Glicht aus
derselben Lichtquelle stammen. Man hat dem
Mangel durch die Voraussetzung einer sogenann-
ten großen Periode von innerhalb gewisser Gren-
zen regelloser Dauer abzuhelfen gesucht^ ohne
nähere erfahrungsmäßige Begründung dieser
Hülfsvor Stellung. Die K. Societät ivünscht die
Anstellung neuer auf die Natur des unpola-
risirten Lichtstrahls gerichteter Unter-
suchungen , welche geeignet seien , die auf na-
türliches Licht von beliebiger Abkunft bezüglichen
Vorstellungen Jiinsichilich ihrer Bestimmtheit
denen nahe zu bringen^ welche die Theorie mit
507
den verschiedenen Arten polarisirten Lichtes
verbindet.
Fürdeu November 1880 von der historisch-
philologischen Claase (wiederholt):
Die K. Societät verlangt, daß gezagt werde,
was die bildenden und zeichnenden Künste
bei den G-riechen und Italern den Künsten
der JSichtgriechen und Nichtitaler verdanken,
und hinwiederum, wo sie außerhalb der Grie-
chischen u)id Italischen Länder Wurzel getrie-
ben und wiefern sie einen Einfluß auf die Ent-
wickelung der Künste bei JSicJitgriechen und
NicMitalern gehabt haben.
Für den November 1881 von der physika-
lisch eu Classe :
Die K. Societät verlangt eine auf neue Un-
tersuchungen gestützte Darstellung derjenigen
Entwicklungsvorgänge, durch welche die Gestal-
tung des ausgebildeten Echinodermenleibes her-
beigeführt wird. Es soll darin, in Anschluß
an die gesicherten Kenntnisse von der Em-
bryonenentivicklung der Echinodermen, besonders
gezeigt tcerden, in welcher Weise das Tliier
aus der Larvenform bis zur völligen Anlage
sämmtUcher Organsysteme erwächst. Dabei
bleibt es der Untersuchung überlassen, ob an
einer characteristiscJien Art der Enticicklungs-
gang in allen Einzelnheiten erforscht wird,
oder ob durch die Feststellung der Entwicklung
verschiedener Formen ein für den ganzen Kreis
geltendes Verhalten dargelegt wird; in letzterem
Falle müßte aber die Untersuchung soweit ein-
dringen, daß die hauptsächlichen Uebereinstim-
mungen und Abiceichungen in der Ausbildung
der Organsysteme bei den verschiedenen Echi-
nodermenformen von ihrem frühsten Auftreten
an gekennzeichyiet werden.
41 *
508
Die Concurrenzschriften müssen , mit einem
Motto versehen , vor Ablauf des Septembers
des bestimmten Jahrs an die K. Gesellschaft der
"Wissenschaften portofrei eingesandt werden, be-
gleitet von einem versiegelten Zettel, welcher
den Namen und Wohnort des Verfassers ent-
hält und auswendig mit dem Motto der Schrift
versehen ist.
Der für jede dieser Aufgaben ausgesetzte
Preis beträgt mindestens fünfzig Ducaten.
Die Preisaufgabeu der Wedekind' sehen
Stiftung sind in den »Nachrichten« von 1877
S. 137 veröfiFentlicht.
Das Directorium der Societät ist zu Michaelis
von Herrn Grisebach in der physikalischen,
auf Herrn Weber in der mathematischen Classe
übergegangen.
Von ihren auswärtigen Mitgliedern und Cor-
respondenten verlor die Societät in diesem Jahre
durch den Tod:
Den Professor der Anatomie und Physiologie
Geheimen Medicinalrath Ernst Heinrich Weber
in Leipzig , starb im 83. Lebensjahre ;
Den Professor der Physik Andreas Freiherrn
von Ettingshausen in Wien, im 82. Jahr;
Den Physiker und Director der Porzellanfabrik
zu Sevres Henri Victor Regnault, im 68. Jahr;
Den Archäologen und Curator der Universität
Josoph Emmanuel Roulez in Gent, im 72. Jahr;
Den Professor der Philologie K. Lehrs in
Königsberg, im 76. Jahr;
Den Professor der Chemie Eugen von Go-
rup-Besauez in Erlangen, im 62. Jahr.
509
Von der Societät neu erwählt wurden :
Zu auswärtigen Mitgliedern:
Hr. Theodor Schwann in Lüttich,
Hr. Heinrich Eduard Heine in Halle.
Zu Co rr es pon deuten:
Hr. Heinrich Ernst Beyrich in Berlin,
Hr. Joseph von Lenhossek in Pest,
Hr. Georg Cantor in Halle,
Hr. Gösta Mittag-Leffler in Helsingfors,
Hr. Ludwig Hänselmann in Braunschweig.
Zur Erinnerung an E. H. Weber.
Von
J. Henle.
Dem auswärtigen Mitgliede, E. H. Weber,
dessen Verlust wir beklagen, ein Wort des Ge-
denkens zu widmen, sind wir nicht nur durch
seine wissenschaftliche Bedeutung und unsere
wissenschaftliehe Verbindung veranlaßt ; im glück-
lichen Besitze des Einen der Trias, welcher der
Verstorbene angehörte, durften wir ihn in einem
wärmern Tone den Unsrigen nennen, sahen wir
ihn oft bei uns verweilen und es sind gewiß
Wenige unter uns, denen nicht in diesem Augen-
blicke die Erinnerung an deu warmen Druck
seiner Hand, an die von Herzen zu Herzen drin-
gende Stimme vor der Seele schwebt.
Es darf wohl als eine providentielle Veran-
staltung gepriesen werden, daß um die Wende
unsers Jahrhunderts die Natur in dreifacher
Zahl und in drei Zweigen Eines Stammes die
510
Geister scliuf, die unsere Wissenschaft aus den
Träumen der Naturphilosophie zu dem ernsten
Tagewerk methodischer Forschung wiedererwe-
cken sollten. Und sie vollbrachten dies ohne
Polemik, ohne ein hartes Wort gegen die Träu-
mer, ohne gewaltsames Rütteln derselben. Sie
vollbrachten es durch ihr Beispiel , durch den
sichern , festen Schritt , mit dem sie ihre Bahn
betraten.
Wir wollen uns kein Urtheil über die Art
der Arbeitstheilung in der geistigen Werkstatt
der Brüder erlauben; möchte es doch ihnen selbst
schwer geworden sein, bei dem steten Gedanken-
austausch, am häuslichen Uerd, auf Wanderungen,
im Verkehr mit Freunden, den Ort und die
Stunde zu bestimmen, wo eine folgenreiche Idee
empfangen, wo sie geboren wurde. Aber das
darf ohne Indiscretion als eine geschichtliche
Thatsache ausgesprochen werden, daß das Fa-
milienglied , welches seinen Namen im physika-
lischen Gebiete verewigen sollte, wie es den
Jahren nach die Mitte zwischen den beiden An-
dern einnahm, so auch an Beider Epoche -ma-
chenden Werken sich betheiligte. Als Frucht
gemeinsamer Arbeit der beiden altern Brüder
erschien im J. 1825 die Wellenlehre, als Frucht
gemeinsamer Arbeit der beiden jüngeren im J.
1836 die Mechanik der menschlichen Gehwerk-
zeuge. Beide aber verfolgten , die Eine mittel-
bar, die andere unmittelbar das Ziel, die Gel-
tung physicalischer Gesetze im Reiche des Orga-
nischen nachzuweisen und damit die Physiologie
zum Range einer exacten Wissenschaft zu erheben.
Ich erinnere mich noch der Sensation, welche
es erregte, als Wilh. und Ed. Weber an Ab-
drücken von Durchschnitten der Gelenke , auf
welche die Druckerschwärze direct aufgetragen
511
war, den Beweis lipferten, daß es mit der Kugel-
form des Schulter- und Hiiffcgelenkkopfs, mit der
Cylinderform der Scharniergelenke vollkommener
Ernst sei. So tief hatte man sich in den Ge-
gensatz von Vitalismus und Mechanismus ver-
strickt, daß man mathematische Genauigkeit
nicht einmal in den Fällen erwartete, in welchen
der organische Apparat sein Vor- oder vielmehr
Abbild in nnsern künstlichen Maschinen findet.
Ernst Heinrich hatte mit der Wellenlehre
den Grund zu einer Theorie des Blutkreislaufs,
einer Hydraulik des thierischen Körpers gelegt,
die noch heute in der Methode unübertroffen,
in den Resultaten unangefochten dasteht. Er
fand die Meinung vor, die sich auf die Autorität
von Hall er und Bichat stützte, daß der
Puls in allen Arterien des Körpers gleichzeitig
Statt finde. Seine erste Abhandlung (1827) wi-
derlegte diesen Irrthum und bestimmte das Zeit-
intervall, welches zwischen dem Pulsschlag der
dem Herzen näheren und der vom Herzen ent-
fernteren Arterien verstreicht. Hieran reihten
sich Aufklärungen über den Antheil des Her-
zens und der Arterien an den Erscheinungen
des Pulses. Weber verdankt man die Unter-
scheidung der Wellenbewegung und der Strö-
mung des Blutes, der Wellenbewegung, die eine
directe Folge des Herzstoßes ist und sich im
Pulse offenbart, und der Strömung, welche das
Herz indirect durch Herstellung und Unterhal-
tung der Druckdifferenz an seinen Mündungen
zu Stande bringt. Er auch unternahm es zuerst,
experimentell die Modificationen zu prüfen, wel-
che die Gesetze der Bewegung von Flüssi^rkeiten
in Röhren dadurch erfahren . daß die Röhren
elastisch sind. Der Apparat, den er zur Erläu-
terung der complicirten Verhältnisse des Kreis-
512
laufs ersonnen hatte, fand Eingang in alle phy-
siologischen Hörsaale.
Wenn mit diesen Arbeiten und denjenigen,
welche sich an dieselben anschlössen , die iatro-
mathematische Schule des 17ten Jahrhunderts
eine Wiederauferstehung in veredelter Gestalt
feierte, so eröflFnete dagegen eine andere Reihe
Weber'scher Abhandlungen, die unter dem be-
scheidenen Titel »de subtilitate tactus« erschien,
dem Versuche und der Rechnung ein Feld, auf
welches die Physiologie sich noch nicht gewagt,
welches sie bis" dahin fast unbestritten der Psy-
chologie überlassen hatte.
Ein Resüme seiner Beobachtungen in Müller' s
Archiv v. Jahre 1835 leitet Web er mit folgen-
den Worten ein: *Die Lehre von den Sinnen
ist ein Punkt, in welchem einmal in Zukunft
die Forschungen der Physiologen, der Psycho-
logen und der Physiker zusammenstoßen müssen.
Denn es ist vorauszusehen, daß, wenn man die
Naturkräfte gehörig definirt und die Gesetze,
nach welchen sie wirken, aufgefunden haben
wird , es ein sehr dringendes Bedürfniß werden
wird, einzusehn, wie nun die in der Natur Statt
findenden Bewegungen auf unsere Siuuorgaue
einwirken und die Vorstellungen von den Er-
scheinungen der Welt in uns erzeugen.«
Daß Weber zur Beantwortung der Frage,
wie wir zu unsern Vorstellungen gelangen, sich
zuerst an das Tastgefühl wandte, dazu bestimmte
ihn die Zugäuglichkeit der Haut, die Unschäd-
lichkeit der mit ihr anzustellenden Experimente,
vor Allem aber eine Erfahrung, die ihn alsbald
mitten in den Ideenkreis versetzen mußte, in
welchem die Untersuchung sich bewegt. Er
hatte beobachtet, daß zwei gleichzeitig auf die
Haut gesetzte Zirkelspitzeu , wenn sie die Em-
613
pfinduDg von zwei gesonderten Berührungen er-
wecken sollen, um eine gewisse Distanz von ein-
ander entfernt sein müssen und daß die Distanz,
die gefordert werde, um die Eindrücke gesondert
zu erhalten, je nach den Körpergegenden ver-
schieden sei. So fließen z. B. am Rücken und
au der innem Schenkelfläche die beiden Empfin-
dungen schon dauu zu einer einzigen zusammen,
wenn die Cirkelspitzeu 4 — 6 cm. von einander
abstehn, indeß die Zungenspitze die beiden Ein-
drücke schon bei einem Abstände der Zirkel-
spitzen von wenig mehr als 1 mm. unterschei-
det. Auch ist es nicht gleichgültig, ob die Cir-
kelspitzeu in einer der Axe der Glieder paralle-
len Linie übereinander, oder ob sie senkrecht
zur Axe nebeneinander aufgesetzt werden. Im
letztern Fall ist die Unterscheidung feiner, als
im ersten.
Als Weber die eben geschilderte Versuchs-
reihe unternahm, befand sich die feinere Ana-
tomie des Nervensystems noch in ihrer Kindheit.
Der isolirte Verlauf der Nervenfasern war mehr
geahnt , als bewiesen. Von der peripherischen
Endigungsweise der Nerven hatt« man nicht
einmal eine falsche Vorstellung; daß aber die
Nerven und namentlich die Nerven -Enden in
der Haut ungleich vertheilt seien, darüber konnte
nach dem Weber'scheu Versuch kein Zweifel
aufkommen. Seine Erklärung desselben, daß
wir ein Bewußtsein von allen selbständig fühlen-
den Paukten der Haut haben und die Entfer-
nung der berührten Stelleu nach der Zahl der
zwischen ihnen liegenden fühlenden Punkte
schätzen,, ist auf Widerspruch gestoßen ; im-
merhin bildet sie den Ausgangspunkt aller
Bestrebungen der modernen Psychologie , die
Raumanschauung , im Gegensatze zur Annahme
614
angeborener Kategorien, aus der Erfahrung abzu-
leiten.
Die Regionen der Haut, welchen der feinste
Ortssinn inne wohnt, fand Weber auch am
empfindlichsten für Unterschiede der Belastung
und der Temperatur. Dabei trat eine fast un-
glaubliche Schärfe des Unterscheidungsvermögens
zu Tage, und es wurden nebenbei Resultate ge-
wonnen , die nur ihrer Verwerthung für eine
Physiologie des Vorstellens harrten, wie daß von
zwei nicht zu weit auseinanderliegenden Tempe-
raturen diejenige als die höhere empfunden
wird , die sich über einen größern Theil der
Hautoberfläche erstreckt; daß die Seele sicherer
ist im Vergleichen von zwei Eindrücken, wenn
sie dieselbe Hautstelle nacheinander, als wenn
sie verschiedene Hautstellen gleichzeitig treffen.
Selbst die Zeit, während welcher sinnliche Vor-
stellungen haften , wurde der Rechnung unter-
worfen, indem man die zu vergleichenden Ein-
drücke der Gewichte , Striche oder Töne in
gewissen Zwischenräumen nach einander wirken
ließ und die Zahl der Secunden bestimmte, in-
nerhalb deren die Vergleichung noch mit Erfolg
geübt werden konnte. So erwuchs denn in der
That aus diesen Anfängen die von dem jungem
Geschlecht der Philosophen eifrig gepflegte
Wissenschaft, welcher Fechner den Namen
Psychophysik ertheilte und es war unserm ver-
ewigten Mitgliede beschieden , im Genuß einer
würdigen und wohlverdienten Muße das Zusam-
menstoßen der Physiologen , Psychologen und
Physiker, das er prophetisch verkündet hatte,
noch mit anzusehn.
Um den Antheil zu bezeichnen, welchen
E. H. Weber an der Entwicklung unserer
Wissenschaft genommen, mußte ich der Disci-
515
plin den Vortritt lassen, der er vorzugsweise
den Stempel seines Geistes anfgepräort hat. Doch
sollen neben der Umgestaltung, die die Physio-
logie durch ihn erfuhr, die Bereicherungen nicht
vergessen werden , welche die vergleichende und
menschliche Anatomie seinem Scharfblick und
seinem rastlosen Fleiße verdankt. Ich darf nur
die wichtigsten erwähnen: sein Erstlingswerk
über das sympathische Nervensystem, seine Ent-
deckung der den Zusammenhang des Gehöror-
gans mit der Schwimmblase vermittelnden Kno-
chenkette bei einer Anzahl von Fischen , seine
Entdeckungen in der Anatomie der (ienitalien,
vor Allem die Wiederauffindung des Sinus pro-
staticus, der nun nicht mehr in Vergessenheit
gerathen kann nach der Bedeutung, die er für
die Homologie der männlichen und weiblichen
Geschlechtsorgane gewonnen hat. Unter den
Arbeiten über den feinern Bau der Drüsen neh-
men die von Weber der Zeit, wie dem Range
nach, eine der ersten Stellen ein: seine Injectio-
nen lehrten die Vasa aberrantia der Gallengänge
kennen und gaben die langersehnte, sichere
Auskunft über die Endigungsweise der Ausfüh-
rungsgänge in den tranbigen Drüsen und über
das Verhältniß der Blntgefäße zu den Drüsen-
läppchen. In die weitesten Kreise trug seinen
Namen die Bearbeitung des Hildebrand t'schen
anatomischen Handbuchs. Der specielle Theil
behauptete sich eine lange Reihe von Jahren
als Canon unseres anatomischen Wissens. Der
histologische Theil, der von Grund aus neu zu
schaflFen war, zeichnet sich aus durch die bevor-
zugte Stellung, welche der Verfasser den mikros-
kopischen Thatsachen anweist. Mit äußerster
Sorgfalt sammelte und sichtete er. was bis auf
seine Zeit das noch wenig bekannte Hülfsmittel
516
der Untersuchung zu Tage gefördert hatte. Und
wenn bald danach, in Folge der Popularisirung
des Mikroskops, das Gebiet der Histologie in ei-
ner Weise überfluthet wurde, daß eine systema-
tische Bearbeitung desselben für lange Zeit un-
thuulich erschien, so bleibt dem Weber'schen
Werke der Ruhm , den sich in einem andern
Zweige Haller's »Elemente der Physiologie«
erwarben, Eine Aera abgeschlossen und zugleich
die Keime einer neuen gepflanzt zu haben.
Zum Andenken an A. von Ettings-
hausen.
Von
J. B. Listing.
Am 25. Mai d. J. starb zu Wien Freiherr
Andreas von Ettingshausen, seit 1864 als
Correspondent der mathematischen Classe unserer
Gesellschaft angehörend.
Ettingshausen ist geboren 1796 den 25. No-
vember zu Heidelberg, wo sein Vater, zur Zeit
Major im österreichischen Geueralstabe , später
Generalmajor, stationirt war. Den Schulunter-
richt genoß er bis zum 13. Jahre in Folge des
vielfach wechselnden Domicils des Vaters an ver-
schiedenen Orten Ungarns, zuerst in Essek, dann
in Zombor, Neusatz, Pest und Erlau. Nach be-
endetem Gymnasialstudium zu Wien besuchte
er, vom Vater zunächst für die militärische
Laufbahn bestimmt, außer den Universitäts- Vor-
lesungen noch die dortige, damals in hohem
Ansehen stehende Bombardierschule , in der er
hauptsächlich den Grund zu seiner gediegenen
517
mathematischen Bildung legte. Mit Eintritt des
Friedens wandte er sich von der militärischen
Laufbahn dem Lehrfach zu und wurde 1817
Adjnnct der Wiener Lehrkanzel für Mathematik
und Physik, 1819 Professor der Physik an der
Universität zu Innsbruck und kehrte zwei Jahre
darauf als Professor der höheren Mathematik
wieder nach Wien zurück. Das mathematische
Studium nahm an dieser Universität unter Et-
tingshausen's Thätigkeit einen neuen Aufschwung.
In jener Zeit schrieb er die 1827 erschienenen
»Vorlesungen über höhere Mathematik c in zwei
Bänden.
Als im Jahr 1834 Baumgartner, der zeitherige
Professor der Physik in den administrativen
Staatsdienst übertrat, wurde Ettingshausen dessen
Nachfolger. In dieser Stellung, die er bis zum
Jahre 1848 innehatte, erschienen von ihm die
»Anfangsgründe der Physik«, ein Compendium
nicht gewöhnlicher Art, welches sich durch den
gelungenen Versuch auszeichnet, die elementar-
mathematische Begründung möglichst gleichförmig
durch das ganze Gebiet der Physik durchzuführen.
Von 1844 an erschienen davon bis 1860 vier
Auflagen. Seine experimental- physikalischen
Vorlesungen an der Universität wurden von allen
Ständen reich besucht, aber daneben fanden
seine mathematisch - physikalischen Vorträge
wegen des Umfangs und der gediegenen Be-
handlung den Beifall seiner zahlreichen Fach-
Schüler.
An der Wiener Akademie der Wissenschaften,
zu deren Gründung Ettingshausen bereits 1837
in einer Denkschrift die erste Anregung ge-
geben, bekleidete er gleich anfänglich die Stelle
eines Generalsecretärs. Schon im Jahre 1848
aber übernahm er die Leitung des mathematischen
518
Studiums an der neu umgestalteten K. Ingenieur-
Akademie, trat jedoch 1852, als diese Austalt in
«eine rein militärische Schule verwandelt wurde,
zu dem polytechnischen lustitute über, wo er
ein Jahr hindurch das angewandt mathematische
und das Ingenieurfach vertrat. Aber schon ein
Xahr später, nach Doppler's Tode, wandte er
sich zur Universität zurück, um die Leitung des
wenige Jahre vorher gegründeten physikalischen
Institutes der Universität zu übernehmen, welches
seine reiche Ausrüstung mit vorzüglichen Appa-
raten und Meßinstrumenten hauptsächlich Et-
tingshausen verdankt.
Im Jahre 1862, während seines Rectorats
der Universität, verfiel er in eine schwere und
langwierige Krankheit, welche seine Kräfte dau-
ernd schwächte, und trat 1866 in den Ruhestand,
nach fast fünfzigjähriger erfolgreicner Lehrtliä-
tigkeit in den ersten Stellungen an den verschie-
den^;n wissenschaftlichen Anstalten Wiens, und
ihr wurde alsbald auch durch seine Erhebung
in den Freiherrnstand die kaiserliche Anerken-
nung zu Theil. Von nun ab war er zwar wi.s-
senschaftlich nicht mehr productiv, aber noch
im vollem B sitz geistiger Kraft. Er las und
studirte fleißig für sich. Die letzten Lebensjahre
verbrachte er in stiller Zurückgezogenheit mit
zwei verwittweten Töchtern, während der Som-
merzeit meistens in der stärkenden Laudluft
Aussee's in Obersteyermark. In Folge eines er-
neuerten Nervenanfalls endete im Alter von 81 '/s
Jahr sein Leben mit einem sanften Tod am 25.
Mai dieses Jahres.
Wir haben in üöttingen im Sommer 1840
wo sein Besuch der persönlichen Bekanntschaft
mit Gauß nah, der ihm von den damals noch
wenig bekannt gewordenen Ergebnissen theore-
519
tischer Untersuchungen im Gebiet des Magne*
tismus und der Electrodynamik Manches bereit-
willig mittheilte, Gelegenheit gehabt, in Ettings-
hausen nicht nur den Gelehrten, sondern auch
den vielseitig gebildeten und in geselliger Hin-
sicht liebenswürdigen Mann kennen zu lernen.
Die hervorragende Wirksamkeit Ettingshau-
Sens als Lehrer auf dem Gebiete der exacten
Wissenschaften uud nicht minder die kritische
Strenge, die er ebensowohl bei seinen eigenen
Productionen übte wie gegen die Leistungen
Anderer, so daß er in Fällen lange vorbereiteter
Werke noch während des bereits begonnenen
Druckes die Arbeit wieder vernichtete , weil sie
seineu Anforderungen nicht mehr genügte, wa-
ren Ursache , daß seine VeröflFentlichungen we-
niger durch iliren Umfang als durch die Klar-
heit uud Gediegenheit der Darstellung hervor-
traten.
Seine Schriften sind :
Die combiuatorische Aualysis , als Vorberei-
tungslehre zum Studium der höheren Mathema-
tik. Wien 1826.
Vorlesungen über höhere Mathematik. Zwei
Bände. Wien 1827.
Anfangsgründe der Physik. 1. Auflage.'
Wieu 1844. 2. 1845, 3. 1853, 4. 1860.
Gemeinschaftlich mit Andreas Baumgartner
bearbeitet: des letzteren »Naturlehre mit Rück-
sicht auf mathematische Begründung«. 6. Aufl.
Wien 1839, 7. 1842.
In der Zeitschrift für Physik und Mathema-
tik, herausgegeben von A. Baumgartner und A,
von Ettingshausen. Zehn Baude. Wien 1826
-1832:
Ueber die Formeln, welche die Potenzen des
Sinus oder Cosinas eines Kreisbogens dnrch die
520
Sinus oder Cosinus der Vielfachen dieses Bogens
darstellen. Bd. I. S. 96.
Ueber den Gebrauch der Methode der unbe-
stimmten Coefficienten bei der Entwickelang der
Potenzen des Cosinus eines Bogens nach dem
Cosinus seiner Vielfachen. I. 374.
Analytische Hebungen (Ausdruck der Glieder
einer Reihe durch die Glieder der Differenzrei-
hen. — Allgemeines Glied einer arithmetischen
Reihe. — Bernoulli'sche Zahlen) I. 493.
Des Wiener Optikers Plößl aplanatische diop-
trische Mikroskope V. 94.
Ueber die Auflösung eines Systems mehrerer
Gleichungen vom ersten Grade mit ebenso viel
unbekannten Größen. V. 209.
Auflösung zweier arithmetischer Aufgaben.
V. 287.
Ueber die Bestimmung des Vergrößerungs-
Verhältnisses bei zusammengesetzten Mikrosko-
pen und über die Vergleichung und Controlli-
rung der Mikrometer. V. 316.
Leichtes Verfahren, die Gleichungen zwischen
den Kanten der einfachen Gestalten des tessula-
rischen Krystallsystems darzustellen. V. 385.
Ueber die Entwickelung zusammengesetzter
Krystallgestalten. VI. 1.
Ueber Gauß' Methode zur näherungsweisen
Berechnung bestimmter Integrale. VII, 429.
Sturm's Regel zur Bestimmung der Anzahl
der zwischen zwei gegebenen Zahlen liegenden
Wurzeln einer von wiederholten Wurzeln freien
numerischen Gleichung mit Einer unbekannten
Größe, nebst einem Beweise derselben. VII. 444.
Ueber die ebenen Curven, welche ihren Evo-
luten ähnlich sind, IX. 178.
In den Sitzungsberichten der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Classe der Kaiserl. Aka-
521
demie der Wissenschaften zu Wien finden sich
Mittheiluugen von Ettiugshaasen von Beginn
1848 (Bd. I) bis zum Jahre 1867 (Bd. XXIV),
nämlich :
üeber die Differentialgleichungen der Licht-
8chwingun>.en , Bd. I. S. (32.
Ceber Soleil's Saccharometer, I. 138.
lieber eine directe und strenge Ableitung
der Taylor'schen Formel, I. 238.
Ueber einen Satz Green 's, das electrische
Potential betreffend, I. 282.
üeber den Ausdruck der zwischen einem
galvanischen Strome und einem magnetischen
Punkte stattfindenden Action , 1. 266.
Beitrag zum Beweis des Lehrsatzes vom Pa-
rallelogramm der Kräfte, II. 155.
Bericht über Page's Inteirration der Differen-
tialformela , worin die Quadratwurzel aus einem
Polynom des 4. Grades vorkommt, II. 315.
Zur Nachweisung der Existenz der Wurzeln
algebraischer Gleichungen, V, 31.
Beitrag zur Integration irrationaler Differen-
tialformeln , V. 34.
üeber Gauß' dritten Beweis der Zerletjbarkeit
ganzer algebraischer Functionen in reelle Fac-
toren, ibid.
Bericht über drei Abhandlungen des H.
Spitzer zur Theorie numerischer Gleichungen,
V. 82.
üeber einige Eigenschaften der Flächen,
welche zur Construction der imaginären Wurzeln
der Gleichungen dienen, V. 119.
Bericht über zwei Abhandlungen Theod.
Schönemann's: 1. über die Beziehungen, welche
zwischen Wurzeln irreductibeler Gleichungen
stattfinden , besonders wenn der Grad derselben
eine Primzahl ist; 2. von der Empfindlichkeit
42
522
der Brückeowageu und der einfachen und zu-
sammengesetzten Hebel - Ketten - Systeme. VIII.
442.
Bemerkungen zu Petzval's Aufsatz, über ein
allgemeines Princip der ündulations - Lehre,
VIII. 593.
Weitere Bemerkungen zu demselben, IX. 27.
Bericht über das von J. Anathon eingesen-
dete Manuscript »die natürlichen Gesetze der
Musik« , XII. 464.
Ueber die neueren Formeln für das an ein-
fach brechenden Mitteln reflectirte und gebro-
chene Licht, XVIII. 369.
Bericht über den Arithmometer von Thomas,
XXIV. 16.
Ferner sind zu erwähnen :
Cauchy's Methode zur Bestimmung der In-
tensität des reflectirten und gebrochenen Lichtes,
frei dargestellt, Poggendorft's Auualen, Bd. L.
S. 409.
Note sur les equations differentieles des on-
dulations lumineuses dans les milie'ux isphanes.
Comptes Rendus de TAcad. Paris. 7. xxiv (1847)
p. 801. ■
Ueber die Einrichtung und den Gebrauch
der magnetoelectrischen Maschine, welche den
im September 1837 zu Prag versammelten Na-
turforscliern und Aerzten vorgezeigt wurde, im
amtl. Berichte über die Versammlung deutscher
Naturforscher und Aerzte zu Prag. 1837.
Die Principien der heutigen Physik. Bei
der Feier der Uebernahme des ehemaligen üni-
versitätsgebäudes von der K. Akademie der
Wissenschaften, am 29.0ctober 1857 vorgetragen
523
Magister Thomas Brunns, Beamter
Rogers von Sicilien und Heinrichs II.
von England.
Von
R. Pauli
Das geistvolle, staatengründeude Volk der
Normannen hat bekanntlich um eiue und die-
selbe Zeit gegen Ausgang des 11. Jahrhunderts
und unter vielfach ähulicheu Cmständen, nament-
lich unter dem Segen der römischen Kirche, sich
zu Herreu in Sicilien und in England, in zwei
Inselreichen, zu machen gewußt. Es hat in dem
mediterranen Eiland auf älteren Culturelementen,
hauptsächlich hellenischen und arabischen, zuerst
unter normannischen P'ürsteu und dann unter
dem großen schwäbischen Kaiserhause ein Staats-
wesen aufgerichtet, das auf die Entwicklung des
Reichs wie auf die Berührung des Occidents
mit dem Orient während der Kreuzzüge wesent-
lich eingewirkt, in der kurzen Spanne von kaum
zwei Jahrhunderten aber auch seine glänzende
Bestimmung erfüllt hat. Es bat in Britannien
gleichfalls zuerst unter normannischen , dann in
der Descendenz französischer und einheimischer
Fürsten Institutionen schafiFen helfen , die nicht
nur durch Auswanderung in beide Hemisphären
verpflanzt worden sind, sondern heute im mo-
dernen Europa gleich sehr zur Nachahmung und
zur Abwehr anregen wie mit Ausnahme der alt-
römischen keine andere einheitliche Gesetzgebung,
von der die Geschichte weiß.
Die historische Forschung, namentlich in der
Richtung vergleichender Verfassuu^sgeschichte
ist daher mit Recht wiederholt den Ursprüngen
nachgegangen um die Gründe aufzudecken, wes-
42*
524
halb gewisse Principien der Verfassung und Ver-
waltung in Sicilien mit denen in England über-
einstimmen, weshalb die beiden Inseln aber in
der Folge vielfach entgegengesetzte Wege ein-
schlagen mußten. Daß solche Unsersuchungen
nicht zu großen, vollen Resultaten geführt haben,
liegt einmal darin, daß wir im Einzelnen über
Ausdehnung und Stärke der unmittelbaren Be-
rührung zwischen den beiden Staaten selbst in
der kurzen, streng normannischen Periode, die
sich beider Orten kaum über ein Jahrhundert
erstreckt, aus den vorhandenen Quellen nur sehr
unzulänglich unterrichtet sind, und zweitens daß
man aus demselben Grunde sich gern Annahmen
hingibt, denen die Beweiskraft fehlt. Es liegt
ja nahe, die Herkunft der Eroberer Siciliens und
Englands aus dem gemeinsamen Mutterlande an
der Seine zu verwenden. Aber während z. B.
die Familiengeschichte mancher zu beiden Seiten
des Canals auftretender Geschlechter, die Wirk-
samkeit von Klerikern und Staatsmännern hüben
und drüben ziemlich bekannt ist, haben sich
über die Verbindung der Stammgeuossen am
Faro mit der alten neustrischen Heiraath doch
nur äußerst dürftige Angaben erhalten. Anderer-
seits ist die Kritik heute eher geneigt englischen
Institutionen ihr Normannenthum abzusprechen
oder doch wesentlich zu beschränken, indem sie
älteren, angelsächsischen, oder gemeinsamen, nor-
dischen, Ursprung nachweist und insbesondere
nur die Ausprägung scharfer Formen der Staats-
kunst normannischer Herrscher und ihrer Be-
amten zuerkennt. Die Mitwirkung der Normannen
an dem Ausbau der englischen Verfassung wird
dadurch sehr bestimmt abgegrenzt sowohl gegen
die alle Grundelemente enthaltende angelsächsische
Periode wie gegen die mit dem ersten Könige
525
aus dem Hause Anjou anhebende zukunftreiche
Weiterbildung.
Trotzdem verlohnt es sich wohl allen vor-
handenen Spuren des Austausches zwischen den
beiden Inselstaaten sorgfältig prüfend nachzu-
gehn. Sie sind besonders zahlreich im 12. Jahr-
hundert, bleiben aber an dynastischen, kirch-
lichen und culturlichen Beziehungen bis gegen
den Untergang der Hohenstaufen erkennbar.
Man wird indeß für das 12. Jahrhundert schon
zwei Epochen unterscheiden dürfen: die bedeu-
tende Regierung Rogers von Sicilien (1101 — 1154,
König seit 1130), auf dessen Verwandschaft Erz-
bischof Wilhelm der heilige von York, ein Neffe
König Stephans, sich beruft, und die Zeit seiner
Nachfolger, von denen Wilhelm II. eine Tochter
Heinrichs II. von England heirathet. Der ersteren
gehört an Nicolaus Breakspear, als Hadrian IV.
der einzige Papst englischer Nation, durch eigenen
Verkehr mit den italischen Zuständen ^) eben so
gut wie mit denen Scandinaviens vertraut, dessen
geographische und ethnographische Kunde ihn
befähigte den ersten Anstoß zur Bekehrung
Finnlands von Schweden aus' und zur Unterwer-
fung Irlands durch englische Normannen zu
geben. Ferner Johannes von Salisbury, bekannt
als Kirchenmann, Staatsmann und Philosoph, der
in seinen Briefen und philosophischen Schriften
nicht nur unschätzbare Nachrichten über seinen
Freund und Landsmann, Papst Hadrian, bewahrt,
sondern selber recht eigentlich als ein geistiger
Zwischenträger zwischen Nord- und Südnor-
mannen gelten kann*). Sodann Robert von
1) Residiert von November 1155 bis Juli 1156 in
Benevent, Jaffe R. P. R. 6900 ff.
2) Durchreiste, wie er erzählt, zweimal Unteritalien,
und war befreundet mit seinen Landsmännern Kanzler
526
Salisbury, der im Jahre 1147 dem Könige
Roger als Kanzler ^) und Thomas Brunns,
der , wie wir gleich näher sehen werden , dem-
selben Fürsten nachweislich längere Zeit in einem
anderen wichtigen Staatsamte diente. In der
zweiten Epoche scheint der weite Ruhm, welchen
Thomas Becket als Anstifter der geistlichen Op-
position gegen König Heinrich II. und durch
seinen Märtyrertod in der abendländischen Kirche
gewann, hauptsächlich dazu beigetragen zu haben,
daß eine Reihe englischer Geistlicher auf sici-
lische Bischofsstühle erhoben wurde. Richard
der Pilger (Palmer) erscheint als erwählter Bi-
schof von Syrakus und später als Erzbischof
von Messina unter den Correspondenten Beckets^),
Herbert von Middlesex war zwischen 1169 und
1180 Erzbischof von Conza^). Walter, in sici-
Robert und Papst Hadrian, bei dem er drei Monate in
Benevent zubrachte, Policraticus VI, c. 24 (Opera ed.
GilesIV, p.59), vgl. Schaarschmidt, Johannes Saresberien-
sis S. 81.
1) Willielmus (archiepiscopus Eboracensis) ... ad Ro«
gerum regem Siciliae, cognatum suum, divertit et
cum Rodberto cancellario eiusdem regis ori-
undo de Änglia, scilicet in Salesberia, plurimis
diebns commoratus est. Erat autem Rodbertos potentis-
simus inter amicos regis, pecuniosus et donatus honoribus
magnis. Job. Hagustald. contin. Hist. Simeon. Dunelm.
apud Twysden Decem Scriptores col. 276. Job. Saresb.
Policraticus VII c. 19 (Opp. IV, p. 155) Robertus iam
dicti regis can'cellarius . .. eoque mirabilior in partibus
illia, quod inter Langobardos, quos parcissimos, ne avaros
dioam , esse constat . . . faciebat sumptus immensos et
gentis suae magnificentiara exhibebat . . . erat enim A n«
g 1 i c u 8 natione.
2) S. Thom. Cant. Opp. ed. Giles III, 128. 819. 820.
Pirri in Graevii Thesaurus Antiq. Sicil. II, 293.
8) Ughelli, Italia Sacra ed. 1659 VI col. 999, von Rad.
de Dioeto Ymagines Historiarum ed. Stubbs II, 37 Her-
bertus Aiiglicus uatiouo, uatua in Middelscxia etc. mit
527
lischen Nachrichten mit dem vermuthlich eng-
lischen Beinamen Offamilio, der von 1169 bis
1187 auf dem Erzstuhl von Palermo saß, cele-
brierte am 13. Februar 1177 eben dort die Ver-
mählung der Johanna Plantagenet mit Wilhelm
II.*). Ihm folgte im Erzbisthura sein Bruder
Bartholomaeus, nachdem er von 1172 1187 Bi-
schof von Girgenti gewesen *), Auch wird man
den eingehenden Bericht nicht übersehen dürfen,
den Johannes von Oxford, Bischof von Norwich,
ein von Heinrich IL oft verwendeter Staatsmann,
über seine im Jahre 1176 in Sachen jener kö-
niglichen Heirath in Begleitung von Richard von
Camville, Balduiu Buelot und Paris, dem Erz-
dechanten von Rochester, nach Palermo unter-
nommene Reise abgestattet und dem ihm befreun-
deten Geschichtschreiber Ralph de Diceto, De-
chanten der Paulskirche in London, mitgetheilt
hat^). Endlich ist der bekannte Briefsteller Peter
von Blois zu erwähnen , der jüngere Zeitgenosse
des Johannes von Salisbury, der, nachdem er
am Hofe von Palermo beschäftigt gewesen, von
König Heinrich IL in seine Nähe gezogen wurde.
Unter den genannten nun hat keiner ver-
dem Bischof Ruffas von Cosenza verwechselt, welcher 1184
bei einem Erdbeben zu Grande gieng, üghelli IX, 261.
1) Walterus eiasdem sedis archiepiscopas celebravit
divina idus Februarü, Rad. de Diceto Ymaginea Historia-
rum I, 418.
2) Pirri bei Graevius 11, 77. Die Citate gesammelt
von Stubbs, Chronica Rogeri de Hoveden III p. XCII und
Rad. de Diceto II p XXXI.
3) Ymagines Hietoriarum I, 416.417, doch auch in
den Gest. Henr. II des sog. Benedict I, 117 (Hoveden II,
95). Dazu die Urkunde Wilhelms II. vom Februar 1177,
unter anderen auch von Erzbischof Walter von Palermo
und Bischof Bartholomaeus von Girgenti bezeugt, Bene-
dict I, 71 (Hoveden U, 97).
528
fassungsgeschichtlich einen ähnlichen Namen hin-
terlassen wie Thomas Brunns, oder neuenglisch
Thomas Brown, der zwar in keinem Geschichts-
werke der Zeit, in keinem der zahlreichen
Briefe erwähnt wird, dagegen aber auf englischer
und sicilischer Seite in Urkunden begegnet und
in dem ältesten gleichzeitigen Werke zum eng-
lischen Verwaltungsrecht rühmlichst genannt
wird. Diese merkwürdige Schrift ist der Dia-
logus de Scaccario, eine ausführliche Abhandlung
über das Recht des Exchequer, der Schatz-
kammer, der in ihrer ältesten Gestalt bis an die
Tage Wilhelms des Eroberers hinaufreichenden,
am frühsten aus der Curia regis abgesonderten
obersten fiscalischen Behörde, durch welche ge-
wissermaßen wie in der altpreußischen Hof-,
Kriegs- und Domänenkammer die sämmtlichen
Aemter des Staatswesens zusammengefaßt waren.
Der Dialogus hält sich an die vorhandene Ein-
theilung in ein Scaccarium inferius und superius,
jenes ein Amt zur Aus- und Einzahlung, dieses
eine hohe collegialische Behörde, der eben so
gut wie der Curia regis die oberste Gerichtsin-
stanz zustand.
Dies die Aemter im Einzelnen so wie das
gesammte Geschäfts verfahren genau darstellende
Werk wurde zuerst im Jahre 1711 von Madox
als Beilage zu seiner Geschichte und Alterthümer
des Exchequer der Könige von England von der
normannischen Eroberung bis zum Ende Eduards
IL, einer wegen gediegener Forschung und guter
Methode heute noch bewunderungswürdigen Ar-
beit, herausgegeben ^). Mit Recht ist der Dia-
logus neuerdings von Stubbs in sein handliches
Urkundenbuch zur englischen Verfassungsge-
1) Madox, the History and Antiquities of the Exche-
quer 1711 fol. 1769 2 Vol8 4°.
529
schichte *) vollständig aufgenommen worden. Als
Quelle ersten Ranges haben ihn die namhaftesten
Autoritäten der Gegenwart, wie Stubbs selber
in der Constitutional History of England so
Gneist in dem Easjlischeu Verwaltungsrecht und
Brunner in der Entstehung der Schwurgerichte,
zu Rathe gezogen und erläutert. Der Dialogus
wurde, wie aus ihm selber hervorgeht, im Jahre
1178, spätestens bis zum April 1179 verfaßt
von dem damaligen Thesaurarius Richard Fitz
Nigel, der von 1189 — 1198 auch das Bisthum
London bekleidete. üeber diesen in die Ge-
schichte des Landes, der Institutionen, der Li-
teratur eingreifenden Autor , den Sprossen einer
fast bis in den Anfang des Jahrhunderts zurück-
zuverfolgenden um die Staatsverwaltung der Zeit
hoch verdienten Beamtenfamilie so wie über das
Werk selber handelt eingehend die aus den
Göttiuger Studien hervorgegangene treffliche
Dissertation von Felix Liebermann, Einleitung
in den Dialogus de Scaccario, Göttingen 1875.
Im 5. Paragraphen des ersten Buches sagt
nun der Magister: >Auf der vierten Bank, dem
Großjnsticiar gegenübersitzt oben an Magister
Thoraas, geheißen Brunns, mit dem dritten
Rütulus, der nach einer neuen Verordnung un-
seres Herrn des Königs hinzugefügt wurde, weil
geschrieben steht : ein dreifacher Strick wird
schwerer reißen.« und § 6 sagt der Magister:
»Weiter zu Häupten der vierten Bank den Ju-
sticiarien gegenüber sitzt Magister Thomas, ge-
heißen Brunns. Der hat in der Schatzkammer
kein geringes Ansehn. Seine Treue und Gewis-
senhaftigkeit ist die große und mächtige Ur-
sache, weshalb er von einem Fürsten von so
1) Select Charters and other lUustrations of English
Constitutional History, Oxford 1870, 2 Ed. 1874.
'530
außerordentlicher Einsicht auserlesen wurde um
gegen den alten Brauch einen dritten Rotulus
zu führen , in denselben die Gesetze des Reichs
und des Königs Geheimnisse (secreta regis) ein-
zutragen und ihn in seiner Verwaltung mit sich
zu nehmen wohin er will. Er hat auch seinen
eigenen Schreiber (clericum) in der unteren
Schatzkammer, der neben dem Schreiber des
Schatzmeisters sitzend die unbehinderte Befugniß
hat zu verzeichnen was vom Schatz eingenommen
und ausgegeben wird.« Nun fragt der Disci-
pulus: »Ist denn dem Fürsten seine Treue und
Gewissenhaftigkeit der Art bekannt, daß zu dieser
Arbeit kein anderer so würdig befunden wurde
wie er?« Worauf wieder der Magister: »Er war
groß am Hofe des großen siculischen Königs,
vorsichtig in seinen Rathschlägen und im ge-
heimen Vertrauen des Königs beinah der erste.
Da kam aber ein anderer König, der von jenem
Nichts wußte, der, schlechte Leute zur Seite
habend, den Vater in dessen Leuten verfolgte.
So wurde jener Mann genöthigt, als das Glück
sich wandte , für sein Leben Sorge zu tragen,
und, obgleich ihm mit den höchsten Ehren der
Eintritt zu den meisten Reichen offen stand, so
zog er doch vor , wiederholt von Heinrich dem
erlauchten Könige der Engländer eingeladen,
dessen Ruhm nur geringer ist als die Wirklich-
keit, in das Heimathland und zu seinem erbbe-
rechtigten und besonderen Herrn zurückzukehren
(ad natalesolumet successorium ac siugularem
dominum suum accedere). Von ihm aufgenommen,
wie es beiden geziemte, ist er auch hier, wie er
einst bei dem Sicilier Großem vorgestanden, mit
den großen Geschäften der Schatzkammer betraut.
So hat er gleich wie den Platz auch das ehren-
volle Amt erhalten ; auch wird er mit den großen
531
Herren zu allen großen Geschäften der Schatz-
kammer zugezogen.«
Hierin steckt schon ein Stück Lebensge-
scbichte. Ein aus England, nicht aus der Nor-
mandie gebürtiger Kleriker ist auf unbekannten,
vermuthlich nicht weniger schicksalsvollen Wegen
wie sein Landsmann und Zeitgenosse Nicolaus
Breakspear au die römische Curie, an den Hof
des ersten Normannenkönigs von Sicilien ge-
kommen uud dort zu einem hohen Vertrauens-
amt emporgestiegen. Derjenige König aber, der
von Joseph Nichts wußte, ist Wilhelm der Böse,
welcher 1154 auf Roger folgte in demselben
Jahre, in welchem Heinrich IL, der erste Plan-
tagenet, den englischen Thron bestieg. Es scheint,
daß Thomas gleich anderen Dienern des Vor-
gängers ausgetrieben wurde und für sein Leben
fliehen mußte. Erst seit dem Jahre 1159 taucht
er in seiner englischen Heimath auf. Man er-
fährt aber nicht, wohin er sich mittlerweile ge-
wandt hatte; doch hat ihn Heinrich öfter ein-
geladen (frequenter vocatus). Wahrscheinlich
doch hat er alsbald die im Dialogus so ausführ-
lich geschilderte hervorragende Stellung in der
oberen Schatzkammer eingenommen, die er noch
zwanzig Jahre später nach dem Urtheil des Ri-
chard Fitz Nigel mit so viel Ruhm ausfüllt.
In mehreren sorgfältig von Madox^) gerade
aus den Schatzkammerrollen, den ältesten des
englischen Staatsarchivs, dem Jahr für Jahr ab-
geschlosseneu sogenannten Rotulus Magnus Pipae,
wird uns seiu Dasein vor 1178 so wie späterhin
seine Hinterlassenschaft noch unter Richard Lö-
wenherz bezeugt. Im 5. Jahre Heinrichs IL (19.
December 1158 — 18. December 1159) werden
1) Note zu p. 17 des Dialogus in der Ausgabe von 1711.
532
seinem Neffen Ralph bei der Schatzkammer 6 L
20 d. ausbezahlt^). Im 14. Jahre Heinrichs, also
1168, bezieht er selber sein Quartalgehalt im
Betrage von 9 L. ^}. Im 15 Jahre erscheint er
mit dem Titel elemosinarius regis, wie es noch
im 16. Jahrhundert Wolsey als der allmächtige
Minister Heinrichs VIII. war, und wurden ihm
L. 7. 12. 1 angewiesen 3). Im 22, d. i. 1176 er-
hält er als halbjährliche Bezahlung , man sieht
nicht recht für welche Leistung, 76 s. 1 d. ^). Da
diese Buchungen sämmtlich durch den Sheriff
von Hereford unter der Rubrik Herefordescira
erfolgen, wird er dort an der Waliser Mark be-
gütert, vermuthlich auch gebürtig gewesen sein.
Eine nähere Bezeichnung des von ihm in der
Schatzkammer bekleideten Amts begegnet dabei
nicht Er heißt stets Magister Thomas Brunns,
einmal normannisiert le Brun.
Später wird sein Name wieder angetroffen
in der großen Rolle des 1. Jahrs Richards I. (3.
September 1189 — 2. September 1190), die von
der Record Commission herausgegeben wurde.
Der Sheriff von Hereford legt vor der Schatz-
kammer Rechnung ab über Verwaltung und Er-
träge von Land und mehreren Häusern des Tho-
mas Brunns bei der Stadt Hereford. Der Sheriff
von Hampshire thut dasselbe über Land, welches
Thomas Bronus in der Stadt Winchester besessen^).
1) Et in liberatione constituta Radulfo nepoti Thomae
Bruni VI L. XX d.
2) In Boltis per breve regis Magistro Thomae le Brun
IX L. de liberatione sua de qaarta parte anni.
3) Et Maglstro Thomae Brun elemosinario regis VII L.
12 8. 1 d.
4) Et Magistro Thomae Bruno 76 s. et ob. de dimidio
anno.
6) Magnus Rotulus Pipae 1 Ric. I, 1844 p. 142 de
exitu terre Thomae Bruni extra villam de Hereford ... in
533
Auch in der Rolle des 2. Jahrs Richards!., die
vollständig durch Lichtdruck in den Facsimiles
of National Mauuscripts Part I 1865 wiederge-
geben worden ist, heißt es auf Blatt 13: vice-
comes debet sex solidos de terra, quae fuit Ma-
gistri Brnni in civitate Wintoniense. Obwohl
Thomas in diesen Documenten nicht jedesmal
als Magister betitelt wird, so ist doch an der
Identität des Mauns so wenig zu zweifeln wie
an der Thatsache, daß er im Jahre 1189 bereits
todt war und in West- und Südengland ein nicht
unbeträchtliches Eigenthum an liegender Habe
hinterlassen hatte, dessen Verwaltung und Con-
trole dem königlichen Fiscus zustand.
Da ist es nun von nicht geringem Interesse,
daß derselbe Name mit genau denselben drei
Bestandtheilen in Süditalien in lateinisch und
griechisch abgefaßten in Köuig Rogers Namen
ausgestellten Urkunden begegnet. Vor wenigen
Jahren ist auch wieder hier in Göttingen ein
jüngerer Gelehrter, der sich mit Forschungen in
süditalieniscber Geschichte befaßte , Herr Wil-
helm Behring aus Elbing, auf die hervorragende
Bedeutung aufmerksam geworden, die derselbe
Mann nach dem Wortlaut der Documente bei
dem Könige von Sicilien gehabt haben muß.
Die Herausgeber der Urkunden hatten keine
Ahnung, daß sie es mit einem Engländer zu
thun hatten. Noch hatte bisher die neueste
Geschichtschreibung Süditaliens von ihm Notiz
genommen. Zunächst sind in der Vita Willelmi
abbatis auctore Joanne a Nusco c. 7 in den
AA. SS. 25. Juni *) zwei Urkunden König Ro-
gers für das Kloster S. Maria di Moutevergine
emendatione domornm eiasdem Tbomae p. 205 de terra
quae foit Thomae Bruni in civitate Wintoniense.
1) Neue Ausgabe von 1867 Junius YoL YU p- 113.
534
erhalten, datiert Palermo 8. Kai. Sept. (25. Au-
gust) ind. 15. 1137, und Palermo 8 Kai. Dec.
(24. November) ind. 13. 1140, ausgestellt per
manus Magistri Thomae capellani regis und
werthvoll wegen der Zeitbestimmung so wie
der auf die christliche Kanzlei des Königs hin-
weisenden Amtsstellung. Sodann fand Behring
bei Cusa, Diplomi greci et arabi di Sicilia I,
303 ein von König Roger in Palermo erlassenes
Diplom, dem der Herausgeber kein Datum hin-
zufügt. In dem Auszuge bei Pirri, Sicilia Sacra
I, 391 steht die irrige Jahrzahl 1144, die wegen
der Indiction und des Regierungsjahrs iu 1143
verbessert werden muß. In dem griechischen
Texte hebt die Zengenliste au : zavia de nävia
xarofio^oyrjaag nax' ivvontov Qoyegiov tov vnfQ'
Xccfingov dovxog xal ^oysgiov vnoipKfiov navög-
fiov *al xofjuTÖg Gififcov lov dveipiov ^ftdav xal
(iäaiQO O^cofiä lov ßgovvov xal yovXiilfiov nvQÖXov
X. T. A.i)
Diese von Cusa verzeichnete Urkunde war
aber inzwischen auch dem Scharfblick des Dr.
0. Hartwig, gegenwärtig Vorstand der Univer-
sitäts-Bibliothek zu Halle, nicht entgangen, des-
sen Forschungen seit Jahren die sicilische Ge-
schichte betrefiFen. Er hatte bereits den Magi-
ster Thomas in zwei Diplomen bemerkt, die im
ersten Heft der Documenti per servire alla sto-
ria di Sicilia p. 12 begegnen. In dem ersten
fertigt Thomas die Urkunde im Namen des Kö-
nigs aus , ist also der mit den Geschäften der
Kanzlei vom Könige betraute Beamte. Das
zweite, wieder irrig 1144 statt 1143 datiert, be-
trifit in lateinischer , etwas abweichender Fas-
sung dieselbe Angelegenheit wie die bei Cusa
1) Vgl. auch Radulfi de Diceto Opera Historica ed.
StubbB II p. XXXII.
535
abgedruckte griechische Urkunde mit derselben
Zeugenreihe: astantibas Rogerio duce Apaliae
dilecto filio nostro et Rogerio venerabili electo
Panormi, Simone comite nepote nostro et Ma-
gistro Thoma nostro familiari et Gulielmo
de Perolio etc. Mitten unter den Großen des
Reichs erscheint hier Thomas mit seinem schlich-
ten Magistertitel als farailiaris noster.
Da hat nun Herr Doctor Hartwig, nachdem
ich ihn auf den Dialogus und die Verfassungs-
geschichte von 8tubbs hingewiesen, ein ausführ-
liches Schreiben über diese merkwürdigen insti-
tutionellen Beziehungen der beiden Reiche an
Amari , den berühmten Verfasser der Storia de'
Muselmani in 8icilia , gerichtet, der dasselbe in
den diesjährigen Abbandhmgen der Reale Acca-
demia dei Lincei, Sui divani dell' azienda Nor-
manna in Palermo, abgedruckt und eingehend
vou seinem Standpunkt aus commentiert hat.
Hartwig beleuchtet die großartig organisa-
torische Tliätigkeit König Rogers, der wie Hugo
Falcandus, der Chronist des 12. Jahrhunderts,
schreibt*): aliorum quoque regum ac gentium
consuetudines diligentissime fecit inquiri, ut
quod in eis pulcherrimum aut utile videbatur
sibi transumeret. Quoscumque riros autconsilii
utiles aut hello claros compererat, cumulatis
apud eos ad viitutem beuefieiis, invitabat, was
vollständig auf den Engländer Thoraas paßt.
Hartwig hält sich dann vor Allem an die Aus-
führung^^n Amaris selber über die besonders den
fatimidischen Khalifeu nachgebildete, auch unter
christlichen Herrschern bestehende Amtseinrich-
tung in Sicilien , die namentlich einer sehr ge-
nauen Buchführung über die Finanzen gewidmet
1) Garasios, BibL hist. Siciliae I, 410.
536
war. Er findet üebereinstimmung zwischen dem
Dl van oder der Dohana de secretis und
dem Scaccarium , um so mehr als bei beiden
die fiscalischeu mit richterliehen Geschäften ver-
bunden wären, und behandelt die I^Vage nach
der Priorität, resp. der Nachahmung des einen
Instituts durch das andere. Was läge nun in
der That näher , als in Ma^jister Thomas denje-
nigen zu suchen , der, nachdem er das treffliche
saracenische Rechnungsvyesen kennen gelernt, es
auch nach England verpflanzt hätte. Sogar die
Worte des Dialogus, daß er von Heinrich II.
contra antiquam consuetudinem zur Festigung
der Controle mit der Führung eines dritten Ro-
tulus beauftragt worden sei, würden dafür spre-
chen. Vielleicht gar wäre auf diesem Wege,
füge ich hinzu, die orientalische Bezeichnung
Scaccarium, Echiquier, Exchequer von der schach-
brettartigen Einrichtung des großen Zahltisches,
um den in Westminster die Bänke standen, am
einfachsten zu erklären. A. van der Linde in
dem gelehrten Werke: Geschichte und Litteratur
des Schachspiels 1874 II, 165 findet freilich die
Ableitung von »der Vierung äußerst verdächtig«
und läßt dem Namen Scaccarium altgermani-
sches schach, Raubmord, wie es in ags. scäcan,
concutere, scaher bei Otfried, hochdeutsch
Schacher erscheint, zu Grunde liegen. Aber wie
soll im 12. Jahrhundert in Neustrien und Bri-
tannien eine rein deutsche Wurzel zu einer so
entschieden romanischen Wortbildung , und gar
dem Fiscus als Raubnest zu einem Spottnamen
verholfen haben ? Auch spricht der Dialogus
I, 1 nicht nur von tabula quadrata, sondern
auch von dem darüber gebreiteten pannus . . .
niger virgis distinctus. Da nun aber die Do-
hana de secretis in Sicilien nicht bis hinter das '
537
Jahr 1149 zurück zu verfolgen ist und anderer-
seits in England der Name Scaccarium einzeln
schon unter Heinrieh L, des Eroberers Sohn,
(1100 — 1135) vorkommt und das Rechnungswesen
dieser Behörde bereits in dem Muster einer frü-
heren großen Aufnahme, nämlich im Domesday
Wilhelms I. , vorgezeichnet erscheint , kommt
Hartwig zu dem Schluß, daß die Dohana de se-
cretis jedenfalls von König Roger errichtet
wurde , woan der Engländer Thomas mit seiner
Kenntniß normannisch-englischer Einrichtungen
betheiligt gewesen.
Gegen diese ansprechende Hypothese erhebt
nun Aman als Patriot und erster Kenner der
saracenischen Epoche seiner Heimathinsel eine
Reihe gewichtiger Einwendungen. Er möchte
hyperkritisch selbst die Identität des Magister
Thomas capellanus regis vom Jahre 1137 mit
dem fiaCiQO &(Ofitt tot ßqovvov vom Jahre 1 143
und dem Beisitzer des Scaccarium zu Westmin-
ster im Jahre 1179 bezweifeln und hält den un-
ter König Roger vermuthlich noch jungen Fremd-
ling für ganz ungeeignet um ein auswärtiges
Vorbild zur Nachahmung in Sicilien zu empfeh-
len. Dagegen geht er noch einmal in einer ge-
lehrten , aus den arabischen Quellen schöpfen-
den Abhandlung die Aemter und Behörden durch,
die von den Sitzen der Khalifen in Persien und
Egypten nach Sicilien übertragen allenfalls wie-
der von dort aus auch den christlichen Occideu-
talen zur Nachahmung hätten dienen können.
Er beweist, daß die normannischen Eroberer
durchaus die unter den Muhamedanern bewährte
fiscalische Registratur beibehalten hätten und
daß die Finanzämter während des 12. Jahrhun-
derts insonderheit unverändert geblieben wären.
Von einer ähnlichen Eintheilung wie die durch
43
538
den Dialogus und in der späteren englischen
Praxis bezeugte zwischen einem Scaccarium sn-
perius und inferius, auf welche Hartwig schließt,
und gar von einem collegialisch berathenden
Oberfinanzgerichtshof wie die Curia scaccarii,
Court of exchequer, zu dem die Dohana de se-
cretis passen würde , will er auch nicht die ge-
ringste Spur entdeckt haben. Er kann deshalb
namentlich auch der gelegentlich von Stubbs ^)
hingeworfenen Vermuthung nicht zustimmen,
daß Thomas die sicilische Schatzkammer einge-
richtet habe. Er glaubt überhaupt nicht an
Nachbildung von einer oder der anderen Seite,
weil die Grundlagen und die Structur der mit-
telalterlichen Institutionen in Sicilien zunächst
die arabischen geblieben sind. Trotzdem will
er nicht leugnen, daß zumal unter einem so er-
leuchteten Fürsten wie König Roger besonders
von der Normandie und von England her refor-
mierende Einflüsse zugelassen sein mögen, »ob-
gleich« wie er sagt, »die Beweise fehlen.« Dies
Urtheil erscheint jedenfalls nach Allem, was,
wie wir sehen, nunmehr über Magister Thomas
Brunus fest steht, viel zu schrojff ablehnend.
Obschon der Mann uns urkundllich nur zwi-
schen den Jahren 1137 und 1179 bekannt ge-
worden, obschon wir weder Geburts- noch To-
desjahr kennen und nur wissen , daß letzteres
vor 1189 fällt , so dürfen wir doch annehmen,
daß er etwa dreißigjährig , bald nachdem Ro-
ger die Königskrone aufsetzte, vielleicht zugleich
mit dem Kanzler Robert von Salisbury an den
sicilischen Hof kam und seinen Verbindungen
und Fähigkeiten eine nicht gewöhnliche Ver-
trauensstellung, wie die eine Urkunde von dort
1) Conetitutional History of England I, 8tö.
539
bezeugt, als fa miliaris noster verdankte.
Seine Verwendung spricht für die Weisheit und
den erleuchteten Siun Rogers, die, wie Amari
selbst hervorhebt, kein anderer in so hohen
Tönen gepriesen hat wie Edrisi in der Einlei-
tung zu seinem berühmten geographischen Werke,
der ohne alle Frage die größte Zierde des Hofs
von Palermo war. Der Sturz des Magister Tho-
mas geschah beim Thronwechsel des Jahrs 1154,
nicht beim Regierungsantritt Wilhelms II. im
Jahre 1166, weil sein Name schon in der Schatz-
kammerrolle von 1159 erscheint. Seiner ver-
dienstvollen Thätigkeit in Sicilien, derentwegen
Heinrich II. nicht abließ, bis er ihn in seine
Dienste gezogen, hat der Verfasser des Dialogus
doch ein schönes Denkmal gesetzt, welches auf-
recht bleibt, mögen die Aemter in Sicilien und
in England, in denen er gedient, auch noch so
wenig mit einander zu schaffen haben.
In Bezug auf das englische Exchequer schließe
ich mich dem Ürtheil von Stubbs ^) au , der es
wie der Verfasser des Dialogus selber unentschie-
den läßt, ob das Institut des Fiscus von Wilhelm
dem Eroberer oder schon von den Angelsach-
senkönigen errichtet worden. Nach seiner Mei-
nung ist dasselbe in England und in der Nor-
mandie neben einander gediehen , wobei denn
vielfache Berührung unvermeidlich war. Dort
erscheint der Name Scaccarium unstreitig zuerst
unter Heinrich I. , diesseits erst unter Heinrich
II., wodurch freilich für oder gegen die Priorität
Nichts entschieden wird. Eine 'Ueberführung
aus der Normandie nach England ist früher
weder durch Madox, noch neuerdings durch
Gneist oder Brunner mit Sicherheit nachgewiesen
1) Constitational History of England I, 378. 438.
43*
540
worden, so daß auch Liebermann, der wie jene
beiden Gelehrten S. 110 mit Recht an der Dar-
stellung des Dialogus den normannischen Geist
hervorhebt, diese Frage offen läßt. Daß das
altenglische Staatswesen schön vor der Eroberung
eine ausgebildete fiscalische Behörde besaß, die
wie so manches Andere von den Normannenkö-
nigen nicht unterdrückt, sondern nur in festere
Formen gegossen wurde, daß ihnen fernerhin
auch geborene Engländer so gut wie ihre Lands-
lente und oft treuer als diese dienten, daran ist
auf Grund der Quellen nicht zu zweifeln. Ich
kann daher auch der Auffassung Freeman's '),
den wir gleich Stubbs zu den Correspondenten
unserer Gesellschaft zu zählen die Ehre haben,
keineswegs widersprechen , wenn er den alteng-
lischen Ursprung der Schatzkammer, die Conti-
nuität zwischen ags. hord, norm, fiscus, the-
saurus, scaccarium — letzteres ein Name, der
Anfangs spielend gebraucht worden sei — mit
ähnlich insularem Patriotismus wie Amari noch
stärker betont als Stubbs. Nach Allem, was vor-
liegt, war auch der einfache Kleriker Thomas
mit dem seinem Aeußeren (Haar und Haut) ent-
nommenen Beinamen, ags. b r ü n, fuscus, so wenig
wie Nicolaus, der auf dem Stiftslande von St.
Albans geborene spätere Papst Hadriau IV. nor-
mannischer, sondern englischer Herkunft, aber
eines der vielen Beispiele, wie rasch sich die
beiden Nationalitäten bereits einander näherten
um drinnen und draußen dem Staat mit schöpfe-
rischer Kraft 4u dienen.
1) History of the Norman Conquest of England, V, 435.
541
Ueber das ponderomotorische Elemen-
targesetz der Elektrodynamik.
Von
£. Eiecke.
Es liegt in der Natur der physikalischen
Forschung, daß deujenigen Vorstellungen, welche
wir mit den beobachteten Erscheinungen ver-
knüpfen, eine absolute Wahrheit nie zugeschrie-
ben werden kann. Wir werden dieselben so
lange für wabr, d.h. für der Wirklichkeit ent-
sprechend halten, als keine Thatsachen bekannt
sind, welche mit denselben in Widerspruch sich
befinden, wir werden unsere Vorstellungen än-
dern oder durch neue Vorstellungen zu ersetzen
suchen, sobald wir auf Thatsachen geführt wer-
den, welche in den bisherigen Vorstellungskreis
nicht eingeordnet werden können. In der Mög-
lichkeit verschiedener Vorstellungskreise für ein
und dasselbe Gebiet von Erscheinungen, welche
eine charakteristische Eigenthümlichkeit aller
physikalischen Forschung bildet, liegt aber auch
ein wesentliches Moment für ihre weitere Ent-
wicklung ; denn wenn verschiedene Vorstellungen
auf ein gewisses Gebiet von Erscheinungen gleich-
mäßige Anwendung finden, so erwächst dadurch
immer die Aufgabe, neue experimentelle Thatsa-
chen zu entdecken, durch welche die Alternative
zwischen den verschiedenen Vorstellungskreisen
entschieden wird. Wenn nun auch für das Ge-
biet der elektrischen Erscheinungen in neuerer
Zeit mehrfach der Versuch gemacht worden ist,
die bisherigen Grundlagen der Theorie durch
andere zu ersetzen, so kann mit Bezug auf diese
Versuche von vornherein bemerkt werden, daß
542
es sich bei denselben nicht um eiue Aenderung
jener Grundlagen handelt, welche durch neue
experimentelle Thatsachen mit Nothwendigkeit
gefordert würde, und daß ebensowenig unsere
Grundvorstellung von der Existenz impouderab-
1er elektrischer Flüssigkeiten durch jene Unter-
suchungen berührt wird. Dieselben beziehen
sich vielmehr nur auf die Kräfte , welche ent-
weder von den einzelnen Elementen eines galva-
nischen Stroms auf andere ebensolche Elemente
und auf bewegte Leitereiemeute ausgeübt wer-
den , d. h. auf die elektrodynamischen Elemen-
targesetze, oder auf die elektrischen Gruudkräfte,
welche zwischen den einzelnen in Bewegung be-
griffenen elektrischen Theilchen anzunehmen
sind , damit sich aus ihrer Gesammtwirkung die
Gesetze jener Elementarwirkungen ergeben. Die
Entdeckung dieser elektrischen Grundkräfte bil-
det nur auf dem Gebiete der elektrostatischen
Erscheinungen eine Aufgabe , welche principiell
denselben Grad von Einfachheit besitzt, wie die
entsprechende Aufgabe der Bestimmung der
zwischen den ponderablen Körpern stattfindenden
Gravitationskräfte. Alle elektrodynamischen Wir-
kungen sind Gesammtwirkungen der gleichzeitig
bewegten positiven und negativen elektrischen
Theilchen; eine direkte Bestimmung der Grund-
kräfte ist daher hier nicht möglich , vielmehr
muß das Gesetz derselben errathen werden aus
dem Gesetz der gesammten von allen in einem
Leiterelement bewegten elektrischen Theilchen
ausgehenden Wirkung, d. h. aus dem Elemen-
targesetz. Die Aufgabe, die elektrischen Grund-
kräfte zu bestimmen, wird aber noch weiter
erschwert dadurch, daß auch die von den ein-
zelnen Elementen eines galvanischen Stroms
ausgehenden Elementarwirkungen nicht unmit-
543
telbar Gegenstand der Beobachtung sind, son-
dern daß wir immer nur die Gesammt Wirkungen
beobachten, welche von geschlossenen Stromrin-
geu auf andere eben solche Ringe oder auf be-
wegliche Theile derselben ausgeübt werden. Es
ist nun zuerst Ampere gelungen, für die ponde-
romotorische Wechselwirkung galvanischer Ströme
ein Elementargesetz zu entdecken, welches wir
nach ihm als das Ämperesche Gesetz bezeich-
nen; er hat es aber versäumt für dieses Gesetz
einen directen thatsächlichen Beweis durch ex-
acte Messungen zu geben. Ein solcher Beweis
wurde wenigstens für den Fall , daß die beiden
auf einander wirkenden Stromelemente zweien
geschlossenen Stromringen angehören, erst durch
die elektrodynamischen Messungen geliefert,
welche Weber in der ersten Abhandlung über
elektrodynamische Maaßbestimmungen mitgetheilt
hat. Weber hat sich aber nicht mit dieser
Bestätigung des Ampereschen Gesetzes durch
genaue Messungen begnügt, sondern er hat von
diesem Gesetze aus den Weg gebahnt zu der
Erforschung der elektrischen Grundkräfte , und
hat für die Wechselwirkung elektrischer Theil-
chen das nach ihm genannte Grundgesetz ent-
wickelt. Dieses Gesetz findet dann unmittelbar
Anwendung auf die Bestimmung derjenigen
Kräfte, welche hervortreten, wenn in einem Lei-
terelement die Stärke der galvanischen Strömung
irgend welchen Aenderungen unterworfen oder
wenn dasselbe in irgend einer relativen Bewegung
gegen ein anderes Leiterelement begriffen ist,
d. h. es ergeben sich ans dem Weber'schen
Grundgesetz Elementargesetze für die Erschei-
nungen der Yoltainduction, Da nun die so
ermittelten Inductionsgesetze mit den beobach-
teten Erscheinungen in vollkommener Ueberein-
544
Stimmung sich befinden, so umfaßt die auf dem
Weber'schen Grundgesetze sich aufbauende Theo-
rie in der That das ganze Gebiet der elektri-
schen Erscheinungen. Diese von Weber begrün-
dete Theorie wurde in neuerer Zeit angegrif-
fen durch die Arbeiten von Helmholtz und
Clausius, und es wurde von beiden der Versuch
gemacht, die ihrer Meinung nach fehlerhafte
Theorie durch eine neue zu ersetzen. Helmholtz
hat im Wesentlichen zwei Einwände gegen das
Weber'sche Gesetz erhoben, von welchen übri-
gens der eine nicht so wohl dieses Gesetz, als
vielmehr gewisse accessorische Annahmen betrifft,
die zum Zweck der Untersuchung der galvani-
schen Strömung im Inneren der Conduktoren ge-
macht worden sind. Der zweite Einwand be-
steht darin, daß nach Helmholtz das Weber'sche
Gesetz einen Widerspruch gegen das Princip der
Erhaltung der Energie enthalten sollte. Das
Gesetz, welches Helmholtz an Stelle des Weber'-
schen vorgeschlagen hat, ergab sich dadurch, daß
er einen gewissen formalen Zusammenhang, wel-
chen F. .Neumann zwischen der ponderomotorischen
und elektromotorischen Wirkung geschlossener
Ströme entdeckt hatte, auf die elementaren Wir-
kungen der galvanischen Strömung übertrug;
dieses Gesetz macht also nicht den Anspruch
ein Grundgesetz der elektrischen Wirkungen
zu sein , sondern es giebt zunächst nur einen
einfachen matbematischen Ausdruck, aus wel-
chem als aus einer gemeinsamen Quelle die
verschiedenartigen elektrodynamischen Wirkun-
gen nach bestimmten Regeln abgeleitet werden
können. Die von Helmholtz gegen das Weber'sche
Gesetz erhobenen Einwände sind durch die Ar-
beiten von Weber und C. Neumann widerlegt
worden; es kann sich also jetzt nur noch um
545
die Frage handeln, ob die Gesetze von Helm-
holtz und Weber beide den gegenwärtig be-
kannten experimentellen Thatsachen genügen,
ob sie also diesen gegenüber als gleichberechtigt
zu betrachten sind, oder ob wir gegenwärtig
schon gewisse Erscheinungen nachweisen können,
welche die Alternative zwischen den beiden Ge-
setzen entscheiden. Der von Clausi us erhobene
Einwand gründet sich auf eine Folgerung aus
dem Weber'scheu Gesetze , auf welche ich be-
reits einige Jahre früher aufmerksam gemacht
hatte und welche darin besteht , daß eir.e um
ihre Äxe gedr-hte uud von einem galvanischen
Strom durchflossene Spirale nach dem Weber'-
scheu Gesetze auf einen benachbarten Conduc-
tor eine vertheilende Wirkung ausübt , ganz
ebenso wie sie von einem elektrisch geladenen
Conductor ausgehen würde. Die Prüfung dieser
Folgerung schien mir die Sache einer erst an-
zustellenden experimentellen Untersuchung zusein,
während Clausius aus dem Umstände , daß diese
Wirkung bisher der Beobachtung sich entzogen
hat, die ünzulässigkeit des Weber'schen Gesetzes
folgern zu müssen glaubte. Clausius hat dann
ein anderes Grundgesetz der elektrischen Wir-
kung aufgrestellt, nach welchem jene elektro-
statische Wirkung nicht eintreten würde.
Es möge mir nun gestattet sein, einen üeber-
blick über den Inhalt der Abhandlung, welche
ich der K. G. vorzulegen die Ehre hatte und
eine kurze Charakterisirung der Stellung, welche
dieselbe den im Vorhergehenden erwähnten Ar-
beiten gegenüber einnimmt, zu geben. Nach einer
Vorbemerkung über diejenigen Anforderungen,
welche sich aus dem Princip der Gleichheit von
Action und Reaction für die elektrodynamischen
Wechselwirkungen ergeben , liefert der zweite
546
Abschnitt der Abhandlung einen auf möglichst
sicheren Grundlagen ruhenden und zugleich
möglichst einfachen Beweis des Ampereschen
Gesetzes. Derselbe schließt sich unmittelbar
an die von Stefan über das Grundgesetz der
Elektrodynamik angestellten Untersuchungen
an , indem er zu den von Stefan gemachten
Annahmen nur noch das Princip der Gleichheit
von Action und Reaction in seiner strengen
Fassung hinzufügt. Es ergiebt sich gleichzeitig,
daß das von Stefan aufgestellte Gesetz jenem Prin-
cip nur mit Bezug auf translatorische Verschiebun-
gen genügt, während das Gesetz von Clausius,
welches als ein specieller Fall in dem Gesetz
von Stefan enthalten ist, mit jenem Princip un-
ter allen Umständen in Widerspruch sich befin-
det. Der dritte Abschnitt bespricht einen ähn-
lichen von Carl Neumann gegebenen Beweis
des Ampereschen Gesetzes und zeigt daß derselbe
von einer gewissen speciellen von Neumann ge-
machten Annahme unabhängig ist. Während
die beiden erwähnten Beweise des Ampereschen
Gesetzes synthetischer Natur sind, d. h. von einer
Reihe gegebener Bedingungen aus das Gesetz
allmälig zu konstruiren suchen , enthält der
folgende Abschnitt eine analytische Zerlegung
des Ampereschen Gesetzes in einzelne Kraft-
componenten , welche im Wesentlichen identisch
ist mit der in den Abhandlungen d. K. G. d.
W. vom Jahre 1875 von mir mitgetheilten Zer-
legung. Will man nun auf Grund dieser Zerle-
gung einen Beweis dafür gewinnen , daß das
Amperesche Gesetz die in Wirklichkeit zwischen
zwei Stromelementen vorhandene ponderomotori-
sche Kraft darstellt, so wird einmal zu zeigen
sein, daß allen jenen Kraftcomponenten, in welche
die Amperesche Kraft sich auflösen läßt, meß-
547
bare elektrodynamische Wirkongen entsprechen,
und zweitens, daß keine außerhalb des Ampere-
schen Gesetzes stehenden Wirkungen exsistiren
d. h. es muß nachgewiesen werden, daß das Am-
peresche Gesetz nicht allein der wirkliche, son-
dern auch der vollständige Ausdruck der elek-
trodynamischen Kräfte ist. Es ergiebt sich,
daß unter der Voraussetzung rein translatorischer
Wirkungen zwischen zwei Stromelementen die
Verbindung der Gesetze der Wechselwirkung
geschlossener Ströme , mit den Erscheinungen
der elektrodynamischen Rotationen einerseits
oder mit den Erscheinungen, welche die elektri-
sche Entladung in Geißlerschen Röhren unter mag-
netischer Einwirkung darbietet, andererseits
zum Beweise des Ampereschen Gesetzes genügt.
Die angeführte Zerlegung des Ampereschen Ge-
setzes stellt eine eigenthümliche Beziehung zwi-
schen demselben und dem Gesetze von Helmholtz
her, eine Beziehung, welche mir schon früher
zum Bewußtsein gekommen war , zu deren wei-
terer Verfolgung ich aber erst durch ein genaue-
res Studium der dritten Abhandlung von Helm-
holtz veranlaßt wurde, in welcher dieselbe Bezie-
hung nur von dem entgegengesetzten Standpunkte
aus sich bereits entwickelt fand. Die Beziehnng
ist einfach die, daß bei meiner Zerlegung des
Ampereschen Gesetzes das Helmholtzsche sich
als ein Theil des Ampereschen ergab, während
Helmholtz umgekehrt gezeigt hatte, daß das Am-
peresche Gesetz einen Thejl des seinigen bildet.
Diese Bemerkung wird nun benützt um ans der
im vierten Abschnitt gegebenen Theorie des Ampe-
reschen Gesetzes eine entsprechende Theorie des
Helmholtzschen Gesetzes abzuleiten, in welcher
einige Punkte konsequenter und vollständiger
durchgeführt zu sein scheinen , als in der v on
548
Helmholtz selber der Oeffentlichkeit übergebenen
Theorie. Es folgt aus dieser Theorie, daß die von
Zoellner zur Widerlegung des Helmholtzschen Ge-
setzes augestellten Experimente in der That keine
Beweiskraft gegen dasselbe besitzen. Dagegen er-
giebt sich, daß die bereits erwähnten Erschei-
nungen der elektrischen Entladung in Geißler-
schen Röhren mit dem Gesetze von Helmholtz
sich in Widerspruch befinden, so daß also durch
diese Erscheinungen die Alternative zwischen
den Gesetzen von Weber und Helmholtz zu Gun-
sten des Weberschen Gesetzes entschieden wird.
Das von Helmholtz vorgeschlagene Gesetz ist ein
Potentialgesetz, d.h. es giebt unmittelbar nicht
die zwischen zwei Stromelementen wirkenden
Kräfte, sondern die Arbeit, welche von jenen
Kräften bei einer beliebigen relativen Verschie-
bung der beiden Elemente geleistet wird. In
diesem Sinne besitzt nun auch das Webersche
Grundgesetz der elektrischen Wechselwirkung
ein Potential, und daraus schien mit Noth wen-
digkeit hervorzugehen, daß auch nach dem We-
berschen' Gesetze ein Potential zweier Stromele-
mente existiren müsse. Dieses Potential wird
im sechsten Abschnitte wirklich aufgestellt und es
zeigt sich daß dasselbe identisch ist mit dem
Helmholtzschen Potentiale; nur die Regel, nach
welcher die wirksamen Kräfte aus dem Poten-
tiale abzuleiten sind, ist nach dem Weberschen
Grundgesetze eine andere als die von Helmholtz
befolgte. Mit Rücksicht auf dieses Resultat
könnte man also sagen, daß das Plelmholtzsche
Gesetz sich nicht in Widerspruch befinde mit
dem Weberschen, sondern vielmehr eine Folge
des letzteren sei, daß aber aus dieser Zurückfüh-
rung des Helmholtzschen Gesetzes auf seine tiefer
liegende Quelle eine von den gewöhnlichen
549
Vorschriften abweichende Behandlung desselben
resultire, bei deren Bafolgung alle aas dem
Helniholtzschen Gesetze gezogenen nicht zuläbsi-
gen Folgerungen verschwinden. Der letzte Ab-
schnitt der Abhandlung enthält einige Bemer-
kungen über das Gesetz von Clausins. Dieses Ge-
setz steht nicht in Widerspruch mit irgend wel-
chen bekannten Thatsachen, aber in Widerspruch
mit dem Priucip der Gleichheit von Action und
Reaction. Der schwerwiegende Einwand welcher
sich hieraus gegen das Gesetz von Clausius er-
geben würde, wird dadurch gehoben, daß dasselbe
ein fragmentarischen Gesetz ist , da nach der
Vorstellung von Clausius die Wechselwirkung
zweier elektrischer Theilchen keine unmittelbare
ist, sondern vermittelt durch ein unbekanntes
den Zwischenraum zwi^chen denselben erfüllen-
des Medium ; das Gesetz von Clausius bestimmt
nur die auf die elektrischen Theilchen resulti-
rende Wirkung und läßt die auf jenes vermit-
telnde Medium wirkenden Kräfte ganz unbestimmt.
Doch dürfte von unserem gegenwärtigen Stand-
punkte aus die Wahl zwischen den Gesetzen
von Weber und Clausius nicht zweifelhaft sein,
da zwar beide mit den beobachteten Erschei-
nungen in Uebereiustimmuug sich befinden,
aber das Gesetz von Weber diese Erscheinungen
nur von bekannten Verhältnissen abhängig
macht, während das Gesetz von Clausius eines
vermittelnden Körpers bedarf, von dessen Exi-
stenz und Eigenschaften wir nicht die mindeste
Kenntuiß besitzen.
Die seit einer Reihe von Jahren über das
Webersche Gesetz geführte Controverse hat das
eigenthümliche Resultat gehabt, daß gerade da,
wo die Gegner desselben eine schwache Stelle,
einen Widerspruch mit den Principien der Me-
550
cbauik zu entdecken glaubten , ein unerwarteter
Reichthum und eine vollkommene Harmonie mit
jenen Principien durch die Abhandlungen von
Weber enthüllt wurde. In diesem Sinne dürf-
ten auch die in der vorliegenden Abhandlung
mitgetheilten Untersuchungen einen Beitrag zu
unserer Kenntniß des Weberschen Gesetzes ent-
halten.
üeber eine Gleichung zwischen Theta-
Functionen.
Von
A. Enneper.
In den „Comptes Rendus" vom Jahre 1877
(t. LXXXV p. 731) hat Herr Her mite eine be-
merkenswerthe Relation zwischen Theta-Functio-
nen mitgetheilt und dieselbe zur Integration
einer Differentialgleichung verwandt. Die be-
merkte Relation läßt sich ohne große Rech-
nung aus Jacobi's Multiplications-Theorem der
Theta -Functionen ableiten, wie im Folgenden
gezeigt werden soll.
Die Argumente w^ w^ etc. seien durch fol-
gende Gleichungen verbunden:
1)
w-{-x-\-y-{-z w-\-x — y — 0
^v^ = 2 ' "'^ = 2 '
w — x-\-i/ — £f w — X — y + ^
yi = ö ' ^1 = ~~~' 9 •
Man setze;
551
2) s = At^x)A(^i)A(yi)/^sW,
^0 ft A» A' ^"^ A beliebige Functionen ihrer
Argumente sind. Mit Rücksicht auf die Glei-
chungen (1) findet man leicht:
Sdw'^ Sdx "^ Sdy'^ Sde "" Ä«^*
Multiplicirt man mit 5, so ist nach 2)
dS d^ d^ dS _
dw dx dy dz
3) '^f>,)fr{x,)f^{jy,)f,{z,).
Setzt man ic = — {^-{-y-\-e), dann aus 1)
die Werthe von x^ , ^j und z^ , so geht die
Gleichung (3) in folgende über:
\iS.d^dJd_S^
^ Idw^ dx'^du^djsi
dy dzJw-\-x-\-t/-{-z = 0
^no)f^i-y-^)fA-^-^)fA-y-^)^
Mit Hülfe dieser allgemeinen Gleichung läßt
sich die von Hrn. Herrn ite gegebene Relation
ohne Schwierigkeit ableiten.
Man setze mit Jacobi:
552
In den vorstehenden Summen ist i = ]/^,
das sumrairende Element n nimmt alle ganz-
zahligen Werthe von — 00 bis -{~ 00 an.
Aus dem Fundamental -Theorem Jacobi's,
enthalten in der Gleichung:
+ ^2 («^1) '^2 (^1)^2 (2/1) ^2(^1)
leite man zwei weitere Gleichungen ab, indem
n
zuerst m;, x, y, z sämmtlich um — zunehmen,
in der so erhaltenen Gleichung lasse man darauf
w allein um n zunehmen. Die Summe der bei-
den bemerkten Gleichungen führt zu dem fol-
genden Resultate:
5) 'l^{w)a\x)^{y)^{,z) =
— '>2(^^l)^2(^l)^2(yi)"^2(^l)
+ ^w,)d{x,)^y,)^z,)
-^i(«'i)^i(^i)^i(2/i)^i(^i)'
Man identificire jedes der rechts stehenden
Producte von vier Theta- Functionen mit dem
in 2) aufgestellten Ausdruck für Ä, wende dann
auf jedes dieser Producte die Gleichung 4) an. Da
^'(0) = 0, ^',(0) = 0, ^'3(0) = 0,
so bleibt rechts nur das Product übrig, welches
von ^1 abhängt. Wendet man also die Glei-
chung 4) auf die Gleichung 5) an, so folgt, nach
Division durch 2
553
6) ^^'^x^y^z)^{x)&iif)&{z)
+ ^x^y + z)^x)d'{y)a{z)
J^i^{x-{-y^z)a{x)^y)&-{^) =
was die zn beweisende Relation ist. Statt von
der Gleichung 5) auszugehn, kann man ähnli-
che Gleichungen zu Grunde legen, bei welchen
auf der linken Seite das Product von vier Fune-
tionon i? durch die Producte von vier Func-
tionen v^3, i9-jj oder i^^ ersetzt ist. Die vier
Terme aut der rechten Seite wechseln dabei be-
kanntlich nur ihre Vorzeichen. Die Resultate,
welche sich so ergeben , lassen sich auch aus
der Gleichung 6) herleiten, wenn x, y, z sämmt-
lieh um eine der Quantitäten — , — ^— , — -j 2_i
zunehmen. Auf der rechten Seite der Gleichung
6) werden die Functionen ^^ , abgesehn von
einem Factor, reproducirt, während auf der lin-
ken Seite der Reihe nach die Functionen ^3, d-^
und v^2 an Stelle der Function ^ treten.
Eine andere Art von Relationen ergiebt sich,
wenn in der Gleichung 6) je zwei der Quanti-
.... , n ilog^ n ilogg
taten a;, 2/ und ^ um -, — ^, - -j ^ zu-
nehmen.
Von diesen Relationen hat Hr. Her mite
eine aufgestellt, welche aus der Gleichung 6) für
44
554
folgt. Man erhält in diesem Falle die nachste-
hende Gleichung:
— ^'(a; + a + &) d-{x) »M ^M
-f- ^(a; + a + &) ^'(x) ^i(a) ^^{b)
']-^x + a+h)^{x)^\{a)&^{h)
-\-^x + a-\-b)d-{x)»M^\i^) =
^\{0)^,(a + b)d;{x-^b)&,{x-\-a).
Weitere Aufstellungen ähnlicher Gleichungen
mit Hülfe der Gleichung 6) bieten keine Schwie-
rigkeiten dar, so daß eine Ausführung solcher
Gleichungen hier unterbleiben kann.
Nimmt man in der Gleichung 6) ^ = 0, di-
vidirt durch ^0) d(x) ^(ij) ^ix-\-y) setzt &\{0)
— ^(0) »^aW "^aW' führt rechts die elliptischen
Functionen ein , so erhält man die bekannte
Gleichung Jacobi's
^ix)'^yiy) »(x + ij)'^
2Kh^ . 'iKx . 2Ky . 2K. . ,
— — sm am sm am sin am — [x-\- y).
n TT n n
Ans dieser Gleichung leitet man leicht die
folgende ab:
1 ^"^±11
dx ^(2/)
2JO;» . 2Kx . 2Ky . „^2^/^ , „%
sm am sm am — - sin am — k<^-t y)-
n n n n
555
Bedeutet 6 eine beliebige Constante, setzt
man
und:
2Ky 2Ky
Sin am
so folgt:
2Ky ^ 2Ky
cos am J am
n n
dt_ ___ 2^r
dx ~ "tT 2Z«
L sin am
smam
n
. , . 2JKa; . 2Zy . 2K
-\- k^ sin am sm am sm am
IK 1
Diese Gleichung führt für t auf folgende li-
neare Diflferentialgleichung zweiter Ordnung:
d^ ^
dx* ~
^)'{2i.sin.ao.f^-(l+.») + --i ].
(2K\\[^,^ . „ 2Kx
l l-4-A-2 1_I_
2Ky.
DIU aul
n
44*
556
Die vorstehende Differentialgleichung, in un-
wesentlich anderer Bezeichnung, fällt mit einer
der Gleichungen zusammen, welche Hr. Her-
rn ite (1. c. p. 824) auf ganz verschiedenem
Wege aufgestellt hat.
Die mittlere Tiefe der Oceane und das
Massen verhältniß von Land und Meer.
Von
Dr. Otto Krümmel.
(Vorgelegt von Wappäus.)
Die UnZuverlässigkeit der vagen und sehr
schwankenden Schätzungen, welche in den Lehr-
büchern für die mittlere Tiefe der Oceane gegeben
werden, bewog mich vor längerer Zeit, an der
Hand des in den letzten Jahren so reichlich gefloß-
nen Materials, eine möglichst sorgsame Berech-
nung der mittleren Beckentiefe der Meeresräume
vorzunehmen. Es lagen für den nordatlautischen
Ocean eine große Zahl von Sondirungen, kar-
tographisch dargestellt von Hermann Berg-
haus (in Stiele r's Handatlas) vor, für die
Südsee gleichfalls eine hinreichende Zahl von
Messungen, welche Peter man n auf einer schö-
nen Tiefenkarte niedergelegt hat, deren leere
Räume sich in erwünschter Weise durch die Be-
obachtungen an den Meerbebenwellen ergänzen
lassen. Für den südatlautischen Ocean entwarf
ich nach den Messungen zweier englischer Ex-
peditionen (Hydra und Challenger) und der
deutschen (S. M. S. Gazelle) selbst eine Tie-
fenkarte ; für den indischen Ocean , sowie für
die ostasiatischen Randmeere, den australasiati-
schen Archipel, das Mittelmeer und die Ostsee
benutzte ich die englischen , für die Nordsee die
557
deutschen Admiralitätskarteu , welche sämmtlich
ein reichhaltiges Material darboten. Für den
größten Theil der Nordpolarräume ergaben die
zahlreichen wichtigen Karten in Petermann' s
„Mittheilungen" erwünschten Aufschluß. Gar
kein Material , auch nicht einmal ein Anhalt für
Schätzungen, lag vor aus dem antarktischen und
einem Theile des nordischen Eismeers, zusam-
men für etwa 475000 Quadratmeilen oder 7%
der Gesammtmeeresfläche. Das Resultat meiner
Berechnungen kann in Folge dessen nur eine
Reihe von Näherungswerthen sein, und als et-
was anderes beanspruchen die im Folgenden
mitgetheilten ZifiFern nicht betrachtet zu werden
Dimensionen der Meeresräume.
IMittlere Tiefe j Areal inQaa-
Faden I EilomJ dratmeilen
1. Atlantiscber Ocean
2013 3.681
1 394 375
2. Indischer Ocean . . .
1829 3.344
1 340 295
3. Südsee
2126 3.887
2 850 890
4. Südliches Eismeer . .
1800? 3.3?
375 000?
5. Nördliches Eismeer .
845
1.545
246 600
6. Australasiatisclier Arch.
487
0.891
142 700
7. Amerikan. Mittelmeer
1001
1.832
82 710
8. Romanisches Mittelmeer
729
1.339
52 405
9. Baltisches Mittelmeer
36
0.067
7 545
10. Rothes Mittelmeer . .
243
0.444
1 8 075
11. Persisches Mittelmeer
20
0.037
1 4 300
12. Die Nordsee ....
48
0.089
1 9 945
13. Der Canal etc. . . .
47
0.086
i 3 700
14. St. Lorenz-Golf . . .
160
0.290
4 775
15. Ostchinesisches Meer .
66
0.121
22 310
16. Japanisches Meer . .
1200
2.200
! 18 105
17. Ochotskisches Meer .
1 830
1.515
26 130
18. Berings-Meer . . .
i 550
1.000
40 845
Die 3 offenen Oceane (1—3
2026
3.705
j 5 585 560
Die Mittelmeere (5-11) .
; 740
1.353
! 544 335
Die Randmeere (12—18) .
' 386
0.706
1 125 810
Das Weltmeer (1—18) .
n87r
8.432
' 6 630 705
558
Es beträgt also die mittlere Tiefe der ge-
sammten Meeresräume ungefähr 1877 FathomS
oder 3432 Meter oder 0.4624 Geogr. Meilen.
Die Details der Berechnung ^) und Näheres über
die in der Tabelle angedeutete neue Eiutheilung
der Meeresräume sollen andern Orts ausführli-
cher mitgetheilt werden. Es sei hier nur be-
merkt, daß ich die Gesammtmeeresfläche wahr-
scheinlich um etwa 156000 Quadratmeilen, also
um 2% zu klein gefunden habe — eine Folge
der rohen Methode der Arealberechnung, auf
welche ich angewiesen war. In den nachfolgen-
den Berechnungen nehme ich eine größere Fläche,
nemlich 6786000 Quadratmeilen dafür an, welche
sich ergiebt, wenn man das Areal der fünf Con-
tinente (2 454 000 nach H. Wagner), ver-
mehrt um das der Polarländer (etwa 21000 Qua-
dratmeilen), von der Gesammtoberfläche der Erde
(9 261 000 Q. M.) abzieht. Wir bleiben also bei
dem gegenwärtig geltenden Flächenverhältniß
von Land zu Wasser wie 1 : 2.75.
Es liegt nahe, die mittlere Erhebung der
Festländer über dem Meeresniveau mit der mitt-
leren Tiefe der Oceane zu vergleichen. Es man-
gelt aber noch an einem zufriedenstellenden
Werthe für die erstere. Die Berechnung H u m-
boldt's (Kleinere Schriften S. 438) auf die wir
uns allein beziehen können, muß als gegenwär-
tig völlig veraltet betrachtet werden. Er hatte
erhalten als Mittelhöhen für:
Asien 350 Meter
Südamerika 345 »
Nordamerika 228 »
Ganz Amerika .... 284 »
Europa 205 »
1) Die Methode hat P esc hei in seinen Neuen Prob-
lemen (S. 78 der 2. Aufl.) angegeben.
559
Für Afrika und Australien hat er vermieden
Hittelzahlen auszuwerthen ; doch glaubte er die
für Europa, Asien und Amerika allein gefunde-
nen Ziffern benutzen zu dürfen, um darnach
eine annähernde Mittelerhebung sämmtlicher Con-
tinente über den Meeresspiegel zu berechnen.
Er fand sie zu
Cj = 308 Meter.
Seitdem haben sich wohl die Hohenmessun-
gen in allen Ländern beträchtlich vermehrt, aber
der Versuch Humbold t's hat bisher nur für
Europa Nachahmung gefanden. Die Berechnun-
gen von Gustav Leipoldt, mit musterhafter
Sorgfalt und strenger Methode ausgeführt, er-
gaben jedoch einen von dem flumboldt'schen
stark abweichenden Werth; Leipoldt fand
nemlich die Mittelhöhe Europas zu 296.84 oder
rund 300 Meter. Humbold t's Ziffer ist also
also um 0.44 zu klein. Setzen wir den Fall,
Humboldt habe sich auch bei den andern Con-
tinenten um die gleiche Quote geirrt, so wür-
den wir nach Verbesserung dieses Fehlers er-
halten :
Europa 300 Meter
Asien 500 >
Amerika 330 >
Geben wir nun Afrika dieselbe Höhe wie
Asien , Australien aber eine Mittelhöhe von 250
Meter, so würden wir als mittlere Erhebung
aller Festländer über der Meeresoberfläche er-
halten :
c = 420 m = 0.0566 Meilen.
Also darnach als Volum aller Festländer über
dem Meeresniveau:
C = 140 086 Cubikmeilen.
Dagegen erhalten wir als Inhalt der Meeres-
560
räume, deren Fläche zu 6 786 000 Quadratmei-
len, und Tiefe zu i = 0.4624 gesetzt, den Werth :
0 = 3 138 000 Cubikmeilen.
Während sich also die Continentalf l äche
verhält zur Meeresfläche wie 1:2.75, verhal-
ten sich die Volumina beider wie 1 : 22,4. Man
könnte also die Continente, soweit sie über dem
Meeresspiegel liegen, 22.4 mal in die Meeres-
becken hineinschütten.
Die Continente aber sind, nach H u m b o 1 d t's
Ausdruck, gewaltige Plateaus, die vom Meeres-
boden aufsteigen. Die uns sichtbaren Festlän-
der ruhen also auf mächtigen Sockeln, deren
Höhe gleich ist der Mitteltiefe der Meere. Die
Gesammterhebung dieser Festlandmassive oder
Erdfesten beträgt also
t-\-c = 0.519 Meilen == 3.852 Km.
Das Volum der Erdfesten also:
F = 1 284 500 Cubikmeilen.
Es könnten also die Festlandmassive (gerech-
net vom. Niveau des Meeresbodens an) in den
Meeresbecken nur 2.443 mal untergebracht
werden.
Was wir bisher verglichen haben, waren nur
die Räume des Meeres und Festlandes; wollen
wir auch die Massen beider vergleichen, so
müssen wir die Volumina mit den entsprechen-
den specifischeu Gewichten multipliciren.
Bei 0°C und einem Salzgehalte von 3.5%
ist das specifische Gewicht des Meerwassers
= 1.02946, und es ändert sich nach der von
J. Hann gegebenen Formel;
5= 1.02946— 0.000 006 (6.7-f !f>+0.0O77(p— 3.5)
wobei s das specifische Gewicht, t die Tempe-
ratur nach der hunderttheiligen Skala und p
561
den Salzgehalt in Procenten bedeutet. Wir neh-
men für unsre Rechnung den Salzgehalt der ge-
sammten Meeresräurae zu 3.5°/o an , da kein
Grund vorliegt, von diesem Mittelwerthe abzu-
weichen. Die mittlere Temperatur der Meeres-
gewässer aber haben wir nach 10 Temperatur-
profilen, entworfen nach den Messungen der
Challenger Expedition , zu 3.8° C. gefunden.
Setzen wir diese Werthe in die obige Formel
ein, 80 erhalten wir s = 1.02922. Daraus er-
giebt sich als Masse der Meeresräume:
Jlfo = 3 229 700 Cubikmeilen.
Dem gegenüber finden wir als Masse der Erd-
festen, deren specifisches Gewicht nach der all-
gemeinen Annahme gleich 2.5 gesetzt,
M^ = 3 211 310, also
Mo — M^ = 18 390.
Es zeigen sich also die Massen der Erdfesten
(vom Meeresboden ab gerechnet) und des Meeres
nahezu gleich; wir brauchen das specifische Ge-
wicht des Festlandes nur von 2.5 auf 2.51432
zu erhöhen , um das Gleichgewicht beider Mas-
sen völlig herzustellen.
Die Massen , die sich hier gegenübergestellt
werden , sind so gewaltige , daß die Fehler in
unseren Mittelwerthen am Gesammtresultat we-
nig ändern. Setzen wir beispielsweise als Mit-
telhöhe der Festländer über dem Meeresspie-
gel den älteren Humboldt'schen Werth ein,
Ci = 0,0415 Meilen, so würden wir erhalten:)
Ci = 1 02^7 300 Cubikmeilen
Fl = 1 247 120
M^^ = 3 117 880
m—M^^ = 111 820
Wir müssen , um iLTo = Jtfp zu machen, das
562
specif. Gewicht des Festlands immer nur auf
2.5897 erhöhen — was innerhalb der bisheri-
gen Sehätzungen bleibt, welche von 2.5 bis 2.6
schwanken.
Nehmen wir ferner versuchsweise an, die von
uns gefundene (wahrscheinlich um 2% zu kleine)
Meeresfläche (6 630 705 Q. Meilen) wäre die
richtige, so würden wir darnach erhalten:
Ol = 3 066 260 Cubikmeilen
Mo, = 3 155 850 >
Mo^ — M^ = —55 460 »
Moi-M^^= 37 970
Um Mo, = Mjj zu machen, müßte das specifi-
sche Gewicht des Festlands = 2.4557, und um
Moi == Mf, zu machen, = 2.5043 werden.
Man sieht, wie wenig etwaige Fehler in den
von uns zu Grunde gelegten Arealen oder Hö-
henziffern im Stande sind, das Gesammtresultat
zu beeinflussen. Wir dürfen somit aussprechen,
daß es mehr als wahrscheinlich ist, daß
Gleich.ge wicht herrscht zwischen der
irdischen Meeresdecke und den Erd-
festen. Wir unterlassen mit Vorbedacht, über
die Ursachen dieses Gleichgewichts Speculatio-
nen anzustellen; wir wissen nicht, ob und
warum esnothwendig so ist. Hier mag es
gestattet sein, noch auf eine Schlußfolgerung
geologischer Natur hinzuweisen. Es wird viel-
fach angenommen, daß in zurückliegenden Welt-
altern das Areal der Landflächen beträchtlich
kleiner gewesen sei als heute. W^enn nun das
Gleichgewicht der Land- und Wassermassen sich
nicht nur als ein momentan und zufällig, son-
dern nothwendig und dauernd herrschendes Ge-
setz erweisen sollte, so müßte damals das spe-
cifische Gewicht der Festlandmassive ein ent-
563
sprechend höheres gewesen sein als hente: eine
Schlußfolgerung, welche wirklich in der That-
sache Bestätigung finden würde, daß die älte-
ren Gesteine auch immer die specifisch schwere-
reu sind.
DniTersität
Der ordentliche Professor der juristischen
Facultät in Breslau Dr. L. von Bar ist vom 1,
April nächsten Jahrs ab als ordentlicher Professor
in die juristische Facultät dieser Universität
versetzt.
Als Privatdocent^n haben seit der letzten Be-
richterstattung darüber sich habilitiert :
in der juristischen Facultät 23. July 1876 Dr.
Wilh. Sickel aus Roßlebeu für deutsche Rechts-
geschichte und deutsches Privatrecht mit Aus-
schluß des Handels- und Seerechts; Dr. Victor
Ehrenberg 31. Jul. 1877 aus Wolfenbüttel
für deutsches Privatrecht, deutsche Rechtsge-
schichte und Handelsrecht; 23. Oct. 1877 Dr. Aug.
von Kries für Criminalrecht und Criminalprozeß.
in der niedicinischen Facultät; 11. Juli 1877
Dr. Richard Deutschmann aus Liegnitz, Assi-
stent an der Üniversitäts-Augenklinik, für Augen-
heilkunde ; 27. Oct. 1877 Dr. B. R i e d e 1 aus Laage
in Mecklenburg, Assistent an der hiesigen chirur-
gischen Klinik, für Chirurgie und 22. Decbr.
1878 Dr. Kurd Bürkner aus Dresden für Ohren-
heilkunde.
in der philosophischen Facultät: Dr. Fritz
B e c h t el, aus Durlach für vergleichende Sprach-
wissenschaft.
564
Seit unserem letzten Berichte über die Uni-
versität hat dieselbe die Jubiläen dreier Profes-
soren gefeiert: am 30. Juli das Doctorjubiläum
des Professors Bohtz, am 1. October das Dieust-
und Lehrerjubiläum des Prof. und Medicinalraths
Wiggers und am 24. October das Doctorjubi-
läum des Professors Benfey.
Se. Majestät der Kaiser und König geruheten
huldreichst den Jubilaren den Kronenorden 3.
Classe zu verleihen, welcher ihnen von dem Herrn
Curator der Universität mit seinen persönlichen
Glückwünschen übergeben wurde. Die Universität
und die philosophische Facultät beglückwünschten
die Jubilare in üblicher Weise durch Deputationen.
Außerdem empfingen die Jubilare noch son-
stige vielfache Beweise herzlicher Theilnahme
und Ehrenbezeugungen.
Herr Prof. Boh tz ward insbesondere erfreut
durch ein herzlichstes Glückwunschschreiben
eines seiner ältesten Freunde und Fachgenossen,
des Professors der Philosophie Rosenkranz in
Königsberg.
Herr Medicinal-Rath Wiggers empfing von
Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Schaumburg-
Lippe den Lippschen Hausorden 2. Classe und
von den Schauraburg-Lippe'schen Regierungs-
räthen ein außerordentlich herzlich und wohl-
wollend abgefaßtes Glückwunschschreiben mit
besonderer Anerkennung der auch nach Aufhe-
bung der von dem Jubilar langjährig im Königreich
Hannover ausgeführten General - Inspectiou der
Apotheken für das Fürsteuthum beibehaltenen In-
spectiou der Apotheken. Die hiesige medicinische
Facultät verlieh dem Jubilar die medicinische
Doctorwürde honoris causa. — Eine eben so
herzlich wie sinnreich abgefaßte und prachtvoll
ausgestattete Glückwuuschadresse mit eigenhän-
565
diger Unterschrift von 329 Apotheken-Besitzern
und sonstigen früheren Schülern, sprach dem
Jubilar aufs Neue die Liebe und Dankbarkeit
aus, welche ihm auch schon nach Aufhebung der
Geueral-Inspection der Apotheken in der Provinz
Hannover von sämmtlichen Apotheken-Besitzern
derselben durch Stiftung einer Wiggers-Stiftung
zu Stipenden für hier studierende Pharmaceuten
bezeugt worden waren. Eiu dem Jubilar zuge-
dachter Fackelzug ward der Ferien wegen bis zu
Anfang des nächsten Semesters aufgeschoben.
Herr Prof. Benfey wurde außer durch die
Üniversitätä-Deputation auch durch eine Depu-
tation der Königlichen Gesellschaft der Wissen-
schaften beglückwünscht, bestehend aus dem be-
ständigen Secretär, dem Herrn Geheimen Ober-
Medicinal-Rath Wo hier, dem zeitigen Director,
Herrn Geheimen Hofrath Weber und dem Herrn
Professor Wüstenfeld, der zugleich als Depu-
tierter der deutschen Morgenländischen Gesell-
schaft ein Diplom übergab, durch welches der
Jubilar zum Ehrenmitgliede dieser Gesellschaft
ernannt ward. — Eine Deputation früherer Schü-
ler, bestehend aus den Herren Dr. Georg Bühler,
Educational Inspector der Präsidentschaft Bom-
bay in Ostindien, Dr. Adalb. Bezzenberger
und Dr. Bechtel, überreichte eine zu Ehren
des Jubilars veröffentlichte und demselben ge-
widmete Festschrift, enthaltend Abhandlungen
von Leo Meyer, Staatsrath und Professor zu
Dorpat, Theodor Nöldeke, Professor in Straß-
burg, Georg Bühl er, August Fick, Professoi*
hieselbst , Joseph B u d e n z, Professor und Aka-
demiker in Budapest, Dr. Jacob Wackernagel,
Docent in Basel, Dr. Ad. Bezzenberger, Do-
cent hieselbst und Dr. Theodor Zachariae in
London. — Herr Director Schöuing beglück-
566
wünschte den Jubilar im Namen des gesammten
Lehrkörpers des hiesigen Gymnasiums in wel-
chem der Jubilar seine Schulbildung empfangen
hatte. Von der Deputation der philosophischen
Facultät überreichten Herr Hofrath ßertheau
zugleich im Namen der philosophischen Facultät
zu Heidelberg eine höchst ehrenrolle Votivtafel
und Hr. Professor Stern eine gleiche im Namen
der philosophischen Facultät zu Kiel. — Außer
diesen beiden Gratulationstafeln waren ähnliche
unmittelbar an den Jubilar gesandt von den phi-
losophischen Facultäten zu Halle , Straßburg,
Marburg und München. — Ebenso hatten die Aka-
demien der Wissenschaften zu Berlin und Mün-
chen Gratulationsschreiben eingesandt. — Eine
Schrift, welche vom Professor Angelo de Gu-
bernatis dem Jubilar zu Ehren seines Ju-
biläums gewidmet ist, nämlich Gli scritti del
Padre Marco della Tomba u. s. w. diente zum
Empfange der Mitglieder des Internationalen
Orientalisten -Congresses welcher im September
in Florenz versammelt gewesen und war ihm
schon am 12. September eingehändigt. Am 24.
October traf dann noch der ihm vom Professor
Alb. Weber zu diesem Tage gewidmete 15.
Band der Indischen Studien ein. — Die Studen-
tenschaft hieselbst bewies ihre Theilnahme durch
einen solennen Fackelzug und einen Commers
zu welchen sie ihn so wie den Herrn Medici-
nalrath Wiggers, dem der Fackelzug gleichfalls
galt, einlud.
Außer über diese glücklichen Ereignisse ist
auch noch über zwei Todesfälle zu berichten,
welche die Universität in diesem Jahre noch
betroffen hat. Am 14. August starb der Unter-
Bibliothekar, Rath Dr. Stromeyer, Privatdo-
567
Cent in der medicinischen Facultät und am 25.
November der außerordentliche Professor iu der-
selben Facultät Dr. Kraemer.
Eduard Christian Friedrich Stromeyer,
Sohn des i. J. 1835 verstorbenen Professors der
Chemie, Friedrich Stromeyer war geboren zu
Göttiugen am 18. Octb. 1807, besuchte die Schule
daselbst und in Holzminden und studierte in
Göttingen Medicin uud Naturwissenschaften seit
Michaelis 1826, nachdem ihm schon i. J. 1822
bei der Feier des Doctorjubiläums seines Groß-
vaters, des Hofraths Dr. med. Johann Frie-
drich Stromeyer von dem damaligen Prorector,
Professor Bergmann die Matrikel eines Zög-
lings der Georgia-Augusta ertheilt worden. Am
26. Nov. 1831 erhielt er hier die medicinische
Doctorwürde , und trat hier, nachdem er auf
einer wissenschaftlicheu Reise noch Würzburg,
Berlin, Prag, Wien und Paris besucht hatte,
nach abgelegtem Staatsexamen im Jahre 1835
als praktischer Arzt und Ostern 1836 als Privat-
docent in der medicinischen Facultät auf. Ostern
1838 wurde er Accessist bei der Bibliothek, wo-
rauf er seine medicinische Praxis aufgab und
fortan seine Hauptthätigkeit der Bibliothek ge-
widmet hat, an welcher er 1844 zum Secretär
und 1872 zum Unter-Bibliothekar ernannt wurde,
nachdem ihm schon i. J. 1866 als Zeichen be-
sonderer Anerkennung seiner Amtsführung das
Prädicat »Königlicher Rath« ertheilt worden.
Der Verstorbene war auf der Bibliothek über
dreißig Jahre lang mit der Ausgabe der hier
und nach auswärts verliehenen Bibliotheks-Bücher
betraut und- hat dies immer umfangreicher ge-
wordene Geschäft bis kurze Zeit vor seinem
Tode stets mit so ausgezeichneter Pünktlichkeit
und Liebenswürdigkeit besorgt, daß ihm auch
568
außerhalb der Universität in weiten Kreisen ein
dankbares Andenken bewahrt werden wird.
Johann Christian Albert Kraenier ist zu
Göttingen 31. März 1816 geboren, erhielt da-
selbst seine wissenschaftliche Vorbildung und
studierte hier Medicin. Im Jahre 1842 erwarb
er hier die medicinische Doctorwürde, besuchte
danach zu seiner ferneren Ausbildung mit dem
jetzt gleichfalls verstorbenen Professor Dr. Max
Langenbeck noch die Pariser Hospitäler, ha-
bilitierte sich darauf zu Ostern 1843 hier als
Privatdocent in der medicinischen Facultät und
trat als Assistent des unter der Direction des
verstorbenen Hofraths Conradi stehenden aka-
demischen Hospitals ein, in welcher Stellung er
bis Ostern 1845 blieb. Zu Ostern 1847 wurde
er zum außerordentlichen Professor der Medicin
ernannt.
Bei der Köiiigl. Gesellschaft der Wis-
senschaften eingegangene Druckschriften
(Fortsetzung.)
Ses. ord. de la camera de senadores. No.I — II. 1875. Fol.
Ses. de la comission conservadora. 1876. FoL
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Schlötel, W., Amtliches Plagiat?
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philolog. u. histor. Classe. 1878. H. III. (IV).
Expose de la Situation du Royaume de la Belgique de
1861 u. 1875.
0 versigt over det K. Danske Videnskab. Selskabs För-
handl. 1876. No. 3. 1877. No. 3. 1878. No. 1.
Bulletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscoa.
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Verhandlungen der 5. allgem. Conferenz der Europ. Grad-
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J. J. Ferreira Lapa chimica agrioola. Lisboa. 1875.
SesBoo publica da Academia R. das sciencias de Lisboa.
1878.
573
Sessäo 1877.
Journal de scienc. matbem. etc. No. XXI. XXIT. Lisboa.
P. F. Da Costa Alvarenga, Lecons cliniqaes sor les
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Mitth. der Antiquar. Gesellsch. in Zürich. 1876. 4.
L. Delisle, notice sur un manuscrit merovingeen de la
bibliotheque d'Epinal. Paris. 1878. 4.
*)Wladi8law Wislocki, Katalog d. Handschriften d.
Jagiellon. Universitätsbibliothek. Lief. 2. 3. Krakaa.
1878.
Denkschriften der Akademie der Wiss. in Krakau. Phi-
lol. u. histor. philos. Cl. Bd. 8. Ebd. 1876.
Jahrbuch der Verwaltung d. Akademie der Wiss. zu Kra-
kau. Jahr. 1677. Ebd. 1878.
Abhandlungen u. Berichte aus den Sitzung, d. Akad. d.
Wiss. Histor.- philos. Abth. Bd. 8. Ebd. 1878.
Publication de la Commission Archeologique de I'Acad.
des Sciences. Livr. 1. Ebd. 1877.
Abhandlungen der Commission z. Erforschung d. Ge-
schichte der Kunst in Polen. Liefr. 2. Ebd. 1878.
Sammlung v. Nachrichten d. anthropol. Commission d.
Akademie d. Wiss. Bd. 2. Ebd. 1878.
Scriptores rerum Polonicarum. T. 4. Ebd. 1878.
Monumenta med! aevi historica resgestas. Poloniae ü-
lustrantia. T. 4. Ebd. 1878.
Chr. Lütken, til Kundskab om to arktiska slaegter af
Dybhavs-Tudsefiske : Himantolophus og Ceratias. Kjö-
benhavn. 1878. 4.
American Journal of Mathematics. Vol. L No. 3. Bal-
timore. 1878. 4.
63. Jahresbericht der naturf. Gesellsch. in Emden. 1877.
Zeitschrift der deutsch, morgenl. Gesellsch. Bd. 32. H. 3.
1878.
Verhandl der naturf. Gesellsch. in Basel. Th.6. H. 4. 1878.
Memorie del R Istituto Lombarde. Cl. di scienze math.
enaturali. Vol. XIV- V della Ser. HI. Milano. 1878. 4.
R. Istituto Lombarde di Scienze e Lettere. Rendiconti.
Ser. 2. Vol. X. 1877.
Mitth. der deutschen Gesell, für Natur- u. Völkerkunde
Ostasiens. 15 H. August 1878. Yokohama. Fol.
*) Die Krakauer Schriften in polnischer Sprache.
574
Vierteljahrsschrift der Ästron. Gesellsch. Jahrg. 12. H. 4.
J. 13. H. 4.
Proceedings of the London Mathem. Society. No. 130—133.
ListofpublicationsoftheSmithsonianlnstitution. July 1877.
Bulletin de l'Acad. Imp. des Sciences de St. Petersbourg.
T. XXV. No. 2.
Memoires de la Soc. desAntiquaires de Picardie. T. IV.
1878.
Mem. de la Soc. des Sc. phys. et naturelles de Bordeaux.
T. II. 1878.
H. Eisenaeh, Uebersicht der um Cassel beobachteten
Pilze. 1878.
Flora Batava. Aflev. 241 242. Leyden. 4.
Bericht II. Lief. 2. der naturf. Gesellsch. in Bamberg. 1877.
Monthly notices of the R. Astron. Soc. Vol. XXVIII.
No. 9.
Acta Societatis pro Fauna et Flora Fennica. Vol. I. Hel-
singfors. 1875-77.
Notiser ur Sällskapets pro Fauna et Flora Fennica för-
handlingar. Andra haftet 1852, tredje haftet 1857. 4.
Notiser, Haftet 5-7, 9—14. 1861-1875.
Meddelanden af Societas pro Fauna etc. Haft. 1—4. 1876
-78.
Sällskapets inrättning och verksamhet Ifrän 1821 tili 1871
Sällskapets frän 1821 tili 1871.
Th. M. Fries, Genmäle med aledning af Sällskapets No
tiser. H. 5-6. üpsala. 1862.
J. Wormstall, Hesperien. Zur Lösung der religiös-ge
schichtlichen Probleme der alten Welt. Trier. 1878
Publications of the Cincinnati Observatory. 1877.
Proceedings of the California Academy of Sc. Vol. VI. 1875
Bibliography of N. American invertebrate Paleontology
1878.
First annual Report of the ü. States entomological Com
mission for the year 1877 relating to the Rocky Moun
tain Locust. Wash. 1878.
Proceedings of the American Academy of Arts and Sei
ences. New Serie. Vol. V. Whole Serie vol.' XIII
Part. 2-3. Boston 1878.
Proo. of the Amer. philosophical Society. Vol. XVII
No. 101. Philadelphia.
Catalogue of the American philos. Soc. Library. P. III
Ebd. 1878.
C. Struckmann, der obere Jura der Umgegend von
Hannover. 1878.
575
Memoires de la Societe de Physique et d'Histoire naturelle
de Geneve. T. XXV. Seconde Partie. T. XXVI, prä-
miere P. 1877-78.
November 1878.
Nature. 470—473.
Abhandlungen der E. Akademie der Wiss. zu Berlin.
Jahr 1877.
Jornal de scienciasmathem. phys. e natural. No. 23. 1878.
Rivisia Europea. Vol. X. Fase. 1—3.
Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanatalt. Bd. XXVIII.
No. 3. 1878.
Verhandluogen derselben. No. 11 — 13. 1878.
Proceed. of the California Academy of Sc. Vol. VII.
P. 1. 1876,
Annales de la Soc. geologique de Belgique. T. 4. 1877.
Vierteljahrsschrit't der naturf. Gesellsch. in Zürich. Bd.
21 — 22.
Leopoldina. Hft. XIV. No. 19—20.
Proceed. of the London mathem. Society. No. 134. 135.
Sitzungsb. der mathem. phys. Gl. der Akad. d. Wiss. zu
München. 1878. 3.
Jahrbuch für Schweizerische Geschichte. Bd. 3. 1878.
55. Jahresb. der Schles. Gesellsch. für vaterländCultur. 1878.
Fortsetzung d. Verzeichnis ihrer .arbeiten von 1864 — 1876.
W. G. ßinney, the terrestrial air-breathing Mollusks.
Vol. V. Cambridge. U. S. 1878.
Idem, plates, vol. V.
Bulletin of the Museum of Comparative Zoology. Vol. V.
No. 2—5.
Bulletin de la Soc. Mathem. de France. T. VI. No. 6.
L. F. Freiherr eon Eberstein, Geschichte des Frei-
herrn von Eberstein und ihren Besitzungen. Lief.
I — VI. Sondershausen 1865.
Derselbe, urkundliche Nachträge. Dresden. 1878. Fol.
Derselbe, Beigabe zu den geschichtl. Nachrichten. Ebd.
1878. Fol.
VI. Bericht der natorwiss. Gesellsch. zu Chemnitz. 1875
—77.
XVII. Bericht der Oberhess. Gesellsch. für Natur- u. Heil-
kunde.
Verhandl. der physik. medicin. Gesellsch. in Würzburg.
XII, 3-4.
576
December.
Balletin de la Soc. Imp. des Naturalistes de Moscaa.
1878. 2.
C. Marignac, sur l'Ytterbine. Genfeve. 1878.
Societä Toscana di Scienze nat. 10. Nov. 1878.
Proceedings ofthe Zoolog. Soc. of London for 1878. P.S.
Proceedings of the Royal Soc. of Edinburgh. 1832—1840.
Register
über
die Nachrichten von der Königl. Gesellschaft der
Wissenschaften und der Georg- Augnsts-üniversität
aus dem Jahre 1878.
L. von Bar als ordentlicher Professor in die
juristische Facultät zu Göttingen versetzt 563.
Fritz Bechtel, Habilitation in der philos. Fa-
cultät 563.
H. Behagel v. Adlerskron, z. Dr. phil.
prom. 432.
B e n e k e - Preisstiftung , s. Götting. 11 B. c.
Theodor Benfey, Einige Worte über den Ur-
sprung der Sprache 45.
Altpersisch Mazdäh, Zendisch Mazdäonh,
Sanskritisch Medhä's. Eine grammatisch-ety-
mologische Abhandlung 67.
Die eigentliche Accentuation des Indica-
tiv Präsentis von ig »sein« und yä »spre-
chen« 165.
MahSm, Nom. sing, von mahdnt, drittes
Beispiel Rigveda IV, 23, 1 190.
— — Einige Derivate des Indogermanischen
Verbums *anhh = sanskritisch nabh 213.
Der Bindevocal t im Sanskrit 413.
Jubiläumsfeier 564.
Heinrich Ernst Beyrich in Berlin zum Cor-
respondenten der k. Gesellschaft der Wissen-
schaften erwählt 509.
Adalb. Bezzenberger, Ueber einige avestische
Wörter und Formen 251.
Äug. Bock er, z. Dr. phil. prom. 498.
Georg Böhm, z. Dr. phil. prom. 430.
Professor Bohtz, Jubiläumsfeier 564.
Paul Rieh. Bruch er, z. Dr. phil. prom. 499.
A. V. Brunn, üeber die Vena azygos 246.
Kurd Bürkner, Habilitation in der medicini-
schen Facultät 563.
Georg Cantor in Halle zum Correspondenten
der k. Gesellschaft der Wissenschaften er-
wählt 509.
D e d ek i n d , üeber den Zusammenhang zwischen
der Theorie der Ideale und der Theorie der
höheren Congruenzen 1.
Rob. Dettloff, z. Dr. phil. prom. 498.
Richard Deutschmann, Habilitation in der
medicinischen Facultät 563.
0. Drude, üeber die Verwandtschaft und sy-
stematische Bedeutung von Ceroxylon Andi-
cola 33.
Carl Dyckerhoff, z. Dr. phil. prom. 499.
Victor Ehrenberg, Habilitation in der juri-
stischen Facultät 563.
Friedr. August Eduard Ehrenfeuchter, An-
zeige seines Todes 278.
A. Enneper, üeber die Flächen mit planen
und sphärischen Krümmungslinien 332.
üeber eine Gleichung zwischen Theta-
Functionen 550.
Andreas Freiherr von Ettingshausen, An-
zeige seines Todes 508. Zum Andenken an
denselben 516.
Walter Friedens bürg, z. Dr. phil. prom.
431.
J. Fuchs, Ueber eine Classe Ton Differenzial-
gleichungen , welche durch Abelsche oder
elliptische Functionen integrirbar sind 19.
Theod. Fried erici, z. Dr. phil. prom. 498.
Eugen Geinitz, Habilitation in der philoso-
phischen Facultät 280.
Georg Geisenhof, erhält einen Theil des Prei-
ses der theologischen Facultät 329.
"Wilh. Gercken, z. Dr. phil. prom. 498.
Oskar Göltschke, z. Dr. phil. prom. 499.
Theodor Görges, erhält den Preis der medici-
nischen Facultät 330.
Eugen von Gorup-Besanez, Anzeige seines
Todes 508.
Göttingen:
I. Königliche Gesellschaft der Wissenschaften.
A. Feier des Stiftungstages 505.
B. Jahresbericht , erstattet vom Secretär,
Herrn Geheimen Obermedicinalrath W ö h-
1er 505.
a. das Directorium der Societät ist zu
Michaelis d. J. von Herrn Grisebach
in der physikalischen auf Herrn W e-
b e r in der mathematischen Classe
übergegangen 508.
b. Bericht über die 1877 durch den Tod
verlorenen Mitglieder und Correspon-
. denten 508.
c. Verzeichniß der neu erwählten Mit-
glieder und Correspondenten 509.
C. Verzeichniß der gehaltenen Vorträge und
vorgelegten Abhandlungen : Fr. Wüsten-
feld, die Familie el-Zubeir 1. Abth. 1
(in den Abhandlungen gedruckt). — R.
Pauli, Karolingische Geschichte in alteng-
lischen Annalen 1. — Dedekind, Ueber
den Zusammenhang der Theorie der Ideale
und der Theorie der Congruenzen 1 (in
den Abhandlungen gedruckt). — P.
de Lagard e, Tertullianea 15. — J.
Fuchs, Ueber eine Classe von Differen-
tialgleichungen, welche durch Abelsche
oder elliptische Functionen integrirbar
sind 19. — 0. Drude, Ueber die Ver-
v^andtschaft und systematische Bedeutung
von Ceroxylon Andicola 33. — Th. Ben-
fey, Einige Worte über den Ursprung
der Sprache 45. — F. Wüsten fei d,
Die Familie el-Zubeir 2. Abth. 67 (in
den Abhandlungen gedruckt). — Th.
Benfey, Altpersisch Mazdäh, Zendisch
Mazdäorih , Sanskritisch Medha s 67 (in
den Abhandlungen gedruckt). — P. d e
Lagarde, Kritische Anmerkungen zum
Buche Isaias 67 (in den Abhandlungen
gedruckt). — J. Petersen, Beweis eines
Lehrsatzes betreffend die Integration
algebraischer Differentialausdrücke be-
ziehungsweise algebraischer Differential-
gleichungen unter geschlossener Form 68.
— Karl Schering, Mittheilung aus einer
Experimentaluntersuchung über die »Rei-
bungsströme« 88. — Marme, Mittheilun-
gen aus dem pharmacologischen Institute zu
Göttingen 102. — H. 0. Lang, Beiträge
zur Physiograpbie gesteinsbildender Mi-
neralien II. 153. — Th. Benfey, Die
eigentliche Accentuation des Indicativ Prä-
sentis von ig »sein« und yä >sprechen«
so wie einiger griechischer Präpositionen
165. — Derselb;e, MaMm, Nom. sing.
Drittes Beispiel 190. — J. He nie, Zur
vergleichenden Anatomie der Krystalllinse
213. — Th. Benfej, Einige Derivate des
Indogermanischen Yerbums *anbh = san-
skritisch nahh 213. — P. de Lagarde,
Erklärung chaldäischer Wörter 213 (in
den Abhandlungen gedruckt). — H. Lud-
wig, Die Bursae der Ophiurenen und de-
ren Homologon bei den Pentremiten 215.
— A. Grisebach, Die systematische
Stellung von Sclerophylax und Cortesia
221. — R. Pauli, Drei volkswirthschaft-
liche Denkschriften aus der Zeit Hein-
richs VHI. von England , zum ersten Mal
herausgegeben 221 (in den Abhandlungen
gedruckt). — M. Stern, Beiträge zur
Theorie der Bernoulli'schen und Euler'-
schen Zahlen 221 (in den Abhandlungen
gedruckt). — W. Marme, Beobachtun-
gen zur Pharmakologie des Salicin 229.
— A. v. Brunn, lieber das Verhältniß
der linken Intercostalvenen zur Vena azjgos
246. — Adalb. Bezzenberger, Ueber
einige avestische Wörter und Formen
251. — F. Wüstenfeld, Coptisch-
Arabische Handschriften der König!. Uni-
versitäts-Bibliothek 285. — A. Grise-
bach, Der Dimorphismus der Fort-
pflanzungsorgane von Cardamine cheno-
podifolia Pers. 332. — A. Enneper,
üeber die Flächen mit planen und sphä-
rischen Krümmungslinien 332 (in den Ab-
handlungen gedruckt). — W. Henne-
berg, Chemische Untersuchungen auf
8
apistischem Gebiete 341. — Schwarz,
Ueber den verstorbenen Corresp. der Soc.
Graßmann 332. — P. de Lagarde, Zur
Erklärung der aramäischen Inschrift von
Carpentras 357. — Marme, Beobach-
tungen zur Pharmakologie des Salicin
373. — W. C. R ö n tg e n , Ueber Entladun-
gen der Elektricität in Isolatoren 390. —
Th. Benfey, Der Bindevocal i im San-
skrit 413 (in den Abhandlungen gedruckt).
W. Marme, Ueber Duboisia myoporoides
R. Br. 413. — L. Kiepert, Ueber die
Auflösung der Gleichungen fünften Grades
424. — C. Klein, Ueber den Feldspath
vom Hohen Hagen bei Göttingen und
seine Beziehungen zu dem Feldspath
von Mte. Gibele auf der Insel Pan-
tellaria 449. — J. Thomae, Sätze
aus der Functionentheorie 466. — A.
Grisebach, Symbolae ad Floram ar-
gentinam 473 (in den Abhandlungen
gedruckt). — E. Riecke, Ueber das
pond eromotorische Elementar-Gesetz der
Elektrodynamik 473 (in den Abhandlun-
gen gedruckt). -- J. Reinke, Ueber
eine Fortpflanzung des durch die Be-
fruchtung erzeugten Wachsthums-Reizes
auf vegetative Glieder 473. — P. de
Lagarde, Ueber die koptischen Hand-
schriften der hiesigen Bibliothek und über
den Stand der Arbeiten zur Kritik des
Bibeltextes 505 (in den Abhandlungen
gedruckt). — Fr. Wieseler, Ueber die
neuesten archäologischen Entdeckungen
505. — J. Henle, Zur Erinnerung an
E. H. Weber 509. — B. Listing,
Zum Andenken an A. von Ettingshausen
516. — R. Pauli, Magister Thomas
Brunns , Beamter Rogers von Sicilien und
Heinrichs IL von England 523. — R.
Riecke, Ueber das pondercmotorische
Elementargesetz der Elektrodynamik 541.
— A. Enneper, Ueber eine Gleichung
zwischen Theta-Functionen 550. — 0.
Krümmel, Die mittlere Tiefe der
Oceane und das WasserverhäJtniß von
Land und Meer 556.
D. Preisaufgaben :
a. der kgl. Gesellschaft der Wisserschaf-
ten : Die für den November d. J. von
der physikalischen Classe gestellte phy-
siologische Preisaufgabe hat einen Be-
arbeiter nicht gefunden ; sie wird nicht
von Neuem aufgegeben 506.
Für den November 1879 von der ma-
thematischen Classe gestellte Preis-
aufgabe 506.
Für den November 1880 von der hi-
storisch-philosophischen Classe 507.
Für den November 1881 von der phy-
sikalischen Classe 507.
b. Wedekind'sche Preisstiftung für
Deutsche Geschichte. Preisaufgaben
405.
E. Yerzeichniß der bei der kgl. Gesellschaft
der Wissenschaften eingegangenen Druck-
schriften 42, 65, 195, 220, 282, 327, 354,
404, 469, 500. 568.
Göttingen:
II. Universität.
A. Verzeichniß der während des Sommerse-
mesters 1878 gehaltenen Vorlesungen 197
— der während des Wintersemesters
18'V79 433.
10
B. a. PreisvertheiluDg an die Studierenden,
eingeleitet durch eine Rede von Geh.
Regierungsrath Sauppe über die Sa-
gen von einer glücklicheren Urzeit und
die Schilderungen eines idealen Staates
der Zukunft 329.
b. Neue Preisaufgaben 330.
c. Beneke'sche Preisstiftung. Neue
Preisaufgabe 280.
d. Petsche- Stiftung , Neue Preisauf-
gabe 327.
C. Oeffentliche Institute.
Pharmakologisches Institut 102, 229, 373,
413, 482.
D. Habilitationen '
in der medicinischen Facultät 563.
in der juristischen Facultät 563.
in der philosophischen Facultät 280, 563.
E. Promotionen in der philosophischen Fa-
cultät 430, 498.
A, Grisebach, Die systematische Stellung von
Sclerophylax und Cortesia 221.
Der Dimorphismus der Fortpflanzungs-
organe von Cardamine chenopodifolia Pers.
Ein Beitrag zur Theorie der Befruchtung 332.
— — Symbolae ad Floram argentinam 473.
Louis Grub er, z, Dr. phii. prom. 498.
Herrn. Hahn, z. Dr. phil. prom. 431.
Ludw. Hansel mann, Geschenk beglaubigter
Abschriften von 82 Briefen von und an Gauß
413. zum Correspondenten der k. Gesell-
schaft der Wissenschaften erwählt 509.
Gustav Hart mann, zum ordentlichen Profes-
sor in der juristischen Facultät berufen 279.
Georg Rob. Hasse, z. Dr. phil. prom. 499.
Heinrich Eduard Heine in Halle zum auswar-
I
11
tigen Mitgliede der k. Gesellschaft der Wis-
senschaften erwählt 509.
J. He nie, Zur vergleichenden Anatomie der
KrystalUinse 213.
Zur Erinnerung an E. H. Weber 509.
W. Henneberg, Chemische Untersuchungen
auf apistischem Gebiete 341.
Georg Huges, z. Dr. phil. prom. 431.
Paul Hunaeus, z. Dr. phil. prom. 432.
Otto Kern, z. Dr. phil. prom. 432.
Diro Kitao, z. Dr. phil. prom. 499.
Maximilian Klatt, z. Dr. phil. prom. 431,
C. Klein, üeber den Feldspath im Basalt vom
Hohen Hagen bei Göttingen und seine Beziehun-
gen zum Feldspath von Mte. Gibele auf der
Insel Pantellaria 449.
Job. Herm. Kloos, z. Dr. phil. prom. 431.
Professor Dr. Kraemer, Anzeige seines Todes
568.
Aug. von Kries, Habilitation in der juristischen
Facultät 563.
Otto Krümmel, Habilitation in der philoso-
phischen Facultät 280.
Die mittlere Tiefe der Oceane und das
Massenverhältniß von Land und Meer 556.
Joh. Nie. Kruse, z. Dr. phil. prom. 432.
P. d e Lagarde, Tertullianea. 15.
— — Kritische Anmerkungen zum Buche
Isaias 67.
• Erklärung chaldäischer Wörter 213.
Zur Erklärung der aramäischen Inschrift
von Carpentras 357.
— — üeber die koptischen Handschriften der
hiesigen Bibliothek und über den Stand der
Arbeiten zur Kritik des Bibeltextes 505.
12
H. 0. Lang, Beiträge zur Physiographie ge-
steinsbildender Mineralien II. 153.
J. G. Rud. Langenbeck,z. Dr. phil. prom. 498.
Ernst Lausch, z. Dr. phil. prom. 432,
Rud. Lehmann, z. Dr. phil. prom. 499.
Joseph von Lenhossek in Pest, zum Correspon-
denten der k. Gesellschaft der Wissenschaften
erwählt 509.
B. Listing, Zum Andenken an A. von Ettings-
hausen 516.
Samuel Löwenfeld, z. Dr. phil. prom. 431,
H. Ludwig, Die Bursae der Ophiuren und
deren Homologon bei den Pentremiten 215.
Rob. Heinr. Lüning, z. Dr. phil. prom. 499.
W. Marme, Experimentelle Beiträge zur Wir-
kung des Pilocarpin 102.
Beobachtungen zur Pharmakologie des
Salicin 229. — Erklärung der dazu gehören-
den Abbildung 497.
Beobachtungen zur Pharmakologie des
Salicin, Fortsetzung 373.
üeber Duboisia myoporoides R. Br. 413.
— — Beobachtungen zur Verwerthung der Li-
gatur der großen Hirnarterien für experimen-
tell-pharmakologische Untersuchungen 413.
Georg Matthaei, z. Dr. phil. prom. 432.
Pastor prim. Ad. Morath, Erneuerung des
Doctordiploms 480.
Fr. Chr. Müller, z. Dr. phil. prom. 482.
J. Orth, zum ordentlichen Professor in der
medicinischen Facultät ernannt 279.
Reinhold Pauli, Karolingische Geschichte in
altenglischen Annalen 1.
Drei volkswirthschaftliche Denkschriften
13
aus der Zeit Heinrichs YHL von England,
zum ersten Mal herausgegeben 221.
R. Pauli, Magister Thomas Brunns, Beamter
Rogei-s von Sicilien und Heinrichs 11. von Eng-
land 523.
J. Petersen, Beweis eines Lehrsatzes betref-
fend die Integration algebraischer Differen-
tialausdrücke beziehungsweise algebraischer
Differentialgleichungen unter geschlossener
Form 68.
Petsche- Stiftung, s. Göttingen. Universität ß. d.
Ponfick nach Breslau versetzt 280.
Aug. Friedr. Pott, Erneuerung des Doctor-
diploms 430.
Heinrich P recht, z. Dr. phil. prom. 498.
Preisaufgaben der Universität, s. Göttingen
U. B. b. — der kgl. Gesellschaft der "Wissen-
schaften 506. — der Beneke-Stiftung 280. —
der Petsche-Stiftung 327. — der Wedekind'-
schen Preisstiftung 405.
John Will. Raveil, z. Dr. phil. prom. 498.
Henri Victor Regnault, Anzeige seines Todes
508.
J. Reinke, Ueber eine Fortpflanzung des durch
die Befruchtung erzeugten Wachsthums-Reizes
auf vegetative Glieder 473.
E. Riecke, Ueber das ponderomotorische Ele-
mentar-Gesetz der Elektrodynamik 473. 541.
B. Riedel, Habilitation in der medicinischen
Facultät 563.
Carl Rodenberg, z. Dr. phil. prom. 499.
Rob. Roll wage, z. Dr. phil, prom. 432.
W. C. Röntgen, Ueber Entladungen der Elek-
tricität in Isolatoren 390.
Ernst Rosochatius, z. Dr. phil. prom. 431.
Gustav Rümelin zum außerordentlichen Pro-
fessor in der juristischen Facultät ernannt;
14
folgt einem Rufe als ordentlicher Professor
nach Freiburg i. Br. 280.
Heinr. Schäfer, z. Dr. phil. prom. 499.
Karl Schering, Mittheilung aus einer Experimen-
taluntersuchung über die »Reibungsströme« 88.
C. Otto Schulte SS, z. Dr. phil. prom. 432.
Theodor Schwann in Lüttich, zum auswärti-
gen Mitgliede der k. Gesellschaft der Wissen-
schaften erwählt 509.
Schwarz, Ueber den verstorbenen Correspon-
denten der Soc. Graßmann 332.
Friedr. Schwarzer, z. Dr. phil. prom. 431.
J. Spanuth erhält den Preis der philosophi-
schen Facultät 330.
Jos. Will. Spencer, z. Dr. phil. prom. 431.
M. Stern, Beiträge zur Theorie der Bernoulli'-
schen und Euler'schen Zahlen 221.
John T. Stoddard, z. Dr. phil. prom. 499.
Unter-Bibliothekar Dr. Stromeyer, Anzeige
seines Todes 566.
J. Thoinae, Sätze aus der Functionentheorie
466.
Ernst Heinrich Weber, Anzeige seines Todes
508. — Zur Erinnerung an denselben 509.
Wedekind'sche Preisstiftung für Deutsche
Geschichte 405.
Heinrich W e n d 1 a n d t , z. Dr. phil. prom. 498.
Martin Wetzel, z. Dr. phil. prom. 498.
Professor Wiggers Jubiläumsfeier 564.
Franz Wilkens, z. Dr. phil. prom. 431.
N. Wulfsberg, Ueber Milchinfusionen 136.
Untersuchung einer aus Afrika stammen-
den Rinde 143.
15
Fr. Wi eseler, üeber die neuesten archäologi-
schen Entdeckungen 505.
F. Wüstenfeld, Die Familie el-Zubeir. 1.
Abth. 1. 2. Abth. 67.
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Druck <it)t Uiotoi'ichscbon Uaiv. -nDchdnickerai.
Fr. W. Kaestner.
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AS Akademie der Wissenschaften,
182 Cföttingen
0834 Nachrichten von der K.
1877-78 Gesellschaft der Wissen-
schaften und der
Georg-Augusts-Universität
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