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DEC 18 1941
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dem General der Infanterie
Beren von Deroy Du 1 ۶
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Ihrer Exrelleng
Fran von Derby du Dernvis :
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Auf dem Wege rent nicht voran und ſicht nicht 0000 0 0
۶ in entjeßliches ۲ war ¢3, das reine Alpen
mü den Händen, deur bus a der ۱۷
Wias.
Stillleben voll Höhen wid Tiefen, voll Stein
und Schlanm und hochaufſpritzender Waffer-
pfüben, welche zwijchen den einzelnen Hochragenden 2
eh gelagert waren, wie die Bergjeen zwijchen majeſtä—
tijchen Schneehäuptern. — Und dazu ۵ quietjchte
der Happrige Hotelomnibus in allen Fugen, und ſchwankte
wie betrunken über dieſes regenfeuchte Pflaſter, juſt, ald —
LOS ۶ ſchwindlig geworden vor Erſtaunen, daß zwei Fremde,—
zwei hochelegant ausſehende fremde 0+011 in 00 ae
Blak genommen hatten!
Der Hausfnecht und Kutſcher ſchienen fu in ۱ gleicher
ſeeliſcher Berfa ung zu ‚befinden.
Gottlieb ſaß mit vorgeftrecttem Kopf auf dem ulcer:
bo und gloßte mie geiſtesabweſend vor Hd) hin, er hatte
die Mütze mit Dem ehemals blant gewejenen Hoteljchild
„Zur Stadt Hamburg“ verehrt auf und 0676
une
das Schirmpafet feiner vornehmen Säfte fo frampfhaft,
al fürchte er, das Traumhafte fünne unter feinen blau-
roten Fäuſten wirklich alg Schaum und Traum zer:
rinnen!
Zwei feidene Regenjchirme — der eine fogar mit ele
gantejtem Elfenbeingriff, auf welchem ein goloner Jtamens-
zug unter vielperliger Strone pruntte — und darumber
gewickelt und weich wie Gammet, fo nagelneu und ſeiden⸗
glänzend eine Meijedede — ein wahres Prachtſtück“ Wie
famen diefe Schirme — bide Dede — dieje 1
hierher nach Angerwies? Dieſem fleinen, fümmerlichen
Städtchen, welches ſchon feit Jahren mit feinen Feinden
in ſchwerem Kampfe rang, ob ق wohl berechtigt let 110
0 7 zu nennen? — —
. Der fiber des „Hotels“ zur Stadt Hamburg hatte
einmal in tiefem Weltfchmerz gejeufzt: Wenn nicht "mal
ein Eijenbahnunglüd auf unferer elendiglichen Station
paffiert und mir ein paar Paſſagiere erfter Klaffe ins
Haus jchleudert — mit gebrodjenen Beinen, daß fie ſechs
Wochen lang liegen müffen — — wenn ber liche Herr:
gott das nicht fügt, dann fomme ich in dieſem Lumpen⸗
neſt niemals auf einen grünen Zweig! — War der
fromme Wunſch jetzt etwa erhört worden? — >
Die Neifenden erjter Klaſſe famen, aber. fie ftiegen
mit heilen Knochen aus dem Zug und fprachen freiwillig
und ungezwungen das Unfaßliche aus — fie wollten ein
paar Tage in Angerwies in der „Stadt Hamburg“ zur
Sommerfrijche weilen!! —
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Und dabei war e3 erjt März, ein Hundewetter voll
Sturm, Schnee und Regen — fo daß man nod Jeg
mußte! x
Gottlieb fag und ftarrte wie ein Pagode gerade aus,
unfähig die Loſung diefes großen Nätjel3 zu finden, und
der Kutſcher an jeiner Celte ſaß ebenjo ftarr und ita,
mit einem Geficht, als erwarte er jeden Augenblid das
Ende der Welt. 3
Sonſt pfiff er vergnüglich vor HO Dirt, nike und
grüßte rechts umd linfs, hieb mit der Peitſche nad den
flaffenden Hunden und hielt wohl auch ein paar Minuten
an, um mit Dicjem oder jenem ein ۵ 671
zu halten. Die paar Neijenden, melche er für gewöhnlich)
fuhr, beanjpruchten feine Umftände, und eë vergingen oft
Wochen, wo er überhaupt feine Fremden heimbrachte,
aber heile ات اب
Ein hergbeflemmendes 904 تر ſich ۰
Er wagte faum an den Zigeln zu rucken, Damit die ۵
nicht etwa noch jchneller liefen. Er fürchtete fich formlich,
mit Diejen hohen Gäſten fo jähli ings überrajchend bei Det
„Stadt Hamburg“ vorzufahren.
Was würde die Wirtin fagen! Auf joldjen Bejud
ijt ſie ja gar nicht vorbereitet. Die Fremdenſtuben liegen
noch im Winterſchlaf Über zwei Gute“ und eine „beſſere“
verfügt das Hotel überhaupt nur. Und in Diefer 1
hingen die Würfte und Schinken an einem Seil, welches
ſchrägüber zur Thüre gejpannt war, und auf dem Fup:
‚boden lagerte die bide Strohichicht mit dem legten Reſt
ت
Der ——— und der Backpflaumen auf üren 010
tenen Dörrfchütten.
Nebenan aber, in der „Guten ode: bie Wäfche,
weil e3 auf dem Boden durchregnete, da blieb nur nod |
die blaue @dftube! — Du lieber Himmel, gerade die! —
Der lebte Reiſende, welcher fie bewohnte, hatte nicht = =
wenig geſchimpft, und behauptet, die ganze Nacht Habe 1 5 EEE
er mit Der Elle in der Hand — (an die Bezeichnung
„Metermaß” gemwöhnte fich in Angerwies erft Die jüngſte
Ichulpflichtige Sugend!) im Bett geſeſſen und fic) der
Maule erwebhrt, welde wahre Quadrillen auf feinem
Plümeau getanzt hätten. Da lobe er fich die märkiſchen
‘Klein = Bauernquartiere, wo wenigstens neben jedem Bette
109011 ver ےت Muſelnüttel⸗ وی ی
fol سے
Und in dieſe blaue 56 jollten nun die Baffagiere
erſter Klaſſe mit den feidenen Negenjchirmen? Die fchauer-
lich feine Dame mit dem königlichen Pelgmantel, welche
bei jedem Schritt in Eamt und Seide raujdte und nad)
einem Haaröl buftete - — pie Salomo in aller feiner Herr:
lichkeit? —
Dem Denker trat der Angitichweiß auf die Stirn.
Sollte er den Onmibus vielleicht vor dem Haufe erſt um
werfen, um der Frau Marthe Zeit zu laffen, die Wäfche,
Wiirfte und Apfel ud eine Treppe tiefer zu fchleu-
den? —
Der Wagen 0 man leider nicht mehr aus, ‘und
feine Reparatur würde den Profit verjchlingen, —
— 142 یٹ
bie Stadt Hamburg an ihren erjten und einzigften PBaffa-
gieren erjter Klajfe machen würde. —
Bu wen fie nur wollen? — Und warm ie nicht
lieber nod) eine Stunde weiter nah Schloß Niedeck zum
Grafen fahren? Der hat doch die Salons und Gaile .
zur Auswahl! Aber freilich... . er der Graf... Hm...
zu dem fommt jchon längft fein vernünftiger Chrijtens. N
menîh mehr! Und ق wäre doch fo gut für bie ganze
Umgegend, wenn es wieder ein Leben ا Dem 16
gäbe wie früher! —
Hih سے — — brr!! سب
Gottlieb und der Kuticher fchrafen a tempo aus ihren
ichweren Träumen auf, denn die beiden alten Braunen
welche den Weg vom Bahnhof bis zum „Hotel“ ſchon
im Traume machten, ftanden jelbjtverftändlich vor der
Steintreppe der „Stadt Hamburg” ftill, ohne erjt einen
diesbezüglichen Befehl abzuwarten.
as 0011 — ہے
In feiner Herzensangit fabte Der Schröder die Peitſche
und {nallte wie beſeſſen Darauf los. Erjchredt fuhren die
Köpfe der unvermählten Herren, welche bei Frau a e
ihren Mittagstiich erhielten, an die Fenſter.
Säfte! Eine Dame und ein Herr!!
Der Apotheker und Steuerrevijor ſaßen wie verſteinet
vor Überrajchung, und der Herr Auditeur ließ vor Staunen
fogar die Cigarre aus dem Munde fallen, nur der Ge-
richtZafjeffor zeigte fich als Mann von Welt, welcher Die
Contenance nicht fo leicht verlor. :
نے AQ تہ
r fdnellte in die Höhe und erreichte mit zwei
Sätzen die ۰
Fraulein Klärchen, rufen Cie Vater und Mutter, ق
fommen Fremde! — — Weiße Schürze ۱۱ھ وو — frie -
er voll Feuereifer der Tochter des Haujes, 70٤ gerade
die Kartoffeln abgoß, zu. ۱
Fremde?“ ftotterte Rlarden mit weit aufgerijfenen
Augen. „Ss, Herr Wifelfor ... das fann ja gar nicht
möglich fein!” — ۱ .
„Schnell doch, zum Kuckuck! Eine fehr elegante Dame!”
tobte der Affeffor, und dann, als er den fchlurrenden Schritt
des Wirtes bereits auf dem Flur hörte, ſchnellte er zurüd
und haltete abermal3 nach dem Fenſter Aber er empfand
plößlich etwas wie einen feinen Stich im Herzen. Er
ſchämte fi. — Alfo jo weit war e8 feit den vier Jahren
jeiner Angerwiejer Crijteng jchon mit ihm gefommen, Da
ein paar anftandig gelleidete Neijende thn wie ein unge-
heuerliches Evenement erregten! —
Schreeflih, — er ift bereits völlig a er,
der flottefte aller Studenten, Der feſcheſte aller Groß—
jtadtreferendare!! — tempi passati! Sebt preBt er Die
Rafe an der Fenſterſcheibe platt, um mit jchmerzlich
füßem Grauen einmal wieder eine feine Dame angu-
ftarren!
Sie telat foeben aus, — bon ihrem Begleiter gejtüßt,
denn Vater Simmel, der Herr Wirt, fteht m faffungs-
(oler Berlegenheit und reibt fic) die Hände.
Wile Wetter, dieſes Füßchen, — etn weichlederner
—
hoher Knopfſtiefel umſchließt es in tadelloſer Form, ſeidene,
ſpißenbeſehte Pliſſees bauſchen unter dem langen Pelz—
mantel auf, deſſen mächtiger Kragen das Köpfchen wie
eine — umwallt. Sebt ſieht er Das Gelicht. —
Fein, — etwas bleich, mit einem Zug undefinierbarer
Bornehmbeit, Kühl — gleihgültig — gelangweilt —
ſehr hochmütig. Über afchblondes Haar fallen die Golds
ſpihen eines Kleinen, dunfelfamtnen Capothütchens neuefter
Mode, ‚der großgetupjte Schleier fpannt fd) über das
Zartfarbene Antlitz, deſſen hHalbgeöffnete Augen mit müdem
Bie umber blicen, — auf die Regenlachen rechts und
links der Treppe, auf die ſpieß bürgerlich gefleideten Weiber
und Kinder, welche aus den umliegenden Hausthüren
treten und gaffend näher drängen — auf die graugetünchte
Front des alten Fachwerkhaufes, über deſſen nieberer
Thür das blaue Schild mit den verblaßten 81
der „Stadt Hamburg” hängt, und fchließlich auf den عق
haber ۵۱0۱8 Brachthotels, welcher in feiner grauen Woll-
Jade und der blauen Dienerfchürze feinen eigenen Haus:
knecht zu repräfentieren ſcheint. Herr Simmel empfindet
auch das Ungehörige feiner Erjeheinung ſolchen Gäften
gegenüber, und das lähmt 2ھ die Sinne dieſes fchon
nicht fehr weltgewandten Wirtes. x
Er fteht, dreht fein Käppchen 01 den Händen
und macht einen tiefen Biidling um den anderen, dieweil
jih fein rundes, gutmiitiges Geficht fdjier blaurot vor
Berlegenheit färbt. Der fremde Herr, nicht minder elc-
gant und vornehm wie feine Gattin ausfehend, wendet
— 1 —
ihm das jcharfgejchnittene, 03ء — Geſicht mit huld⸗
vollem Augenzwinkern zu.
„Haben Sie Zimmer bereit, Verehrteſter? Wir ge—
denken etliche Tage hier au 0101 Sch hätte uns
telegraph angemeldet, wenn unfere Abreife ficher zu
beitimmen gewejen wäre. — Wollen Sie uns zwei Stuben
— Salon und Schlafzimmer — 7ء
Herm Simmel ‚blieb die Antwort vor آ22 im
Halje ۰ — ۱
Ew Gnaden . .“ ftotterte er und Dann collie —
waſſerblauen Auglein hilſeſuchend umber, bis fie voll
ſeligen Aufleuchtens an der Geftalt ſeiner Gattin haften
blieben. Er ſtürzte der Nahenden atemlos entgegen;
„Marthe — fieh du mal zu —!” und damit verfchwand
feine forpulente Gejtalt in rettender Flucht Dinter der
Thür, durch welche die Frau Wirtin ruhig und felbft-
bewußt foeben heraus trat.
Eine weiße Haube auf dem Kopf, eine fchneemweiße
Schürze über dem grauen Reid, knixte Frau Simmel jo
feierlich, daß ihre hohe, grobfnochige Geftalt ferzengrad
hinabtauchte, wie Frau Erda, wenn fie Hd, von Wodan
für Die Unterwelt verabfchiedet. ۱
„Willkommen die gnädige Herrichaft!” fagte fie
witrdevoll, und der Kutſcher Echröder jtarrte fie an wie
eine Viſion, — hatte bie Frau denn vollkommen ihre
Wäſche, Würſte, Schinken und Apfel in ber ۵
vergejien? —
Der fremde Herr richtet jeine rage mit berbirî:
سد 18 —
lichftem Lächeln noch einmal an die beffere Hälfte 8
verfchwundenen Wirtes, und während Schröder und Gott-
lieb mit ftocendem Herzichlag atemlos ihrer Antwort
harrten, fnirte Frau Simmel abermald, ohne aud) nur
mit einer Wimper zu zuden und fprad):
„Dir find auf jo hohen Bejuch nicht ganz vorbereitet,
da etliche Zimmer nen tapeziert werden und bie anderen
heute morgen erjt von SHerrichaften verlaffen wurden.
Darf ich darım bitten, bab Cw. Gnaden für kurze Beit
mit einem einfachen, Heimen Zimmerchen fürlieb nehmen,
— in zwei Stunden eben Salon und Sula 7 zur
Verfügung.”
„Ausgezeichnet, nidte der Herr. „Es ai bir dod)
ebenfalls recht, ٤ Melanie?” —
Seine Begleiterin rif ben Blid von dem Stordinelt
anf dem Nachbarhaufe los: „Es it mir alles gleich-
gültig, ich finde mich darein, mon ami!’ — 6
fie mit einer Stimme, welche wie ein halber Seufzer Elang,
dann legte fie die elegant behandichuhte Nechte auf den
Arm des Gatten und ftieg langſam, voll laffiger Grazie
die fteinernen Stufen empor. Boll andächtiger Scheu folg-
ten ihr alle Blide. Frau Simmel aber ſchwenkte ftolz links—
um und folgte triumphierend ihren Gaften erfter Klaſſe
„Hüh”, atmete Schröder tief auf, und der Omnibus
ratterte in den Hof; Gottlieb aber folgte dem Wink
feiner Gebieterin und jab voll Überrafchung, daß der
Mensch nie auslernen kann und Geiftesgegenwart ein
ſchönes Ding ijt.
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u. Jiov., Der Diaioratsberr L,
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Er glaubte, nun werde eine wilde Jagd anheben,
Die Wäſche⸗ und Würſteſtube ſchleunigſt zu räumen, —
aber nein, Frau Simmel nahm gelaſſen den Schlüſſel
pom ie Ring und fchloß rechter Hand vom 2
[ur das Heiligtum ihres Haufes, die Bub: und. runt
jtube Der Familie auf. ت.
Hier, wo ſonſt nur die Samitienfefte اس 11110 210012
mal im Jahre ein Honoratiorenfaffee gegeben ward, wo
alle fteifbeinigen Bolftermöbel in geblümten 7
ftediten und die Luft geheimnisvoll nad) Kampfer und
Naphtalin rod) — hier rif die Wirtin zur „Stadt San
burg” Kurz entichloffen die Fenfter auf, fommandierte
Ausfegen — Feuer machen — Möbel bürften!” und
ichritt gelafjen in das Nebenzimmer, einer großen, zwei:
fenjirigen Eckſtube, in deſſen Mitte ein Billard ftand und
an Ddeffen Wänden die Rupferftidje längft verewigter
Landesväter und -Mütter hingen, zwifchendurch Die
Glaskäſten voll bunter Schmetterlinge, welche ber ver-
ſtorbene Onkel Schullehrer gejammelt, und eine Land-
{daft aus Kork gejchnigt, hinter Glas und —
nem Rahmen, eine Kunſtleiſtung des 000 welcher
Buchbinder gelernt hatte
Dieſe Stube ward nur im Winter geöffnet, wenn ber
Kriegerverein und die Vürgerreffource ihre Bälle in der
„Stadt Hamburg” abhielten und das würdige Alter fich
aus dem Gaal zurüdziehen wollte, welcher fich ala Seiten-
flügel befagtem Billardzimmer anjchloß. —
Emfige Hände verwandelten e3 bligjchnell in eine recht
- í oo
behagliche, wenn auch etwas altfränfifche Schlafftube, und °
Frau Simmel nidte ſchmunzelnd vor 0 hin, ala ihr
Gatte fie in wahrem Wonneraufch umarmte und beinahe
jchluchzend vor Nührung hervorſtieß:
psd, Alte, wenn du nicht warft! — - Sung Bieh Dar
junge Kraft — aber die alten Stlepper ziehen die Karre
aus dem red —! Wenn das unjer Marden hätte aus-
richten follen — du lieber Gott!” — Frau Marthe driictte
das Kinn fteif an und jog die Schultern pod. „Schuid-
ihnad — dag Mädel braucht’s nicht; die fol höher
hinaus. Iſt nicht zur Wirtin geboren. — Und mun marjeh
dich, Vater, und frag droben an, was die von
Ipeijen wollen.” — |
*
An der Thür der blauen Eckſtube flopfte e3. Die
Stimme des fremden Herrm rief ein furges „Herein!’ —
und nach zögerndem Dru auf die Klinfe erjdjien der
Gaftwirt der „Stadt Hamburg” auf der Schwelle.
Die Wolljade und Schürze waren gefallen, — ein
feierlidjer jchwarzer Gevatterrod, ein weißer Fragen und
blau getupfte Strawatte zeigten an, daß Vater Simmel `
wußte, was man Bafjagieren erjter Klaffe an Reſpekt
jchuldet. Er ۵ einen Devoten Kratzfuß und räu⸗
ſperte ſich :
Der vornehme Beilchendutt, welcher dem geöffneten
Handkoffer entjtrömte, und welchen die Dame mittels
eines fein gejchliffenen Flacons juft in alle Eden fprühte, —
| | ۱ es x
— ات
benahm ihm den Atem, er wagte faum zu exiftieren in
dem feines Nichts 0 hobtenbeni Gefühl!
Der Herr ſtand am Fenjter, — er wandte den Kopf
und blicte den Wirt fragend an, — und die Dare febte
bas Parfümglas nieder auf den Tijd) und {arf feide-
raufchend in die Ede des alterſchwachen Kattunſofas —
Auch ſie richtete die müden Augen in ſtummer Frage
auf den armen Simmel, der gar nicht begriff, daß das
Sofa aus Schreck über die Ehre, welche ihm angethan
ward, nicht zuſammenkrachte. Er ſprach noch immer ×× nicht
Da erbarmte ſich der fremde Herr.
Wünſchen Sie etwas, Herr Wirt?” fragte er jo über-
aus freundlich, daß dem Beſitzer der „Stadt Hamburg‘
das Blut in die Wangen ۱908. ۰.
woe)... ich wollte mir alferınterthänigft Die tage
geitatten . . . Em. Gnaden . . . wann die allergnädigfte
Herrichaft zu jpeilen . . . und vielleicht was es
foll . . meint meine rau. . .”
„2 richtig — هم dürfte Beit zum کت
fein!” nickte die Dame mit leichtem Super
„Frühſtück? . . es it ein Uhr mittags —- —
Stau!” ſtotterte — entſetzt
Der Herr lachte leiſe auf. „Ganz recht, und dag
ijf im Angerwies die Tifdhftunde. Liebe Melanie, wir
werden uns den Sitten des Landes fitgen, denn es ift
das einzig Wahre und Bernünftige, wen die Menfchen um
ein Uhr zu Mittag efjen, nicht wahr, mein fehr verehrter
Herr Wirt? Ich gebe Ihnen vollfommen recht darin.“
ot —
Herr Simmel erglühte vor Entzüden, denn Der ء۶٤
ſprach voll gemwinnendfter Liebenswürdigfeit und fuhr
näher tretend fort: „Nun dann jagen Cie uns einmal,
was Ihre Frau für den Mittagstiich gekocht hat? Ich
jah, daß ein paar Herren drunten im Speiſezimmer ant
gebedten Tiſche ſaßen, es gibt alfo doch table d’höte
bei Ihnen, wie dies in Ihrem vorzüglich renommierten
Hotel zu erwarten ware’ Der Herr Wirt jchnappte vor `
Entzüden nad) aa r biel ٤+ — Her .
ery .
„Herr Oral” — fiel ber Fremde mit tgnibigem Ropf-
111861 ۰
Simmel jant beinahe in die frie .. . „Herr Graf!
— Aber unfere table d’höte dürfte den سو Herrichaften
doch wohl viel zu einfach fein — — ۱
‚ta fommt darauf an. Alſo was sib es?“ —
„Haferfuppe mit Badpflaumen . . .“
Gin leifer Laut von dem Sofa herüber, — der
Graf aber wandte mit jchnellem Blick den Kopf und
die Gräfin Huftete ſchwach und leidend in ihr Tajchentuch.
Vorzüglich, ich ſchätze diefe Euppe jehr!” fuhr der
Graf verbindlichit fort, — „was weiter? —“
,oammeltoteletts mit Schnittbohnen!“ — ==
„Suche Bohnen bereits?” — richtete Hd) die Gräfin
interejjiert auf. —
Herr Simmel erbleidjte vor Schred: ‚Al bie] e Belt
— im März? 2” ftieß er hervor.
Abermals lachte der Graf leiſe auf. „Aber —
بت 992 ہے
Melanie, — du haft nie eine Bohne wachjen gejehen,
darum muß der Herr Wirt deine Frage verzeihen! Es
find felbitverftändlich Büchfenbohnen!” Faßbohnen, Herr
Graf!” verbefferte Simmel demütig, „aber weich wie
Butter! Meine Alte hat fie felber eingelegt und verſteht
jd) darauf!“ Die Gräfin ſank wie vernichtet m die
Sofaede zurüd, aber ihr Gemahl lächelte fehr jovial:
„Davon bin ich überzeugt, — Ihre Frau fol ja eine
Meiiterin der Kochkunſt وا - — Hno damit um wir
am ) 2“
Nun mud der —— wieder felbftbewut em:
yor. „Noch Hühnerbraten mit Kartoffelfalat!” ſetzte er
Hola hinzu: „Der Herr Affeffor hat ق fo eingeführt, daß
‘wit Drei Gänge N a Sonntags fogar neg eine
ſüße Speife.”
„Ei, das ijt ja fabelhaft! Nun, Sie haben mir e
reitS den Mund wäſſerig gemacht, beiter Herr, und bitte
ich, jogleich für unë fervieren šu laffert.“
„Die Herrjchaften wünschen hier oben zu ſpeiſen 2
Die Gräfin wollte lebhaft zujtunmen, — aber wieder
traf fie der feltjame Blid des Grafen.
„O nein, Warum das? Wir lieben die Gejellichait”,
lächelte er abermals jehr Huldvoll, „und werden an der
table d’höte fpeifen.” — „Herr Graf!!” wie ein Schrei
des Entzückens fang es. |
er find die Herren, Die das Mahl mit uns teilen
werden 2” —
هر gmäbigfte Grafin — ſeht feine, fehe anftändige
تے 955 نے
Herren, mur Honoratioren der Stadt —! Da it der
Herr Aſſeſſor Barning — früher in den ٢ Städten
gewejen, der Vater fogar Geheimrat — dann der Herr
Apothefer — ein jehr vermöglicher Herr, Dem das ٤
Eckhaus drüben am Markt gehört — dann der Herr
Kreisſyndikus, deſſen Mutter jogar vom Abel geweſen,
— der Auditeur . . .”
„Schon gut! {don qut! Das Find ja höchſt rejpef-
table, ehrenwerte Herren, mit Denen zu fpeifen ein Bers
gnügen und ein Vorzug if; — wollen Sie das den
Herren bitte jagen und uns an ihren Tiſch placieren, اب
wir fommen jojort.“ —
Herr Simmel jtolperte üder die Schwelle zurüd, wie
betrunfen vor Entzüden. Wtemlos fam er in die ۰
{tube und richtete jeinen Auftrag aus: „Der Herr Graf und
bie Frau Gräfin werden hier unten bei Ihnen jpeijen!” —
Wie eine Bombe wirkten dieſe Worte. Der 7٣
befam zwei rote Flecken auf den Wangen, und fprang
empor. „Noch zehn Minuten warten! Sd) muß Toilette
machen, wenn wir Damenbefuch erhalten —“ jehrie er
und ftürzte wie ein Blutvergießer aus dem Zimmer. 0
nach it wilder Eile die anderen Herren, welche nicht
hinter dem tonangebenden Genoſſen zurüchtehen wollten.
Fraulein Klärchen bedte wmahrenddefjen den Tiſch neu
um, — lauter friſche Wäjche, obwohl es unter Frau
Marthes Szepter überall fanber ausjah. — Sogar ein
Strauß von frischem Tannengrün und Epheu 44
Die Tafel. ES
سا 81 تے
Endlich erfchienen die Herren wieder auf der ۰
fläche, pomadijtert, rafiert und fonntaglich gekleidet. Der
Affeffor trug die goldene Uhrkette mit den vielen Ber:
loques und den Diamantring am Heinen Finger, — der
Apothefer hatte über die linfe Hand einen Handſchuh
gezogen, weil er einen 77 ginger Batte und dev
Lappen darum ihm nicht fein genug deuchte. Man ſtand
voll feierlicher Spannung und erwartete die hohen Säfte,
Endlich raufchten die jeidenen Röcke auf der steilen Holz⸗
treppe. Am Arın ihres Gatten betrat die Gräfin das
Speifezimmer. Ohne Pelz und Hut jah fie noch {hiner
aus und dem Affefjor wallte das Blut zum Herzen, wie
von füßer Erinnerung an bejjere Zeiten — an eleftrifches
Licht, — Profefjorenbille und den ganzen Zauber des
großftädtiichen high life! —
Die ftahlblaue, ſchwere Seide umfpannte tadellos
die jchlanfe und dod) üppige Figur, die blonden Haare
ichimmerten matt über der weißen Stirn, und wenn aud
das. Gelicht bei näherer Betrachtung nicht jehr ۵
ns nicht regelmäßig oder anziehend in ſeinem Ausdrud
‚ fo wirkte e3 doch geradezu verblüffend vornehin.
"Dick letzte Art war auch dem Grafen in hohem
Maße eigen. Er jal aus wie ein Diplomat. Im Grunde
genommen fchienen jeine Züge und Augen kalt, berechnend,
— jeelenlos wie ein Stein, — aber wenn er mit feiner
leijen, einſchmeichelnden Stimme ſprach, legte ſich das
farbloſe Geſicht in die liebenswürdigſten Falten, und es
hatte geradezu etwas Beraufchendes, wenn dieſer ſichtlich
had
HA
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š 2 سی
p> میم
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+۹۱۶ beet
لت 00و2 =
ſehr permöhnte, ےو Mann voll gewinnenditer Höflich-
feit bie Meinungen feiner Tijchgenofjen anerfannte und
jedem der Herren etwas Angenehmes zu fagen wußte.
Sein Haar war leicht ergraut und jchon etwas gelichtet,
aber der Schnurrbart noch tiefſchwarz und auf dad eles
gantefte gefräufelt, da3 machte ihn intereffant. — Schmale,
bleiche Hände mit langgebogenen Nägeln verrieten den
Ariftofraten. Die Gräfin war fteifer und einfilbiger ۶
ifr Mann, aber fie ward lebhafter, als ihr Nachbar,
der Aſſeſſor alle alten Künste des Courmachens ۶
beſchwor und die fote Frau in allen Tonarten an,
jchmachtete.
Ein paarmal ftand ihm ſchier das Herz Ri,
jüger Wonne, als Frau Melanie in ihrer ساس
Weife ein ganz flein wenig mit ihm fofettierte und als
fie jchlieglich einen Apfel jchälte, ihn mit den diamant:
gligernden Händchen grazibs zerteilte und den Zeller bei
den Herren in die Runde ſchickte, wäre wohl ein jeder
۳ fie durch Das Feuer gegangen.
Namen und Wohnort hatte man noch nicht erfahren
und wagte auch jelbjtveritändlich nicht, Dies zu erforfchen.
Man erfuhr nur, daß der Graf nad) einer Frijenfe für
di Gattin und einem Rammerjungjerdienfte leitenden
‚Stubenmädchen' gefragt hatte. — Umitände halber war
e3 nicht möglich geweſen, die eigene 20000 mitzus
nehmen.
Dap die 80 in ber Wether lebten und
intim bet Hofe verkehrten, ging aus jedem Wort hervor.
— 5
Auch große Reifen im In⸗ und Wuslande hatten fie
gemacht, — und tro all diefer gewiß namenlojen Berz
wohnung waren fie die gewinnendſte Güte und Nachficht!
Der Graf richtete die Hhuldvollften Worte an Frau
Marthe und Lobte ihr Efjen ganz außerordentlich, „es
fei ein Genuß, folch meifterlich bereitete Speijen zu
6۱0.۳ —
Da hatte er die Stelle getroffen, wo bie biedere
Wirtin fterblid) war. — Ganz gejchwollen vor Stolz
und Glück jchritt fie einher, und all die Bafen und
Gevatterinnen. welche bie Neugierde zu ihr in die Küche ©
trieb, hörten eitel Begeijterung über die feinsten aller ۰
M12 fic) die Tafel bereits ihrem Ende näherte, jab
die Gräfin plößlich angeftrengt aus dem Feujter, vor
welchem fich, bequem zu überjehen, der holprige, ziemlich
große Marktplab mit dem überdachten Brunnen in der
Mitte, ausdehnte.
Shr Blick Schärfte fich, — unbemerkt ſtieß fie ihren
Gatten mit dem Fuße an und dieſer folgte der Nichtung
ihres ۰ 0
Da fab er etwas Überrafchendes!
Quer über bas Brlajter ftolperte eine ganz ٣
angfehende Männergeftalt.
Cine fleine gedrungene Figur jtaf in einem 6
pelg — Die Haare nad) innen — welder den Cindrud
eines Sades machte und um die Taille nur einen ſcharfen
۶720 aufwies, welchen ein — 8 Gürtel benußter
© rick gezogen.
obige hohe Stiefel von Rindateder machten Die
Füße zu wahren Monjtruns und der fer bide Kopf
mit breitem, bartlojem, ftarfgerdtetem Geficht trug eine
Pelzmüte, wie He in der Kinderftube der Knecht Ruprecht
bor ٹا tett als ſhretkenerregendes Requiſit zur
Schau trägt. .
Der feltfaine Mann rannte mit vorgeſtrecktem Halſe
in ſtierem Eifer daher, — fuchtelte mit den Händen in
die Luft und ſchien laute Selbſtgeſpräche zu halten.
Seltſamerweiſe ſahen ihm ein paar 70
nur grinfend nach, ohne johlend neben der 1ء
Erſcheinung Hergutraben. Diejelbe mute aljo wohl in
Angerwies fchon befannt fein. — Graf und Gräfin
wechfelten blißichnell einen Blick des Einverjtändnifjes, ja
der Gatte machte eine jählings zuitimmende Kopfbe-
wegung. Da uahm Frau Melanie ganz wie von unge-
۲۵9۲ ihre langjtielige Lorgnette von cijeltertem Gold zur
Hand und blictte noch einmal hinaus, diesmal offiziell.
Und damı ities fie einen leiſen, enifesten Laut der
۱ ‘TWeerrafehung aus, welcher jedes Geſpräch verftummen
niachte, wies nach der jeltjanen Geftalt auf dem Markt—
pla und vief mit | jehr Harter, lauter Stimme und ganz
bejonderem Ausdruf: „Mon Dieu, wie au td), da
läuft ja ein Berrücter!!” —
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20
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SUN)
11
Hama, behende vom Echwung, wie fonft fein anderes Scheujal,
Hübrigkeit mehrt ihr Gedeihn, und friltiger wird fie im Yortgeben;
Anfangs Hein und verzagt; bald bod in die Lüfte Rd hebend
Tritt fie einher auf den Boden und birgt in den Wolfen bie 71
Birgit
W ine verlegene Stille ۰
y Der Aſſeſſor räufperte fich mit vielfagendem
Blick ringsum, der Apotheker neigt fein fpibes
inn auf den Teller und ficherte leiſe auf, und als der
Wuditenr fogar laut in jeine Serviette pruftete, und der
bedienende Simmel die breite, rote Hand mit geipreizten
Fingern vor das Geficht preßte, wie einer, der halb cts
ſchrocken, halb beluftiqt feine Gefühle verbergen will, —
da gab es fein Halten mehr, ein lautes, wohlthuendes
Gelächter ericholl.
`. Die 7 nie ein jehr reizend 5 Geſicht
und wandte fich zutraulich gu ihrem entzückten Nachbar:
„Stimmt e3 wirklich, Herr Wifeffor? Habe 35 Das Rechte
en 2۲ —
کے NF جو
Der Gefragte verneigte fich: Gnädigſte Frau —
haben wenigitens die Anficht von Angerwies und Um—
gegend ausgefprochen!” — lachte er noch immer. „Man
fam ja manches denten, was man aus o I in
Worte kleiden darf. a
„AUS Refpeft 2” — Der Graf salt mod — die
Weinfarte zur Hand und winfte dem Wirt: — Ich bitte
Sie um alles, befter Herr Aſſeſſor, wer ijt jenes Mon:
ftrum im Schafpel;, daß es Nefpeft von Menſchen ver:
langen fann, in deren Augen e3 {ih felber fo lächerlich
herabjeßt 2”
Abermals jubelndes Gelächter, dann ficherte der pos
thefer: „Bor dem Schafpelz hat man allerdings feine
Devotion — wohl aber vor dem Namen, welchen er um:
hullt! Der feltjame Herr da draußen war der Reichsgraf
Ç Willibald pon Nieded, der Befiger eines der reichiten und
herrlichiten Wiajorate, weldje das Deutjche Vaterland 77
Ein leifer Aufjchrei der Überraichung tönte von den
Lippen der fremden Gräfin, fie preßte das jpigenbejebte,
duftende, weißleidene Tajchentuch gegen die Lippen, als
fürchte fie eine Ohnmacht. „Schauderhaft! shoking!!“
jtöhnte fie auf. „Sie jcherzen, lieber Afjeffor! — Wenn
diefer Menfch der reichfte, vornehmite Majoratsherr ift
— dann gehört er entiweder in jeine eigene Rumpelkammer
oder — in das Srrenhaus!!” —
Der Wffeffor zuckte mit vieljagendem Blick die Achjeln,
der Graf aber jchien gang in die Weinfarte verjunfen.
Mit geminnendftem Lächeln fal er jest auf.
م۹ سن
Ich finde, metite fehr verehrten Herrichaften, daß wir
hier aͤußerſt gemütlich zufammen fiben und gar nichts
befferes thun können, als dieſe charmante Tiſchſtunde
noch ein wenig auszudehnen! Das Regenwetter feſſelt
uns heute jo wie jo an das Zimmer, darum bitte ich die
Herren, mir al liebe Gajte noch ein Weilchen Gejellichaft
zu leiften. Mein befter Meijter Simmel, ich [eje daß Sie —
auch Sekt in dem Keller haben! Laſſen Sie, bitte, eine
Flaſche jogleich herauf bringen, und vier andere auf Eis `
legen, — ich freue mich, die Nepräfentanten der Anger-
wiefer eriten Gejellichaft dazu einzuladen!” —
Welch eine Wirkung hatten diefe Worte! Vater Sim:
mel Stand einen Augenblid, alg traue er feinen Ohren
nicht, — dann verflärte ein geradezu traumhaftes Lächeln
fein Untlig, und beide Hände ineinander fchlagend wie
einer, welcher fein Glück nicht faffen fann, wankte er zur
Thür. Die zwölf Flaſchen echt franzöſiſchen Seftes, welche — —
im eller lagerten, deuchten ihm längft die Nägel zu
feinem Sarge. Er hatte fie anläßlich der Hochzeit des
reichen Brenncreibelibers fommen laffen, aber vierzehn
Tage vor der Hochzeit ftarb der Bräutigam, und nun
gab e3 in Angerwies feine Gelegenheit für franzöfijchen
Champagner, der deutjche billige Schaummein war fein —
Todesurteil. In feiner Verzweiflung hatte Simmel dem
Grafen Willibald Nieded den kleinen Poſten angeboten,
war aber zu feinen tiefen Grol abjchlägig befchieden
worden! Und nun, als er das teuere Schmerzensfind
Stiquot fort langjt zu Grabe gelegt hatte im Seller,
— مت
fam dieſer herrliche, unvergleichliche, fremde Märchengraf
und [pra fein Zauberwort, welches den Sejam öffnete!
— Das war eine That, welche ihn ewig zu des ٤
Schuldner machte!
Und nun gar die Gefichter der umfigenden Herren,
welche heute, am fimplen, werktägigen Mittwoch für ganz
۱۱۱۱۱۵۱۱۱۲ echt franzbſiſchen Champagner trinfen jollten.
Hohe Shut ftieg in aller Wangen, — linfifche Ver:
- Beugungen, unverftändlich gemurmelte Worte bes 5
antworteten auf die entzückende Einladung.
Der Upotheler trat in jeiner 6٤ jeinent
-- Nachbar beinahe die Zehen unter dem Tiſche ab, und
der Auditenr kniff und ſchuppte 8 snibentertt; aber
energifch den Poftaffijtenten, daß diefem fiedeheiß ward.
Rach der erften beglückt verlegenen Stille ergriff Die
unbändig gejchmeichelten Herren eine wahre Quartaner-
tröhlichfeit; der Graf ließ zu allem Überfluß noch fein
Gigarrenetui bie Nunde machen, aus welchem die echten
Havannas einen Duft ausftrömten, daß der 74+۲
mit feucht verſchwimmenden Augen flüfterte: ,,Rinder, dag
find folche ‚geftrüben‘, von denen damals pipe —
. gum Fürſten erzählte!”
` Der Graf mandte fich an feine Gemahlin: en es
| sie unangenehm, rein wir rauchen, liebe Melanie? Be:
fiehltft du, Daf ich Dich in dein Bimmer zurüd führe?” سے
Der Aſſeſſor fuhr erſchreckt zufammen, fein Blick traf
wie erfterbend in Schmerz die ſchöne Nachbarin, und die
Gräfin war feine Turandot. Mit reizender, 07
99 616۲۲۵۱5, SU. Nom. u. Nov., Der Maioratsberr I 8
و ی
9] lächelte ie ihm au und jchüttelte dann den Kopf:
„Nein, Rüdiger, wenn es nicht geniert, möchte ih euch
Geſellſchaft ۷ Drüben langweile id mid) allein,
während Hier in. icharmanter Weije für meine Unter:
haltung gejorgt wird!” “Sabe 6 wieder ein ۴ ~ s |
wie ein ۲ Funken zu dem Aſſeſſor hinüber, wel حم —
‚chem bet jo viel Huld ganz fchwindelig ward.
‘Und dann fam ber Seft und perlte in den Olajern,
und der Graf febte aller Leutſeligkeit Die Krone auf und
ließ noch ein Glas bringen, um ق für den. „waderen
877" füllen zu lafjen! Das war zu viel für Vater
Simmel! Helle Thränen traten ihm in die Augen.
Der Graf aber nahm den abgeriffenen es der
Unterhaltung wieder auf.
Wenn id) vorhin recht verftand, meine — war
der verrücte Menſch in der Bärenmütze der Graf Willi-
bald Niedek! Es interejfiert mid) aufs lebhaftefte, von’
dieſem narriſchen Kauz das Nähere zu hören! In der
Reſidenz erzählt man fic) ja ſchier unglauhliche Dinge
von ihm, aber es ſcheint doch manches unwahr und über-
trieben zu fein, denn man erzählte zum Beijpiel nod) jüngft
bei Hofe, der Graf habe die Weltordnung auf den Kopf
geitellt, er fdjlafe am Tage und made in der Nacht. Nun
jehen wir ihn aber doch foeben in Heller Mittagsftunde
spazieren geben?’ — Der Apotheker hielt jein Spitzglas
mit der unbehandichuhten Rechten krampfhaft uniklamniert.
Der Wein 0 ihm nod) in der Mafe.
„8a, ja — der Herr Graf haben aber irohdem recht”,
کے —
rief er erregt, „nur mit dem Bemerten, daß der 81
feine Baffionen wie die Hemden wechjelt! Noch vor vier
Wochen lebte er ausichlieglich in der Nacht. Um 8خ
Uhr wurde ihm das Diner ferviert, dann ging oder rannte
er vielmehr wie cin Bürftenbinder guerfeldein durch Delt
Barf. Als er bei einer folchen Promenade aber in Der
Daunkelhen ftürzte und {ih den Fuß verſtauchte, at er
das Nachtleben wieder aufgegeben!” —
û „Änerhört, er mu in ein mel ۶ا" ſich
vie Gräfin.
„Mund nun fulbiat ¢ er wieder anderen 07“
۲۵۲۱۵۵1۵ ihr Gemahl fopfichüttelnd.
s wird alle Tage Schlimmer mit ihm!” nice Der
Poſtaſſiſtent mic fehdeluftigem Blick. Ich fuhr jüngft
einmal nad Niedeck hinaus, um ein größeres Kapital
ficher Hinzubringen, aber ich gejtehe ehrlich ein, daß ich
jo viel Blödfinn nicht erwartet 0501 =
Anſinn — er ijt überhaupt gar fein richtiger Braj!
er Beift man bloß 10۲۶ — grollte Vater Sinunel ber:
ächtlic) dazwiſchen. ۱
7 XG, intereffiert mich lebhaft! Was jahen Sie zum
Beiipiel, mein verehrier junger Freund?“ Der Graf
fächelte ifm zu und der Affiftent ergfühte vor Stolz.
„eut, hochverehrter Herr —“ antwortete er hibiq und ~
fichtlich froh, zu Worte zu kommen und die feinen Herr-
ichaften intereffant unterhalten zu fónnen, „wie ich zum
Beifpiel anfam, nahm id) an, daß man mid) in das
wundervolle Schloß zum Grafen führen würde, Sch ſah
3+
alle Fenjter erleuchtet und war überzeugt, eine größere Sefell-
ſchaft zu treffen, obwohl ja die Dienerjchaft erzählt, daß der
jteinreihe Mann niemal3 eine 6+ zu 2 eins
| lade - — ےتور
yoo, er fault ja nicht für fünf Prenmige i in An gerwies“, کر
brummte Simmel abermals dazwijchen; ja, zu Lebzeiten dex
alten Hertſchaften, da ſoll ein echt gräfliches Leben auf Nieded
Zeweſen fein; da wurden alle Gefchäfte in der Stadt reich, —
. aber bei soe jebigen da werden Mir allejamt bantrott !“ —
„Das ijt ja findhaft! Der Mann hat dod) Bers
pflichtungen gegen Die Staufleute!” — ereiferte ſich Die
Gräfin, der Aſſiſtent aber fuhr nach neuem 2 fort:
Ich ſuche aljo den Herrn Grafen in Gedanken ur —
schönen Schloß, und 100 anne ich ibn: 22% —
U ٦
U Der Kutſcherwohnung des Beiehäubest”
„Andenkbar!!”
„ber wahr, Da Graf! Seht weiß es ia ae ne
Die ganze Stadt! Ja, da hat der Niecdecker die unglaub-
lhe Hirnverbranntheit, ſich in dem niedrigiten, ärmlichiten
fleinen Loche einzuquartieven, wo er doch den ſchönſten
Prachtbau des ganzen Landes fein eigen nemit! Der
Stutjcher mit jeiner Familie wohnt nun in den jchönen
Barterrefälen, und der Herr Graf hauft in zwei winzig
— kleinen Käfigen in Dem Hofgebäude! Jeden Abend muß
das ganze Schloß von oben bis unten glänzend erleuchtet
a werden, aber die Zimmer ftehen öde und leer, der "2
Here felber febt feinen 6 hinein.“
„Rum —, hat er deun einen verniinjtigen, 1. A ۵
dafür?” وھ
as man nicht 74
Der Graf jchüttelte den Kopf. „Er iff geftestranf,
10 beträgt. ſich fein vernünftiger Menſch!“
aman ۱۵۱6 8 wirklich annehmen, daß eine زمر
Schraube bei ihm loſe iſt!“ Inchte der Aſſeſſor mit:
glühender Stimm; die Gräfin hatte ihr goldenes Cigarrene =
١00 aus dem Seide gezogen und mit gragidjen Finger اي
chen zwei Cigaretten gedreht, eine Hür den Afjeffor, cime 9
für ſich nun fa fie und blies die blauen Rauhwöl: =
chen durch die feinen blaffarbenen Lippen, — jo gang
der Typus der eleganten Brau, für welche le, ie
eine Leidenſchaft achabt.
` „Qum Beiſpiel grenzt e3 doch auch ſchon an 930(1
heit, daß er einen Marfiall edelfter Pferde für feine
Diencrichaft Halt!” —
Für jene 07”
„Sewiß, nur für Ruther und Bediente, die elegante
Equipage fährt täglich fpazieren, ohne bab der Herr
- Graf jemals in derjelben Blak genommen hätte. Bei
Wind und Wetter trabt er zu Fuß hinter dem Wagen
her, bei Hite und Sounenglut feucht er fchweißtriefend
die weiteften Wege auf Schufters Rappen, dieweil fein
Maritall faum noch die Zahl der edelſten ole faſſen
fal —
Das it ja einfach 807 fchüttelte der
Graf entrüftet den Kopf. „Wenn er dawn die Neitpferde
wenigitens Ihnen, meine Herren, zur Verfügung 6 —
und die Schönen von De in dem Wagen ſpazieren
fahren ließ 1”
Schallendes, ingrimmiges ٹس Dieſer Filz!
Diefer. Geizhals! Er fennt uns ja kaum, er ja
mit keinem Menſchen in der Stadt!“ | 0
„Und doch wäre Dies feine verdammte Pflicht und
Schuldigkeit!“ rief die Gräfin. ei frig. „Er follte alle
paar Tage ein jchönes, großes Felt auf Schloß Nieded
` geber und die Gefellidjaft von Angerwies dazu einladen!
“Mon Dieu — Rüdiger — wenn wir an Stelle des Ders
rückten Menjchen waren, wie wollten wir anders für das
Wohl von Land und Leuten jorgen! Beſter Herr Aſſeſſor,
Sie witrden allerdings ſchlecht dabei wegkommen“ —
fügte jie mit leifem Lachen und begauberndem Blick Din:
zu, „Sie müßten Tag aus Tag ein mein Ravatier fein
und mich zu Wagen und Roß begleiten!
u grädigfte Grafin — faufen Sie Nieded!” rief
Barning enthufiaftiich, und die anderen Herren griffen
ftürmifch zu den Gläfern und jubelten mit weinjchweren | —D
Köpfen „Durra! das it eine Idee! Herr SR Sie
müſſen Niedeck ۳
Der Fremde zuckte 1)1 Lächeln Die Achſ ein. „Ein
Majorat faufen, meine Herren? Diejes Kunſtſtück machen
Sie mir einmal vor!” Er ftrich langfam den ipibengedrehten
Schnurrbart, dann hob er in jähem Entſchluß den Kopf.
„Meine Herren” — rief er laut — „fünnen Sie
Schweigen 7“ — a.
کت 96 کے
„Herr Graf! — Wie das Grab!” — fang e3 zurück,
während die weinjeligen Gefichter fi) voll fiebernden
Intereſſes über den Tiſch neigten. „Ihr Vertrauen ift
uns fönigliche Ehre” —
Nun denn, meine Herren — Sie fehen in der Gräfin
und mir Die künftigen Beſitzer von Schloß Mieded! 0
habe die Ehre, mid) Ihnen befannt zu machen — last
not least! . . . Sch bin Rüdiger, Graf zu Miedeck.” —
Wie gelahmt vor Überrafhung ſaßen die Herren,
einen Augenblick herrſchte beflommenes Echweigen, dann —
erhob fich der Apothefer, verneigte fic) tief und ſchuldbe—
wußt und ftotterte: „Wir hatten feine Ahnung, Herr ss
Graf... ich bitte für ums alle gang unterthanigft ==
taufendmal um Entſchuldigung, Daf wir eë gewagt Babet,
fo jehr abfällig von Ihrem 080ھ Germ Deter ہے
zu Sprechen!” — =
Der Graf ۵ 0 ben Kopf, م00" 0
Sprecher herzlich die Hand entgegen und britdte fie lebhaft.
„Mein verehrter Herr” - — lachte er — ich bitte Sie
um alles, feine Exfüfen! Sie haben die volle, lautere
Wahrheit gejagt, welche ich Wort für Wort unterjchreibe!
— Meine Herren! Ich bin für gewöhnlich nicht fo ſchnell
mit Befanntichaften machen, aber ich muß geitehen, Daf
Sie alle mir einen fo außerordentlich ſympathiſchen Sins
Orud machen, daß ich das Gefühl Habe, guten, lang-
‚jährigen Freunden gegenüber zu ſitzen, und Daf dies nod)
` if Wirklichfeit Durch lange Jahre der Fall fein möge —
. Darauf, meine Herren, fallen Ste uns die Öläfer leeren!
— 40
— Meine وتا atte auf Schloß an fie
leben hoch! Be
En brauſendes Hurra erfüllte daB Simmer. Wie
ein wahrer Rauſch überfam es die gejchmeichelten Herren.
— Gie warfen fd in bie Bruft, als habe fie das Wort
des Grafen allefamt 18 geichlagen, — fie ſchüttelten
und drücten ihm die Hände mit einem Enthufiagmus, و
gälte e8, ein einiges Deutfchland zu feiern. Ein vereinigtes
Angerwies und Niedeck“ ſchien allen in diejem Augenblid
noch taufendmal wichtiger und weihevoller. Der ۲
۱ fühte ſchon zum dritten Male die Hand der Gräfin und
‚rief Teidenfchaftlich: „Die Fünftigen Herren von Nicdeck!
Wann bricht aber diefe oe un 2-۱٦ 11118 alle an,
015۵1016 Grafine’ —
` Gime atemloje Stille tone ein. „Sa, wann bridjt fie
an?” wiederholte der Apotheker mit 1 7
Seufzer.
Der Graf blicite ernit un fein Glas. — Ra mein
Wetter zu jenen Vätern heimberufen wird, meine Herren,
— und das möge nod Zeit und Weile haben, ich will
ihm fein Leben bei Gott von Herzen gönnen, wenngleich
er in feinem traurigen, 8: Zuſtand nicht viel Gee
nuß davon hat, und auch anderen. nicht, zum Glücke
dient. — Ic weiß nicht, ob Sie. nit unferen Familien⸗
ſatzungen vertraut find, meine Herren? - — Nein? — das
wundert mich, denn diefelben find fo eigenartig, daß fie
als Abfonderlichkeiten im ganzen Lande, befannt find und
viel beiprochen werden. Der Vater meines Vetters Bill
۷
Ña e:
—
Harz, Vy
— A
bald und der meine waren Brüder. Nach Recht und Ge:
feb erbte der Yltere, Willibalds Vater, das Majorat, und
diefen folgte rechtmäßig fein einziger Sohn, der jebige
Bejiber. Dbwohl Willibald feit Jugend auf eit ab:
jonderlicher Kauz war und den Begriff „‚Degeneriert”
(eider ftart bewahrbeitete, [dien doch für mich wenig
Ausficht auf das Erbe, und darum heiratete ich ohne
Nücjicht auf die wichtigite aller یت 1 meine
ہے Frau hier ما
“0110190111 کر
„Die volle Wahrheit, ſchöne Gräfin! l
Obwohl ich dadurch — mich perjönlich jedes Recht
auf das Majorat aujgab.”
‚Mein Gott, in wie ent bas, Herr Graf?!” —
„Meine Frau it eine geborene Bürgerliche, die Tochter
eines unjerer bedeutendften Sndujtriellen des Landes, —
wer jedDod) Majoratsherr von Nieded fein oder werden
will, darf mur eine Gattin mit jechzehn Ahnen, die
Tochter eines im ane angeſeſſenen 00۴۶
heimführen . . .“
„Wie abjurd! — — - سے 77470 سے
Sa, meine Herren, Die Klaufel iſt nicht nur lächer⸗
UE ` fû, fondern unhaltbar, denn bei unſeren heutigen gejell-
schaftlichen Verhältniffen gehört eine Dame mit fechzehn
Ahnen zu den großen Seltenheiter, fie ijt faum nod im
beutjchen Neiche zu finden, gejchweige denn in unjerem
fleinen Ländehen, wenn fein Adel auch als eimer der erz
kluſivſten noch aul Ein tadellofer Stammbaum von Ders
artiger Höhe ift nur noch bei zwei Familien des Landes
zu finden, und der Zufall wollte es, daß juft für unfere
Generation — ic) meine für Willibald und mich, feine
heiratsfähigen Töchter vorhanden waren. sch fab ۰
dem meine fleine Frau — und damit war mein Schiefal
beſiegelt⸗ —
pd, Wie ۳ tete Der a 6110۲ mit ling
merifchem Blick.
Ich perjönlich kann allo niemals seb Belißer und
Majoratsherr von Niede werden, jondern mein 8۵
Söhnden wird erft im diefe Rechte treten, wohl aber
fann id) alg Vater und Vormund 8 Kindes das Erbe
für ihır verwalten, falls Willibald vor ۲ Volljafrig-
feit Sterben jollte.“ Der Sprecher ſchwieg, — nachdenk—
` ih ftarrten die Herren in die Gläfer.
ie fehr traurig liegen die Verhältnifje für uns,
Herr Graf!” jeufzte der Apotheker, „denn ich fürchte, fo
krank aud) der Geift des Herrn Grafen jem muß, fo
ferngefund ijt fein Körper und läßt ihn ein jer aber
Alter erreichen!” —
` ,ر Das ware i lia, wenn wir . . 2 rief die
Gräfin jehr eifrig, verftummte aber unter dem fcharfen,
warnenden Blick, welchen ihr Gatte ihr zumwarf.
Wenn wir wenigitens zeitweile als Gaft auf Nieded
weilen und unfere liebenswürdigen Freunde hier bei ung
jehen könnten!” — fiel er ihr ſchnell mit gewinnendem
Lächeln ins Wort, „nun, die Hoffnung müffen wir auf
x geben, mein Rind, denn bu weißt, Daf Willibald und Mm:
Me
uns al3 feindliche Vettern gegenüber ftchen, Bd) Huldige
Der Devife: Leben und leben lajfen! und bin bemüht,
durch mein Geld auch anderen Menfchen Freude und
Genuß zu verjchaffen. Willibald dahingegen ift ein
fnickeriger Egoift, welcher fein Dera für ne Mit:
menjchen ۳
„Das Stimmt!” flang es erbittert im reife
Bird denn aber ifr Söhnchen eine Frau mit fed)-
zehn Ahnen finden, Herr Graf?” fragte der Pojtaffiftent
ihüchtern, — die Sache ging ihm gewaltig im rn
— und beunruhigte ihn erſichtlich x ۱
Graf Rüdiger lacie: „Sa, mein lieber Müller, dafür
habe ich jchon beizeiten Sorge getragen, Mein ältefter
Junge tft jebt zehn Sabre alt, und bet dem Freiherrn
0 von Nördlingen-Gummerbach ijt por vier Jahren ein
reizendes, blondhaariges Töchterchen geboren, welches recht
arm an Geld, aber deſto reicher an Ahnen iſt
Dieſe Heine Pia ift Die gegebene Frau ‘at meinen
Wulff⸗Dietrich Bei ihrer Taufe haben wir Vater die
Sache bereits abgemacht, und ich erachte das fleine Elf:
chen ſchon völlig als Schwiegertochter, denn fie muß €3
werben, es gibt feine andere Frau int Lande für den
Niedecfer. — Nun aber noch einmal an die Glafer, meine
Herren! Das Wetter Hart Hd auf und Papa Simmel
muß ung 1 Wagen beichaffen, daß wir ein wenig,
fpagieren fahren fünnen. Sc) muß Doch einmal nach dem
echten fehen, ob die Beſihungen unter dem Regime des
geiftesfranfen Herrn nicht allzufchr herunter kommen! —
BR 45: s
Heute abend auf Wieberfehen, meine Herren? Gie ee
doch wohl wieder hier?"
Wan rieb ſich Halb verlegen, jal eifrig Die Hände ۱
pour gewöhnlich kommen wir erft nad) dem Abend—
brot wieder hier zufammen, aber wenn wir die hohe Ehre
genießen können, mit den 01 abermals zufammen _ =
zu ۱6۱۲ . , —“
"Natürlich! Wir wollen doch die furze Beit genießen,
um ung recht gut fennen zu lernen!” lächelte die Gräfin
wie ein Engel und reichte jedem der Herren die Hand.
„Sch bin auf jeden Fall hier! Ich bin der Schatten
meiner e Su vie} der 7 voll fühner
Ecttlaune.
Die elegante Frau (achte amiifiert und der Graf flopfte
ihm jovial auf die Schultern: „Necht jo! tragen Ste ihr
Die Schleppe, licher Bärning, fie ift fo fehr an Verehrer
‚gewöhnt, daß fie fich nicht langweilen darf.”
Gott ſei Dank, der Gatte war nicht eiferfüchtig!
Dem Wijeffor ward ganz fcywindlig vor Wonne. Das
Ehepaar Simmel aber lächelte fi ftrahlend zu. 0
war e3 recht! Die Herrichaften jorgten auch für ۰
tiichgäfte in der „Stadt Hamburg.”
* *
*
Drei Tage waren vergangen, ſeit Graf und Gräfin
Niedeck in Angerwies ihren Einzug gehalten und eë war, .
als ob diefe drei Tage genügt hätten, einen völlig neuen ۰
Hauch des Lebens in das Städtchen zu tragen.
Alle Gemüter befanden fil in höchſter Aufregung,
man lief Straß auf, Straf ab fpazieren, um die Herr
jchaften zu fehen, von welchen wahre Wunderdinge Der
Leutſeligkeit, Freiqebigfeit und Eleganz erzählt wurden.
Das gräfliche Ehepaar beſuchte die einzelnen Geſchäfte
und machte brillante Einkäufe. Alle teuren „Modellſtücke“,
welche zum Nummer ber Beſitzer als ewige Ladenhüter
prangten, wurden jebt an den Mann gebracht. Man
machte glänzende Geſchäfte, denn da Alt und Sung den
Trieb fühlte, fid) über die außerordentlichen Ereigniſſe
auszuſprechen, liefen aud) dic Angerwieſer von einem Laz
den in den anderem und kauften zum Vorwand gar mans
cherlet, was fie fonjt nicht nötig gehabt hätten. Überall
hörte man begeiftertes Lob über die fremden Niededs,
überall ward der Ruf laut: Ach, warm Ut nicht ۲
Graf der Majoratsherr!” “a, diefer verstand es beffer,
Hd) bie Herzen zu gewinnen und den Grafen zu repräs
jentiren, wie jener Sonderling i un: Edal pelg, welcher faum
zu Weihnachten. einem armen Kind fünf 6 jchentte!
Graf Rüdiger hatte das Armenhaus bejucht und volle
hundert Mark in die ſchwindſüchtige Kafje desſelben ge:
legt; er war mit feiner Gemahlin bei dem Krankenhaus
vorgefahren und hatte auch hier Hundert Mark deponiert.
Begeguete ihnen ein Bettler, oder arme Holslejer, oder
ſonſt ein bedürftig Ausjchender, fo hatte Graf Nüdiger
jofort die Birje in der Hand und fchenfte mit verblüffen-
der Freigebigfeit. Was Wunder, wenn die Namen der
fremden Herrschaften voll überjtrömenden Lobes in aller
— 47 —
Munde waren und aus manchem Körnlein ein — ge
macht murbe!
Wie eine Bombe ſchlug die Nachricht ein, baj der
Graf über ,Maijers Geburtstag” in Angerwies bleiben
würde und daß er ſich als guter Deutfcher ganz beſonders
jreuen würde, wenn der Mriegerverein dieſen Tag Des
ſonders feftlic) begehen wollte! Waren doch erit fünf
Sabre لاہ( dem glorreichen Tage verfloffer, an welchem
aler Wilhelm der Erite, als Ciniger des ط٣۰
— Reiches, aus Frankreich heimgekehrt war!
Da flammte der Patriotismus noch in aller Seren,
und Die Bürger von Angerwies, welche für gewöhnlich
nur den Geburtstag ihres Yandesfüriten feierten, jubelten
bet Der gegebenen Anregung, zweimal im Sabre ihren
Gefühlen freien Lauf laffen zu fünnen. |
Bon felber waren fie nicht auf den Gedanfen qez
fommen; erjtens waren fie zu jchwerfällig, um ſelbſtändige
۵1 zu treffen, und zweitens grollten fie immer
noch ein wenig, weil man tro ihrer wiederholten Bitten
UAngerwies nicht zur Garnijon gemacht hatte. Wer hätte
aber jeht an jo etwas gedacht, wo Graf Nüdiger mit
Seiner Gemahlin ihr Erjcheinen auf dem Rriegerball ju:
gejagt hatten, wo Die Runde ging, der Graf habe drei
Faſſer Wein durd) Simmel kommen laffen, um fie dem
Verein als Ehrengejchenf zu machen!
Eine fieberhafte Thätigkeit entiwicelte fi in dem Stadt:
den. Die Damen wufden die weißen Kleider, fauften
Band und Spiker, und die Schneiderinnen fonnten faum
جا ارات
Die Arbeit bewältigen, welche auf fie einftrömte. Die
Herren bürjteten die Frads und ließen Hd neue Stiefel
anmeljen. Die Väter der Stadt ſaßen Abend fiir Abend
im Gaftzimmer der „Stadt Hamburg“, um gebläht vor
Stolz und Genugthuung mit dem lentjeligen Grajen zu
verfehren wie mit ihresgleichen. —
Ja, die Herren ftürmten das Hotel, um die Befannt- |
Schaft zu machen. Die Damen aber mußten e3 vol .
brennender Ungeduld abwarten, bi3 der Siriegerverein
ihnen Gelegenheit geben würde, die fagenhafte Gräfin
Aug in Auge zu fehen. So ein Leben hatte Angerwies
noch nie gefannt, — und mitten in die hochgradige Er:
regung fiel die Nachricht, das gräflihe Paar fei, gütig
‚und friedliebend, nach Schloß Nieder gefahren, um den
verrückten Grafen zu befuchen, diefer aber habe den Vetter
voll jchroffen Hafjes zurückgewieſen — Dies war zu viel
für die begeiiterten Gemüter, — in wilden Flammen lo:
derte bie Empörung gegen Graf Willibald auf.
N.v. Eihftrutb, QU om. u. Now, Der Maioratsberr 4
ANOVA
_ iL
— — — Gold 1۱8 ja, dad Zutritt fouft ſehr oft; ja ء٤ beitiht
Dianens Forfter, baf fie felbit bas Wild dem Dieb entgegen treiben,
Shaleipeare Chmbeline II. Aufz. 3. Ee.
er oe tag brad) an. ۱
Als ۵۲۱۱ Nachricht, welche die Herzen ber
weiblichen Bewohner von Angerwies hoch auf-
ſchlagen lich, fam die Runde von der Poſt, daß für die
Frau Gräfin eine mächtige Kifte aus der Nefidenz ۶
gefommen fei, welche ficher eine Toilette berge, wie fie
feit Beſtehen der Stadt 0 nicht in ihren Mauern oe
ſchaut war.
Da huſchte eà hin und her zwilchen Dent Hmusthüren,
um dieſes Ereignis voll höchſter Mutmaßungen zu be:
fprechen; — die älteren Damen wandelten ungeniert in
den Morgenhauben, deren Fülle die Haarnadeln, über
welche die Scheitel fejtlich gewellt waren, 1006ا ber=
1160116111 — Die jungen Mädchen aber Haken. ih wahr:
haft orientafifch verjchleiert, um jedem Epäherauge die
Papilloten zu verbergen, in deren een Die 000ھ
. 1077 des Abends peer
63 wari n Angerwies felbftverftandlid), daß man vor
einem Ball nicht zweimal Toilette machte, fondern tags-
über in jenem geheimnisvollen, unfertigen, halbverträumten
Negligee einherfchiwebte, welches die Dedblätter der ۶
tepräfentierte,, aus welchen abends Die ſtrahl ende Blüte
brah! 9 9 پ۰۹
Diejes „Nachtjaden= م0 = Morgen u
gehörte nun einmal zu jeder Feftvorfreude, darum ftarrten
die Schönen von Angenwies auch höchlichſt verblüfft auf
die Gräfin, welche auch Heute in eleganter Promenaden—
toilette {hon vormittags fpazieren ging, und bet Tijd) fich
ganz wie gewöhnlich jchid und feſch gefleidet bor den Herren
‘Der table d’höte zeigte. ۱
„Sa, Die Reſidenzlerinnen“, ſeufzte Die rau Buͤrger⸗
meiſterin, die ſind auf das Toilettenmachen ganz anders
eingedrillt als wie unſereins! Die können's auch! Hat
doch die Gräfin ihre franzöſiſche Kammerjungfer noch
nachkommen laſſen, weil der alte Friſeur hier fich abfolut ےت
nicht auf ihre neumodiſche Friſur verjtand. Du lieber Gott,
wie foll er auch! Er legt nur Schnefen von den Haaren
und fann fjechzehndrähtig breite Ropfe flechten, das ilt
feine Hauptlunft! Aber die Gräfin mit all ihren +1
Löckchen . . n es fieht ja gum toll werden jchön aus,
wie Der Aſeſſor ſagt — und meine drei Mädels
heut abend... 0, wenn fie ahnten!” Dabei aber
ſchlug ſich — indiskrete Mutter mit der oe
Hand bor den Mund und fidjerte: „ Du licher Gott .
ich darf ja beileibe 1118 verraten!”
4*
کپ — ا
Eo waren die Kemnaten üiberreich mit dem inter:
effanten Geſprächsſtoff verjehen, aber auch das (mia
Männliche von Angerwies hatte ei Thema gefunden,
welches gar nicht genug bejprochen werden fonnte!:
Überall auf der Straße jah man die chrjamen Bürger
zuſammenſtehen, wie büjtere fleine Wetterwolfen, welche
fid) immer finfterer und drohender gujammenballen, um
ih Schließlich al Gewitter zu entladen. — ۱
Obwohl der Tag fühl und regnerijd) war, redeten
fich die Männer doch immer mehr in bie Hise, jo Daß
zur Mittagszeit ein ‚jeder nad) Haufe dampfte wie ein
ee. welcher — bor bent e —
au جو ود
Wehe dem Schafpelz von Siebel, ea fot den Dek
gejhürt und Die Mache Herausgejordert hatte!
Alſo hatte fich die Geſchichte zugetragen: Obwohl Graf
Nudiger und feine Gemahlin umfonft an dem Portal von
Schloß Niedeck angeklopft hatten, kannten die hochherzigen,
edlen Menjchen Dod fein Gefühl des Zornes und der
Rache, un Gegenteil, Graf Nüdiger hatte Hd abends zu
den alten Freunden der table d’höte und den Vätern der
Stadt gejest und Hatte mit ihnen ehrlich und aufrichtig,
wie zu feinen beiten 71 geiprochen. Obwohl ihn
Graf Willibald jüngithin noch aufs Herslofejte gefräntt
hatte, war er Dod zu ihm nach Niedeck gefahren, die Hand
oder Verföhnung au bieten. Nicht um jeinetwillen — و
bewahre! Es fant dem M illionär Rüdiger ganz gleich-
s وو =
ki ob ber Better ihm zürnt oder nicht, er trägt ول0
fein Begehr nad) dem Majorat, welches fein Sohn ja
doch einmal erben muß und wird, — nein, wm der armen,
vernachläffigten Wngerwiejer wollte Gray Rüdiger auf
Niedeck voriprechen! Cr beabjichtigte dem geigigen Better ۱
einmal ernjtlich in das Gewiſſen zu reden, daß er Hd
der Seinen doch beffer annehmen möge! Da gab es eine
neue 6 6 gu bauen, welche der Majoratsherr
jelbjtredend der Stadt zum Gefchent machen müßte, dann
war es dringend nötig, Chaufjeen und Wege verbeffern
zu laffen, eine Ausgabe, welche er der armen Stadt auf
jeden Fall abnehmen müßte! Nun und jchlieglich noch fo
taufenderlet anderes! Man fab ja, wie Handel und Wandel = — x
aufblühten, wenn ein wirklich gräflich auftretender 96۵4 ے٦ Er
nur acht Tage lang in der Stadt weilte! Hier hatte iá <
‘der Sprecher allerdings feujzend unterbroden: „Dis
festere wird allerdings nie bet Graf Willibald zu ers
reichen fein, denn wo feine rau im Haufe it, fann fein
: Aufwand gemacht werden, da gibt feine Anjprüche, feine
Sejelligfeit! — Wie {oll aber ein Verrückter heiraten?
Diefer Gedanke ijt leider ganz ausgeſchloſſen!“ — Dann
aber hatte er die jammernden Häupter getröjtet, er
wolle noch ein Letztes verjuchen, günjtig auf jenen Better
einzumirken. Er bate darum, daß man dem Grafen eine
formelle Einladung zum Feſtaltus und Ball des ۶
vereins fchickte! Graf Willibald habe ja freilich nie am
Pulver gerochen und feinen feindlichen Frangofen je zu
Geficht befommen, dennoch müſſe ex jo viel Patriotismus
ا د
beſitzen, um an dem Feſte teil zu nehmen! Er fünne ja
die freundliche Einladung gar nicht ablehnen, ohne Dadurd)
fämtliche Bürger der Stadt aufs tödlichfte zu kränken und
zu beleidigen. Nur Krankheit könne ihn entſchuldigen —
er fet aber nicht frank. Gagte er dennoch ab, wäre es
eine Schmach! Auf dem Ball aber wolle Braj Rüdiger
den Wetter fdjon ftellen, Dap er ihm Gehör geben müßte,
und damn wollte er auf jeden Fall die Schule und Chaufjee-
bauten bei ihm durchfeßen.”
Welch eine Aufregung hatten dieje Worte verurjacht!
Sie wirften mie ein Stich ins ۸۱
۱ Man jubelte Graf Rüdiger zu und er maß mit funfeln-
‚den Augen die Möglichkeit, daß der Miajoratsherr viel:
leicht doch abjagen fonne! Bei diejen Gedanfen ballten
fie Die Hände zu Fäuften!
Daun hatte man eine feierliche, jehr 2٤+
und rejpeftvolle Einladung aufgejegt, welche zwei Herren
perjönlich nad) Schloß ۵ brachten.
Natürlich befamen fie den Grafen, welder ausge=
gangen fei, nicht zu Geficht. Aber es follte baldmöglichit
Antwort gejchiett werden. Heute morgen war diefe Ant:
wort endlich eingetroffen, und als der Bürgermeifter fie
las, brach eë wie ein Wutſchrei über ſeine Lippen
„Er fommt nicht, Lieschen! — zum Teufel, er fount
nicht! —
Brau Lieschen jchüttelte den Kopf. Ich habe es gleich
nicht begriffen, daß ihr ihn eingeladen habt! So etwas
‘ft euch Doch früher nicht in den Sinn gekommen! Da
سس 85 =
fagtet ifr: ‚Wie können wir ق wagen, einen hochge—
borenen Reichögrafen zu uns Aderbauern zu 1۳
und nun mit einem Mal thut ihr, als wäre 6۲ ۰
gleichen” —
Der Bürgermeister tobte mit wütenden Schritten Durch
die Stube: „Schweig jtill ! das verftehft Du nicht! ۱۰
gray Hin — Neichsgraf her! — zeigt es nicht ۲
Freund Rüdiger und feine Gemahlin, daß man mit uns
verkehren faut? Und die find auch Grafen bon Niedeck
— und Millionäre! Aber fie fermen feinen Diinfel und
Hochmut wie der verdammte Kerl im Schafspelz!
Dieſer Verrückte! Dieſer Geizhalz, dieſer Kleidertrödler,
der ſich nicht ſchämt, einher zu gehen wie ein Lump,
wie ein Slowak!!“ Damit ſtürzte er zur Thür hinaus.
Und wie Anno 48 ein dumpfes Murmeln aufrühre—
riſchen Haſſes durch das Volk ging, ſo ſchlug auch jetzt
Die Bunge des Stadtoberhauptes als Alaärmglocke an —:
„Bürger heraus!!“ — Das lief an allen Straßenecken
zufammen, fchimpfte und fuchtelte, immer bedrohlicher
und higiger. ات
Gevatter Handjchuhmacher aber zudte wehmütig die
Achſeln „Ruhig Blut, Kinder! Was mit alles Ge-
zeter? Ein Majoratsherr üt fein König, den eine Rez
volution ftürzen fan. Der Niededer fist ficher und un
` antaftbar im Neft, und ehe nicht Freund Hein ihn Bers
auswirft, nift alles Sturmlaufen unfererfeitS ganz und
gar nichts!" — ۱
02 muß man ſich etiva einen Verrücdten zum Herrn
— 56 —
gefallen laffen? — Sagt nicht die — 1 ein Een
. . ۵00801 8 Narrenhaus ?” نے
„Die Gräfin mag das fort سے denn fie gehört; au:
feiner Familie, aber uns geht das nichts an!” سے
Dadrüber liege ſich wohl reden!” troßten etliche
Stimmen: „Ein Gaudi wär's für uns, wenn eS dem
hochmütigen Schuft paffierte!” —
‚tagt doch den ۲ ber muß eS ja willen, ob ۱
wir ihm nicht eine Suppe einbrorken fünnen.” 1
„Laßt aber den Rüdiger nichts merfen! Ge an —
fein Vornehmer gern einen Better im Tollhaus haben!” —
Bah — er und die Gräfin haben ihn ja zuerſt Vers
rüct genannt!” |
pod) rate euch, fprecht erit mit dem Aljefjor!” —
„Heute abend jondieren wir den Ss der Wein loft
die Zunge!” | x
Out, heute abend!”
Mit wetterfchwilen Stirnen troflten fie Heim. Die
Schmach, die Graf Willibald ihnen angethan, frag ihnen
an der Ehre, und einer hetzte Den anderen auf, wenn gar
ein Wort fiel: و طه denn wahrlich ein fo 0٤ Schimpf
fel, wenn ein Sonderling nicht gern unter Menſchen gehe!
Die Sonne ſank — und voll ficbernden 53 rite
die Frauen und Sungfrauen von Angerwies die Spiegel —
zurecht, um endlich die Feſſeln der Rapilloten zu jprengen!
Wenn eó nur aufhören wollte zu regnen! Die Mütter
fonnten ja feſte, rindslederne Stiefel anziehen, aber Die
tanzenden Töchter! je nun, man hatte fich in folcher Der:
innert
58 نے
legenheit ſchon ſo oft nehoffen, warum nicht aud) heute?
In Ermangelung einer Droſchke thaten die rieſenhaften
Holzpantoffeln genau ſo gute Dienſte, und darum waren
fie jo lange man denken founte in Angerwies exiſtenz—
و und genoffen Die Achtung, welche Ni 07 مت
mäßige überall erwirbt,
Eine halbe Etunde bor der angefeßten Beit hate man
denn aud) ein unermüdliches „Klipp-Klapp⸗Klipp-⸗Klapp“
auf dem holprigen Pflaſter und dann und wann ein
jungfräulich zartes Aufkreiſchen, wenn eins der hölzernen
Piedeftale in einer Pfüße verfant. — - 6 0 6
und flatternde Umfchlagetücher verhülften den Sharer
‚neugieriger Gaffer Die Bradt, welche ſich E ber
Hotelthitre enthillen jollte. —
ما und da ſchwankte ein Laterncdjen Dor einer Honv-
ratiorendame fer, und je nachdem, ob ein oder zwei
Lichtlein in Demfelben brannten, erfannte man ben Grad
der Würde, welchen die Nahende einnahm
Mehr und mehr füllte ſich der Feftjaal.
Die Herren in feltfam langſchößigen Srads, mit weißen
Zwirnhandſchuhen an den Händen. — Der Wffeffor,
Upothefer und Doktor, jomwie etlihe der „übertrieben“
eleganten jungen Herren hatten Glacés angelegt, föftlich
duftend nad) Pomade und Mojchus, die Krieger mit der
Denfmünze oder gar dem ſchwarz-weißen Bändchen im
Knopfloch, bie Nicht Krieger mit fleinen 60 an der
Bruft, deren Blüten in diefer blütenlofen Märzzeit Durch
کے سو geſchmackvoll und ſinnig erſetzt wurden
= 5 =.
Die Damen hatten ungefeneriche Snfirehaingen qez
macht, zu glänzen.
Die Mamas fanden 4 mit Wirde in t entjagungsvolle `
Farben, ſchwarz, pflaumenblau, faffeebraun, lila und grau,
Nitancen, welche jedoch aufs lieblichite durch die drei-
eig gelegten weißen Grép de chin-Tücher gehoben mur
den, ohne welche eine Ballmutter von Augerwies 0
undenfbar war.
Die Matronen hatten einen 4 71 Ropipus, eine
Art blumenumrantter, federummallter, ſpitzenumnickter und
bänderumflorter Sturmhauben, bei deren jchwiegermütter-
lichem Anblid eigentlich jedem Freier, aud dem beherz-
teſten, das Herz in die Hojen rutichen mußte, — jO
friegerijd) fampfesmutig trugen die Damen diefes ſtattlich
— geſchmückte Haupt auf den Schultern.
Der Mittelſchlag der noch nicht ergrauten Frauen
lächelte unter Puffſcheiteln oder Zöpfen hervor, welche
als Wunder der Flechtkunſt um die Ohren gelegt waren,
ein paar handfeſte Rojen oder Whtern 727
den Liebreiz, goldene oder elfenbeingeſchnihte Kreuze oder
Broſchen pruntten am Halfe. — Tros manches hübjchen,
vollmangigen Geſichts waren dieſe mittelalterlichen Oats
tinnen bie vollite Ehrbarfeit, welche nicht mehr an Tan-
zen und Stofettieren denkt; der Strickſtrumpf erinnerte aud)
jebt in ihrer Hand an bie lieben Kleinen daheim.
Die holde Jugend war vollzählig und wie überall
in Heineren Städtchen im Übergewicht erfchienen. Auf
vier Damen fam ein Herr, weswegen die Fräuleins un:
== 060. RE
nil unter fic) tanzten. Weiß, roja, hinmelblau, Blu:
menfrange, Filethandſchuh, bemalte Holzfächer und aus— ce ae x
gefchnittene Kittlederfchuhe . . . fehwarze, blonde, rote
Haare, dick und dünn, groß mh Hein, hübſch und آ4 B:
lich, graziös und plump, alles war vertreten.
Em Gefühl, aus Staunen, Bewunderung und 8
gemijcht, bejchlich aller Herzen, als die 1
mit ihren drei Töchtern eintrat! ae Überrajchung war
. 10۱1۱01], سب
Modern frifiert! — das. Athergebrachte einfach über
ben Haufen geworfen, nad) dem Mufter der Gräfin hod)
modern feifiert! Die Haare Des halben Worderfopfes —
waren fur; ge) ichnitten und in frauje Lorken gebrannt. ۱
Hoc auf dem Kopfe bäumten fie fich, wie indiqniert über
jolche Zumutung, gleich einem Kakaduſchopf, von der Stirn
abjtarrendD und über die Ohren Hinweg ragend! —
Wie wunderjchön verändert Die Mädchen ausjahen!
Die beiden ÜÄltejten waren ja nie jehr hübſch — aber
heute... Hm... oder täufchte man fi? Eine jo hod:
moderne Frijur muß ja gut cider, es war mr das
Ungewohnte des Anblid3, welches jedes Auge ftubig
machte! Cin Wagen rollte heran. Oberföriters. — Nun
waren die hohen Witrdentritger verjammelt, min fonnte
das gräfliche Paar auch ericheinen; Die Getrenen von
Angerwies jtellten fich feterlich, mit hochklopfenden Herzen
rings an den Wänden auf, glei dem Hofitaat, welcher
Die Majeitäten erwartet. — Während dejjen hatte Gräfin
Melanie ihre Toilette beendet und die Jungfer hinaus
at
Es War die Boje fone Schweſter, we lche ſie و
fic) vom Laude hatte kommen laſſen, und welche fo qut
wie fein Wort Deutſch ۰ x
Dicjen Umjtand lobte ber Graf joeben wieder. „Es
ijt ein Glick, daß die Perfor nicht ahnt, was um fie Der
‚vorgeht, ihre Spradunfenntnis it der Hemmſchuh für
jeglichen Klatſch Es wäre dir doch auch fehr zu em:
pfehlen, anjtatt 67 entjelichen Brau Stiehl auch eine
Franzöfin zu engagieren! Denfe dir die Stiehl hierher
in dieſe Situation! Ihre Bunge würde uns jeden Plan —
durchkreuzen, ſowohl hier wie in der Reſidenz“
Die Gräfin feufzte: „Du Halt ganz recht, aber fag
felber, wäre eS vorteilhaft, Ddicjes Frauenzimmer jJebt
zu entlafjen, damit fie unë in der ganzen Stadt Ders
umbringt? Sie hat zu oft gehorcht und ausjpiontert,
um nicht über mandjerlet vollftändig informiert zu
fein. Die Klugheit gebietet energisch, fie im Dale zu
behalten!” — 5
Rüdiger fnurrte etwas Unveritändliches, jeine 2
mahlin aber ftand vor dem Spiegel und mufterte ihre
ſtrahlende Erjcheinung mit ironijchem Blick Und als fie
Die Brillantarmbänder antegte, brad) fie plögl ich men
leiſes Gelächter aus und warf fic) in das Sofa, ۰
preßte Das Duftende Epigentuch gegen Das Seficht, aber
jehr vorfichtig, daß Der Puder nicht abwilchte - — und
lachte intmer mehr und Immer jpöttifcher.
Der Graf, welder in eleganteftem Ballangug mit
Orden und 07 ور im Simmer auf und
69 سے
abgegangen war, blieb vor a ftehen und blidte fie mit
` feinen jcharfen, falten Mugen überraiht an.
„Bit du von Sinnen? Was foll dies ۳ 2
. 07,130, er fie ärgerlid al...
„Berzeih, کا"( — ¿š kommt mit jo namenlos toz
mi por. 5 =
` „Bas denn, wenn man Fragen darf ou |
Ihr Dli flog mufternd über feine jchlanfe Geſtalt
und fie lachte abermals! „Daß wir jo fabelhafte An-
ftrengungen machen, um uns für dicjes odiöje Kräh-
winkelpack zu pußen! Schade um meine {Dine Schleppe!”
Er zudte nervös die Achſeln „Ihuen wir eë etwa
zum Vergnügen? Ich dächte, bu wüßteſt genugjam, um
was es fi handelt!” —
Weiß ich auch, mon ami“ — nidte fie plBtslich ال
werdend und fich erhebend — „und ich will ھ٤٤ ۶
Toilette und noch weitere: acht Tage meines Lebens gern
e wenn wir dadurch das Biel erreichen Können!
Bis jeht ftehen die Chancen gut, und. id) Denfe, heute
abend werden wir fiegen.” —
Ich bitte Dich, liebe Met anie, bet der außerordent-
lichen Farce, welche du zu 01 belommſt, ernjt zu bleis
ben. Dente, du bejuchit einen Koftimball — altmodifche,
ſpießburgerliche Berhältniiie find Borichrift. Und 17
fomm und öffte der Liebenswürdigfeit alle Schleußen, um
mir in die Hände zu arbeiten!” — Cr bot ihr aujfjenf-
gend den Arm umd ſchritt zur Thür.
Wie durch einen Zauberfchlag verjtummite das Epre:
سے 85 —
hen, Lachen und Geigenftimmen im Gaal, al Şerr
Simmel atemlos in der Thür ۰ء und in heimat
lichen Lauten meldete: „Se fumm'n — Se fumm’n!” —
Und fie ۲۸
Der Bürgermeifter hatte ſich mit Derm Gedanken ge:
tragen, beim Eintritt des gräflichen Baares die National:
hymne jpielen zu laſſen, der Doktor und Oberförfter fan:
den Diefe Shee jedoch nicht ganz pafjend, und der Vater
der Stadt fühlte fic) ein wenig beleidigt. — —
Dafür aber Schritt er, von fämtlichen Honoratioren
der Stadt geleitet, den Eintretenden unter zahllofen Büd-
lingen entgegen, und das gefeierte Baar wußte bei aller
Liebenswürdigfeit Doch fo viel hoheitsvolle Würde zu
zeigen, Daß es den Herren und Damen von Angerwies
poll traumhaft jeligen Entgiicens zu Mute war, als ob
fie doch einmal in ihrem Leben auf höfiſchem Parquet
ftünden, Wd tief vor den Majeftäten zu 7۰
S Der Graf drüdte dem Biirgermeifter die Hand.
„Wollen Sie uns zu Ihrer Frau Gemahlin führen und
ung mit den Damen der Gefellfchaft befannt madden 2”
10010 er in dem 0 hoher Wichtigkeit, welcher ganz
bejonder3 zu unponieren pflegt.
Der Ausgezeichnete legte die Hand in dem m
71 Handſchuh mit geſpreizten Fingern auf die Bruſt
und machte einen Kratzfuß, ein Benehmen, welches die
hinter ifm ftehenden Herren fofort fopterten, bis auf den
Aſſeſſor, welcher voll weltmänniſcher Eleganz fofort als
Rammerherr an die Seite der Gräfin trat.
pages ای
Sie grüßte ihm lächelnd mit vertraulichem Händedrud,
und Barning erglühte vor Stolz und blicte Hd) rings
im reife um, als wollte er jagen: „Welch ein 04
bin ich 114 peas ‘ '
Dann begann die Tournee.
Unter feierlichſtem Schweigen ſchritt man quer burd
den Saal, zum Entzucken Der Damen, welche nun fo
x recht von allen Seiten das Prachtkleid der hochgeborenen
Frau mit den Augen verſchlingen fonnten!
Wie geblendet ftarrte Alt und Sung auf die mr
hafte Ericheinung diefer fchönften aller Gräfinnen, welche
wie eine ata Morgana gligernd und ſchier jpufhaft über
Die weißgejcheuerten Dielen fchmwebte.
Sa, fie war doch nod) 8 anders کے wie
Bürgermeiſters Töchter!! —
Wie es möglich war, das Haar Deéartig zu wellen,
au Fräufeln, zu puffer und aujzubanen, deuchte jedermann
ein Nätjel, das fabelhafteite aber war ein breites, gol-
Denes Diadem, , Dellen Mitte einen Brillante trug,
iprühend und glühend in allen Farben! So alſo jehen
Die Diamanten aus, von denen Hemric Heine fingt: Cae
— Liebchen, was willſt du noch mehr?“
Und nicht nur der Haarreif war mit dieſen 1اس
Steinen beſetzt, nein, über Hals, Bruft und Armen flim-
merten fle wie ein Märchen aus Taujend und einer Nacht,
> wunderbar! unfaßlich! Ja, da mußte das Vermögen
nach Millionen zählen, wenn man derartige Schäbe unver:
zinft in Dic Kommode legen fann!!!
۱1801۲ I,
lora
‚u Nov, Der Mai
SI, Mom.
,
tuth
Ef bft
N. n.
— 66 —
Mit {cifem ۳۱۷ 06 die 4+
Eeidenplüfchjchleppe wie ein qleifeuder ۲ hinter Der
ichlanfen Geftalt her, und die Herren, welche folgten und
jolche Toi (clienpracht nicht kannten, gerieten anfangs bes
in Die Gefahr, rechts und lints darüber Himveg zu ftolpern! —
Aber fie fanden ſich ſchnell in die höfiſche Sitte Hb — `
hielten Diftance bon der feidenglänzenden Pracht
„Sie hat ard) tofa Schuhe und Strümpfe an!“ flüfterte
c3 ſchier atemlos bor Staunen im Kreiſe der Damen.
„Ad Handfehuhe bis über die Ellbogen hinauf!”
„Und der Atlas vorn ain Kleid iff mit Golo au
سی ۱
„Sebt öffnet fie den Fächer —! Minchen, que doch nur,
cr it ganz und gar von roja 7 ا
`. „ut faut ich mir Doc) vorftellen, wie die Königin:
ausficht“, ſchwärmte cin ftumpfnäfiges Fräulein. Die
Bürgermeifterin knirte und fchlittelte der Gräfin die zarte
Niechte, als wolle fie das Gelenk auf feine Dauerhaftig:
keit um. —
Dan Sr fie iS in links tach ۴۸۵٥3 0
zerrte Die ſchämigen, Duntelrot erglühenden Töchter vor,
Frau Melanie Hubte bei deren Anblif, auch über ihr
۱۱۱۱۱۲۱۵ ergoß ۹ verräterifche Slut, fie Hob den Fächer
bis an die Mugen und Huftete fo Heitig, daß die Frau
Bürgermeifterin im Begriff ſtand, allen Reſpekt verge] fend,
fie hilfreich in den Nüden zu Elopfen.
Der Graf ۶ den Arm der Gemahlin aud لد ==
beforgt an fi, — ta legte fib der Huften, bie Gräfin
(ächelte wie ein Engel und reichte Den jungen 7
die Hand, mit dem ſcharmanten Kompliment für die Frau
Mama: „Was haben Ste für friſche, bildſchoöne THehter-
۱ oe Frau 7"
er war beglüdter als dieje! ۱
“Und dant wurden Die nächitftehenden Damen vorge:
۱ tel (t und ba3 gräfliche Paar hatte für jede bie gewinnend-
sten Worte. ۱ |
x Wührend deffen gab der Graf einen Wink, bab ber
Tanz beginne, Er bot ber Bürgermeifterin galant den
Arm, — die Gräfin legte mit graziöfen Lächeln ihre Hand
auf den des Herrn Bürgermeifters und die große Polo.
nije begann. Cie tanzen fogar mit!!
wWie Enthuſiasmus ſchwellte es aller Bruſt, sefbit Die
Mufifanten ſchmetterten {0 begeiftert darauf los, Daf
Gräfin Niede manchmal ſchmerzhaft zufanmenzuckte.
Das Feſt halle begonnen, und einen glängenben
Berlauf.
| Die grail hen Herrfehnften دشا mit allen’ ۱2
weſenden und dic Gnadenſonne ihrer Huld beftrahlte aus—
nahmslos einen jeden, welcher fich in ihre Nähe wagte.
Der Aſſeſſor fieberte! Die Gräfin tangte Walzer mit
ihm, — der Apotheker und Affiftent klatſchten während
deſſen alle anderen tangenden Paare ab, teils aus 8٥7
Devotion, teils um ein Unglüd mit der Schleppe zu Derz
hüten, welche die hochgeborene Frau zu allgemeinen
Staunen felbit während der Rundtange nicht hoch nai
| Uber — war ein Mordsterl, er machte feine
t £
مت ےم نے
Cache brillant, und ۴ nachher (00 von allen grbftes
Lob ein. |
„sa, mit 6006٤ tanzen!“ lächelte er blafiert —
das will eben gelernt fein! Ich Habe lange Jahre in den
großen Städten dazu Zeit gehabt!”
Es war ganz augenfcheinlih, daß das Anjehen des
Aſſeſſors mit diefem Tange nod) bedeutend ſtieg, and)
Die anderen jungen Herren bildeten plößlich ein Streber-
tum, — fie bemühten fidy im Schweiße ihres Angefichts
zu zeigen, Daf auch fie Mut und Schliff genug beſaßen,
eine Dame mie Gräfin Niedeck aufs 00116 zu unterhalten!
` Der Tanz nahm feinen Fortgang, und während Frau
Melanies Diamantgefuntel die Herzen und Ecelen im
Saale in Zauberbande fchlug, febte {ih der Graf im
Nebenzimmer nieder, im Kreiſe feiner Getreuen 1172
۱۵1110106 Neden zu öffegen!
Er hatte voll 767 Korbialität den Doktor -
ait feine Seite gerufen und jchien eë ganz befonders darauf
abzufehen, auch dicjen Herrn mit Leib und oS fie. ſich oe
۱ ,۰ لاخ
Bertehren Sie viel und intim mit meinem Better
Willibald auf Schloß Miedeck?” fragte cr. -
Der Arzt gog ein jauerfüßes Geficht: „Doch nicht,
` err Graf!“ — verneigte er fich, „meine Bekanntschaft
nit dem Majorateheren ift leider nur eine fehr ober-
flächliche!”
Rüdiger war ftarr. ‚Wie it das möglich? Der Arzt
pflegt gewöhnlich auf dem Lande der vertrautefte Freund
ہے و8 نے
und Natgeber zu fein? — Aber ganz recht, ich entfinne [۔۔۔۔
mich, daß Willibald ftets eine Averfion gegen Ärzte Begte,
ihre Wifjenjchaft verjpottete und fich lieber einen Quack—
jalber von Wunderjchäfer holen نا ا aujtatt elite Autori⸗
tät zu ۲0۱۵۱۱۱۲۸۳
Der Doktor lachte [dari auf.
„Ganz recht! Der alte Schäfer Enfe ift Faktotum kei
bem Herrn Grafen, falls derjelbe wirklich einmal ju Hagen
hat, was äußerit jelten der Fall it!” a
pour... bei Lenten feines Gei fteSanitandes Bilden
ſich ja — kranlhafte Marotten!” nickte Graf Rüdiger
traurig, „aber er ijt pod) Hoffentlich anſtändig genug,
Shnen als Entjhädigung für jolche Nichtachtung ein 83
Sahrgehalt zu zahlen, um Shr Anſehen i in der Stadt nicht
1 2“
Das magere Geficht des Sefragten فا allen ue کے
qrimm, welcher wohl jchon ſeit Jahren an dem armen, —
finderreichen Jamilienvater ۰
nein, nicht einen roten Heller beziehe ich von ihn, 2 نار
wie follte ich auch, da ich ja gar nicht nach Niedeck gez 2
Holt werde!”
Rüüdiger war empört, außer Hd) „Sit es — 01
ſoweit mit dem Unglücklichen gekommen, daß ihm jedes.
Pflicht: und Ehrgefühl mangelt? Wenn eine anjtandig .
Deitfende Familie auf tiene wohnte, müßten Sie ein
fürftliches Salär beziehen, teuerjter Dottor! ein Salär,
wie es Ihre hohen Kenniniffe einfach bedingen!” —
Der Heine Landarzt ſeufzte tief auf und nickte troft-
(03 mit den Nopfe, Dat fragte er mit ۰
den Mugen: ¿ie halten ihm wirklich Für a s:
Gravee on ۱
` „Beri, Sie etwa nicht, lieber Doktor, der doch, als”
Mann der Wiſſenſchaft feinen Zuſtand am beſten m
teilen nn
po © — „ich ۲ te tas Nachbar
verlegen , — babe. ie ftet3 fiir einen Conderling ge-
halten, — gu näherer 2 Beobacd)tung feines geiftigen Ruz
jtandes habe ich (cider noch feine Gelegenheit gehabt!“
„Und bedarf ق derfelben wirklich?” feufzte Rüdiger
kummervoll auf.
ار ٥804016, alles, was man von meinem armen Better
hört und fieht, ſpraͤche deutlich genug für feinen Zuftand.
` Degeneriert! — Dies eine Wort fagt alles! 500011 CEE oe:
feinen unförmigen Kopf an, — wie eine Waffermelone!
Das fommt het den 7 9071 heraus.“
Der Bitrgermeifter lachte hart auf. „Sa, ja, das
fieht cin Sind ein, bab es bei dem Grafen Willibald
nicht mehr richtig im Hirn ift! Haben Sie ſchon von feiner
neueſten Verrücktheit gehört, meine E
Alle Köpfe haften وه näher: „Nein, bitte, erzählen
Sie? —
pat, Der Herr Sa Hat ſich icht für i i fell
Schaft geforgt! Es wird täglich für ſechs Rerfonen getocht
und gededt. Dam geht Seine Hochgeboren hinüber in die
Ahnengalerie, wählt fünf Porträts aus, diefelben werden
in Das Kutſcherſtübchen gejest, und nun nimmt der Graf
rl
neben ihnen Blas, legt jeinen 1 Gajter 0 bor,
jchenft ihnen em, — fpricht mit ihnen — —“
„Großer Gott! entſetzlich!““ ſtoͤhnte Nüdiger auf,
„vollſtändige Gehirnerweichung! Man hat. derartige Gr:
jcheimungen ſehr oft, ٤ Kalaſtrophen eintreten, wicht
wahr, mein lieber Doktor, Sie fennen ےم کس
Fälle?!”
Gewiß“, nidte dieſer ſelbſtbewußt, ‚bie Galante
Encephalomalacia, bei Verſchluß der Schlagadern 3
Bezirkes, kennzeichnet ſich durch langſante Abnahme b: L
Seilteshälte”
„Srokartig”, bewunderte der Graf, „vortrefflich bes
wandert, Diefer Doktor! Ba, meine Herren, ich fürchte,
2 DO werden wir uns auf ganz ul gefaßt
machen miiffen
1 wäre ja alles, was noch jeflte 12
Dm haben wir uns das ۵ gefallen zu fafier ۳
u .. <. Was in meinen Kräften jtcht, um alles qut
zu mache, was mein Vetter an Ihnen und der Stadt
hier verfäumt, meine Herren, 101 0٤. Vor allen
Dingen will ich much fofort perfönlic) bet dem Herzog
melden laljen, um es í dap 9۲۱۵۵۱۱۵۱۵۵ Gar
۱۱۱0۱۲ wand!” ۰. | |
„QULI — Dutra!
„D bitte, jubeln Sie nicht zu fril), meine Seibel
Willibald Hat fehr viel ur dieſer Aırgelegenheit verfehen,
indent er {ich nie für die Sache verwandt hat! Er, als
Majoratsherr, hätte dem Herzog gegenüber ganz anders
Ç سم
ss چوس مھت
energiſch vorgehen können, wie ich jebt, Der ja eigentlich
gar nichts mit ber Angelegenheit zu thun hat. Geb fürchte
auch, daran werden meine Bemühungen feheiten! Ja, —
wenn ich Majoratzherr ware — oder für meinen minder =
jährigen Sohn als Vormund fprechen könnte — 020۳۱۳ 1
Atemlos laufchte man im ۰
Endlich ſtieß der Bürgermeifter heraus. Nun, get
Graf — und könnten Sie denn نے an jet 0
werden?"
Rüdiger ۶ die We: Bo lebt ja ۱ nn
cile Herten? |
‚Aber er 1۱ ۳
‚Sa, 80010, er ۱۱ 4
‚Man muß ihn in ein Narrenhaus bringen und 1
Cohn als Erben proflamteren, Herr Graf!”
Das Cis war gebrochen, in wilden Durcheinander
Hangen die Stimmen und auf Nüdigers fable Wangen
traten zwei rote Flecken höchſter, — Erregung.
Er feutte die Wimpern über bie Augen, um feine ver:
räterifch aufblitenden Blicke zu verbergen. Bak feufzte
er tief auf, ftrecte jählings dem Bürgermeifter und Doktor
die Hände hin und rief voll fchmerzlicher Extafe: „Sa,
meine Herren, fünnte man dem armen Geijtesfranfen Die
Wohlthat anthun, ihn in eine Anstalt zu bringen, fo wäre —
Miigerwies gerettet und könnte blühen, wachjen und ge
Deifen zu einer Stadt erften Manges! — Nicht an mid
denke ic) — ich habe ¢3 nicht nötig — fondern nur an
Angerwies und feine Bewohner, wenn id) erflire — 3 -
— —
= SEET
— —
würde ein Gluck fein, ا fönute men. 0 7 Vetter
einem 6+ 1 werden!”
„sa, ein Süd, ein Glück fir ihn und ums ۳ allie ۱
es ۲ Kreiſe „Erbarnen Cie ſich⸗ Ser Graf, bel fen ۱
oe ie, u es geſchehel⸗ ee ۱
I
Wir nehmen night ein Herz mit ius ven Binnen, das nicht in
Einftimmung mit unſerem lebt, und laſſen leins babinten, bas wicht —
minit, taf uns Erfolg und Sieg bealeiten mag! |
5 ۱٥٥۱۲۲۸ König ۵ VTE Aufz.
Ein teuer Baris, meut Herr!
۱ Komödie ber Irrungen. 1. 3 2, Sc.
tire wunderfiche Veränderung war mit dem 1
Angerwies felt Dem Kriegerball vor fich „gegangen.
Der Sturm tobte im Wafferglas.
` Feld ein Flüftern, Tuichel ıı und Naunen aller Eden
und Enden! Welch eine wichtige Geheimnistramerct unter
den Vätern des Städtchens und feinen Honoratioren!
Biirgermeifter und 7 gingen aus amd ein bei
Graf Rüdiger, 1 8 ۶٤ hatte dent s a ber Herren
mir iu wehren.
Bor allen Dingen ا fiber die ganze Angelegenheit
tle] ites Echweigen beobachtet werden, meine Herren!” be
fahl er {ebr nachdriiclich, „ud namentlich über den Plan,
welchen wir entwerfen wollen, um die Sache möglichſt
bald und ohne viel Aufhebens zum Abjchluß zu bringen!
Sie künnen nicht verlangen, meine Freunde, daß ich mich
— 70 —
perfönlich fompromittiere, wenn ich für Ihr Wohl zu Felde
ziehe, — für Ihr Wohl, lediglich für das Ihre, denn Sie
wiffen, daß ich nicht bie 1 Intereffen an dem Majo-
rat habe; ob eë mein Sohn ein paar sabre früher oder jpäter
befißt, ift ja völlig gleichgültig. Alfo nur Ihrem 60
gilt eë, wenn ich mic) Ihren 901 füge und die fatale
ا in die Hand nehme! Darum erjuche ich
ا auch, fic) blindlings meinen Anordnungen zu fügen ما
und tiefſtes Schweigen über ۵۱0۱۵۱00۲ zu wahren!”
Die Herren gelobten es voll fanatifchen Eifers, und. —
ihre Bingen floſſen über von eitel Lob und Preis, gab
eë dod) wirklich nichts Nührenderes und Selbftlofere3, ald...
das Handeln Graf Nüdigers, welder als edler Menfihen بب
freund dem armen, vernachläffigten Städtchen zu Hilfe fam.
Die Bürgermeifterin hatte anfangs den Kopf gefchüttelt. a کک —
Sie war eine Frau von geſundem und klarem Urteil und
kannte bis pato fette Selbftüberhebung! wore Würde
war groß genug wd genügte ihr. ۱
Ich begreife die ploglicje Unzufriedenheit der Anger—
wiejer nicht!” fagte fie. „Wir haben ja bisher glücklich
und vergniigt gelebt und nichts darnach gefragt, ob Braj
Willibald verrückt fet oder nicht! Wir haben قہ uns
auch Früher nie im Traum einfallen lafferty, zu verlangen,
daß der men schenfcheue Mann an unferen Bällen 1
jolle! Meiner Anficht nad) war unfere Einladung eine
ungientlide Keckheit, und Daf die der Graf ablefnte, hat
mich weder überrafcht, nod) beleidigt. Was aber ift um
alles in der Welt plöglich in euch gefahren? Kein Menſch
will fich mehr begnügen! We wollen: mehr verdienen,
wollen höher hinaus, wollen Dinge verlangen, Die 1
felber zupor wicht im Traum eingefallen find! Gerade
alg ob der Hochmutsteufel und die Geldgier euch alleſamt
ergriffen hätte!“
Der Bürgermeiſter antwortete grob und erregt, „Das
verjtehe He nicht, und Die Weiber hätten ihren ا ugen Nat
für fi) zu ۳
Da jchwieg Frau Lieschen achjelzudend, und ihr Gatte
ging in Die „Stadt Hamburg”, um Hd dort die Seele
frei zu ſchimpfen. Nächiten Tags fuhr die Frau Gräfin
bei der Fran Bürgermeilterin bor und machte diejer einen
langen Beluch, ein jo fabelhaftes Ereignis, daß die Straße
bpr dem Haus gedrängt voll Neugieriger {tand und Frau
Lieschen feine Kleinftädterin und fein Weib hätte fein
mitfjen, um fold eine Auszeichnung faltblütig aufzunehmen!
Sie glühte vor Stolz und Genugthuung, und die Gräfin
fprach mit weicher, einfchmeichelnder Stimme fo unglaublich
liebenswürdige Cader, daß die einfache Frau Hd Schon -
aus lauter Höflichkeit davon überzeugen lafjen mußte.
„sa, vorwärts ftreben! nicht immer am alten Zopf
hangen jondern frifch und energijd neue Beſſerungen
q | ü :
‚alter Zuftände erreichen wollen! Es ift nicht mehr zeit-
gemäß, im verjährten Schlendrian einher zu trollen! Cine
Stadt muß aufjblühen, wachſen und gedeihen! Flottes
Militär muß nach Angerwies fommten, damit die vielen,
reizenden jungen Mädchen flotte Tänzer und ſchmucke Ehe-
Gatten befommen!” —
Bei Dicen Worten erglühten die drei Töchter in ۶
iten Hoffnungen und Frau Lieschen nidte Tächelnde Qu:
ftimmung. — Sa, Männer für ihre Töchter, das war in
dem Heinen Angerwies, das fo reich an Mädchen und
arm an Heiratsfandidaten war, der wunde Punkt, ۲
jedem Mutterherzen fchlaflofe Nächte bereitete! Wenn diejer
Kalamität Abhilfe geichaffen werden könnte — جز ۱
Dann wollte die Frau Bürgermeiſterin gern zu allem Ja
und Amen ſagen, was die Männer planten und erſtrebten!
Sie zeigte voll ftrahlenden Stolzes der Gräfin die (۰
tigen Holztruhen, in welchen alle 8:110٤ AUT
Ausftattung der Mädels bereits fir und fertig lagen, und
Frau Melanie necte die jungen Damen fo entzüdend
ſchelmiſch mit den künftigen Leutnants, Dağ ¢3 die Det
vatsluftigen Schönen wie ein Kontera] erfaßte.
Die Gräfin hatte faum die Hausthür Hinter ſich, als
die bürgermeifterlihen Damen mit glühenden Wangen
Schon nach allen Windrichtungen davon flogen, die felige
Verheißung von künftigen Freiern zu allen 007
۱ zu tragen.
Und weiter verlangte ja die Frau Gräfin nichts. Die
anderen Mütter und Töchter dachten: „Wenn Bürger:
meiſters einen لئ fapern, Daun fällt für uns wohl
auch noch einer ab!” und damit war das Signal gegeben,
daß bie Damen am cifrigiten und energiſchſten auf einen
neuen Wajoratsherrn drangen, welcher der Stadt für
Garuijon forgte. x
„Was aber die Grau will — das will Gott!” fagt
Die geheimnisvollen Beratungen in dem مت
Heinen Privatzimmer der „Stadt Hamburg” wurden immer
lebbafter, bis fie nach drei Tagen ihren definitiven und .
feierlichen Abichluß fanden. Man ſchüttelte Hd) in trener
VBerbrüderung die Hände und gelobte fic), friſch an das
Werk zu gehen. Es ward folgendes befchloffen: „Stehrte —
S jebt Graf Nüdiger in die Nefidenz zuriick, fo ward er
von num an mit bittjchriftlichen Briefen der Angerwieſer
beſturmt, den unerträglichen Zuftänden ein Cude zu machen, -
belche ihr geiftesfranter. ہت auf Niedeck über
fie heranfbejchwor. x
Dieje Briefe follten Graf Wil (ibald in all feiner Ber:
rücktheit Schildern, follten ihn alles defjen anflagen, was.
er verabjäumte and burd was er die Gemeinde Anger:
wies in ihren wohlberechtigten Forderungen fchädigte.
Detr Aſſeſſor ſollte die Sache recht geiſtreich und ge—
ſchickt, mit allen Chilanen eines ور aus.
Hügeln. |
Auf Dieje Drive hin le (ral 9lñbiqer alba ۱
feinen Antrag auf Entmimbigung bei dem Amtsgericht
) 1.
Als Sachverftändiger jollte der Doktor berufen werdet,
bie Zeugen follten Durch den Bürgernieifter und andere.
wohlgemeinte Perfonen geftellt werden. Ganz +85
aut fich ja basu meiden! |
Was die Dienerfchaft auf Nieded anbelangte, fo 46
beizeiten Dafür geforgt werden, Diejelben Den Anfichten —
amd Miinchen der „Berfchvorenen” geneigt zu machen!
— BO =
Der Apothefer wiegte bedenflid) den Kopf. „Diele
Bagage fünnte zum Stein des Anſtoßes werden”, jagte
er fleinlaut, „ihnen gefällt das zuchtlofe Leben unter dem
verrückten Herrn, welcher fie schalten und walten läßt, wie
es ihnen beliebt! Sie werden mit einer Anderung der Bers
hältnifje am wentgjten einverftanden 77
„ah!“ polterte der Afjeffor, „te können doch ۶
(andbefannten Verdrehtbeiten nicht ableugnen, und auf
Diefe fommt es hauptjächlich an!”
Das wohl, aber fie fönnen vieles befepönigen, weun
a fie wollen!”
ase nut, man muß eben — ſie auf dieſe oder
jene Weiſe zu gewinnen!“ zuckte Graf Rüdiger die Achſeln.
„Sch denke mir, die Gagen werden bet dem Geizhals
Willibald nicht allguhod) ausfallen, der künftige Majo—
ratsherr bewilligt He in doppelter oder gar ۶۳۲س
Höhe!”
Wortrefflich, Herr Graf, das wird 74
Ich überlaſſe Ihnen plein pouvoir meine Herren,
oder jene Zugeftändniffe zu machen, welche Sie int زو
Intereſſe der Cache für nötig Halten“, fuhr Niüdiger
gleichgültig fort, „ich bin fein Knaufer und gönne ger
jedem das Eeine, Und nun wollen wir diefe leidige Anz.
gelegenheit hiermit erledigt fein faffen und recht vergrügt
noch) ein Glas Wein zufammen trinfen! Ich bitte Sie,
‚meine Freunde, gu Galt und leere das erfte Glas auf
‚ein „Gut Gelingen!” Man that voll aufgeregter Freude
Beicheid; der Wein perlite in den Gläſern und in ben
6
Rov., Der Matoratsberr I.
u,
truth, SU. Nom,
Eid
p
N
سو وو نے
Köpfen ſpukten — fte e Bilder von einer finftigen 2
befferen Beit!
Mod) einmal 0+ bas gräfliche Paar alle سط aoe
Durch bezaubernde Liebensmwürdigfeit, dann nahm man
Abjchied, aber man lächelte dabei ein 1 fiegesf freudiges Auf
_ 0 ۳
Am 1144016611 Morgen holperte der Hotelommibug aber:
mals vor die Thür, um die feltenen Neifenden zum Bahn:
Ho} zu bringen. Der Aſſeſſor jtand mit einem Strauß an
Der Wagenthiir. Gs war ein Meifterftück des ty gerwiejer =
Gärtners, welcher jeine ſchönſten Bl umenftöde geplündert
hatte, um dieſen Abjchiedsgruß zu ermöglichen. Es war —
fire die Gräfin! Da that er es mit Begeifterung — denn
die hohe Dame Datie mit feiner Frau auf dem Strieger-
ball gefprochen und feiner Zochter jogar auf den Fuß
getreten, — fo dicht: [tand fie ami ichen ihnen! Die halbe
Stadt war auf den Beinen, um die gefeierten Meni cher:
freunde nod) einmal zu feben.
Man rief Hurra! ſchwenkte die Tajchentücher und
etliche Damen ۹۷ jogar, weil fie es für vejpektwoll
und ſchicklich hielten. Ç
Die Herrichaften grüßten und winkten mit dem. Aus-
druck größter Herzlichkeit und Innigkeit nach allen Seitert
und der Abſchied von an hatte etwas geradezu
rührendes!
Es war auch ۶6 و flix Die bicderen 1
Sie hatten in Diejent zwölf Tagen mehr verdient, mic fonft
in Sa ait Das war eine ےت we =:
ee وھ
die „Stadt Hamburg” für وہ 200 Dem gräflichen
Paar verpflichtete. |
Und nun gar die Hoffnung, dieſe M تہ Dauernd
auf Nieded zu wiſſen — nach wie vor in Wigerwies freund-
ichaftlich verfehrend — nah Adam Niefe war Vater
Simmel dann jehr bald for ein gemadter ۲
Koch eit lete Lebewohl und nielfagendes Auf
Wiederjehen!” dann ſchwankte der gelbe Kaften ۷۱
nach vorn, fette [id i in Bewegung und rumpelte dic Strafe
entlang.
Die Straßenjungen gaben jelbftnerftändtich das Ge:
feit, und der Graf jchüttelte als [ebte Menjchenfreundlic)-
feit fein Portemonnaie unter fie. Da gabs ein unendliches
Gejohle, Gebalge und. Gepurzle und während alle Welt
\ dieſe Freigebigkeit مزا ےم ber. Omnibus
` Der Blicken
AS ſich auch Der Abſchieb bon Gottlieb und S Schröder.
mit aller Iubrunft vollzogen — man jtredte der Gräfin
im berma der Freude über das fürftliche Trinkgeld
wieder und wieder die Hand zum biederen Drude ent
gegen — Schloß fich endlich die Coupéthür erjter Mlaffe
hinter den Neijenden. Mit einem Seufzer, welcher einem
Aufitöhnen glich, ſank die Gräfin in die Polfter zurüd
und auch ihr Gemahl warf ſich wie ein Erlöfter in die
Ede nieder. ۱
„Bott fet Dank! das ware 106۲1101100111۳۲ Die Gräfin
ftreifte die perlgranen Handjchuhe ab und jchleuderte {ie
mit einem Ausdruck des Ekels von fich. “Pfui! wie viel
_ — و جو as —
— 84 =
Schinierige Raffern haben fie gedrückt! Zu allem DDerz
fluß auch noch Diefer ungebildete Hausfnecht! Riidiger,
es war entjeßlich, Dieje schn Tage haben mich Nerven
gekoſtet!!“
Der Graf ftrich langſam mit dem eleganten Taſchen—
tuch über die ۰ |
„Ich hoffe, mein Kind, fie haben mehr eingebracht
wie gefoftet! 884 gebe zu, Daß Diefe Beit in Angeriies
eine ۲۵ 0746 für Dich fowohl wie für mich و
wejen it aber du weißt, um yas es fd) gehandelt hat,
und weißt auch, was wir hoffentlich erreicht haben. Sm
iibrigen mache ich dir mein stonpliment, wie meiſterlich
du deine Rolle geſpielt haft!” |
erſten Schauſpielerin 6001 Du Konkurrenz لور
machen! G8 wird jest manch ۸ ٤ Erinnerung für
uns geben, wenn wir an den Gliteball des Sirieger-
bereit Denfen! Halt du 0222 mit Frau Simmel
Schweiterichaft getrunten 2“
Frau Melanie lachte leife auf. „Spotte nur, sche
dich ſchon in Zukunft Arm und Arm mit dem Herm ۰
thefer und Auditeur durch die Etraßen von 98
wandern! Und das erite Diner, welches wir auf Nieded
geben, wird eine außerordentlich buntjchedige Gejellfchaft
aufveilen, falls bu wirklich die horrende Idee haben ſollteſt,
dieſes Krähwinkelvolk auch tinftighin als سر Hür
gang für uns zu erachten!“
Graf Nüdiger entzündete eine Cigarrette, jem 007ا
۱0۲۵۱۵168 Geficht hatte die Maske fascinierender Liebens—
RB =
mwürdigfeit abgelegt und ۵ den Ausdruck ود
ae 1.
0 لا id) dente, ma chere — wenn wir — سرت
wir nod) das بت lich Befib von Niedeck ergreifen,
letzte ۲ Bringen und Die Singer, — welche Die Raz
ſtanien für uns aus dem Feuer holen werden — zum
Dante etwas fchmieren! Cine Mafienabfütterung muß
ftattfinden. A untjere lieben, guten Angerwiejer Freunde
werden Dann für einen Tag den ſüßen Traum träumen,
als intimer Verfehr in Schloß Niedet aus und ein zu
schen! Ochſen und Maftvich liefert ſelbſtredend Herr
Simmel — und was fot notwendig. ift, wird aud) aus
Des guten Uberganges wegen! Dann . 000 905
befommft bu einen hartnädigen Katarıh und ich forge ba:
für, dah unjer neuer Hausarzt dir cine Reife nad) Dert
verordnet. Bis dahin habe id) bie Pachtverhalte 21801
je der Beſitzungen geordnet, und nach ۲ kurzen,
aber glänzenden Gajtrolle reifen wir ab — nad) Stafien.
Vann werden Gründe jeil wie Brombeeren fet, um für
die Zulunft einen längeren Aufenthalt in Niedeck unmög—
zu machen,“ | ۱
„evi, falls du nicht nod) das Aſſ [7 11
DUI -
„Slaubjt Dil, ma clere, bak ich noch als Majorats- ۱
herr Eramen machen werde 27
nicht?“ ة Cie fab überrafcht auf. „Du willjt
Er lachte hart und rauh: „Nein, dann habe ich es
— ati mich als Laſttier noch ferner in das Joch zu ſpannen,
dann haben wir «3 ja gültigen aus A mehr
nötig! 1 x
yey, bantu ‘outlet wir frei ein ۳ ume all Me—
lanie hoch auf. „Dann haben wir ja feine Zukunft mehr
zu fürchten! Aber warum noch fo viele Umitinde mit
dent greulichen Kaffernvolk in Wngerwies machen? 71
‚der Mohr feine Schuldigfeit gethban Dat, mag er dod
gehen!”
Er zudte die Achjeln. „Se nun, darüber können wir
ja immer nod) bejtimmen, aber bu weißt — noblesse راہ
lige — und nun, was jollte aus deinem Anbeter Bare
111116 werden, wenn 6٤ N ue 10 ODE 01
wollte 2’
Die Gräfin lächelte: تشر teurer Eonsenburgit mofierte
jie fich, nach feinem Bouquet greifend, „dieſes ۲
drückt feine (yriichen Gefühle aus! Gelbveiglein, 2
rin und 98000011 Co ganz der Abalanz der 2
dernen Refidengitadt Angerwies! Man fann Doch un:
möglich verlangen, daß ich mich mit dicjer heilloſen Kuchen:
papiermanfchette zu Hauje lächerlich mache!” und die ۵
Hand jchleuderte die Blüten, welche mit jo viel Liebe und
Bartlichfeit gepflegt und fo viel warmherziger Begeijterung
geopfert waren, crbarmungslos zum Feniter hinaus. |
‚Apropos — willft du wirklich Garnijon nach Angers
wies verurteilen? Das wäre perfide gegen die Unglücks
leutnants!“ |
NRuüdiger (achte 750 — Aber Kind, das ijt
ja überhaupt ein Ding der Unmöglichfeit! Es gehörte
88 <
Die ganze Naivetät dieſer N وت م تل bagi, um I 1
ein ſolches Märchen zu glauben °
Arme Bürgermeiflern! Ste 01ھ Ion die Braut
fleider !!”
‚äh nicht, liebes Mütterfein, am roten —
Na die Holden Mägdlein können ja die hochzeitlichen Ge—
wander zu unſerem Einzuge auf Niedeck anlegen! Mun
aber zieh andere Handſchuhe an, Tenerjte, ber Zug pfeift!
Bir müljen in Su (۱ !⁄ ۱
—
Dämmerung lag über dem mächtigen Schloßbau von
Niedeck Uraltes Gemäuer baute $d, trefflich erhalten
zu Türmen und Zinnen empor, epheubewachſen und grün—
bemooft, wie es feines Malers Phantaſie idealer und poe-
tiſcher hätte erfinnen fünnen. An den eigentlichen ,, Urban”
— dem älteften Teil, welcher auch noch den Namen „Burg“
trug und wie ein trubiges Felſenneſt auf der hächſten
Spike des bewaldeten Berges thronte, hatte faft jedes
ſpätere Jahrhundert einen neuen Schloßteil hinzugefügt,
und jo war schließlich ein qang eigenartiger Komplex von
Schloßhöfen, Seiten. und Querflügeln, Türmen und Ere
fern entftanden, Das gab nicht nur ein jehr impofantes, ©
ſondern auch ein recht originelle Ausfehen, und darım
war Schloß Niede auch im ganzen Lande alê einer der
großartigſten und feudalften Herrenfite befannt.
Die legten Connenftrahlen hatten in den unzähligen
genftern aufgeglüht, hatten den mächtigen Sau, welder
E TEDSTER PALL ov ef ERR 1
x ana وی 7 — ما = 90
—
¥ *
in — عامس Tube, gleich dem verjaubecten اما
des Dornröschen da lag, noch einmal märdhenhaft per:
golbet, und waren ban — den hochragenden Tannen
= zůr 91106 gegangen.
Graf Willibald fap dalam und Schweigend in dem
niederen Kutſcherſtübchen, wi er fi zum Wohnzimmer
auserwählt hatte. x
Hart über dem el ſenabhang — bot das blei—
gefaßte Fenſterchen einen herrlichen Fernblick über Die
Thalebene mit dem maleriſch zwiſchen grünen Wäldern
gelegenen Städtchen Wngerwies, über die ſich feruhin Debs
nenden Hiigelfetten und das blitzeude Flupband, weldjes —
fic) it fraujen Linien zwifchen ihnen hervor jchlängelte. —
Seitwärts aber fprang der Schloßberg mit fchroffer
Ede vor und gewährte den Aublick auf den alten Burge
teil, welcher in ۳۲ vollen 671 Schönheit einzig
von dem fleinen Fenſter des 5 zu ſehen mar.
Und Graf Willibald lichte diejen Anblick über alles.
Kein Fenjter des ganzen riefigen Schloffes zeigte fo
viel landichaftliche Schönheit, wie dicje bleigefaßten € det
ben, und 7 fragte der einfame Majpratsherr nicht
lange, ob ¢3 närriſch jet oder nicht, wenn er all die weiten,
büfteren, troftlofen, leeren Säle verlieh und hierher in
das poetijchite aller Schloß wintelchen überfiedelte, |
Un auch) jet | jaf der Graj in dem bequemen, afte
modijchen Lederfe} jet an feinem Vieblingsplagden und blidte
01. hinaus in die Land Ichaft, über welche
der Abendfrieden feine 00117 و breitete.
NESE: Epes
Um die ٤ freiften bie Elftern und fudten "7
ihre Neiter, von der Stadt herauf Hang das Abendläuten =
und fern ber, von dem Eifenbahndamm bligten die eriten
Lichtchen empor. Graf Willibald ſtützte den unjirmigen
Kopf in die Hand und feufzte tief auf. Er liebte Die
Dammerfiunde fo fehr — aber fie liebte ihn nicht, fie
quälte ihn mehr denn jede andere Zeit mit einem fehnfuchts-
vollen Weh, gegen welches er fchon jo lange, lange Jahre
verzweiflungsvoll anfämpfte, ohne doch feiner Herr werden —
zu ۲ 7
Wie verlaffen und verloren ftand er inmitten 7
toten Neichtümer, in einer fremden, 00ا2 ame
jtandenen Welt!
` Glüdlid) fein! — weld) ein traumhafter Beri j 1۳ gut : =
Und doch Hatte es einft eine Heit gegeben, 0 Qu.
er glücklich ۷
Aber Diele Beit lag weit zurüd, fo weit wie ۰
goldene, ſorgenloſe Kindheit!
a, da war er glücklich, als die Mutter ihn noch auf
den niem wiegte, als fie fein armes, häfliches Haupt
voll zärtlicher Liebe zwiſchen dic tantan, edelfteinfunfeln-
den Hände nahin und ۱
D, wie weit und glücjelig war da fein Herz! Da
liebte er Die 2 2,2 auf Mamas Schoß ۵0
ſehnſüchtig tief wie jebt سے damals aber jtillte fie noch
۵۱0۱6۵ Sehnen dure) die treucfte Liebe, welche es gab,
während er heute einfam, mit bfutenden Herzen zum
Himmel blickt, oft ſich le in تا > e) سے
oft verbittert, grillentaft, zornig mit dem Schickſal, mit
Welt und Menfchen habdernd!
Warum blieb eë nicht immer fo wie damals? Warum
nahm ihm der Tod das einzig Liebe, was er noch bejaß,
feine Mutter, nachdem auch der Vater von ihm 7
Da fing fein Elend an, fein namenlofes ۰
Man nahm ihn fort von Nieded, man brachte ihn in
das Haus des Onkels, feines Vormundes. Dort follte
er mit Vetter Rüdiger sufammen erzogen werden, obwohl
er um Jahre älter war wie dieſer; daß er dieſen Namen
nie gehört — dieſen Knaben nie geſehen hätte! —
Der Fluch feiner Jugend hieg Rüdiger! —
Graf Willibald ächzt auf bei dem Gedanken an die
Qualen, welche er durch ihn erbuldet. Er pret die
mageren Hände frampfhaft zufammen nnd ftarrt hinaus
in die Schatten, welche fich tiefer und tiefer über das Thal
breiten. Die Thüre hinter thm öffnete fich, leiſe, ſchlurrende
Schritte nähern fd, ein gebeugter alter Mann in Livree
bleibt Hinter dem Stuhl des Grafen u Willibald
wendet: anßzuckend den Kopf.
Was gibt es, Ruhnert 2”
Reine Antwort. Nur ein leijes Geräuſch, als ob ein
Menſch gewaltſam gegen die Thränen anfämpfte. Der
Graf erhebt Hd) und tritt neben Der Kaſtellan
Kuhnert!“ ruft er entjeßt und fat beide Hinde des
Alten, ,۸ ۸۰٢٢ | x
Über die eingefallenen Wangen des 03 اون2 3
feucht. Er pret die Hände des Grafen und fink allen
za کے
Reſpekt vergeffend auf den Stuhl nieder: „Mein armer,
armer Herr!” flingt e3 wie ein Aufichrei von ſeinen Lippen
poprid, Kubnert — ein Unghie? 1” —
Der Alte beißt die Zähne zufammen und fchüttelt wild
den Kopf. , Mehr a (3 das, Herr Graf! ein Verbrecjen!” —
„lmächtiger Gott! Í jprich’s aus!“ —
„Straf Rüdiger — it
EEE! = ma... DOB . . 7”
Ach Herr Oral — eS ijt zu biel der کت
Willibald richtet fib hoch auf, fein Auge انام
ESprich!“ — ringt es Hd rauh von feinen Lippen.
Der Alte umffammert mit bebenden Händen den Art
۱6۱1168 Herrn. x
„Sie müſſen fort von t bier, Herr Graf!” —
„sh? Nicht um die Welt!” —
„Sie müflen! — bei Gait, mein armer, armer Herr,
Sie miiffen, fonit . x |
Eonſt bringt man فی fort? In bie Kapelle drüben?“
رن Willibald bitter hervor: „Mit Gift oder 47
‚Nicht in die Kapelle . . .“ ۱ |
„Richt? ... Wohin denn ۱۵۱۱۶
In 39 Serio, Herr Graf!” —
Tiefe Stille — leichenblaß, requngslos steht der Majo-
ratsherr von Nieded, Geſpenſtiſch ſtarren jeine - Augen
aus dem Dunkel. Dann 0 ein gellendes a von
jeinen Lippen. ۱
„sn 8 Srreujaus! Bravo, Ritdiger | der Ban ift
eines Teufels ا Er wendet ſich und fdjreitet lang⸗
— Ó ہے
fam im Zimmer auf und nieder, dann bleibt er vor dem
Alten Stehen, legt die Hände auf feine Schulter und fagt
weich und herzlich: „Du treue, brave Eeele! — erzähle
mir, was du von der Sade gehört haft!” — ۱
۳1-1
2
Sch habe Berrat fief haffen gelernt und weiß O
fein i, bag وط mich erfüllt mit Abfhent- -
SE == رها
re rat Willibald zog einen Stuhl heran und ume
Ar Ichlo feine Lehne krampfhaft mit den Händen,
als juche er einen Halt, um nicht bei dem llu:
۱ ےت mas er hören jollte, umzuſinken Kuhnert
aber erhob fic) mit zitternden Ruien und Strich das "0
aus der feuchtperlenden StH.
را Herr Graf!” jammerte er, „es it ja nicht zu
glauben, daß ein Chriſtenmenſch jo schlecht, 0 fündhaft
Handeln fann — und nun gar das eigene Fleiſch und
Blut, der leibliche Vetter des Herrn Grafen!” — x
Der Majoratsherr lachte abermals heiſer auf, der.
alte Mann aber fuhr fchweratmend fort: ,,Da ijt er hiers
her gefommen, hat fi zehn Tage fang init der Frau
Gemahlin in der Etadt Hamburg einquartiert und nun.
mit allem Gorbedacht und aller Lift eine wahre Menterei —
unter den Leuten angeftiftet! — O, du mein Heiland, wie
— OG =
fieht es bei den fchlichten, braver Angerwieſern aus! 8
ob der Teufel los wäre — und als ob unfer quter Herr
Graf die ganze Gegend ms Unglück brächte! — Verrüct
wäre der Herr Graf! {agen fie, er gehöre in das Narren:
haus, und der Herr Kammerjunfer Riidiqer, der fet der
wahre Majoratsherr, der gehöre hierher nach Nieded!
Natürlich hat er felber ihnen das eingeblajen — ach wenn
man hört, wie e3 bie Herrichaften getrieben haben! —
An den Wirtstiſch ‚haben fie fic) geſetzt und ſich schier
auf ‚du und du‘ mit allem Krämervolf geftellt, — md.
‚die Fran Gräfin hat 0 u bei den تہ تس
gemacht.” —
Frau Melanie in فدہ نل9 Rifiten gemacht?“ unter:
brach Willibald und ſchlug die Hände über dem (۲
zufammen, „Die arrogante — hochmütige Berfon, welche
ihresgleichen wie Schmutz an den Füßen erachtet, feit es
ihr glücdte einen Grafen zu freien?” —
„Die find bie jchlimmiten, Herr Graf!” — nidte
Stubnert mit emer verächtlichen Handbewegung, „pie
jchämen Hd) vor ſich felbit, daß fie in einer bürgerlichen
Wiege gelegen, wenn Die Wiege in dem Haufe
eines joldjen Slüdsritters und ‚Sründers‘ geftanden, wie
der alte Bourlier einer ift!— Na — das ift j ja feine eigene . oe
Sache! — Aber die Vifiten der Frau Gräfin find nod)
nicht dag ſchlimmſte, was jagen der Herr Graf wohl dazu,
daß die beiden Herrfchaften auf dem Kriegerball erichienen
find, — eimerfeitS wie die Fürften auftretend und dann
doch wieder die demofratijche Verbrüderung mit jedem
er MS Geb OT نوبز
"mi wu, 1
ee وم 0 š wi
می {
Mv. CTE truth, I. Mom. w. Nov, Der Maioratebere T. 7
En
Gevatter Schufter und Schneider — fogar getanzt Rat ہت
die Grafin — —.” Willibald hatte den Kopf vorgeſtreck ح-تے
als höre er nicht recht, jest fant er mit fehallendem Ge ° |
[ächter auf den Stuhl und prepite Die Hände gegen Die
Schläfen. „Diefe Poſſe ijt ja Entree wert“, rief et mit
ſchneidender Stimme, „bei Gott, Die abelftolzen Leute
haben fich das Majoratsrecht teuer erfauft und ٤
ihres Angeficht3 darum geworben! — Die Gräfin Melanie
tanzt mit den Angerwiefer Aderbürgern!! Nun jollen Daz
> für die armen Schluder wohl auc) gehörig nad ihrer
reife tanzen!‘ — >
Thun fie Shen, Herr. Graf! thun fie jchon, wie
bie Dreffierten Pudell Der Herr Kammerjunter hat fie
in zehn Tagen gut abgerichtet, — fo zu jagen „auf den
Mann dreffiert“, num. fallen fie, wie die Bluthunde den
eigenen Herrn an; dafür hat der Herr Graf ane auch ۱
das Geld mit oe Händen ausgeftreut . ۱
hat er denn plötzlich Seh? : 0090۲ — لت
Bor vier Wochen wollte er doch nod) eine Anleihe machen ۱
und jdjrieb, das Mefjer jake ihm an Der Keble! Der
reiche Echwiegerpapa bantrott — die unerjchöpfliche
Soldquelle plöglic verfiegt — hm... Sie mare Dod)
wohl wieder!“
Der Kaftellan fchüttelte den Kopf, das Cilberfanr
leuchtete durch bie Dunkelheit des Stübchens. ۱
9 „Daun würde er wohl nicht ein folch gemagtes Epil
ſpielen und Nieded auf dem Wege des Verbrechens m
fich reißen wollen!“ —
š — 99 —
„Er ſpielt fein gewagtes Spiel! Dazu it mein Heber
Vetter viel zu ſchlau! O ich durchichaue jeinen Plan!
Die Bürger von Angerwies füen und er erntet, — Wenn
es wirklich möglich fein follte, was du ſagſt, — —
ich kann es ja nicht B0 eS wäre ja zu PONDS
jo unjagbar teufliich —
„&3 it jo, Herr Graf! bei Gott es ۱۱۱ jo! und baru
müſſen Der gnädige Herr morgen in aller Frühe fort bon
hier, damit Sie der Meute aus den Zähnen 71
Sch hab's ja auch nicht glauben wollen, aber der Apo-
thefer hat es unferem Johann flar ins Geficht gefagt:
„Der Antrag auf Entmündigung des 11 Grafen fei
jchon bei dem Amtsgericht geltellt worden! Ganz Anger: —
wies zeugt gegen den Herrn Grafen; und uns bier, Die
Dienerſchaft von Niedeck wollen fie auch beftechen, dah
wir uns auf ihre Seite ftellen — Gott im Himmel möge
es Strafen — doppelten Lohn würden wir vom Graf Rüdiger
befommen, — und darum jollten wir es doch mit ber
‚neuen Herrſchaſt halten, denn der jehige Majoratsherr
jet Schon jest fo gut wie ein toter Wann!” — Der
Sprecher ſchlug die Hände vor das greife Gefiht und
schluchzte feije auf. „Es Steht ſchlimm, fehr ſchlimm, lieber —
guadiger Herr, — der Doktor unten aus der Stadt ift zum
Sachverjtändigen vorgejchlagen — und wir willen ¢3 ja,
daß der Quacfalber Ihnen nicht grün gefonnen ijt!” —
Willibald jchritt wieder mit heftigen Schritten ut dem
S Heinen Raum auf und nieder! Sein Atem ging feuchend,
feine Hände bebten
— 100 —
„And du glaubit, ne bies ie 709 ej —
heit ift, Kuhnert 7 — ee
„Sch beſchwöre eë ‚ Herr rat. تر
„was follte nur über eine Abreife ui ben? Das, 3 Se
fie an mir verrücdt nennen, ijt befaunt und wird von
meinen 77. beftütigt werden |”
„Semih, Herr Graf, — das, was man ‚verrüdt!
nennt! Aber ba eS nicht verrückt ijt, muß es vor allen
Dingen gerechtfertigt werden! Hier aber in der Gegend
ift fein Verlag auf die Menichen, — ich bin mißtrauiich
geworden und traue dem Herrn Kammerjunfer gar weit—
gehende Vorbereitungen zu! Alfo fort von bier, Here
Graf, in die Nefidenz, wo Sie den Schub des Herzog
anrufen und den beften Rechtsanwalt uchmen fönnen!
Wenn dam die Herren Sachverftandigen hier antreten,
it Das Neft ausgeflogen! Sch pade den Koffer und morgen
früh fahren wir. — Darf wh mir den Schlüſſel zur
Sdhrantefammer holen? Er hängt noch in dem alten
Calon”
Was willſt Du dort?” —
01011001811 holen.“ —
Ich Habe ja meinen Pelz Hier!” —.
Kuhnert [chüttelte energijch den Kopf: „Der 2
pels muß jebt ausgejpielt haben, Herr SD. Der bat
auch zu dem Geſchwaͤtz deigetragen.” —
„ber Ende verlangt doch, Daf ic) ihn tragen لت
الام Reſpelt zu jagen, Herr Graf — der 60۲
= ‚meint es wohl ganz gut und will Ew. Guaden vor Gicht —
سو 101 —
bewahren, aber er vergift, daß ein vornehmer Herr nicht
wie jeinesgleichen herumlaufen fann! Auch die Armbewe—
gungen beim Gehen mitffen der Herr Graf jest cinftellen,
— das fieht auch ganz veriradt aus, und wer nicht weiß,
daß ¢3 Vorſchrift ift, denkt fich alles mögliche dabei. —
In der Nefidenz müffen der Herr Graf all diefe Dinge -
beifeite laſſen und wie jeder andere Menfch auftreten, ſouſt ہے
erhält man dort auch eine falfche Meinung! Darf id
unterthänigft fragen, ob alles gur Neife vorbereitet werden
Darf? Der Herr Graf fünnen fich auf mich verlaffen.”
Will ibald fuchte in der Dunkelheit die Hand des alten
Mannes und drückte fie voll zitternder Bewegung. ,, Thue
رق Kuhnert, ordne alles an, ich füge mich Dir in allen
Stüden. Du und Johann, ihr follt mich begleiten!” —
„Beiehl, Herr Graf!” nidte der Kaftellan und wieder
{lang leifes Schluchzen durch feine Stimme: „Der liebe
Gott wird ung helfen! Den wollen wir vor allen Dingen
mitnehmen, dann fant alles Teufelswerf nicht auffommen.
Nefehlen der gnädige Herr Licht?” —
‚Dein, Kuhnert, der Mond geht auf, ich fiße gern
noch cin Weilchen in feinem Glanz am سے “ مامت
„Beiehl, Herr Graf!’ —
„Stört nih nicht, laßt mich ۱ ein Weilchen allein. ا
„Sehr wohl, Euer Guaden.”
Die leifen, müden, fdjlurrenden Schritte سا
hinter der Thür, und Graf Willibald ſank auf den Stuhl
nieder, legte die ۶ — das Fenſterbrett und. drückte
bas ane i4 آ0 nieder |
2.40 —
Ein Cchüttern und Beben ging durch feine Geftalt,
wie wenn Die Verzweiflung einen Menſchen mit rauhen
Händen pact und fchüttelt. Sus Irrenhaus! .
Diefer Aufchlag krönte alles Elend, welches ibn, den
Einfamen, Unglücklichen je heimfuchte! — _
Eine Piftolenfugel — ein Giftpulver würde all dem
troftlofen Leber ein wohlthuendes Ende bereitet und den
Majoratsherrn von Nieded von feinem Dafein erlöft haben,
welches jeder Freude und jeden Ol lückes bar war. Aber
ein Srrenhaus! Mit geſundem Verſtand zeitlebens einge⸗
kerkert ſein, verurteilt zu Dem jchwerjten, 01
2o3, welches je eine Menſchenſeele gemordet, — gefangen,
ausgejchloffen — des eigenen Willens, der goldenen Frei⸗
heit beraubt, fürchterlich geſtraft wie der ſchwerſte Ver—
brecher —! Diejer Gedauke trieb dem verlaffenen Mann
den Angſtſchweiß des Eutfeßens auf die Stirn. War ق
auszudenfen, zu glauben?
Warum nicht?! —
Stehen die Zeitungen nicht voll der graufigften Dinge,
wie das fin de siècle die Srrenanftalten mißbrauden
(aft?
Ein Prozeß um den andern 08ء von den unge⸗
| 0+7 Dingen, welche Hd hinter den Mauern der
Nervenheilanſtalt abſpielen jollen, — berichten von mehr
wie einer Kamilientragödie, welche fic) im Narrenhaus
abjpielt, — warum follte Vetter Nüdiger, welcher ſich nie
icheute, das Leben des unglüclichen, verwaijter Knaben
und sünglings zu vergiften — davor zurüdjchreden, den
— 302 =
10 1 Erbherrn ni Diefe A Weife aus Dem
Wege zu räumen?” — |
Er felber wäjcht ja feine Hände i in Unschuld! Er folgt
nur dem Drängen anderer, befehligt nur die Meute,
welche das Wild in den Abgrımd jagt! —
Ein dumpfer Schrei der Qual — der leidenfchaftlichen
Erbitterung bricht über Willibalds Lippen. Er hebt das
blajje Antlit und ftarrt wie in verzweifelter Auflage zum
Himmel. Mid und friedlich — رل ae über
jein Haupt.
Durch die nächtlich Dunklen Wolfen 0 Der Mm ond
wie ein Angeſicht, welches voll tröſtender, unendlich treuer
Liebe auf ihn herab blickt. Weich, wie zärtliche Mutter—
haände ſtreicht per Windhauch Durch das Fenſ ſter und lühlt
feine Stirn.
Nein, er Ut nach nicht vergeifen da oben! —
(8 gibt einen gerechten, wahrhaftigen Gott, welcher
die Seinen nicht verfommen läßt, welcher auch ee Bers
faffenften und Berlorenjten ein Glüd bejchteden hat, —
nur bie Wege, darauf man es erreicht, find verjdjieden
und führen gar wunderſam durch Nacht zum Licht. —
Thränen treten in die Augen Willibald. ۰ 2
jeufzend lehnt er fich zurüd in Den Seffel und. ftarrt
voll wehmitigen 8۵ hinaus in Die fälle Mond-
ae oe
M 0۲ Toll er ſcheiden von hier, — wer weiß, ۵
er wiederfehrt. —
— nn ihn das رت 11 bie enden,
obwohl er fich feft vorgenommen — die verhaßte Stadt
nie mehr gu betreten.
Er denkt zurüc an die Sabre, welche er dort Debt =
Entjeliche Jahre! Sabre voll bitterſten Herzeleid
voll Heimweh und geheimer Qual.
Er entfinnt fich noch jeder Stunde, welche Riidiger
ifm vergallt. Cr wird nie den Augenblick pergelfen, wo -
der ſchöne, 6 Knabe zuerfi vor ihm ftand und in eit
herzlofes Gelächter ausbrach: „Was, diejer Nußknacker
ijt Vetter Willibald? Na, das faqe ich dir, du fleiner
Wifpelmann, mit dir zeige ich mich nicht auf der Straße,
ſonſt bellen uns die Hunde an!“
Da erfuhr das verwaijte Kind zum erftenmale voll
“tober Deutlichfeit, daß es häßlich fet. —
Häßlich! — O du furchtbarjte aller Heimfuchungen! us
Häßlich fein .an der Seite eines hübfchen, allgemein Ders
hätjchelten und beivunderten Knaben! Häßlich fein! it
einem Haufe, wo man die Häßlichkeit wie ein Verbrechen —
erachtete, wo man das Häßliche gemein und و
nannte, eë berjpottete und verachtete! — °
Welch eine Kette unausgeſetzter +71 war ae
Leben, wie blutete fein feinfithltges und رک Herz
unter jolcher ۲ ۲ | x
Er lernte ۶٠×١ während Rüdiger 1۸ auffaßte
und behielt. |
Willibalds kränklicher Körper konnte nit Echritt halten
mit Den geiftigen Anforderungen, welche man ftellte, und
wenn man ihn in der Pflege während verfchiedener Krank—
— 106 =
heiten auch nicht direkt vernachläffigte, fo gab man fic
dod) auch nicht fonderliche Mühe, den Majoratsherrn,
deſſen Exiftenz den eigenen Sohn zum Bettler madjte, am
Leben zu erhalten.
Aber das fchwache Leben rang Hd) dennoch Durch all
die ſchweren förperlichen und geijtigen Kriſen bindurd),
gleichfam zum Hohn für den jchönen, fraftftrobenden
Better, welcher neben dem fümmerlichen, häßlichen Erb»
Herrn von Niedeck dennoch) zuſammenſchrumpfte, wie der —
Schatten vor der Sonne!
Ja, das Majorat, das beneidete ihm Nüdiger ſchon 5
Kind! Er war flug und egoiftiich genug um jchon als
Knabe den Wert des Geldes und den guten Klang eines
Titels zu ermeſſen und zu begehren. Er haßte den Glick
lichen, welchem das Schickſal Reichtum und € Stellung ſchon
in die Wiege gelegt, und damals reifte wohl ſchon der
Plan in ihm, auf gd eine "7 den we zu
entfernen, ۱ =
tit der rohen Kraft der Fauſt heile: er es nidht ;
mehr wagen, jeit er einmal bei einem Streit um ein
Spiel den fchwachen Willibald beinahe zu Tode gewürgt.
Der Erzicher ſprang noch rechtzeitig zu Hilfe, und wich
[cit jener Zeit nicht mehr von der Seite de3 Knaben.
Seine Sympathien hatten ftets Dem armen, gequalten
Erben gegolten, während fich Rüdiger durch fein Berri
ſches heimtuckiſches Weſen im ganzen Hauſe unliebſam
machte. |
Auch Nüdigers Vater trat zum erjtenmale mit der
=s 04
vollen Strenge und Energie gegen den Sohn auf, als
er bon dem Vorkommnis Meldung erhielt. Man ٤
Die feindlichen Bettern und ſchickte Willibald auf eine
Nitterafademie. Dort hätte er wohl ein erträgliches Leben
führen können, wenn ihn nicht die vielen Kränfungen,
welche er im Hauſe des 28 erduldet, ſchon es und
verbittert gemacht hätten.
Dazu fam, Daß 8 heiter Freund: aus der
Reſidenz ۷ BIME ward und die Quälereien
fortießte, welche jener begonnen, er verdarb ifm von
vornherein bie Stellung bei den anderen Schülern, und
Willibald zog fic) immer menjchenfeindlicher von jedem
freundjchaftlichen Verkehr zurück. Nach feiner Konfirmation
weilte er furze Zeit zum Befuch bei dem Onfel, — ver:
febte unerträgliche Wochen, in denen er abermals zur
Bielfcheibe allen Spottes wurde. Je mehr die Knaben
heranmwuchjen, dejto greller trat der Unterjchted ۷
ihnen zu Tage, und je älter Willibald ward, deſto bitterer
empfand er es, häßlich, linkiſch und geistig unbedeutend
zu fein. Sein jchenes, gedrüdtes, menjchenfeindliches
Wejen ſtach feltfan ab, gegen Die jichere, elegante Ge—
wandheit des weltmänniſchen Rüdigers, welcher vielleicht
viel weniger gelernt hatte wie der Vetter, aber voll ſchlag—
fertiger Unverjrorenheit mit den ſpärlichen Kenntniſſen
brillierte, daß dieſelben, unterftüt bon feinem einnehmen: x
den Auferen, alle Welt bewunderte. Je mehr aber Rüdiger —
ſich voll ]) 67 Spottfucht bemühte, den Erbhern —
. pon Niede in den AN zu ſtellen und in den —
— 108 —
der Leute lächerlich zu machen, defto freiwilliger zog HO
0358ص" von allem Berlehr zurück
Auf Befehl des Onfels beſuchte er die 7×00
` Aum erſtenmale im Leben fchlug fein Herz höher auf
bei dem Anblic eines engelhaft fhinen, reigenden Mädchens,
deſſen Goldhaar ihn wie mit ſüßem, magiſchem Zauberlicht
bleudete Sie war auch freundlich und gütig zu ihm, ſie
legte ſogar ihre Hane lächefnd in Die lent, um mit ifm
zu tanzen. =
Wie ein Rauſch ber. Monne, Des ORD ier
Gntzücens überfam es Willibald. |
Er, der fo betteların an jedem Glücksempfinden war,
jchien wie betäubt von fo viel Unerwartetem, doppelt tief,
doppelt gewaltig und glühend zog die erjte, junge Liebe
in fein Herz.
Hur fünften 7٤ erihien Rüdiger, welcher bis
dahin frank gelegen.
Sein Eintritt in den Tanzſaal madjte allem ۵
ein Ende Mit fchnellem Umblic war er orientiert. Er
empfand es als ein bejonderes Gaudium, dem „Wifpel-
mann” die Flammeé abjpenjtig zu machen. Und e3 gelang
ifn. Welch ein Mädchen wäre unempfindlich, wenn feine
Eitelfeit gereizt wird! Welch ein Badfischchen macht ſich
durch einen Berehrer lächerlich, über welchen alle Andern
gloffieren? = ۱
Mit der ſchonungsloſen Grauſamkeit der Kindernatur
bas blonde Elfchen in Rüdigers Armen dahin,
— Direft in das feindliche Yager hinein.
— .109 عم
Auf dem 6 aber erzählte der Sieger voll harm⸗
[oler 2۳۲۵0۱064 ‚Die Thea ift ein zu famofer Bala! ۰
brillante Wise macht fie, — allen Leuten gibt fie Spit:
namen! „Weißt bu, wie fie Dich nennt, Willibald? —
‚Das goldene Kalb‘, brillant, سے - was? bei deinem 71
Geld!“
Der Erbe von N jeder کت ۵ die Sand
über dem Herzen, welches in DEN, s Mr Veh
verbflutete.
o> OS er nt jener Nacht lel, ۱ feines
Menjchen Mund, — alS aber Die Eon fein ۵8
finfteres, ſchmerzzerriſſenes Antlit traf, Da {a3 fie einen
itarren Entjchluß darin, — Willibald von Niche wird
fich nie im Leben wieder zum Epott eines Mädchemmundes
machen! Diefe Nacht hatte den Weiberhaffer geboren.
Und nicht allein fie ate er, — nein, aud) 7 Rüdiger
wuchs der Funken des Hafjes zur Flanıme an. — Alles,
was er ihm 87 angethan, war ein Nichts gegen den —
Mord an jeiner jungen Liebe, Der einzigen Roſe, welche
ein Dornenreidhes Leben getragen.
Die Studienzeit trennte die Bettern abermals ww
Willibald fand Gründe, das Haus des Vornundes
meiden
Erſt ſeine Mündigſprechung zwang in au einem Ber
hub in ۰
Wie umgewandelt erfchien ihm Nüdiger 0
Junig, freundſchaftlich; gewaltſam itiu.
Der Peſſimiſt von Nieded war aber nicht — zu
jO
täufchen. Der Haß lebte zu frijeh und gewaltfam in thm,
um durch ein paar gleifnerifdje Worte in Freundjchaft _
verwandelt gn werden. Er durchſchaute den Vetter nur
zu bald.
Eine neue Gutrigue jollte dem Majoratsherrn das
Majorat entziehen.
. Gab €$ nicht eine Erbſchaftsklauſel, welche ſechzehn
Ahnen von der künftigen Schloßfrau von Niedeck verlangt?
Dieſes ſollte ausgenußt werden.
Thea beſaß Feine ſechzehn Ahnen, — heiratete fie
Willibald, ward Rüdiger Erbe. x
Und 1 plan verfolgte er ۵ ſchlau wie hart:
nadig. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt ges
macht. €o oft er auch eine Begegnung zwiſchen beiden x
herbeiführte, und fo bezaubernd wie Thea dem auch ohne — x
Majorat jchwer reichen — Grafen sulächelte, es prallte
wirkungslos an dem ftarren, geiftlofen Blick ab, mit welchen
der Erbherr die reizende Jugendliebe mufterte. Als Rüdiger —
endlich deutlich ward und von der tiefen Neigung ber
armen Thea Iprach, welche jehnfuchsvoll auf die Erklärung
Batre, — da flanımte es in den foviel beſpöttelten Glotz—
augen” des Wiſpelmänncheus“ wunderbar geijtreich und
ironisch auf, und er jprach: „Ei, die kleine Thea ]ا doh
eine gute Ehriftin, und will troßdem Gößendienerin werden —
und um das „goldene Kalb“ tanzen?! ۱
Rüdiger bib ſich auf die Lippen. Bum erftenmale
im Leben hatte er fich felber die Grube gegraben. Er
- änderte jeine Maxime. Wollte Willibald nicht nad) feinen.
` lj کے
91 heiraten, nun jo burite er fie Überhaupt nicht
vermäblen. —
Bei feiner ſchwachen Geſundheit nah er wohl nicht
allzu alt und Rüdiger mußte ihn alsdain beerben, denn
er war der einzige Nieded, falls der M ajoratshere ohne
Erben Harb. Er ifermadhte Die beiden einzigen jungen
Damen der Nefidenz, welche fechzehn Ahnen 11ء
fonuten, mit Argusaugen, bereit, eine Verlobung auf jez +
den Fall zu verhindern. Die jüngere und hübfchere hätte.
er felber wohl gefreit, wäre 771 vorhanden qez
را — fo begnügte er fich, fie fo ſchnell wie möglich
mit einem anderen guten Freund, welcher ihm den Liebes—
dienſt erweiſen fonute, zu verloben. لے
Bei der anderen fonfpirierte er in anderer Weife gegen
den Vetter, bis ihm der Aufall zu Hilfe fam und die
junge Dame von jelber das Feld räumte, fie ftlirgte bet
ee einer Wagenfahrt fo unglüdlich, dak fie die Hüfte brad)
und mut elend und verfrüppelt im Rollſtuhl jag.
Rüdiger hriumphiertel
Nun war eine vorichriftsmäßige Partie für Willibald
ausgeſchloſſen und er ۷ 0 Erbe, — er er
felt —— Sol.
Diefe Ruverjicht machte ihn bermi. Er lebte —
Die künftige Erbichaft hin m Cans und Braus und machte
Schulden, joviel es ihm beliebte.
> Mber. der größte Kredit fann jchließlih lahm gelegt
werden. Sabre vergingen, und Der Majoratsherr lebte
و und immer lg werdend, auf un Sob.
— 119 —
Die Glaubiger drängten.
Rüdiger borgte den Heinen Vetter au und erhielt
thatlächlich Hilfe, da Willibald ein viel zu vornehm und
ideal denfender Mann war, um den 71 Niedeck emem —
Sfandal preis zu geben. Er fam nicht dem verhaßten : 3
Better, foudern lediglich dent m RI 0 nee er —
Namens zu Hilfe —
Allerdings erklärte er, daß in Zutunft — Aus
hilfe mehr von ihn zu erwarten fet. Rüdiger glaubte
nicht daran, ſondern hoffte gerade durch dieſen jo ängſtlich
gehüteten Namen einen dauernden Zwang auf den 2"
jovatsherrn ausüben zu ٤۵1172.
Er irrte ۰
Willibald zeigte Tud bei 00ہ Ansprüchen un:
` erbitflich und Rüdiger ballte voll ohmmächtiger Wut dic
Hände gegen den blödfinnigen Kerl mit den Millionen-
jüden! |
Seine Gläubiger drängten mehr denn je, eë galt
Stellung und Crifteng für thn!
Da half ihm fein unverwüftliches Glück abermale.
Er heiratete alS Neferendar eine der reichten Erbinnen
des Landes, die Tochter eines Großinduftriellen, welcher
durch qewagte Spefulationen ein auferordentliches Ber:
mögen erworben hatte. Nidigers Leichtſinn war aber
1103 größer wie die fabelhafte Zulage, welche ihm fein
Schwiegerpapa gab. Das junge Paar lebte in fürftlichen
Luxus, welcher geradezu in Berfchwendung ausartete, als
ber erite Sohn — der Erbe des Majorats, geboren ward.
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Nv. .معا Der Maioratsberr I. 8
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Nun war ja jeder Zweifel schoben: wer cnt لا
von Nieded ſein würde!
Ein zweiter Sohn folgte und ficherte Die Er6folge,
— Graf Rüdiger und Frau Melanie aber hielten ihre
| num für fo unerjchöpflich, daß fie jeden, felbft
den koſtſpieligſten aj ajfionen die Zügel ſchießen ließen.
. Etliche Jahre lang ftrahlte diefes wolfenlofe Glück,
— dann fam der deutſch franzöſiſche Krieg und nach ihm
die felig-unfelige Gründerzeit!
Auch Nüdigers Schwiegervater ließ Hd auf das
-„Öründen“ ein. Er fpefulterte qewagter wie je, und das
Glücksrad fprang herum und rollte dem Abhang zu—
Erſt wurden die fürſtlichen Zulagen eingeſchränkt, dann Sn 1
ſchrumpften fie bis auf das äußerfte zufammen.
Rüdiger tobte und Gräfin Melanie befam Nerven-
främpfe, aber beides fonnte dem Ruin des 0 کے
feinen Einhalt ۰
| Noch einmal wandte fich der وٹ tinier an den
Better, .;
Er erhielt den Brief zerriffen zurück
Und da mochte wohl Haß und Verzweiflung einen
Plan in ihm gereift haben, deffen ungeheuerliche Aus-
führung foeben von Kuhnert berichtet worden war.
oc) war der Banfrott des Kommerzienrates fein
offizieller, noch galt Rüdiger in der Nefidenz für den
Beliser von Millionen, — Willibald allein wußte Durch
den brieflichen Bericht des Wetters, wie die Dinge lagen
Der Kammerjunfer aber in die foftharen Tage,
ee es
da die Welt ۳ nod) für reich hielt, benugen zu wollen,
um ſich anf Soften peš 80 ‘bor dem مل
gange zu retten.
Ihn, den Beſitzer eines fabelhat ten ال hielt
fein Menjch für fähig, aus perjönlicher Suge. nad) .
dem Majorat des 69 zu tradjten. |
Er handelte einzig auf Drängen und Bitten der Pitre 1
ger von Angerwies, 0 das Treiben des Geijtestranten
"0 {anger mehr mit anſehen tonnten. x
Nun war Riidiger al Water des Erben geradezu
verpflichtet, für das bedrohte Beliktum einzutreten, ۱
Dieſer Plan war jo fein und raffiniert erfonnen, Daf
er 7 Ehre machte. Gral Willibald hob das
vergramte Antlih und fein Blid ſchweifte hinauf zu dem
mondhellen Nachthimmel Er preßte die Bände frampi-
haft zufammen. Sa, der Plan ifl ſchlau und fluy ers
dacht, dDroben aber wacht einer über die Schickſale der
Menjchen, der kann auch den meifterlichiten Anſchlag zu
nichte machen und die Hände über ein gehebtes Wild
breiten. Meine Gedanken find nicht eure Gedanken -I
۱ ee
VE
Tener ift mir der Freund, dod aud ben Feind fann ich nüßen.
Zeigt mir der Freund was ich سد lehrt mth der end, was ich fell. °
Schiller
3 Tagesgeſpräch im ganzen Herzogtum bildete
der Fall Nieded. Man hatte dieſe Wendung
der Dinge eigentlich: längft erwartet, denn das `
Gerücht bezeichnete Graf Willibald feit Jahren bereits
als geiltesfranfen Mann.
Nun war die Geduld ۲ Baolong ما 002
rife.
Man erzählte fich, bab der Bürgermeifter von Anger:
wies id) mit dringenden Vorſtellungen an Graf Rüdiger
gewandt Habe. Diejer fet infolgedeffen in Begleitung
Gemahlin nad) dem Städtchen abgereift, um Hd ما
unter der Hand von der Lage der Dinge zu überzeugen.
Die Ergebniffe der Nevifion feien geradezu entſetzliche
00
Der Wlajoratsherr leijte die unerhorteften beli
Allem Anfchein nach fet eine Gehirnerweichung bereits in
he *
— 111 —
vollem Gange, was he Be außerordentlichen dicen
Waſſerkopf des Degenerierten faum erstaunlich fein fonnte.
Daß unter fold) einem unzurechnungsfähigen Herrn die
ganzen Befikungen ruiniert würden, jet far, und Daru
firme man es dem Better nicht im mindeften verdenfen,
wenn er rechtzeitig Schritte thue, das bedrohte Erbe für
— den Cohn gu retten.
Sehr überrajcht war man daher, als die Kunde ۶
tauchte, Graf Willibald Yet in der Nefidenz angefommen,
um fich eines der erjten Rechtsanwälte zu 81
und — wie man erzählte — fich gegen die bösartigen
Rerleumdiurgen, welche über ihn erfunden ſeien — unter
den perfünlichen Schuß des Herzogs zu Stellen.
Vian war and) erjtaunt, den Grafen in offener Equi-
page zeitweilig durch die Stadt fahren zu fehen; er war
elegant und modern gekleidet und machte durchaus nicht
den verfontmencn und geiftesichwachen Eindrud, wie man
fich erzählt hatte.
Sicherlich war auch dabei ftarf übertrieben, sani
gerade Dieje Art von Menſchen bejonders mißtrauiſch und
raffiniert jedes äußere Merkmal ihrer Krankheit zu ber:
ſtecken juchen.
Man jab der Löſung der Dinge im großen —
ziemlich gleichgültig entgegen, denn Graf Rudiger war ein
reicher Wann, defjen : Verhältniſſe Durch Den gewonnenen
Brozeß kaum eine fichtbare Änderung erfahren durften,
und der Erbherr von Niedeck war zu سیم um Die
große Menge zu intereffieren.
EE l°
Die Angelegenheit کا den wb Verlauf, —
die Zeugen wurden verhirt und die Sachverfländigen —
walteten ihres Amtes. Cie hatten ihr Gutachten bereits —
= abgegeben, nachdem fie auch in Niederk die Rechnungs⸗
bücher und den Stand und die Lage ber ne
Gut sverhäl tniffe geprüft hatten. —
Nun erwartete man die endgitltige Seide de
Amtsgerichts.
In Dem elegantejten Villenviertel der Nefidenz lag nu ۱
mitten eines wundervollen Barks der Prachtbau der Villa
Gajabella, dag Eigentum des Kammerjunfers Des Herzogs, x
Grafen Nüdiger von Niedeck, welcher mehr zum Vergnügen —
und um wenigſtens eine Beſchäftigung zu haben, dieſe
Stellung am Hofe beffeidete. Villa Cafabella ftroßte a
von Prunk und 068 wie ein Schmuckkaſte —
chen, in welches unerfättliche Hände ۶ stojtbarfeiten ۱
häuften
Man hatte in der Hofgefellfchaft anfangs etwas و : =
jiert, über bie beinahe unfeine und proßenhafte Weije,
mit welcher das graflide Ehepaar ihre Neichtümer zur
Schau jtellte und fpottete [elle und laut über „la dame
parvenue“, welche mit ihrem Spefulanten-Gejchmad ۰
wedem Ding des gräflichen Hanshalts den Stempel
aufdrücdte. Aber Graf Rüdiger war fiets tonangebend
gewefen und allen Niiftergungen Durch fein ۵6
Mundwerk fo überlegen, daß niemand wagte, auch nur
im 8 au feiner geſellſchaftlichen Poſition zu rühren!
— CI
Er verjtand ¢3, fic) voll genialer Arroganz 1861
zu behaupten, und da feine „Echandichnauge” jabelhaft
amuſant und ſein opulentes gaſtliches Haus ſehr be
quent und angenehm war, fo beugte auch diesmal Die
taht des Geldes die Rücken der Leute, ımd derjenige,
welcher zeitlebens am meijten und ſchärfſten über Mes-
alliancen gejpottet, bewies den Leuten, daß man feine
Anficht ändern und ae des Beifalls der Mage ficher
ſein fan. N
Leute, welche einen großen Ontel oder viel Geld Dez
fiber, genießen nun einmal in der Welt das Preftige,
immer Recht zu haben, und wer den Mund am unver-
ichäntteften voll nimmt, ber wird aur Monftranz, vor
welcher {ih alles شک" neigt und auf die Knie fallt, —
wann utd wo fie Hd) nur bliden läßt! — Billa Caja
bella blähte Hd) immer hochmutiger und Dominierte als
Königin unter ihren viel bejcheideneren Nachbarinnen.
Der Bark lag im erjten Frühlingsgrün. Die 71
Blumen dufteten und prangten auf den Teppichbeeten, koſt—
Sate Marmorftatuen waren der winterlichen 7
entfleidet und Leuchteten voll märchenhaften Haubers durch
den fmaragdenen Schimmer jungen Laubes,
Fernerhin, wo ſich die herrlichiten 9ط 88و
Dichter zufammendrängen und einen Kleinen Wald bilden,
wo eine fünftliche Nuine für Staffage forgt und fühle
Grotten und Lauben für den pifanten Zauber italienifcher
Nächte bereit Helen, huſcht eine late oa
über die buntgligernden Sandwege. |
— A =
Hie umd da bleibt Wulff- Dietrich flehen und ſpäht bors
jichtig den Weg zurüc, welchen er gefommen. Ringsum-
her jchweift fein Blick in ruhigem Forfchen, dann atmet
er tief auf. Er الا dem Haushofmeifter unbemerkt ent-
wifeht, er Ht allein und ungejehen. ۱
Er huſcht in die nächſte noch fable Raabe in کل
jedoch fchon elegante Bambusmöbel aujgeftellt find,
۱۵۱۲۲۶ fic) in einen Rohrſeſſel nieber und zieht ein Bud
aus der Gammetbluje.
Mit leuchtenden Mugen ſchlägt er es auf und petit
fich in die Zeftüre der pAguptijchen Königstochter“, welche
ihm, als noch nicht pafjend für jene Jahre, von dem Er-
ziehungstyrannen unterjagt ijt.
Wulff- Dietrich Liebt aber nichts mehr auf ber Welt,
al3 gute, interellante Bücher.
Er verjteht jie auch befjer als man ahnt, 7 feine
Seele gleicht einem stillen, tiefen Wäfferlein, auf 8
Grunde eë von heimlichen Schätzen gleißt. ےت
Wer aber hat in Billa Cafabella Zeit und Lut, das
zu erforschen? — Wulff-Dietrich geniest nicht die Syms ۔
pathien wie fein feder, 07 und ات jüngerer
Bruder Hartwig.
Er ift ein ernſter ſchweigſamer Knabe, ſtolz und
ſpröde bis zur Empfindlichkeit, — ſeinen Jahren weit
voraus, er ſieht und beobachtet ſcharf, und iſt ein ftrenger,
aber gerechter 58 1:۰ ۱
Das ift der Leichtlebigfeit unbequem, und oft Hat
Grafin Melanie ſchon ärgerlich den Kopf 818 und
—7
PART ae
Hips VAs
a 122 a
geklagt „80 Der Suge. nur das eee Blut her hat!
1 Gewiſſenhaftigkeit ift ja recht ſchön, aber wenn fre über:
trieben wird, wirft fie als Bedanterie! Wul ff-Dietrich hat
alle Anlage zum langweiligen Moralprediger und wenn
` “er Tih nicht noch jehr ändert, wird Niedeck unter feinem
Ñ ات ein Softer oder eine Univerfität!”
Sa, Wulff-Dietrich war ein eigenwilliger Knabe, ein
Charakter im Flügelkleide, aber eS war feinerlei Unnatur
in feinem Weſen und der fleine Moralift fündigte jogar
mit größter Kaltblütigfeit, wenn es galt, an 80
litterarijdjen Früchten. zu ۰
Seine großen, dunklen Augen 17 راو als
ihn jein Water einjt darüber zur Nede ftellte. Ich [eje
feine gemeinen und feine gottlojen Bücher”, antworte er
felt, „und mir eine gute Lektüre verbieten, ft Un:
finn. Ob ich fle berjtehe oder nicht, — das ift meine
Suche.”
Denno) beharrten Gltern und Lehrer bei ihrem Ber:
bot und dennoch fündigte Wulff-Dietrich mit beten Ge-
wiſſen dagegen, fo oft fid) ihm eine Gelegenheit bot.
Den Stopf tief herabgeneigt, las er mit heißen Wangen.
Fern her hallte der Straßenlärm, über ihm zwitjcherte
es im Gezweig. Der fünftige Erbe von Niedeck war ein
| ichlanter, und Doch jehr kräftiger Knabe, deffen Ant! if
for jebt den Ausdrud trug, welcher e3 einft als Männer-
geſicht veredeln und intereffant machen wird. ۱
Schmale, feingefchnittene, etwas blafie Blige, welche.
ſtolz und ruhig, beinahe allzu leblos ſcheinen würden, wenn
— 123 —
nicht die Dunklen Augen tief und jeelenvoll aus ihnen
hervor leuchteten. Das Haar it in altdeutjcher Art tief
in die Stirn gefchnitten und fällt bis auf die Schultern,
über welche ein £oftbarer Spitzenkragen breit zurückfällt.
Der ganze Anzug des jungen Grafen ijt fo an
wie faum bet einem Prinzen.
Die feivenen Knieſtrümpfe, bie Lackſchnhe, ber bumfel-
blaue Sammetanzug find tadellos, und nach Anficht Der
Gräfin jofort unbrauchbar, wenn er auch nur das ٤+
Fleckchen aufweilt. Die Spiten des Batijthembdes fallen
über die Hand, und wenn die Knaben einmal geturnt
oder mit Kameraden wild gefpielt haben, wandern die
echten Valengiennes in die Lumpen! Wer hätte die Kinder
wohl jemals gelehrt, Rückſicht auf ie ee: zu
nehmen?
war ein ebenjo piebejtiches Wort wie “۵0118110 رر
„paren“, darum war beides im Haufe Nieded verpönt. |
Wulff-Dietrich hatte die Füße übereinander gefchlagen
und lebte fo ſehr in allen Gedanken an den Ufern des
Nils, daß ihn erjt ein 5 Bellen ann) in ۲ Nähe
aufſchrecken ließ
Das Schoßhündchen der Mama kollerte wie ein —
Seidenknäuel über den ſammetweichen Raſen, und ií furzer
Entfernung folgten ihm der Graf and Gräfin Haftigen
Schrittes. Shr Sohn fprang jählings empor und ftarrte
erſchreckt durch das fnojpende Laub. Die Eltern waren
feit einigen Tagen in der fchlechteften Laune, zanften und
Schalten über jede Stleinigfeit, — es würde eine febr
اوه نز
Heftige Scene: eben, wenn tie den 71 oe :
abermals bei. verbotener Lektüre ertappten. — ۱
Schnell entſchloſſen ſprang Wulff = Dietrich die dane 7
Anhöhe empor, in der Nuine Schuß zu fuchen, — faum
aber, daß er fie betreten, merkte er, daß die Nahenden —
ihre Schritte ebenfalls nach dem alten Gemäuer "in
Was thun? —
Bur Seite lehnte eine fleine eiſerne Thi lofe im
den Angeln, fie ſchloß einen gewölbeartigen Naum ab, in
welchem die Gartner ihre Gerät haften unterftellten.
Ohne fic) zu bejinnen, huſchte der kuͤnftige Erbhert
pon Niedeck in den Steller hinein, 08 wartend, daß
die Eltern vorüberjchreiten würden.
Er täuſchte ۰ x |
Tiefatmend trat die Gräfin: in Die Ruine, warf
einen jpähenden Blid ringsum und fant aa auf Die
| nächjte Steinbanf nieder. |
„Hier find wir ganz allein und ungeftört, ie mac}
auf und lies!” ſtieß fle durch die Zähne hervor.
Graf Riidiger fchritt voll nervöfer Aufregung noch
einmal an den Mauern entlang, Hd) zu überzeugen, daß °
feine Beobachter in der Nähe waren, dann zog er einen —
Brief aus der Brufttafche und fuhr zuvor mit dem jeidenen
Tafchentucd über die Stirn, che er ihn öffnete.
pom Haufe ift man ja 707 Augenblid unbelaufcht
— und ich ertrage es nicht mehr, all die Aufregungen
jchweigend in mich hinem zu würgen! Se nun — fo dann! |
— Laß uns unſer Sdhidfal ۳ رم
ee 4952. 5
Aufs 1٤ ele ſtarrte . Den `
bie Thürfpalte.
Er zudte zufammen, al8 er in die Büge be Balers
blidte, farblos, — gerriffen von Aufregung und wilder
— mit feſt zuſammengepreßten Lippen ftarrte
er auf das Papier nieder, welches leiſe zwiſchen ſeinen
bebeuden Fingern {nifterte. Im angſtvoller Spannung
hingen die weitaufgeriſſenen Augen der Gräfin an ſeinem
Munde Da rang ſich ein heiſerer Aufſchrei von den
Lippen des Lefenden. — Laut aufftöhnend hob er beide
Fäufte und ſchlug jie wie ein Najender gegen die Stirn:
„Das Gericht Ichnt den Antrag auf Entmündigung ab!”
— schrie er auf. „Wir haben veripielt, Melanie, wir
find vernichtet 1“ | |
Die Mutter war aufgelprungen und jtand am der Seite x
ihres Gatten. Wulff-Dietrich wich jahlings GENE, als
er im ihr ent{telltes Geſicht jal. ۱
Nüdiger!“ rie} fie außer Hd), „Willibald behauptet
ih? AM unfere Mühe — all unjere namenlofe Opfer
umſonſt gewejen? Die ganze Ichauerliche Beit in dem ent
jeglichen Krähwinkel ۱
Sie lachte ſchrill auf.
„> du portrefflicher Diplomat! Ich fagte dir Doh:
gleich, daß alle ٣٥ und Pfiffe nichts niber würden,
daß wir den verrückten Kerl um 0 — uns
Ichädlih machen fönnten | ۱
٦ Der Mammerjunter lachte bitter ant: pe ja, wenn
man vom Rathaus fommt, iff man ftet3 Hüger, als wenn
— 456 >
man Hingeht! Warſt du e3 nicht ſelbſt, Die mich zuerit
auf Die Idee brachte, Willibald in ein Srrenhaus zu
{tecEen 27 un
„ewi, e8 war ja das Einzige, a du ۲
fonnteft, um deine Familie vor dem Berhungern zu
ſchützen“ zuckte Melanie mit 0 Blick die Achſeln.
„So? Und wer trägt die Echuld, Daf wir verhun⸗
gern müſſen? Der کر ar Schwiegerpapa! Da. E
۱ ماگ
ا وی ا Rüdiger!! l“
per Schindler, der لس ان Der meineidige
Halsabjchneider, welcher den gräflichen Qreter mit M a
fionen anlodte und ifm zum Schluß den Betteljtab vor
die Füße wirft!” tobte der Graf in unbezähmbarer Wut.
„Sch habe mich auf dein. Vermögen verlaffen, als ic)
heiratete, wenn ic) dieſes Vermögen aber al3 ein Dunit
erweiſt, jo trifft nicht mich, fondern dich die Schuld 7
Melanie verfchränfte mit fchillerndem Blicé die Arme
unter der Bruſt „Was der Taufend! Ein netter Freier,
we (cher fic) von der lieben Gattin durchfüttern laſſen
will! Hätteſt du jemals Ehr- und Pflichtgefühl gekannt,
jo würdeft Du Dich vor allen Dingen bemüht haben, jelber
etwas zu leiſten, um deine Familie ernähren zu fünnen!
Als du aber die Millionen der Frau in der Taſche u
haben q laubtejt, da hatte der Neferendar weder Zeit — |
Luft mehr, das Wifefforeramen zu machen! Haha! Nun —
mußt du dich vielleicht jebt noch auf die Hoſen feber uid
e3 nachholen, denn das ſiehſt bu dod) wohl jelber ein,
Daf es nichts Verächtlicheres gibt, als fold) ein ۶
bummler, der nichts weiß, nichts fann und nichts ۳ —
Frau Melanie hatte in finnlofer Heftigfeit gejprochen,
einzig von dem Gefühl geleitet, ihrem fochenden Grimm
auf irgend eine Weiſe Luft zu machen, aber Wulff-Dietrich,
welcher halb ohnmächtig bor Entjeßen hinter der Thür
fauerte, konnte ihre Gemütsitimmung nicht beurteilen, er
hörte mir die Klaren, nadten Worte und jah die Wirfung,
welche fie auf den Vater ausübten. Zum exjtenmal im
Leben fehlte Graf Nüdiger die Entgegnung,
بات ام ما0 an allen Gliedern zitternd, lehnte er den
Kopf gegen das Gemäuer zurück und feine Rechte zer:
fnäulte den Unglüdsbrief, welcher bieje Scene ee
ichworen.
Der Ausdruck feines 8 — einen un—
auslöðſchlichen Eindruck auf die Seele des lauſchenden
— =
Er jah cë dem Vater an, daß er Hd auf bie Derbe
Anſchuldigung nicht rechtfertigen fonnte, bab Scham und
Demütigung ihm die Kehle zufchnürten, daß ihn diefer
Augenblick erniedrigte vor jener Frau und Hd felbit.
Dann aber zudte ein Blick durch feine Wimpern, Dab
das Herz des Kindes erbebte.
Er hob langjam den Kopf und wandte feiner Gemab-
lin langfam den Rüden, um unficher, wantend wie ein
Kranker, davon zu fehreiten. |
Frau Melanie jtürmte ihm nach und hielt ck Arm.
„Verzeih, Nüdiger! Ich habe dich beleidigt, ich war fo
— 128 —
heftig!“ rief ſie plötich ie ein Rind in 1-4
Schluchzen ausbrechend. „Ach, ich bin fo unglüdtich,
daß unfer Plan fehlgefchlagen ijt! Rüdiger, fag mir
um Gotteswillen, was fol nun werden?”
Warts ab!” entgegnete er rauh, vielleicht thue
ic) dir den Gefallen uh febe mic) wieder auf Die —
bank!“
AUnſinn! Dein Afiefforgehalt fönnte ung auch nicht
ernähren! Wir müffen etwas anderes ausdenfen, um zu
Geld zu ۳
Er ftieß ihren Arm rüdfichtzlos von HO: „Gut, dent
dir nur etwas aus, — ich bin ja ein zu fchlechter Diplo-
mat! Wenn ich nod) einmal einen ins Srrenhaus bringen
wollte, der leider nicht verritdt ift, möchte eë mir am
Ende abermals nicht glüden!”
Die Stimmen verlangen, nur das fchrille, weinerliche
Organ der Gräfin hallte noch et paarmal jurüd, dann
war 68 ftill in der Ruine wie zuvor.
Die eiferne Thür ſchlug zurüd und Wulff صا
taumelte Die jteinerne Stufe empor, —
Sein junges Gefiht war alchfahl, cà jah ان aus
wie das eines Mannes. ` ۱
Er ftand und ftrich mit zitternden Händen Die Haare
ans der Stirn, angitvoll wie ein Wend, welcher aus
Ihwerem Zraum erwacht, jtarrte er um fic) her.
Wie ein Schüttelfroft flog es durch feine Glieder,
mechanisch ſetzte er fich nieder und [dua die Hände vor
das Antlif. Die Eröffnungen biejer Stunde waren ent-
Nv. CiHftruth, Bu. Nom u. Nov, Der Majoratshery L 9
ae اف سک
jeglich, fo qualvoll überraichend, daß feine Seele fie faut
zu fajjen vermochte. Er war ert zehn Sabre. alt, aber
in Diefer Stunde fühlte er wie ein Slingling. Er empfand
die Schmach, welche es ift, wenn ein Mant nicht auf
eigenen Füßen fteht, jondern von fremdem Geld und.
fremden Willen abhängt. Und diefes Empfinden brannte
fic) ein in feine junge Seele und rütteite fie wach aus
den wohligen Behagen ſorgſamer Gleichgültigfeit. Wie
ein Woetterjturm war es ‚joeben. über fem Kinderhaupt
dahin gezogen, der riß mit graujamer Hand Die Schleier
entzivei, welche feine 7 perhitllt hatten. Gr jah es,‘
— jah es pliglich erfdjaudernd, was jeine Eltern beset O
hatten, als fie Den Majpratsherrn von Nieded für geiſtes⸗
franf erflären wollten, jaf, wie es hinter pen Eoulifjen
der Komödie ausjah, welche in Villa ) 748 der Welt
und Den eigenen Slindern vorgejpielt wurde. Wie ein
90111180111 entrang es fich Wulff Dietrichs Lippen. |
۱ Wie ein phyſiſcher Schmerz nagte eë an feinem Herzen.
Hätte er nur weinen können, um das Entjeget, welches
ibn padte, hinweg zu waſchen!
Aber jeine Augen waren troden und fieberdei, af,
renb Eiſeskälte durch feine Glieder kroch ۱
: Seine Eltern waren arm geworden, plößlich ul
Aber Das war das Sehlimmite nicht.
te Hatten nur ir Geld verloren, thr Sohn aber
verlor in dieſer Stunde noch taujendmal mehr, — Alles.
— verlor bag ks o ک0" 2 |
*
= ee
Auf Niedeck rechten die Flaggen pon Turm uud
Soller, Guirlanden ſchlangen Hd feitlih um die Säulen
und jchaufelten buntgemalte „Hurra” und „Willtommen‘
über ver Einfahrt. Graf Willibald fehrte in feiner Väter
Schloß zurück, er nahm von neuem Befit bot einem Erbe,
welches ihm liftige und verbrecherijche Ränke hatten ab⸗
ſtreiten wollen
sm offenen Wagen ſaß er ce fuhr. bi a unarmiss,
daß die Funken unter den Hufen der Noffe jprühten.
Es war merkwürdig Hill und leer auf den Straßen;
hte und da Itand eine (Walt hinter den Thüren, welche
Scheu zuritckhufchte, als die Equipage ۰ ۱
Ein paar Bürger, welche nicht rechtzeitig cinen Unters
ichlupf erreichen fonnten, zogen wie die begofjenen Budel
bez und wehmütig die Käpplein, und bemerften mit
Schreden, daß der finjtere Blick des 070 fie
itreifte alg wären fie Luft.
Ihr Gruß blieb unerwidert.
Su gedrüdter Stimmung jak man abends pt her Stadt
Hamburg“ zufammen und bejprach voll banger 0
das Fiasfo, welches man gemacht. Sie befanden fich
in mißlicher Lage, denn ihr Patronatsherr war aufs
tödlichite von ihnen gefränft und beleidigt worden, er war ےت
aus einem Freund zum Feind geworden, und anjtatt zu
gewinnen, Hatten fie bei dem 7 Hazard alles verloren!
سط begriffen fie eë felber nicht, wie fie Hd fo thöricht
hatten hereinlegen lafjen, wie He jo ohne Pernunft und
Überlegung hatten handeln —
s . ۱ —
— 132.
Aber e3 war zu fpät zum ändern, und alles Murren
und Hadern half nichts mehr.
Nun hieß e8, voller Refignation die Suppe auseffen,
welche fie fic) felber in ihrer Dummheit eingebrodt hatten,
denn dak Graf Willibald ihnen nun aus Made mand)
harten Broden zu jchluden geben würde, das erichien
ihnen ſelbſtverſtändlich Ihre Befürchtungen erfüllten fich
nur zu bald. Der erfte April ftand vor der Thür, und
Graf Niedeck benubte den Termin, der Stadt etliche
Hypothefer zu fiindigen, ٤ 0۴+ Vergünſtigungen
zu annullieren
Der Bürgermeifter ja blak und zu Tode erjchredt
vor diefen Schriftftüden, welche die höchſte Ungnade des
Grafen alg Stempel am Rande trugen.
w *
Wieder war es Abend geworden.
Das letzte Sonnenlicht zitterte um die Türme der alten
Burg. — Der Himmel leuchtete im Hintergrund jo klar
und wolfenlos, jo blendend im vollen Abendglanz, Daf
fic) das dunkle Gemäuer dagegen abhob mie ein klaſſiſches
Gemälde auf Goldgrund —
Graf Willibald ſaß in ſeinem bequemen Seſſel in dem
geliebten Fenſtereckchen und ſtarrte nachdenklich in die
Gotteswelt hinaus. Jetzt erſt, nachdem die nervenmordende
Gorge und Unruhe von ihm genommen, jetzt, wo er die
geliebte Heimat wie neu gefdjenft abermals in Beſitz qez
nommen, jegı erjt ward ihm bei ruhigem Überlegen die
— 133 —
ganze Größe de3 Unrechts flar, welches man ihm hatte
. anthun wollen, und dag erfüllte feine ٤ mit bitterem,
leidenfchaftlihem Nachedurft.
Seltjame Widerfprüche vereinigte fein Si in Diefer
Beziehung. Er war ein fronmer Mann, voll wahrhaft
findlichen Glauben8 und Gottvertrauens. Er hatte fil,
ohne je zu murren oder mit dem Höchiten zu hadern, in
das traurige Schickſal gefügt, welches er ihm bejchieden,
jebt aber, wo jeine Seele voll innigjten Danfes gegen
Gott war, bebherrjchte ihn dennoch ein ſchier unerfättlicher
Rachedurjt, und der leidenschaftliche Wunfch, feinen Feinden
mit gleicher Münze heimzuzablen.
Und diejes Sinnen und Trachten vereinigte er ohne ے
Sfrupel mit feinem Kinderglauben. Er jagte fih, Dah
Gott die irdifde Juftiz gefchaffen und bewilligt hat, um
das Böſe zu Strafen. Wollte man alles dem lieben Gott
alg Racer der Echandthaten überlaffen, fo brauchte es
feine Hohe Obrigkeit zu geben, — und in Diejem alle
würde der Heiland uns nicht ermahnt haben, bent König
und jenem Geſetz unterthan zu fein.
In diefem Falle num erachtete fic) Graf Willibald
selber als Richter, welcher berechtigt ijt, Juſtiz zu üben
und gejchehene Frevel zu ftrafen. Hatten doch die Grafen
von Miedeck jeit grauen Zeiten die eigene Gericht3barfeit
ausgeübt. Die Zeiten hatten ſich geändert.
Er konnte die Bürger von Angerwies und den Vetter
Rüdiger nicht mehr unter die Nechtslinde laden, den Stab
über fie zu brechen, aber er hatte dafür andere Mittel
س 134 —
in der Hand, ihre Untreue empfindlich zu ftrafen, und
diefer Mittel wollte er Hd) bedienen. —
Wenn man Graf Willibald verrücdt nannte, fo that
man ihm bitter Unrecht, aber als einen Sonderling eigner
Art fonnte man ihm fier bezeichnen, denn das war er
in der That.
Die langen Jahre welter Abgeſchloſſenheit hatten
wunderliche Charakterjchrullen in ihm reifen fajjen, welche
jchließlich ۴ Wejen beherrichten. x
Sie waren nicht bösartig — aber jeltfam ) r Die <
ſeltſamſte von allen Warotten, welche er je gezeitigt, war
wohl der Plan, wie er {ih am bitterjten an feinem Tod»
feinde Nidiger rächen könnte.
Tage⸗ und wochenlang hatte er gejejjen und über bien 7
` Blan gegrübelt, bis jene Augen jchließlih voll Triumph
aufleuchteten und feine Lippen glücjelig murmelten: „Sa, ۱
fo ift eS gut! — fo muß es gehen! und id) Dente, wenn
alle Vorbedingungen n, führe ih men +11
auch durch — “`
Sem 610801 in der Nefidenz hatte ihm, über:
rafchendermeije, recht gut geiallen. Das Neifen hatte
ihm Spaß gemacht, und der Anblid des luſtigen Stadt:
getriebes weckte eine heiße Sehnſucht in ihm, der ver-
ihmähten Welt doch wieder ein wenig näher zu treten.
Er fchritt vor den Spiegel und jah ſich prüfend an.
Er war nod) nicht zu alt und and) garnicht fo entjeglich
häßlich, um nicht nod) heiraten zu fünnen! Und heiraten
wollte er und mußte er, Denn jujt darin beftand der erſte
JOD
Zeil feiner Nache, daß er Better Nüdiger jeden Anſpruch
an das Majorat ein für allemal entzog. Ja, er wollte.
heiraten.
Aber eine Tochter des Landes mit he Ahnen
mußte die Zufünftige fein, denn ohne Ddiefe hätte die.
Ehe feinen Zweck gehabt.
Ein majoratsberechtigter Sohn, mie ihn die itrengen
Erbſchaftsſatzungen vorjchrieben, mußte ihm geboren ۲۶
den, Denn nur ein folder machte Wulff: Dietrich ae dem
lteren, die Erbichaft ſtreitig —
Eine Frau mit ٤7 Ahnen, die Tochter eines
ہسہ""" Gejchlechts! Das war eine jchwierige,
üble Cache!
Gray Willibald ward bleich vor Schreck bei dem Ge-
danfen, daß an einer jolchen Gattin fein ganzer 7٤
Blan jcheitern fonne!
Voll ficbernder Ungeduld jtürnte er in die Bibliothet
und holte den Adelsfalender.
Er las und las — und zählte und rechnete — und
fand doch nur die eine, ihm Schon von früher ber befannte
Thatjache beftätigt, daß e3 nur drei Damen in dem kleinen
Herzogtum gab, welche die nötige Ahnenzahl aufweisen
fonnten. Die eine war Etiftsoberin zu Schlierftein, eine
Jungfrau von einigen fiebzig Jahren, welche auf Kinder:
jegen nicht mehr rechnen fonnte, bie ziveite, — eine bier:
unddreikigjährige Johanna von Nördlingen-Gummersbad)
— hatte einft die Hüfte gebrochen und war jahrelang im
Rollſtuhl gefahren, — ob fie wieder gehen kann, ahnt
— 136 —
er nicht — und die dritte, — Sohannas Eleine Nichte,
Pia von Nördlingen, zählte erjt vier Lenze, war aljo
wieder viel zu jung für den alternden Erbherrn von
Nieded.
Willibald fraute fih voll höchſter Beftürzung den
Kopf, — dann fete er ſich langjam auf feinen Sefjel
nieder und überlegte den jo äußerſt jchwierigen Fall.
300011118 ! ja, Johanna war der Strohhalm, an welchen
fi) all feine Hoffnungen flammerten! Auch eine Frau
mit gebrochener Hüfte fann Mutter eines Sohnes werden!
Auf jeden Fall war fie die einzige, welche in Betracht
fam. Ob jo — oder fo, — heiratete er fie, war dod
immer die Möglichkeit vorhanden, während er al Sung:
gejelle feinerlei Chancen für die Erfüllung feines 8
hatte. — Sa, er mußte heiraten! Diefe Notwendigkeit
hatte ihn fein Feind gelehrt, — nun ward fie Pflicht. —
Sollte er an Johanna fchreiben? — Nein, er will
perfinlid) zu ihr gehen und um fie werben!
Abermals wurden die Koffer gepadt.
ur
š
3
— end —w
VIL
Lavendel, الا 0٢۶ und Iymian, bie blühen in bem Garten,
Wie lange bleibt ber FreierSmann, ih fann es nicht erwarten!
۴ ۰
NN 13 Graf Willibald allein in dem Coupé erfter
2 , Klaffe ſaß und Station um Station vorüber:
flog, ihm jedesmal von neuem fündend, Daf
er fi der Reſidenz in Sturmeseile nähere, ات" ihn
pliglich wieder das Gefühl tödlichſter Beklommenheit
und Angft, welches ihm ftets die Kchle zugeichnürt hatte,
wenn er an den entjeßlichen Moment eines Heiratsan—
trages dachte! ۱ |
Er ftarrte bleid) und verftört auf feine nagelneuen
Glacéhandfejuhe nieder und jen Atem ging fo fchwer,
bab er einem Stöhnen gli.
Dennoch war diesmal der Grund feiner bangen Er:
regung ein völlig anderer wie ehedem.
Wenn er fic) früher in die Situation eines Freiers
verjeßte, jo überfam ihn das Entjehen bei dem Gedanten:
Was follft du bei deiner tölpelhaften Verlegenheit jagen?
—
Was ſollſt du anfangen, wenn fie „a“ jagt und dir an
Die Bruft ſinkt? Wie jollft du dich im Verkehr mit
einer Dame überhaupt benehmen, mit einer Dame, die
dann deine Braut ijt, die Zärtlichfeiten, Xiebesworte und
zarte Aufmerkſamkeiten verlangt?
Dieje Borjtellung Hatte ihm ftet3 den Angitichweiß
auf die Stirn getrieben und weil er fich fo ſehr vor
dem “ہزرر der fünftigen Braut fiirdjtete, hatte er es nie
über fich vermocht, Dic verhängnispolle Frage an fie zu richten.
Heute lagen die Dinge völlig anders.
Das Blatt hatte fich gewendet.
Diesmal zitterte Graf Willibald vor der Möglichkeit,
ein „nein” al Antwort zu erhalten.
Mit dem Fanatismus des Hafjes hatte er {i in den
Gedanken verbiffen, Rache an jeinen Feinden zu nehmen,
und Die Leidenfchaft hatte feine Energie gejtählt und fein
Selbitbewußtjein wachgerüttelt. ۱
Er fiirdjtete fid) nicht mehr vor dem Heiratsantrag,
bor dem Verfehr mit der Braut, er wußte genau, was
er jagen wollte — aber er bebte vor einem Nichterfolg,
— er verfam in 76٤6 und Angſt, daß Johanna ihm
einen Korb geben fünntel — `
Nur das nicht! — Alles andere foll fie ihm anthun,
ifn mit Launen und Grillen quälen, ihn tyrannilieren,
verjpotten und ärgern — nur nicht abweifen! nur nicht
feinen Antrag ausichlagen!
Und ijt überhaupt eine Möglichkeit, daß fie ihn er-
hort? —
— 140 —
Graf Willibald brüdt die Hände gegen die Cchläfen
und chliegt wie ein Schwindelnder die Augen. Sohanna .
ift jahrelang leidend geweſen, das Hat fie vielleicht mens:
ichenfeindlich und verbittert gemacht, — hat fie weltlichen
Intereſſen entfremdet. — Wie oft hört man nicht von
franfen Mädchen, welche mit allem Srdifchen abjchließen,
um treue, entjagungsvolle Braute des Himmels zu
werden! — ۱
Und wäre Johanna auch feine freiwillige Nonne qez
worden, — je nun, fo hat fie dod) ficher von dem greu:
lichen Prozeß gehört, welchen Vetter Rüdiger gegen ihn,
den angeblich Berriidten, angeftrengt! — ۱
Welch ein Mädchen aber Dat Mut und Selbftver-
leugnung genug, einen Mann zu wählen, welcher im Auf
eines Beiftesfranfen jteht, über welchen man fo viel ge
laftert und gehöhnt hat, wie über den Majoratsherrn
von Nieded? Und außerdem . . . wird Johanna e3 über
fid) gewinnen, ihn, den häßlichen, unanjehnlichen Mann
zu freien? — x
Ein Fröfteln geht durch die Geftalt des Denfenden,
Graft Willibald erhebt {ih und tritt jahlings vor den
fleinen Spiegel, welcher über dem roten Sigpolfter an
der Wand angebracht ift. Er ftarrt {ih an, وله müßte
er fein eigener Nichter fein. x s
Gott im Himmel, wie Halid ift er! Mod) nie im
Leben iff eS thm fo aufgefallen wie heute. Aber Graf
Willibald vergißt, daß er in Ddiefem Augenblid in ein
Geſicht blickt, welches Angjt und Aufregung verzerrt haben!
— 141 —
Seine fonft fo freundlichen, fehwermütigen, milden
Augen bliden jet ftarr und auzdrudslos, — fie treten -
weit hervor und geben dem 6:717 Geficht einen
jremden, erjchredenden Ausdrud.
Der Einfiedler von Nieded fintt üchzend mieder zurüd
und jtüßt den dicen Kopf auf die Hände „Nein, — fie
nimmt mich nicht! — fie nimmt mic) nicht!” — ftöhnte
er auf, und bie Verzweiflung überfommt ihn und jliijtert
ihm zu ,fehr um, du Narr! und blamiere did) nicht
erit!” —
Soll er wirflich umfehren? — Soll er's? — Nein!
taujendmal nein! — Dazu ijt auch fpdter noch Zeit,
wenn alles verloren ift! — Nüdiger fol nicht trium-
phieren, er haßt ihn! D, wie er dieſen Menjchen haft, fo
hat wohl noc) fein anderer einen anderen verabfcheut!
Er will Hd) rächen an ihm — um jeden Preis! Und
ift er auch häßlich und von der Welt verhöhnt, es gibt
ja doch vielleicht noch ein Mädchenherz, welches fich
jeiner erbarınt — gerade Die Rranfe, welche weiß, wie
bitter Das Verlaſſenſein ift, gerade fie, die ebenjo einjam
Ut wie er, fühlt Mitleid mit ifm! —
D, wenn fie e3 thate! Wie wollte er ihr dieſes Opfer
fohnen! Willibalds Augen leuchteten auf in ſchwärme—
rifchem Entzüden. Wie eine Göttin wollte er fie anbeten,
wie ein Sklave ihr dienen, fie überjchütten mit Liebe —
Gold und Schäßen! —
Der Zug faufte an großen Güterjchuppen und langen
Reihen rangierender Wagen vorüber, hohe Häuſer rechts
— 142 سب
und linfg, — ein Pfiff — langanhaltendes Schrillen
ber 6 man mae in Den =e Der Hele
Deng ein. ۱ ۱
Der 90 0+ ſchrickt وا Alles Blut
drängt nad) feinem Herzen. Moc) einmal überfommt
ihn eine lähmende, entjegliche Angft. — Coll er unt
fehren ?! —
Mechanifch greift er nach feiner Eleinen Handtaſche,
und ftarrt, ohne zu erfennen, in das Gewühl der a
hofshallen hinaus.
Die Coupethür wird aufgeriffen, Kuhnert fteht mit
freudigem Geficht auf dem Perron, ſchwingt Hd, empor
und ergreift Das Handgepäd {eines Herrn.
pour Stelle, Herr Graf!” — meldet er heiter, „nun
Glick auf!” — Verdutzt blidt ihn Willibald an. Ahnt
der Alte etwa — —? — Nein, unmöglid. Sein Plan
liegt als Geheimnis tief in feiner Bruft eingejargt. و
denklich fieht er den Getrenen an.
„Barum bift du fo vergnügt, Rubnert 2” fragt er.
Der Getreue lächelt verſchmitzt: „Diefe Meije bringt
uns Glick, Cw. Gnaden, die alte Lene hat mir 80
Die Karten gelegt.” ۱
Der Majoratsherr wird ountelrot. Mit een |
Ruck richtet er fic) empor. ae
„Anlinn! — haben denn Lenes Karten ۲ afters
Die Wahrheit gejagt?” —
Immer, Herr Graf; — man kann darauf 00+
Wo befehlen Cw. Gnaden hin?“ —
2143 —
„Wieder nach Britifh Hotel!” — nidt Willibald Bods
aufatmend. — „Vorwärts!” —
š : 3
*
Die Altitadt der mitteldeutichen Reſidenz beitand nicht
aus engen, hohen, verräucherten Straßen, jondern aus
jener Specie? von kleinſtädtiſchen Gaſſen, welche durch
vornehme Altmodiſchkeit auffallen.
Langgeſtreckte, einfach gehaltene Häuſer mit — gleich⸗
mäßigen Fenſterreihen, breiter Thorfahrt vor fteinernen
Treitreppen, erzählten dem Beſchauer, Daf hier feit vielen
Hundert Jahren der alte Landadel feine Heimftätte qez
gründet hatte. Noch prangten hie und da die Wappen über
den wunderlich geſchnitzten und verjchnörfelten alten Thüren,
‚ein Garten drängte ſich, durch hohe Mauern abgejchloffen,
zwifchen bie Häuferreihen und über manchen Thorbogen
nickten dunkle Lindenwipfel oder knorrige Afazien, welche
noch von Seiten erzählten, da die alten gräflichen Gala-
futichen mit den feierlich gepußten Lafaien über das holp-
rige Pilafter jchwanften, die gräfliche oder freiherrliche
Familie zu Feften und gen in das zu ihres
Herzogs zu bringen. —
Andere Zeiten waren gefommen und Balte gar n mans
ches in den herrichaftlichen Straßen der Heinen 02
geändert. Mand ſchöner Garten, welcher ehemals der
Stolz und friedliche Erholungsplaß der Großeltern ges
wejen, war dem praftijchen — — der Enkel zum
Opfer gefallen. —
— .144 ہے
Da, wo ehemals die blühenden Wipfel über die Mauer
nidten, erhoben fic) nun neue, vielftödige Gebäude, welche
wunderlich abitachen gegen thre niederen altehrwürdigen
Nachbarn! Hier und dort war auch einer der herrichaft-
lichen Beſitze verfauft, und jeine großen, niederen faal-
artigen Zimmer waren in Magazine und Geſchäſtsräume
umgewandelt, und da, wo ehemals die Krone über dem
Wappen geprangt, leuchteten jest Die buntgemalten Firmen
fchilder und die ۰ | |
Sp waren bie alten Gaffen ein eigenartiges Gemifch
von „ehemals und jest” geworden, ohne doch im großen
ganzen ihren eigenartigen, ruhigen und altmodifden
Charakter zu verlieren. In einem der grauen Gebäude
wohnte auch jebt nod) der Freiherr von Nördlingen —
Gummersbad, jo wie es Vater Hno Borviiter bor ihm Ç
auch gethan hatten.
Außer dem alten Haufe war fein — Erbe auf
den jungen Offizier überkommen, als feine Eltern geitorben
waren und ihn und feine Schweſter Johanna in be
jcheidenften Vermögensverhältniffen zurüdließen, —
Die Geſchwiſter wohnten nach wie vor in dem Vater:
hauje, deſſen unteren Stock jie günſtig an eine vermwitwete
Hofmarjchallin vermietet hatten. Hans Georg ftand als
Dffizier in dem Leibgrenadier-Regiment feines Herzogs,
und alg er Hauptmann geworden war, vermablte er fich
mit der Tochter des Staatsminifters, welche außer ihrem
vornehmen Namen auch nicht mehr wie die Kaution mit
in die Ehe brachte.
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ruth, Si. Rom. tk. Nov, Der Ma
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Nv. (£ j
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Die Eltern aber unterſtützten durd) gute Zulage, eine
alte Bathentante that desgleichen, und fo lebte das junge
Baar in forglojen und glüdlichen, wenn aud) nicht glan-
zenden Berhältnijjen. Sohanna fah man offiziell als
die dereinftige Gemahlin des Majoratsherrn von ۸
an, denn eë war befannt, daß fie wohl Die einzigite
paffende Partie für ihn jet, in einer Beit, wo ein ganz
wunderbarer Mangel an jungen Damen von tadellofer
Ahnenreihe war. Sn
Nie hatte ein Nieded eine derart frappe Auswahl
an pafjenden Partien gehabt, und Darum rechnete
Die Familie Nördlingen mit Beitimmtheit auf den reichen
Freier.
Aber das Schickſal zog durch all die glänzenden Pläne
einen jähen, grauſamen Strid. Bei einer Wagenfahrt
über Land verunglüdte die junge Dame jo jdwer, daß
fie die Hüfte brad) und jahrelang als Watientin das
Bimmer hüten mußte. ۱
Der Freiersmann blieb jelbitverjtändlih aus. Die
Beit flog mit grauen, tragen Schwingen dahin, und der
Einfiedler auf Niedeck verlor fic) in feine Cinjamfeit,
— jo fern und tief, Daß faum noch eine Kunde von ihm
in Die Nefidenz drang, ¢3 fei höchſtens das Gerücht
feiner Wunderlichfeit und Unzurechnungsfähigfeit, welche
jede Heirat ausjchloß und den ältejten Sohn des Grafen
Riidiger, den Heinen Wulff-Dietrih zum fünftigen Erben
machte. :
Der Che Hans-Georgs war währenddeſſen ein
— 147 لت
Zöchterchen entfproffen, welches Pia getauft und fcherzen-
der Weile jchon in der Wiege mit Wulff-Dietrich ۶
verlobt ward. |
Graf Rüdiger war ein vorfichtiger Mann und ficherte
fid) baie „Braut mit den jechzehn Ahnen‘ rechtzeitig für
den Sohn, denn unbegreiflicherweife jchien auch für die
Zufunft wenig Aussicht, daß die alten Stammbäume
liebliche Blüten für die Niededs erjpriegen ließen. Bei
Pias Taufe hatte man das Heine Pärchen miteinander
„veriprochen”‘ — ein preter wie Graf Miedeck hatte nicht
leicht in der armen Dffiziersfamilie einen Korb zu be:
- fürchten! — und der leutjelige und jehr animierte Vater
Rüdiger hing dem zufünftigen Schwiegertüchterchen eigen-
händig ein bligendes Brillantmedaillon um, auf deffen
Rückſeite der ſcherzhafte Vers eingraviert war. —
„Du Rind mit goldenen Härchen,
Wart’ nod achtzehn Bahrdjen,
Dann fommt mein Sohn Wulff-Dieterid)
“Und macht zu feiner Gräfin 7
Das Kind Pia wuchs in holder, eigenartiger Schön:
heit heran, gepflegt und gehegt, geliebt und verhätjchelt von
allen, am meijten aber von Tante Johanna, der armen
Kranken, welche fein größeres Vergnügen fannte, als den
Beſuch ihres Heimen Lieblings in ihrem einjamen Stüb-
chen. Gar oft prebte fie Die Augen auf das lichte Gold-
haar de3 Nichtchens und nebte eë mit Thränen, jab fie
boc) in der Kleinen die Verwirklichung all ihrer eigenen
vA | en : 10*
Zeig نت
Traume, die Erfüllung alles belen, was fie mit bluten-
dem Herzen al’ Traum zu Grabe gelegt. ۱
. G8 war ein fonniger, leuchtender Junitag! $o ۔
— hatte bie Fenſter ihres Zimmerchens weit geöffnet
und jak, einen blühenden Fliederſtrauß, wohl den legten
diefes Jahres, auf dem Schoß, in dem altmodijchen Lehn⸗
را um fehnjuchtsvoll zu dem blauen Himmel empor
zu blicken. Sie fam foeben von einer Kleinen Promenade
heim, — das Gehen ftrengte fie immer noc) an und
machte eë thr Og die ferner gelegenen Barfanlagen
zu erreichen.
Ein Spaziergang in den jchattenlofen, engen Waffen
war jedoch faum eine Erquicung, und jo janf die Baz
roneß mit fdjmerglichem Aufſeufzen in den Sejjel nieder
und ſchloß erichöpft die Augen. Thränen rannen über
Die bleichen, zarten Wangen, welche fic) noch jo voll und
fieblich rundeten als fet ihre Beligerin nicht ein Mädchen
von fünfunddreißig Jahren, jondern ein 000
welches joeben ins Leben eintritt, ..
Die tiefe Ruhe und Abgeichlofjenheit 8 دوجس
Liegens und 8 hatten: Antlig und Figur rund und
voll geftaltet, und wenn auch die Frifche und rofige Farbe
'chlte, jah Sohanna dennoch überrafchend jung aus.
Der feine Leidenszug zwiſchen den dunklen Augenbrauen
gab bem milden, unbejchreiblich herzensguten und freund-
lichen Geficht der Kranken einen ganz befonderen Reiz, und
wen ihre braunen, jammetigen Augen — „Aurifelaugen“
nannte fie ehemals ihr Vater — anfchauten, dem ward e3
AG
gar wohl zu Sinn und er fühlte warme 501007 für
das arme 0 6 Wadden.
Mach Ausfagen der Ärzte war die Hüfte sehr tang: :
fam und ſchwierig, aber doch endlich ganz normal und
zur Bufriedenheit geheilt.
Eine gewiffe Steifheit war aber 7 ۵۷0ر (211
Die Figur war ein wenig jchräg geworden und der Gang
behielt ein leichtes Hinten bei. Johanna empfand 6
Gebrechen ‚tief und ſchmerzlich und zog Hd um ihretwillen
vollſtaͤndig von allem Verkehr zurüd. Was ſollte fie,
Die mittelloje, verunftaltete alte Sungfer zwiſchen frohen, —
lebensluftiqen Menfchen? x
Das Geld, welches Toilette und Geſellſchaft gefojter
haben würden, jparte Johanna und ginnte Hd, dafür im
Sommer allwöchentlih eine Spazierfahrt in die freie,
herrliche Gottesnatur, welche fie jo über alles liebte, und
von welcher fie bie grauen Stabtmauern jo unbarmberzig
trennten!
Auch heute empfand fie ein heißes, jehnfüchtiges Bers
langen nad) Wald und Feld, welche fie geftern mit wahrer
Begeifterung gejchaut hatte, — aber ¢3 war unmöglich,
daß fie heute jchon wieder einen teuern Wagen bezahlen
fonnte, darum faltete fie Die Hände rejigniert um ihre
geliebten Fliederzweige und blidte zu dem Himmel empor,
al Bege fie nur nod) einen einzigen Wunſch, bald die A
ichmerzgelöjten Glieder droben in dem 7 eich
des Lichtes und des Friedens zu baden! Das Leben war
jo namenlos traurig und arm für fiel —
— 150 —
Seit ihr Liebling und einziger Troft, die fleine Pia,
das Haus verlaffen hatte, war aller Sonnenjchein mit
ihr ۰ءء
Bittere, blutige Thränen hatte das einjame, ۶۴
Mädchen geweint, als fie Abſchied von ihrem Hergblatt
nehmen mußte. — Hans-Georg aber machte ihr flar, Daf
e8 ein großes Olid für das Kind fet, in dem Haus der
reichen, vornehmen Berwandten in aris erzogen zu
werden! Wie fonnte fic) beffere Gelegenheit für Pia
bieten, der frangofijdjen Sprache vollfommen 09 gu
werden?
Und Spradfenntniffe find für ein anbemitieltes
Mädchen von hohem Wert.
Das Schidjal Johannas hatte es bewiefen, daß über
Nacht alle Pläne und Hoffnungen auf eine Heirat ۶
nichtet werden fünnen. |
Das jah Gohanna nur allzu qut ein, auch wußte fie,
daß Pia im Haufe des Legationsrates aufs bejte und
gewiſſenhafteſte aufgehoben jet und fie bekämpfte helden-
muütig ihren Schmerz, und gab aud) das [este Olid,
welches ihr geblieben, felbitlos dahin. — ۱
Shr Leben aber ward öd und troftlos; ihre beiden
wilden, Kleinen Neffen fanden feinen Geſchmack an der
Rranfenjtube und den liebevollen Feen- und Engel:
geichichten Der Tante. Sie hielten fic) fern, — ebenjo
fern wie ihre Mutter, welche, jung und lebensluftig, den
ganzen Tag über viel zu fehr bejchäftigt war, um
eine wnintereijante. alte Sungfer unterhalten zu fönnen.
al >
Der Bruder war zumeiſt im Dienft — er fprach nur felten
einmal bei ihr bor, wenn er Bücher, Blumen oder ۳
eine Heine Aufmerkſamkeit für fie hatte. —
Sohanna nahm es micht übel, fie wußte, daß man
in Diejer fchnelllebigen Zeit nicht viel Muße hatte, in ein
Erderjtübchen empor zu jteigen und vergilbte Jungfern—
weisheit zu hören; aber fie empfand ihre Einſamkeit
dennoch jehr jehmerzlich, und hauptſächlich darum, weil
ihr jeder Naturgenuß in derjelben verfagt war. Sa, hätte
fie jeden Tag nur eine Stunde lang hinaus in die fchöne
Gotteswelt gekonnt, — fie würde alles andere darum
vergefjen haben! Ob im Somenſchein, Sturm, Negen
oder Schnee, — die Natur hatte ftet3 einen magijchen
Reig für fie, und ihre tief empfindende Geele laujchte
gerade dem Wechſel und Wandel in Wald und Feld die
zauberhafte Schönheit ab.
Wie oft aB fie nicht abends und malte fich liebe Bilder
aus, wie fie e3 wohl haben mote! —
Reifen! — ja ſtill im Wagen figen und alle Herrlich;
feiten ſchauen, — am ſchönſten Fledchen und 1
ausjteigen und langjam, jo langjam wie es ihr Gebrechen
bedingte, dahin wandeln in trunfenem Entzüden! —
Neifen, wie fonnte fie an Reifen denfen! Ach, #3
hätte ja and) jchon längſt genügt, wenn fie draußen im
Walde hätte wohnen können, fein Leben und Wehen nom
Fenſter aus ۶ ſchauen fönnen, raufchende Wipfel,
Vogelgezwitſcher, friedlich ۶٤ (0 — ad, weld
ein anderer Anblick, al3 diefe hohen, verraucherten Mauern,
سے 152 —
über welche fern herein ein paar ftaubige Zaubfronen
bliden! Und wenn Johanna Herz fd) wund und weh
nach folch ftillem Glück jehnte — dann preßte fie wohl
Die Hände gegen die Bruft und feufzte tief auf: „Ach, bab
eine Menfchenfecle fic) meiner erbarmte und mir die Sterfer:
thüren öffnen wollte! Auf den Stuten würde iS e3 danken,
mein Leben lang!” —
Der Herr hört dag Gebet der Berlaffenen.
Wie geheimnisvoll der lieder heute Duftet, wie Die
fleine Schwalbe mit hellem Gubelfdret an Dem Fenſter
vorüberichießt, als wolle fie fagen: So fchnell wie i
fliegt auch das Gli! Es trägt goldene Schwingen und
fällt unvermutet vom Himmel herab! Auch das fernfte,
verſteckteſte Stübchen findet es auf und huſcht durch bie
engite Sube herein! — Seine Zeit muß nur fommen!
Es wartet ebenjo auf den Frühling wie ih! — Wenn des
Winters Not und Qual fiegreich überwunden, fommt jedes:
mal der Len} mit den Schwalben und dem Gli! — سے —
An der Thür klopft eS, die ehemalige Ridin der
verftorbenen Eltern, welche bei ,unjerem armen franten
> Binde” — treulich — wenn auch etwas tyrannifch Haus
hält, tritt ein.
Sie hält eine Bifitenfarte it der Hand, und fcheint
iprachlos vor Überrafchung.
„Bnä Frölen Hanning” — jagt He und ſtreicht Bods
atmend mit dem Handriicen über die Stimm: ,nuendlid) 17
kümmt hei!“ — Verjtändnislos blidt die Baronejje fie
an und ftredt die weiße, gierlide Hand nad) der Karte ۱۱. ۱
— 154 —
aus. Einen ſchnellen Blick darauf, und dann ſchießen
dunkle Blutwellen in ihr Antlitz, wie ſchwindelnder Schreck
überkommt es ſie, und doch zuckt iht Herz auf wie in
jäher Ahnung großen, unendlichen Glüdes.
Einen Augenblick kämpft fie an gegen die Überrafchung,
welche fie vollftändig verwirrt, dann fchilt fie fic) in ۶
banten felber eine Thörin, und blidt mit dem V rubigen,
etwas wehmütigem Ladeln auf.
Ich 1۵116 den Herrn Grafen bitten, einzutreten! Er
wird fic) gewiß nach feiner künftigen Kleinen Nichte ers
fundigen wollen!” — Die Alte fieht bei diefen Worten
etwas enttäufcht aus, wendet fic) kopfſchüttelnd ab und
verſchwindet hinter ber Thür, — Johanna aber preßt die
and gegen das Herz-und erhebt fi, — mit 0ئ
Knien {teht fie neben dem 1,
` Die fchmale, grüne Wollportiere regt fi abermalg,
Graf Willibald fchreitet über die Schwelle.
Die Erregung hat aud) fein ٤ gerötet, er bleibt: =.
ein wenig unbeholfen an der Thür ftehen und verneigt ih.
Da fieht er, wie die Heine, rundlide Mädchengeftalt
ihin entgegen tritt und die Hand zum Gruß reicht!
Sie fit nicht mehr im Fahrftuhl? Sie geht fogar
ganz allein ohne 26٤04٤ und 7۶
Diefe freudige Überrajchung malt fic in unverhohlenem
Entzüden auf feinem WAntlig und verjchönt es 2 den
Ausdrud reiner, ehrlicher Freude.
„Baroneß, Sie gehen? Cie lönnen wieder ganz allein
gehen? Sie find wieder geſund?“ poltert er anjtatt jeder
— 685 ہے
Begrüßung heraus, aber ¢3 flingt ein folder Gubel durch
jeine Stimme, eine fo aufrichtige, wahre Freude, Daf
Sohannas Herz in dankbarftem Empfinden hod) aufwallt.
So viel Teilnahme an ihrer Genejung hat ihr noch)
niemand erzeigt.
„sa, Herr Graf — Gott fei Dank geht e8 mir Des
deutend beffer, wenngleich ich nod) immer hinke und wohl
auch zeitlebens an dieſem Gebrechen tragen ۳
Er drüdt jtürmijch, aufgeregt ihre weiche, Heine Hand:
„Od, das it ja gang unbedeutend — da ift ja ganz neben:
jählih! Weld ein Glick, daß Sie jo friſch und wohl
find! Habe eS mir gar nicht träumen laffen, Baronef
— . fonjt ... ja —ſonſt wäre ich wohl 109011 eher
۱ qefonune l” —
Sie erglüht abermals und bittet mit 1م Hands
bewegung Blak zu nehmen.
„Es ijt eine rechte Überrafchung, Cie einmal ھ8
in der Nefidenz zu fehen, Herr Graf!” lächelte fie fo
unbefangen wie möglih: „Wie lange Sabre haben Sie
fic) nicht mehr bliden laffen!” —
Er fieht fie ehrlich an: „Was jollte ich bier, Sräulein
Sohanna? 616 wiffen eë wohl jelber, wie man mir hier
begegnet ift. Die traurigen Erfahrungen haben mid) —
menjchenfcheu und munderlich gemacht, die Welt gab mir
fein Oli, darum bin ich in die Einſamkeit geflüchtet,
wohin ſolch ein ungejdladter, häßlicher Gejelle wie ich
einzig bingehört!! — Wie in flehender Angft hing fein
Blick an ihren Lippen, Fohanna aber fhüttelte voll milden
— ول
Ernftes bas Haupt und antwortete: „Wie können Sie fo —
etwas jagen, Herr Grafl 0ھ und Häplichfeit find
Geihmadjahe!” —
„Und wie urteilt Shr Gefchmad, 67 fragt er
leife, wie ein bittendes ۰
Sie Ichaute ihm — abermals errötend — in Die Augen.
Ich finde felbft das ſchönſte Antlitz häßlich, wenn e3
den Ausdruck gemeiner, unlauterer und fündhafter Ems
pfindungen und Begierden trägt, und ich nenne das وق
lichſte Geficht ſchöͤn — wenn fich in jenen Augen eine —
Seele fpiegelt, wenn Güte, Treue, Wahrheit ihm ihren |
Stempel aufgeprägt haben!” —
Der Klang ihrer Stimme fagte mehr nod) wie ibe
Worte, wie in einem Taumel des Entzüdens fapte 12
bald ihre Hand und gog fie mit einer Kühnheit, welche
er jelber nicht begriff, an die Lippen. |
„Denn die Wahrheit jchön macht, Sohauna — fo laffen
Sie mich auch durch fie {hon werden!“ rief er ungeftüm:
„nenn wahr jein möchte ich in Diejer Stunde mehr denn
je! Lafjen Sie uns jet nicht von gleichguitigen Dingen
reden, Denn Das würde eine Züge jein angeſichts ۲
tiefinnerjten Empfindungen. Sie wiſſen warum ich hierher
fomme, Johanna, — Cte ۱۵۱۱۱6۲ eë jo aut wie ıh! Da
ift nur ein Wunſch und Gedanke, welcher mich beichäftigt,
und Miles, was eine Enticheidung aufhält, qualt und
beunruhigt iid! Ich fann nicht über Wetter, Menſchen
und Theater mit Ihnen ſprechen, wenn mein Herz ganz
andere Linge denft! — Warum wenden Ere fic) ab?
— 187 سیم
— Erfchredt Sie diefe fchnelle, ehrliche Wahrheit nun
bod)? — Habe ich e3 alld angefangen? © dann vers
geben Sie mir! Haben Sie Nadhficht mit einem Mann,
welcher der Welt fo fremd geworden iſt — Ich meine
es ja gut, Johanna — jo von Herzen gut!” — —
Er hatte ihre Hand ergriffen und drüdte fie wie be
ſchwörend zwiſchen den feinen.
Whermals begegneten fich ihre Blice, und in beider
Augen lag derjelbe Ausdrud, eine feliqg bange Scheu,
eine Beicheidenheit und PVerzagtheit an das Glück zu
glauben! — ۱
Johannas Wangen färbten fic) immer höher, wie
eine glühende, blühende Roje lächelte ihn ihr Antlitz an,
und Die engelhafte Güte und Demut, welche Hd) darin
ausſprachen, ließen Ten Herz wie in trunfenem 7
aufjauchzen. Er preßte ihre Hand an feine Lippen.
„Sie fennen mich noch nicht, Johanna — und alles
was Sie wohl von mir hörten, war nicht dazu angethan
mir 838 Herz zu gewinnen! Sd) weiß, welch eine Bers
mejjenheit e3 von mir it, Hier vor Ihnen zu ftehen und
unter foldjen Umftänden um Ihre Hand zu werben! 7>
bei Gott, Johanna, Sie follen eë nie bereuen, mein Weib
geworden zu fein! — Mich felber und meinen äußeren
Menichen fann ich ja leider nicht ändern, den müſſen 0
nachfichtig mit in den Kauf nehmen, aber mein Leben —
mein Handeln — Denfen — Fühlen — das fteht in meiner
Gewalt, und das will ich Ihnen in innigfter, treufter Liche
zu eigen geben — das fol Sie gliidlid) machen!” —
سی :198 —
Er hatte ſchnell, Leidenfchaftlich erregt gefprrchen, er
ſtaunte nicht über feine Kühnheit und wunderte Hd nicht,
woher er all die Worte nahm — fie flofjen ihm unge-
fuht aus dem tiefiten Herzen heraus — und darum
gingen fie aud) zu Herzen. Große, leuchtende 2011
glänzten in Johannas Augen.
Wie find Sie jo gut zu mir, ber Ginjamen, Rranten,
die auf der Welt fein Glück mehr erhoffte! Aber ich fürchte,
Graf Nieded, Sie überfhägen mich, Sie halten mich für
gefünder als ich bin —”
Ich wähnte Sie nod im Rollſtuhl figend und fam
Dennod) als Freier zu Ihnen!” — rief er jtiirmijd, legte
den Arm um fie und gog fie an Hd — ارر bin wie gez
blendet von dem, was ich ſehe!“ —
„ber Sie fennen mich nod) fo wenig —
Da lachte er, und das Lachen 02, jean Geficht,
das glüditrahlende, ſchön —
„Mir it eë zu Sinnen, al8 ob wir unë fchon lange,
lange fennten, — jo wie ein Kind fic) feine Weihnachts-
puppe in Gedanken ausmait und wenn e8 fie dann am
heiligen Abend in den Händen hält, ausruft: „ja — die
meinte ich, Die gerade, die wollte ich haben!”
Nun lachte fie auch, aber fie lehnte das Haupt an
feine Schulter und flüfterte: „Es ift ja erft Sommerzeit;
id) tann es noch gar nicht faffen und begreifen, daß es
10001 Weihnacht für mich geworden!”
Einen Augenblid blieb es till, nur zwei übervolle
Menjchenherzen Hopjten in dem Rauſch unglaublichen
= ازور —
Glückes zum Berfpringen. Ein nie gefanntes Gefühl
durchichauerte den einjamen Mann, als er Die weiche,
fleine Mädchenhand mit feftem Drud in ber feinen fühlte,
al3 er die Wange auf ihr jeidenweiches Haar prefte.
Er, welder aus Haß und Nachjucht den Plan qes
faßt, zu heiraten, welcher hierher gefommen war, einzig
um eine Gemahlin zu gewinnen, welche die Wünfche und
Hoffnungen des Grafen Rüdiger durchkreuzen jollte, er
jab plöglich als zärtlicher Bräutigam zu Füßen der Er:
wählten, voll himmelanjtürmender Seligfeit den Inbegriff
alles Glüdes in ihr vergötternd! Und Johanna, welche
im erjten Augenblid in dem Freier nur einen ۲
aus tieffter Verlaffenheit gefehen, von welchem fie nur
Das beicheidenite erhofft, den Genuß, ohne Sorgen in
Niedeck, dem freien, waldumraufchten wohnen zu fünnen,
fie fühlte es plöblich fo frühlingswarm in ihrem Herzen
emporquellen, al3 fei ihr in Dem Freier, welchen alle Welt
fo häßlich nannte, das Sdeal aller edlen, treuen, preifens:
werten Männlichkeit erjchienen.
Wenn es bei den Frauen vom Mitleid bis zu der
Liebe nur eines fleinen Schrittchens bedarf, fo geht bei
ihnen die Dankbarkeit mit ber Liebe wohl immer Hand
in Hand. ۱
Es war ein wunderliches Finden, welches Me beiden
Herzen diejer einjamen, freudearmen Menjchen verband.
Eines fühlte fich tief und unauslöfchlih in der Echuld
des anderen, eines erblidte in dem anderen jenen größten
Wohlthäter, jedes empfand das Glüd, welches ihm ges
—
2,460.
worden, al3 unverdientes Gnadengefchend, welches ihm
die Barınherzigfeit gemacht. Im Übermaß Des Empfin:
۵0118 waren fie beide verjtummt. Hand in Hand jafen
fie nebeneinander, — vor einer Stunde noch fremd und
weltenfern — jet im innigften Glüd vereint für alle
Beit. Willibald küßte die Braut auf den Mund: „Laß
una zu deinem Bruder gehen!“ bat er.
Und fie gingen, wie von Engeljchwingen getragen.
Ein rounderliches Brautpaar. Der häßliche, ٤
Mann, das Hinfende verfrüppelte Mädchen; und dod) ftand
der Himmel über ihnen offen, und fie — den Liebes⸗
pſalter der Rn, |
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Der Majorat
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Ih muß geduldig fein, bis ber Afpect am Himmel günftiger ift.
Wintermarden Il. Nufy 1. Se.
„26 will ihm dienen, ihm Leben, ihm angehören ganz.”
۱ )5 9 ۵ ۰
2 as war eine der größten Überrafchungen, wele
an گی die Nefidenz jemals erlebt hatte, ala am nad:
; ` ter Morgen die Verlobungsanzeige des Grafen
Willibald von Niedek mit Johanna, Freiin von Nörd-
lingen-Gummersbadh, in der Zeitung ۰
Frau Melanie ftieß einen gellenden Schrei aus, fo
daß ihr Gatte entſetzt von der Chaifelongue, anf welcher
er jeine Frühſtückscigarette rauchte, emporjchnellte.
„Nüdiger — auch das noch! — Das war alles, was
noch ۳
Der Graf warf einen erklären Blick auf das Bei-
tung3blatt. Er ward fehr bleich.
„Ah — das ift perfidel!” ftieß er furz hervor, dann
preßte er bie Lippen zujammen und ftarrte an feiner auf:
geregten Gattin vorüber ing Leere. Plötzlich lachte er
Iho. = مب
Hart auf: „Je nun, gönnen wir thm doch das harmloſe
Vergnügen!“ er achjelzuefend.
„Harmlojes Vergnügen, wenn der Majoratzherr bi |
ratet 2”
,Sewip! — Wen e. er — Bat bie fleine
Budlige it jehr ungefährlich !“
„Johanna ift nicht ۳
„Run, dann ift fie ſchief — und Hinft! 5
ift wohl ausgefchloffen, daß fie den Klapperſtorch noch
zu ihrem Hoflieferanten macht!” —
„Ite Dich nicht! Man hat Beifpiele — —”
Nüdiger ftampfte voll zorniger Gereiztheit bas Parkett:
„Unfe doch nicht ewig! — Als ob ich e3 ändern fünnte! —
Hol’ der Teufel den verrücdten Kerl, wenn er etiva 1
sungen noch einen Erben vor die Nafe jegen will!” —
„Der Teufel fcheint feinen Appetit auf ihn zw haben,
jonft hätte er ihm wohl jchon eher den Hals umgedreht!
— Rüdiger — ich beihwöre dich — was fol aus uns
werden, wenn Wulff Dietrih auch nod) dad Majorat
verliert?! Wird in Nieded ein Sohn geboren, haben
wir auch jedweden Kredit verloren!’
Der Graf fchritt, wie ein Tiger im Käfig, auf dem
Teppich Hin und her. Er nagte voll zitternder Nervofität
an den Schnurrbartipigen, feine Gefichtsfarbe jpielte in
das ۸
„Sa, was fol dann werden?” murmelte er tonlos.
Die Gräfin fant laut aufweinend wie ein Rind in
einen Seffel. „Papa muß 76
111
۷ اد تا
„Dein Herr Water ift ۳ ل
„Noch nicht offiziell — er n ۷۵۵۵2 nod) etwas
vo retten? —
Wenn er etwas rettet, denft der brave Mant ne
an fich!” fpottete Rüdiger.
„Sc werde zu Tante Aurelie reifen und thr unjere
Lage mitteilen! Sie ift meine Bate und jteinreic !”
reife du zu Tante Aurelie, — aber bergi nidt,
daß fie unferem Wulff ein Alfenide-Befted zum Patenge-
ichenf gemacht hat, — dir gab fie überhaupt nichts. Tante
Aurelie ift das gemeinſte, Fnaufrigfte Frauenzimmer unter
der Sonne!” —
„Du haft rect; — ich fürdte . . . ich fürchte . .”
ihre Etimme erjtidte in verzweifeltem Schluchzen.
Bur Not verkaufen wir die Befigung Hier und
ziehen uns in das Ausland zurüd; unbefannt in einer
fleinen Stadt fönnen wir 71 den Zinſen de3 Erlöſes
[eben 1“
„Aber wie!! Gold eine unmwürdige Eriltenz ertrage
ih nicht! — Ich tan mih midt einfchränfen — ih
fann nicht Darben! — Lieber will ich ۳
„Das Steht dir ja immer noch fret!” höhnte er mit
Barter Stimme, „fall dir nicht im lebten Moment nod
einfüllt, daß Selbſtmord tödlich ۳
„tap ole unverjchämte, herzlofe 774
braufte fie wütend auf, ,,bildeft du dir ein, ich würde in
folhem Elend bei dir bleiben? $d laffe mich von dr ..
] —
س 165 —
Gr verneigte fich höflich: „Wird mir ein ganz be:
ſonderer Borzug fein!” — dann wandte er fic) kurz ab,
nahm die Zeitung abermals zur Hand und warf Hd in
einen Geffel nieder, um gleichgül tig in den Papieren zu
blättern.
Über jeine Augen fchweiften ruhelos über die Beilen
hinweg, es fchillerte und flacterte darin wie bei einem
Menichen, dejjen Inneres durch wiifte Stürme leiden-
Ichaftlicher Erregung durchtobt wird.
Frau Melanie fchluchzte leife vor {ih hin, zerbiß in
törmlicher Wut ihr Spibentafchentuch und hammerte mit —
dem roten Abſatz ihres orientalischen 02 gegen
die Goldleiften des ۰
So mochte eine Stunde verfloffen fein, eine Stunde,
in welcher die beiden Menfchenfeelen die Qualen eines
Fegefeuers durchlitten. Bon der Verzweiflung und Angft,
bon der Sorge um ihre ganze Ertjtenz gejchüttelt, kämpf—
ten fie einjam gegen die Schreckniſſe ihres drohenden
Ruins an.
Keines fand bei bem anderen Troft und AZufprud),
feines milde, liebevolle Teilnahme, welche ſtützen, helfen,
raten und ertragen will. Wenn fic) zwei Herzen im Olid
falt und fremd gegenüber ftehen, jo empfinden fie die Ode
und Berlaffenheit ihres Lebens nicht jo jchroff, weil noch
"Mittel zu Gebote jtehen, die Einne zu betäuben, — tritt
aber das Unglüd rauh und falt neben jolche Ehegatten,
dann reißt e3 fie rettung3lo8 auseinander und bedt den
Ihmindelnden Abgrund, welder rojenverdedt zwiſchen
— 168 —
ihnen gähnte, auf, daß er jedem Glück und jedem Frieden
zum Grabe ۰
Eine troftloje, entjfeßliche ۶ Bitterfter Berlaffen-
heit! Eine Stunde, melde das Schidjal als Keulenjchlag
gegen bie Herzen führt, fie mit brutaler Hand aufzu-
ſchrecken und zu mahnen Aber die Stunde verftrich, und
Die Herzen waren härter gewejen wie Die Seule.
- Der Zufall mifchte die Karten noch einmal tückiſch
zum Spiel. Wn der Thüre des Mebenfalons Elopfte es.
Grafin Melanie [draf mit 8ئ Augen und
verjtörten Geficht empor.
Sie ftarrte dem Diener, welcher auf flbernem Tablett
ein Papier trug, entgegen.
„Bas [tiren Sie mi? — — Was bringen Sie?”
hertfdjte fie den Galonierten zomig an.
Graf Rüdiger lachte ironisch: ,,Die
Hergdhen! Haft du [hort eine Toilette bereit?! —
Melanie Dif die Zähne zufammen und rig den Grief
an id).
„Eine Depeche! — Wn mich?” —
„Befehl, Frau Gräfin!”
„ha — der Vetter hat es eilig mit dem Heiraten!“
flang die Stimme Des Grafen abermals heifer ba:
zwifchen, aber er erhob fich und trat hinter den a x
feiner Gemahlin.
Ebenfo wie vorhin brad) auch jebt ein Schrei über
bie Lippen der Gräfin, aber diesmal war 8 "00 Sube,
کو Durd) Das ماق ١ halte. |
— 10% سم
pics!” rief fie triumphierend und warf ihrem Gatten
mit flammenden Augen das Blatt zu.
Es ift gut; gehen Sie“, fügte fie mit ihrer gewohnten,
hochmütigen سرت gegen den Diener ان
Hinzu. |
Lautlos glitt niche über den Teppich zurüd. Graf
Riidiger aber la3 mit fliegenden Bulfen: „Tante ۷
foeben am Herzichlag geitorben, fommt fogleich zur ۰
mentseröffnung, Melanie ift 111007
„Hurrah! — Hurrah!” سے —
Wie ein Wufatmen der Erlöfung nach Todesangft über:
fam es Die beiden Ehegatten, — fie ka hd) an, lachten,
— reichten fic) Die Hände,
Rüdiger küßte galant die 17ء feiner Gemahlin.
Ich gratuliere dir und mir —! Jd) mußte e3 ja,
das Glid Hatte nod) nicht das lebte Wort mit und ges
ſprochen!“
And nun glaube ich auch an ſeine dauernde Gunit! ۳
lachte Rüdiger übermütig. „Was gilt die Wette, Gnädigſte,
der Erbe pon Nieded wird dem Vetter nicht geboren!“
Sie zudte lächelnd die Achfeln: „Hoffen wir, ich wette `
um das Perlenhalsband, welches dir le&thin noch zu teuer
für mich war!”
yD accord, —”
„Jun werde ich Trauertoilette beitellen. Wollen wir
die Jungeng mit zur Beerdigung nehmen?” —
„Sa, es macht einen befjeren Cindrud.” Der Graf
ichellte und befahl den Erzieher der Knaben zu fih. —
— 168 —
„Sie miifjen ein paar Tage Ferien geben, Herr 2201181
Ihre Zöglinge follen unë zu einer Trauerfeierlichkeit Des
¬ gleiten“, und der Sprecher wandte {ih zu feinen Söhnen,
welche ihrem Lehrer gefolgt waren: „Na, ihr Schlingel,
das fommt euch wohl recht gelegen, mal wieder ein paar
Tage jchwänzen zu formen ?” — Der jüngere der Knaben
breitete mit einem Stoßjeufzer die Arme aus: ,,Gott fei .
Dank! dies elende Gebüfrfele hatte ich nachgerade fatt!” —
Die Gräfin lachte, der Hauslehrer aber fagte ernit:
„Gerade Hartwig dürfte am wenigiten eine Paufe machen,
Herr Graf; er üt fehr weit zurüc geblieben und hält in
feiner Weile Schritt mit dem Bruder.”
Hartwig jchmiegte Jd an die Mutter und hob das
Geſichtchen voll herausfordernden Trotzes nach dem aba
80.
„Fällt mir im Traume ein, mich derart abzufchinden,
wie Wulff-Dietrih! Wenn er ein ſolches Schaf ift unt
ochft wie ein Unfinniger, obwohl er weiß, daß er mal
Majoratsherr wird, — fo ift das fein Privatvergnügen —! —
Sd werde Dragoner — und das bischen, was ic) dazu `
brauche, paufen Cie mir ſchon auf der Breffe ein!” —
Frau Melanie lachte abermals höchlichſt amüfiert und
itreichelte bie rofige Wange ihres Lieblings, dann hob
fie die Lorgnette und jab ihren älteiten Cohn prüfend
an: „Mon Dieu, Dietel . . . Du arbeiteft fo viel? Was
ift Denn plößlich in dic) gefahren? Natürlich ganz blag
und fümmerlich fiehft du [don aus! Als ob du fir Geld
ſchaffteſt!“ —
— 170 —
Wulff-Dietrich hob den Kopf mil hir ibin eigenen ío x
abweiſenden Bewegung: „Sch arbeite aud) für Geld,
Mama, — ob jest oder fpater, das bleibt ſich gleich.”
Gräfin Niederf riß die Augen weit auf und trat dem
Sprecher einen Schritt näher, 00000 Hartwig vor 7
in Die Hände prujtete.
„Für Gelb? Bah — was ‘ol das heißen?!” —
Wulff-Dietridh zog Die dunklen Augenbrauen gujammen.
„Das fol heipen, Mama, daß ich lernen und ftudieren
will, nm fpäter eine Stellung im Leben einzunehmen und
‚auf eigenen Füßen zu Stehen!” —
„Ah — du überrafcheit mich! 21811 8 š Majorat
herr willft du Graminas machen?” —
„Selbft dann; vorläufig bin ich es aber noch nicht, ۱
und es iH ۶۲ 0+۳+0 ob ich e3 werde; Better Willi
bald? Verlobung fteht ja Beute in der Zeitung”
Graf Rüdiger war ſchweigend im Zimmer hin und
her gegangen, jebt blieb er neben feinem 200116 ۲
und fagte mit dem Anflug von Sronie, welcher jeiner
Sprechweife eigen war: „Gut, mein Zunge, ich habe ab:
jolut nicht? gegen dieſe löblichen Abfichten einzuwenden!
Das Majorat ift freilich zur Reit ein hochgehängter Korb
für Dih, und darum ift e3 ficherer, wenn du nicht darauf
rechnejt. Ich fürchte nur, dein Teuereifer wird ſehr bald
erlöjchen, wenn dir Niedeck unbeftritten fidjer bleibt!” —
Wulff-Dietrich richtete fich noch höher auf: Ich hoffe
Dih von dem Gegenteil zu überzeugen. ے
„Aber jage dod), Zunge, — was hat did bean plöglich
= p =
[o verwandelt?” — forjchte bie Gräfin voll naiven ۰۶
fiaunens —, „früher hattet du jo wenig Paſſion für
bas Lernen, daß wir meift Klagen hören mußten, und
num enti bu did) zum 1001 Wie fommt
das! J =
۱ Der Gefvaate. 10011110116 Die دطہ ااخاصد Sains ۸11
ri und preßte bie Lippen zufammen. Sein Blick ۶٤+
wunderjam auf, aber er jchwieg. —
Der Graf jedoch brach furz ab. — „Nun wir freuen
uns ber Thatfache und hoffen, Daß du bei der Stange
bleibft, mein Sohn, jebt geht und laßt eure offer paden ۱ —
„Du geſtatteſt, Bapa, daß ich hier bleibe, um meine
Stunden nicht zu unterbrechen! Mein Privatlehrer im
Latein verreift nächſten Monat, — bis dahin wu wir
unjer Penfum abjolviert Haben!” — `
Graf Rüdiger blinzelte feinen Ülteften momentan mit
halb gugetniffenen Augen an — dann lachte er in ۴
Laune auf. ,,Betend, daß Gott dich erhalte, jo fleißig,
fromm und rein!” — ۱
„But, bleibe du hier! Ich bin fehr Stolz, der Welt
von ſolch unnatürlichem 01 erzählen zu fönnen! Und
du, Hartwig?” —
Der Kleine fchnitt eine Grimaffe und nidte dem Vater
pfiffig zu: „Sch werde dich felbftredend nicht im Stich
laſſen, fondern den Kronprinzen nad) Kräften vertreten !” —
Lautes Gelächter belohute den Wik, und wie Hartwig
mit ironiſchem Lächeln einen tiefen, Depoten Diener vor
dein älteren Bruder machte, trat troß feines runden, ۷
— 172 —
KRindergefichts die Ähnlichkeit mit feinem Vater ۲
denn je hervor. — —
Sn der Küche aber jab der Kammerdiener im Kreiſe
des Geſindes und ſagte mit bedeutſamem Lächeln: Selt—
ſame Menſchen! Als die Hochzeitsnachricht kam, verfiel
die Gräfin in Weinkrämpfe und als die Depeſche den Tod
der lieben Tante meldete, hallte das Haus wider von dem
Jubel und Gelächter, — ſeltſame Menſchen!“ —
*
Sn Ungerwies Derridte große Erregung über die Bers
lobung8angeige des Majoratsherrn von Nieded.
Man jubelte und ſchwelgte in dem Gedanken an beffere
Seiten; — bie Optimiften wagten jogar einen Fühnen Flug
in das Reich der Phantaſie und prophezeiten: , Graf Billie
bald werde in feinem bräutlichen Glück allen Groll Ders
geffen, der Stadt die alten Vergünftigungen wiederum ges
währen und noch viele neue hinzufügen, ja man malte
fic) ſchon die herrlichiten Zufunftsbilder aus, wie man
`. bem jungen Paare einen enorm fchmeichelhaften Empfang
bereiten und von Anfang an für die Angerwiefer Intereſſen
gewinnen werde. Wenn die Braut nur halb fo viel Huma-
nität und Herzensgüte befäße, wie ihre Coujine Melanie,
würde fie fiber allen Einfluß aufbieten, Beziehungen mit
der Stadt anzufnüpfen, wie fie Graf Rüdiger nebjt Ge:
mahlın jo herzerquidend angebahnt hatten! —
Man jchmwelgte in Diefer Hoffnung; die 7 =
bod) fchüttelten die Köpfe und fprachen: „Ihr fennt ben
س 173 —
. Sonderling ſchlecht, wenn ihr an feine Verzeihung glaubt!
— Wenn {olde Menfchen einmal haffen — dann ift es
grändlih! Graf Willibald ift Fanatifer, er hält zähe felt
an Gefühlen und Empfindungen, welde Macht über ihn
8٤٥080111161 haben!” —
Und leider follte fich dies bewahrheiten. —
Während man nod) eifrig Debattierend in der „Stadt
Hamburg” gujammen fap und die Ausſchmückung der
Stadt — weldje nad) viel ausjehen und wenig foften follte
— hbejprad, als man juft darüber ftritt, ob ſechs oder
acht weißgefleidete Ehrenjungfrauen der Gräfin einen
Blumenjtrauß überreichen follten und ob der Bürgermeifter
jeine Anſprache auf dem Marftplab oder am Thore halten
müffe, rollte eine Equipage in ſcharfem Trabe vorüber.
Solch elegantes Räderrollen gehörte in Angerwies nicht
zu dem täglichen Brot, darum jchnellten alle Ran © em⸗
por und dugten hinaus.
Und dann Jaber fich Die Biter der Stadt ſchweigend
und jah betroffen an. |
„Die ۲ Equipage! سب
bah — e8 werden Die Herren Dienftboten ein wenig
Ipazieren fahren!” tröfteten bie Optimiften.
„Sebt acht, fie find angefommen!” — wehflagten Die
Schwarzfeher, und fie follten abermals recht behalten.
Der Bahnhofzvorfteher ſtürmte nad wenigen. Minuten
atemlo3 in das Galtzimmer.
„Eben einpaffiert! ganz überrajchend! ganz — An—
meldung! — vor einer halben Stunde hat der Graf tele—
graphijd) einen Wagen an die Bahn bett Nun bs
fie Da — ohne jeden Empfang! Pe; a
Die Beitürzung war groß.
Was thin? — Ratlos fraute Hd = ohare Rat |
den Kopf.
„Bir bringen einen Fadelzug nad) dem ک۳ ق6010 rie
der Apothefer.
„Bravo — brillant! ‚gleich heute abend muß ق fein! x
— Und ein Feuerwerk brennen wir ab. — Der Birger
meifter fchüttelte beforgt den Kopf. „Wo follen wir denn
Faden, Windlichter und Feuermerf heruehmen? Das
müßte Doch erit alles beitellt werden!” —
Abermals tiefe Stille,
„Run, dann machen wir e3 eben ein paar Tage fpäter!” .
prablte der Muditeur, „wer fann denn id ا ی nad) x
drei Wochen ſchon die Hochzeit it! —
‚sa, wir veranitalten Die Feierlichkeit pite
Mian tröftete Hd) jo gut man ۰
Wer die Gräfin auf der Bahn gejehen hatte, erzählte
Wunderdinge, wie jchr freundlich und gütig fie gelächelt
und gegrüßt hatte! Hinfen thäte fie ja etwas, aber bas
fei doc gleichgültig für eine, die im Wagen fahren könne!
Und Graf Willibald fet gar nicht zum Wiedererfennen,
jo nobel gefleidet und fo glüdjtrahlend! Er habe feine
Frau in den Wagen gehoben, als ob fie von Glas wäre,
— — und beide hätten einander fo zärtlich angefchaut,
wie die jüngften und verliebteften Hochzeiter! Man hoffte
nun, daß die nächiten Tage ſchon merklich mehr Leben
— 10 — ۱
in die Ctadt bringen würden, zu allgemeiner Überraſchung
lich fic) die Gräfin aber mit feinem Blick fehen, und
Niedeck lag fo ſtill und unverändert einfam auf feiner
waldigen Bergtuppe, alg habe nie eine junge Herrin den
Fuß über feine Schwelle geſetzt, neue Zeiten für das alte
Schloß zu bringen. Endlich fonnte man des alten Kuhnert
einmal habhaft werden.
Der Biirgermeifter beehrte ihn 0 mit einer
Unterredung. Er teilte mit, daß die Stadt großartige
Empfangsfeierlichfeiten geplant hätte, welche leider nicht
hätten zur Ausführung fommen fünnen. Das Feuerwerk
und die Fackeln zu feierlichem Zuge nach Nieder lägen
nun bereit und die Bürger beabjichtigten, in Diefen Tagen
das junge Paar zu ehren, — ob wohl der nächſte Sonntag
dem Herrn Grafen angenehm jein werde? — Der alte
Kuhnert 30g ein abjonderliches Geficht, vor lauter Runen
und Fältchen konnte man nicht erkennen, was eS eigentlich
ausdrücdte. Er neigte fic) wichtig flüjternd näher.
„Sebt Ut überhaupt noch nicht der richtige Moment,
Herr Bürgermeilter!l Das Paar will ganz und gar durch
nichts geftört fein! Du lieber Himmel, was ift das für
ein Glück da oben! Solche Flitterwochen lafje id) mir
gefallen! Wie die Turteltäubchen find fie miteinander!
Was fie fih nur Liebes an den Augen abfehen fünnen,
thuen fie fih an! Wer jo etwas ſich hätte träumen faffen!
Die Frau Gräfin, welche warid ein Eugel in Menjchen-
geftalt ijt, fo zart und fügjam und milde und gut — die
ift ja ganz entzüdt von unjerem alten Nieded! — 6
— 176 —
verflärt fieht fie alles an, — und bie Ausſicht pon ben
Fenftern des Kutſcherſtübchens findet fie aud) am ſchönſten!
Da fiber fie jeden Abend Hand in Hand und freuen fi
an dem fchönen Anblid! Nun wird der arme Graf aud
feines Lebens froh —! adj) und wie oh! — °
„Und das Sue 2“ erinnerte Der Biirgermeifter
beflommen.
„Sa, dafür it jetzt raid nod) feine Beit! Das
junge Baar ift ja ganz infognito hier, und fie wifjen, Dab
der Graf wunderlid) in manchen Dingen ijt, er würde |
ſich fiber jede Störung ärgern. Aber einen guten Rat
will ich ihnen geben! Sn vier Wochen it dod) der Sec
burtstag Seiner Gnaden, da wäre fold) eine Ovation
vieleicht als Überrafchung ganz angebracht! Ich glaube
das würde die Herrichaften freuen! Aber wie gejagt, das
ift nur fo ein Ratjchlag von mir und für den Erfolg gac
rantieren fart ich ۲
Der Vater der Stadt war entzüdt.
Er danfte mit wärmften Worten und verfuchte noch
burd) eine Einladung zum Glaje Bier feine Beziehungen
zu dem Faktotum von Niedeck möglichjt intim zu geftalten,
Kuhnert lehnte jedoch) unter dem Vorwand, ¢3 fehr eilig
zu haben, recht entichieden ab, und die Goldfüchfe griffen
Doppelt eilig aus, Die Mauern von Angerwies Hinter ñd
zu haben. — ہے
۱ Die Wochen vergingen und das Feuerwerf ward mit
größtem Pomp vorbereitet. Biirgermeifters Lieschen lernte
im Schweiße ihres Angefichts ein äußert فلامدوسسو)
Mv. Eſchſt ruth, FU. Rom. u, Nov,, Der Majoratsherr I. 12
Gedicht, welches der Aſſeſſor verfaßt Hatte, und welches
fie bei Überreihung eines riefigen Blumenjtraußes der
Frau Gräfin aufjagen ſollte — Am Abend vor dem
fejtlidjen Tage faßen Graf Willibald und Johanna wie
immer an dem Weitgeöffnetem Fenſter des Kutſcherſtüb—
chen8, den entzüdenden Anblid in das Thal zu genießen.
. Obwohl fie für gewöhnlich die eleganten Gemader des
Schloſſes bewohnten, liebten fie es dennoch, abends das
‚ehemalige Junggeſellenſtübchen des Majoratsherrn auf⸗
zuſuchen.
Johanna hatte es in ihrer Feinfühligkeit ſofort be—
merkt, wie ſehr es ihren Mann beſeligte, daß ſie dieſen
Fenſterplatz ebenſo anziehend fand wie er, und ſie ſorgte
dafür, daß er liebgewonnene جح auch weiter
pflegen fonnte.
Willibald hatte den Arm um feine: junge Fe qez
ſchlungen: „Du bift 0 einverftanden mit meinen Plänen,
tenerftes Herz?” — x
Sohanna jah ein wenig jorgenvoll in feine Mugen.
„sc fiirdte, Willibald — bu legft dir mit diefer Reife
{dere Opfer um meinetwillen auf?” —
Er lachte glüdjelig: „Ich ſchwöre dir, nein! Sch felber
fenne feinen höheren. Wunjd, als die nächſte Beit auf
Reiſen verleben zu fonnen. =
Shr Blick ftrahlte vor Freude: „Wahrlih? p dann
bin ich mit bir froh und gliiclid! Dann werde ih all
bie unendliche Freude ohne Gewiljensbilfe genießen
finnen! Neifen! Ich habe nod nie eine Reije gemacht,
— 179 —
ich Habe noch nichts von Gottes fchöner Welt gefehen!
D, lieber Mann, wie foll ich dir für fo viel Glüd
۵801116111 — x x
Er fite voll überftrömender Zärtlichkeit ihr Wntlib,
ihre Hände. Ich habe bir zu danken, — i allein!
D, Sohanna, wie haft du mir die Welt in einen Himmel
verwandelt! — Und morgen früh fahren wir, — du haft
deine Koffer paden 7
„E3 ijt alles bereit. — Aber der Fadelzug der ۶
0 —
Sein Geficht ward finſter „Ste follen uns ۰
lic) juchen. Ich haſſe fie! Sekt erft ermeffe ich ganz,
um wie viel Slücjeligfeit meine Feinde mich durch ihren
verruchten Anfchlag bringen wollten! Johanna, du fühlft
fonft in allen Dingen fo gleich mit mir, empfinde aud
meinen Haß mit mir!”
Sie drückte ihm zärtlich die Hand, wie man ein auf-
gereqteS Kind beichwichtigt: „Du weißt, daß ich alles
will, mie du willft!” fagte fie, und ihr Antlig ٤
in hingebender Demut und Bejcheidenheit.
Sohanna hatte nie einen Widerſpruch im Leben laut
werden laffen, ihr janftes Wefen fügte fic) gern jedem
Wunjce und jeder Anficht ihrer Lieben, — wieviel mehr
dem Willen eines Mannes, in welchem fie voll über:
Ichwenglicher Danfbarfeit ihren Crretter aus aller Not
und Ginjamfeit fab. Wenn ihr auch felber jede 9
von Haß und Rade fern lag, jo refpeftierte fie doch das ..
leidenjchaftliche Empfinden Willibalds, und wenn fie aud
| | i2*
سین 280 —
den wunderlichen Plan, welchen er hegte, unbegreiffich
fand, jo fügte fie fic) dennoch ohne den mindeiten Wider:
ftand feinem Willen, — er war ihr Det — er jollte bes
fehlen und fie wollte gehorden! — .
` ie mar den Bürgern von 5 eine höhere
Enttäufchung geworden, als im jenen Augenblick, wo fie
mit Faden, Baufen und Trompeten vor Schloß Nieded
anlangten und das Neft leer und verlaffen fanden.
Knirſchend vor Ingrimm und Beſchämung kehrten ſie
um, und wußlen nun genau Beſcheid, wie die Aktien auf
Niedeck fiir fie ftanden.
Es war ihre eigene Edul und das verdroß fie am
meiften. Graf Rüdiger war jehr unangenehm überrafdht,
alg er erfuhr, Dap Vetter Willibald fi für unbeftimmte
Zeit mit fener Gemahlin auf Reifen begeben hatte. Sie
entzogen fic) nun völlig feiner Beobachtung, und das
verdroß ihn. Er erwog die Notwendigfeit, das neu ers
erbte Vermögen fliglic) zu Hate zu halten, bis Hd die
Erbfolge von Niedeck entjchieden habe. Er bewog jeine
Gattin, die samilientrauer zum Borwaud zu nehmen,
um das koſtſpielige Leben etwas einzufchränfen: „Nur auf
furge Zeit!” tröjtete er, „wird fein Sohn auf Nieded ges
borer, bleibt das Majorat für Wulff-Dietrih, jo holen
wir alles doppelt nad!“ —
Die Zeit verging. Voll fiebernder Spannung 6>
man ber fommenden Dinge Ein Freund des Grafen,
welcher die Niededer in der Schweiz getroffen, berichtete,
daß Gräfin Johanna wahr und wahrhaftig vor einem
تج 181: ہے
freudigen Ereignis ftehe. Rüdiger snd Melanie 761
vor Aufregung. — Da tra nah Monaten ein Brief aus
Wiesbaden ein.
„Bon Willibald!“ feuchte Rüdiger bleich und bebend,
er riß mit zitternder Hand den Umjchlag ab. Dann
ellte ein Triumphgelächter bund das Bimmer: = „eine
a — Ye
Men anhaltendes Olid zu fhwinbelnden Freuden
erbob, fentet der Wechſel in Gram.
Hora}.
12 em Majoratsherrn von Nieded war eine Tochter
UE geboren! Cine Tochter, anftatt des höchſt ےہ
lehnten, hochwichtigen Sohnes! —
Diefe Nachricht wirkte auf Frau Melanie wie eine
9۵۵۲۲۵۲6, Sie ftarrte mit blödem Lächeln vor fich Hin
und wiederholte wie im Zraume: „Eine Tochter! nur
eine Tochter!” und dann lachte fie plößlich in ſchaden—
frohem Gelächter hell auf: „DO, wie ich ihm das ginne,
dem verrückten Kerl! wie mir das eine Genugthuung
1117 سے a
Graf Rüdiger hatte die Arme getreuzt und wanderte
mit hajtigen Schritten im Salon auf nieder: „Sa, das
ift dem jungen Ehegatten recht gejchehen”, fpottete er mit
glimmenden DBliden. ‚‚Dieje Niete dürfte doch wohl als
Naureif auf jein Turteltaubenglüd fallen, denn ich hoffe,
zum zweitenmal ſchwingt Hd) das Budelinchen nicht zu
derartigen Leiftungen auf!” — |
— 183 —
„Vielleicht ftirbt fie noch” fuhr Frau Melanie mit
gehäſſigem Blic auf, „dann würde ja die Erbfolge am
beiten erledigt fein! Schreibt er gar mae über ihr Bez
finden 2“
PS wo wird er denn an mi ])7 Gs iſt eine
gedructe Anzeige.”
„Laß mid) jehen!” — Die Gräfin nahm haftig 8
Papier zur Hand und entfaltcte es: „Da bier, da ۶
ja ‚vertel‘ alfo laß die andere Eeite ſehen — richtig!
da Hat er noch etwas Hingefrabt!” Was nicht ift, 8
fann noch werden!” — die Leferin brach in ein fchallendes
80160010۲ aus. „Köftlih, er madt noch Wige! o fief,
Nüdiger, das ift ja unbezahlbar!!” —
„Bas nicht üt, das fann noch werden” — las ber
RKammerjunter ebenfalls und er lachte gleich feiner ۶
mahlın — aber beider Fröhlichfeit lang dod) ein wenig
gewaltjam, und wenn Nüdiger aud) über den ,,Galgen-
Humor” {pottete, fo furchte fic) feine Stirn dennoch dabei.
Schließlich zudte er nervös die Achſeln: „Se nun, bet
Gott لا ja kein Ding unmöglich! Wenn das ۵۵۶
fene Frauenzimmer überhaupt ein Kind in die Welt fett,
fant eS auch noch feds Sejchwilterchen befommen! Alſo
berlajjen fünnen wir uns nod) nicht auf das Majorat!”
Melanie bik fich auf die Lippe: تشر es wäre ja em:
pörend! — ¢3 wäre — — —“ fie brach kurz abl
und trommelte mit den langen Fingernägeln aufgeregt
auf dem jteifen Rartonpapier der Anzeige, weldye vor ihr
auf dem Tiſch lag.
— 184 —
„Barum er es uns überhaupt anzeigt?” fuhr fie
‚ärgerlich fort, „das Porto hätte fid) der Geizhals aud
[paren ٤81111611.“ — |
yah — er will fid bon) weit blamieren und jeinen =
Ärger zeigen!”
„Das ift möglich. — Wenn fie bod) eben wollte!”
Sie ftirbt nicht, — {olde Sammerbilder find am `
zäheiten, aber wie gejagt, wir dürfen nicht auf ۵۱6 Erb-
ichaft rechnen, — noch nidjt. Und da ijt eine dringende
Notwendigkeit, daß wir uns mit Dem, was wir jeßt be-
fiber, einrichten. Unfer Haushalt hier ijt viel zu Eoft-
چنا ام und ich jehe nicht ein, warum wir ein Heer pon
Schmarogern durchfüttern follen, welche unë abjolut nichts
niet. So fdjlage ih vor, wir fprengen das Gerücht
aus, deine Gefundheit verlange einen Aufenthalt im
Süden. Wir lifer hier den ganzen Haushalt auf, ſchicken
die Jungen auf die Nitterafademie und nehmen Aufent:
halt in Italien. Du nimmſt dir deine Sungfer, ich mir
den Kammerdiener mit, und dann können wir im Hotel
mit aller Bequemlichkeit und allem Komfort leben, —
dazu reichen unfere Zinfen aus. — Collten wir Seihmad
an dem Wanderleben finden, fo bleiben wir fern von
Madrid. — Sit in zehn Sahren noch fein Sohn auf
Niedeck geboren, jo fünnen wir das Erbe al völlig ficher
erachten. Wir fehren dann nach bier zurück und holen
alles nach, was wir etwa verfäumt haben follten. Biſt
du damit einveritanden ?” a
Grafin Melanie nidte. Sie liebte die Abwechslung
ج 8G 1 ہہ
und jab es nebenbei aud) ein, daß man unter den pb:
waltenden Umjtänden nicht mehr blindlings in den Tag
hinein leben durfte. Gene Ctunde im Fegefeuer der
Angſt, welche Tante Wureliens Erbjchaft vorausging,
febte noch in ihrer Erinnerung und mahnte fie zur Bors
ſicht —
So ward der fitrfilide Haushalt des Grafen ۵
aufgelöft und Billa Cafabella ſchloß die ftrahlenden Fen—
fteraugen zu einem langen, langen Winterjchlaf.
Wulff-Dietrih und Hartwig fiebelten auf die Nitter-
afademie über, — der Wltere mit viel Eifer und Ge:
nugthuung, der Süngere grollend und außer ſich, 8
behagliche, elegante Leben Des Baterhaujes aufgeben zu
müſſen.
Er beſtürmte die Eltern mit bitteren: Vorwürfen und
verlangte die Beweggründe für diefe Neuerung zu wiffen,
welche ihm in dem leidenden Zuftand der Gräfin ange:
geben wurden, Er lachte fpöttiich auf: „Mama it ja
gejund wie ein Fiſch im Waffer und darum könnte ich euch
Dod) auch mit meinem Hausichrer begleiten!” Graf Nü-
biger ward ſchließlich gro, und Hartwig verſtummte tief
gefränft.
Wulff⸗Dietrich hatte feine einzige Frage an die Eltern
gerichtet, alS er ihre überrajchenden Vorbereitungen be—
merkte. Er jab fehr blaß aus, und Die Derbe Linie re-
fervierten Stolzes ſenkte fic) jchärfer wie je um feine
Lippen. x
Es mar jchon jeit längerer Zeit auffallend gemejen,
wie anjpruch3los und fparfam der ehedem fo ۶6
Knabe geworden war. Er berbat fich die ſpitzenbeſetzte
Wäſche al eines Jungen unmürdig, er vermied alle Spiele,
weldje jeine foftbaren Anzüge ruinierten und unterließ all
die vielen, unnüben Ausgaben, welche früher fein Tajchen-
geld verſchlungen hatten.
Auch die neue Ausstattung, welche er für Die Ritter-
afademie erhielt, ward auf jeinen ausdrüdlichen 8
jehr einfach, beinahe {HUME gehalten, und obwohl die Gräfin |
in ihrer großfpurigen Weife laut lachend die Hände über
jolde Narrheit, — fold) eine Marotte — zufammen-
ſchlug, befahl fie dennoch in heiteriter Laune, diefe ,,€emina:
riſtenausſtattung“ genau nad) feiner Angabe anzufertigen.
Hartwig Anjprüche waren deito unbejcheidener, aber
aud) fie wurden anftandslos bemilligt. Nie war der
Unterfchied zwilchen den Brüdern fo jchroff zu Tage gez
treten wie jest; während Wulff-Dietrich mit feinen noch
nicht vollendeten dreizehn Jahren den Eindrud eines
ernftdenfenden, ruhigen, beinahe verjchlojjenen jungen
Mannes madjte, verriet fd) in Hartwig Wejen ۷
jest Der ganze forgloje und anjpruchsvolle Leichtjinn,
welchen er wohl als fataleS Erbteil jeiner Eltern mitbe-
fommen. Die Grafen Nieded hatten ftets für ein jolides,
gewiffenhaftes, ritterliches Gejdhledjt gegolten, Rüdiger
bildete wohl die erjte Ausnahme von Diefer ۰
Sein ältefter Sohn verleugnete das Blut feiner Ahnen
nicht und jchien in jeder Beziehung den Traditionen der
Familie Ehre machen zu wollen, Hartwig aber war ein
مسا و —
echtes Rind feiner modernen Beit, bas treue Abbild des
Vaters, und gleich der Mutter ein frembes Reis auf dem —
alten Stamm. —
* +
Sahre waren vergangen, jünfzehn lange Sabre. Gar
manches Batte fich in diefer Zeit geändert und wenig
nur war fic) gleich geblieben. Yu diefem Wenigen gehört
auch das alte Schloß Nieded, in welchen faum ein Stuhl.
von der ‚Stelle gerüdt worden war, geichmweige Daf eine
eingreifendere Neuerung an feinem Inneren oder Äußeren
vorgenommen ware. Die gräfliche Herrjchaft wohnte nur
wenige Sommer und Herbſtmonate in Der Heimat; fie
fam unerwartet an, und fein Menſch würde etwas von
ihrer Anwejenheit gemerkt haben, wenn nicht die Bauern
und Waldhüter der Equipage in den 81 begegnet
wären.
In ———— ließ ſich niemand von der Familie
blicken, ebenſowenig in der Umgegend. Da Niedeck ein
mächtig ausgedehnter Länderkomplex war, befanden fi
feine Güter in der Nähe, auf welchen man von dem
Schlofje aus hätte verfehren fonnen. Aber Graf nd
Gräfin Niedeck ſchienen gerade die Cinfamfeit ganz beion-
ders zu lieben.
Sie pflegten voll Entzüden bie alten Erinnerungen,
faßen abends Hand in Hand an dem Fenjter des Rutjcher:
jtübchens und jahen Jd) wie einjt in den Flitterwochen
voll zärtlicher Anbetung in die Augen. Johanna war
mit den Jahren nod) ftiller, fügfamer und fanfter geworden,
— 189 —
. Willibald hingegen jchien die friſche Luft der fremden Lander
in lebhaftejter Weife angeregt zu haben.
Sonderling blieb er nad) wie vor, — jeine fleinen
Eigenheiten legte er nicht ab, — aber eë waren zumeift
Schrullen, von denen die Außenwelt nicht viel merkte und
welche feine Gattin voll nie ermüdender Engelsgeduld
ertrug. Nachdem Graf Willibald feiner Zeit bie Geburt
einer Tochter angezeigt hatte, ſchien der Klapperjtord die
116080116 peš Majoratsherrn volljtändig vergejjen zu haben.
Der Erbe, nad) welchem fo viele Augen voll brennenden
Intereffes ausfchauten, ward nicht geboren, und je mehr
Jahre verftrichen, ohne einen Heinen Majoratsherrn mit
zubringen, umfo triumphierender und felbjtbewußter wieg-
ten fic) Graf Rüdiger und Melanie in der jeligen Ge—
wifheit, das Majorat unbeftritten auf ihren Sohn über:
gehen نام ۰
Geltjamerweije hörte man fo gut wie nichts von der
Familie Willibalds.
Niemand traf fie auf Retjen an, in — Fremden⸗
buche war der Name Niedeck zu finden, obwohl man
wußte, daß die Familie in Venedig, Rom, Neapel weilte,
weil die Briefſchaften von Niedeck poſtlagernd nach dort
geſandt wurden |
Dann hatte Graf Nüdiger erforfcht, Daf der Better ۱
den Winter in Kairo zubringe.
Die Neugierde trieb ihn, mit feiner Gattin ebenfalls
in Rairo Aufenthalt zu nehmen. Wher von Graf Willi:
bald und jeiner Familie war feine Spur zu entdeden,
— 190 —
fo fehr fie auch alle Hotels und Frembdenpenfionen nad)
` ihm abjorjdjten. Da öfters von reichen Engländern,
Amerikanern und Nuffen ganze, villenartige Häufer ۶
mietet wurden, forjchte Rüdiger auch in diefen nach, Doh
erfuhr er nur unbefannte Namen von etlichen Ausländern,
welche ſich diefen Lurus geftatteten.
Und doch würde e3 den Rammerherrn außerordentlich
intereffiert haben, einmal die Nichte von Angelicht zu
fchauen, welche nad) dem eigenartigen Elternpaar ein
ganz abfonderliches Fleines Weſen Jen mußte. |
Es gelang ihm aber nicht. ۱
Endlich hörte er auf Ummegen von ihr.
Ein Niededer Forjtläufer war für Geld und gute
Worte erbötig, von ber gnädigen Komteſſe Frangdjen zu
erzählen. x
Fränzchen! Alfo dod) Franzisfa getauft! Wie per:
rüdt war Das einmal wieder! So weit man 2 71
fonnte, gab e3 feine Sranzisfa in der Familie, — höchſtens
ما die Ovation irgend einer lieben Nördlingen gelten.
Alſo Komteß Fränzchen ward ihm als fehr frijches, derbes,
außerordentlich übermütiges Mädel gefchildert, welches
die Freiheit von Niedeck dazu benuße, in wildefter ۶0
herumgutollen. ۱
Die Eltern feien unglaublid) beforgt um das Kind.
Die Gräfin jchlafe nie, ohne ihr Töchterchen an der Seite
zu haben, fie fei Tag und Nacht um die Kleine, warte
e meilt ganz allein und geftatte den Wärterinnen nur
die Heinften Handreichungen. Eine alte Engländerin, welche
— 191 —
fein Wort Deutich verftehe, dürfe allein das 7
betreten. Graf Willibald ſchien feine Lebensaufgabe darin
zu jeer, das Kind zu behüten. Fränzchen fet nie ohne
die Eltern zu fehen und die Liebe zwiſchen ihnen geradezu
abgöttifch.
Ob Fränzchen hübfch fet? — |
Auf diefe Frage war der junge Forftmann ein wenig
verlegen geworden. Cie habe etwas große derbe Züge,
ühnele aber Dod) der Gräfin. Namentlich die Augen jeien
jo ſchön, jo groß und braun wie die der Mutter, nur daß
fie bei dem wilden Rind ganz anders dreinfchauten wie
bei der Grafin. Jetzt fet eben noch nicht viel zu jagen,
— aber er glaube wohl, daß dag Komteßchen nod) mal
eine recht Schmude Dame werde! —
Weiter reichte Die Wiſſenſchaft des Jägers nicht, und
Graf Nüdiger mußte fich mit diejem ffizzenhaften Bilde
der unbefannten Nichte genügen Yaffe.
Als er e3 entworfen befam, zählte Fränzchen vier
Sabre, jebt war fie ſchon ein Backfiſchchen von fünfzehn
Lenzen, und noch hatte fein Menſch jemals den Schleier
gehoben, welder dieſes Bild von Said verhüllte —
Als zwölf Jahre feit der Geburt der Kleinen verftrichen
waren, ohne daß fic) der Erbe von Nieded eingeftellt
hatte, ſchien Graf Nüdiger das Majorat für feinen Cohn
gewiß zu fein. Die rubelofen, aber immerhin recht inter:
effanten Wanderjahre wurden beendet.
Nad) langer Abweſenheit gog Graf Rüdiger mit feiner
Gemahlin abermals in Villa Cafabella ein, von neuem —
— ھا ا ری وس
feine altgemohnte, glänzende Rolle in Der Reſidenz gu ſpielen.
Seine Familienverhältniffe hatten fid) während der Beit
bedeutend verändert. Ehemals lebte er mit zwei 1
Knaben, jet gingen erwachjene Söhne in jenem Haufe
aus und ein,
Wulff-Dietrich hatte ote oritcarriere ermählt und war
bereits wohlbejtallter Forjtafjejlor geworden. Nebenbei
hatte er den Titel eines Hofjagdjunfers erhalten, Denn er
war bei Hof {ebr beliebt und erfreute ſich beſonders der
Sympathien feines Herzogs Karl⸗Friedrich Wie man
fagte, hatte Graf Wulff⸗Dietrich ſich dieſe e Auszeichnung
durch eine fehr amiijante Schlagfertigfeit verdient, weldje
ihrerzeit viel beiprochen wurde. Anläßlich einer befonderen
Hoffeftlichkeit in Dresden jdjidte Herzog Karl- Friedrich
eine Gefandtichaft nach dort, und attachierte Derjelben auch
` in befonderem Wohlwollen den jungen Aſſeſſor Graf Niedeck-
Wie es bei folder Gelegenheiten üblich, wurden die
Herren von dem König von Sachen deforiert, und auch —
Wulff- Dietrich kehrte mit einem Orden heim.
Al3 kurze Zeit darnach ein hoher Gait im Schloß
Rarl- Friedrichs einfehrte, ward aud) der junge Nieded
zum Dienjt einberufen,
Die Herren und Damen ftanden nach dem Galadiner
zum Cercle verjammelt und laujchten der mehr oder min:
der huldvollen Anjprachen, durch welche der zum Beſuch
weilende König die einzelnen Würdenträger auszeichnete,
Seine Majeftät war dafür befannt, oft etwas {chart
zu fpotten, — man zitterte vor feinen Gcherzen, weil fie
Rov, CSjoftruth, SH. Vou. u Now, Der Piajoratshertl, © 13
ی .494 —
zumeiit für den Betroffenen den Fluch der Lüächerlichteit
nach fd zogen. €o ftand auch diesmal der Konig und
bemerkte mit adlerſcharfem Blick den Orden auf der Brut
des ےہ Aſſeſſors
ſchaute immer angeſtrengter, ſein Geſicht nahm
aa — mehr den gefürchteten Ausdruck der Ironie an,
und aller Augen hingen in angitvollem Schweigen an dem
unglücklichen Opfer Nieded, auf welchen der König lange
fam zufchritt. Er blieb bor dem Aſſeſſor Stehen, blidte ا
auf den Orden und fragte mit ] 771 Lächeln: Om,
jagen Cie mal, Verehrtefter, was haben Sie 7 n 1 جج
für Sachen getan? 2! سے
Betroffene Mienen ringsum, — — ۲
Graf Wulff-Dietrich hielt den Kopf hoch und ftolz auf
den Schultern und antwortete 770 ironiſch: „ten: N
Midglichjtes, Majetät!! —
Der König brach in ein jchallendes Gelächter aus, in
welches alle Umftehenden von Herzen einftimmten, dann —
reichte er Dem Aſſeſſor fehr gnädig die Hand und nidte
ihm zu: „Out geantwortet, — der Herzog wird nod
Freude an Ihnen haben.” — Und der Herzog erlebte fie.
Graf Wulff-Dietrich war einer feiner talentvollſten und
x ftrebjamften Beamten, und wenn er aud) in manchen Dingen
recht eigenartig und wunderlich jchien, | ojah manıhmmande >
Starrtöpfigfeit und Schroffheit nad), weil er vollſten e ہے
jpeft und Anerkennung verdiente.
War ¢3 nicht in hohem Grade ehrenwert, daß der >
junge Mann, ۹ des Reichtums jeiner Eltern, trop bes
— 105 —
fürſtlichen Majoxats, welches ſeiner wartete, einen eiſernen
Fleiß entwickelte ſich fell bftändig zu machen und eine 2/۵۵۵
a eigener Kraft zu erwerben?
Er war zu {tol 3, um fic bor ۱ Meld er:
nähren zu lajjen, er war piel zu edel und rechtlich Denfend,
um dem blinden Zufall jeine Exiftenz verdanken zu wollen.
Selbjt i t der Mann! — Was er im Leben war und
galt, wollte er nur fich allein verdanten.
Allerdings übertrieb- er in ۲ Anficht ein wenig
Wie man fagte, nahm er nur. die allernotwendig] te Bue ۱
[aqe von den Eltern au, lebte jo folid und einfach wie
{cine 110111. Kollegen ۵ hielt fich der Nefidenz
mit دہ koſtſpieligen Hofleben mit Vorliebe fert.
Der Herzog ſchien ganz andere ٤ betreffs feiner
Satrierr zu haben, — und fehr ungern gab er dem Ge: “ Ñ 2 _
juch des jungen Grafen nad), in der Abgejchiedenheit Dre
Wälder feinen Dienft verrichten zu dürfen. —
Als abermaliges Zeichen bejonderer Huld beförderte -
der Sandesherr ihn zum Oberförfter auf Leuenjtein, einem —
Jagdſchlo of des Herzogs, romantiſch im Gebirge gelegen,
auf weldyem der hohe Herr djters im Jahre weilte, 7 die
verjchiedenen Jagden abzuhalten. x
Graf Wulff Dietrich [ebte dort in سن und
07 Weife, Tut sol jan, eit e Ser und. auf
eigenen Füßen ۰ ہت _
Sem Weg 6 ih nur — in bie 9 ۱۵ went -
die Eltern ihn zu den hohen chriſtlichen Selten, au Gee .
burtstagen ‚oder. ſonſtigen تل einluden, oder — = =
ee
تک چھور نے
wenn er Befehl betaw, feiner Stellung als Sagdjunfer
gemäß am Det Dienſt zu thur. Weld) ein men nn
00 en Wul SE Dietrich: und feinem Bruder Hartwig! —
Graf Nüdiger Hatte feinen jüngiten Cohn bei a
| Dragonern, welche in Der Nefidenz jtanden, eintreten laſſen,
und fo ſparſam HD anjpruchst 08 wie der fünfti ge Majorats-
Herr non Nieder (ehle, j0 grenzenlos verwöhnt und un⸗
| beredjenbar war Hartwig. Die Zulage, welche er von
den Eltern bezog, war enorm, und weil WuljfeDietrid)
feinerfet Unterf ſtützung mehr von deu Vater annahm, jo
erzählte man id, daß Hartwig auch och den Teil, welcher.
für den Bruder ausgeſeht 1ھ gleich einem 111111171162
کل M 00:0 verichlänge,
Und tropdan war er nit in Geldver! ei und 62
nitigt, die Gil (fe der verbfendeten Eltern gar manda al.
٤ privatint 0 fen. |
Troß feines Le 100. erfreute ſich der junge Orel
einer gewiſſen Beliebtheit,
Seine äußere Erich veining, mar نو und Besa
wenn auch jein rundes Geficht mit Dem Dumler, gebr annten
6010 choad Puppenh jaftes gegen die jtolgen,
großen, geradlinigen Züge des Bruders hatte.
Hartwig war auch bedeutend Kleiner wie Wulff: 21 5 ae
| deffen hohe jchlanfe Gejtalt, mit der imponierend ruhigen |
Haltung Die meiſten SE a um ۵ تا کس
überragte. x ۱ ۱
Hartwig bel jaf alle gefelli 00 Talente, ade
dem zukünftigen Majoratsherrn abgingen, er beran es و
zu amüfieren, — er machte ungezählten Damen die Cour,
— er wettete und trank mit den Slameraden, er jagte den
verheirateten Damen die verwegeniten Elogen, — zahlte
verſchwenderiſche Gum men für alle Euppenvereine, Kranken⸗,
Waiſen⸗ und Armenhäufer, welche die unverheirateten älteren
Damen leiteten, er arrangierte alle Partien, Kafinofeite,
Thenteraufjührungen und. Sawn Tenis: Schlachten, weiche
Mütter und Töchter von ihm verlangten, und jo war es
ſe (bftoerftändlich, 8ھ er eine hervorragende Nolle in der
Geſellſchaft ſpielte und unbeſtritten a Löwe des ne
in den Ealons sudo
*
Das Weihnachtsfeſt bor der Thür.
Über den gligernden Fahrweg, welcher vor dem ſtrahlend
erleuchteten Wortal der Villa Cajabella miindete, rollte
die Equipage, welche Graf Wulff Dietrich von 1 Bahn z
abgeholt hatte.
Dhue auf Die Hilfe per Dienerjchaft zu warten, —
der junge Oberfirfter felbjt pen Schlag zurüd und ſprang ہب
auf Die fptegelnden M ojaitflicjen nieder.
| Gr ſtach wunderlich gegen ſeine prächtige Umgebung
ab, alg er in Dem einfachen grauen Sagodcivil Die golde
gegitterte Treppe emporſtieg, aber dic Diener verneigten
ſich fo rejpeftvoll vor ihm wie vor einem Manne, welchem
man nicht nur Ehre arthur muß, jondern welchem man
auch gern alle Ehre ermeift. — Die Gräfin trat ihm mit —
phrafenhaftem Willfommen entgegen und Graf Nüdiger |
umarinte ihn voll gönmerhaften Wohhmwollens, nur Hartwig —
blieb ungeniert in dem bequemen Ceffel liegen, breitete
bie Arme weit aus und fang mit viel Stimme und wenig _
Melodie: „Max, ſchieß nicht — ic) bin die weiße Taube!”
سب en — Scherz für den „gräflichen Jagdburſch“
welcher Sräfin Mutter außerordentlich amüjierte.
pod, lieber Wulff, der arrogante fleine Schlingel da
fant es bir immer noch nicht recht verzeihen, daß Du in
die fimple Siigerjoppe geichlüpft biſt!“ — lachte jie —
und fügte ein wenig. ſchmollend Hinzu, „ebenfo ie =
Deiner. eitlen Mutter ſtets von neuem einen Stich ins Herz
gibt, wenn fie ihren Alteſten ſo ſchmucklos gekleidet daher
kommen ſieht —
„Hm. — Gin Ordensjtern und Trejjenhut, die find
gar 7 — Die find gar gut!“ — intonierte der Dragoner
abermals, dem Bruder die Hand jchüttelnd und 7ء
in Proſa fortfahrend: „Sch verwahre mid) gegen deine
Anjchuldigung, Mama, unjer teurer Freiſchütz ijt ein durh⸗
aus ſchmucker Burſch, welcher ſogar den Ordensjtern ur —
weijen fann! Was willft du —? Sein Civil hat tadel⸗
loſen Schnitt, سب verfaffert ift Wulff: Dietrich nicht in
feiner Ginjamteit, fondern troß dicjem „Grau in Grau”
jo pichittt, daß ich morgen Vormittag öffentlich mit am.
ſpazieren gehen will’ —
Grau in Grau! das 1 e& jal” — fenfste Gräfin
Melanie und. jchmiegte fic) fo zärtlich vorwurfsvoll an
den Arm ihres Großen, dak ihre elegante Toilette in
allen 6671. rauſchte, ſüßer Goldlilienduft jeder
Spike und B Bandſchleife zu entſchweben chen.
— 199 lea
„Mein jchöner, fattlicher unge verfriecht fich in ein
Fledermausfell, während er in blitzender Uniform ein Gott
unter Sterblichen jein würde!” —
„I Eitelfeit, Wa Name ut Mutter!!! —
Wulffe Dietrich fühte bie Diamantgligernden Fingerchen
der noch immer fehr jugendlichen Mama: „ie ſchade,
bab das Echdne mit dem Nüglichen jo felten Hand in
Hand geht!” jebte er lächelnd hinzu. „Als Offizier würde
ich euch jebt noch eben lp viel jchweres Geld toten, wie
der. blaue Apoll dort — welcher feine Götterherrlichfeit
recht teuer bezahlen muß; als Jägermarel brauch ich end)
aber sc mehr zur nr zu len, 00 verdiene felber
genug. —!
um او لے und Rind ernähren zu nan) brave!
das flingt unendlich efrbar und bieder — fo herzer-
freulich wie das Licd vom braven Mann!” amiifierte ſich
Hartwig, die ſilbernen Sporen melodiſch zuſammen klin—
gend. „Aber wie das Lied eines fünftigen Majorats-
herrn und reichjten Großgrundbefigers Hingt es nicht! سے
Teufel ja, e3 ift ein recjter Mißgriff des Schickſals, Daf
es nicht mid) zum A tejten von uns beiden gemacht hat!” —
Wulff-Dictrich Hat zwiſchen jeinen Eltern Plab ges
nommen. Gr zudte in jeiner ruhigen Weiſe die Uchjeln:
„Borläufig hat uns das Schickſal alle beide noch nicht
zum Majoratsheren gemacht, weder dich noch mid!” —
Schallendes Gelächter. „Menjch! — Wulff! — glaubjt
du etwa jebt noch, daß fic) Tante Johanna, die Bucklige,
mit Sinderfranfheiten abgeben wird?”
„Nein, aber tropdem rechne td) wicht eher mut einer.
Möglichfeit, als big fie zur Thatſache geworden ۳
„Das möchte bod) unprattijd fen —“ Ichüttelte
Graf Nüdiger den Kopf: „ich hatte dir im Gegenteil
eine ganz andere Nolle in Dice 0 olgelriege 2
dat!” — ` |
٠. کی“ ۵(۵ welche 2 — ER
` „Du mußt dir bei Zeiten — a. — fo fchnell wie
möglich einen Verbündeten fichern, welcher dir den 0
garantiert!” — ۱ | —
ps verſtehe dich nicht, Papa.“ 3
Hartwig ftieß den Water fichernd an: Die وڈ in
der Groving find viel zu harmlos, um auf ſolche Spitz⸗
findigfeiten gu reagieren, wenn da nicht der Brautbitter
mit dem Strauße m der Hand an Die Thür Elopft um
fein Berächen ftammelt, ۶ nicht, was bon ihnen
verlangt wire! ٠ Wul 20 — teh — 2
projefte! tsherrn von 2
bed wurden che Enê 1 dea Se — gefragt!”
8ار recht! bie ſechzehn Ahnen werden immer rarer
Hier zu Land, und kannſt du faktisch von folofjalem Olid
. reden, daß die Einzige, welche deine ‚Zufünftige werden
ره ein junges, reizendes Mädchen, ohne Bartel oder
Ñ Blatternarben 1۳ — |
| Meine BZufünftigel — ariiflich, pon einem wild»
x fremden Wejen derart ſprechen zu können! Sch fenne bis
jet feine junge Dame, welche id) zur Gräfin Nieded
machen .
Ey
„Un fo feller, Daf dein Vater deiner Unentichloffen:
heit zu Hilfe gekommen Ut — Hartwig I die
Daumen umentander uno recitierte:
„Dann kommt mein Sohn Wulff Dieterich,
Und macht zu ſeiner 00 dich!“
a 5! Dee Heiratsantrag, welchen Papa dem Wickel⸗
finde Bia madte! — Hat das blonde Kind wirflic) gez
duldig auf Den verichriebenen Freier gewartet? —”
`. „Das verjtcht fich, Pia weiß wohl, was fie dem Ge-
Schlecht der Niedeck fchuldig ift! Und wie glücklich {ih
das trifft! Ihr Vater — welcher doch jeit Jahren nach
N. verjegt war, Bat jet als Dberftleutnant den ۶
ichied genommen — wie man jagt aus Gejundheitsrüd-
fichten! — und zieht fic) nun hierher in das Haus jener
Väter zurück Bia lebt immer noch bet dem Bormund,
ehemals in Paris, jebt im Haag. Auf Wunſch des Vaters
aber {oll fie diefen Winter nach Haufe fommen, um Die
biefige 01 zu „verichönern.” Sch lobte die Abſicht
ſehr — ja id) gejtehe ebrlic) ein, Daß Ich Darauf gedrungen
habe, denn ق wird die höchite Beit, daß ihr euch kennen
lernt! ‘Bia wird nicht jünger — und bei ihrer Schön—
heit dürften fich wohl auch Freier für ein armes Mäd—
chen finden. Du haft aber feine andere Wahl wie ۶
Nördlingen, und darum ijt eS gut, wenn dem ehemals
jchriftlich gemachten Antrag nun 8ھ" 09 Der münd—
liche folgt.”
Wulff⸗Dietrich preßte Die Lipper awjammen und blickte
{tarr vor fich ۰
— 203 —
poh Taffe mir durch das elende Erbe mitt und nimmer
mein Lebensglüd zerjtören —/ fagte er ernjt — „und ich
gebe Dir mein heiliges Wort, wenn Fräulein von Nöcd—
lingen nicht nach meinem Gefchmad it, wenn ich fie nicht -
lieben farm —, werde ich fie nun und nimmermehr ۳ =
raten!” Atemloſe Stille. |
And das Majorat” or
z „Das werde id) als Junggeſell ہک nb e
Hartwig freiftellen, durch eine entiprechende a jeinen
Sohn zu meinem Erbe zu machen.” ° -
Graf Riidiger ۵ jo inöttifeh wie immer اد
jchnitt eine jehr erregte Einmiſchung feiner Gemahlin durch
die Worte ab: „Gut, du bijt dein eiqner Herr und kannt
handeln wre du willit. Ich denke aber, Pia wird dein
Fiſchblut auf jeden Fall in Wallung bringen, und du
wirjt Die Genugthuung haben, deinen Ruf als ٢۷۴
Ehrenmann nicht im mindeften Durch eine ummoralijedje
Bermunftsheirat zu gefährden!” — Er ſchwieg und wandte
ſich nach der Thür, in welcher ein Diener erichtien, DOG a.
Couper zu melden.
Wulff: Dietrich bot auf einen Wink des Grafen der —
Mutter höflich den Arm und führte fie fchweigend durch š
die lange Flucht ber Salons nach dem Speijejaal. Mehr
rote je empfand er eS, ein (rember in jeinem Baterhaus |
geworden zu ۰ تا
Laune [ft — was Laune ۶
6٣٣
ıı dem alten freiherrlich von Nördlingenfchen Haufe
k brammte bie Lampe in dem etwas altmodifchen,
۱۱ einfachen, aber ſehr behaglichen Wohnzimmer. In
bem bequemen Lederjeffel, welcher jchräg neben den Sila
gerückt war, jaß Der Oberſtleutnant und ſtudierte eifrig
die Zeitungen
Draußen. heulte der Schneeſturm durch die enge Gaſſe,
6+ von Eiskörnchen prafjelten gegen die Scheiben
und die roſtigen Fenſterläden greinten in den Angeln.
Wie gemütlich war e8 im warmen Zimmer! Der
Freiherr rieb Sich in beiter Lamune bie Hände und os —
ſich nachdentlich in den Seſſel zurück x
Seine eigenen Angelegenheiten ۵ ſſierten ihn mo-
mentan mehr, als alle Händel der fernen Außenwelt,
welche die Zeitungen erörterten. Ein Gefühl innigfter
und glüdlichiter Zufriedenheit überfam ifn.
Nach mancherlei Stürmen, Sorgen und Mühen war
er in den Hafen glückſeliger Ruhe eingelaufen, jetzt erſt,
د 906 سب
nachdem er den bunten Nod ausgezogen hatte, in Wahr:
heit ein Freihert zu fein. Seine Berhältniffe waren nie
glänzend gewejen und. bi ficben auch jetzt recht beicheiden,
aber die ۲ reichten für ein anftändiges, genügjames
x Leben aus, und das war die Haupt} ſache
Seine beiden Söhne waren gut aufgehoben. Der
Alleſte war Marineoffizier geworden, der Jüngſte be—
rechtigte in der Selekta des Kadettenkorps zu den bef ten
‚Hoffnungen — und Pia — feine einzige Tochter — —
Ein {tra hleudes Lächeln pertlarte das Antlitz des alten
Offtziers Für Pia war nicht nur ‚gelorgt, ےت ۳
gar glänzend geforgt.
Vorhin Hatte er Graf N übiqer im otelatlub کت
In intimſter und vertranl ‘ichfter Weije hatte ſich ۵68
erfundigt, ob dem fein fünftiges Schwiegertöchterchen
nun endlich eingetroffen fet; felt Weihnachten habe er
fie bereits ſehnlichſt erwartet, denn ق werde Dod) nun
b hohe Beit, daß er das Wort einlöfe, welches er für i ſeinen
Som dermalen an die ‚Kleine verpfändet!
". Her. von Nördlingen hatte ſchmunzelnd erwidert,
bak fein Töchterchen jeit Drei Tagen zu Haufe angelangt
fei, und daß er nicht er ۱ De ie in Villa 2
bella zu präfentieren!
Der ‚Graf war näher zu m herangeriit
Am 14. diefes Monats findet der lebte Hofball
ftatt — hatte er geflüftert. „Ih habe Wulff-Dietrich
dazu Herbeordert, damit er auf die Brautichau gehe.
Sorgen Sie nary lieber Ne, daß Pia auf dem
os وو
Balle anweſend ijt, Damit wir die مه der دوز
Reute anbahnen! Mein Junge ijt nun alt genug, تس —
heiraten zu können, und ein Erbe it meinem Vetter Willie 9
bald auch nicht geboren. ۷ 0 miiffen wir an die Aufunft
benfen! — Wulff Dietrich ijt ein. 667 Kauz ex
nimmt e3 in Liebesdingen ſehr ernft und ‚feierlich, Hoffent-
lich ift Pia in ihrem Weſen recht ansgefprochen deutich
‚geblieben, troß der langen Sabre welche fie in Baris
verlebte! Wulff⸗Dietrich haßt alle franzöſiſche Art, und ich —
glaube, er hegt in diefer Beziehung Be fürchtungen! Wollen
Sie und Ihre Frau Gemahlin nun nach Kräften auf die
junge Dame einwirken, befter Freund, daß fie Hd dem
Gejchmack meines کوٹ ein wenig anpakt —! Edit
weiblich! Nicht von Bolabüchern und amüjanten Erleb⸗ |
nifjen im Chat noir erzählen! Dafür hat mein folider Sohn
fein Verftändnis! — Alfo ich verlaffe mich auf Sie, lieber: 3
Nördlingen, das Glück unferer Kinder fteht auf dem Spiele!
Daran dachte der Freiherr jest, und ein pfiffiges
Lächeln huſchte über fein Geficht. —
ia, feine goldlodige Pia, eine Parijerin!! ۱
OH, wie wird Graf Wulff-Dietrich jenen schwarzen
Verdacht, welchen er hegte, vor diefem Urbild aller deutjchen
Sittiamfeit, alles edlen Stolzes fniefällig abbitten! —
Was wird er für Augen machen, wein er Die Hit ibn
Yuserwäblte 116011 —
Der Oberftleutnant wiegt fich ſchon in den rofigiten
Hoffnungen und fieht die ftolgen Triumphe vor Augen,
welche jeine Tochter und durch fie auch er feiern wird!
— 208 =
Er Hat Pia allerdings — nicht mit jungen Herren
verfchren jehen, aber er iff überzeugt, daß ihr ftolges, ` — x
ſelbſtbewußtes Wejen nie die Grenze des Erlaubten über °
Ichreiten wird! Dennoch thut er wohl aut, ihr zu jagen —
was Graf Wulff Dietrich von jungen Mädchen verlangt,
und was für fle auf dem Epiele Steht. —
Die Thür im Nebenzimmer öffnet ſich ein feichter
Schritt nähert ſich, = Dani n ein مت 0 an
dem À
bla. 2
‚sa, Papachen, en bin es!“ ae
„das 10۱۱۲ bu?” ۱ mee
yrs) gebe noch zwei Fleiſchgabeln heraus, — ſie fehlen
auf dem Tablett. 1ل" ru Ht du? Coll id) dir etwas
beforgen ? '
(71 beſorge nur imal mein Töchterchen Diether!”
Cie lacht leife auf und tritt ein. Der Lichtichein der -
Lanipe fällt auf ihre hohe, fchlanfe Geftalt in Dem ge— ; — :
ſchmackbollen, dunklen Hausfleid.
Wie eine junge Edeltanne iſt Me gewad] fen, haul ۳ 200
مھ biegſam und graziös. Ihre Bewegungen
ſind ungezwungen, fehr fiber und deunoch anmutig, etwas
2101208 ر Eigenwilliges drückt Hd in der Haltung ihres
und Kopfes aus. Ein auffallend reigendes itll حرش
"wendet fih dem alten Harn zu. Blondes Hanr,
welches ausjicht, als ob grefle Goldjüntchen darauf
brennen, lot {ih voll und üppig über der 0 und
ſchlingt ſich zu ſo dichtem, hellglaͤnzendem Knoten, dap
isin: | =
W. ad e
01 9
2
9 و
Des
Wy. EpaHftruth, IL Nom. u. New. Der Majoratsberr |:
— —
ih wohl. ‘eben Beihauer der Wunſch aufbrängt, I —
goldene Pracht einmal gelöſt zu ſchauen
Große, veilchenblaue Augen feuchten über zart rojigen >
Wangen, — die Nafe iſt gerade und 7759ھ( ber 2۳ x
gleicht friſchen Kirſchen —
Ein Ausdrud finnender Weichheit liegt fiber bet garten ۱
Gelichtchen, und dennoch faut dericlbe ſchnell ſchwinden
und einer ſtolzen, ſpröden Kälte, einer leidenſchaftlichen
Erregtheit Platz ۵ . x
Shr Onfel Dat den: ‚Eltern: geichrieben: „ia TH ۲
leicht zu behandeln, wenn man ihrer Eigenart gerecht
‚wird, Cie fann dahinjchmelzen in Licbe und Weichheit,
benn man ihr mit ber zarten, liebevollen Rüdficht bes ve
geqnet, wie fie thr unberiigrtes, ich möchte beinahe jagen
هموزر Kindergemüt | verlangt. Eine Hobe, fittliche
` “900011 prägt all ihrem Handeln und Denfen den
Stempel auf, fie it fähig ſich für einen 71
` Bettler, welcher ihr, mit Rejpett begegnet und eine ehren
hatte Gejinnung begeigt, aufzuopfern, und fie ijt gleiche —
falls fähig, einem Prinzen, welcher fie nur ۱ 71
Dutd) einen kecken Blick oder ein ٤9 Wort verlept,
Krone und Purpur vor die Füße au werfen, wollte = os
ihr diefelben: anbieten! — `
ch 2 ehr! ich ein, dab mir Diele, alferbings ا etwas
Ichroffen Gegenjäte ihres 8 eher fultiviert wie ab: `
geichliffen haben, denn Pia gleicht einer Noje, welche der
Dornen bedarf, ihre feu jche Schönheit zu Dibe. —
Ben ie و Tugend 08 gut Zeit auch noch zuläßt,
= 1 —
daß Via m ihrer Mimo} jenbaltiatci Die und ba gu weit
geht, jo wird fied das „zuviel“ ſchon ganz von felbit
ae. wenn fie ruhige md reee Anſichten von
Welt und Menſchen erhält. > |
Der Legationsrat war ein 092 und geilt-
reicher Mann, er hatte Die Kleine Nichte, welche in jenem
Haufe herangewachjen war, ſehr richtig geichildert, aber
Herr von Nördlingen war gar nicht im mindeften diplo-
matifch beanlagt, und viel zu ungewandt in der Behand».
lung von Mädchenherzen, als dab obiger Brief die gez
wünfchte Wirkung hätte auf ign ausüben fonnen. Er
hatte ut ۲ Sugend faum ideale 0070 gekannt,
— jebt, im Alter, nach dem ſchweren, 71 ے
des Lebens, hatte er ۶6 völlig verloren.
6 dachte nur praktijch, nur real und nüchtern, ind ۱
wer anders au Denfen wagte, den nannte er überjpannt
und unvernünitig. Der Gedanfe, bab ein M ädchen cine
jo glänzende Partie wie den Majoratsherın von Niedeck
nicht mit allen Fiebern des Herzens erjchnen, — ja, woz
möglich ausfchlagen finite — diejer Gedante fain ihm gar
nicht in den Sinn, tm Gegenteil, er war überzeugt, daß die
Pläne des Grafen Rüdiger Pias Herz mit demſelben Stolz
und behaglichem Entzücken erfüllen würden. die Das ۰,
‘Und ۲ Überzeugung 30g er das reigende Töchter
hen neben fich auf einen Eeffel und reichte ihr ſchmunzelnd
۱ cin großes, gelblich gefärbtes Kartonblätt gin. — 9
„ta, Was hätte ich denn hier, Mamjellchen 2 — Donner
u Doria nod Me, ich Hoffe, Du freuft dich!
14*
Er oo
‘Ria warf einen lic auft bas وط ا Wappen
und Die gedruckten Heilen en darunter. Ein ſonniges Michels ae
erhellte ihre Züge: : a
„Ein Hofball? — am 14 22 aut ich bin ai 10000 ہے
mit eingeladen? ©, das ijt reigend, ich freue mid) gar
zu ſehr, unjere hohen Herrjchaften kennen zu lernen, denn
نموه war es doc) toll, daß ich in der fo DOIG
fremd geblieben
| ‚Der Freiherr fniff mit geheimnisvollem Lächeln. Die
: unin zufammen: „Sa, هه üt toll, — du bift viel zu
Lange meggeblicben, und haft nun gar Manes ichleunigit
nachzuholen, mach dich mur ganz beſonders hubſch, und
nimm deine roſigſte Laune mit, mein Goldfaſänchen —
denn es it noch eine viel wichtigere Perſönlichkeit wie
Cerenifi unus ba, welche dich auch kennen lernen will!“ —
ia blickte under fangen auf; die langen, dunklen Wimpern
malten breite Echatten um die Augen.
„Noch wichtiger, wie die 0 سیت Saif
ja gar nicht 8 774 — ER
Der Oberſtleutnant kniff fie vol o 2:10٤
in Die Wange: „stlemer WF du! was gehen ein junges کک
Middel denn Die verheirateten Leute an! — Bei euch font ا
doc). immer zuerſt die oe 0 dann erjt Die Königs:
| — 1 ی
Bias lachetndes Wnt ib ward plößlich ernit: <
dich nicht, Papa! — ſagte fie, unwillkürlich ein 00111006
wenig weiter zurüchveichend. Da lachte Nördlingen in
jeiner etwas derben Manier laut auf und recitierte — ‚
„Du Kind mit goldenen Harden,
Wart’ noch achtzehn Zährcen,
Dann kommt mein Cohn Wulff-Dieterich
Und macht zu ſeiner Gräfin Dich!“
„Hahaha — Epiritug, merkt du 7 ۱
Das junge Mädchen zuckte zufanımen, hoch und ftolz
bob ie) das goldjchinnmernde Haupt auf den ۰
you weift, Papa, daß ich ۷ abſcheulichen, frivolen
Bers Hajje!” — Stich fie mit bebenden Lippen hervor
Nein, Herr von Nördlingen war gar fein Menjchenz |
kenner, jonjt hätte er fchleunigit feinen 601017
geändert.
Er verstand Hid aber nicht auf den Blick aus ۰
augen, darum +7٤ er noch mehr und noch ۰
„eu haft ihn gewiß, mein Herzchen, weil der jaumfelige
۷۱۷۶ die achtzehn Sabre verftreidjen Beb, ohne jen Wort —
cingulijen? Na, das war nicht feine Echuld, ۲
Willibald Hat fie ja durch jeme Heirat auf Wartezeit -
راو und jebt erſt ۲ wohl die Erbjolge gefichert.” — —
ار — die Werbung galt allp mur den 11 Ahnen?“
furchte Pia die Stirn und fuhr voll ſchneidender 7٤+
fort: „Die Braut felber war völlig Nebenjache! erhielt
| Graf Wulff das Mojorat nicht, jo war auc) ۱6 ۵
Ehe unnötig. Er hielt es nicht einmal für notwendig,
fic) Die Butünf tige anzusehen, bis ihm das Meſſer an
der Kehle jaß; nun aber, wo es ernftlich Zeit ward, an
‚den Handel zu denfen, nun kommt er wohl gar auf den
SHofball, um nich zu mufteen 7۱۳ —
Der Freiherr. zuckte gleichmiitiq Die join: : „ou N
0 über Dinge, die dur nicht verſtehſt; Prinzeſſinnen ٦
und Edeldamen, welche 1 auf Traditionen zu
nchmen haben, müffen id 00816 Liebeswerbungen a aus See
dem Kopf ۲ a
„sch bin aber feine Wrinzeffin. — ich für Sand —
und Welt opfern muß! —
Aber du biſt ein armes, blutarmes Mädchen, welches aoe ٦
auf jeine Familie Miicfichten zu nehmen hat und Gott
auf 11 Danten mup, wenn Der reichite Erbe des Herzog⸗ ®
tums ق zu feiner Gattin machen will :
| Pia hatte ich erhoben, ihre ſchlanke Ge} italt bebte, ihr
Antliß war leichenblaß. „Co arm ijt meine Familie nicht,
um ein derart fündhaftes Opfer von mir zu verlangen,
und fo elend, ſo verworfen und unmoraliſch bint ich nicht,
um einen derartigen 9 zu billigen, ء٤
Gott dafür zu danfen, daß man — bis zur Conan
oe oil! ا
Hormesröte ftieg in das ۸ bes Dberftleumants,
aber ev war noch viel zu betroffen, viel au Starr über
Dieje 1806 unfaßliche Wendung ber Dinge, a er kaum
zu ſpr echen vermochte.
Cr Hübte die beiven Hände felt auf Die دسا
„Halt du eine bejjere Partie in Ausficht, alS wie den
Grafen ۷ 03س ۱ |
„ren, Papal’
„Halt Du did) bereits im einen anderen verliebt 2”
en Papa, ۷ — |
un, dawn verbitte ig me in Sufumft alle deine —
kindiſchen Einwände aufs ftrengjte! Kannſt Du mir
einen anderen Freier zuführen, welcher. ſich in jeder Weife
mit Dem Majoratsheren von Nieder mefjen fann, gut, jo
will id) dir gern Die freie Wahl zwijchen beiden geftatten,
x kannſt bu es nicht, jo Balt bu Dich gehorjam dem Willen
deiner Eltern zu fügen, welche ee 9 und deine Zukunft
jorgen wollen! —” `
Auch die Gewalt der Eltern hat ihre Gr enzen braufte
Bia voll Leiden} 67 Erregung auf. x |
Allerdings, fie hört auf, wenn fle ungehorfäme nd
widerjegliche Kinder aus dem Baterhaus verftogen! —
Und ich verfichere dir, Daf ich nich nicht von 78,
vBockfiſchſchrullen und franfhaften € Sentimentalitäten turan:
nijieren laſſe! Füaft du dich nicht unjerer Fürſorge, gut,
jo fich, wie du allein fertig wirft, unfer Sind Pit Du
dann wicht mehr, das merfe dir. —“
Er hatte mit jehr ruhiger, beinahe kalter € @limme qez
jprochen, und das junge Mädchen wußte, was das bei
dem 77 befagen wollte. a. ہت
Gr hatte nie einen Widerſpruch ertragen, er konnte
na Rlos heftig und jahzornig werden, wenn man ſich Anz
۱ افو welche er getroffen, nicht fügte. - Daran war
ee a auch feine militärifche Carriere gejdjeitert.
Und 7 Tropfen biejes Hibigen Blutes رورت 27 ۱
im Pins Adern. ۱ |
Bis in Die Lippen erbleicht end fie bor Dem gran- |
famen Sprecher. Sie kämpfte und rang gegen ſich jelber. ۱
— 216 —
90 fie jebt, fo war 8 he ewig aus wiſch en
ihnen, das mußte fi. | —
Und fie hatte den 701 im Saag er
auf die Sehroffheit des 8 Rückſicht zu nehmen und
feine Scenen herauf zu beichwören.
Alſo jehweigen; — Zeit gewonnen, alles qempunen.
Sie hob das Haupt ا in den Nacken und wandte fi
zur Thür.
prod eins!” klang Die Stimme des Oberftfeutnante
hinter ihr. Glaube ja nicht, daß du den Grafen Durch
ein unliebenswürdiges Benchmen zurüchchreden ]6111111! —
oon abweijen oder abjchreden bleibt eins für mid). Ich
werde dafür forgen, daß du im Verfehr mit ihm beob-
. achtet 0 x
Ein bitteres Auflachen wollte fic) von ben Lippen des
jungen Mädchens ringen, aber fie preßte Diejelben wie
unter phyſiſchem 7 krampfhaft zuſammen und trat
haſtig über die 8۶ —
In demſelben Sanden, ‘aut demfelben Etuhl,
wo einſt Tante Johanna ſaß und gequälten Herzens den : :
Blick zum Himmel hob, 8ژ jest ihr Liebling Bia und.
preßte das Antlig fehluchsend im die Hinde. ES waren
Thränen der Verzweiflung, der leidenſchaftlichſten Em-
pörung, welche fo brennend heiß Durch Die ſchlanken Finger x —
periten.
Ihre heiligiten, lauterjten Gefühle waren verleht, ahr es
Stolz zudte unter dem Keulenjchlag, welcher ihn getroffen.
5 xe =
< aw _
— —
2
Als Ware — als willen nb ا5ء ihre jollte
fie verhandelt werden, — wie eine Stlavin ichleppte man = =
fie auf den Markt, pries ihre jechzehnt Ahnen mit prahe
leriſchem Geſchrei an und der Mann, ‚welcher jut eine
Stammtafel Diejes Inhalts gebrauchte, um damit im Ein
taujch eines Wajorats em gutes Geſchäft zu —
fam mit gleichgiil tigem Blick, Das notwendige Tibet, ) welded. ce
Wozu noch dieſe entehrenbe, demiirigende Komödie A
zu dem alten Stammbann gehörte, in agente zu
nehmen! = ۱ ۱ =
Ob fie im gefiel oder nicht, — es war ja jo gleich⸗ — xÇ
gültig! er wah te fie ja doch nie und. nimmer aus hem ے.نتے.
Yırtrieb, aus Liebe und herzlichen Zune gung, er heiratete =
fie eben nur barunu weil er He ۷ mußte, weil ihm — — 3
feine andere Wahl اط ied, weil die, 00110851 die 8 li :
Ba Erbfol gerecht ihre Bedin aung | 00 x ‚Hatte 1 W Willibald are
oe تو gert, Tante Sopanna heimzuführen? oh
— Sie, die al terube, 2 Berfrüppelte, nach toeldher jonit رت
mie تہ anderer Dann, ۷ا der bejcheidenjte nicht, vie 7تت
hatte? Tante Sohanna behauvicte — کو Hände ausge ا
au fie fet überjchwenglich — geworden!
2 9. aber zur Sliteklichiten zu machen, — dazu qez
hörte nicht viel! Ihre Engeljanftmut, ihre Beſcheiden⸗
heit, welche an Untenvürfigfeit grenzte, — ihre namen:
0 Dankbarken für die tleinſte Freumolichten und Auf⸗
mertſamkeit — ja, wie hätte Tante Johanna jemals alte: ۱ —
der Seue eines Mannes unglidlich werden follen, wenn der
ſelbe ihr jattjam zu eſſen gegeben hätte, ohne ſie zu prügeln!! BR
gen
` Uber Pia trug nicht die Serappjeheingen Diefer Dulberin ۱
den Schultern! —
€p, wie einſt Johanna Bier n hatte und das
anne. eines Grafen. Niedeck jum Inbegriff all ihres
x Gluckes zur Sıfüllung ‚ihrer 671 Träume ward,
jo jap jebt Ihre Nichte an 7 Plat UND. zermar⸗
terte ihr. Köpf chen mit den. abenteuerlichſten Plänen, mie
fie den verhaßten ی ی — Grafen Nieded
fernhalten ۰7 | en
Cie fagte fich jelbit, bag. te bei den 6 fein Bere . Ñ Ç
ſtändnis für ihre Herzensnot finden werde, hak ont 2:
lungen und Bitten erjolglos bleiben wiirden, und fie fagte
Sich ferner, Dab Graf Wulff⸗ Dietrich Huldvolfft ihre Hand
-accepticren würde, meun er fich überzeugt hätte, Daf die
۱ „offizielle“ Gattin, welche er heimführen mußte, fein Un:
QeDeucr an Haßlichkeit oder Bosheit fei! Pia, die Epride,
Feinfühlige, gitterte vor Scham bei dem Gedanken an E se
0 Begegnen mit dem Grafen ۱ x
bini te nicht jtattfinden, mm und mere
Aber wie ſollte fie es verhindern?
Bon ihr durfte bas Vereiteln der eltetlidien Blane
nicht ausgehen, سے es würde fie das Baterhaus und die
Heimat: koſten, es würde 0 Bande ziwiichen ihr und den
Menichen zerreihen, welche ihrem ‚Herzen — der Welt —
am 11 Ranben!
لا Tante Sohanna 7ء =
Gerade Sie: fann in dieſer Angelegenheit ‘wo. Bann.
um ihr Bejim handelt, 020ھ jür fie eintreten!
— 220. —
Was 1011121 —
Bi نارق zuͤckt eë wie ein rettender Gedanfe durch ihr
Köpfchen; dierotgeweinten Augen Strahlen auf, ein Shimmer
` toliger Hoffnung vertlärt ihr Antlitz ۱
<. Ele wird an Graf Wulff-Dietrich felber jchreiben!
Man fagt ja, er fei ein Ehrenmann, reich an allen Tugenden,
ijt e8 thatjächlic) der Fall, jo ift er vielleicht ۸
genug, ihr zu Hilfe zu ۰ ۱
Bia fräufelt roniſch die Lippen Gibt es heutzutage
atjächfich noc) Männer, deren Nitterlichkeit 0 —
ft wie ihre Goldgicr?
. Wenn fie ihm fchreibt, dah fie die ۸۵ mb erz
zwungene Ehe 71 ihnen unmoralifch und entwürdigend,
für ihren Etolz geradezu 1150 lich findet, jo wird er
fier poll Diplomatijcher Gewandheit alle möglichen
Ausflüchte und 1ا20 in Das Treffen ſchicken,
wird fic) auf die, durch Jahrhunderte geheiligte عم
dition berufen, und wird Die Konvenienz der Fürſten—
een citieren und was €3 0 en mehr an klingenden
Phraſen gibt. |
Nein, damit padt fie ihn nicht bei der Ehre, damit
faßt fie nicht jene einzige Anficht, über welche e3 für
ritterlich denkende Männer fein Disputieren gibt.
Cie wird es anders anfangen, jefuitisch — mit Sem
Wiegentiedlein für ihre Sfrupel, daß ja der Zweck die
| Mittel heil 01: Pia nimmt mit ftürmenden Pulſen Feder
un Papier zur Hand und [bt fic) nieder, an Graf
Wulff⸗Dietrich zu ichreiben: |
کے
ie et per Graf!
58 wird Sie überrajchen, einen Brief von mir, br ll
Unbetannten, zu erhalten. 30 weiß, bab ¢3 nd ۱
gegen Form und gute Sitte ۱0۲ ر wenn eine junge
Dame an 71 fremden jungen. Herrn einen Brief richtet;
es gibt aber Lebenslagen, in welchen alle Nebenjachen
vor der großen, ۷ Hauptfache 001. Verzeihen
Cie, wenn ich cine Angel egenheit berühre, weldje uns
Ë beiden nicht fremd iff, und nächlter Beit doch 001
uns hatte erörtert werden müjlen. 58 betrifft die rein
x gejchäftliche Abmachung unjerer Eltern, uns zu verdei-
raten. Ich feine fie nicht, Herr Graf, aljo können dieſe
Zeil en Cie auch nicht beleidigen Meine Anfichten über
eine derart gewaltſame Vereinigung zweier Meunſchen,
‚welche vielleicht in nichts Harmonteren und feinen Funken
pou Sympathie, gejchweige von Liebe für einander fühlen,
Dicje Anfichten möchte ich Ihnen gar nicht crit ausſprechen,
| denn ic hoffe, Sie teilen Diefelben mit mir. Sicherlich
würde es 7 unangenehm beruͤhrt haben, eine Frau
zu heiraten, welche nur anf Befehl der Eitern Ihr ۲
gegeben! Wenn ich mich aber jest it meiner Verzweif⸗
tung an Cie wende, hochgeehrter Herr Graf, nut 1
Zuverſicht auf Ihren Edelmut und. altem Vertrauen in
Ihre Nitterlichfeit, jo. werden. Sie mir gewiß nicht die
Hilfe perfagen, um meldje ich Sie anflehen möchte |
„Se liebe, Herr Graf! Liebe mit per ganzen heißen
Innigkeit einer tiefen Neigung einen Mann, welchem ich
Treue gelobt Gabe und welchen ich auch Treue halten |
will, — قاط zum Tode, — Eeiner Werbung fteht viel,
— alles im Wege, jolange meine Eltern in der unglück—
jeligen Zuverſicht leben, in Ihnen den reicheren und darum
willfommeneren Freier begrüßen zu fönnen. Eine Weigerung
meincerjeits, mit Ihnen auf dem Hofball am 14. 8
Monats zuſammen zu treffen, würde eine Vernichtung -
all der. heißen 82 fet, ‚welche mein Berlobter und
ih in bie Butunit feben, denn der Zorn meines Vaters
wirde mich zu ftrafen willen. Nun wende ich mich an
Sie es ‚Herr. Graf, und beſchwöre Cie bei
lee, as Ihnen heil ig it, erbarmen Cie ſich meiner
und. n Sie am 14. dieſes Monats nicht auf den
Ball. Cine Depeſche e fan Sie im lebten Moment ents
` fehuldigen, erjparen Cie uns beiden das entichlic) Pein
liche einer per} jönlichen Begegnung. ہا Sch wiirde eà ee
Ihnen in unbegrengter D antbarteit ‚zeitlebens gedenken!
— رج weiß, bab ich piel, jebr viel von Ihnen verlange,
Deut 8 blieb. mir nicht. unbefannt, daß ſich Ihre reiche
Erbſchaft an meine ſechzehn At nen fnüpft; aber eh
Slaube | an Ihren Edelmut, an Ihren Nitterfinn ift größer رت
- wie meine - oft bor Shrem Trachten nach Gold und
2 Schaͤten ann bin zu Cude mit meiner Beichte, id) lege .
fe vertrauend in Ihre Hand. — Schreiben Cie mt ٦
: feine Antwort, nn Antworten Sie mir Durch Sov Fern⸗ 2
bleiben, — und ich werde Cie jegnen dafür! |
Pia, Freiin von Nördlingen: Gunmersbach Hes
= WS die junge Dame dicje Zeilen in fliegender Halt
— ee —
zu Papier gebracht, {as jie ‘bag Geidwiehene nod) ۵۱
flüchtig durch und lehnte ſich alsdann mit glühenden
| Wangen in den Seſſel zurück Eigentlich war es umer:
dit, was fie, da gejchrieben hatte!
Rügen, frei iche Yügen von Liebe — Treue — 1
: nem Verlobten! Ware fie nicht gar zu aufgeregt und
— außer ſich gemwefen, fie würde hell aufgelacht Haben!
That fie 12 — Cin großes Unrecht! Gewiß nicht,
fie fam mur der Lüge des Grafen: „sch liebe dich” سے
= geſchickt zuvor عمط سل ftarf aufgetragen mitte Das
Schriftitück fein, denn ein Mann, welcher fic) überhaupt
zu jo einen 7 Menſchen handel hergab, ber
war nicht. jo peinlich in feinen. 9011.
| Da mußte {con ichiver es Geſchütz aufgef ahren werden,
۱ sollte in ſolch ein Herz die Brejche des Mitleids gejchoffen :
werden. Pia fiegelte und adrejlierte den Brief, dann
hüllte fie ſich in Pelzmantel und Kopfluch und eilte, fez
bernd. vor Ungeduld, in den Schneeſturm hinaus, das
wichtige Schreiben eigenhändig zu bejorgen.
Ungefehen tant fie wieder heim und [ete fich in das
Fenfteredichen, um fic) nun einem Hangen und Bangen
in jehwebender Pelt hinzugeben. en
Dann Schritt fie abermals zu dem Schreibtife, um
einen Brief an Tante Johanna zu verfajjen. Sie a |
tete thr rückhaltslos ihr Herz aus,
„Wenn eS irgend angeht, Herzenstantchen, ne nie
zu dir ein, damit ich fo bald wie mög (ich von hier. wen. u
(0 ۳ bat fie تا Suh inp. 2 feine Soufine ara:
جو 921 —
chen noch nicht, und ¢3 ware Dod) Hohe Zeit, dap mir.
— — — 0
* *
Die Tage pergel ſch nell und der Hofball fam. ..
gran von Nördlingen that alles, was in ihren Sträften
jtand, um ber Tochter gut yugureden, und der اهاط —
leutnant war die. verkörperte Güte und. Liebenswürdige
keit, ſtets von neuem bewußt, den Glanz des Niedeck je
x ſchen Majorats it überſchwenglichſter Weile auszumalen. at
| Und Pia ſchien wirklich and) nach giebiger zu werden,
wenn fie auch quill und bla, mit 001. age nine
berging.
„Die ganze Stadt jpricht bereits von Ori Wulff⸗
| Dietrichs Brautſchau!“ ſagte fie aufgeregt. „Man er:
wartet unſere Verlobung mit Beſtimmtheit, o, Mana, wenn
ich ihm nun nicht gefalle, wenn er jchon eine andere erwählt
hätte, — Graf Hartwig ſoll jüngjtgin erzählt Haben,
fein Bruder wolle fi) an Landesfürjt und Kaifer wenden,
day die Erbjchaftsflaufel als unhaltbar aufgehoben werde,
ach, ich würde Sterben vor Schaum und Stolz, wenn er
۱ io nicht mit mir verlobte.” =
ey Oberftleutmant drehte grimmig den Edimerbati =
= in bie Höhe. „Sc wollte e3 ihm nicht raten!” wetterte
ate „eine Tochter ijt feine Puppe, die man 7٤1
und ungefauft wieder aus der Hand legen 7
Cr jah es in jeiner Erregung nicht, bab es um Bias
Lippen wie ftolze Genugthunng zudte. | |
a wie ie ſtaud die j paige Varonef | bor r dem 2
a ہے
Spiegel und ftarrte mit fiebernden Pulfen auf ihr munder-
holdes Bild. Sie empfand es felber, fam Graf Wulff,
fo trat er freiwillig nicht mehr zurüd, eine namenlofe,
Ihwindelnde Aufregung folterte fie, mechanisch ftieg fie in
den Wagen und fühlte, daß ihr Herzichlag ا0 bei der
quälenden Stage: „Wird er "ئ] 7×
ae YY
“Er lebt vom bloßen Pflichttell ۵ Sebeut RE =
und gibt bie volle Erbigaft (n! 7
| ege
age Bia den Saal betrat, mute fie Durch etliche
NZ Reihen junger ‚Herren fchreiten, melche erwar—
۴ tungêboll in der Nähe der vergoldeten Flügel-
thüren Spalier bildeten, und bei dem entziidenden ۵
blick der „unbefannten Göttin” überrafcht zurücktraten.
Die wohlfrifierten Häupter neigten Hd) grüßend, Die
Sporen Hangen mit melodijdem ۵ zufammen,
und dann flüfterte es von Mund zu Mund; „Wer
war das? — Brillante Erjcheinung — bildhübſch! ۰
Wetter, dieſe Auffriſchung that unferer B lütenlefe not! —
„Baronek Nördlingen- Gummersbach! | —
Thatſächlich? Die ſchöne Pia?” —
Sanz friſch aus dem Haag veri idjrieben! Für Wulff
Dietrich, den Majoratöheren, weldjer jechzehn Ahnen zum -
Heiraten braucht!” —
„Sratulierel ۸ hat er eben einen folaffalen Dufel
nn fommt beffer weg wie fein Onkel Willibald!”
= 008 —_
„uf Kommando? —
„Bas Hilft’s! 8۲ ja die 6 ٤ don bor
awangig Jahren für ihn abgemacht!“ —
„Merkwürdig! Man erzählt fic) dod), Wulff-Diet-
rid) Habe eine ftille Liebe für die kleine Edda Feigen
felt!“ —
„Habe ih aud gehörtl Soll fie glühend lieben und
‚beabfichtigen, die Majoratserbfolge um بیس ſchießen
zu laſſen!“
„Aha — darum will 7 Nüdiger die Sache etwas
071 zum Abſchluß bringen!“
‚Ra, na, wenn eë ihm nur glicdt! — Der Sohn ift
ein Starrfopf par excellence! Er wäre imijtande, einen
Strid) durch die Schönen Pläne zu ۳
„Auf alle Fälle wird es intereſſant fein, ihn Heute
abend zu beobachten!” —
Wenn er überhaupt kommt! Hahaha, ic) traue es
ihm zu, daß er das Rendezvous ablehnt!“
pyramidal! — Das kann einen Hauptjcherz geben!”
Niemand der Herren hatte im Eifer der Unterhaltung
bemerkt, daß der Oberftleutuant von Nördlingen feiner
Gemahlin und Tochter in furgem Abftand gefolgt war
und momentan an der Thür ftehen blieb.
Der alte Herr hatte Wort für Wort vernommen. Das
Blut ftieq ihm fiedend heiß zu Kopf.
Er ärgerte fi unbefdreiblid), und empfand beinahe
ein Gefühl ängitlichen Unbehagens bei Dent 1
an die niedliche Gräfin Edda — danır aber ladjelte
س 007و بت
er ironiſch und hob den Kopf noch Höher auf den
Schultern. ۱ 0
Pia nahm den Kampf mit ۱۲ auf! Seine Pia, o,
eë war ja gar wicht möglich, bab Wulff: Dietrich fo blöd:
finnig fein konnte, um einer fentimentalen Neigung willen
ein Majorat wie Nicded aufzugeben! Es wäre nicht allein
rückſichtslos gegen feinen Vater, fondern aud) im 01
Grade beleidigend gegen Pia — gegen ihn, Nördlingen!
Es würde einfach unerhört, geradezu empörend fein! —
Aber nein. — (3 ift ja lächerlich, mur an eine Ders
artige Möglichkeit zu 81
Wire Graf Rüdiger feines Sohnes nicht gewiß ge—
wejen, würde er doch die ganze Heiratsgejchichte nicht erft
eingerührt haben! Allerdings ſprach er ja die dringende
Bitte aus, Pia möchte alles thun, um ihm zu gefallen
... hm — follte doch etwas an dein 71:٥٥٥ mit Edda
Rangenfeldt fen? —
Das leicht erregbare Blut des Freiherrn wallte auf,
fein Auge blitzt wie in ftolger Drohung, — aber er hat
feine Zeit mehr, feinen Gedanfen Audienz zu geben, Be:
fanute treten grüßend an ihn heran und etliche junge
Herren bitten e fie bent N Tochter ۰
itellen.
Bin fteht gar bald 11111:1113 [iç plaubert grazids und
anmutig, dennoch fladert e8 wie nervöje Unruhe in ihren
Augen, und während fie mit lächelnden Lippen ferat,
ſchweift ihr Blick verjtohlen über die Menge, nah Graf
und Gräfin Niedeck auszufchauen.
— 230
Endlich fieht fie die Briflanten Melanie ۰
Am Arm ihres Gatten tritt fie — von ber Gemälde: |
gallerie aus, in welcher fich die älteren 408 u —
ſammeln und 8۰7 nehmen, in den ۰
Pias Herzichlag ftodt. — Mit 018 Augen,
in zitternder Erregung jtarıt fie auf das gräfliche Baar,
— und atmet momentan auf, — Wulff-Dietrich folgt
ihm nicht. — Hartwig eilt der Mutter entgegen und
begrüßt fie in feiner chevaleresten Weiſe —
Melanie tujchelt eifrig Hinter ben Fächer mit ihm
und Der junge Dragoner macht ein 05 Geficht. ` N
Dam gut er die Achfein und lacht. _
Graf ٤2 ſieht entſchieden verſtimmt aus; er ſcheint
nach Bia gu fragen, Hartwig dreht wenigſtens den Kopf
hin und her und fcheint fie gu fuchen. x
Fräulein bon Nördlingen wendet fic) voll 7
Lichenswiirdigtcit einem neu vorgeftellten Herrn zu und
vertieft fid) fo fer in eine Unterhaltung mit ihn, Daf
fie es gar nicht gu bemevten ſcheint, wie Die Niedecks, mit
den Befannten plaudernd, rechts und links متیر immer
näher und näher zu thr ۰
Die Stimme einer befannten Dame klingt an ihr ۰
„Liebe Barouep - — a Sie Der oe 2 کی رت [7
8 wendet fich — سنا Haft, ater en EN
ftellen!” —
bindlichem تا 0 5لا der 871 zu und füht die dar کی
gebotene Hand! —
Endlich lerne ich Sie fennen, niein fewer tee Fräulein x
— 251 —
bon Nördlingen!” — begrüßt fie Melanie in ihrer eraltierten |
Weile: „Bei Beluh und Gegenbeſuch haben wir ue
natürlich verfehlt, wie das ja meift der Fall if, — mit
endlich fann ich Ste in der Heimat willfommen heißen!
— Sieh dod), Rüdiger, welch eine Nofe aus dem fleinen
Knöſpchen erblüht ijt, feit wir la petite beim 7
zuletzt ۲
Graf Rüdiger fcheint in hohem Grade. überraicht bon:
Bias 90:818 Sein entzüdter Blick fpricht noch mehr
Schmeichelhaftes aus wie fein Mund, welcher fich beeifert,
der jungen Dame die größten Liebenswürdigfeiten zu jagen!
Durch alle charmanten Bhrafen des gräflichen Paares
flingt aber dennoc eine gewiffe Verlegenheit hindurch,
welche Bia nicht entgeht, und während fie Hola und ۰
ihön vor ihnen fteht und mit ganz wunderbar ftrahlenden
Augen lächelt, ftottert Graf Rüdiger ziemlich unvermittelt:
„Denken Sie dod), welches Mißgeſchick, Baroneß! mein
armer ältejter Sohn telegraphiert mir jochen, daß er bei
der Jagd Bech gehabt und geftürzt jet, der Fuß Ut ber:
taucht und wird ihn möglicherweife wochenlang an bie
Chaiſelongue fcffelu! Solch ein abjcheuliches Mißgeſchick!
gerade heute, wo er ſich ſo ſehr — den Ball gefreut
hatte!’ —
„Und welcher Schmerz erit, wen: id ihn ſchreibe,
was er alles verfäumt hat!” fügt die Gräfin mit bedeut-
famem Bli Hinzu, — Mun ich hoffe, der Brandbrief,
welchen ich verfajfen werde, wird die Sri beichleunigen I
„ie bedaure ich das Mißgeſchick Ihres Herrn Sol):
are 2502 حم
nes!” jagt Tia höflich, ohne im minbdeften traurig Dabei
auszufehen, „Ein verftaudjter Fuß darf wirklich nicht
leicht genommen werden, Grau Gräfin, und bedarf der
Beit, um ausfuriert zu fein! Hoffentlich wird Shr Herr
Cohn redjt vernünftig fein und allen Lodungen 67
gewiß reht dverführerifchen Briefe widerftehen, gnädigſte
Gräfin, — er verjäumt wahrlich nichts Hier, — und
nüchjtes Jahr gibt es neue Bälle!’ —
Ein paar Dragoner Barren der Vorftellung und Gräfin
lelanie drückt Pias Hand: „Bitte, beſuchen Cie mid)
recht bald einmal freundſchaftlichſt, liebſte Baroneß! Ich
möchte fo gern noch recht oft und biel mit Shier
1 —
۱ Pia neigt nur fehr höflich) das Köpfchen und füßt
abermals die Singerjpigen der Gräfin, dann verabfchiedet
fie fi) von dem Grafen und muß fic) haftig deu Herren —
zumenden, ‚deren Ramen Der jehr cilige, >٤
VBortänzer mit erftaunlicher Zungenfertigfeit herunterrafpelt.
Pia feiert Een nd my زر 6 7
ft Hartwig.
Wie cine junge Kinigin, glithend in Holger Freude,
ſchwebt fie über das ۰
Es if, als ob ein Zoch von ihrem Nadfen genommen
ci, alê ob fie, von einer driicenden, demütigenden aft
befreit, Schwingen an den Schultern fühlte, welche fie hod)
über jede Augſt und Sorge hinwegheben ۱
Aber moc) etwas anderes Unbewußles erfüllt ihre
Secle nut Licht.
3
4
>
5
— 234 ے
Gie hat einen Mann entdedt, deffen ftolze, edle Nitterliche
(cit größer ift, wie feine Gier nad) Neichtum und Ehre!
Graf Wulff-Dietrich verzichtet auf ein fürftliches Erbe, ۔
weil ein unbefauntes Mädchen ihn zum 2 ine
hoffnungsfofen Liebe 1
Das ijt für das fin de siecle eine e fold) mardienbal tte
Seltenheit, daß Pia num und nimmer daran glauben
würde, wenn nicht jeder Blick auf die Reihen der ۳٤
fie davon überzeugte! :
Welch ein Dpfer bringt er um +1
Welch eine Genugthuung für fie, daß der Mann, welcher
fie, Durch die Verhältniffe gezwungen, heimführen wollte,
doc) zu den beiten feiner Bett gehört!
Ein Gefühl warmherziger Nührung überfomnt Pia;
— wie fol fie ihm fol eine Großmut jemals danken! —
Shun heiraten? Doch nod) heiraten? Nein, — nie.
Sie fann feinen Mann lieben, den fie lieben foll und
ult, — ihr ganzes Sch bäumt wild auf gegen folch eine
Benormundung ihres Herzens. Sie ift eine viel zu felb-
jtändige Natur, um fich jemals beeinfluffen zu laffen, und
darum fol auc) die Erfenntlichkeit feinen 2211
Zwang auf fie ausüben. Es mürde der fchlechtefte
Dank fein, wollte fie dem Grafen Wulff nun aus Hoch—
acjiung dennoch die Hand reichen. ۱
Sit Wahrheit der edel denfende Mann, welcher
die Heiligteit der Liebe derart refpeftiert, daß er ihr das
eigene Blüd, Die glänzende Bufunft, die imponierende
Größe eines Niededjchen Majorat3 opfert, — fo verlangt
— 98h —
cr auch für fic) in erfter Linie diefe treue heilige Liebe,
als bejtes und wichtigftes HeiratSgut der Frau.
Auf die reiche Mitgift würde er verzichten, auf die
Liebe nicht, — und gerade dieſe tam Pia ihm nicht
geben. —
s Marım nicht? Cie tamti ihn ja nicht einmal, und
weiß e8 gar nieht, ob er nicht gerade derjenige Mann
it, für weldjen ihr Herz voll )) ۴ Zärtlichkeit
entflammen würde! — -.-.. x
Pia fennt ihn gwar nicht, aber fie fennt fich felbit.
Sie weiß, daß ihr Oppofitionsgeijt nie ein andercs
Gefühl für den aufgenötigten Freier zulafjen würde, als
den Ingrimm, als den empfindfamen Ärger über die
Demütigung, قاہ Ware verhandelt zu fein.
Das würde fie nic überwinden, ebenfowenig wie fic
jemals an die Liebe eines foldjen Gatten glauben 18111186, —
Andere Frauen würden fic) fadjend in Die ae
[Dicer und die ۰ nfrone und das biinfende Geld ale
reiches 511111185 für ihr geopfertes Herz ı anjehen; fie ies
` قوط Leben auf ihre Art und Weije genießen und Hd) mit
der Thatſache tröjten, daß die meiften modernen Chen
nichts anderes find, als eine Epefulation, als cin Geſchäſt,
welches ebenfo nüchtern abgefchloffen, mie gelöft wird. —
Gelbſt mit allen inneren Banden, — nur das Firmen:
Schild mit Den vereinigten Namen hängt als ein an SE
Zubehör über der Schwelle.
Pia denkt nicht modern.
Sie, die in Paris erzogen it?
Gerade darum! weil ihr fcharfer Blid allzuviel ۶
zöſiſches Elend gejehen, rebelliert ihr deutſches Blut gegen
die Sünde folchen Meineids. Die Jugend urteilt immer
ſchroff, — fie Schafft fic) Sdeale und kämpft für Diefeiben
und je reiner und gefunder ihr Herz und Seele geblieben,
Defto tiefer und leidenichaftlicher die . س Die
eigene Überzeugung einzutreten. — -۱ -ىؤزي 1ے
Nein, fie wollte Gray ۰ Dietrich nun erſt as
nicht heiraten, aber dantbar wollte fie ihm zeitlebens fein.
Sie hat ihn arm gemacht, — er macht fie dafür reich,
— reid) an dem fchönen lieben Rinderglauben, daß es
noch Männer auf der Welt gibt, ftolz, edel und tugend-
Haft, wie die litter vont heiligen Graal. —
. Die hohen Herr] Ichaften verweilen Heute aufergemöhnlih
lange. Der Cotillon, welder fo felten nod) zu feinem —
Recht kommt, feiert heute wieder Triumphe. =
Die Herzogin hat ihre Getrenen durch eine cbenjo
finnige wie liebenswürdige Überrafchung ausgezeichnet.
Es werden allerltebfte eine Gejchenfe, welche fämtlid)
den gefrönten Namenszug der hohen Frau tragen, aus—
getanzt. Die Bortänzer haben jchon zu verjchiedenen
Malen heimlich auf die Uhr gegudt. Die Stunde, welche
zur Abfahrt der Wagen vorgejchrieben, ift larg über-
jchritien.
Und es dauert immer nod) eine halbe Stunde, bis
bie erften Cquipagen durch den Schloßhof zurüdrollen.
Pia Hat die Eltern während de3 Balles fo gut wie
gar nicht gefehen; jeßt, als fie harrend an der golds
— 237 —
verzierten Treppe bes Veſtibuls ftehen, ftreift ihr 8
forichend die Züge des Vaters.
Der Oberjtleutnant fieht mit ftarrer alte widen
den graubufchigen Brauen wortfarg gerade aus, ſeine
Gemahlin läßt die Lider ک0 und +00 über die |
Augen finfen.
„Wagen für Freiherrn von Nördlingen!!” fdjmetterte
die Stimme des Huilfiers.
Mit ungewohnter Haft, zum letztenmale nad) rechts
und links grüßend, eilt der Oberitleutnant die Stufen
hinab, Pia wechjelt noch ein paar heitere Worte mit
etlichen Offizieren — Hartwig als erfter darunter —,
welche neben ihr ſtehen und voll ſchwärmeriſcher Verehrung
die Sträuße tragen, welche ihre Heinen Hände nicht mehr
fajjen 0۰
Hartwig folgt galant bi3 an den Wagen, feine duftende
Bürde dort abzugeben, er verabichiedet fich voll auffallender
Berbindlidjfeit, Der Freiherr Dantt ſehr kühl und und
der ager rollt davon. |
„Unverjchämte Frechheit von Diefem Bengel!” ſtößt er,
faum noch feine Erregung meifternd, zwiſchen den Zähnen
hervor. „Soll das etwa Hohn ۲
„Ben meinft du, Papa?”
„Yum den charmanten Bruder deines verunglückten
Freiers !“ — -
„Meines — — ah — bes Grafen Wulff⸗Dietrich!
Man fagte mir, er fei erfranft. — Seltfam, gerade heute.
Kein Menſch {chien an bide Krankheit zu glauben und
—
legte ſich ſein Fernbleiben eher ale einen Korb fir mic)
aug; — und id) wollte jo liebenswürdig zu ihm an. —
En unverjtändliches Sinurren und Wettern antwortete
ihr, — Frau von Nördlingen aber drückt plößl ich das
Spitzenkuch gegen die Augen
„Eine Blamage ift es für ung 1“ راز fie auf.
„Warum bringen Niededs erft felber unfer Kind in aller
Leute Mund, wenn fie ihrer Sache nicht fiber find!”
Alber, Mamachen, — Graf Wulff kommt ja vielleicht ۔
das ۶ Mal!” fagt ia leife und neigt das Anl lit
tief in Die duftenden Blumen.
Der Oberftleutnant jchnellt bebend vor — empor.
„Das Kommen fteht dem Herrn frei! Mber unfer Haus
bleibt ihm verfchloffen! Bildet Hd) der Caffe etwa ein,
ich biete ihm meine Tochter zum zmeitenmale auf dem
Präfentierteller an? — Der ſoll id) irren; und die Beine —
[ol er {ih ablaufen, bis er dich zu Geſicht befommt!— ج
Wir brauchen feinen Schwiegerfohn mit fechzehn Ahnen, —
du famnft wohl nod) andere gute Partien machen und
braucht nicht auf den Herm Grafen zu warten!“
Es ijt dunkel im Wagen, der Sprecher kann nicht ۱
die Wirkung ſeiner Worte in dem Geſicht ſeiner Tochter
leſen
„sd empfinde die Kränkung, welche man mir angethan a
hat, wohl nod) empfindlicher wie du, vases und Ic) habe © ۱
eine dringende Bitte ۳ ۱ =
„Hu .. fprid) . . . weld) eine?”
„a mid jebes weitere Gerede abſchneiden und nach —
Son >=
dem Haag zurüdfehren, — dann fann doch fein Menſch
Jagen, daß ich hier {ibe und auf den Grafen Nieded warte!”
„Ad, meine Pia, faum daß wir dich wieder gehabt
haben |” Ichluchzte Frau bon Nördlingen abermals.
peat ic) geheiratet hätte, hätten wir uns ja Doh
trennen müjjen, HergenSinamaden, und im Sommer follt
ihr bod) beide nad) dem Haag fommen, das haben wir
ja längft verabrdet!”
Einen Augenblif herrſcht tiefe Stille, dann fagt der
Dberftleutnant rauh: „Sa, das Kind hat recht; fie
joll Hier nicht im Wartefalon fier und eine glänzende
Partie faut fie hier auch nicht N Rn im Haag
Auswahl darin iſt“
„But, Bia, ich freue ich, Daf bu jo verjtändig bift,
in vierzehn Tagen reifeft bu zu Onfel und Tante zurück.”
Der Wagen hielt und der Dberftleutnant ftieg ſchwer—
fällig heraus, erft das Haus aufzufchließen, ehe fich die
leidjtyefleideten Damen in den Schneeſturm Hinauswagten.
* * ; |
Tage waren vergangen.
Gräfin Riedec war zu einer Vilite vorgefahren, da
aber 6 Herrschaften ausgegangen waren, hatte fic niemand
jehen und fprechen können
Pia erfchien wie verwandelt, und obwohl fie fich in
Gegenwart der Eltern fehr zufanmennahm und ein 7ء
Geficht machte, founte fie eë doch nicht hindern, daß ihre
itrahlenden Augen und rofigen Wangen ihre markierte
elegiiche Stimmung Lügen ۰
سب 240 —
Proven in ihrem einfamen Zimmerchen aber ftand fie
bhochanfatmend und breitete voll ſchwärmeriſcher Glüd-
feligteit die Arme aus; wie ein feierlicher Klang gog Die
volkstumliche Weiſe mit — oe Worten Dur ihr
Herz: |
„Mud hätt’ ic) Gold und Ehre,
Und alle Bracht der Welt,
Und hätt! doch feine 6,
Schlimm war's um 7
Sa, die Liebe! Sie will nicht auf bie Liebe verzichten,
um alles Gold der Welt ift fie thr nicht fell! Die Liebe a
in ihrer goldenen, heiligen Freiheit!
Eine gute Partie foll fle maden, das verlangt der
Vater von ihr. a
Bird. fie jemals feinen Wunſch erfüllen fonnen und.
einen Mann freien, der ir feinen Augen eine gute Bartie it?
Sie weiß es nicht und fann nicht dafür gut jagen.
Cie, deren Stolz jo groß und deren Sinn fo {prove ift,
fie wird nie nad) Itang, Gold und Ehren fragen, wenn
jener Eine ihren Weg freust, deſſen Auge e3 ihr mit
unerklärlich zwingendem Blick anthun wird!
Und diejer Eine wird fommen, das weiß ſie und darum
wartet fie auf ihn. =
Die Mittagspoft brachte einen überraschenden Briel |
Der Oberjtleutnant brachte ihn felber der Tochter
und rief {dort von weiten ganz aufgeregt: „Pia! Ein
Brief von Tante Johanna und woher? llm dieſe Beit
aus Nieded! Ob fie etwa den ganzen Winter dort zu
99 رو EG ۸۲5, SW. Mom. tt. Nov, Der Majoratsherr 1.2.10
— 42 —
a gebracht 2 Muh, mal ک0 auf, das ae ie 9
ےت رت ١
۱ Das junge 01 Bifnete mit etwas 0٦
Fingerchen. Alles Blut ſtieg ihr in die Wangen und
die Sorge erfüllte fie, Tante Sobonna möchte ſich über =
das verhafte Heirats projett rn 8 ue bE 0 —
aufgeregt gefchrieben. =
° Aber 8 Dant, nein, bas 28 ×16 Ahr
۰ یی Zeilen und bat in {ebr herzlichen Worten um
oe be recht (angen Beſuch auf ۵ x
„Bir reifen anfangs Mai, oder, falls das Metter
glinftig iff, Schon früher an bon Rhein, um einen furzen
Aufenthalt in Upmannshaujen oder Ct. Goar zu nehmen;
algbann führt uns der Weg nach Scheveningen. Rir
fünnen dic) allp fer bequem nach dem Haag zurücbringen.
Sch hoffe, deine Eltern verfagen mir nicht Die unenoliche
meinen Liebling. nach jo langer Beit einmal wieder
u feben, — anc) Onfel Willibald und meine wilde
| Samad Frängchen erwarten Dich voll Ungeduld. Niedeck
ift auch im Winter را — freilid) recht ۸
„D, die Einfamfeit fürchte ich nicht! lachte Pia und
ſchlang die Arne voll 1 SubelS um den Vater.
Ich habe mir fo lange ſchon gewünſcht, das ſagenhaſte
Niedeck von welchem alle Leute ſprechen und welches doch
niemand fennt, einmal mit Augen zu jchauen! Nicht wahr,
Papa, bu 23333٦ رقه Dak td) Tante Johanna 77
Der Freiherr e mit bitterem Lächeln Die Achjeln.
„Ben bu das Schloß gern | jehen möchtejt mußt bu wohl
ur
jest fon bie Gelegenheit beim © Schopfe nehmen, denn ob
du jemals dort deinen Einzug als Herrin feiern wirft,
will mir doch mehr wie fraglich erjcheinen. Komm mit
zu Mama und lies ihr den Brief vor, — ۷ fie ein:
veritanden it, fannft du anfangs März abreii cn, falls
Graf Wulff-Dietrih bis dahin nicht das Haus 28 انا
` ‘Bat, unt Deine Befanntichaft zu 100001 ۰ í
ber, Papa, glaubft du das wirklich?!”
poe nun, wenn fein Unj all thatjächlic) das ۲
zum Sofball verhinderte und es ihm mit einer Werbung
ernit ijt, holt er das Verjaumte wohl mit Doppeltem Eifer
nach, In vier Wochen ijt ein verltauchter Fup austuriert,
und wenn. nicht, farm er in Dicjer Beit ſchri tlich anfragen
und Deine reife verhindern, thut er nicht dergleichen,
io wird unjererjeits- jede jpätere Annäherung ۲۱۱۱۱۵ ۲۰ ۶0 ab:
gelehnt, — mag er doch ay wo er ſich jonft Die ege N
Ahnen zufammenfucht,”
Bia nicht nachdenkl — vor ſich Din: Sout’ jagt fie
— ich! anfe Geftalt zu voller, imponierender Höhe aufs
richtend, „vier Wochen magft du ihm Frift geben, läßt
er in diejer Beit nichts von fich Hören, find wir für immer >
gejchiedene X Leute, — verjprichit bu mir das, Bapa?
„Habe es ja ۲ gethan, natürlich verjpreihe ich gat:
polterte Der Oberftleutnant ingrimmig, „es ijt eine Schande,
daß wir überhaupt auf den Monſieur warten müſſen, —
aber ungerecht dürfen wir auch meht fein, falls er wirtlih —
franf tf, — bedenfe, 8 handelt fic) für ihn 700 mee
win ein Butterbrot!“ ہت
E 2
ےت
1۳168 ۵ Köpfchen jant seth — Nein,
e8 handelt Tid) um echt viel fir ihn, id) weiß es ja!“
fliifterte fie, und wie eit leiſes Beben des Mitleids ging
es um ihre Lipper. „Wer weiß, ob der Gol Dtcufel ihm
während diefer vier Wochen nicht noch zujegen wird!”
— und langjam, gedantennoll folgte fie dem 0ء
durch den jdmalen Flur und über bie alte, ere
pine hinab zu der Mutter, —
Ihre Augen, welche joeben Hod) fo تس oe
lachelt, blickten plößlich jehr ernit کے
Bier Wochen find eine fange Beit und mandjen hor |
und ehrenhaften Eutſchluß Hat Die Beit {hon über den — |
Haufen geworfen Wie werden Graf und Grafin 7
alles aufbieten, den Sohn zu der borfdhrifismapigen Partie °
zu überreden, wie werden ihm die Eltern ſowohl wie der.
Bruder im wohlveist icher Übertreibung Wunderdim ge. über .
ihre Schönheit berichten! Eine erſte RE رر ۔_ a
Was bedeutet fie ſonſt wohl einem Manne? 21:11:41
انام ojophiert Wulff Dietrich voll grauiamer Skeptik auch:
„Ein großer, wilder Schmerz der Jugend ijt Boefie!” —
Die Gräfin wird ihm fchon jede Sfrupel ausreden —
und ihm verjidern: „Wie viele Taufende pon Mädchen —
müſſen ohne Liebe, mit bitterer Entſagung eines Jugend—
traumes heiraten und fie werden dennoch glückliche Grau
„nenn erfte ۸۱00 bu gehſt norbei,
Schneller wie ein Sturm im Mat,
Bleibit fein jtänd’ger Saft.“
Frau Melanie würde eine foldje Anſchauung zu zutrauen
—
— hehe seu und ward ihrer سس n i bo 3 =
eine. gli ihe und beneidenswerte Frau!
Wahrlich beneidenswert?” Pia beneidete fie nicht.
— Wulff Dietrich wird aber ficherlich die Anficht der Mutter
md Die Überzeugung von Water und Bruder für ۵۰
1 gebender halten, als den fentimentalen Gefühlser guß eines
jungen Mädchens, welches in ſeiner Naivetät gar feinen
Begriff von dem Wert des Geldes und eines oe
Majorats hat.
In feiner erften Auf (paihua bed Mitleids hat er ſich
vielleicht verjagt, auf den Hofball 311 fommen, 111111 aber,
wo er von allen Seiten aufs heftigfte bearbeitet ‚wird,
wo ihm ſelber vielleicht die Reue kommt und er einen
Vorwand jucht, Tud) ihr dennoch zu nähern, ob er auch
jebt nod), vier Wochen lang, jtandhaft bleiben wird? —
Es it jo bequem für ihn, zu jagen: 0 wollte ja
zurücktreten aber der Wille meines Vaters zwingt mich
zu der Heirat, welche ich jelber, ungefragt, aug taujend
07 Gründen fliegen mul — x
Ja, wer weiß es überhaupt, ob nicht Graf ۴۰
Dietrich von Anbeginn foldjen diplomatiichen Plan er:
` fonnen, der anfcheinend auf geradem Wege ihrem Wunſch
eutgegenkommt, um ihn auf frunmen — a ſicherer
zu durchkreuzen?
Pia erbleicht bei dieſem Gedanken, welcher ibe gali =
Pi sh, ganz überrafchend in dieſem 18 gefonmen.
Ein Beben geht durch ihre Glieder und die jinen as |
ftrablenden Augen ſprühen in all der Erregung auf, welche
= em Weſen num einmal angeboren ift.
Bis jebt war ihr Graf Niedeck alien tig, ja, je Hat
"07 feit dem Hofball ein Gefühl warmherzigen, dant
baren 8 fir ihn empfunden. Sie hat jeine Berf on
mit einem Glorienjdjein edelfter Nitterlichteit umgeben.
Wenn er fie aber getäufcht hätte, — wenn fein Nicht
kommen nur ein kurzes Nachgeben gewefen, wenn er nun ۱
auf irgend eine Weife dennoch fein Biel zu erreichen und...
Pia würde ihn Bafî m.
fie zu gewinnen trachtete, -
darum! | Sie bat nod) mie einen ۱ Yer] — ان
lout ihnen mit einer Kifitenfarte entgegen.
„Der junge Herr Graf zu 9“
Ein leifer, halberjticter Auffchrei von Bias Lippen.
Welcher Graf?” herricht der Oberft eutnant betroffen.
„Der Herr Leutnant von den Tragonern Hier!” fnirte
das Mädchen mit triumphierendem Blick auf ق8 ۶
Fräulein, welded feine Liebe zu dem fchönen Verehrer
doch auch gar zu nett verraten hat.
Der Freiherr runzelt enttäufcht die Brauen und 1
die Karte in der Hand. Er überlegt einen Augenblick
„Sagen Sie, es thut unë fehr leid; die Damen machen
Toilette für das Theater und ich fei nicht zu Haufe —
Überrafcht zieht fi) das Mädchen queue, das hatte ۱
e nicht erwartet.
„gappeln ۳ 01 Nördlingen voll سب a
thuung; Pia aber preft aufatmend die Hand gegen bas Herz.
تو سا رو سیت
D, entjegliche vier Bode, we Qual werdet i —
für mid) fem! —
„Bir fahren Heute سد in das heater!” fährt — 0 ٣
Oberjtleutnant fort, „du Dit zu allen Herren jehr ۶
würdig, — den Grafen Hartwig. behanbel ۳ du 1
gleichgültig, 0 —
‘Ria rift und ſchweigt Das Theater! en اه
neutraler Boden, wie geichaffen für derartige Begegmingen!
Nau, Gott fet Dank, ; geltatten e3 Die Mittel der Eltern
ahh daß fie es oft beſucht — ee
— ec
| am x
"1 Saadichloß Nauenftein liegt wunderbar 7
ds im Gebirge. Auf freiragender Felsgruppe ers
baut, an drei Seiten von mächtigem, 7 81 مم
Hodwald eingeichlojfen, gewähren die Frontfenjter ben
Blick weit über Die Berge, bis fern hin, wo fic) dag
dunkle Wipfelmeer tn blaue Schleier Bilt und die
zarten Linien ber Gebirgsicheitel nebelgrau in den Wolfen
verfchwimmen. Rauenſtein jelber ift ein alter, pitto-
resker Bau ohne Stil und Einheitlichfeit; die ٤+
eines längſt verewigten Herrichers bat ihn aus dem
Schutt einer Burgrume neu eritehen laffen, und an
fänglich gang in der Art des winfeligen, ۳
Felſenneſtes gehalten, alsdann hat der Geſchmack auſpruchs—
pollerer Zeiten verjchiedentlich daran herumgeändert und
geflict, hat hie und da einen Turm oder einen fleinen
Seitenflügel angebaut, und mehr dem 717 wie Dem
Außeren Rechnung getragen.
Dennoch fieht Rauenftein mit feinem grauen Mauer-
—- 0ور —
wert und den ungleichen Fenſterchen und jpigen 0181
unvergleichlich malerijch und {fûr aus, zumal wenn der
regierende Fürft fein Domizil darin 57ھ in den jo
wildreichen Waldgrinden zu jagen. Be
Dann flingt und jcjmettert 8 Sifor durch Die
flare Berglujt, dann ftampfen und wiehern die Roſſe und
traben die rotrödigen Reiter ſtolz über die ۸
Zugbrüde.
Die Meute tobt an den temen und pon Dem Turm
flattert das Banner, weit über die Lande Hin 110188.
Sm Sommer fant e3 سا einen fchöneren und
toyllijderen Aufenthalt geben, als dtefes alte Jagdſchloß,
im Winter aber gleicht es der verzauberten Königsburg,
jo weltvergeljen und einjam liegt es im Todesichlaf unter
weißem Bahrtuch und Schön ift e8 auch dann, ſchön für
Menjchen, welche nicht der raufchenden Freuden, der Des
täubenden Abwechslung des 8 bedürfen, um —
(id zu fein.
Wer in fic den Himmel findet — fant die Grde feicht
verichmähen — und wer an ۵ herrlicher Natur feine
Freude hat, wer die Mufen und die Wiffenfchaft zu ſich
zu Gafte bittet, der wird nie, felbft in dem verjchneiteften
Bergſchloß einfam und gelangweilt fein.
Graf Wulff-Dietrich liebte feinen alten Nauenftein im
Winter ebenfo wie im Sommer, und er hatte felten mit
einem jo nachdenklich erniten, beinahe traurigen Gejicht
am Fenjter gejtanden wie heute, wo der Schneefturm einen
undurchdringlichen Vorhang vor Berg und Thal hängte
— die duntlen Ç Tannen aur Eri bea 086:03 —
zuſammenbrachen unter Der 70 aa ve
Winter} chimucks.
hielt einen Brief in Händen, = der ٥۲ا اگ:-ژاو لا
Inhalt, welchen er ſchon zum gelejen, jtimmte ihn
ganz bejonders ernft.. x
Seine Mutter. ‚berichtete ihm über den Hofball, welchen
er fo unbegreiflicherweile verfäumt habe, denn der ver:
jtauchte DMB würde ſich doch per Wagen haben trang:
portieren laffen, und Í jeine Pflege dürfte im Ellernhauſe |
wohl eine forgjamere fei, als wie in i Dem alten 1
neſt (۱۵۱۸۱۱۱۱۵۱۱۳ —
Und dann hatte die Gräfin in geradezu überjchweng-
(idem Entzücfen von Pia berichtet, bon ihrer Schönheit,
Anmut und Klugheit, welche geradezu Senſation erregt
babe!
„Endlich einmal ein Madchen mit fechzehn Ahnen _ :
welches nicht allein um dieſer willen geheiratet zu werden. C
braucht! Für Pia muß matt fi) begeiftern, und ‘Hartwig —
iſt bereits der Schatten der ſchönen Schwägerin in-spel >
Wo bleibjt du, Wulff, um dir dieje Perle zu fidern? —
Mensch, du “abit nicht, was du dir eventuell entgehen
läßt. Aber ganz abgejehen von ihrer Perjünlichkeit. —
Bedenfe, mein Cohn, dag du keine Wahl haft: und Bia
auf jeden Fall heiraten mußt. Dein Fernbleiben fcheint
‘Die Nördlingens aber berjtimmt zu haben, denn fle haben
ſowohl meinen, wie Hartwigs Beſuch nicht angenommen,
und ‚Die Eltern : marfierten Eau verſchnupfte Stimmung.
وو وت
— Das goldlodige Töchterchen ift unverändert bezaubernd
- = — lieber Wulff, wir würden ſehr glücflich fein, dein
Glück und das Majorat gefichert zu jeden! — Das Reben
iſt fo rafend teuer, Hartwig gebraucht jo enorme Summen,
daß wir wirklich nicht mehr mit den Zinſen auskommen
können, — Papa mußte bereits zum Kapital greifen und
dabei lebt der Alte in Niedeck mit Weib und Kind fo
munter und luftig, daß gar fein Gedanfe an eine e
Erbjchaft it! Es wäre ja in einer Beziehung ganz gut,
wenn du überhaupt nicht heiratelt, lieber Wulff, daß du
ung fpdter einmal von den fürftlichen Einfünften des
Majorats unterftügen könnteſt, denn von unjerem Ver
mögen bleibt wohl fein Pfennig, wenn Willibald noch
auf einen Tod warten läßt! Aber e& ijt der Erbfolge
wegen! Du und Hartwig feid die lebten Niededs, einer
von euch muß vorschriftsmäßig heiraten, wenn der enorme
Beji nad) eurem Tode nicht an die ٤ fallen joll,
Hartwig wiirde Pia fofort mit Kußhand Heim] ühren,
aber wovon follen fie leben! — Das Mädel hat ja
außer den ſechzehn Ahnen radıfal nichts und Hartwigs
fojtipieliges Negiment, feine vielen noblen Paſſionen —
es ift undenfbar, daß er ein Mädchen ohne fehr ۷۶
tended Vermögen heiratet. Aber du, mein anfpruchslojer,
rührend folider Einfiedler, du kannt ja ein armes Fraulein
glücklich machen! Ju Nauenftein treten feine Anforde-
rungen am euch heran, — ihr lebt fo märchenhaft billig
dort, — du kaunſt jest, als 7 Mann, heiraten,
aljo mußt du e3 auch, mein Herzensjunge, auf dir bleibt
3 ben in. jeder Beziehung Gängen. Sh erwarte, ums
۱ ashen. Nachricht, wann du hier eintreffen wirft.” | wae
Wulff Dietrich jeujzte a a und en den Kopf
forgenvoll in die Hand. nn
| Weld) ein hartes, سس Mifge hifl
Das einzige Mädchen, welches er heiraten batt, Dr
welche vielleicht fein” Herz gewonnen und ihn aü did O
2. gemacht hätte, ue enge ie en ہے تہ —
Ser erſchließt! =
` ۰ ٤ einen. anderen! Diejes Gel ſtändnis genügt
um ihre Wege für ewige Beiten zu icheiden. I
Nie und nimmer würde Wu (ff-Dietrid) nad biefem,
ihrem Briefe um ihre Hand werben. |
Kein Näuber, fein Mörder würde. aladann ſchlechter
fein, wie. er, der um ichnöden Goldes willen ein 6 0
۱ Menſchenherz zertreten würde!
Cie liebt einen anderen! Und Rul Dietrich Ut
ehrenhaft genug, die heiligen Nechte diejes anderen ati
zuerfennen! Hat er Dod | jelber feinen höheren, bejjeren A
Glauben, als an die Treue und Lauterfeit der Licbel —
-_ ٤ ihin, wollte er die Braut aus dem Arm eines .
anderen reiben, wollte er: ihr armes, gebrochenes Herz ji N
ala Kaufpreis für ein M tajorat Dinwerfer!
Sie glaubt thm, fie vertraut ihm! Könnte er te ae |
täuschen und. Lue den moralifchen Mut haben, ihr ' 7
ton. ہے ہے
0. Dort in feinem Schreibtii 4 fiegt ihr Brief, in welchem =:
fie ihm voll rührenden % Vertrauens ihr arme, es ae
= 25:
baš Auge zu ۷ and Gefühle | ir fich verlangen, welche 2
er joeben erft als frivol in ihr gemordet hat? x
“Und doch, wie viel ift e8, was man hier von. ihm ۰
verlangt? Nicht ihn allein macht. fie arm, auch die
Eltern möchten 11180 darunter leiden, wenn er
jung fterben. jollte, ohne berechtigte Erben zu Hinterlaffen. 1
Um ibn fe (ber ift نا micht bange. Er fann das
Opfer leicht bringen, denn er Hat nie an dem Golde ge _
hangen, er ift cin freier Mann, der auf eigenen Füßen ` =
teht und nie auf das große Erbe as und on 2
hat; aber die Eltem! —
Ad, Wulff⸗Dietrich fennt die 20000 in einem
Elternhauſe beſſer, alê man cë dort mur ahnt!
. Er weiß, daß man bag Vermigen ی
7وت und {i auf die große Erbſchaft pertröftet.
est hat feit jener Ecene, welche fich im der Parfruine
zo ſchen den Eltern abſpielte, offene Augen bekommen,
und er verurteilt ben 7 Leichtfinn, we ler ae |
۱ Überlegung in den Tag ‚hineinlebt, aufg idjrofiite.
Dennoch fteht es ihm alg Sohn nicht Zul, dem Vater
Vorftellungen darüber zu machen.
Aber was in. ‚feinen ‚Kräften land, um nicht an dem
Ruin der Seinigen mit zu arbeiten, das hat e er r geihan
und das wird er auch fernerdin thun. =
Wie aber foll er, wenn Bia ihm ی
Schweigen auferlegt, feine Weigerung. — fie
nicht zu heiraten?!
Ein tiefer Seujger entringt i feiner Bau. Gr bat
es Tag für tı und Naht rir Nacht ikertegt, UND. و
fomimt immer wieder zu demſelben Entſchluß: „Er. bad |
eë auf feinen Fall zugeben, daß er Fräulein von Nörde ہے
fingen nicht heiraten will, er muß nur Gründe x. ۱
um fein Fernbleiben gu motivieren.“
wird das ihre thun, die Eltern 081 “ibn einzu : ماما
nehmen, und eines Tages wird ihre Verlobung mit dem —
veröffentlicht. “7 لور
Dann ift feine Komödie ausgeiptelt.
Mechaniich greift er zu 0 und ee ann ante
wortet feiner Mutter:
yS fchreibe bir race Dart fir Heine fo `
gtitigen Nachrichten, — wann aber meine Zeilen in deine
Hände gelangen werden, 6٤ ich nicht, denn mir find nee
gur Beit durch den enormen Schnee von aller Welt abe
Schon geftern ift meine Poititafette bein abe 2 هو
verunglückt, ich darf nicht wagen, abermals Boten nad
der Stadt zu ſchicken, da Weg und Steg im Gebirge Ñ
unpajfierbar find. Und fommt das Tauwetter, wird 8
abermals grundlos in den Thalern und fperrt ung von ا
neuem ab, Sch telegraphierte darum nur tura, daß es
unmöglich, zu fommen, — und Dicfer Brief bringt dir |
jpäter die ۰ des. Rätſels Dir weißt es aber
pom vorigen Winter, daß ich auch eine Zeitlang hier ge—
fangen ſaß, darum lich mir der Herzog gnadigerweiſe
den Telegraph einrichten. Meinem Sub geht es beffer,
aber id) würde immerhin noch fahren müffen, und wie
jollte ein Wagen jest von unferer Höhe herabfommen! `
Es freut mich, daß Fräulein von Nördlingen euch jo gut.
gefällt; auf ein Majorat wie Nieded wartet wohl jede
junge Dame gern, aljo lerne ich fie wohl Immer och
rechtzeitig kennen!” — ۱
Der Schreiber warf die Feder hin und fchritt voll
ruhelojer Halt in dem Zimmer auf und nieder.
Ein herrlicher Sagdhund erhob Hd) mit fragend Eugen
Augen von feinem behaglichen Ofenplab und folgte dem
Herrn leiſe Din und Der wie ein Schatten,
E3 dunfelt, tiefe Stille ومع über Elo und Wald.
Hum erjtenmale empfand Wulff-Dietric) 1 ۶۲ Ginjamteit.
Es fröftelte ihn und ein — اون dem Heimweh,
überfam ihn. |
Er jtarrte mit weit onen Augen in das bitte,
eichengetäf ۱۵۱16 Zimmer hinein. |
Dort Steht der Echaufelftuhl fo traulich vor dem
Ramin, — aber fein Menſch figt daranf, und das Feuer ijt
niedergebrannt und leuchtet nicht mehr. Neben dem mäch-
tigen Kachelofen ijt eS mur Epicleret, und er hat nie Wert ۱
darauf gelegt, daß es erhalten wird, — aber heute vermißt
er den behaglichen Schein. Ja, wenn jebt luftige Flammen
darin in die Höhe praffelten, wenn in dem 60 eine
ſchlanke Zrauengeftalt läge, mit weißen, graz iöfen Händen,
den eifernen Hafen führend, um die Glut zu jchüren ..
Note Lichter zucken über das lächelnde Gelen,
goldene Lürkchen glänzen über Der Ctirn, und ۶
Dietrich tritt ۵ Hinter ne und neigt fich, ben ſchimmern—
den Macken au AM
— — =
‚Sie lächelt, lehnt ſich weiter — und blickt
boll füßer Träumerei zu ihm empor. x
Er atmet ben Duft ihres Haares, er fühl t bie weichen.
zärtlich feft umſchlingenden 1, Lord 11111871 eiferfüchtig
und ſchmiegt Hd) an die Knie der ſchoͤnen Herrin.
. Wulf Detrich ۲ ji) gufamunen ı und it mit
der Hand liber Die Augen. a
Wie ſehnt er ſich nach dem Olid — ا er fol ihm
entfagen, damit auf alle Fälle einmal fit die Eltern ge
ſorgt الا ;
Bia. ا er nicht. heiraten, eine — batî er nit ہے
heimführen. MWahrlich nicht?
Wulff Dietrich richtet fich jil ings aufund dehntmit auf
leuchtenden Augen die Arme. Opfert er jest um frember
Liebe willen das Gold, und würde zu ſchwach und feige
fein, e3 Dem eigenen Lebensglück nicht auch Darzubringen? —
Verflucht fet die Stunde, in welcher er, um des
Reichtums willen, der Liebe entjagen wollte!
Findet er die ſüße, blond! lockige gee, deren Bild ihm
eben jo wonneſam vorgegaufelt, dann wird er fie in fein
Walk djchloß heimführen, gleichvicl ob fie مت —
e jen hat oder nicht!
CIGD ec fe, fo giebt 8 ۵ al سس a
und. dem Maj orat pon I tede! —
— p *
*
Wochen waren vergangen, und ein fehr zeitiger Früß
lockte bereits Primeln und Beildhen zwiſchen Dem ما
ungen Wieſengrün hervor! e hatte Die Welt u maien⸗ nn
7 7 رر رر
<
—
J
9
—
9۱ ۷ CfGitruth, SM Rom. u. Nov, Der Majoratsberr I 17
= 288 ہت
jin und Iodend vor den Blicfen gelegen wie jebt, und
wenn Wulff-Dietrich an dem fpigbogigen Hochfenfter ftand —
und hinaus auf das lachende Land blidte, dann ward -
jein Herz weit und voll ungeftiimen Verlangens, hinaus—
zumandern in Die schöne Gottesmelt und fic) ihrer Prach ee
und Wunder zu freuen!
Schon längft hegte er den een Bunch, einmal
eine NAheinreife zu machen, eine echte, rechte Wanderfahrt
duch das Land, ohne Roß und Wagen, nur mit Dem
Stab in Der Saab alê freier Burſch, welcher bleiben fann,
wo ihm bie Schönheit zuwinft und welcher fröhlich weiter:
zieht, wenn es ihm zu Sinne jteht.
Sein Bruder Hartivig verbrauchte monatlich —
und dreifach, was er zu einer ſolchen Reife benötigt haben
würde, und eë ware wohl nur gerecht gewelen, wenn die
Eltern auch den ältelten Sohn einmal in div Welt gefdhictt
hätten, wenn der jüngite foft}piclige Bäder bejuchte, oder
zu den Nennen umberreifte. Graf Rüdiger aber hatte
nie daran gedacht, unaufgefordert zu geben, und Wulff
Dietrich, welcher nie die Börje der Eltern in Anſpruch
genommien, hätte fic) eher die Bunge abgebiffen, alg Den
Eltern für fein Vergnügen Softer aufzuerlegen. Er wußte
ja, wie e3 daheim um die Finanzen ftand und gerade
das Geld, und die unmürdige, umverzeihliche Art, wie
Graf Rüdiger e3 durch Entmündigung des völlig gefunden
Vetters hatte an fic) bringen wollen, war die Veranlaffung
zu dem unbeilbaren Rif, welcher ihn mehr und Be bon oe
dem Elternhaufe losgelöjt hatte.
— 259 —
Mun, ſeitdem er den Gehalt eines 0 be0
und in Rauenſtein eit jo zurüdgezogenes, beſcheidenes
Leben führte, war es ihm möglich geweſen, aus eigenen
Mitteln den Betrag für eine Reiſe zu erſparen, und wenn
ja die Summe eine beſcheidene blieb, fo übte dennoch das
Bervuptfein, fie eigenem Fleiß und eigener Kraft zu Ders
danken, einen ganz bejonderen Reig!
Der Frühling am Rhein jollte ja jo ganz eigenartig
Schön fein, und ein Urlaub war gerade in jebiger Zeit,
wo er fozufagen. ſchon einen Stellvertreter i im Dane hatte,
bejonders leicht zu nehmen
Wulff-Dietrich hatte jeinen £leinen Koffer gepadt und
fuhr, das Herz voll (80828۳ Wanderluft, zu der Bahn
jtation. ۱ =
Einen Abſtecher zu bi Eltern wollte er zuvor nicht ;
mehr machen.
Sie zürnten ihm ernftlich, daß er all ihren Bitten und
Befehlen nicht gefolgt war und لاہ in der Nefidenz ers
ſchien, alê Pia von Nördli lingen wieder abgereift war. —
Wie ſchwer war ihm das alles geworden, aber eë
gab feine Wahl für ihn, und er hatte ſich guten 8ل
in fein unabanderlidjes Schickſal 811121 x
Als er nun jo allein im Wagen jak und unter den
rauſchenden Kronen des Waldes dabinfuhr, durchkreuzten
ganz abjonderliche Gedanken fen Hirn. Cr überlegte, Dag ہے
eë recht hemmend und bindend für einen jungen Mant
jei, als Graf Miedeck zu reifen, denn der Begriff „Noblesse
oblige“ war zu Fleiſch und Blut in ihm er
۸,22 $ 000
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۱۷۷۶ SY ۳,
END ار ری ار
PEN UN فک
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Er war ein zu vornehm denfender Mann, um jemals
feinen Namen — und fet ¢3 in noch fo 7
Weiſe, herunter zu ziehen. Es gehört ſich für einen Grafen
Nieded, in den erjten Hotels abzufteigen, gräfliche Trink⸗
gelder zu geben, zu fahren anftatt zu Fuß zu gehen, kurz
um, in jeder Beziehung ftandesgemäß aufzutreten.
An den Träger eines folch diftinguierten Namens ftellt
man fchon von vorherein ganz andere Anjprüche, als wie — .
an einen unbefannten Oberförfter oder Forſtaſſeſſor, welhem
es feiner. verargen wird, wenn er fo anſpruchslos und
beſcheiden wie möglich feines Weges zieht. _
Wulff Dietrich lachte ſchallhaft vor fic) hin, fo über-
mütig, wie 8 feinem ernjten Weſen ſonſt völlig fremd war!
Auch diefer neue Gedanke reizte ihn an und madjte
ihm Freude. So muß es einem Prinzen zu Mute fein,
en wenn er Krone und Ordensſtern daheim läßt, und inden
grauen Mantel des Inkognitos fchlüpft, mur mit dem —
Unterfchted, daß ber Bring dabei lediglich einer fröhlichen
= Laune folgt, während Wulff-Dietrich, der fünftige Majorats—
herr und Erbe von Millionen, bejorgt rechnen muß, wie
er am beiten und praftifchiten mit feinen fpärlichen Mitteln
haushalten fann. Wie follte er fic) aber nennen?
Nach feiner Oberförfterei Nauenftein ? —
Nein, dieſe dürfte allzu befannt fein und ihn verraten.
Er war „Wulff: Dietrich Hellmuth Karl bon Niedeck
getauft, anftatt fic) wie fonft der beiden erfteren Tau —
namen zu bedienen, follten nun die beiden m jeine |
ء7 jein. oS x
— 61 —
„Forſtaſſeſſor Karl و wollte er fic) nennen,
falls er benötigt wäre, überhaupt einen Namen bekannt
zu geben —
Er lachte Hell auf bet dieſem Gedanfen, und die Vögel
jubilierten. und zwiticherten über ihm 17 Gezweig,
alg freuten fie fich mit ihm, ala wollten fie voll glücjeliger
Lenzesluft dem jungen 61 des Waldes eine glücliche
Reiſe wünschen!” ا ہمہ
* *
bent C loBportal pi vit Niedeck fcharrten bie Rappen وج
den feinen. Ries, während eifrige Dienerhände — هو
bejchäftigt waren, das Handgepäd, welches die gräfliche
Herrichaft mit fid) zu führen pflegte, in der Equipage
unterzubringen. Gm einfachen, aber jehr eleganten dunfel-
blauen Reijefoftiim ftand Pin von Nördlingen an der
Terraſſe und blicte noch einmal mit jchwärmerifch ents
züeftem Blick über das reizende landjchaftliche Bild, welches
Wd) vor ihren Augen entrollte, und ein Gedante, welcher
ihr in lester Beit jo oft bag Herz ſchwer gemacht. hatte,
fam ihr aud) jet und umflorte ihren Blid.
Sebt, feitdem fie Nieder ۷ gelernt und mit Herz
und Ceele dem Sauber diejes Herrlichiten aller Beſitze
| verfallen. war, jest erit empfand fle voll und gang, weld) -
ein unjagbar großes Opfer ihr Wulff Dietrich gebracht —
hatte.
` Wie jchwer muß e3 einem Manne alen, jolch ein
Erbe in Beſitz zu nehmen, täglich bie zauberifche Shine ے
‘Heit jolcher Heimat zu iehen und dennoch allein und eins
fam genießen zu müffen, ohne eine Gattin, welche mit thm
dieſes Glück genießt, ohne ein Kind, weldjem er alle Pra
und Herrlichfeit einjt hinterlafjen fönnte, und warum?
Kur darum, weil er zu edel und hochherzig gewejen | _ ۱
war, um über ı ein ne Derg i in a ۵00ھ" ۶ —
zu ہج تحت ا —
Uh — ub wenn er gar uae ‘bak diefes وم |
Herz nie الات hätte, daß der „Alndere” nur eine
| ‘Marionette ohne Fleiſch und Blut war, ‘welche in ber
kleinen Komödie, welche ihm der empfindſame Stolz und
Troß eines Mädchenherzens. vorjpielte, nur ihre wirtjame |
Role vertreten mute!
Ria empfindet ihren Betrug von Tag zu Tag pein= _
as (idjer, — und je mehr fie fi überzeugte, dag Graf ا
= 2 ur Dietrich jedes Mittel verfchmähte, um fie zu einer —
Heirat zu zwingen, umjomehr imponierte er ihr und ward '
zu emer Edelgeftali, welche lebhafte Phantafie qar zu
gern mit allen Tugenden jchmüdt. Das junge Mädchen.
wunderte fic) im Stillen, daß Tante Johanna ihre Abſicht A ۱
Graf Wulff nicht zu heiraten, aufs lebhafteſte eaten tile
Seltjam, warum Das?
Das ganze Benehmen und Wejen der Tante bewies
es ihr, daß fie nad) wie vor ihrem Herzen in le
Liebe nahe {tand.
Johanna liebte Schloß Ricdec ebenjo ونوا - |
wie Pia, — was ware da wohl natürlicher gemwejen, als \
daß fie ſehnlichſt gewünscht hätte, die Nichte dereinit ala —
Herrin all Diejer Pracht zu jehen, — einer Bradt, welche
یت )208 —
Die eigene Tochter Fränzchen ja dod) nun und nimmer
erben fonnte.
Der größte Teil des Barvermögens ging auf Fränzchen
über und machte fie zu einer {ehr reichen Erbin, das
Majorat aber mu te an m 1186071 männlichen
Erben fallen. n
Warum redete ihr Tante Johanna alfo jo dringend
ab, den fünftigen Majoratsherrn zu freien?
Hoffte fie vielleicht auf eine Che zwijchen ihm und
Fränzchen? Sie find ja Vetter und Couſine zweiten
Grades, und [o lhe Ehen unter Verwandten find niemals
günftig, auch it ein folder Gedanfe wohl gänzlich aus:
geichloffen, wenn man Onfel Willibalds Gefinnung fert.
Gang betroffen hat Pia einen Ausbruch feines leiden:
schaftlichen Haſſes, welchen er gegen Rüdiger hegt, belaufcht.
Das gutmiitige, glüdjtrahlende Geficht des alten Mannes
hatte {ih zum Erjchreden verändert, als er bon dem „teuf
liſchen Anſchlag dieſes nichtswürdigen Schuftes“ ſprach!
Shu, den geiſtig vollkommen Geſunden hatte der liebe
Better in ein Srrenhaus fperren wollen, um das Majorat
um etliche Jahre früher an ۱۱ zu reißen!
Was war das anderes als ein Mord, ein lebendiges
Begraben? — Und nur um des elenden Geldes willen!
„Û, das gedenfe ich ihm, und dieſe Stunde foll er
mir noc) entgelten!” hatte er voll glühenden Rachedurſtes
hinzugefügt und dabei leuchtete etwas in jeinen Augen, das
glich einem jtolzen, ficheren Triumph.
Pia begriff diefen Haß; aber fie veritand es nicht,
— 264 —
daß Tante Johanna Lieber eine Fremde hier in dei Schloffe Eee
halten und walten jeder wollte wie bie m innig —
Nichte. ۱ :
Ub ۶ wollte Willibald dadurch bert Neffen bie — ا"
gemäße Heirat unmöglich machen, damit Graf Riidiger
den Schmerz erleben müßte, das Majorat bod) nur als
Aeihweiſes Gut”, in den Händen des Sohnes zu 7۶
Das würde Wulff-Dietrich immerhin doch 7
noch empfinden wie der Water, und er verdiente bod
feine ahe und Etrafe, er war ein vortrefflicher, braver
Mann, fiir den Pia eine beinahe ee oe:
empfindet
Der Sohn fol und — sie fin Die Eu des
Vaters büßen, das zu perhindern, wird der Danf fein,
mit welchen fie ihre Schuld gegen ihn bezahlt!
Wie viel Pläne und Ideen ſchwirren durch ihr Köpfchen!
Am beiten deucht ihr der Gedante, {pater nod) einmal
in die Nefidenz zurüdzufehren — ‚jpäter, wenn jede Heirats-
` {Dee von den Eltern aufgegeben ift, wenn fie felber die
Braut oder Gattin eines anderen geworden, — und eine
Audienz bei der Herzogin nachzuſuchen
Sie will alsdann der hohen Frau alles beichten,
will ihr das Herz ausfchütter und die Schuld befennen,
welche fie gegen Wulff Dietrich verpflichtet. Cine moralifche
Schuld. Ce war die Einzige, welche er heiraten durfte,
und fie wies ihn zurüd. Sie hatte fid) einem anderen
verlobt und der Graf it felbjtlos zurücigetreten, feine nee
eigenen Suterefjen ihrem Glitd ju opfern.
۳1
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ما 200 —
Gein Sdelfinn muß belohnt werben
Der Herzog wird zweifellos bie Macht befiten ; bie
fatale Heiratstlaujel in Der Erbfolge der Niededs ab: ے
zuändern, Da fle nicht mehr gut erfüllen tft; ehemals fannte
man nur das fleine, enge Vaterland zwifchen den (0
lichen Örenzpfählen, jest ift Deutjchland. wieder zu einem
einzigen großen Vaterland verjchmolzen, und darum miifjen
die Niedecks auch berechtigt jein, in dieſer ganzen, 271
Heimat nach einer Gemahlin au ſuchen, welche ſechzehn
Ahnen aufweiſen fann.
Das wird alsdann nicht schwer — und Graf
10 Dietrich fann fich eine Braut nach feinem Herzen
wählen
Ria hat mit dem Eifer und der Bhantajie eines ۵
diefen Plan ausgedacht; fie macht Hd nicht flar, Daf
wohl die Niedecks felber derartige Schritte thun 0
läge Die hung ihrer Win ſche in dem Bereich der
töglichfeit.
Sie lebt ſich in den فا Gebanten ein, und be &
Ichwichtigt mit Demielben jede Negung des Mitleids, welches
fic) in ihr Herz. en will
CNIS کرک
2000
Nee
a
Sa 27 ا
5 N 21 18
۱ Dia zum.
N
XIII
Den Feind zu überliften, en و nicht viel!
Ih babe mir erfonnen ein 57 Poffenipiel ! |
Ich haf mir anderen Jamen, 7 mir ein falfch 6:۸8
Und freugt er meinen Weg alödann, — er fennt mid nit,
Aus dem rei von Meifter Se
EER (8 Bia noch ‘immer in Gedanfen verfunfen an
der ۵ lehnte, hörte fie plöß lich Schnelle,
jehr frûftig )] 6 6٤ Mer ſich und
wandte jählings das Haupt. :
Ein junges Mädchen, ſchwankend zwiſchen sul ein
und Backfiſchchen fam in grotesfen Sprüngen, welche
jedweder Grazie entbehrten, über Die anal) heran >
.. .galoppiert.
Kurzgefchnittertes, dunkles — 136 Hd, mehr, x 0
al? daß ¢5 fich lodte, um die mächtige, vierectige Stirn,
unter welcher eine nicht allzufleine Scale kühn ur die Welt
hinaus ſtrebte Große, ſehr lebhafte Augen ſchauten fred)
wie bei einem Kleinen Epa der reigenden )6 01۱11116 ent-
gegen, md aus dem Mund, welcher in fröhlichem Lachen
268
ungehenere Dimenfionen annahm, blinften zwei 71
ſchneeweißer, ( ee Zähne. Bra : مس
)ماما —
Nein, jchön fonnte man + Rontteb Ben nicht nennen, 3
würde ein ۲ Mißbrauch des Wortes geweſen fein! x
Ihre ganze Figur war edig, ungraziös, ſtets in fitt |
(idem Kampf mit den einzelnen Gliedern begriffen, dabei ۔
jehr ſtämmig und robust, ohne merkliche Spur von `
Taille und. ohne jedwede Anzeichen weiblicher umut
und Sanftheit,
Der rüpelhaftefte Bengel mürbe in Gräfin و
fein täufchendes Ebenbild gefunden haben, — und doch
[aq auf den derben, häßlichen Gefichtszügen, welche une ©
verfennbare- Ahnlichkeit mit Graf Willibald zeigten, cin
findlich ftrablender, fropfinniger und herzensguter uz
druf, Dap man dem fleinen Fräulein gern die größten — 2
Unmanierlichkeiten verzieh, wenn man in die aster
Yuglein. blicte. x
Alle Kleidungsſtücke, fo elegant und chic fie aud) die
erften Konfeftionshäufer lieferten, hingen wie geborgt um
Komtegchen herum, oder fpannten in fo ungebührlicher ۔
Die Gräfin Mutter, welche noch immer 8 Toch —
Weife, daß fie binnen ہے Beit aus allen Nähten
platten.
terchen allein und eigenhändig jeden 0067 anfletdete,
lachte Dazu.
‚sa, was fol ich mit dem Wildfang beginnen, liebe
Pia, ziehe ich ihr Kleider an, weldje nach unjeren Be-
5209. —
griffen gut fiber, fo ſtöhnt jie, die Engigfeit fei nicht
zu ertragen, und bei den eriten Turniibungen frachen
alle Nähte; alfo laffe ich die Stieider fo weit wie Sade
anfertigen, Damit bie Heine Here Play hat, fid) aus ۔
zutoben ee .
us 5 Yustoben رس Fräulein Fränzchen gründe a.
lichſt Die langen „Söhlumperkleider” gemierten fie
fichtlich und oft überrafchte fie Pia, wenn ſich die Kleine
damit amiifierte, in wilden Säßen und Springer die
Ride zu ſchwingen, wie Kinder, weldje fich aus dem
Sleiderfchranf der Mutter koſtümiert Haber. Das Lernen
ſchien die junge Dame auch nicht fehr zu entzüden, „Mit
Gouvernanten drangen wir [don gar nicht mehr bei ihr
durch” — ent}duldigte Tante Johanna mit beinahe Ders
legenem Lacheln, als Pia überraſcht den Hauslehrer an
blickte —! , a haben wir uns einen energijchen, tüch-
tigen Pädagogen zu Hilfe geholt, und nun geht es
etwas beffer mit dem Studieren, manish. der Herr
Kandidat recht ungern daran denft, Ferien geben zu
müffen.” Denno) war Fräulem von Nördlingen über
raft, wie viel daS arme Fränzchen lernte,
Sa, fie überrafchte die Kleine jogar einmal, bet latei: تہ
nischen Bofabeln.
Aber, Confinden, wozu braucht ein ia ۱ ۱
denn Latein zu lernen? [”
Srängchen johlte auf und warf in einer Ynrandiung
hoher Luſtbarkeit Die Beine in die Luft, Dak Die Süße
momentan auf dem Tiſch ruhten.
— 270 —
3 „Sa, ‚weißt du, mein Pater wills nun mal jo! Ich
glaube, er will ſich der Frauenbewegung anſchließen MOD. oc
mal ein Fräulein Doftor aus mir maden! Na, da Findet a
er feine Gegenliebe bei mir, denn id) haſſe dieſe Ders
dammten Echmöfer! Geh — ein bischen zur Seite,
Pia, daß ich Die Fenfterjpiegel jehen kann!““ —
Wozu Das?" — 5
Fränzchen grunzte vor Vergnügen: sc laure hier
auf Lielmann der den Frühſtückstiſch auf der Terraſſe
bedt, — wenn er das nächjte Mal fommt, bringt er Die
Platte mit Fleiſchkl ۵8 — melde ich nicht. mehr aus:
== š ſtehen — nicht mehr ried) en fann!”
„Rum. und?’ —
Wenn er unter dem SFenfter ift, 0011101۳6 ich den
Blumenpatt runter — — wetter, daß Rielmann vor
En ſamt feinen Klopfen auf ba: Erde hf? —
ee — Und dieſes Frangchen war fünfzehn,
x ja fogar bald jechzehn Sabre alt!! — ۱
Auch jet blickte Bia der fo ftürmifch abend Bate
ae mit berechtigtem Mißtrauen entgegen. Fränzchen warf
die langen Arme fuchtelnd durch Die Luft, um fie ae
Augenblick ſpüter in wildem Anprall un Fraulein Don `
lingens ſchlanke Geſtalt zu fehlingn. . ان
x Gleidgeitig küßte “0)7 nit derbem nien
bie zarten Wangen ab. -
„Aber, Kind! Du reißeft mich ja um! wehrte fich
Pia atemlos; „und wie oft habe id) dir fchon elat, ee
dab i die : greulichen Küſſe nit leiden mag ہے
— 271 —
ea, dann ſoll dies der — für جح je!” fachte `
Fränzchen und ledte mit der Bunge behaglich über die
Lippen, wie eine, der es recht gut geichmedt Bat.
„Barum ſtehſt du hier jo alleine?”
„Sh: warte auf deine Eltern und dich! — Die
Wagen ftehen längit bereit.” |
Weiß ih! — Famos, daß ¢3 wieder fogs geht! und
Gott fei Danf ohne die Schulbücher! Giehft du, darum
möchte ich bor Vergnügen gleich Burzelbod ſchießen, wenn | |
eë man bloß pafjend wäre!” —
Und Fränzchen ſchwang ſich ſtattdeſſen auf die Bali:
ftrade und baumelte mit den Füßen. —
Wie alles an ihr, war aud) die Stine ein ۸۷۲
des Vaters, ebenfo rauh und Be. Hingend,, دا unme⸗
lodiſch wie die jeine. ہے تچ
,0 haft du deinen Sut, bi Bildfang? Rit a
bielleicht barhäuptig
„Um hebjten thäte ich's! — Das fomifde Ding auf
dem Ropfe geniert mich ja nur! — Himmel, wenn ic)
fol eine Staatsfarnette mit Bindebändern auffeßen jollte,
wie Mama! Oder fol einen Wandteller mit Feder—
büfchen, wie bu! — Gräßlich, ich glaube die Feuergloden
ftiirmten, wenn ich fo antreten würdel Aber fomifch, —
dir fteht das Ungeheuer brillant! reizend! — wie ein —
Nitterfräulein fiehft du aus, einfach zum Verlieben!
Komm, gieb mir noch einen Schmag!” —
Pia lachte und flüchtete gurl.
„Sch glaube, du biſt über den Fruhſtückswein geraten,
— 272 —
Sränzchen! Jedem Primaner würden Deine verliebten oe
Augen Ehre machen! — bitte, verjdjone mich mit deinen .
Zartlichkeiten Du weißt, daß = fie abjolut nicht
leiden mag!”
Komteßchen war gar — beleidigt Sie verſchränkte
die großen grobfnochigen Hände auf dem Nüden: „Magft
du mich nur darum nicht Füllen, weil ich ein Mädchen
bin?” —: fragte fie mit viel Qntereffe! Findeſt du
meine Rartlichteit nur darum langweilig? Und würdeſt
Du fie lieber mögen, wenn ich anjtatt einer 00
Conjine ein flotter Better wäre?“
Pia errötete und zog die dunklen, fein e
Brauen argerlid) zufammen: „Wie fannft du nur jo
albern reden! Solche Gedanken pafjen fic) nod) gar
nicht für ein fo junges Madden!“ ۱
Fränzchen jauchzte hell auf vor Pergmügen: ‚ta
ftopp, man jachte mit den jungen Pferden!” amiifierte
fie fid) in ihrer. ungenierten Weife. „Sch Habe jchon
eine ganze Menge Schmöfer intus, in welchen etwas von
Liebe vorfam! Sogar den Fauft fenne id) — und finde
ihn fogar noch nicht einmal jo furchtbar toll, wie ich
mir Dachte! Könnteſt du dich in jo einen 00ف تال
‚Doktor verlieben?”
‚eein ! x .
Sieht bu, id auch nicht ۴4 _ rückte näher
und legte den Arm ſehr innig um die ichlanfe Eoufine.
„Sag ‘mal ‚ehrlich = Soldihen, wie muß mal der Mann
fein, in den du did) verguden könntejt?“
18
berr J
Majorate
`x
L
. 6115 0۲ ۷۱ YL 9
v
N
om. u. Nov, Ver
as
— 274:
Pia ſtrich lächelnd mit ber aos über ۵۵8 ۶6 :
Haar der Fragerin, welches unter den gragidjen Gingern |
fofort wieder rebellifd) empor fchnellte. „Das weiß ich
jelber noch nicht, Mamfel Neugier!”
„Bas foll er denn "nal fein?” forjchte 1
und die Stimme arte ihr über, weil fie jo recht weich
und zärtlich flüftern wollte. ۔
Pia lachte noch mehr und führte einen leichten 0
ſchlag gegen bie indisfreten Lippen. .
Papſt zum mindeiten. — is
ka, Brot! — Wlfo hoch hinaus. Dachte e2 mir
bod. Bift auch ganz berechtigt, was bejonderes gu vers ا —
langen. Würdeft du aber nicht doch 7 mit einem
Majoratsherrn fürlieb nehmen 2“
Fräulein von Nördlingen wid) jählings — Wie
fommft du darauf?” fragte fie GOED, boll neu er-
wachenden Mißtrauens.
Fränzchen verjchränkte die Arme vor dem Magen
und lachte in ihrer lujtigen Weile verſchmitzt auf, dann
rieb fie ſich die Hände: „Sc thu's mal nicht unter dem!”
„So? Nun, ich wünſche Glück dazu!“
Pias roſiges Antlitz ſah plötzlich ſehr kühl und ſtolz
aus, ihr Blick ruhte ار auf Dem (۵ ا
Geficht der Heinen Gräfin. Alfo jcheint fih Tante 96: ..
Hanna Dod) den Grafen Wulff⸗Dietrich zum Schwieger- i 3
john ausgejucht zu haben. Se nun, ¢3 giebt ja aud
heutzutage noch Montecchis und Capulettis, deren m.
fich zum 5046 heiraten.
ے و ہت
a Hielt den Blick voll Feder. Unverfrorenheit — a
Sie mujterte fogar die — Wieder mit den
Geſichtsausdruck کو
Weißt du, Pia, wenn id als Männlein auf die &
Welt gefommen wäre, heiratete ich einzig und allein ee =
„Schr jchmeichel Haft. ie
Da 1118101۲ bie ۲ Augen plo ins, — an
voll beinahe flehender Angit, x
Würdeſt Du mid) dann nehmen?”
Pia glaubte aus dieſen Worten viel mehr au hören,
al vielleicht darin lag, Die zitternde Angft eines Mäder
حر welches gern hören möchte, bab es troß
feiner Häßlichkeit gefällt. Boll Mitleid, weicher und herz —
licher wie oni, legte Bia den Am um den Hals 8
Backfiſchchens x
yas veriteht ji!” — te ie. „Solch ein Pradit:
eremplar wie du hat feinen Korb zu befürchten, und ein
flotter Hemer 0۷ء würde dir gewiß کک ٗ
jtehen 7 ۱
Sie wollte laden, — و Stimme erftichte unter
den ungeftümen Küſſen, welche plötzlich auf ihren Lippen
brannten. Komteßchen ſchien wie von Sinnen über Die
Eloge, welche ihr ‚gejagt: war. Sie befam einen ihrer
übermutstollen Anfälle. Wie eine Heine ٤+ {prang
fie von der Mauer und umbalfte die angebetete Eoufine,
als folle fie unter dieſen ſtürmiſchen Liebfojuugen erfticen.
le Sranziska, bift du nicht recht gejcheit ک7 wehrte
fih Fräulein von Nördlingen atemlos, doch ſchon ses
۱ 18* ۱
تمس 2706 —
fie 4 frei. und bie berben noplitijetn des 9+4 —
trabten mit denſelben Hechtſähen davon, als wie fie Dor
hin gefommen waren. Die fleine Gräfin ſauſte ben
Eltern. entgegen, welche foeben auf ber Freitreppe 20
ſchienen um die Equipage zu befteigen. Pia ordnete
ſchnell ihre 06+ Toilette und mit e
Wangen nad dem Portal zurüd,
Franzchen hatte dem alten Kuhnert einen beiteren
flaps auf die hilfreich bargebotene Hand gegeben und
war ohne Unterjtügung jo frajtvoll in den Wagen qez
iprungen, daß die Achien frachten, und während die
wohlgefällig lächelnd folgten, ftülpte fic) Der feds _ ما
zehnjuhrige Unband ein ſchlichtes Sägerhütchen auf Die > =
wilden Haare, um e8 im nächſten Moment mit foe ۱
Reverenz bor Pia zu ziehen. مات ie
„Mama, meißt du, was die chine Bale vorhin gee
jagt hat? Wenn ich ein Majoraishere mit einem flotten
s wäre, rolirbe fie mich heiraten x
Bunn erftenmale jab Tante Sohanna ‚ärgerlich ang,
mit verweijendem Blick hob fie den. Kopf und der Graf
fagte in beinahe ftrengem Ton: 0. Vergiß nicht,
daß du mir verſprochen haft, alle ۲ N
unterwegs zu lafjenl” x
Die Kleine frenugte voll übertriebener Devotion bie
Arme und Schnitt eine Grimafje, Graf und Gräfin aber
neigten ſich aus dem offenen Wagen und verabjchiedeten
ſich ۲ herzlich von dem Hauslehrer und der Diener:
Ihaft, weldje Die Equipage umtingten, x
جو 277 —
x Auch Bia nictte und grüfte, Fränzchen erhob feqnend
die Hände und ermahnte den 7 Pädagogen ſal⸗ x
bungsvoll „Bleib hubſch — ich und jromm, — bis
nad Haus ich wieberfomm!* Der Bude Tufte a
۱ den Bügeln und die ungeduldigen Fine griffen. . in
den frrojpenden Wald hinein zu jtürmen. oe
x Eine fleine Weile flog bie Unterhaltung in on N
: Worten fer und bin, dann räufperte fic Onfel Willibald
plößlich und wechjelte einen ſchnellen Blick des Eimer
nehmens mit jeiner Gemaͤhlin „Siebe Pia“, fagte en
zögernd, „wir haben jebt 11 gemeimjame Reife bes
gonnen, und wäre es wohl angebracht, dich mit ناه a oe
kleinen Abſonderlichkeſten bekannt zu machen, welche wir:
uns während der langen Wanderjahre angewöhnt haben!‘
Die Barone ‚neigte ſich höflich näher, „Seif,
‚lieber Ontel‘, jagte fie, „ich möchte mich in allen Dingen
genau nach euren Gewohnheiten richten und bitte Herzlichit,
mic) mit ber veränderten Lebensweiſe und ےت ۱
befannt zu machen !“ x
Der: Graf nickte ihr mit benahe مود Lächeln
au; „Bir find in manchen Dingen. ‚abjonderliche Leni
und zu den ۱ unferer Reif en gebbrt lli:
erjter Linie, niemals den Namen Re in ein ME
denbuch zu fehreiden - %
yo! Du überrajcheft ریا il ee
Willibald lächelte; „Wir teilten e der
Fahre unjerer Che ſtets unter falſchen Namen, oder
befjer gejagt — te 0 ا
— 978 —
Pia lachte luſtig auf: „O, das ift ja ein Berrlicher
N Scherz! ‘Thatet ihr das lediglich des Spaßes halber P.
Der Graf fchüttelte treuherzig den Kopf. „Kein; es
mag dir vielleicht noch "7 erſcheinen, wenn :
wir e3 im bitterften Ernfte thaten.” —
„Erkläre mir, beiter ۱
weißt, was mein leiblicher Vetter Ridiger für ار
einen teu fliſ fliſchen Plan hegte, um das Majorat und Bers
mögen an ſich zu bringen’, fuhr Niedeck mit haßerfüllten
Blicken fort, und wirft es begreifen, daß man gegen
fold) einen Menſchen, welder in “gewifjentofefter Weiſe
feine Anverwandten lebendig begraben wollte, miftranifd `
wird. — Meine Heirat erregte naturgemäß den 71
Zorn dieſes meines Feindes — und die Geburt meines
Kindes 011 ihm auch. nicht gleichgültig fein, denn wenn
ja Frünzchen auch leider nur eine Tochter war, ſo geht
doch ein ſehr großer Teil 8 Barvermögens auf fie über.
Ein Berluft, welder für Rüdiger, jehr empfindlich ift, da
er wohl auf die bolle Erbſchaft rechnen mußte, um ſeine
und jetzt auch ſeines Sohnes Hartwigs Schulden ant Dez
zahlen. Ein Mann aber, weldyem das Leben des Vaters
nichts wert war, dem ift dasjenige 8 Kindes ebenjo=
wenig heilig — und fold einem Teufel in Menſchenge⸗
ſtalt traue ich alles zu — alles. Nenne es nun Feige
heit, Mißtrauen — übertriebene Borfiht — 0Der مو cea
du ſonſt willft, aber verarge es uns nicht, wenn wir ا
bemüht waren, unfer teuerftes Kleinod vor den ad
٦ des ود gu ہک اس ات مت
س 979 —
ich mit diefem Verdacht Rüdiger unrecht und gehe zu
weit in meiner fchlechten Meinung über thn, aber wir
wollten lieber zu vorfichtig wie zu leichtfinnig fein, und da
unſere Angftlichkeit mit dem Kind fo wie fo fehr groß
war, umd eë aud) jebt noch ift, fo Hätten wir feine
ruhige Minute gehabt, wenn wir uns durch Nennung
Dea Namens den Nachitellungen Rüdigers preisgegeben
hätten, Daß er ſich mehr wie einmal alle denfbare
Mühe gegeben hat, unfere Spur aufzufinden, weiß ich
genau, in Kairo hat er fogar die Geheimpolizei in Be—
megung geſetzt, was mich veranlafte, fofort abzureifen.
Du fiehit mich gang Harr vor Stannen an, liebe Pia;
— ja, wenn id) einen Roman fdjreiben wollte, brauchte
ich nur den Stoff aus meinem Tagebuch zu holen! —
Nun, — du weißt jebt, warum und weshalb wir Bers
[teden ſpielen Ehemals war ق eine Notwendigkeit, jebt
ijt es mehr eine Angewohnheit, welcher wir kaum noch
1111 werben fönnen. Wir find ſtets al Deutjch-Amert:
faner gereijt. Mr. und Mrs. Luror biegen wir ftets und
wollen uns auch diesmal jo nennen. Wenn es dir recht
ijt, liebe Nichte, figurierft bu als unjere ältejte Tochter !”
Hurrah, bravo! ich hab ein Schweiterchen befommen;
dann verlange ich aber auch, Daß Taufe ۳
Tante Sohanna lachte mit ftrahlenden Augen, wie
jediweder Scherz ihres Abgotts fie bejeligte!
„Run, Bia, dam rüfte did) für diefe Feier! Biel
Gevattern werden wir dir aber nicht laden können!“
„Einen anderen Vornamen befommt fie 7
—
— 280°. —
NS ll ORE, — ue mir mur einen aus, wenn bir o
IU A e meine nicht Schön genug ift!” |
Bia ijt der herrlichfte Name, welcher überhaupt 0 دا
exiftiert ” — rief das 71 begeiftert und ſchlang
bie Arme abermals enthuſiaſtiſch um die Nachbarin.
„Der neue Name ſoll ja bloß ein Jux fein, weißt bu,
ein Wik, damit eben alles anders wird: Alles neu macht —
der Mar!”
Nun, dann befinne dich mal auf einen recht —
Namen!” — Fränzchen fehl ug behende das Bein über,
ſtützte den Ellenbogen auf das Knie und ſtemmte Die
furzen, etwas abgefnabberten Fingernägel gegen die
Zähne; das war ihre Lieblingspoſe, n wenn fie nachdachte
oder ſehr eifrig zuhörte, —
Die dunkler Augen flacerten dabei im lebhaften : _
Intereffe, Dieweil Die Blide wie ſuchend von einem Antlitz
der gegenüberjigenden Eltern gum anderen glitter.
„Streng dich nicht zu furchtbar an, Rleindjen, du
thuft dir einen Schaden bet biejer ichweren Geiftesarbeit! J
— nedte Fraulein von Nördlingen. |
Fürs erjte antwortete thr eine E Grimatte
Dann fchlug jich Komteßchen plötzlich Hatichend auf das
Knie und {Drie jo laut: „Heurefal” dag Kutjcher und
Diener erjchroden auf dem Bock zuſammenſtießen
„IH habe einen Namen, einen, den id) auch höchft
poetifd) finde und über alles liebe!“ fuhr Fränzchen mit
einem Anflug von Schwärmerei fort, welche bei ihrem
ſonſt jo draſtiſchen Weſen doppelt paßhaft wirtte. „Pia,
کت 281 —
= Heb mich einmal an, — wie würde bir I Beiſpiel
0 ۷ zu Geficht ftehen? on |
„But; ſehr gut, jchöne Leute kleidet alles jou!” ۱
nickte die junge Samt ſehr ernſt
„Mama, Bapa, — findet irê au ے
„Natürlich! grofartig! Lilian Luror! — Es ting!
jo intereffant, wie in einem Roman!” —
„Das werden die Kelluer jagen!” — اما ate en,
Fränzchen im Vorgeſchmack aller Triumph, welche ber SS
vom „ihr“ ausgedachte Name feiern wird. — Rn
BD, id) werde ihnen imponieren! l — verficherte Ria,
— immer noch ۲
Mama, — Papa, — vergeßt nur nicht, bet jeder
nur irgend. möglichen Gelegenheit He „Sillan“ zu nermen
und zu rufen!“ fuhr die junge Gräfin mit glühenden =
Wangen fort unb ſtieß die Eltern zur Bekräftigung mit
dem Sub Of. |
‚au, Grider, jet doch nicht io unmanierlich“, Schalt
| ber Papa, mehr aus Hd} Flichfeit gegen Die maltraitierte
Mutter, wie aus Rüdjicht gegen feine eigene große Rebe.
„Nun — und wie heißt du in unjerer Hemel an
fomödie, Fräulein Baler” — ۱
psd 21 — Frängchen warf gerinafhägenn bet Mund
auf, baf er noch größer ausſah dc?” Ad weißt ie
du, Lilian — bei mir. lohnt ſich das Umtaufen nicht;
wenn man einen Hering auc) mäfjert, er bleibt doch ein ۱
Hering; — und wenn man mir auch ben poetiichiten —
Namen 0 würde, ; ich würde — 20 feine —
— 282: —
machen; — alfo laßt mid) man ruhig da3 olle tolle
Fränzchen bleiben, — damit Die Leute nicht ſtutzig
werden |”
yoann müſſen wir bod mindeftens — jagen,
fonft paßt du ja gar wu in unjere ausländijche Ge⸗
ſellſchaft!“ |
Francis! — na, das ginge allenfalls, — aber wie
gejagt, Fränzchen ift mir ſchon lieber! ich fühle mid)
` Darr nicht fo geniert und braude fein anderes Geſicht
zu machen!” —
Glaubſt du vielleicht, id) made و bolonberes Gee
ficht für Lilian” — lachte Pia hell auf.
Fränzchen hafte {ih zärtlich bei ihr ein.
„Du? Mein, das Daj du auch nicht nötig!” klang -
wieder fehr jchwärmerijh von ihren Lippen, und die —
dunklen Spatenaugen befamen abermals den verliebteften
Ausdrud. „Wenn man jo [ón ijt, wie du, Pia, —
ich wollte jagen, Lilian, dann hat man nicht nötig, ſich
das Geſicht zu verrenken! Ich finde dich nämlich bild-
ihön, wirklich jdauderhaft fin! — Bilt du eigentlich
immer fo geweien, oder if e8 erjt fpäter 7۴۶
Beit du, wie bei mir, wo die Leute immer fagten: —
„Sie ijt jebt freilic) mordsgarſtig, aber das verwachſt a U —
hg Doch wohl noch!” —
Abermals ein allgemeines Gelächter.
Brau Sohanna jchien nicht im mindejten wegen der
Häßlichfeit der Tochter befümmert und ihr Gatte ſaß fo
ſchmunzelnd und wohlgefällig feiner Einzigjten gegenüber,
— 283
als habe er in ihr zum mindefen bie Bemus bon Milo
zu bewundern. 3
Pia gog den wilblodigen Kopf her = Guar mit liche»
bollem Blid an ſich „Sa, e& hat Hd [hon verwachjen,
Fränzchen!“ nidte Tie, „und ich bin überzeugt, bie Menſchen
werden Die Hergenagute, fröhliche, natürliche Francis viel
lieber gewinnen, wie die fteife, langweilige Lilian mit
dem poetilchen Namen!”
„Sieb mir einen Schmag!” —
„Uber, Fringdhen! Du weißt, dak Pia das Küffen
nicht leiden mag!” — verwies die Gräfin ftreng und
der Graf lachte. „Danke Gott, liebe Nichte, daß dem `
Wildfang fein Schnurrbart Gradient ub 0 hättet einen
unausftehlichen Berehrer an ihm! `
dit eigentlich ٦ ein Programm für fere Reife =
entioorfen ?” x
„ein, wir reifen immer ohne Überlegung in den
Tag hinem! wo eS ſchön ijt, bleiben wir, und wo es
uns nicht gefällt, da fahren wir jtolz vorüber!” —
Wollen wir die ganze Nheinreife zu Schiff machen?” —
„ach nein! Aussteigen 0 ee 7 will auf eb
Burg Steigen!”
„Ra ja! ſchrei Dod nicht — wir لات ja qottlob ے
nicht taubl Wenn es für Mama nicht zu viel wird,
fönnen wir ja verjchiedene Magenfahrten machen!” —
„Bon Kaftel bis Bingen fahren wir wohl durch 2”
„sein, Papa, das geht viel zu (۵۵۱۲ In Rüdes⸗
heim wollen wir doch übernachten, da müfjen wir zuvor
ae 254 —
ſchon mal ausfteigen und. as die Ufer: safes befehen,
ſonſt 11 ja der Tag ganz verloren, denn für den Nieder⸗ = 2
wald 18 ſchon zu fpät, zu der Tour müffen wir von
frühmorgens bis abends Zeit haben.”
„Nun, fommt Beit, fommt Nat; vorläufig wollen
گا erſt mal in den Zug jteigen und uns freuen, wenn
ir Maing erreicht haben! ` = oy
Gu Mainz bleiben wir guerft?”
Da wir Sranfjurt kennen 87 Š
„Haft du Schon wegen des مود an etn
Hotel telegraphiert, 10011000077 — `
` „les bejorgt, Hansen!” —
Hänschen iſt aber nicht ameritanifch, Bater, jo ۸
Du Die Mutter por bent Kellner nicht nennen! ۳۶ |
„Sind denn Die Dienftboten injtrniert, liebe Tante,
Daf Í fie nicht etwa unjer Qutognito verraten; pa
Die Gräfin (achte: AUnbeſorgt meine treue Rammers
frau reift: ſchon ۶ fünfzehn. Jahren mit Mrs, Luror, :
und der brave, alte Friedrich ijt auch an unfere Ab — .
23ھ gewöhnt. Dich ۲ wir all ا قوف
alê ,Qilian” ۱
— Wenn das alte Trampeltier den Namen nur nerfen کے
04 grollte راو deren Meinung von ee —
Sutelligenz nicht bejouders hoch zu ſein jie.
„Er wird 17
Eſſen wir table d’höte oder à la carte?” infor
muerte fid) Komteßchen weiter.
„Halt du fdjon Hunger?!! —”
os 235 ج
AD habe immer Singer, und en liebe ich
6, 067 nachzubenten, was id eventuell alles ۷ء
Jone!”
„Dazu haben wir un Bug Die ٤6 Beit. A از we
Kellner und überreiche bir die Karte. —
„Samos; = te Hühnerfricaffe fange id) immer an, — ses Se
— das üt aud Servohnheitsfache bei mir; überhaupt
DET
lege ich auf Eſſen und Natur das سو 70 Gewicht;
auf jogenannte Met [۱ oder oe brenne ۱
ic) richt
Granger boq Det Kopf zuriick ns litte Der Dêre
Woujine mit jel Ham N beinahe eiferfüchtigem
Blick in die Augen. ane >
0ر du es مه 2. 5
Pia lachte. | „Ehrlich ۱ eftanden, find mir bie Menschen
und Mitreifenden bedeutend al wie Die ei ns
farte!” | 5
Wirſt du bie eva m Cour machen [ali ner.
Fränzchen richtete ſich page ings auf.
„Natürlich! ich hoffe jarf, mic) and in einen echt — s
— eee a ۱ lachte Bin
ſcherzend
Die kleine Gräfin e وط ihre Gand: weal Eu
ſollſt auf einen anderen 08 ftieß fie haftig, mit oe
blikenden Augen hervor. Die Gräfin machte elite er:
ſchrockene Bewegung und ifr Gatte nahm bas heftige
Töchterlein bei 7 Schultern und drückte eB in das .. ..
Wagenpoli ter zuruck „Und pu ſollſt feinen Unſinn
reden ٢ befahl er ftreng. a
Fränzchen lachte verlegen ماد من اد Man
müßte Pia Dod ein wenig 111 und dann jeufzte fie
tief auf und fagte unbermittelt: Ben mir doch erſt
pier Jahre weiter waren!!” — _ ee
Die Sräfin aber unterbra fie {eb batt: „Da itt _
bereits bie رت Bitte, rüftet — un Auge
eigen! چک | ۱ ۱
Alle chten Geifter des Frohſinns سوا >
entfejjelt und fdjwirren wie leuchtende Gold:
An den Rbein, an den Rhein! zieh nicht an ben Rhein,
Mein Sohn, ih rate bir gut,
Da geht Dir bag Leben zu lichli ein,
Da blüht Dir zu freudig der Mut!
۱ Sarl Simroa.
۱ eld) ein Frühlingswetter!
junten Durch die Luft! :
- Sang und Klang, frohe Menjchenftimmen und jubelndes
Gelächter, wohin man hört, — und wohin man et,
strahlende Augen, glücliche Gefichter, buntes, fröhlich
flutendes Leben überall! ۱
Der Rhein ijt nie fo for, als im Frühling, wo der
‚Alte wieder jung wird mit der jungen Welt, wo er fein
Bahrtuc) von Eis und Schnee madjtvoll von fich geworfen,
um neu geboren zu erjtehen! ۱
Dann wälzt er jeine Wogen in fraftitrogender Fille
dahin wie ein Siingling, welcher fic) mit weit ausgebreiteten
Armen jauchzend den Frühlingsftürmen entgegenmwirft, voll
ungeftiimer Wanderluft weltein zu ziehen!
288 —
Wie ber € Sonnenglanz auf dem Baifer tiegt We
es geheiumisvoll aufglüht und goldrot durch Die Weller
ره als ſei der Nibelungenhort geſchmolzen umd treibe
in funkelndem Golditrom gleißend dahin. ede Woge
trägt einen flanmenden BUG im Schoß, jede Brandung
verftäubt demantenen Tau, und wo der Strom in den
Uferbuchten ſtiller dahin fließt und Wald und Fels und _ 7
jtolge Sinuentronen fpiegelt, ba kreuzen die weißen flinfer
Segel und ziehen wie blendendes Sehwanengefieder über
tiefgefärbten, blauqriinen Grund! —
‚Die erften Duftichleier Inojpenden Maigrüns liegen
über den (00701 Bergen, überall tritt das Telsgeitein aa
noch grell bejchienen in ſeinen pittoresfen Formen zu Tage
und Die 717 0001 ſich noch nicht hinter dunklem
Gezweig, fonder tragen mir 0۳ und wehende
Ranken als liebliche Bterde!
Glocken läuten! Hornfignale, balers ۸86 von
Berg zu Thal! ۱
Das Dampfſchiff zieht mit flatternben impel jeine
Bahn, und die Menfchen, welche ſich auf Deck befinden,
empfinden e3, wie weit und leicht das wird! Wie recht
der Dichter hat, wenn er von dem gefährlichen. ‚Sauber 0
de3 ۵ fingt, welcher die Eeelen gefangen nimmt
gleich dem Lied der Siren, gleih dem ۵ der gold»
haarigen Lorelei, ‚welcher nicht nur an ihrem elfen ers
fondern fo weit durch den Lenzesodem weht, pie روا
die grünen Rheinwogen durch die Lande ziehen!
Anfänglich Batte Franzchen Niedeck wie gebannt pon ae
PB, Ot, Nom. u. Nov., Der Maſoratsberr 9 0.60060 اھ
— 200 —
۱ ſüßem Bauber an Bias Seite auf dem Shit gefeffen
und mit großen, weit offenen Augen die reizenden Bilder
angeltaunt, a in buntem 8:01٤ an Den ۳ pore
überzogen.
Daun — war ihre ureigentliche Ra en 78 ,
zum Dinchbruch gefommen, x
Sie ſprang auf, lief unruhig hin und her, sk
ſich kurze Zeit für den Maſchinenbetrieb des Schiffes, —
ungeniert die Mitreifenden, verftedte dem tief اس
in Gedanken verjunfenen Friedrich meuchlings feine Kleine
Handtafche, beftellte fich bei dem Eteward bald Diefe,
bald jene Erfrischung und zeigte durch ihr ganzes Benehmen,
daß fie bie längſte Beit am Tage ſtill geſeſſen hatte.
Die Gräfin verjudte das 6 Töchterlein -
vergeblich an ihre Seite zu feffeln.
Fränzchen Ichmollte, daß man an allem Schönen jo
ſchnell vorbei fahre, und Daß doch der eigentliche Sweet
einer Aheinreife der jet, mal von „oben herunter” auf den
Fluß zu feben. ۱
„Sieh doch nur, das fidele Gewimmel an den Ufern,
Mama, — und wir fiber hier wie in einer Maujefalle
lange jahren 2ء und formen 1 uns nicht rühren! Wie
wir jchon —’
Aber, Kind! wir find ja faum ۱ tt
„raum eingejtiegen? — Na, id) dante, eine wahre
habe ich einjam ۴ء91 Ewigkeit gondeln wir bereits! Sn
und allein {chon monatelang ftill im Käfig fiber. miifjen —
und num, bei dem prachtvollen Wetter, wo man fd mal ‚
— 291 —
ESS Nein hen bie Beine 0)1 fonute, 4 mart wieder
— wie angenagelt!“
` „Uber, Fränzchen, es gibt ja hier — gar feine Berge
und Burgen, welche man anjehen fan!“
Gleichviel; wir 1610181 doch mal ausfteigen, mal ein
bißchen am Ufer entlang fahren oder reiten! Da drüben
Tift eben eine ganze Gejellichaft auf Eſeln; das muß
famos jean. Ich möchte für mein Leben gern auch mal
wieder Eſel reiten, Du weißt Doch Papa, daß es mein
Hauptvergniigen jeit jeher geweſen ۳ i
Tante Johanna fah jchon wieder ganz nachgiebig aus,
und der Öraf ſeufzte nur ein wenig
Du biſt ein entſeblicher Duälgeift! Ih muß mich
doch erſt mal informieren, ob wir am Ufer auf bequeme
Weiſe Rudesheim erreichen ۳
sl, fomm nur mit, ich habe 1 den Steuermann
gefragt! Ganz bequem aft es! Die nächſte Station ut
Geifenheim, und von da foun man fogar höchit ۶
zu Fuß bis Nüdes — Komm nur mit, wirjt e3
schon. hören!" ۰
Und die. Komteffe 309 liven. Vater fraftvoll vom Sit
auf und ſchleppte ihn in ey berb le Weiſe mit
ſich ۰ |
Hör mal, Tantchen, ihr lat روہ gan3 furchtbar von
Der Eleinen Hexe tyrannifieren! * {achte Pia fopfichüttelnd,
„jie kann ja mit euch machen was fie will.”
Die Sräfn nickte mit ihrem engelägeduldigen Selicht
und fagte wie entjichuldigend: „ai it unſer einziges
en 19*
ہے 9
Kind! Unfer ganzes @(üd! Das Licbſte, was wir haben! 2 =
Das macht uns ihwad! Aber unjer Verziehen iſt nicht ا .ا
fo ſchiimm wie c ausfieht Fraͤnzchen fügt Hd au
unſeren Wunſchen ohne Widerrede mit rührender Geduld, ee
a obwohl 8 ihr manchmal recht ſaner wird; da iſt es wohl
۳ edt und billig, wenn auch wir ihr alles gut Liebe ° thun, ۱
„Dag in unferen Kraften ۲ He
Via fühte zärtlich Die Hand der 0 wie
Jab ihr beide Dod) jo brave, gute, glüdliche Menjchen.
Sch hätte nie geglaubt, Tante. Sohanna, daß man mit
einem Nieder in jo harmonijdjer Ehe leben ۳ |
Ein feines Lächeln hujchte um Die. Lippen der Gräfin:
۱ Willibald iſt wohl auch eine Aus nahme, von der Pegel:
‚Hätte er einen Cohn, würde i dir. an deſſen Zeile
auch das größte Glüd prophegeien. fönnen, — ein Graf BE
Rüdiger un weniger empfeh (enstwert fein, und eine Sun
| Eine? — Man leat, der — i ble weit bom ا
Emm —
SER ۱ و سو
Abermals drängte fic) ihr der Gehan i we A .
5 He nicht mehr verlajjen wollte, 71. I bon Niedeck کے
Der 0771 gefahren.
= . Wie fam es, daß Frängchen ماوقا — = he —
Ae herausplagte: لایر follft auf einen anderen warten!”
ESie hatte e3 iu der Übereilung gejagt und beiden Eltern
ſchien Die Sache hoͤchſt peinlich und unangenehin. ۱ Auch |
ae Franzchens Verlegenheit bewies il it, 1 s و Segen -
em 220ھ حا pee eee.
— 298: —
Sie ſollte ſich nichts merken laſſen/ Daf fie von dem
x Heiratsprojeft mit ۰ Dietrich ber eits mußte.
- Darum MOE — und warum jollte fie bariiber
ichweigen? C3 war doch leider ein fo öffentliches Ge:
heimnis, daß es feiner Echonung bedurfte! Sollte 28
Tante 2 auf dipfomatifch e Weife ganz andere Bie
verjoigen, als wie Pia Hd) träumen fie? |
Sollte ihr Abreden und ihr abfälliges Urteil ‚über.
den künftigen Majoratsheren vielleicht mut en. kleines a
` Manöver fein, um den Widerjpruch der Nichte gu Telet? — pate
Was dem Zureden ſicherlich mißglückt wäre, gelingt
vielleicht oem Abreden?? —
~ Wer fenut Bias Charakter jo gut wie Tante Johanna?
Wer lieft | jo fein und deutlich in Mädchenderzen wie
eine راوطا empfindſame Frauenſeele? Und die Gräfin
war eine getjtoolle, feinfühlige ‚frau, melde fich viel
° Menjchenfenntnis angeeignet. — Hält fie eine Heirat mit
Wulff⸗Dietrich etwa aud) fr das größte Oli
armen Mädchens und will fie mun auf ihre Weije Eins ne
fluß üben? —
Wohl moͤglich _
Und dod) ift jo vieles, fo کت vieles, ۵ . i
dagegen jpricht! =
Willibalds Haß gegen den Better und een ganze. —
Sail it wahr und echt, ift feine Komödie, — und
[ 830001187 deren Denfen und Empfinden jo — eins
mit dem Gatten ift, würde nie bie Hand bieten, um einen
wichtigen Plan ihres Feindes لاق fördern,
سے 994 تم
Was bezweckt alsdann aber 8 jeltfame Benehmen,
weld) geheime Abjicht berfolgen die Eltern, 2 wie.
—
Pias Gedanken ſchweifen beunruhigt hin und ber, 00
َ bie Löſung folchen Nätjels finden zu رس fie Dat jett
auch feine Beit mehr, nachzugrübeln, denn mit dröhnenden
Schritten fommt Frängchen angelprungen und meldet
triumphierend! „Surrah, ¢3 wird ausgefticgen, en ۱
macht euch fertig, it Geil enheim landen wir!! — x
Die Augen ber Umſitzenden muftern voll Geert
bie derbe, jchlaffige Mädchengeftalt, welche nod) fo gar
nichts. von Dem Wefen einer jungen Dame an {ih hat,
und man beobachtet mit fröhlichen wittere}fe, wie ungentert
und ohne jede Spur von GCitelfeit Fränzchen den Mantel
über die Echultern wirft und mit genialem Cl ae
Filzhut auf den Kopf ما
Und dann gehorcht bie ganze 2۳۵1111616 gehoriam dem
Befehl der Heinen Tyrannin und verläßt an Citation
Geifenheim das Schiff. Frangden, welche auf Leck Durch
aus nicht über Beeinträchtigung der Freiheit ihrer Bes
wegungen hat Hagen fonnen, benimmt Hd beim Petreten
des Ufer wie eine, welche tagelang. getnebelt im Stod
gelegen Dat.
Sie wirft die langen, ungraziöfen Arme fuchtelnd durch
die Luft, Ipringt über Etein und Bretter, daß Die Kleider .
wild um die Beine jchlagen, und jodelt 10 ungeniert 3 ne ۱
Fröhlich, daß das Publikum feine Freude über eine Deel
originelle Erſcheinung nicht unterdrücken “ann. ۱
Pia wird ein wenig verlegen, Die verblendeten ات
aber 7 fich königlich über den ausgelajjenen Liebling
zu amüſieren Willibald Flitfterte feiner Gattin etwas in
das Ohr md Shanna unterbricht mithjam ein antes
Laden.
Franzchen, id bitte bid, betrage Dih anttändig,
wie e3 fic) für eine junge Dame jchiet!” jagt Fräulein
von Nördlingen verweifend, als die Komteſſe Hd) zärtlich
- nähert und den Arm der Coufine in den ihren legen mill.
` Benn ich mic) deiner jchämen a, gehe id) feinen Schritt
— mit Dir!
` ranger. Het ganz verbutst aug. Benehme ich mich
albern ? — Sa, du lieber Gott, wo ſoll ich es herwiſſen,
wie eine junge Dame fic) beninunt! — Uber komm, ic)
werde Dir jest alles nachmachen, Liebchen, dann wirjt du
{don mit mir zufrieden fein!
Und für kurze Beit hatte eë auch wirklich den Anjchein,
al3 wolle das Backfiſchchen ſich recht manierlich betragen.
Sie wanderte an Pias Seite am Flupujer entlang,
bewunderte in gewählten Worten die große Breite des
ruhigen Waſſerſpiegels, die zerjtreut liegenden, mit Grün
bewachjenen Inſeln, welche wie Smaragde auf hellem
Kryitallgrund ons, und die ſchönen Konturen des
Sohannisberges, dieſes کر mers 3“, wie fie 02 er⸗
finderifch ausprüdte! x
. Man 81۶7 fich Die einzige Eehensritrdigteit von
۱ ات die Kirche mit dem von Nauchmüller Ders
fertigten Grabdentmal des Kurfürſten Johann Philipp,
A
anzuſehen, ‘bone in einem اض nahe der Landunge 0 x
zu Mittag zu eſſen und hierauf mittels Eſel oder Mauls
tier den Weg nach N — am Rheinufer ana s
zurückzulegen
| Der Graf ging in das Hotel, um bas Nötige ju
> beitellen, während die Damen ٤ durch die ae =
Gaßchen der Heinen Stadt wanderten.
Franzch ens Betragen. blieb derart gefittet, bos die. ns
Gräfin ganz überrafchte Blicke mit Bia wechjelte. 0.
Dieſe lächelte und drüdte in der Freude über die
| liebenstwürdige Fugſamkeit der Couſine deren Arm liebes —
voll an fich, was bei Fränzchen einen wahren Rauſch — N
Entzüdens aur Folge hatte.
Sie ward duntelrot vor Freunde und umterdrürfte mur
mühlam einen Luftſprung, welchen ſie ficher gar zu gern — |
ausgeführt hätte. Cin paar Tourijten begegneten AR x
| — Maler, in ſehr gehobener Stimmung.
: Der روز und hübfchef te von ihnen. blickte Pia über- ۳ رن
x rait in das reigende Antlig, Dann zog er in übermütiger. et
۱ Ovation den ou und 00٤ ihn der j jungen Dame zu
©, Signorina bella” — |
hub « er eit befanntes italienifches Etändchen an zu fingen.
Ein fprühender Bornesblice aus Franchens Augen —
“trai ihn, Komteßchen neigte Yd jablings por und. “0:
forfchend in Pias Antlitz ۱
Als fie dasjelbe ۲ stolz, umd oll ele Rube
erblickte, ftrahlte ihr unjchönes Geficht 111. ¿ea d
recht, daß du den ۲ Simmel ganz ignorierit, Pia!“
90
lobte fie triumphier end, im Eifer ſogar den fchönen Namen ۰
„Lilian“ vergeſſend er glaube, der unverjchdmte Kerl
teht immer. noch und: globt dir _ Soll — mal
die Bunge herausſtecken 8۳
Fräulein von Nördlingen drückte entjeßt den Arm des
eipörten Bäschens an HO: Anterſteh Dich nicht” ٤
ſie fireng. „Sieh. dich überhaupt nicht nad) Den Herren
um! Golde Reet heiten bemerft eine nn Dune > —
gar nicht!“ x
Fandeſt Du 8 Seheufal ۳00 Bibl?”
lber, Fringchen, welch ein ٤ ett =
unmwillig bas Köpfchen ۱
„9b du ihn hübſch fandeft 2”
„Sh habe ihn gar nicht ange) jehen 1”
„Das it recht. Mama jagt immer, man muß bie
Herren auf der Straße gar nicht muftern I” — ےم
Geſchweige ihnen als Be Da Die Bunge
0“ ۱
Komleßchen late: „Sch bin ja ae gar ah ere
wachjen! DO, Bia, wenn ich jest ichon erwachſen wäre —
Ein tiefer Seufzer begleitete diefe Worte: „SE geht
doc) verteufelt langjam damit! ae
„Als Mädchen rechnet man mit jechzehn Jahren jon -
vollſtaͤndig zu den لے wenn man ſich danach x —
0
poe, als we a jähfingg den Kopf zu Der
Mutter umwendend, welche bei den letzten Worten an die l
Seite 5 Töchterchen getreten war, fuhr Fränzchen lachend
et =
fort: 71.٤٣ ا ٠ — gut, ا 9 x
ein Mädchen geworden. bin, Mama! oe a
` BWildfang du” ae |
Tante Sohanna blieb por einem altertümlichen Häuschen
ftehen und betrachtete es amüfiert, Pia auf die wunderlich
6+ Hausthür aufmerljam machend, dann jab
fie nach der Uhr und fand ¢3 an der Beit شم سرت
ba das Eſſen nun wohl bereitet fein werde. - |
Fränzchen machte ein brummiges Geficht: Sebt schon?
Dann treffen wir womöglich Bias Berehrernoch einmal!“
„Freue dich doc, wenn deine Coufine foviel Bewunde: ے
‚rung erregt!”
ور — Hm!“
Ein feltiamer Ausdruk lag plötzlich in dem —
der jungen Gräfin, und Pia verſtand nunmehr ihr fel
james Wejen. Fränzchen war eiferfüchtig, wie alle i.
bent Madden auf Die Triumphe per bevorzugten Gee
x noſſinnen neidiſch find.
Neid war e3 aber nicht in — ‘Cane, bani
beherrſchte zu piel Herzensgüte und harmloje Heiter feit
ihren Gharalter, aber eine "۶ Eiferſucht mate 17
dennoch geltend, und das deuchte Bia nur begreiflid) und
jelbitverftändlich. Cs muß icht hart für ein heran
wachiendes Mädchen fein, jeine eigene Häßlichfeit doppelt
ſchwer neben einer hübſchen Freundin empfinden zu müſſen!
Vor 80 blieb fein Maler ftehen, fie voll ۶
zücken ناو grüßen, und darum wallte es 98ا in ihr auf =
und fie dirgevte ſich feiner Frechheit. —
Arme ene! Wie e چ و Tropfen witb 1007 =
int den Hreudebedher قاط Lebens. fallen! Bia wird re
000 nichts: basu thin, une dem jungen Mädchen den
grellen 112 zwischen ihnen 7 31 maden. ۱
Sie fühlt großes, herzliches Mitleid mit einem jungen
Herzen, 58 fein id) Qualen {cidet, von denen wandern =
begnadete Menjchen gar feine Ahnung haben.
„Pa, — wenn der Menfh nun auf bi wartet! رھ"
` fragt اھ stontelfe. abermals, und ee duntlen کے ۱
blicken 0 eh — — ۱
۳ von 6 ۵۰ 006 elb ben Kopf,
Dann wollen wir ihm dieſes ھ۸ Ber 7 ہت
0 beſchadet lan!“ ۱
Du pnerliebit dich viet HU ae oH ue رج
Nun lachte ihre Nachbarin hell auf |
„Srängchen, bu bift nicht recht ge} eit! a ben ae
taſtiſchen Menichentindern, welche fich auf Den erjten Brick ae
in einen jouer Unbekannten verlieben, gehöre ich nicht
„Du bift zu ſtolz Dajte |
Nenne e3 fo, wenn Du 7
N wirft nur einen Grafen. heiraten‘ Se
Da zudte das blonde ‚Köpfchen in den Naden und
dr mißtrauifil ily forfchende: Dic, we (her Pia in 7٦
Zeit cigqenthiumlid geworden, bf übte ju der Fr agerin hinüber,
you writ!” fagte fie falt, 00ر werde nie nach Namen,
| Stellung und Mittehr eines Mannes fragen, an جا
dem ‚heiraten, welchen. ich. liebe 1⁄2 —
ر wenn mun feiner kommt, den du icben fone =
— 301 —
„Dann bleibe ich وه ۱ x
Fränzchens Geficht روما nic fait bu teh? on
19101315, fet wicht jo. finds init |
„sch bin ja gar nicht kindiſch, Mama! Ich wis meiner x
füßen Lilian ja ۳ den Vorjehlag machen, bab fie gar ہے
nicht: heiraten, Fondern 1 bei ıı mit bleiben ioe Wire ie
das nicht herrlich, Di 2 x
Ria lachte abermals. „Wer weiß, Fisher. SS.
wire vielleicht das beite und friedlichſte Glück, welches ih
mir wünjchen könnte! Aber du würdeſt auf die Dauer Dod)
woh! nicht mit der شرت Schulmeiſterin zufrieden fein!”
„Doch! Doch! — o dann würdeſt Du mir eben feine.
Schulmeifterin mehr fein! — jubelte Die Komtejje und.
vergaß in ihrer Freude dic کے welche fie bl. o
dieſem Spaziergang gewahrt, — fie hep Was Arın ھا 7 Ç EN
und jtürmte nach Der 601010010118 ‘To der ra n mit —
Friedrich im Geſprach ſtand
Beide fchrten ihr den Nüden zu.
Fränzchen aber faufte heran, machte. einen وس ا
Stütz auf je einer Schulter der beiden und ihwang vie
ſekundenlang zwiſchen ihnen, wie an einem Tuͤrnreck
Der Erbherr von Niederl fnicfte unter der uner warteten
Wucht zuſammen wie ent Taſchenmeſſer und Friedrich jant
ae -altersjdjwach und erfchroden in die Sinie, — Tante:
ee Iohanna fornte aber vor Lachen faum meter gehen, j
2 prebie زود و gegen die Lippert und founte gar a
a nicht wieder zu ten kommen : ee
Wie unbejchreiblich tomi ich das nei - ات
=, 02 =
ey me Frauenzimmer — — mit den fchlumprigen Rleiderz
p — ich ertrage es nicht mehr!” und fie. — — اق
< wifdjte Die +7 aus den Augen. Dann fab fie
Pias betroffenes Geſicht und ward etwas verlegen „Sie
aft eine furchtbare Range, liebjtes Herz! — wundere dich
nicht allzu jehr über ihre Tollheiten, welche bir 8
böhmiſch vorfommen! Wir find ja feit Jahren daran
gewöhnt, und Willibald will’s mal jo, — er iit ja jonders
bar m feinen Anfichten, aber des Menjchen n Wille ift jein
Himmelreich! - — Nur um eins bitte id) Dich, mein Lieb:
ling, nimm den ‘Unfinn, we (hen Hrangden zeitweife redet,
nicht allzu genau! Sie yt fo begeiftert, endlich in bir
eine Gefährtin und Freundin gefunden zu haben, Daf
ihre Liebe nun in himmelhohen Flammen brennt! Wir
haben fie ja ftets einjam und ohne viel Verfehr erzogen,
da empfindet fie den l mut ie num oer Poppelten
n Den. —
agit — fonnigen, noch unbelaubten Michigan, welcher an
Hd dicht am Rheinufer, gleichſam اہ terrafjenartiger
Garten des Gaſthauſes Hingog, hatte man ausgezeichnet
diniert, und ‘ye goldiger der ſchoͤne echte Rheinwein in
den gelben Släfern funfelte, dejto animierter ward die
Stimmung der Heinen Gefellihaft. Fränzdiens feliger
Übermut fannte faum noch Grenzen, und nur ber ernite,
erjtaunte Bid aus Pias Beil henangen dämpfte 7
nod) die. hochſte Luſtbarkeit und. ae none Heine
Rüpelei in der Kunoſpe ee
نت 308 سے
Der Graf hatte zum و jeines Töchtercheng
wirklich ein Maultier und ein paar Ejel auftreiben laffen,um
den Weg bis Rüdesheim im Sattel zurüclegen zu —
Gerade heute jet beſonders ftarfe Nachfrage nad) Eſel
geweſen!“ hatte der Wirt ſchmunzeln id bemerft, „mehr wie
drei €tüd, zwei Eſel und ein Maultier, forte er leider
nicht bei ichaffen. Man einigte nun Hd fehr leicht dahin,
daß die Gräfin mit Sungfer, Diener und Handgepäd im
Wagen nachfahren ſolle, während. Willibald das Maultier — 2
und bie jungen Mädchen die Ciel bef jteigen würden. =
Unter großem „Jubel rüftete Hd) die fleine سز
.. Em Herr hatte ſoeben ichon — per Ejel — Ddentelben
Weg و رن und وھ drängte voll Ungeduld,
daß ber Nitt beqinne. Die weiten Negencaps wurden
` genial zum Neitfleid arrangiert, die Ejeltreiber hoben die
Damen vergnüglich in den Sattel, der Graf ſchwang ſich
auf ſein geduldiges ار 87 und mit Erlaubnis >
hannas febte fic) Die Feine Geſellſchaft m ‘Bewegung,
Dieweil Die Equipage ipäter folgen und fie einholen
ſollte Anfänglich), jo lange nod) die rechte Seite der
Straße mit Häufern und Villen gejäumt war, ging Die
Suche ausgezeichnet. ۱
Die föltlihe warme Frith ling 00 it wehte balſamiſch
um die erhigten Wangen; fröhlich lachende Menſchen Bes
gegneten ihnen und nickten heiteren Gruß und ſeitwärts
ſtrömten fmaragdgrüne Rheinwogen, Schiffe und Schif flein
tragend, blauen Himmel und buntbelebte Ufer fpiegelnd.
Die Fahrſtraße machte nun eine kleine Biegung und
— ہے —
_ fag — der majeftätiichen Breite des Stromes frei i und x
e vor den Blicken کچ ہت
Fernhin jab man zwei männliche امن Fei, ee
— neben ihnen einen Gfel.
Das Grau schinmelchen, auf welchem Bin Blak ےد ES =
HOHEN, مک 1 paarmal verdächtig mit den langen 5ت
Ohren. und. hob Jati ings den Kopf, und vpahrend der
Traber ‚harmlos ntit feinen. Stolfegen und Frängchen plant پت
امت febte ih Pias Reittier plop! ich in رس Bee. a
0 und ی wie ai davon. Alles 2 "320
1 md frie,
Der reiben site سط عامس — Fin, E — x
x geübte Reiterin, rip. den Durch ginger fo gut fie vermochte, 3
zuruch — umfonjt, der Eſel legte 191 سس mit — oe
Dalle vor und jagte Halt! 03 ۰
Weit zuruck blieben die anderen. x ا ارت
„Bir müſſen doch folgen = poren Sie lere Tiere |
NUN o 1 0 fo erregt, dap ihre Stimme : x
BR überfehnappte, — 0 mit, ‚aller Bucht auf ifr Grauen. و
` um animierte Den Papa, em Gleiches zul thun
Aber ſo ftörrifch wie Ras Eſel ih im | Durchgehen
zeigte, ebenſo hartnacki en Die anderen a uhu
eine schnellere. Gangart. — Heese کے
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„Um Gotteswitlen, e3 wim igre ein w Unghie pail even! oe
— beforgte fid) der Graf, und Fränzchen ward firfhrot : — چ
vor Angſt und Aufregung und drohte: „sch fpringe ab
und laufe zu Fuß hinter Lilian her!”
Der Ejeltreiber kehrte reſigniert zurück
„Bitte, ängftigen Hd die Herrichaften nicht!” bat er
atemlos, ¿Der Hans läuft. nicht weit! Er Hat da vorm
bei dem Herrn jeine Grete gewittert, und da muß er —
1011601 es
„Seine Grete? Wer it Seine Grete?” — ۱
„Der andere Gel, mit dem er in dem Stall ſteht,
guädiges Fräulein, Die beiden gehen ſonſt immer Alu
jammen. So ein Ejel Hat aber aud) jeine Trene ۸۵
Anhänglichfeit, und id glaube, der Hang ſchwämme
chnurgerad durch den Rhein, wenn drüben feine Grete
Na — jest hat er fie ja gleich erreicht! Das — اما
` gnadige Fräulein hält fich großartig im Eattel, und 2
wenn das Pärchen vereinigt ijt, werden bie anderen
def haften der Dame zu Liebe wohl auf uns warten —_
„Da vorn geht ein einzelner Herr neben dem a
Nur ein Herr?” x =
„Zawohl, gnadiges Fräulein, er hat das Tier qe
mietet, um fein Handgepäd von ihm tragen zu lafjen.”
„Ein junger Herr? Etwa einer mit langen, blonden
Haaren, welcher wie ein Maler ausjah?” fragte Frängchen.
„Nein, meine Dame — fo jab er nicht aus, wenn
ich mich recht erinnere; er war ein felt großer, briinetter
Herr in ی Duta mit einem recht ernften, ftolzen
Seficht! Sicherlich hatte er Frau und Kinder ano,
Yt, IO: IH. Nom. u. Nov., Der Majoratfberr | EN R
Denn für gewöhnlich 0701 fic) Dic unverehelichten
Herren ganz anders hier am Rhein — dant ichlagen
fie mit Füßen und Händen um ſich, fo recht über die
Etränge, wie man zu jagen 7
۱ „om, — mid das that jener da vorn nicht?“
` „O bewahre! dem jah man den foliden Chemamı
ſchon auf zehn Schritt weit: an; da braucht fich Die
— —
Herrſchaft gar nicht zu belorgen! 2 Wenn das gnädige —
Fräulein bei ihm anfommt, dann wird ihm: Fribe —
was der andere Gfeltreiber iſt — don Die Cade von
wegen Hans und Grete klar machen, und wenn er dann
Beit hat, wird er ſchon Sebrt machen und Die ® Dame zu
uns 1۲1168111061114 — oe
Franzchen atmete erleichtert auf. ee
ray Willibald schien. die Cache nicht fag. zu
nehmen. Gr {chien fich fogar über Die ng: Cituation,
in welche „Lilian Luror’ geraten war, zu amüfieren,
und Die treue Liche des Eſelpaares فوخ er 7٤
nod) au 22000 wie er an تر {ud ee und
‘Hans habit, —
Da alles Brügeln, Räſonnieren, € chmeicheln und Bue -
‚reden nichts half, ah fich Fränzchen Ihhegih aude
in Die Starrtöpfigfeit ihres abgetricbenen Neittieres, ud —
befchränfte Tih darauf, die Heine Scene, welche fic) weit
bor ihnen auf der Chauſſee abjpielte, jo gut cë ging mit
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