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— Dataly von Eſchſtruth
Alluſtrierke
Romane und Dodellen
Zweile Serie
Bweiter Band
-Der Majuratsherr
Teipiiq
Berlagsbuchhandlumg von Paul Lift
Per Wajuratshere
Roman
von
Daran won Elchſtruth
Mit Muſtrakionen von W. an
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Berlenshuhhenblie von Paul kill:
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XV.
Was reiteft du einfam turh ten Wald?
Der Wald ift lang! — du biſt allein — —
Du jhöne Braut, ih führe dich beim!
Eidendorff..
SR: {8 fidh baa Graufchimmelchen fo itberrajdend in
2 Bewegung feste, glaubte Pia es mit einem ge-
° wohnheitsmäßigen Durchgänger gu thun gu haben, |
welcher erft eine tüchtige Ertrapromenade machen muß,
x ehe e3 ihn wohlgeſittet in den Reihen feiner Genojfen
pube ee < x
=e der Ejel feine Luft gu befonderen Ertravaganzen
zeigte, weder ausschlug, noch den Kurs feitmarts in den
Rhein oder Feld und Wald nahm, fondern mit zurüd-
‚gelegten Ohren nur pfeilgejchwind auf ebener Chauffee
‚gerade aus jagte, wollte Pia ihn nicht in diejer Beluftigung
ftören, jondern berechnete bereits voll Humor, wieviel
früher fie in Rüdesheim eintreffen würde, als ihre Reife-
genofiemn ne |
Sie hielt fih, fo gut es gehen wollte, im Sattel, rif
den Hut, welcher verjchiedentlich zu fliegen drohte, vom
Kopf und hielt ihn mit den Bügeln feft in der Hand. —
— 312 —
Die blonden Löckchen wehten im Luftzug mie ein Glorienz
ſchein, und der Haartnoten am Hinterlopf, welder auf jo
ein Wettrennen nicht berechnet war, löjte fih mehr und
mehr und fanf immer fchwerer in den Naden, bis die
großen hellgelben Hornnadel her ausflogen und das Haar
gleich einem ſchimmernden Goldmantel über den Nüden
herabrollte.
Das junge Madchen fonnte eë nicht verhindern. Ihre
Hände waren in Anfpruch genommen und ein Toilette-
machen bet diefem Tempo nicht möglich. Cin paar Wein-
bergarbeiter, welche thr entgegenfamen, blieben mit weit
aufgerifjenen Augen Keen und ftarrten bie jeltjame Er⸗
laeg ato
Da aber dic NReiterin weder um Hilfe ſchrie, noch ein
ängjtliches Geficht machte, jo glaubten fie fic) nicht be-
rechtigt, Diele wilde Jagd aufzuhalten.
Ein paar Wagen rollten ihr entgegen.
Kutjcher und Inſaſſen wandten überrafcht die Köpfe
und ftarrien der Amazone nach, welche wie cin Märchen:
bild an ihnen vorüberjaufte Und nun jab Pia dicht vor
fidh ein anderes Ejelchen, welches langjam und geduldig
ein wenig Handgepäd ichleppte, Deffen Eigentümer ficher-
lich Der große, ſchlanke Herr war, welcher leichtfüßig zur
Seite fchritt,
Ein halbwüchfiger Junge, der Treiber, trottete gemäch-
fd hinterher, fic) damit amüflerend, einen erften Mai-
fäfer am Schwanze des Grauſchimmelchens und ab
flettern zu laſſen
— 314 —
Dazu pfff er vergnügt ein Eleines Lied und wandte
fich erjt neugierig um, ala ber — Sufichlag dicht
hinter ihm ertlang.
„Hurra! Der Sans! we {drie e er mit fchallenbem Ge-
lächter auf, und der Herr, welcher vor ihm ſchritt, wandte
nun ebenfalls überrajcht den Kopf Schon faufte Pia
heran. — Bu ihrem Staunen ging. e3 aber diesmal nicht
wieder in voller Fahrt an dem Trio vorüber.
Der Efel ftoppte plöglid ab, — Stich einen. een |
Schrei triumphierender Freude aug und drängte fih im
nächiten Moment fo gefühlsinnig an ben anderen lang-
ohrigen Genoffen an, daß Pia bei dem jühen Rud dod
noch das Gleichgewicht verloren hätte und aus dem Sattel
gejchleudert worden wäre, wenn der fremde Herr nicht
mit jchnellem Sprung an ihrer Ceite geitanden und a
ſchützend in den Armen aufgefangen hätte = a
Diefer unerwartete Wechjel bes Tempos hatte die junge
Dame unangenehmer berührt, wie der ganze Ritt.
Einen Augenblid drehte fic) alles im Kreije vor ihren
Blicden, — nad) Atem ringend, prefte fie die Hände mo
mentan gegen die Schläfen und ihr Köpfchen ſank soni
gegen die Schulter des Fremden zurüd. 2
Aber nur jefundenlang mwährte die Betäubung, brun
richtete fie Hd) haftıg empor und blidte voll tetzender Ber:
wirrung zu ihrem Beichüger auf.
Auge ruhte in Auge und eë war, als läge eine nn:
jidjtbare, geheimnisvolle Macht in diefem Blid, welcher
jo fejt und aufleuchtend Haftete, alS habe T la Qam
29319 a
Fremdem plöglich etwas nahe Verwandtes, längit Betann-
teg entdeckt. x x
Pia ward bunfelrot und ſtammelte jehr verlegen ein
paar Worte deg Dantes, der fremde aber zog höflich -
den Hut und lächelte. _
Sh erachte es al einen gang befonderen Sonia |
mein gnädigſtes Fräulein, Shnen dienen zu können! Sie
hatten das Mißgeſchick, einen ſehr ehrgeizigen Vollblüter
zu beſteigen, welcher ſeinen kleinen Kollegen hier nicht vor
ſich ſehen wollte! Wie bedaure ich, die unſchuldige Ver—
anlaſſung zu ihrem beichleunigten Witt durch meinen Ge-
päckträger gegeben zu haben!“
Pia ſtrich noch immer etwas faſſungslos die verweh—
ten Goldlöckchen glatt: — „Ab, nun begreife ich erft die
Urſache meines Wettrittes und fürchte, es wird ſchwer
halten, den Eſel zur Umkehr zu bewegen, fo lange er in
jeinem Gefährten Hier einen Nivalen erblict.“
„Ihre Angehörigen find zurücgebtieben 2”
„Zeider fo weit, bab man fie faum noch erfennen fann!
Sch hatte nie geglaubt, daß ein Ejel fo fabelhaft laufen
fann!” |
„Segt ift er die Sanftmut und Trägheit jelbit; jehen
Sie nur diejes Stillleben! Sch glaube, wir haben eg hier
mit guten Freunden a la Gaftor und Pollux zu thun!” —
Der Fremde wies mit amiifiertem Geficht auf die
beiden Efel, welche Dicht noremanter, Stirn gegen Stirn
gelehnt, regungslos ftanden.
| sell mein Herr, Die beiden gehören = auch ju-
— 816 —
ſammen!“ lachte der Eſeltreiber ſo fröhlich, daß ſeine
weißen Zähne blinkten „Hans und Grete ſtehen in einem
Stall und machen auch meiſt alle Partien zuſammen!“
Wenn fle getrennt werden, fapt fie gleidh Der Jammer |
an, und ein paarmal ift Der Hans fchon gang weite
Sirecken suriidgaloppiert, unt wieder bei feiner Altenzujein”
Man lachte, und der fremde Herr trat zu dom Ge °
nannten heran, ihm anerfennend den Rüden zu flopfen.
„Das ift brav! Auch ein Gjel muß beweifen, daß es
ein Schönes Ding um die Treue ift! — — Sie befehlen
wieder aufzufteigen, mein gnädiges Fräulein ?”
Pia hatte prüfend nach dem Cattel gefaßt: „Ich muß
Doc) meine Angehörigen wieder erreichen!” fagte fie, mit
bejorgtem Blid die große Entfernung meſſend, welche
zwifchen ihr und ben Niededs (ag. Der Treiber grinzte:
„Der Hana dreht alleine nicht wieder um, DL
Daraufhin fenne ich den Catan jon!”
Pia blidte Hilflos zu dem fremden Herrn empor und
erglühte abermals unter dem Bld, melden er auf i
richtete. |
= „Befehlen Cie, mein gnädtges Fraulein, dap wir mit it i
Ihnen umkehren! ee
das ‚wäre unbejchreiblich fiebensmwirdig pe —
Nee, nee — da wollen wir nur erjt gar nicht den
Berfuch maden!” wehrte der Treiber mit refignierter —
Seite. „Die Grete drängt nad) dem Stall — hat den
Weg zweimal heute gemacht und ift müde. Zu Hauſe
gibt's Futter, das weiß ſie“ x
— 317 —
MNun verſuchen wirs wenigſtens! Wollen Sie wieder
dem getreuen Hans die Ehre anthun und autiteigen, gnä⸗
| diges Fräulein 2”
Pia jchüttelte haftig das Köpfchen, ohne die Hand,
welche der Sprecher ihr hilfreich darbot, zu berühren.
„Sd bin fo weidlich durchgefchüttelt, daß id) vorziche,
ein Stüdchen Wegs zu gehen!” —
ie Sie befehlen!” Nun vorwärts, — tehrt!”
Wohl liegen Hd) die Ejel zwei Schritte zurückführen,
dann machten fie jedoch energifch Halt und jtrebten ihrer
Heimat Rüdesheim zu.
„Die Kanaillen thun’s nit, — und wenn wir fie
tot (lagen! So ein Vieh Dat auch Charafter!” ſchmun—
zelte Der Junge. |
Ich fürchte allerdings auch, meine Gnädigfte, daß
gegen dieſe Halsſtarrigkeit jelbf t Götter vergebens fampfen!
Sch erlaube mir aber vorzujchlagen, daß wir ganz lang:
jam unjeren Weg fortiegen und der Hoffnung leben, daß
Ihre verehrten Meijegenojfen etwas flotter zureiten und
uns einholen!”
Pia jab ein, daß ihr nichts anderes zu thun übrig
blieb. „Wenn Ste geftatten, mein Herr, daß ich mich
unter ihren liebenswürdigen Schuß Mele, made ich gern
von Ihrem Anerbieten Gebrauch!“ — fagte fie, fich ges
waltjam zu der fidjeren Ruhe ee ‚welche ent ihrem.
Wejen eigen war. —
Der Fremde verneigte fic) mit bolleubefer Eleganz. |
Einen Augenblid jchien er zu zögern, — dann 30g er mit
Se
— Beweging abermals den ou und Happie bie
Haten zufammen..
Zorſtaſſ eſſor Karl nt m Helle Ç er tid por.
Hrdulein von Nördlingen neigte lächelnd wie eine Königin,
welche eine Ovation entgegennimmt, das Köpfchen, aber `
fie errötete abermals bis auf den weißen Hals ferah, =
als fie in feine fragenden Augen fah. ant
Erwartete er auch ihren Namen zu hören? Der Gals |
war ihr wie zugejchnürt, — Lilian Luror — wollte niht —
über ihre Lippen. Der Wifejfor trat an ihre Seite und
‚beide fchritten langlam aus. |
„Ein Eſelsritt gehört meiner Anſicht nach nie zu den
Annehmlichkeiten — begann er die Unterhaltung, „und
ein Galopp auf folchem Nenner muß geradezu fürchterlich
fein! Ich bedauere lebhaft, daß id) Ihnen feinen Wagen
zur Berfügung ſtellen kann! Sie ſind aak aufs foeni i
ermüdet! — :
„Das ichließen Cte na meinem beiointen ` 9⁄ |
lächelte fie, haftig nach ihren Haaren faffend, mit dem —
Verſuch, fie wieder aufzumefteln; fie hatte gejehen, wie
fein Blick, während er zu ihr fprach, wie gebannt an der
gelöjten, goldjchimmernden Pracht hing. Ich fann mich
in dieſer Verfaſſung gar nicht in anftändiger Gejeflichaft
jehen lafjen, und doch weiß id) nicht, wie ich dem Echa-
den abbelfen foll, da ich zu meinem Schredfen fehe, daß
ich jamtlicje Nadeln verloren habe!“
Ihr Begleiter nidte mechanisch vor fih bin. —
„Bie jreundlid) von dem Schickſal, daß es Ahnen
= 318 a
bieje fleinen Verbündeten s Wie | chin ijt dieſes
lange, offene Srauenhaar, und wie felten wird unë Die
Freude feines Anblids! Ich verfichere Ihnen, daß Ihre
Friſur für jedermann nur erquiclid) fein fann!” — Er
prach febr ruhig, ohne im mindeiten zu marfieren, daß
er ihr eine Eloge jagen wollte. Dann fuhr er unver:
mittelt fort: „Sie ftehen gleich x mir im Begriff, eine ent
reije zu machen?“ |
Wir haben diefelbe heute in Gaftell begann“ Be
Mud Sie jehen den herrlichiten und föniglichjten aller
| — auch zum erftenmal?” —
Sie fchüttelte verneinend, ohne ihn anzufehen, den Kopf.
„Ih fenne den Rhein zu allen Jahreszeiten, allerdings
nur von dem Schiff oder dem Eifenbahncoupe aus; ihn
aber grimdlic zu Fuß und Efel au — beabfic
tigen wir jebt zum erftenntale. en
„And wann gefiel er ihnen bisher am beiten?“ —
Gie jah mit finnendem Blick an ihm vorüber, in die maien-
helle, jubelnde, farbenbunte Pracht der | Landichaft hinaus,
„Das ijt ſchwer zu fagen, weil alle Schönheit nur
Geſchmackſache ift! Sch für meine ram werde dan |
Winter jtet3 den Vorzug geben.”
lh — thatfählih? Cie überrajchen ie, 3d bil > ae
dete mir ein, gerade dad frijche Blühen, Leben und Treiben
gäbe dem Rhein und feiner Umgebung das daratte-
riftiiche Gepräge! Ehrlich geftanden, fann ich mir dieſes
reizende Bild faum unter ftarrendem Gis und oe por:
ee = ay ,
at dennoch. hat (E — — Die wunderbar
feierliche Ruhe geſtaltet alles, was jebt nur lichlich er-
jcheint, im Winter geradezu majeftätijch. Das, was am
Rheinufer einzig Dai ‘ich ift, bie unbelaubten Nebengel ande
mit ihren unpoetijch ſtarrenden Epalieren und Staben Les
welche den Ber: gen im Frühling und Epätherbjt das Aus
fechen von Stacheljchweinen geben“ — er lachte. leije au
— „Die hüllen ſich im Winter in ichtinmernde <š Schnee
decken und thum dem Auge nicht mehr ee Durch die praf:
tiichen Gebil de von Menicenhand! ° Der Bluk fel (ber wogt =
in ‚gewaltiger Schoͤne Ú und einſam bali in, oder er
gleicht einem Schimmernden Epiegel von leckenloſem Kry
{tall — “oder bietet gar das. unbejchreiblich großartige
Schaufpiel eines Eisganges, diejer unvergleichlichen: Illu⸗
ftration aller wild entfejjelten Leidenihatt; — und har:
über thronen wie juntetnde Märchengebilde die Rumen
und Schlöffer, — weiß in weh —, gebeimnisvoll, uns =
erreichbar und zauberhaft, die T Träume, welche eines 3 er ——
ter? Phantafie in die Wolfen malt!" —
Sie hatte ſchnell und lebhaft geiprochen, fie fühl —
bab fein Blick unverwandt: an ihrem Autlitz hing md |
darum fprad) fie immer weiter, um. enter gewiſſen Mer o
fegenheit Herr zu werden. Rod hatte fie auper ben
erſten ſchnellen Blick keine Gelegenheit gefunden, jein Antlig ay
genau zu fechen, jebt blieb er plötzlich ton und wandte
fich, um rheinab au ſchanen |
„Alles Un gewohnte übt einen befonderen Seis auf š a = |
Be paaur = = J ate er cont = nd 1 wenn die Hille, dete
— 322 —
ſchneite Wintereinfamfcit Ete entzückt, fo beweiſt es mir,
daß Sic dazu verurteilt find, Shr Leben in grogen Städten
it ranjchender, wechjelvoller Geſelligkeit zu verbringen.
Bet mir ift es umgefchrt der Fall, ich komme aus dem
Gebirge, wo monatelang Die Krähen am Himmel meine
einzige Gefellj haft waren. Sch habe gelitten. unter Der
trojtlojen Stille und Verlaffenheit, unter den Gefängnis-
manern von Gis und Schnee, welche mich umgaben! Rim
mutet mic) diejes frisch pulfierende, glüickfelige Getreibe
Hier an, wie einen Menichen, welcher neugeboren indie
Welt tritt und mit vollen Zügen ihren Lebens S- und Liebes⸗
odem einatmet!” —
Und er atmete auch tief — tief — la er —
zog den Hut vom Kopf und ſtrich die Haare aus der
heißen Siim, —
Pia fah ihn an; meld) cin intereffantes, ehe
Geficht! Vornehm edle Züge, — ernft, ruhig, wetterge-
brannt wie das Profil einer antifen Bronceitatne.
im Zug herber Energie lag um die Lippen, welche
von dunklem Schnurrbart bejchattet wurden, Las Jagd-
civil Ü ob die kraftvoll: elaftifche Sejtalt, welche trog der
anſpruchsloſen Kleidung einen jo Ddijtinguierten und ele-
ganten Gindrucd machte, al fei ihr Trager gewohnt, im
Trejjentletd und Drdensband über das Parkett ; zu jchreiter,
nicht aber als Einfiedler in weltfernen Bergen au haufen. |
Mit einem Intereffe, welches ihr ſonſt den Herren
gg yenüber fremd war, blidte Bia zu ihm auf. „eben x
Sie denn gan allein im EAE Pae fie, weil ae —
er Po es
feine beffere Antwort einfallen wollte. Er dritte den
weichen Filzhut wieder in Die Stirn und jchritt an ihrer
Seite weiter.
„San allein, — wenn Cie mein . ona und x
cme alte W Sivtichajterin abrechnen.”
„Liegt denn feine Etadt in der Nähe, welche Ihnen
zeitweile Abwechfel ung bieten könntet —
Das wohl, aber diejelbe ift oft monatelang uner:
veichbar für mich; wenn wir in den hohen Bergen ein-
gejducit find, leben wir unter ähnlichen Verhaltnijfen, —
wie einit Robinson auf feiner Inſel, ihn trennte das Welt
meer von det Heimat, uns der Schnee und fein Waffer.
Solche Zuftände fünnen Sie Hd) gewiß gar nicht vors
jtellen, mein pabiges a een, fie er ſtets un Ben i
Städten?” — |
| „sa, das Landleben iſt mir völlig n. ee
Sine fleine Baufe entitand und fein Bl lick hing mic
in fragender Erwartung an ihren Lippen, wohl in Der
Hoffnung, daß auch fie ein wenig von daheim erzählen
werde. |
Feines Not ftieg abermals in bie Rangen bes jungen <q aoe
Mädchens Cie wandte den Kopf und blickte zuruck
Wie weit fie immer nod) entjernt find! Eier |
wollen ihre Ejel durd) Saumſe ligfeit wieder qut ade, En
was der meine an Voreiligfeit jündigte!” —
„Sie reifen mit Ihren Eltern?” — fragte er, eben
falls dem fernen Neiterpärchen entgegenjchauend.
Pia zögerte mit der Antwort; die feine Komödie,
21*
mn
ites mait ‘ibe gunutete, — ite v a Unnötige
Lügen. wollte fie feinesfall3 jagen: ats ftehe unter dem
Schutz von Dirfel und Tante, die Neiterin, welche Sie
Dort fechen, ift jedoch meine Coufine, beren Mutter im
Wagen noh folgen wird. Die Steine liebt es febr, mid)
Schweſter zu nennen, um fich baburd) einen heißen Wunſch
in der Cinbildung wenigftens gu erfüllen, ie hat leider
nie Geſchwiſter beje Hem und wird von den Eltern in weit⸗ n
S gehendfter Reife verwöhnt; auf ihren Wunſch mußten mir
dieſe fatale Cie elpartie unternehmen und unſer behagliches
Stillleben auf den Dampfichiff unterbrechen.” |
a Lächelte und jah Die Sprecher mit ‚Seltjamen
x Dit QH.
bin ich Dem Eleinen Fräulein zu befonderem 3 ant —
verpflichtet, dem ohne den treuen Hans würde ich wohl u
nicht Die Freude gehabt haben, Ste fennen zu fernen
„Die Fronde dürfte wohl eine febr geteilte au
Sie fommen um meinetwillen nur ee n gſam ~ =:
Fled” a = ee
= Ich habe nichts zu verſältmen und jagte 31 Ina e
reits, guädiges Fräulein, daß ich armer Einfiedt er für
jede Minute, welche ich in jo = en a
berieben: darf, dankbar bu! en
„Cs wäre body wohl befjer, ih iiite um und “ging a
den Weiner enigegen!! Hans kommt wohl in REINER. i
r Grete ſicher un. Nüdesheim an!“
Der Aſſeſſor blieb: abermals. ftehen und faltete mit x
x diiron = tic Die — es Wille t mir Befehl! Ant —
wortete er refiqmiert. „Sp waren ‘bide Minuten der
Sreude gar furga und gezählt!” | =
„ber, Fräuleinchen, warum wollen Cie i | Seri fo
müde machen und zu Fuß fanfon!“ — mijdte fich Der
Ejeltreiber in das Geſpräch, a ll zehn Minuten find
die anderen Herrichaften bei uns an am tönen. =
alle jamt beguem im Eattel fügen! ae
Pia nicéte. Sie haben recht, — “aff zählen a Die :.
9: unten. weiter, Herr art | 3
Ben Bi feuchtete auf, — ummillfürlich febritt cr Be |
fdyneller aus, alg wolle er die Entfernung zwiſchen dort De
und Hier — anſtatt verringerm |
LS „erden Sie ur Rüdesheim bleiben, RE Aes
tein: ee
Bol (nur heute cubs um morgen in ala egim:
lichfeit Die Vartic nad) dem Niederwald mad hen au können,
Wir verichmähen die, Bergbahn und Hoffen mehr Genuk af
pon einer Beane zu haben, — un am i
hauſen endigen Joll” = _ | as T
pout fo lautet — mein Plan, - — muir mit dem: Nie
terſchied daß ich d ic Tour zu Fup machen wollte! Sie
it ja nicht. im mimbejten auftrengend ud würde a
Ahnen ſicherlich zufagen !”
„ohne Zweifel, ich wandert — (ith gern cay d
Gottes fehöne Welt! Franchen und Onkel würden wohl
auch meiner. Anſicht fcin, aber die arme Tante ift fehr :
schlecht zu Au und. gezwungen, Wagen oder Neittier zu.
| benuten Werden Cie längeren Aufent hal t in Aß manns⸗
ah —
‚haufen nehmen? Das parte Kurhaus jolt cine Der
herrlichſten Sonmerfrif ſchen fein, welche o l
fain!’ — __
Er schüittelte langſam den Kopf: „Dogi jebtt mir Die
Beit! Sd) habe, Wir vorgenommen, gar vict Schönes zu
jehen, wollte, wem irgend möglich, noch einen. Abſtecher
nach der Moſel machen und vielleicht auch Cms anſehen,
— der Urlaub aber iſt nicht allzulang bemeſſen und da
— es, ruſtig ausichreiten, um alles und aus:
ige zu füme — ee
Gin paar Landleute kamen ſingend des Beges Daer,
And die Welt fo offen — und das Herz. fo weit!
2ch, wie wunderſchön ift dre D —
yor, Wie wunderichön ijt He, hie Scents und Die
Frühlingszeit!“ atmete per Aſſeſſor tief aut, und fein Blick
ſchweiſte wie trunfen über Strom und Gelände und haf-
tete an dem wallenden Blondhaar feiner Nachbarin, weils
ches per Wind leicht und duftig wie einen. ‚goldenen Schleier
hob. Zingen Čie auch? — fragte er pli! ich. Cle
ſchüttelte ſehr energij) Das Kopfchen: „Nur dann, men cs
mir danad zu Sime yt! Ich N einer D ejonberei
Stimmung zum Eigen,” eds
„Und ift die glüctjelig jubelnde ` s
da? Liegt fie. nicht: zauberhaft in der Luft und lot die
Lieder über die Lippe — x
Sie ladelte: tele Stimmung — fo fehr ie nich
N in jenem . ma T mir Doch au Teme,
um mich derart beeinfhuffen zu fönnen! Nur was mir
jelber aus tiefinnerftem Herzen quillt, wird zu Sang und
Klang! Der Frühling ent zückt mich wohl, aber er bewegt
mich nicht jo tief, daß er mir Lieder. es W
„©, wie gerne möchte ich. Sie einmal fingen hören!“
jagte er leije. „Ein Lied von w Sue tit pun a einen Bi (ick
m She Her. x
Sie jtrich jählings bie en (So kön | ‚hinter
Das rofige Ohr und wandte fic) jo weit zur Seite dak
er nur ihr zartes Profil gegen deu junfetuden Wafers
ipiegel jab: 2
„Er find gewiß felber ſehr muſikaliſch, dak Gie fich
jogar lebhaft für Lciftungen interejfieren, welche gar feite
~ Garantie für irgend welche Schoͤnheit oder Vollfommen-
heit bieten! — Weles Suftrument meiftern ern
Sie vaſucht⸗ zu ſcherzen amd er ftimmte heiter in
ihren Ton em: „Dasjenige, welches hier am Rhein ganz
bejondere Erijtenzberechtiqung. bat! Bwar bin ich fein
Trompeter von Säckingen, Habe auch noch feiner Mar-
garete ein Standchen gebracht und keinen Hidigeigei in
feinen paler Empfindungen verlegt, — aber „Diridh
tot” — und „Boj jjer rjanjare” und mwas fonjt Das edle
Gcjaid noch für ana and Klang mit ſich bringt, das
blaſe ich mit großer Virtuofität!”
„Wie gern würde ich Sie blajen hören!” — perfiflierte
fie ihn voll feiner Sronie. „Solch ein Hornfignal würde
einen Blick in die Ichönfte Treibjagd bedeuten!
Aluch Amor hält ein fröhl iches Jagen mit Pfeil und
= Bogen, ee be igm Prai umgetebrte Welt! Da bläſt x
der Jäger nicht, wenn ev den Hirid im Feuer fallen jab,
fondern wenn er a Br bas. töd Pidy raol im Sam x
trägt!” er 2
„So viel ich weiß, Haben, — die on far nod) —
Schonzeit!” lachte jie mit fcbetmijehem Seitenblick.
Er madjte ein deſto ernfteres Geficht: „Zie irren,
mein guädiges Fräulein, gerade der Leng öffnet dem Mor-
den Thür und Thor! Amors Übermut it nie fo groß,
als wie jebt, wo die Menſchen ihre einſamen, ſicheren
Stübehen verlaſſen und ſich um ‚goldenen Zormenfchein
ahnungslos zu feinen ee St — Wenn der
Fuchs im Bau fist, hält eë jehwer, ihn zur Strecke zu
bringen, wenn er bon milder Hrihlingslujt bethört,
ein schnfüchtig Wandern anbebt, fann e3 ifm leicht paffieren,
Daß eme „Sägerm — lau tm inn” — weiß in Ctl
— Neil anf Beil — aus dem Ang” zu [iden ! —
„Solche Pfeile rigen mir cin wenig die Haut und
laſſen ſich ſehr bequem wieder abfchütten! Die rauen
ſtudieren heutzutage: allerdings alles Dle und llu:
| mögliche, daß fich aber ſchon eine a Scharfſchützin ang:
< bildete, hörte ich noch nie! ee.
Be Rei das überflüifig. fein wirde. 21) Diefeut Gebiet
‘wird jede Dame als Meifterin geboren!” -
— bedanfe mich beſtens im Namen aller meiner
Miſſchweſtern Wenn Cie aber die Gefahren des Lenzes
jo gut keunen, warum sen Sie Shr Schichſal ſo leicht⸗
— fumig praus: < —
0 >
„sa, leichtſinnig, das ift das rechte Wort, ez Liegt
wohl fo in der Natur des Mannes, daß er gern der Gez
fahr in das Auge fieht. Ich Habe mir, ehe ich diefe Reve
antrat, jehr oft far gemacht, daß Die ‚Warnung vor dem
ihein’ ſehr gerechtfertigt fei. Sch jagte mir, daß id) mög—
licherweiſe der Zanberin Lorelei begegnen fonne, welche jchon |
? a armen Burfch zu Grunde gerichtet — — und doch
„trog. dieſer Befürchtung q 30g ich dennoch an den Rhein!” .
Spe leet. Mut imponiert mir nicht, denn jeder ‚arme
Buried weiß es heutzutage, daß die Here Lorelei Yur
en id önes Märchen ifl —
Baht lich ein Maͤrchen?“ Ein oo ädel:
hufchte am eine Lipper, er bog den Kopf gurtict und.
haute auf ihr Haar. Ich habe nie fo Be an > —+
Märchen geglaubt wie heute!“ .
Pia empfand, daß ihr das Blut . in bie
Wangen ftieg, fle war fo leichtfinmig geweſen, den Sprecher |
anzufehen, und nim brannte fem Blid in ihrem Ange,
und ſprach bon joviel glückſeligem Cenzesjubel, von n foviel
wonniger, fonniger Sugendluft! — | |
„An den Rhein, an den Rhein! zieh nicht an ben. in,
Mein Gom, ich rate Dir gut!”
tlang eS wie ein Echo vom Fluß herüber, wo ein weißes
Segel [anal am durch den Sonnen alana 309. u
„Bett kommen Die Herrſchaften aber plößlich im Trabe
au!” rief der Gjeltreiber hinter ihnen mit. hellem Sauchzer.
„Seßt wittern Die Langohren auch a die vom.
ae Stall! = | |
Pia atmete auf wie erlöft. Sie mandte fich haftig
zurück und jchwentte das Taſchentuch durch die Luft.
Klipp-Rlapp! Klipp Klapp! tlang der harte Hufichlag —
der herantrabenden Eſelchen auf der Chauffee und Hans
und Grete machten fröhlich Hal t und begrüßten die nahen⸗ |
den Kollegen, mit fräjtiger Stimme.
„Werden Sie die Güte haben, mich Shren Y kerwandten
vorzuftellen?” bat der Wijefior. „Wir haben uns jo ofi
-bei den Minuten verzählt, dah wir noch einmal von vorm
anfangen müfen® | |
Pia nickte fröhlich. Die Nähe ihrer An gehörigen gab
ihr die alte Sicherheit und Nuhe wieder und fie ‚hatte
feine Beit, über das Seltſame nachzudenfen. |
wa, fie, bie fpröde, abweijende Pia, fand es plöglich
ganz jelbftverftändlich, daß diefer fremde Aſſeſſor mit den
< AT: befannt werde und ſich ay a beim zu n nen
geſelle
ber, Su Ot was find denn bas flr al beine Wike,
die Du mit Deinem verrüdten Hang machi 122 rief Fränz⸗
chen ſchon aus der erne und hob drohend die derbe —
Haft. Ich jage es ja, Gtel bleibt Ejel! Cin dämlicheres
Vieh giebt cë auf Golles weiter Welt nicht |
Überraicht blickte der Affelfor auf die Sprecherin, und
Pia, welche ibn mut ſchuellem Seitenblick ee founte
faum das Lachen. unterdrüucken ss
o ai Fräulein Confine?” jliifterte er ae einem Gez
fichtSausdrud, in weldjem Amiſement und Betroffenheit
um die Oberhand aion x — |
Das junge madden nike x Maden: Sie ſich auf
alles gefaßt, Fraulein Framchen ift em X Original!”
Das fchien in der That jo. x
is Grauchen machte neben dem treuen Hans: Salt, =
> Die: junge: Gräfin ſchwang fu mit der Grazie eines
‘Surtoffeljactes mit beiden Füßen zugleid) auf die Gis
verſehte dem armen Gjel nod) einen Gertenhieb anf en
nicht gerade edelfien Körperteil und wandte rich damm mit
ausgebreiteten Armen zu Pia, am ae vor unbandiger
Wiederjehensfreude zu umarmen. Dann traf ibr Blid
in ſtummer, aber feb energiſcher Erede den Fremden.
Wen haft du dir denn da angebändigt, Vi lan?“
a „Darf ich bitten, anäbiges Brünlein, mid) Der ungn |
Sn betannt zu maden?” x x
Liebe Srangisin, — Here Borftaffeffor po
walbt! — n
Hellmuth — wenn ig bitten bae lächelte der I Ror: eh
geſtellte höflich. | x Ü
Fr änzchen machte einen unbegreiflich ſpaß haften ee
mehr vornitber wie nah unten, jo daß es ausjah, als
perfijliere fie das Kompliment Des jungen. Mannes.
Muth oder Waldt, das ift qang í Wunſcht wenn's man
bloß Helle ift!” lächelte fie herabiaffend und betadjte dann
jelber ihren Wit recht herzlich. „Haben Sie das Bielt
da vielleicht aufgehalten, als es am Ihnen vorbeipreſchen
wollte?” Sie ver rete zur näheren ae Dent
guten Hans einen Najenjtiiber, — er mit Eappernden
puiar zurüctpralite. = Es
888
EEE Here Affer fjor bie nod mehe gethan“, jante Pia.
mit mühſam nn Ernit, „er hat mir das Leben
gerettet und mich rechtzeitig aufgefangen, als mein Durch⸗
gänger mich zu Boden ſchleudern wollte!“
In Fränzchens Geſicht ſpiegelte ſich momentan ein
hohes Entjegen, fie faßte den Hrm der Coufine jo un-
geſtüm, als wolle fie felber jebt moc) reitend zugreifen,
dann hob cin tiefer Atemzug ihre Bruft, und mit treu-
hergigitem Geſicht, weiches iu Dankbarkeit exjtrahite, ftreckte
fle dem Affefjor die große, derbkuochige Hand entgegen.
„Sie find ein Br achtkerl, ich. dante Ihnen! Sie haben
das Beſte und Cdelfte gethan, was je ein Menjch thun —
fonnte und was ich Ihnen immer neiden werde” O.
Der Aſſeſſor lachte: „Sie bejchämen mich, mein gnäs
digſtes Fräulein, und beloben etwas Seibitverjtändliches 2
über Gebühr! Dennoch hoffe ich, daß. Ihre jo wohl:
wollenden Gejinnungen unfere flüchtige Beam] (def zu
einer dauernden geftalten werden! —
Franzchen nickte ſehr gönnerhäft ub ulei te bie Hand
des jungen Forſtmannes, daß Die Selenfe knackten „Ber:
laffen Sie fich darauf“, jagte fie pathetiſch, „Šie ia
fich nicht in mir getäunfcht haben!“ — ;
Abermals tlang Hufichlag neben ihnen; Gat Willie
bald gelangte zwar jpäter, wie feine Tochter, aber doc
aliteflic) und wohlbehal ten neben deu A Sear
ee an. i
Se sg se sz se sz se |
Á — — — — — — >
nn
ee
XVI
Qauten Mangen! Buben fangen, munterbare Fröbtichfeii!
Mud ber Himmel wurde blaser vun die Serle murre merit!
Marxchenhaft voriber gogen Berg und Burgen, ` Fald und Nu; —
Und pag alles fab ich glänzen in Dem Aug! der icbönften Frau!
| 1% Jer r Nifeifor 300 abermals den Hut und wandte
mes fil) mit bittenden Blid zu Pia und bide be-
geguete feinem Wunſch mit dei fiebenswürdigften
ma Diesmal nannte fie feinen Namen ganz richtig,
, fie jagte fogar mit einer gewiſſen CLL
4 ſſeſſor Karl Hellmuth!”
Er bemerkte es, fein Blick leuchtete auf. Snie
Willibald grüßte nt _befter £ Laune von feinem Maultier
herab. an
arent mich ihr, Berehrteter! — den Vorzug,
mich Ihnen ebenfalls befammt zu machen, Vir. Reginald |
Yuror! = Seamweraepinller Water jener Schönen Mus-
raperın — —“ ` |
Pflegevater meinft du, Onkelchen! Offisiell dentſt
du Did) wirklich nicht mit falfchen Federn zu ſchmücken“
Der Graf lachte ein wenig betroffen, fate fich aber
schnell. Hexe du, wollte gern cin wenig mit der nroßen
` renommieren Ka, ‚One Ut auch etme ſchöne
Wiirde, nicht wahr, mein beſter Aſſeſſor? Sie tauſchten
gewiß jofort mit mir! Aber nun bitte ich dringend, Kinder,
‚helft mir von diefem elenden Marterroffe hier herab. Ich
fühle faum nod) meine senochen, jo hat der Schinder mich
Durcheinander gejchüttelt! Ah, Gott jet Dant, wieder
feſten Boden unter den Füßen, und Nüdesheim glücklicher
weite in Sicht, na, da foll mich Gott bewahren, daß ich
noch einmal auffteige! Vorwärts, ihr Mädels, jegt wollen
wir jtolz zu Fuß gehen, und Ste, mein verehrteſter Herr
Mſſeſſor, nehmen Sie nochmal 3 beiten Pant, daß Sie fich
unſerer Qili (an fo gütig angenommen haben! War ja eine
ganz romanti sche: Gefchichte mit dem Haws, und ein Tejer-
tieren aus Liebe: darf nicht bejtraft werden. Aber die
arme Qilian Hat feinen üblen Zauberritt gemacht, fam
wohl ganz dejofat bei Shuen an, waz?” —
„Ra, das ſiehſt Du doc) jhon an ihrem Haar!” unter-
brach Fränzchen. „Übrigens mußt du meinem Fremd
Hellmuth noch viel inniger Dante, denn wenn er umjere
Amazone nicht rechtzeitig aufgefangen hätte, hätte Lilian
recht unliebiam am Chauffeeitaub gerochen! le
‚Bas der Tau} jend?!“ erjchraf Der Pjendo-Mir. Luxor,
mit etwas jteifen Beinen an Hellmuth Erite weiter
humpelnd und ihn in feiner jovialen Reife schnell in ein.
Sejpräch veri: ſckelnd während Fränzchen jich abermals
an Uem ar und mit ihr ben Derren
pigie =: — |
Poo
Sie zog die Coufine näher an Hd und — Be
groper, lebhaften Augen zu ihr empor. ae
Wie viel am hat er denn?“ fragte fie.
— „Rong? .. . Werd” —
„Na, da vorne Dein Belchüiger im Jägerhut!“
„Rangen . . . was am Du damit?” es Pia
RN .
re junge Hunde nicht, jondern Rinder! Kinder, mie
fie eben alle ae u ober u ~ en |
haben! Mn =
Fräulein don Nördlingen blickte Rata au oa ered
herab, „Der. Mſeſſor bverheiratet, — —
Na natürlich, hat er es etwa porheimlicht?” he
Fränzchen mit flimmernden Stuglein auf a
akan. n. gawk nicht . iM Gegenteil . ES
ſtotterte orte, „Aber woher meint bu hem
das?" — | =
Rober wohl! — Habe — meine Begiehunge gen, md
Kin Du, fo ein Gjeltreiber befigt Menidhenferntnis, Der
eht täglich jo und fo viele Viſagen an ſich DEN
da macht er eben feine Studien !’ |
‚Ab, fo! Der Junge hat es bir verraten? 7 lacte
Pia leife, uud cs war, als atmete fie Dabei recht tief und “
erleichtert, auf, Womit begründete er feine Anficht 24 |
Mit den allgemeinen Merkmalen; er hatte den Wffeffor x
ivot beobachtet und ſchloß von feinen eruften, gejegten
Wejen auf den Familienvater, na — und wie du ja — —
ae mit Pa = wäre ja auch gar zu toll
— 338 —
geweſen, wenn du mit einem underheirateten Situgling ſo
mutterfeelenallein und folo auf der Ci auffee en.
bummelt wäreſt!“
ee. > as
Pia wollte ſcherzend entgegen, aber ein leiſes Pl wo
{chen im Waffer, welches hinter ihnen. ertönte, nahm
Bränghens Mufmertjamteit bereits in Auſpruch
Sie ſchnellte herum und fat voll hochſten Antereffes 3,
‘bak ciner ber Ejeltveiber üh Damit amüfierte, Steme zu
jammeh, um auf dem Wa jjer „Käschen‘“ zu werfen.
Das chien juft etwas für Fränzchens Geſchmack
~ Shr Yam, welcher die Couſine jo eiferfüch tig an fich
drückte, foclerte ſich merflich und, Halb rückwärts gehend,
beobachtete die Romteffe das Spiel, bis fie ſchließlich von
der Paſſion übermannt wurde, Pia haſtig losließ und
Aha! das war wieder der o Slang iu der
mut wenigen Schritten an der Seite bes Gieltreibers fand, x
| . Hacher werfen — sul forige er im Meberr
ae o _
a Junge ringte ein Sec, von Sochachung
Berguiigen. > = ee |
„Das ift mal nicht is — wies mk —— tut! x
renommtierte er. hf drei Bife tawn Alan n nen, VEVEN
als ficher reden! — TENE
Wrangehen hatte die Hinde RR
und lächelte geringfchäßig: ie, x — Hal und. Dat —
tomme ich dran! ir > | Se
x one Seb e en ſſette ich Pia, ink: Baer 9 Wi llibald e
— 339°. —
= — ſich herum, brach n— ſein eich ab md
lachte fröhlich vor Hd Din: „Na, da muğ der Wildfang
wieder mitmachen! Natürlih! Haha — in Lugano war
Dies. „gäscheniwerfen” allgemeiner. Sport und Francis,
welche überf yaupt fer ſportlich paji fionicrt ijt, Hat —
Vergnügen chrl ich. gerröhnt!” es
Wohlgef ällig ichmungelnd perfentte er Die Sande in
die Taſchen ſeines weiten Beinkleides uud ‚trat — Leis
tungen einen- Schritt, näher, ne
Der Affefior beuubte den Angenb (id und kehrte an =
Pias Seite zurück. Man blieb ſtehen und ergüßte ſich
an den eifrigen, meiſt oo Auftren ma der
Treiber. =
„Ra — nun mal bee mit einem Gido we — fale |
Die tomteife ſchließlich voll Ungeduld Dazwilchen, überfing is
mit Scharfem Blick die umliegenden Steine des Ufergerölls —
amd waht te einen recht flachen, giatt gewajehenen Kieſel
yom — aut!” nicte der Papa Beifall,
Und Fränzchen bog fich funftgerecht in ber Taille,
Holte weit und energij aus, und — hopp — hopp — `
“Dopp — ee der Stein über den trüujetuben Belle: |
frienel.
Em Sure Der Treiber und ein unerftänbliches >
Gringen des Grafen bel lohnte die Leiſtung
Brillant, mein guädiges Fräulein! I midte auch der
&effor üͤberraſcht und dam wandte er fie) im o =
am an feine Nachbarin.
„Es ilt ganz merfwiirdig, rote Shr Stufe
| 22*
l Confine
die Sade —— wd nie im Leben fab id eine
Dame, welche derartig, — möchte jagen ` — juüngenhajt
— bie Steine wirft! Benbachten Sie einmal, diefe Arm-
bewegung tit ausgefprochene Eigenart der Knaben Fräu⸗
fein Fraͤnzchen ift die ae junge — — — derart =
mar j o ee
„Die Kleine üt ia in a — Vemegungen und š
Manieren leider febr Derb, ich möchte jagen, etwas Der: 2
wilder! Sie a hmt nod, was ihr imponiert und mi >
nicht, ob es fid) für fie paßt oder nicht!” =:
„Die Keine? Ih dachte, Ihr Tränen Gone
wäre auffallend ſtramm und groß für ihr ee —
: Hellmuth. x 3
4908 allerdings! Es fieht aber alles je at uud |
| tollpatichig an ifr aus, und mit dem Diminntivum „ilein.
will. id) auch mehr den Begriff „jung“ ausdrüden!”
Sch würde Mr. Luror formohl wie feine Tochter nie ne
‚für Engländer gehalten — a Sie a MD ;
Qunti ` nn ahaa
ia wandte ſich febr weit sur Seite, um einer pore
äberjchreitenden Winzerin nachzuſehen x s
= „Nicht: Engländer, — % Deurich-Ameritaner!” perbeji ee.
fie Schnell. „Ste wiunderit | jich über unfer forreftes Deutjch 2“
„Sch habe das Deutich nie fo fließend und gut t von #
Aust ändern iprechen hören!” — ey
„Bir verdienen diefe Bezeichnung Eigene auch nic,
denn meine. Verwandten leben feit langen Jahren in
ee — Dana er ra ab und. feat
S 341 —
mit reizend o Lächeln einen Schritt näher zu
ihm heran, „ich habe vorhin einen ipaßhaften Srrium
bemerkt! Franzchen bildet fich ein, in Ihnen einen ver-
heirateten Mann und Familienvater zu jehen, und wollen
wir uns Doch den Scherz REN, ſie in on u
zu erhalten? =
Biat, ih? — Der flex — leije auf.
Noch vor vier Wochen war 6 mein ſehnlichſter Wunich,
und heute möchte ich es als ote Glück preiien, dah
ic noch fret bin!“ — o
„Solche traurige Erjahrungen halen Sie feit jener
Zeit an dem ewig Weibfichen gemacht 2”
Welch ein Blick, der wiederum ihr Auge traf!
ele miverj itehen mich, mein quadiges Fraulem! Yeh
preife darum das Glick, „mein Herz noch zu beißen”,
weil e3 mir dadurch möglich ift, es rettungslos vere
lieren zu fmn!” Lauter Jubel unterbrach. hn.
Frauzchen hatte ein ganz phanomenales Häschen bringen
laffen und freute Hd) ſelbſt über diefe Kunftleiftung j
innig, daf fie einen Siegestanz ausführte, welcher —
Zucknngen eines Hampelmannes am Bindfaden verzweifelt
ähnlich jab.
Und dann wurde den itallesl üſternen Ejelein das War:
ten zu langweilig. =
- Sie febten BO janjiniitig, aber fonjequent í in Bene:
gung und nötigten ihre Gebieter, wohl oder übel des grauz
jamen piel genug fein zu lafjen und ihnen zu folgen.
- Seängchens Wangen glühten, fie jal jehr animiert aus
— oe = | —
und war vortrefflicher Laune, was — or r befouders
zu ftatten tam. Sie belegte zwar. Pias Arm wieder mit
Beichlag, fommandierte aber den nenen Freund an ihre I
andere Seite und unterbielt ihn jo vortrefflich von den :
feinen Nücnncen des Sports „Häschen werfen“, dah Selle a
-muth gar nicht, dantbar genug für die Belehrung fem
‚Tomte, — en ;
aben Ei zu Saute > bet “ie a Wajjer in be
N übe?‘ ur = = | =
— me. einen. Hen Karpfenteic ie .
| „Senügt ja volltonmen! Wen Sie aljo wieder heim |
tommen, können Sie Shrew s lindern Die Sache bon
Wieviel Stic haben Sie eigentlich? a
arpfenteiche: ae | an —<
pale Nach) wuchs meine a 12
Ber Allellor t Die Hand jchattend über die a > `:
er ſchien DOH Der Sonne geblendet und mit dem epn |
zu fäntpfen. = |
„sn meinem. Haufe atmen. fieben Seelen jagte er =
mol) feterlich. — ne ake
Domerwetter! da können Sie ja bald Kegel jchieben
mit den. Rangen”, erwiderte Franchen und machte em
ſehr anerlennendes Geſicht Warum haben Sie denn
Ihre Frau und die ganze Yünmerterde nicht mit Au, die
eit ile. genommen‘ p“
‚Hellmuth zuckte ſehr a bie chen. ‚Das a a
2 aus verjchtedenen Gründen abjolut unmöglich,“ de Nomtepe
Aen binet ip Me SATE ai tin, weil Doe ee
= 819
| Kleingeld nicht langte?” nickte fie mit wnmmeindeniter
Offenheit, und als der Aſſeſſor und Bia in ein fallen-
des Gelächter ausbrachen und Vater Willibald aus fenter:
Nachdenken emporfuhr und nach der Urjache forſchte, fühlte ER
fen Tochterchen ſich febr gel ichmieichelt, wie jtets, wen —
man einen Wig von br belachte, wandte fic) zu dem
Grafen und erzählte ihm die jchöne Unterhaltung.
„Diele umverdiente Witrde laftet entjeglich auf mir,
mein gnädiges Fräulein!“ flüfterte eg), FIN id) ie
tie thatjächlich mweitertragen 2” = ue .
Pia jah ihn an, noch die volle, friſche Eres bs R,
Lachens in dem fehinen Huklib. SE.
„Wem Sie ritterlich ſein und mir eine große Giraf- =
predigt erjparen wollen, thun Cre es, bitte! Tante Luror
ul — jeht ſtrengen Pepin, a — = sm
allen u per Sanbftrafe: ne wäre = |
Er neigte Das Haupt ein wenig und jah ibr wae
in die Augen. „Not fennt fein Gebot!” jagt er leije..
Ihre Begegnung mit mir war feine freiwi (ige Wahl, .
das Schiefal führte unë zufammen, wie der Sturn gwei
Blumenblätter vereinigt, von Denen das elle pni Dein Berg, —
das andere fern int Thal entiprofien! Cie in diefem
Puntt völlig zu entjchuldigen, wide ich shee Fran Tante
gegenüber zuverſichtlich wagen! — Aber ein anderes!
Unfere Neife führt uns denjelben Weg! Ich mürde es.
als Hohes GI (itd erachten, Dürste ich mich Ihnen ferner: x
hin anſch! par Würde ic) alè unverheirateter Mamm
— 644 —
nicht fo ſehr anf die freundliche Genehmigung Ihrer Frau
Tante zu rechnen: haben, wie a >o Gatte und
Vater?” —
x Pin blickte au Boden, he — Winsen lagen wie
dunkle Schatten. auf den roſigen Wangen, eine reizende
Verwirrung bemächtigte fich ihrer. „Srängchen Ht jo jehr
eiferfüchtig beanlagt und würde ärgerlich fein, wenn ich
nicht qang allein zu ihrer Unterhaltung da wäre; — Tante
ift leicht von ihr beeinflußt, jo daß eg jedenfalls ein viel
fröhlicheres und barmlojeres Werfehren fein würde, wenn
jener Grind, welcher. eventuell bean) ala Da tönitte,
wegfelel = = ee |
Ich dante Ionen“, ntiwockete: er mit ——
Augen. pad. werde alles ban, um t Gräulein Se
| DD zu jtimmen! Pr: :
Es lag ein jo jubelnder K Ins in ſeiner Shane: dag a
Pia erſchrak Hatte fie recht gethan, ihn gu Der feinen
tomödie zu bejtimmen ? Cie aei, er werde Die Sadıe
nur als heiteren Scherz, als Nerferei für Fränzchen auf:
aler, und mur mit einem Mal, ehe fie es jelber recht
wußte und wollte, hat fie ihm verraten, daß die kleine
Lit für ihren Verfehr notwendig fei. x
Sie geftand ihm unbewußt ein, bab fie Derce die
Mögl ichfeit einer gemeinfamen Neife erwogen hatte! Sie
gab e8 zu, daß fie ihm Hindernijje aus dem Weg räumen
und ihm behilflich ſein wollte, Dic Heine Se grange
chen zu gewinnen!
= Das Bl (ut hien ifr bei Dien Gedanten i u t Die Bangen,
rn;
— ©
=e: gab
fie begriff fic) ſelber nicht! ei die oe sriethalteube
Pia! War fie von Sinnen, diefen fremden Mann ohne
Elingenden Namen, ohne hervorragende Stellung, vielleicht
ebeniowenig — bemittelt wie fie jelber, m ihre Nähe u
jelfein? — Sie jab und empfand eg, daß fie ftarten Eins |
Dru auf ibn machte, daß e3 wie Spuk und Sauber über
ihu gefommen war, al habe er thatſäch! ich die Here Lorelei
im Arm gehalten, und dod) ijt fie nicht vernünftig und
stolz genug, Diejen Sauberbaun jo ſchnell wie möglich zu
brechen. und ihn zichen zu laffen, ehe es zu ſpat it! Gee
wip, fie muß. e3 fein, fie Hat ich . benommen, Hc
bat fid momentan — lafi eH s wovon? t - —
Wuüßte fie es jelber mur! — er gefällt ihr fo gut, - — ſo
qut, wie noch feiner je zuvor, — e3 liegt ein Ausdruck
im feinem ernten. amd doch wieder fo licbenswindigen Ge-
Sicht, welcher fie wunderbar anzieht und fejlelt.
OR {a3 es manchmal in Romanen, daß das Auge
eines jungen Mannes eine große, rätſelhafte Gewalt auf
die Mädchenherzen ausüben fine, und fie lachte folder
Phantaſterei und glaubte e3 nicht! Und nun ftand fie
jelber bor dieſem Rätſel und fuchte vergeblich nach jeiner
Loſung Er gefiel ihr fo gut! — nichts weiter!
Es durchrieſelte fie jo warm md wonnig, wenn cr
fie anfah, wenn es fein Blick verriet, Dap fle Ihn entzüde.
— Warum? (š war ihr doch ſonſt jo o gleichgültig qez x
wefen, ob fie den Männern gefiel oder nit! — =
Und als er fie im Urm gehalten und Auge in Auge
me um Su | da — ſie das G Gefühl, das Sale,
oe eee =
— ahmungsvolle gehabt: — „Du fennft ihn! Wer ft — aiat Š
| Cr ot bir nicht fremd und Doch weißt du feinen Namen = s
li den Rhein, an den Rhein, zieh niht an ben Rhein, x s a
Mein Eohn, ic) rate bir gut. oe | Se
| a Flan mg eà abermals dicht bei inen ı von dem Strom herüber: ce
‚Dich bezaubert Der Mout.
Dich bethört der Schein,
N fait dich und ‘Gras.’
So: bethärt! - — das iit es, nicht der blinfende Strom,
nicht die loſend weiche Luft, nicht der Hall und Schall
x ringsum begaubert Die Seele, — mau bildet eS fich ledig-
lich cim, A dah mar atr Rhein — ganz. Bejouderes er:
Leben. mug, und dieſe Einbldung bethört den Menſchen
md läßt die Geſpenſter am hellen Tage fehen! —
Bchört fie etwa aud) zu den jentimentalen, Bleich-
füchtigen Mädchen, welche fich in Empfindungen und
ESchwürmereien hhremzwingen, weiche ihnen im Grunde
Ç genommen en fern liegen, welche nur franthaft find? —
Die willensftarke, fühlberzie ge Bia, welche fid) noch) für
feinen Mann: begeiftert, wird dielem traditionellen Rhei in⸗
zauber gewiß nicht zum Opfer. fallen. —
Sie reißt mit emergifcher Hand Die © Dunitjchleier cut-
zwei und ſieht — fieht einen jungen, eleganten, lieben
würdigen Dam, we (cher ihr. gefällt und mit we erben He
gern plaudert. — Weiter nichts. — Te ee
Mew, — nicht jentimental werden; ee ware (cher ich.
Mit frohem Herzen will fie jeine Gejellfchaft ‚genießen
u e a
unb id durch in bie Reiſe amüſant and wechfelreich
geftalten, ebenio wie er den Genuß dankbar empfinden
wird, diefe schöne Natur im Kreiſe heiterer Menjchen zu
ſchauen Harmlos , ganz harmlos; fie miiffen ſich beide
ruhig kommen und a gehen schen — und. ie wird es
auch ein. o aS
ia atmete hod er und ſtreicht mit ber San über
die Stirn, als wolle fic alles wegwijchen, was die gc-
fährliche Rheinluft T: an m ee unge
ae hat. — —
— Nun Sieht fie Har und ijt einig mit ii, bas wird |
ihr bie alte Ruhe und tühle elaji enheit zurückgeben.
‚And im Eirome, da tandhet bie Nix’ aus dem Brund,
Und haft du ihr N gejehen,
Und jang dtr bie & Surfer mit bleichem Mund,
Mein Sohn, jo iſt es gefchehen!“ I —
Franzchen blieb lachend jtehen und inte —
ac) Dem Schiffchen hinüber, Hellmuth aber wandte jäh-
{ings den Kopf und blickte Pia an. Cie. zuckte zuſammen
— HD wieder, Dodd) allen guten § Vorfagen zum Trotz wallte
cë heiß nach ihrem Herzen. Warum ſieht er fie jo an?
Was flimmert und flirrt vor ihren a ~
doch vielleicht die jüße, lichte, idhwiüte emt —
Wagenrollen ertout hinter inen m ber Berne, ie
: atmet erleichtert auf, = |
Sante Sohanna! — Kun fann fie pielleicht allzu
große, Ermüdung vorjchiit ben und die ‚lebte kleine Strecke
bis — oim a
Dann ift fie einer Unterhaltung mit ihm. enthoben
und fein Blick tann fie nicht mehr verfo olgen wie bisher.
— Wie er mit Sränzchen plaudert und lacht! Welch
ein Wohltlang in der fonoren Stimme. Gr jebeint ich >
im Der That jee zu bemühen, die Sleine für fich zuge `
yoinmen, amd das Backfiſchchen ftrahlt vor Vergnügen —
über dieſen erſten Verehrer. Es wird nicht fange dauern, |
ban hängt fie fich im ihrer ungenierten Weife an feinen
Urm und Ontel Willibald, der fonit jo vornehm penfenbe
Mann, wird abfolnt nichts bei dieſem Benehmen finden, :
wie er ja alles gut heißt, was. der Übermut vine Čin:
aigen In Scene et — ` | |
Der Aſſeſſor hat gefrant, ob bie sie (eine a an die
amevifanifche Heimat prif denft, und, ob jie Dep! (be ſehr
geliebt hat. — es | | =
Und mur beginnt Frängehen in einer At und Weile |
aufzujchneiden, die geradezu unerhört il.
Alle Abentener des Lederftrumpfs und fonjtiger Ins
aaan verarbeitet fie voll fühner Phantafie als =
eigene Gri ebniſſe, und der unnatürliche Bater gebt ſchmun⸗
gend zur Seite und lacht heimlich in ſich hinein, dap
feine torpulente kleine Gejtalt ſchüttel tu —
© Der Aſſeſſor dieſe hiunmeljchreienden Cgengei chich ten
glaubt? — Er a jo, — wohl — aus l Höf-
lichkeit, — x x
Hier und da, wenn krachen es gar zu bunt treibt,
zittern die Spigen feines dunklen Schmrrbartes wie unter
a teuen Lachen | ER
Xm großen ganzen fcheint er fic) aber himmliſch zu
amüfleren, denn das Backfiſchchen aft animierter wie je,
und ihre Draftij de, drollige Art und Weije wirft ane) .
auf ijn im hohen Grade erheiternd.
. © jcheint fid) geradez u Miihe je zu geben, ihn an hier
Seite zu feſſeln und beſtens zu unter halten, und jeBt wird.
fie pas Thema auf Jagd gejchichten hinüber ipielen. ooo
Fränzchens Augen bligten auf, — und im feiner
Lebhaftigkeit ſieht das haßliche Geſucht beinahe puoig ce
aus. — x
Sie verjpricht ihm, wget ie Saydabentener w
den Prairien und Urwäldern zu erzählen, und Derweil
fie fich anſcheinend auf biuttriefende Bü iffel:, Bären- und
Antilopen⸗ Maſſenmorde beſinnt und präpariert, muß er
ihr von den Hirſchagden und Sauhatzen der x heimatlichen |
Gebir gswalder berichten. | oe
‚Wieviel Hiriche haben Sie ſchon zur Sind gebr ait? a
Gr nent eine Bahl, welche ihr: ju imponieren ee
{Abid wie viele Ganen 2“ |
x Aberntals ſcheint Sie mit ſeiner Antwort wiqen
: ale ſchießen wohl jehr gute’ — en
| Ne ſchmeichle mir woni igttens, ‚nieht seine ilo ss
au an iefen t on
„Samos; — pir pajjen ja großartig in Si:
ſcheße wali auch wie das Donnerwetter und für mein
Leben gern! Wiſſen Sie was? Wenn wir jet Nad
Rüdesheim kommen, haben wir ja maji fig Beit, — -nd
lange a Suen ey A wir a oo wicht, weht, =.
yeu ixi?
da fehen wir zu, daß uns der Hotelwirt einen fleien
Scheibenftand einrichtet und uns irgend ein paar Schieß-
prigel zur Stelle fchafft, und dann fallen wir mal um
die Wette drauf. los! — Qa? Ginverftanden 2”
Er ift entzlickt, und Fraͤnzchen jodelt vor Frende jo
fräitig los, daß die Grete erjchrectt einen fleinen Sak
zur Seite macht. |
XEſel Du; wenn man Dich mit deinem Batersnamen: |
nennt, Dajte es redlich verdient!” wendet ſich Komteßch elt
nach dem nervbſen Granjhimmel zurück; und Die beiden z
Herren befachen den Wig nach Gebühr.
= Alan, legit Du Dich in Rudesheim erft eine Bile
zum Ausruhen hin, oder kommſt bu mit uns auf den
| Siheibenftand 9” fragt die Kleine plößlich, fih an die
ſchweigſa me Seed, we a einen Schritt hinter ihr
geht, wendend. |
Es deucht Bia, als. liege | feine. ak dringende au |
Forderung in dem Klang ihrer Stimme. —
Matürlich muß Ihr Tréiulein Confine zugegen fein!”
— {allt Hellmuth. Haj tig ein, „Wir müſſen dock fritifches
Bublifum haben und wenn wir uns mal wegen eines
Meifterichuffes zanten follen, bedürfen wir eines unparz
teiiſchen Schtedsrichters!” | |
Kann ja zur Not auch Papa fein!” —
„Zrauft du mir fein Urteil zu, Sränzchen?”
Das B Backfiſchchen wirft eine Kußhand zurüd: Ich
thäte Dich erwiirgen, wenn pu chva wicht NUT, ſoudern
dem et sen a —
|
f
=
—
i
|
| Sum überlaß ich pir side Gicenpoften, Dinkel! —.
„Dante idön, will ſchon mit der Hexe fertig. werden!”
Anbeſorgt, mein gnädiges Fraulein, ich bin über-
zeugt, daß Fräulein granci mir jeden Bug neidlos
gönnt und Ihr Urteil Poar in Pien — beeinfluffen
wird! l oo oe | =
N Fränschen. ſchneidet eine eine —— Smid
aber fährt jeher zend fort, fich abermals an Pia wendend:
„Der machen Sie uns etwa gar — und betel
igen Hd) fel ber an Dem Preigjehiesen 2” — a.
Fräulein von Nördlingen jicht beinahe x 0 aus,
„Seen!“ antwortet fie fur, „ich habe nod) nie ein Ge
m oder eine Rij tole in der Hand gehabt!” -
Er macht eine Deftige Bewegung mit dent Kopf, als
wolle er fagen: „Bravo! ich freue mich deſſen!“
Und Franzchen nite ebenfalls wohlwollend und ſagt:
Wozu auch? Rn find fein Epielzeug für
. N | .
Lanftes Gelächter.
ld das jagen Sie, qute - die doch ſelber
‚eine junge Dame ift?” |
Die Keine (acht auch, aber ein wenig verlegen, ms
ihr Blick Hufeht momentan zu dem Water hinüber, der
Graf aber hat es nicht gehört, er ift ftehen und
erwartet ben heranrollenden Wagen. x
Anſinn! ift ja bei mir etwas ganz anderes !” fani T
fie mit wegwerfender Gefte. Eehen Sie mich an und
dann die Milian! Cehe w va m ein zartes
ne
—
Ba
Pa
—
—
we
23
täberr IT,
KAdTA
Der
Ny Chdtruth, IM Nom w Now,
= m —
ferchen? An mir verwilderten Range ift nichts fi o
verderben, ich fehe ja doch nicht danach aus, al ob ih °
bei lebenden Bildern einen Engel ftellen tonne, aber Giz `
lian, was ijt die gold weiß roſige Qilian gegen mich >
joare Here für. ein ee In — wird |
— nie ein Mann verlichen!* — , -
| Alber, mein gnädiges Fräulein, wie fönnen Cie unë
Männern einen fo fehlechten Geſchmack zutraun?” |
Das Badk hen warf übermütig den Kopf zurüd
u tacte, daß die weißen Zahne blinkten: Wenn Sie
noch keine Frau hätten, würden Cie fih etwa in er Ñ
verlieben?“ x x
„Sränzchen!!” | ooo
Der Aſſeſſor machte einen tiefen Diener und legte oe
Hand m Dag Det. „uragipal — allen Nivalen zum a
Zt x a
th, Sie se Menih.” Beinahe Hätte fie ipn i in =
ihrem tollen Jubel umarmt, glücklicherweiſe eee —
Tante Johannas Ankunft die kleine Scene, =
Fränzchen ftürmte der Mutter entgegen und jtellte
ihren „neuen Freund” bor, mit überſprudelnder Lebhaitiqe
feit alles Gejchehene erzählend. Pia Stand ſchweigend bei-
jeite. Cie hatte fic) über Fränzchen geärgert; zu ſolchen
Naivetiten war fie denn doch zu alt,
Tante Johanna wandte fich voll Bedauern an fie:
„Arme Lilian, diefer Dauerritt Hat dich fidjerlich fehr
-angeftrengt, willft bu wicht lieber einſteigen und mit mir
orn i
Pia jenfte das. Arida, 1 > fab i den A Heiler nicht i
an und atmete fewer und tief. Dann blidte fie e ehe
ruhig auf und antwortete: „Dante tauſendmal, liebe Tante,
das Gehen ift mir ſehr — mit Deiner gütigen — ee
Erlaubnis bleibe n au ~
— — — —
RER ER A] x 7 5 a
RERNE
RR
XVII.
“Run wandt id) im TPammerlidt blühender Baume,
Ich falfe ber Nachtigall Gubel und Schmerz - _
ich zähle bie Sterne! id rade und kräuıne —
7 — ſchwebender Stern ift mein feltges Herz!
Myre MUSS NER
= Dart ich itwa Euer Snaren.
E nidite Mal gum Schiefen laden?
Sy gönnt dod andern: mag, Mosie?
sy Sum er fonintt bees ar der De? o RONNY
Jae 3 a s ssp ohare Ores
x an hatte Rüdesheim erreicht und} war in der
| „Krone“ abgejtiegen. Nammerfrau md Diener
kenne ich, wit kurze get auf den Zimmern, Dey Ruhe,
au pflegen. |
beſorgten das Gepuck und die fleine Gejellj hat —
Mrs. Surot war febr erirent, die Wohnung wang woh —
ihrem Geſchmack zu. finden. Muf die Schlafzimmer legte — xÑ
fie befonderen Wert. Sie mußten groß nd tuja amd
durch eine Thitre verbunden ſein in Dem einen fchlier fic
und SFränzchen, in dem anderen ihr Gatte. Pia wohnte
gur anderen Seite des fleinen < Salons, welchen der Wirt |
ſchuell hervichten Hep, da bie Herr ichaften | nicht an der
— 357 —
Wirtstafel foupieren und auch ſonſtige Mi ableiten apart |
ferviert haben wollten. Š
Fränzchen empfand durchaus nicht das Bedürfnis
nach Ruhe und Schloß jofort Frenndfchaft mit dem Wirt,
welder mit größten Vergnügen bereit war, einen Kleinen
Scheibenftand im Rebengaug arrangieren zu laſſen.
„€s iſt nod) früh in der Saifon und trog des köſt—
lichen Wetters der Bertehr noch nicht fehr lebhaft, du
founen Die Herrichaften unbejchadet ein wenig Piftole oder
Teſching ſchießen Veh will für alles Nötige forgen und
dem gnädigen Fraulein fofort Bejcheid fagen laffen!”
Das Backfiſchchen fand es jedoch bedeutend amiijanter,
Die Vorbereitungen verfönlich. zu überwachen, und oft vere
fündeten helle Lachjatoen aus dem nod faublojen Reben
gang, dab Kellner und Hausfnecht, ganz entzückt von Den
Bemerkungen der jungen Amerikanerin waren. Nach kaum
einer Viertelſtunde erſcholl unter den Feni tern Hellmuths
die eigenartig rauhe Stimme. Sränzdiens: |
err Allellor! — Aſſeſſor Hellmuth !!”
„Sie befehlen, mein gnädiges. Fräulein!“
„Die Scheibe ijt fertig! G8 tann losgehen!“
„Charmant! - — Sch ftehe zur Verfügung! —
Die Kleine rieb fidh glückſelig Die Hände und trabte
auf ihren hacdenlojen, en N = eu
Rebengang zur.
Der Graf hatte ſich bebaglich ü in einen 1 Seffel gelebt a
-ranchte eine Cigarre und wartete des Beginnens. Kellner
; md ‘Gow pert wurden als ns s |
= 858. -
feet, md dann ej Selina und das nen :
begann. — |
Ganz überrafcht blickte der Aſſeſſor auf nai spoil |
Partnerin, welche dic Wa Hen mit außerordentlichem Ge—
ſchick handhabte und (ub. „Fangen Cie mal an!” gebot
fe p ift mir lieb, huen ae ein wen anf den Dahn
šu fühlen! Me Fe
Hellmuth wary noch einen jet Blid zurüd, aip os
—— kam noch micht.
Gleichmiitig hob er das Tefching, siete kurz und brückte eb.
oom.. eme Neame.: ni; macht fic) für den
Anfang!“ lobte Frängchen görmerhaft und dann Done -
ihrerjeits Die š Waffe, hf mit einer. ſehr paßhaften Griz |
waffe Dag Inte, Unge a, ‚zielte a on und a š =
und scho.
„Alle Achtung!” ae
„Na, was Dat der Racker getroffen?“ forjchte der
“Mater, fichtlich ehr Holz und dennoch, ohne den Kopf zu
im Bambus ſeſſel liegen bleibend.
sa Aſſeſſor fam Haftigen Schrittes von der | Scheibe
zur: „Ein Gs iit t fabel Oair Hut ab, nicht ee —
Frien!” —
ranzchen trabte an feiner Seite, fie jah jehr — 2
üd aus. „Eine Schande! Sanmervoll Lie Schweinereil
Elfe! Was will efe bejagen, nod ‘mal — mit dem
Schießprügel . . da foll dt ooo
Sie ſchoß abermals, und voll _ebhaften utereffes
eilten beide zur. Sante *
== BO ee
„urra! rm! u | ——
— nS UE enorm, ‚welche. Sicherheit | Gie haben, Miß
Francis! Ich bin ja ganz ſtarr“ x
Das Backfiſchchen zuckte gelajjen die Achſeln und doch
flimmerten die dunklen Auglein vor Freude. „Nu los!
Jetzt kommen Sie wieder an die Ramme!” =
Eine gewiſſe Erregung, aa Send ergriffen, jein
Jägerblut wallte auf. =
Diesmal fab er i hinter ‘ich. jondern nahm he)
ernſthaft zufammen.
Ein Schwacher Knall, ein ls blaufräufelndes Wölk—
chen, und dann flog sränzchen mit ihren Frotesken, un- |
graziöſen Bewegungen Über den Kies und der Aſſeſſor
folgte eiligen Schrittes. Die Kleine erwartete ihn, legte
militäriſch grüßend die pap an Die Schlaf e und tand
{tran !”
„But gebritllt, Löwe!”
„Senttuml“ u.
Mitten hinein, Fanos" v
Der Sagersmann frente fich, als habe er einen Meiſter—
: ſchuß um den Rönigspreis gethan; e3 wäre ihm greulich k
gewefen, fic) vor diefem Mädel zu blamieren.
Ar ängchen ſtrich une geniert die Hände an dem eleganten
Lodenkleid ab und rief lebhaft: „Und nun zeichnen wir
au! und wer bei zwölf Schüſſen die meiften Ninge hat, |
it Konig l
Reſpektive Königin!“
„Bon! — Es liegt eine Krone im tiefen Rhein, gez
— 360, —
zaubert aus Gold ud: Celftein!” fang fie mit ben
Geſten und ſchaſſierte zum Scheibenſtand zurüd, „Er
fat aud) Centrum, Papa! sepr wird eg Chrenfade, >
mir. schießen met? — —
Ein ımverjtändliches Murmeln oe Grun n; Der
| Biendo- Mr. Luror nickte nur in beiter Laune mit dein
dicken und rauchte weiter. |
„And wer zumeift trifft in's ſchwarze Hund,
‚Deu Frönt man in Aachen zu ſelbiger S Stund!” '.
| improvifierte der Aſſeſſor S i ory Saitig nad i
Waffe und (ud. ‘
Franzchens Paſſionen hatter etwas An fiodenbes, ein
heißer Kampf um die Königs würde, entbraumte. Beide
jchoffen gut, — - febr gut | jogar, und jeder hohe Treffer
ſteigerte den Eifer. Hellmuth hatte noch nie eine Dame
fo ausgezeichnet ſchießen fehen; er felber galt daheim für
einen ausgezeichneten, ficheren Sdhithen, aber neben francis
Luxor hatte er große Mithe, fich zu behaupten.
„Haben Cie Ihre Studien mit Pulver und Blei aud |
in den Steppen und Urwäldern gemacht?’ fragte er mit.
geröteter Stirn, und das Backfiſchchen machte hinter ihrem
x jochen. abgegebenen Schuß eine Geſte Her, wie ein Q tegel-
= — welcher der Kugel par distance nachelfen
ill.
Das verſteht fich, immer vom Gaul herunter, und
wehe! wenn man dem Herrn Grisly: ‘Rar nur die Naje
fragte! Donner ja! weißt Du nod), Vater, wie wir ein⸗
mal mit ben Siour-Indianern nad) dem Blacriver — |
—
NEE
x
Rt
SET.
r 2
er
ritten waren, um bie verdeiwelten Bejtien aufzu⸗
jpären ?”° | DR
Der Papa hordhte a
„Nice — weiß ich nicht mehr, aber erzähl” mal, wies
war!” fagte er und paffte ſchmunzelnd bide Wolfen.
„Heute abend — jeht ift feine Zeit! Wenn wir dann
sur Erholung beim Wein figen . . . nicht wahr, Alter
chen, Den Riidesheimer rotten jon. doch ‘energifch 2 —
und ohne Antwort abzuwarten, fprang fie abermals mit
langen Sätzen davon, am Miller, wieder ein ann
zu notieren. | x
„Brillant (left er! gan} — ſch ieft or! jibe 7
fic, one die mindejte € Spur von Künftlerneid oder Ruhmes-
nier, „ie find ein, reigender Menj id, Afjejforchen, der
‚erste, den ich hier m T Deutichland fo aut ſchießen jehe!
sn Genf War cut Franzofe mit dem ſchoſſen wir alle :
Tage @lastuget, der war aud cin Patentferl! Grope
artig, iage ich š hren! Hätte fich gleich beim „ilden ere
Weſten ala Bij tolenjehiit anerben lafien fönnen !/ um 0
während fie. jo lebhaft ſchwahend neben ihm herſchuut
ſchob fie harmlos ihre Hand i in feinen Ar m und behandelte
ifn mit jo tameradichaftlich er Zumeigung, ala wären fie
die ältejten Freunde und durch alle 6 Gefahren der brennen —
den Prairien and der von Giftpfeilen durchfchwirrten Ur-
wilder for ever r verbindet. Darn ſchoß fie wieder, auch
Centrum, und. mit. blinden Augen grit we gun. Ç
fiebenten Male zur Waffe. oe
| ioe jest pe Wir rm seas egal; i Jabe — x
— 309: —
zwei Ringe mehr, alſo kalt Blut, Mit tiefem en
finnen Sie mich jchon ſchlagen!“
„nom denn, mit Gott für König und Baterland! ue
lachte Hellmuth, Hob die Waffe und zielte, Ploͤhlich
wandte er den Kopf, als ob eine magnetiſche Gewalt ihn
zöge, eine ſchlauke Mädchengeſtalt war in den Rebengang
x s und näherte fic) langjam ben Herren.
-Dag Abendrot, welches. den Himmel. in Flammen von
Gold und Purpur tauchte, goß feinen Glanz über das
SM londe Köpfchen, hinter ihr. fimmerte der Nhein, und
bas junge, faum der Knoſpe entiprofjene Neblaub wiegte
fich in graziöſen Gemwinden über ihr. Fränzchen jtand, —
die Hände auf dem Rüden, und blickte voll m PENN
Spannung — Der Scheibe.
„a los! Worauf warten Sie dem? pe “drängte fie un: >
ae |
Der junge Korfmann — zufammen, wie ein Kind,
welches bet verbotenen Früchten ertappt wird. Haſtig
wandte er fidh wieder um, zielte und hob.
Tas Herz fehlug ihm hoch anf dabei, er dachte an
alles andere, nur nicht mehr an Die ur,
welche auf dem Spiel itand. K
Franzchen ftredte den Kopf weit vor, „Na —
jagte fie überrascht, „wo fibt deun bie Kugel?“ Und dann
x ſchoß fic, wie ein Pfeil, ihm voran gu dem Biel,
= Hellmuth folgte ihr nicht, er trat mit jdynellen
Garten Der jungen Dame entgegen,
Guten Abend, Mik Lilian! „Spät fommt ihr, bob ..
— IR =
ihr fommt!” Cre oe witli. piel verfäumt, Shr
Fräulein Couſine hat mich geradezu verblüfft! Sd) habe
en nie eine Dante derart ſchießen ſehen“
Pia reichte dein Spreder ae Hand entgegen, er en
fie momentan in Der feinen.
= „ch hörte den Zubel bereits! lächelte fie, „und fonnte
der Verfuchung nicht widerftehen, Die dba de
fate mit Augen gu [haum!! .
| „Beinahe immer Centrum! Sie haben ia Dag
Schwarze beinahe Herausgelodjert”, midte der Graf, fid
erhebend und behaglid) Herzumuchtend. „Ein herrlicher
Abend Heute, Das reine Syll. Renn die Schießerei zu
Ende ift, ſchlage ic) vor, wir beitellen uns das Nacht:
| eſſen, und maden noch. eine kleine Gondel partie nu Monden⸗
ihein, wollen mal hören, was meine Frau Bigu fagt!
und wenn — —"
Er veritummte — tan von der Scheibe ber x
ertönte ein wahrhaft indianifches Triumph gepeil =
Sränzchen erging fich in ein paar ¢ grotesten Springen
und dann ‚stellte He ſich hin und frümmte ioi in ne
dem Gelächter, | x
„Jape! Nabel!“ — aris ſie ieun —— und
Pia eilte ganz exfchrodten zu ihr hin: Nele he bijt
du rein von Cimon; ns :
Franzchen patichte, x außer fich vor Freude, — Aſſeſſor
auf die Schulter, „Süßer Menjeh — Sie haben da hinten .
am Berge eine ana getroffen! — ~ febhucdste fie bor
Vergnügen. .
Was habe ide’ Hellmuth fah ganz berbutbt barein.
‚Ra, Sie haben gefehlt, radifal gefehlt; dabier, den.
Hand der Echeibe haben Cie ein gang Hein wenig anz
gejengelt — — und das nennen Sie, mid) in die Pfanne
jchteßgen ? 2“ x |
Der Forſtaſſeſſor lachte belt — ſah ane Doch ein <
wenig verlegen aus.
„Qröften mir uns, bent Wear i im Hig at eë en
wicht beſſer ergangen!” — x
„Srlauben Sie mal! — utie -o geringe
ſchätzend die Adhjeln! „it dem fönnen Sie fid doch
nicht auf eine Stufe Stellen, der Narr war ja. verliebt!”
en and foment andere Leute = an verliebt
fein p x
z Hellmuh ieee 8 mit taedia Simme und Bin
neigte ſich jählings, um eine Heine Weinraute seot geupu
— beſehen
Se „Haha! — in feine Fran ae feine Sehen Rinder?
Nee, Alfe Gordie, — machen Sie mir nicht etwa weiß,
daf Ihre: Hand aus Sehnſucht gebebt hätte!” Allgemeine
Heiterkeit „Und nun marſch — marie — Hurrah! wir
len unfere zwölf Schuß heraus haben, ehe eS zu
dännnerig wird!” Das Backfiſchchen ſchoß wieder brillant,
aber auch Der nächte Edup des Aſſeſſors brachte nur
= acht Ringe. 3
Armer Mar Me Höhne Die (Heine
Ich gebe das Nennen verloren! — Lafjen Sie es qe
| mig Jen We Fint wir wollen Eie zur Rogu tere Pe.
= ane renal
Nichts ba, gejchoffen publ- = Sch will Ihnen erft
mit Zug und Recht die Tamary d Brille au eben können!
Vorwärts! — |
Und fie ſchoß abermals. —
Hellmuth trat einen Schritt von Pia zurück und blickte
ſtarr gerade aus, aber er fühlte, daß ibre Augen auf
ifm rubten und feine Hand bebte abermals, als er gielte.
„Aber Menih! rief SFränzchen, jahlings feinen Im
haltend: „Haben Cie dem plistslich den Tatterich, daß
Sie jo waden? Nuhig Blut und dann (os! Und —
ichoß er auch diesmal Schlecht. x
Das Baͤckfiſchchen ſta mpfte mit dem Fuhe nut Wenn
| ichs nicht wüßte, daß Sie es beſſer fünmen! Aber das
ift ja plögli wie verhert mit Ihren. Seit Lilian in
den Nebengang trat, haben Sie fein Glick mehr! —
. Lilian — halt du ihn etwa bebert wie ein altes Weib, —
daß er nicht mehr trifft?” |
— Franzchen hatte es in ihrer Maivetät und Erregung
heransgejprudelt und jab aud nicht die Wirfung ihrer
Worte, ‚welche dem Betreffenden das Blut in die Wangen
trieb, — fie cilte im Triumph an die Scheibe, um unter
a iftenz Des Papas Die Nefultate au verzeichnen. x Ç
Hellmuth legte die Waffe langſam aus der Hand, er
Stand neben Bia, aber feines fprach ein Wort. ;
„Max ſchieß nicht, ih bin bie weiße Taube!” EN
lachte Fränzchen par distance. „Bitte, vergejjen Sie im
Eifer nicht, daß w Jest coat blauen Bohnen auffangen:
würde!“ — an
[em
u mein: -~ Fräulein! Ter Mar muß
ft Freifugeln gießen, che ex wieder Centrum trifft!”
ee lachte und zwang fich gewaltfam zu einem harm-
{oS heiteren Ton: „Nun, bier am Rhein, wo Drachen:
fels, Höllengrund und Tenfelsbrüden zu Haufe find,
wire. das Terrain für ein Freikugelgießen wohl ge-
geben! — Haben Sie ſchon eine penne an Saspar
gejchrieben ?” —
Er fchlittelte (ah elnd den Kopf: „em man das Bild
x eines Engels anbetet, mag man feine gemeinfame Sache
— ehe mit dem Teufel machen! Me
— Mehr? das flingt ja gerade, als ob Sie früher ge
> Srenndjchaft mit ihm gehabt hätten 2“ 2
Or ſtieß mit der Fußſpitze die kleinen Kieſel Sin.
und ber. x >
„sch Din mir beffen — bewußt, inb doch if e3
mir zu Sinnen, alë jet nur eee gan p . exit der
Himmel aufgeihan! = |
Sie blidte hinaus in Die — Suh unn
über welcher bie exften Dänmerjchleier mit den legten
\ Sonnenlichtern rangen. Die bunte Lebhaftigfeit bes Tages
war verhallt, ein feierlicher Abendjrieden rupte auf Der
lenzesduftigen Welt und die Glockeutlange der Rochus- x
kapelle zogen melodiſch über Das alles, wie cin grüßen:
des Gebet. |
oe „aus begreife ich”, antwortete Pia didt ab p
möchte wohl behaupten, daß e3 mir ähnlich ergeht. Bch
habe ſchon jo viel von der Welt gejchen, jo viel erhabene
Pracht md fo viel fiebliche Esönfeit, und doch empfinde —
ich hier erft ihren vollen Zauber, welcher Herz und Seele
erfüllt und andächtig jtimmt. as :
„Sch las einmal in einem Buch, welches fidh durd)
piel Tiefe und Wahrheit des Gedantens auszeichnete, daß
der Menih gliel lich fein müffe, wenn er bie ganze Schön-
heit der Natur empfinden und fidh ihrer. voll bewußt
werden wolle; mir der Glück liche fönne Schönheit genießen,
nur Dar qta, in beffen Eeele 8 harmonisch und licht,
warm wd ronnevoll geworden fa”
Und doch it Die Schönheit der Natur ber einzige
Croft für Trauernde! Mn
Nicht der wahre Troft, weil er ein Seid Dergrähent
anjtatt es von ihnen zu nehmen! Menfchen aber, welche
einen tiefen Schmerz in die Einfamfeit der ſchönen Gottes⸗
welt tragen, empfinden es als Wohlthat und. Linderung,
dieſen Schmerz unter dem Einfluß ihrer Umgebung aus-
ftrémen zu laffen! Dem Unglüdlichen find bet dem Mn-
blid landichaftliher Echinheit die Thranen der Wehmut
ſtets näher, wie das tiefe, wonnevolle Aufatmen hohen
Genuffes, — aber gerade die Thränen befunden jeine Er-
griffenheit und thun ifm wohl, und Doch glaube ich, daß
die Schönheit durch die Schleier von Thränen gejehen =
nur halbe Schönheit ijt.” —
Das junge Mädchen wandte ihm das Antlib zu, ein —
Anfleuchten ging durch ihr Auge. Dieſe Anficht würde
mir aljo verfichern, daß Sie zur Zeit ſehr glücklich iina, :
weil ther bie Welt als Paradies erjcheint?” — —
300 o
„Sehr glüdlih!” — nite er, „io glücklich wie cin
Rind, welches holde Mürchen träumt.” —
Er jagte e3 leiſe, und doch urang D oer E ang ſeiner
Stume bis m ihr Herz, —
Brängchens überlaute Heiterkeit a fe.
Ichwenfte Den Bapiergettel trinmphierend über Dem —
und ſang übermütig: Schau der Herr mich an als König!
dünft ihm meine Macht jo wenig? Gleich zieh ex den
Hut, Mosje! wird er frag’ ih? — Be, He, he? be —
mas jchoß denn er? — he, he? —
Der Aſſeſſor lachte: Eie verſpotten — wie
den armen May m Freiſchut und vergeſſen ganz, daf
Der arme, verbal inte Bur} ch) dennoch beffer als alle an:
Deren geichofien, — 1a, fogar iu Agathes Herz mit Pfeil
und Bogen den Maͤſterſchuß gethan Battel? —
„Sa wohl ja, vor Amo tobad!!” — Heiht Ihre
Frau a en un Haale: oe —
„Mein! —
ln, aljo! Und wenn Sie ich vor fo und fo vielen
Jahren mal in eine Holde € chine vericho] Hen haben, jo
joll das jeht noch dieſe klaͤgliche Niederlage auf dev
Scheibe dort: entjchuldigen? — Nein, Affefiorchen, einem.
ganz friſch und nung Berliebten mag Schon ma! die Hand .
zittern, aber jo einem alten Chetrübpel mie Ihnen? —
Hahaha! Alfo das find Io Fiſche Sie find beſiegt
Zugegeben?“ —
Der Aſſeſſor verneigte fich tief, abermals adi das
verhaltene Lachen um feine Lippen, und auch. Bin fümpfte
Ty. Cig ftruth, IN Nom. u. Rov ‚Der Majoratsherr I. 24.
— — 30 —
“gegen die. Geiterteit, während ibe s tab Dag Blut in
Die Wangen stieg.
u bin in Shen Augen ein dokt Mann, mi
aranci, — wolle die geftrenge — site —
s N ichterin fein.” — 3
Ich bin Königin, — Sie find mein Leibeigner! —
„Dhal lachte der Graf und Hellmut — gertuirfcht x
bie Arme über der Bruft. | |
„ober jagen wir — Sie find mir ib" —
Zu Befehl, Meajeftat!” - ae
„Sie müllen mir geharchen!“
„sch bin Wachs in Ihren —
Out.” Franzchen richtete fich anf, hob arrogant die
Naſe in Die Luft und jagte herab! affend: „Der Wirt
meldet, Daß das. Abendbrot jerviert ijt, — führen Sie
mich zu Tiich!” — Gie reichte ihm gnädig, von oben
herab, die Fingeripiben, während Hellmuth einen Augen-
blick betroffen zögerte —
s y @eborfam ijt des Chriften Schmud, mein verehrter
Aſſeſſor!“ lachte der Graf Willibald in befter Laune,
Majeſtät haben befohlen — und ich bitte.”
Er machte eine heitere Seite nach dem Hotel und bot x
Pia chevaleresf den Arm, „meine Frau erwartet die
Scharfichügen!” — |
Der junge Forſtmann war dunfelrot — Sein
fitahlender Blick traf Fräulein von Nördlingen, und fidh
galant vor Mr. Luxor und Fränzchen verneigend und
ihre derbe Heine Hand auf feinen Arm legend, fprach er
laut, mit. beinahe jubelndem Klang in der Stimme: „And
wenn ich aud) Seet bin — das Leben iit dod schön,
o Königin-
All right! “perliflierte das Barkfifchehen, und fchritt
an feiner Geite feierlich und würdevoll der „Krone am
tiefen Rhein” entgegen l
> *
*
Es war doch Frühling! Friſche, erquickende Nachtluft
ittömte balſamiſch durch das offene Fenfter, und dod
hatte Pia das Gefühl, als miiffe fie in der Glut des
x Zimmers erſticken! Sie konnte nicht {eblafen, —
warum Hd ſchon zu Bett legen? x |
Hinter ihrer Stirn hämmerte und Elopfte 6, í fie
: — langſam die Hinde verſchlungen und bas an
leicht zurückgel ehnt, in der Stube anf und ab. x
s Stem ne im Leben hatte fie eine aaie Unruhe A x 2 _
gequält wie heute, Mod) nie hatte fie die Begegnung,
mit einem Menfihen fo völlig aus allem Gleichgewicht
geriſſen, mie die mit Aſſeſſor Hellmuth. Cin EN
liches Fühlen und Empfinden jtürmte auf fie ein. |
Himmelhoch jauch end! — zu Tode betrübt.
Der Gedanke an ihn verließ fie nicht.
Es Hätte ihr fo gleichgültig fein jollen, ob der Fremde -
mit ihnen foupterte oder nicht, — und dennoch ſchlug ihr
‚Herz wie bejeligt auf, als Fränzchen ihre neue Kömiginz
wiirde durch die originelle Tif icheinladung bejtatigte.
‚Und als ne an ſeiner — gay amb Franzchens
mm
übermütige Lame die fleine Tifchgefelfichaft anttectte, ſo
daß Scherzen, Lachen und Becherklang harmoniſch durch
die Lenzesluft tönte, da fanden ſich die Blide immer
häufiger und fprachen unbewußt aus, was bie Pippen woor
= nie gewagt Hatten, zu befennen!
Und Bias Herz erzitterte, — die Glidsichauer pon
Liebe und Sehnſucht wehten darüber hin, und was ſeit
Sabrent Den reichen, eleganten und vornehmen Savalieren
bes high life nicht geglüctt war, Diefes Herz t durch langes,
dringendes Werben zu gewinnnen, das war einem fremden
Wanders mann in wenig Stunden gegluckt Iſt Das leb-
Dal te Sntereff = welches fie an ihm nuüunmt, wirklich mehr Ç
wie freumbdjchaftliche Sympathie? Das junge. Mädchen
proßt die Hände gegen die Schläfen, und ihr Blid irrt wie
in angitvolter Hilfloſigkeit zu der filbernen. Mond scheibe:
empor, welche ihr träumerijches Licht durch das Fenſter
gieht. — Cie weiß es nicht, — ihr flares Urteil ijt getrübt,
— wie rofige Schleier nel es vor den e wenn fie
an ihn denft.— |
Und dennoch, wäre es nich Shorheit, «i Babnfinn?
Wie oft hat fie ſpottiſch die Lippen gekrauſelt wenn ſie in uss
Nomanen las, wie ſchnell die Liebe und Leidenschaft Macht
über Menichenherzen gewinnt. Es ſchien ihr unfaplich,
und fie lächelte Darüber und war überzeugt, daß wohl nur
frauthafte und überſpannte Phantafie folh ein „Prima
2 os -Mieben” fich ausdenfen nus; x
Und nun? — x
Bice eite Rtranthelt it es übe IR Po Benn fie
| fid ae "Born gefält er hte to utp”, wat fie feine:
Antwort, feine andere als jenen unbejtimmten Begriff: 2
„Beil er mir galten muß! Sit er fo fehin2” —
Cie findet: mehr noch ‚ie Adon! — ein Antik ijt |
geiſtvoll, energij ich, stolz, vornehm, und Dabei drückt es |
doch jo viel. warmihersiges und edles Poe aus, wie =
fein anderes je zuvor. —_
Sein Blick fejfelt fie, — es ia. eine e Mut bari,
we (che fie ſich nicht ertlären famn. Sees
Aber fie entfinnt Hd, dah einft eine ein ° Dante R
im Salon ihrer Verwandten ſehr interefjant iiber —
geheimnisvolle Macht des Auges geſprochen hat.
Blick it der Träger eines Geiſtesfunkens, welcher — |
zündet, wo er verwandte Geelen trifft. Man entdeckt ja
neuerdings fo viel wunderbare Naturkräſte man photos
raphlert ſogar die Hande und ihre elettrijchen. Muse
ſtrahlungen und zeigt, wie Saf und Liebe w an den⸗
— bildlich darſtellen laſſen — o
Und fold cin geheimnisvoller gffhenber Strom noeh
von — Muge und von feiner Hand ans, und fegt
rettungslos ihr ganze E Weſen und Sein in Flammen!
= Und dies jolt ja die wahre und echte Liebe yen.
Dieter ‘Sturn! wur der Leldenſchaft, welcher jicht und
feat! |
Miles andere iit mir — an a gewöhnen“,
ein allınähliches Abſlampfen wid Reſigmeren, welches den
Widerſtand lähmt und die Vernunft über das Herz ſiegen
Lape. Dieſes taue Gefühl der Sun), ge a
— 374 —
längerem Verkehr eutipcingi, ‘hat nie das Herz, fondern
nur der Berftand geboren, Man lernt die guten Eigen:
Ichaften, Den vortrefflichen Charakter, das engelhaft treue
und offenmütige Wejen eines Menjchen fennen, und wenn
man früher auc) noch jo falt und gleichmütig an ihm
vorüber ging, jo bewirkt Diejes „Kennenlernen doch alle
mählich ein Intereffe, welches fih- mehr und mehr er:
wärnt, bis eS in Der ruhigen, leidenjchaftslof en Über-
zeugung gipfelt: Dieſes Wejen gefällt dir doch recht gut
und paßt vortrefflid) für Dich, iprechen 1 wir. bas ent⸗
ſcheidende ee
Und das joll Liebe in |
Pia ſchuͤttel t ploglich erregt den n Aoi. Nein, Hanfenb-
seat nein! AU dieje vermeintlich Liebenden - — - lieben nicht! —
Cie fennen nicht diejen heiligen Eabbath im Herzen,
dieſe Weiheſtunde ſußer Herzensqual! Sie ahnen nicht,
was dies Hoffen — Wähnen, Bangen und Sauchzen, —
dieſes Sinnen und Traͤumen mit offenen Augen beſagen
will! Sie haben nie vor ihrem eigenen Empfinden mie
vor einem ſüßen Nätjel geitanden, fie haben nie Die
zauberiſche Gemalt empfunden, welche ſtärker ijt als eRe
Wille, welche befiegt und zum willentojen Sflaven macht
und doc das ganze Sein mit jubelnden, beraufchenden IS
Wonnen erfüllt! — OU
Pia fühlt, wie ibe Thränen über die Wangen rimen. : —< —
Thrinen! Weint fie deun? Nein, ‚ihre Lipper lächeln ja
doch und ihre Seele atmet t Glitdfeligteit! — Ste jou
gern ruhig nachdenten, — fie fann eg Be wm š:
en
Gedanken freien. wie leuchtende Strahlen um eine
Gonne.
Darf fie ihn FR lieben? —
„Und ob id) dich liebe — was geht’ did) an?! — —
Wer will der Liebe wehren? Sie {pottet jedes Verbotes.
Und er? — Begehrt er ihrer? —
Sa, fein. Auge ruft fie mit jedem Blick! Sein Auge —.
wirbt heiß und flehentlid) um Liebe, — mit jedem Blid.
Und fie hört und verjteht diejen Schrei der ie
darf jie i folgen? —
Muß fie fliehen, foliage e8 noch. Beit ijt?
Pia ſchließt die Augen und bleibt hochatmend teen.
Warum bor dem Gluͤck fliehen? Sie fieht ja, wie e3 in
blendender Schöne ihr entgegen leuchtet, wie eine Sonne, —
welche fich nach dunfler Nacht am Himmel hebt. —
Liebesfonne! Licht der Gnade und des |
Nein, fie flieht nicht vor ihm.
Sie breitet mig eden die Urme aus und harrt
ſeiner! |
Und wenn ae Shin daztvifchen ae wollen,
die Eltern? — Tante Johanna und Frangchen? Wenn
der Freier inen nicht reich genug und vornehm fcheint
für die ſchöne Erbin von — Ahnen? Wird Karl
Hellmuth ihren Eltern einen Schwiegerf ohm wie den
Majoratsherrn von Niedeck -erjegen ? — Bia preßt die
Lippen zufammen und hebt voll ftol yer, herber Entjchiofjen-
Heit das Haupt: „Sa, denn Sarl Hellmuth wird ihr Sind
glückl — pane —
— me —
orh .... eine Nachtigall hebt por dem Fenſter
drunten ihr füßes Liebeslied an! —
Wie oft hat Pia ſolchem Klang gelaujeht, tulis, peiten,
fühlen Herzens, verjtänduislos.
Heute fat und begreift fie den Jubel and cine, x
welcher Die kleine Bruft zu zerſprengen Droht. Qangjam
tritt fie an- das Fenſter |
Der Mond. taucht die ganze -g in Silberglanz x
amd: ruhig bur fließet der Nhein .
Sie atmet in tiefen, wonnigen Biigen bie friſche Nachts
fujt md blitt voll ſchwärmeriſcher Sehnſucht nach den
Bergen hinaus, wo feine, weiße Nebel wie wallender
= um Die Ruinen wehen .
Sie ahnt nicht, wie reizend thr mondbeichienenes
Antlitz, das lächelnde, tiebverklärte, ausfieht. Sie fieht
nicht, wie eine hohe dunkle Männergeſtalt jählings einen
Schritt aus dem Schatten vortritt, als wolle fie voll
leidenſchaftlichen Entzückens die Arme zu der Geliebten
heben. — |
Die jung leber! ben du'ten iwit —
und die Flußwellen rauchen leiſe träumeriſch gegen das
Ujer. —
UZ TERE
| ONIN
Sih SVE
N IN UN
YANG
RIR
ARAG
XVII.
est wird es Frühling! Der Himmel ift plan,
Die Wege find troden, bie Lüfte find Tau —
getzt fommt der Frühling! die Väglein im Wald
Zwitſchern und Ioden ihr Weibchen wohl bald!
Sebt wird es Frühling, die Baume flagen aus
Und ub bring’ meim' Schatzerl ew Weitchenftrauf.
Schwäbiſches Lied.
kyzabiwohl man auf dem Dampfichiff für den nädft-
52 folgenden Tag Regen prophezeit hatte, ftieg die
. Sonne dennoch voll jtrahlender Wracht Hinter
den Bergen empor, und der Rhein gligerte mit eiligen —
Weller dahin wie ein Strom geichmolzenen Goldes.
Pia ward durch bejonders lebhaftes Sprechen und
Mufen auf dem Korridor gewedt. Leiſes Lachen und
Slüftern folgte, und dann hörte fie die Stimme de3 Haus-
mädcheng, welche einem Reiſenden entichuldigend zuflüſterte:
„Das hat gewiß die kleine Amerikanerin gerian, Die macht ae
447%:
ja gern mal einen Scherz!” —
Ginen Scherz, welchen Frängchen in Scene — = =
“halter Pia fonnte fidh eines german Schredens nicht
eg
erwehren. Was hatte der fleine Unband wieder ver-
brodjen? Gie fah nad) der Uhr, e8 war nod) ziemlich
früh, nebenan in dem. Heinen Salon hörte fie Tante
Johannas Kammerfrau hantieren. ;
yp Drettel” — .
Die Thür ward ein wenig geöffnet und bie Alte
{haute vorfichtig herein. „Haben das gnädige Fräulein
gerufen?! a
„Ra, Dorette. Was ift fiir ein Lärm im Korridor, 5%
was hat Komlteſſe pecciert 2 a
Die Gefragte lachte ebenjo entgüct und mr :
wie die verblendeten Eltern.
pid, der alte Wi, gniidiges ‘Fraulein! Sie Hat |
nur die Stiefel und u vor ‚den Stumerihünen vers z
tant ee ss
Meine auh?” — N
pp SewiG , aber Die hatte fie a urn Tur bm
Herrn Aſſeſſor hingef teilt!“ x .
Fräulein von Nördlingen ward Duntelrot: „Ste paben —
fie. hoffentlich. wieder guriidgehott, ehe Der BR er⸗
machte? — Es
~ Die Alte httette lahend den Kopf. x
„So ein Jägersimanı ijt bei Beiten aus den Federn,
“gnadiges Fräulein, ich fam aber dazu, wie ev die Edjuh-
chen in dev Hand hielt und fie anftarıte wie ein Wunder, —
und fomite den Irrtum gleich aufklären! Was doch ein
junger Herr leicht begeiftert it! Du meme Zeit, wenn
ae an shee Geficht denfe! Gerade als wenn ein From-
— 380 —
mer eine Neliquie fieht und anbetend an die ae
ſinten möchte“
„Berzeihen, Herr Aſſeſſor, die — scb i —
Siltan! fage ich.”
Miß Lilian?” OE Ae Sr
„a, fie hat das wahre Kinderfüßchen!: nice ia —
ich ihm auſehe, daß er das ae un, <
„Aber, Dorette!” — |
ME Lilian!” wiederholt er nur lee und Halt die
Schuhchen m ber Hand und ftreichelt mit der anderen
Darüber hin, jo recht. behutfam und andächtig.
„Dürft ie wohl bitten?” fage ich höflich.
„Bleich, gleich”, jagte er Haftig und belommt einen
ganz roten Nopi, nil) behalte fie als Unterpjand, bis
ich die meinen Habe und dann ftelle ich fie jelber hm!”
fagt’s, ladt mich frend n an am mee ut s
abire zu!”
„Und: meine n — oe
Die nahin er mit, gnädiges Fréulein!” —
„Un Gotteswillen, ih Yb...
Die Alte machte eine beruhigende Handbewegung. |
„Sie ſtehen ſchon kängft | —— an i oen Blah, joll ich
fie hereind een = = x x
| A bitte, jogteih
o Aone eilte zur Thür, öffnete i neigte fich und.
ſtieß einat aut ber Überrafchung aus: J Das neue
ich aber galant lachte fie, die Schuh) en mit fpiġen
a Jino pai end und > Hergutvagend, „Darum dat er ſie
a ° —
in Haft behalten! — im. | „dat muß, id fagen, ein |
böflicher Herr!” — en
Sie hielt der jungen Dame die zierliche Fufbefteibung
entgegen, und eine Woge ſüßen Duftes ftrömte zu Pia
empor. 2
Die Schube waren bis zum Rand mit
Veilchen gefüllt. Requngslos, ohne ein Wort zu jagen,
‚hielt Fräulein von Nördlingen Die reigende Überrafchung
in der Hand. > wie liebenswürdig”, fliiiterte fie halb
erjtict. „Aber es ift mir bennod peinlich, liebe Dorette,
ich bitte Gie inftändigft, jagen Sie zu niemand, auch git
Stomtejje fein Bort es wirde mir febr fata
fein F | x
yrs YOO fiche i wohl, Dona Fräulein” mun
zelte Die Alte beruhigend. Weun em Herr mal fol
einen Frühlingsgruß ſchickt, das braucht ja nicht gleich
an die große Glocke gehängt zu werden. Mein, da feien
Sie nur ganz beruhigt. — Darf ich dem gnädigen 8 Fräu⸗
(ein bei der Toilette behilflich fein? Frau Gräfin haben
noch nicht gefchellt !”
„Danke, Dorette, es ift nod) fo friih .. . ich möchte
nod ein Viertelſtundchen wertet...
x „Či veriteht fi! Bitte, rufen Sie mich aber fpäter,
wem Das gnädige Fräulein Hilfe brauchen!”
Sie ging, wid Pia wartete voll Ungeduld, bis fich
die Thür hinter ihr geichloffen.
Und als fie allein war, drückte fie Augen und Lippen
auf die Beilchen und atmete fachelnd den ſüßen Duft!
Bon ihm! ...
Welch ein Träumen mit onan Augen, und weich —
ſüße rätſelhafte Scheu und Bangigfeit! Sie ſehnt ſich
nach einem Blick aus feinem Auge m as
bor dem Wiederjehen! |
Wenn fie ihm doch entfliehen könntet Was fol fie
fagen, wenn er ihr gegenüberfteht? Ihre unglüdjelige
Beanlagung, welche: es ihr ſeit jeher ſo ſchwer gemacht, x
ſich zu beherrſchen oder gar zu verſtellen! Wenn fie mur
nicht fo lebhaft erröten wollte! Wenn ihre Blide fie nicht
berraten möchten! Der Gedanke, daß er ihr Empfinden
und Fühlen durchſchauen fönnte, ijt unerträglih! Cie
würde vergehen vor Scham und Verlegenheit! Nein, fie
fann und darf ihn nicht wicher jehen, um alles nicht!
_ Vielleicht läßt es fich ermöglichen. — :
x Rem fie zum Niederwald- Dentmal fahren, müfjen —
fe fib. ja don ihm tramen. —
— Trennen! — wie weh ihr Das Herz bei diejem Ge:
— Banken thut, trenen! in wenig Stunden vielleicht jhon,
ohne Daf ihre Wege jemals wieder zuſammenführen! —
Wie die Veilchen fo betäubend duften, wie Re Die
Köpfchen gegen ihre heiße Wange neigen! |
‚Der Duft ift die Sprache der Blumen, — was tollen, :
Dieje ihr. jo dringlich und leidenfchaftlich zuflüſ tern ? Dat
: auch er fie vielleicht an bie Lippen gedrückt, che er fie
= aut irauten Gruß gefandt? — o
Ein über Schauer durchfliegt fie. |
Nun aah und per T He was bie — i IR“
— 393 —
jagen wollen. — Eie neigt das Haupt zurück amd Ichließt
Die Augen, fie ſchläft nicht und träumt dennoch) een >
unbeichreiblich Holden Traum. — Eine San m Me
aufjchrecken. —
< Drunten vor dem elier ertingt Bride inver
kennbares Organ.
„Aſſeſſor! Aftefforchen! — Sia Rudi noch eing,
Schlafen Sie etwa noch?“
Und dann flingt ein Fenſter „Ori Gud Gott,
Frau Königin!“ feherzt er. „Haben Sie [don Befehle
‚für mich?“ x s
„Und ob, ich langweile mich; wie die Marmotten
fchlafen fie noch bei uns! Allein darf ich nicht fort und
mit Sriedrich Durd) Rüdesheim zu bummeln, ift weih Gott
fein aufregende Vergnügen! Was thun Sie? Haben
Sie fih {chon rafiert? Haben Sie jhon gebreaffaftet?
Na, dann raug mit der wilden Kage! Kommen Sie runter,
wir bummeln gujammen!” Ein unterdrüdtes Lachen.
‚ber mein gnädiges Fräulein, fragen Sie bitte aber
Ihre Frau Mama!” —
„Anfinn! Glauben Sie, ‘bak. Mutter Sie für gefähr:.
lich Halt? Sie mit Ihren ſieben Kindern ? Frem, janfte
Negerraffe. — Mfo fos!” —
Wieder ein fonores Lachen. Wie wars wenn wir
uns ein wenig im Häschenwerfen“ übten? Hier bor den X
Fenſtern eignet fich der Fluß brillant dazu! as —
„Sh möchte Lieber mit Ihnen auf Die Brömfer
‚burg —
— — —
„Das geht nicht, Mig Francis - — wirllich nicht!”
‚Mein Goit, fo fommen Ste bod) mur, ich will ja
‘Das Entree berappen!~
Nun ichallte ein unaust sfchliches Gelächter durch den
frifchen Maienmorgen, und en gar übel — Pia
lachte mit. : -
| Gleichzeitig rührte iie heftig te Klingel und Dorette
a eilig ei.
„Dorette, bitte melden Sie mal dem Herrn Grafen, |
daß Komteſſe Fränzchen allein vor dem Haufe it, und
den Ujjeffor zu einem Spaziergang auffordert!”
Die Alte jal) gar nicht jo cntlebt aus, wie Pia ere
7 yvartete. -Gie lächelte nur gelajjen: „Das wäre ja nicht
fo: jeblimm! Der Affeffor ift ein feiner Herr, und alg
3 Amerikanerin ift es mit ber Komteſſe nicht ſo dintgftlich 14
— Aber fie eilte dennoch davon, Das Ereignis bet Den
; Hervichaften zu Tapportieren. „Unglaublich“, fchüttelte
Pia den Kopf: „Sch habe noch nie eine derartig harm—
loſe Erziehung einer jungen Dante — einer jungen Gräfin
gar! — erlebt; und fie fteht mit den Anſichten ihrer
Eltern in fo grellem Widerſpruch Tante Johanna, die
vornehfte, weiblichite und decenteſte Frau, welche man
ſich denken fann, Ontel Willibald, der Stvengdenfende, x
“Ht allen anderen Dingen jo peinlich torrefte Ariſtokrat,
welchen alles Unpafjende ein Greul ijt, — - und ve
= a > — rät hajt! A — a
3 : — *
Nv EfGhruth, 30 Nom u Now
„Ser MaloratSherr IT.
nn EEE
— 386 —
Die Equipage ftand bereit, welche Mir. Luxor in die
Niederwal (osfahrt beſtellt Hatte. =
-Dorette und Friedrich bejorgten bag Gepäck —
ad Aßmannshanſen und Hatten Befehl erhalten, Dic
Herrjhajt gegen Abend am sul a bes. — Duell:
bades zu erwarten. — —
Pia ſtand an ante Sehens i Seite en bem
Wagen und erwartete deu Ontel, Framchen md Helle
muth, welche langſam von dem Flußnf er pergu wandelten
a jah einen Schein bleicher aus °, lb iG ſonſt |
— D Trennung von dem jungen Forftnamm, welche |
or zuvor wie eine Erlöfung erichienen, ſtand pli! t wie
ein Gelpentt vor ihrer | € Seele. a
Scheiden! INS
Wer weiß, ob er ihnen folgt ob fe fi — einmal:
sufammenfinden! nee s
Fränzchens Laumen und Einfälle find unberechenbar, —
fie wiinjeht gleich Tante Johanna längere Zeit in (imas: °
hauſen und | jeter idealen Kuranitalt Aufenthalt zu nehmen, nn
: während Der Aſſeſſor von jeinem nappar Urlaub abhängt, = `.
aud genötigtift, Die Reiſe nach Möglichkeit zu beſchlennigen
viellecht wandert er nur in flüchtigem Schauen durch |
—— hindurch und dum find ihre Wege gee
trennt für immerdar. — Man jagt, Die Männer erachten
oft nur al fleine Epifode, was bei einem Mädchen das ı
Lebensichidjal bedeutet und wie oft hört man nicht von
der Ungebundenheit und Lerchtlebigtcit, welche ben meite i
gerrei anf der nee eigen, i en |
ae 887 —
Man ſchließt flüchtig Befanutichaften und Freund:
schaften, um fie ebenjo üc tig, fa soy ee Q
vergeffen! oe .
Pias Herz thut weh bet dieſem Gedanten
Qachend und ſcherzend nahen die drei.
Sränzchen ftrahlt vor Vergnügen. SE
Wo haben Cie dem Ihr Gepäd, amico? fragt |
fie quit, als fie fic) auf Hörweite genäbert. =
es steht fir und fertig in meinem Simmer wid
wandert Heute nadmittag per € chiff ee = mir mad)
=
Ma, Sie fonmen doch mit ung au] Ù ben N icderwald =
À fragt die Kleine überraicht. x as
Bae a holfe Ste. Droben v0 gran, wam i) x
© mit dem š Aug tomme!” ers = e
| er dem Zug wollen Sie au Sie ss all,
3 verſtehe fie nicht recht, Se = ©
„Allerdings, Miß Francis, — mit der Bergbahn
pa und wieder hierher zurüc, Das ift die einzige Mög:
lichkeit, Ihnen rechtzeitig nach A Gmannshanſen zu folgen |
— ind: trogdem nod) das Denlmal ſehen zu können“
ght, jo Qu Unfug!” erboft ſich Das Rating
Wozʒu haben wir dem einen Ragen 7” :
Hellmuth lacht. „Der T Sagen weit uur Dict lige
au . . kleine Königin soe i
Co? — Und mein Pi — Ber Qutfejerhod
Ta alles in der Welt — mein gnädiges Fräulein! ee
| Gon erjehrorden ijt der Al ieflor aurhefgeiwichen. Fränz
=- — =: Bit HG
=
chen faßt ihn ungemert am Uem und zieht ihn pan x
phierend zu dem Wagen heran. — =
Mama, jog's ihm mal, befiehl's ihm anal, er wifi |
nicht mit, und ohne ihn ek ich auch nicht; oder ich
ill auch mit ihm per Bahn nad) dem Denkmal r
abends mit Dent Schiff nach Aßmannshaͤuſen! Er
mein Frend, ich fiebe ihn geradezu, und ich site ae =
ber ganzen Meije feinen Spaß mehr, wenn er nicht von
A bis 8 bei uns bleibt, da ijt doch noch Pi — im — en
den muß er nehmen! — x
„Gemi, befter Herr Affejjor!” läd elte die an xÇ
m ihrer. gewinnend liebens wurdigen Weiſe -p me
Ihnen gejtehen, daß ich wich felber fehr freuen würde,
it Ihrer Begleitung die Fahrt zu machen! Fränzchens
ganze Laune würde ummieberbringlich dahin jean, wenn
i ihren neuerworbenen Freund ſcheiden ſehen müßte“
| WVerſteht hd, Sie jahren mit uns!“ ſchnitt Papa —
Willibald dem jungen Forſimann jede Enviderin, go
Friedrich beſorgt Ihr Gepoͤck mit dem unjeren an 2
und Stelle, und unſer Mildfang ‚hier verhilft: uns. allen =
zu einer jehr vergnügten Fahrt! Das Schidjal hat Sie
nun einmal zu unſerem Reiſegefährten gemacht. und ich oe ie
| finde, cs bat. fel ten eni E ſchlanes und
Spiel getrieben! Aljo bitte! — Friedrih! — Halen š
das Gepäd ded Herrn Aſſeſſors ab und bringen € Sie 2
mit nad) Aßmaͤnnshauſen!“ —
Hellmuths aufleuchtender Blick hatte Pia getroffen,
‘Fine Gliti — ira He P s. . dann ie
gar 950 —
neigte fich der Aſſeſſor mit verbindlichſten Worten über
die Hand der Gräfin, fie voll dankbarer Verehrung an
die Lippen zu ziehen. Ein furze Hin unb Her. ‚Bränze
chen. ftand Stolz und fiegesbewußt und flimperte mit der
Hand in der Rocktaſche, woſelbſt eine Anſammlung
blanker Rheinlieſel anf Vorrat lagerte und Hd) durch
einen unfdrnigen mm an Dem sil eidevrod et
lich machte, |
Dann eilte Hellmuth. mit gredi i in 1 dag Hotel zurück, z
feine A Ingelegenheiten por dieſer beichleunigten Abreife A
regeln, Pias lachelndes Antlig fchien in Rojenglut qe
taucht. Sie trat neben die Goufine, legte den Yrm in
eier Aufwaltung dantbarft er und zärtlichjter Empfindung x
um Die ungeſchickte, bide Taille des Backfiſchchens und
-Jah ihr mit Stra! enden Blick m die A (igen. Welch cin
x herrlicher Weorgen, Sränzeheu! Wir werden eine mver
geßliche Fahri haben!“ jagte | fie Teije. | Ñ
Komtepchen war beinahe. verblüfft über Diefe peiin |
Zärtlichkeit der fonft fo fühlen jungen Dame. Cie lachte,
Dah die weißen Zähne blintten, fafte mit beiden Händen SR
jählings Das Köpfchen ber — und tüpte fie
ſtürmiſch ab.
Aachen“, ‘fliijterte fie, „Dich ai den Aſſeſſor, A
beide liebe ich, aber dich pod) am allermeſſten
Fräulein von Nördlingen drohte ihr ſchelmiſch mit
dent Finger. „Na, nal e3 tjt ein Segen, Daf Herr Helle : .
mut verheiratet ijt, ſonſt erlebten wir noch, eine Ver- >
lobung ant N bein! en we |
— a ==
x s ftarrte ‚fie einen Angenbfict überrajcht an,
= damt Drüdte fie beide Fäufte vor den Mund amd prujtete
in unbändigem Gelächter fos,
— Mit voller Wucht warf ſie ſich an die Bruſt der
Heinen gebrechlid yeu Mama, welche Dielen Anprall faum
Kanbala tome, = a
Mutterchen! Muttelinchen! ich ſoll mich mit dem
Aſſeſſor verloben, fagt fie!” Hang es a johlend vor. |
Übermut von ihren Lippert. | oo
e Gräfin ward wieder ein flein wenig — egen nnb
wehrte dem Töchter! ein chergild) ab. „Rift du dem | gaug
von Sinnen, teiner Unband!“ Schalt fie. u Allerdings
ijt ja der Gedante, bay bu Did) verloben Teien, ein
ungeheuer komiſcher“ —
ranſchen ſchnellt zurück. Sha⸗ ae fie beinahe
| gekränkt. Ich verlobe mich jobal id, jobald, o, dit jollit
N feheu, wann und mit went ich mich berlobel⸗ —
wiſchen Pias Brauen ſenkte fich eine feine Linie.
“ott t dir Herr Hellmuth. nicht vornehm genug, daß Du
jo über eine Verlobung mit ihm Ipotteit 2“
Fraͤnzchens große Augen biickten fie beinahe verftänd:
nislos an. „Nicht vornehm genug — mir? — Ich finde
ihn sum Auffreſſen nett, und jedes Mädchen fönnte fich
au jo citen Man nur gratulieren, wenn er man bloß
noch) zu haben RE, — mee, fiipe Lilian, auf alles andere
pelf ich "was! Wenn die ſechzehn Ahnen ſich glücklich cre
veiſe dazu finden, na, dann habe ich auch, nichts: vage, gen, =
3 HD das un jic, purra, das tjun ferre | .
porangista, laß Bia log! Du foliit fie nicht immer
mit deinen Biirtlichfeiten bel läftigen!“ ſchalt Tante Johanna
nervös und unterbrach ` i eine erneute Hohe
Liebkoſung | er
Fränzchen trat mit jeltiamem Giheln adean zurück
Weil wir nin gerade beim Heiraten find, ‚möchte wh ſie
nun noch etwas fragen!’
„Ihorbeit! Deine Fragen find — tiubijg
„Ra bon — fragen wir alfo kindiſch ae muğ
dein Pian mal jer hübſch fein?” x |
Die Gefragte lächelte, ihr Blick jeGyoeifte wie in
träumertichen Gedanken weit hin über den in oer Sonne
funkelnden Fluß. oS ae
= „Schönheit tt Geſchmachſache er. muß nur mit ge
fallen, ob er anderen gefällt, ift mir gleich gültig.”
Fränzchen nite trinmphierend. „Muß er reich fein?”
„Namen und Vermögen find mir gleichgültig.“
„Darf er ein paar Sabre jünger fein wie Due 2
Eie blickte die Sprecherin überrafcht an, jählings
{chop ihr der Gedanke durch Den Kopf: Wie alt mag
Karl Hellmuth fein? Zöoßernd, etwas unſicher, zuckte ſe
bie Achjeln. Auch das dürfte wahrer Liebe gleichgültig
fen, é Wb heutzutage jo ojt der Fall, daß die
Männer Frauen heimführen, welche an Jahren älter find,
im high life ijt es bentahe M odeſache ` und ich
glanbe =
Cin lauter Juchzer lich ſie beinahe erſchrocken vers
ftummen. Mit einer umverjtändlichen, triumphterenden
Gefte gegen die Mama ee ‘Brigden on breit:
randigen Strohhut - in bie Luft und begleitete dieſes Maz x x
uöver mit befagtem Jubeljchrei, welcher Sicherlich am
anderen N heinufer den Leuten no in den Ohren. gellte.
„Rind — um Himmel swillen!⸗ wehrte Tante Ree
Haina, iu gleichen Moment erſchien der fröhlich lachende
Papa nebſt dem Affeffor in der Thür des Hotels.
„Schreihals, wir tommen ja fon! wintte Der Graf
und beide nä herten ſich im Sturmſchrut Abermals ente
brannte cin furser Stamp der Groğmut, wer auf den
x Sut} herbod figen folle. Der junge Forſtmann weigerte |
-fidh energiſch, den lab im Wagen einzunehmen, dieweil
eme Junge Dame futjchieren jolle. Fränzchen aber ichwang
fih mie. ‘Der geſchicktefte Turner gelafjen auf den Bod,
nahm die Peitfche zur Hand und pps fie drohend. Ein⸗
ſteigen, Majeität bejchlen!"
Kommen Ste mir ‚Berehriei iter”, Half i der Graf energifch
nad, ne ſitzt mit ganz beſonderer Vorliebe immer da
oben! Reiten und Fahren fud auch Bajfionen, welchen
fie ſeit Kindesbeinen Bogt TER
„Bügel her!” fommandierte das Laden, vach =
Dev Kutſcher wehrte erſchrocken —
Hier in den Bergen, Frauleinchen⸗ Um Sarteswillen —
nicht! — x
Bate Gel äter.
Mit den Hunkepunken, welche Cie eingeſpannt
haben, fahre id) im Galopp auf den Blodsberg!” höhnte
ER imb Mr. ee en den Rune auf bie
Schulter: ,,Lafjen Sie das Fraulein fahren, fie ift febr
ficher und geſchickt, ich gebe Ihnen ein Trinfgeld extra!"
Los dafür!“ Fränzchen piekte den ſehr devot dienern⸗
den O Oberkellner flugs noch mit der Peitſche in den Nacken,
daß er im Schreien vollends vornüber flog, ructte —
die Bügel, [, und. heidi ging die Fahrt. |
Bla jah reizender aus wie je. — |
Der Hug fübler Sfeichgii tigfeit, welch er ion ihr.
Antlik beherrichte. HND höchſtens von einem formellen,
fiebenswiirdigen Lächeln Für turze Minuten verdrängt
en war einer ftrahlenden Heiterkeit gewichen
Der DB dd Der blauen Mugen war weich und jeclenvoll
mb die W Wangen ſchimmerten unter dem weißen
jdi cicr wie roſig überhauchter Marmor.
S Dabei war fie lebhaft und jegr heiter, eine Stimmung,
welche Ontel Willibald bejonders in feiner Umgebung
liebte, und weiche er Durch eigene vortreffliche Laune aus
beſte unterſtützte Die Unterhaltung war allgemein, bie —
und da außerordentlich animiert durd) Fränzchens haftige
Einwürfe und Benrer finger. :
Bum Entjeben des biederen Roffetenters jag die junge
Dame meift halb zurückgewandt auf dem Bock, um nichts
von Dem Gelprich im Magen gu verlieren, dennoch res
gierten ihre Fäuſte Die Pierde neijterlich, und ſelbſt an
ſchwierigſten ‘Regiellen bedurfte es feiner eingreifenden :
Dite mht — eee
Ms er das erſte Dal bei einer jeGroungoollen Körper :
wendung der ‚Heinen Miß Aa BR exjchrorten nach —
— 305 —
den Zügel greifen wollte, Fihfte er jühfingsel einen Peitehen
tlapps auf der Hand: Pſfoten weg! Glaͤnben Sie etwa, ih
lade zum eritenmal an Le cinem Kapenbucel von einen
Berg fpagieren 2” = x ee |
Der Itolze NhHeinländer iibi — fich im 1 erjten Moment
ein wenig verleßt, aber er gedachte des berſprochenen
Arintgeldes der feinen Herrichaft, nud im nächſten Moment
war das fleme Fraulein auc) wieder fo kameradſchaftl tlid
Vertraut und imig mit me aa Sugrining! r Bruit
ichmellte. | = =
Welch. eine föltliche F Fal itt t burd den tan il, fone:
bene Morgen! —
se höher man tam, deſto maleri — breitete fich ae |
Rheinebene unten aus, belebt dur den majejtätijchen
Fluß! Seine wechſelvollen Uferſtadte und Dorſchen lagen Ñ
maleriſch in das erſte Grin des Lemes Hingejduticat, —
über die Bergfetten wehte ein maragdener Schleier und -
Schlöſſer und Ruuen trunten oT wie berkörper! t
maq ie Pocfie! —
Dann raufchte der Wald zu oa Seiten des s eges x
und fpanute feinen Zauber um Herz uud Sie. 2
AL die taufend Holden, jubelnden Frühl ingajtinmen, 2
all der geheimnisvolle T `ujt verborgen blühender Blumen,
all das Flüſtern Jaunen und Saͤuſeln ſchmolz zuſam men
zu ywounevoller Harmonic, zu einen Waldiwebeu, wie Ss
jhon Jung Siegfrieds Derg mit nu SM DENE. |
Luſt er füllt —
— der ne nes Dentmals J man
Der Graf führte hin Semahtin langſam voraus und
. — chen Hing ſich als zaͤrtliche Klette wieder an Bias =
Arm und fejjelte — Freund Hellmuth boll. prude Inder
Laie an ihre andere Seite. |
2 Sie trig allein die Soften. ber Unterhaltung: ai bez
merkte eà in ihrer Lebha . gar nicht, wie O
He Nachbar waren.
Wenn die beiden jungen Leute auch fein Wort fanden
— finden durften, am ihre ibervollen ‚Herzen angu-
fchüitten, fo Sprachen die Ser gen um. jo berebdter, wenn fid
derftohlen, voll Heimlicher Scheu die Blide trafen.
Komteßchen mufterte mit blitzenden Augen die wunder⸗ s
volle Del denhaf te Geſtalt der Germania |
da, das fanr mich. ewig ärgern, Dak ich anno ie |
sig nicht mit erlebt habe!” plauderte fie, ihren Hut mit
tühnem Stoß in den Naden ſchiebend, MWeun Mau ba
hätte mitfänpfen können; alle Donner. ja): m das
2 eijerne Streng. ware ich nicht: heimgefonmen, das
nächlte Mal, weni es wieder losgeht, gehe ich, ni Ho
Der Aſſeſſor fah die fleine Renommiſtin amüfiert an:
Als barmherzige € — oder mit dem Marteteuber- 7
wagen? `
- Ein entrüjteter Blid fir ate zu ihm. auf. Rate a n
muing! Piui Deiwel, das fehlte mix gerade, nein, fejte
mit in Die Reihen will ich!! Papa hat es auch of a
x erlaubt, daß ich bei den. Hufaren . . Ç
Kantmenjuſte werde!” Ipottete Die Stimme bo <<
Sam N Die Eltern ol ieben t fichen und ao
beinahe gorniger bod ber Mama traf das wilde Yd.
terihen. - BERN EAN
ie, Det efor, maden Cie e Dem emanzi⸗ 1
pierten Fräulein doc) einmal tlar, mie widern aͤrtig es it,
wenn junge Mädchen in ihrer Sportpajjion fein Map
-und Riel wijien! Die Beiten einer Prohaska. find. vor
über, heutzutage werden die Madden, trot größter Be
geijterung, nicht mehr in die Ragen der en I
geſtellt!“
Out, dann gehe ich mit der Imbulance t”. grolfte
Fränzchen, ‘jaf Duntelrot aus und machte, kurz auf í den
Hacken fehrt, um. Nic) Die Aussicht von der anderen Seite
zul :
Ein alter Suvalide trat nút hör Gen Gru näher, u
and. Graf Willibald redete ihn jovial an, ſich dieſe und
jene Auskunft von dem biederen Veteran zu erbitten.
Pia und Karl Hellmuth fchritten mechaniſch weiter,
und als fie das blühende, fonnige, wonnige Rheinland
zu ihren Fügen ſchauten, ftanden fie ſtill und genoſſen
a a Die Schönheit Diejer Stunde.
SEPEN | „Bie ſchon bijt Dir, mein I Vaterland!
Wie jön bijt on zu idianeit!
Es glänzt des luis S Sitberband.
Durch fniihtings guine Ware
Tähed jab P fie an. an üchten Ste e3 fingen?“ — Va
Sie jehiittelte das & öpfchen und verjudte au ferzen.
„Der Aublick diefer jchönen Gotteswelt it ‚herrlich und
würde wohl ae andere ſühlende Seele a einem Lied
> 38 ane a
Degeiftern, ich kerfiodte Einberin tiai aber noch mehr —
des himmelhoch Sauchjenden, um mein Sale hinaus 7
au fingen.” +
„Wie gern möchte ic ein oe ic von Ihnen |
hören!” Cem Blick traf auflenchtend den š N —
welchen fie an der. Bruft tring, und fie erröfete,
Wurden Cie auch mit in den Krieg ziehen, wie ie Ihr:
Fräulein Coufine?” fragte er unvermittelt.
„ein, id) würde überhaupt name thun, mas einem
weiblichen Weſen nicht zufommt“
So hat die Frauenbewegung nicht auf Sire Unter-
napung zu rechnen.
en Ich fehe an Framchen aur Genii ac, ‘wie biie
dich es it, waur ein Mädchen den Maney | in Pa Dand-
weti fuſcht! x
„Und dod) hat es feit (aier Zeit feinen \o jen —
lichen Engel gegeben, wie Miß Francis.” —
-Ria lachte, „Ein Engel auf Dem Ruticherbod! 24 |
‚sa, gerade da! ein rettender Engel! Ohne ihr
energiſches Eingreifen in men Schickſal würde id den |
heutigen Tag OE > olidlig — bie Í es
thue!” |
„Sie haben reihe, ad DIE —— tami ro
Gutes haben, ich will fie nicht mehr jebelten. — es
„Ohne darum ihre Anhängerin zu werden? Sie
würden ja nn tein Sid als atin bate x Mij
Lilia”. |
Bereich. Eie, x — id) etwas teiten wirde?”
— 399 —
D4 ja, , liften würden Sie viel, ob aber rahe das
| — tige?”
„Ss verſtehe Sie nicht 2”
Da jab ev fie wieder mit einem unansfprecjlichen
Blick an und atinete tici anf. „Zie machen Die Misia
frant, Dip Lilian, — aber nicht gend!“ |
Sie ſchwieg überraicht, ihre großen Augen I
ohne zu veritehen, in Die feinten. D
Er lächelte und jagte Leije: „Herzfrauf, Miß Lilian! 1 —
Man fritt zu dem Wagen zurück is
Sränzchen hatte, zuvor voͤll Neugierde die Herabahu, _
welche mjt eme prop! iche Studententehar zum Denkmal
befürderte, befichtiat, aD mochte das Außergewöhnliche
ihrer: Erfcheinung wohl Das Intereſſe der jungen Herren
erwedt Haben. Sie schienen. den Frühſchoppen bereits
hinter fih zu haben, haften fich in tangon an unter |
und foigten dem jungen ` Mädchen. |
Fränzchen fotettierte erfichtlich. und ‘chien id über
die Maffe der Kußhandchen au freuen, die man ihr zus
warf. Sie trat zu ihrem Vater und jp ihn fröhlich
an. „Sich doch, fieh Doch, rie id) ihnen gefalle, fie
verlieben ſich ſämtlich im nuch! flüſterte fie mit fuel
den Auglein Der Graj ward unbegreiflicherweite ict
böje, joudern lachte,
Anden nahten Pia ui ber Aſſeſſor, ihr Aub (id fehien bie: -
Studenten zu überrajchen, — fie hoben galant die Spagier-
ſtöcke und falutierten. der Cc Schönheit des jungen Mädchens —
um d dan mo M86184 eine — Bapitimme an zu fingen:
Sebt wird e3 Frühling, die Bäume fehlagen aus, —
Und ich bring’ meim Schagerl ein’ Veilchenſtraut x
Pia ward duntelrot, fie. fab auf den Veilchentrauß
an ihrer. Rruft nieder und fühl te Hellmuths Blid auf.
fid mhen, als er leije, wie für. fich wiederholte: usa! _
jeßt wird es Srlihting , die Bäume flagen aus, uud |
i ae meint u ein’ ` ie
XIX.
Ich jdritt am Deiner Seite im ftillen Bumenbain,
Sin ftovendes Deleite liek nimmer uns allein!
Und mußten mir suri d auch ins Geri bie Worte preffen, -
Dod: lagen. urtfece ron daß wir und nit vergeflen. :
IR x cds Tage waren vergangen, fett Mr. Luror nebit
Familie und Dienerſchaft im der Nuranjtatt von
Aßmannshauſen Wohnung genommen. Nicht die
hei (kräftigen Lithionquellen lockten ihn zu längerem Aufent—
Halt, — die wunderbar ſchöne Lage des kleinen
Bades, welches alle Reize und poefienolle Armut Des
beim in ſich vereinigt.
Mit den amerifanifchen Serrichaften ; zug (ich, war ein
guter Freund derjelben, Aſſeſſor Hellmuth, in dem Kur-
hauje eingefehrt, und wer den jungen Herrn beobachtete
und Hd ein wenig Menſchenkenntnis angeeignet hatte, der
mertte gar bald, daß diefer weder dem Lithion, noch Der X
herrlichen Ausſicht zu Liebe Saft in Aßmannshauſen ge-
worden war, ee
‚Der junge Fori unan halte ein a in der
Dependance Villa des Kurhaufes bezogen, in welchem
auch Mr. Luror nebit den Seinen Wohnung genonunen.
Ro. Cfditruth, 3. Rom. u. Nov, Ter Majoratsherr. I. 26
Goll Entzücden hatte Bia An Heims Turmgimmer a
entDde dt, welches einen zanberhaften. Rundblick auf den a
N bein, Berge und Burgen gewährte und ganz. begeiftert
von dem Gedanten, als modernes Nütterfräulein hier zu
haufen, hatte fie um die Erlaubnis ve ee Pou
tiibehen bewohnen sen. — x
Tante Johanna nidte lächelnd; auf — Bricht te ay
309 Dorette das. fleine Borzimmer. Ve
Cine unbe} ſchreiblich reizende Set begann. NEE
x Dbwoht fic) bie Heine „amerifanijche x a
von. ‚jedem Verkehr mit ben andern Kurgäſten ering
and. auch bie Mahlzeiten alleın ſerviert befam — nur
der Aſſeſſor war auf Franzcheus J—— Ver⸗
langen zu denſelben hinzugezogen worden — verliefen
doch die Tage ſo pa — und amùjant wie nur
mög lich —
Man unternahm x vor. allen — bie meud š
Deoa, bejuchte bie wn! liegenden Burgen und durd
treifte die intereffante ‘Unigegend nath al (len Nichtungen.
Flammende Purpurſtreifen malten den Himmel und verz —
goldeten die Zinnen von N heinſtein
Schon zum zweitenmale ſtattete die kleine Gefell a in
dem malerischen Schloßchen einen Befuch ab, und Fränz
chen hatte mit dem Burgwart! bereits innige Freund- `
ſchaft geſchloſſen, we (che ſchließ lich zu dem Reſultat führte, =
daß der Getreue zu einem ftaubigen Horn griff, es eifrig Ze
blant rieb und dem kleinen Sränlein zu Liebe die {eh jen ;
Pas vom | Turm 1 Herabblies,
= 208 = Ss
Fränzchen war Begeiftect , eon Der x :
Künſtler verficherte: „Winters über bleibe die Trompete
am Nagel hängen , und da fame er doch jehr aus der
Übung Wem er erſt eine Zeitlang wieder zur Probe
geblaſen, dann wolle er wohl ‚on etwas Beſſeres
leiſten 1“ u a
Fränzchen fand e3 Sußerft ber[adenb, Dies Inſtrument,
i ihr nächſt dem Leierkaſten am ſchönſten deuchte,
auch zit erlernen, ein Borjag, ar C
‘Hervorrief. |
„Eine junge Pifton - Birtuofin wäre aflerbinga etwas
Eigenartiges!“ lachte der Aſſeſſor „Aud ift der Zweig
dieſer Künſt von den eitlen jungen Damen nicht allzu oft
gepflegt worden. Da Sie aber gar nicht willen, was Eitel-
keit ift, und die Poj aunenwänglein Ihnen in der That auch
jehr gut ſtehen, dürfen wir von Š huen große Sangat erz
warten, Mih. Francis! Pe
Die Kleine feste. att aller Antwort die ` mt
ben Wund und blies den Spotter fo gewaltig und jo Haar-
ſträubend an, dal alle Hände En nach den ee
griffen.
„Hat Margareta ihe aud) auf der Trompete ge:
blaſen ?“ fragte fie aladann triumphierend, —
Serif! Genau mit Shrem Talent, o Ranigit, welches,
Stein erweichend, Menſch en raſend machen fanı!!? —
„Weil fie nod) feinen regelrechten Unterricht gehabt
hatte! — Lacherlich bei dem Trompeter von Caffinger
finden alle Menfchen das Tuten himmliſch, großartig, —
— 404 —
poetifch! — Margareta ift fogar fo albern, fich dejfenthalb
in ihu zu verlieben, und wenn fie jelber mufitalisch werden
will, behaupten die Zuhörer plöglich, jie bekämen Leibweh
Davon, — und eS war Dod) eit unb dielelbe Trompete!! Da
hier, Aſſeſſor — pujten Sie mal , wollen doc) jehen, ob Sie
es gleich im Aushieb beſſer finnen wie ih!” — Eie hielt
ihm mit einer ihrer derben Bewegungen das Inſtrument
hin, — Hellmuth aber jchüttelte lächelnd den Kopf: „Wenn
ic) eS wagen wollte, würde man joyort in Sn Die x
Feuerglocken länteen? — —
„ir können ja erit den Machtwadterretm fingen, “bas.
nimmt Der mufitalifchen Lei Huna . das en
Allarmierende!“ ſpottete fie. .
Bon unten herauf tief. die Gräfin; e war t Bei, an
den Heimweg zu Denten. x
Franzchen warf bie Trompete auf die Bank und Hür mte
mit polternden Sprüngen Die Stufen hinab. =
a ſtand allein neben Karl Hellmuth. =
Die tebten Lichtjtrahlen flimmerten über ihr blonbes
Köpfen und der leichte Windhauch wehte die Amel
ihres weißen Stleides zurücd, daß cë ausjah, als ſeien der
ſchlanlen Mädchengeftalt Engelflügel gewachjen.
‘Wie trunfen vor Entzucken Hing jein Auge an ihrem
Muntlig, und mit jäher Bewegung nahm Pia Die Trom-
pete und reichte fie ihm ftumm mit bittendem Blick ent:
gegen. Gr griff jählings zu, aber nicht nad) den
blinfenden Metall, ſondern nach der fleinen weien Hand,
Wwe. we eS barbot. oh
— 405 —
Und che das junge Mädchen wußte, wie ihr. gefchah, 3
hatte er bile weiche Hand an die Lippen gezogen, um
| > mit heißen, leivenfchaftlichen Küffen zu bededen. =
| Alien, fommt Dod)! Wo bleibt ihr?!” — flang
= Frängens ungedu dige Stimme von unten Die Ge—
xruſene ibrat zuſamnten, glühende Röte flammte über ihre
Wangen. ‘Sie wollte haltig ihre Nechte befreien und da-
voneilen. Karl Hellmuth aber drückte He nur deſto heißer
an bie Lippen.
Und dann richtete er ñd) N auf mab i flüſterte
mit halb erſtickter Etimme: , Nicht jest — nicht KB
jpäter!” — | |
Pia hörte eS nur noch mie tm Haun mit auf .
zitterndem Herzen flog fie wie eine lichte ang an
ihn vorüber zur Treppe.
— — — — Echiweigend Dritten. ſie den Burgberg
hinab, unter {eis fluſterndem Waldes gezweig hinweg, in
welchem licbesiruntene Sun ur Padanie
tauſchten.
Die Daͤmmerung ſant jach teine Nebelfchleier
wehten ſchon über den Fluß, und lings der Bahngeleiſe
blitzten die erĵten Lich tl ein auf, Nachtkäfer jurrten fcbwer-
-fällig über den Weg und per Sano ait Pias Br ut
| duj tete fttirfor wie zuvor. |
Franzchen trug wieder allein Die Koften der Unter:
- Haltung, fie ging, wie ftets, Arın in Arm mit der Couſine
md plauderte über dieſe OES mut dem ae a =
Aſſeſſor x x
— =
Mir. Luror ige envas ogfant mit feiner Gez
mahlin | =
Das Trompetenblajen hat mir bis ict uo ni
gieh, jagte Komteßchen p Log lic), ganz gegen ihre Matur =
ein wig jchwärmerifch, und als fein vanun $ 29 gejragt
wurde, fuhr fle aud ohne Antwort eifrig fort: „Meiner
Anſicht nad) gehört das nämlich zum Nein, icon um
des Trompeters von Säftingen willen! — Den Echnöfer
kennt Doch jeder Menſch und läft ihn fidh auf die Nerven
gehen — na, du Í fieber Gott, mir ging eë aud fo! —
Die Margareta, cii Juber. Ral al Ich ante mir damals
alle SÍ luftrationcn, welche teh nur aufireiben founte, — umd
als ich Die Geſchichte zum ſechſtenmal da ſchluckfte
ich doch noch mit den Thränen, wenn ich an bie Trenz
mung. fam! — Gräßlich! Sch werde dod) lieber nicht die
Trompete blafen lernen, denn e8 hat immer den wehe
mutigen Beigeſchmack von! „Behiit dich Gott, es wär zu
ſchön gewefen, — n Soit, B Hat nor follen . |
fein — |
| Sellinath ahelte, Jein trabi [enber Blid A ce Bing
Auge. „Das begreife ich nicht!” antwortete er leije, „id
habe bei dem Gedanken an Scheffels herrliche Dichtung i
nie eine traurige Empfindung, denn ich weiß ja, daß
Margareta und Sung Werner doc; nach allem Leid
noch glück! ich wurden, und. ‚das Behüut did) Gott‘ perz
ſchmilzt fich in meinen Träumereien ftet3 mit dem himne -
aufjauchzenden Liebesjubel: Sung Werner Ht der glück
x jeligjte. Mami im rümijden Merely geworden, — Doch wer
thm fo ſolches Ot üd gethan, das fant er nicht mit Worten,
=: degt es nur in Thue em — wie wunderſchon iit
‚dach im Maien, — Feinslich, ich thue dich gritgen! * —
— D Sie fanen dieſes Duett auch, Miß Lilian?! —
Pia hatte unwilltürlich die Melodie [ei ije angehoben,
jetzt verſtummte fie er ſchrocken. =
„Bitte, finge laut, Lilian, ach, thu mir den Gejatlen U
und finge!“ bat Fräuschen in ihrer ftirmifchen. Weije
“amid der. Aſſe eſſor blieb unwilltürlich ſtehen und. ſchaute
wie in finmmer, heifer Bitte in ihr Auge —
-Bia fh an ibm vorüber, neigte das Ginicjen mit
‘finnendem: Lächeln zurück blicte empor gu Dem tief
blauen Himmel, an welchen bereits die M ondjichel wie
en einjames Schifflein auf endloſer hut. jchwanm und
wo die, erſten matten Sterne wie verſchlelerte Augen auf
fie nieder. blickten
Ro wicht — nei, jebt wicht! ſpäter!“ jagte fie terie,
und um feine Lippen huſchte ein. Lachetr, wie bet einen
Kind, welchem man baldige, glüchjelige Weihnacht verheit.
Schneller jchritten fie aus, und cs war gut, bab
Fengchen Juft emen Udar kleinen Dampfer qu |
dem Nhein ericheinen jah amd voll {ebhaften Intereſſes
konſtatterte; daß er auch M ujit an Bord habe.
Das nahm ihre 9Yuhnerti anıteit vollends in Anspruch
md Die Inftigen Weifen, welche inunter deutlicher durch
die Abenditille zu ihnen heruben ichallten, verſcheuch ten
schnell auch Den lebten Reſt einer Sentimentalität, we ſche x
ihrem gangen Velen fo durchaus zuvider war.
r ae —
ne ber Dampfer dicht an den felfigen Bergen vorz
Sale. jhien einem ber Fahrgaſte das Verlangen anz
zukommen, noch ent nenes Edo in Dicfer pes au
eutdecken Reo
JE itten in all De Ditert hinein frachte ein Sub. x
rana cH verzo ú den Mund zu breitem, ſchmunzelndem
Yachen: „Ein Schuß, Kinder, ich glaube, ba hat fich
einer gehängt!” rief fie übermütig und war felig, daß
das ſchweigſamne Baar neben thr bie Wis — bez
lachte. =
„Dieje Nenigfeit mi en Sie Shel Stern. —
Miß Francis!” fagte der Aſſeſſor dringlich. „Es war
wirllich ſehr ſpaßhaft, und Shr Herr Vater ladt jo gern!“
Aber jeie teine Lift, das jtörende Gelcite zu ce
- fernen, g fückte ihm leider nicht. —Ñ x
Pia preßte Den Arın der Coufine in jüher 9[unit feſt
an fidh, und. Frängchen, we (che dieſe unvermutete Innig⸗
felt entzuckte; drückte aus Leibestraften wieder, blickte der
angebeteten Gefagriin: zärtlicher wie je in die Augen und
jagte mit Stolz: „ne alte Nachtlapye! dazu ift auch nache
her noch Beit!” Ta a
— Wie fauft und weich der Kahn über die kräuſelnde
Flut glitt! Nahe an dem Ufer fpiegelte das Waſſer in
-feiner Ruhe und schaffte dem Fährmann feine Mühe;
-inmitten beg Stromes aber wogte es pfeilichnell dahin,
und der Affeffor griff fchweigend nach den beiden anderen
— Ate >> =
Nudern, un bie Sntrengung des €, vee zu oe —
ſtützen sx s
Der köſt liche Geiptingsabend — alle Ginter — :
dentlich geftimmt, mir Fränzchen war itbermittigiter Laune,
ſprihte ihrem Freund die Waſſertropfen ms Geſicht und
verficherte ihm: „So ohne Hut, mit den verwehten Haaren,
fche er wirklich zum Verlieben aus, und wenn er nicht
bereits jo ſtark verheiratet wäre, würde fie ihn auf der
Stelle nehmen!“ Keckheiten, welche zu Pias Staunen
durch lachendes Ropffehirtele pon den oe gerügt
wurden 2
Plötzlich teloe fich. die Kleine jähtige D vor, oe hore
por auf die beiden fchöngeformten M ännerhände, welche
die Ruder führten. und fragte atemlos vor Überrajchung:
Wo . WO et We haben Sie dem eigentlich x
Ihren Tracing?! — |
In Der We ftentalcje”, lachte der Graf hell auf, und
Hellmuth antwortete achjelgudend: SANG habe ifn vorhin
m den Fluß geworfen, das Rheingold um cinen Ehab ~
au vermehren! Der Ring des! belung brachte wir Uns
beit, mein Ming foll das wieder “ane gleichen md dafir
Der Jüßen, goldhaarigen Mire, ) welche ihn auffan gen und
an Dag Fingerchen ſtecken wird, ur lice großes, | .
wonmniges Glück bringen!” 2
Pia wandte dag Geſicht ins. — ſich ſo tief zu ae
ſchimmernden Flut wieder, daß ihr Antlit aud ihre weih-
getleidete Gejtalt fich auf derſelben fpiegelten.
„Da fommt fdon eine Nheintochter, welche ihn holen.
== I ==
will!“ der Graj abermals harmlos und wies scherzend
auf b 3 Spiegelbild im Wafer. „Sich doch nur, Pia,
wie Boalt dir fo tdujdjend ähnlich ſieht! Gag ihr mal,
wenn fie des Aſſeſſors qo (denen. Hort aufgefiicht hatte,
jolle fie ihn beffer bewachen, wie ehemals den des Nibe-
fingen! Der Geift des. tidijhen Alberich macht immer
noch die Welt unficher und lauert, wo er Sue und —
itehlen foun!” ;
Der Sprecher hatte fh wol Tiber. di viel a x
Dielen Worten gedacht und war um jo überrafchter, daß
nur allgemeines Schweigen darauf antwortete; trob der
Dämmerung fonnte mau bemerfen, wie Pins Antlit hei
errötete, wie es verräl eriſch in Hellmuths Augen auf-
Leuchtete, während fein Blick auf der Gelicbten tubte.
Sränzchens ſcharfer Blick flog wijchen beiden Hin und
her, eine namenlofe Betroffenheit malte Hd) auf ihrem
Geſicht, Schein um Schein erblaßten ihre ſonſt fo friſchen
Wangen, Wire es möglich, ware er überhaupt nicht
verheiratet, wäre gwifchen Bin and ihm. x
Sie rif jahlings den Hut von dem Kopf ag ftrich
2 Die Haare aus der Etin, wie in hilfloſer Augſt en
| fie die Mutter an.
Much diefe ſaß wie in tiefen anfen und blickte
noch immer auf die Rechte peš Aſſeſſors Nein, er trug
feinen Trauving, und nicht das fleinfte Mal am Finger —
zeigte, Daß je ein Goldreif jene Spur Hineingegraben. —
= Seltſam, daß kein Mert ic) aaor Darauf ee
= hatte. |
— 42 -
Da fühlte fie Srängehens Blick Sie jah auf und
lächelte. Wie tröftend griff fie nad) der Hand ihres Kindes
und drüdte fle.
Der Schiffer war der einzige, welcher den gaden der
Unterhaltung aufnahm. psa, gnädiger Herr, das Rhein⸗ x
gold!“ jagte er nachdenklich, „viele behaupten ja, es läge |
in der Nähe des Lurleifelfens, wo fic) die Strudel im
Waſſer gebildet haben. Darum fei dort immer fo viel Un-
glück pajfiert. Denn das Gold fei auf der ganzen Welt
ein verfluchtes Tenfelszeug, welches nur Glick und Fries
den morden thäte! Ma, die cë haben, mögen eë ja wohl
beſſer willen, wie unfereins; ich hätte feine Augſt davor,
wenn es mir “mal eine Nire in den Schoß werfen wollte!“
Man ‚näherte fic) dem Ufer, und Gray Willibald z09
- fächelnd die Börje. „Eine Nheintochter bin ich zwar nicht“,
jagte er Heiter, „aber ich denfe, mein Gold nehmen Cie
ebenio gern wie das ihre!” Syprach’s und prücdte Dent
freudig Überrafchten ein Zehnmartitück in die Hand.
An der Anlegel itelle ftand bereits Friedrich. und cilte
den Nahenden ‘poll. außergewöhnl icher Halt entgegen.
Ra Alter, hatteſt du ſchon Sehnſucht nach uns,
oder glanbteft bu, der a heinſtein — uns in Halt bez
piin? oe x
‚An Vergebung, 9 Mm r —— bier ift foeben eine Dez
peſche von Daheim nachgejd ite flottert Der — in
ſichtlicher Erregung. N nn nous
Sine Depeche! S
Y — REISEN, von wen, “Del >”
== 413° —
Der Graf riß das Papier ſchnell auseinander und
überflog den Inhalt. „Hm... nichts allzu Trauriges,
wam auch fiir Qilian wohl nicht angenehm, da fie thre
Reiſedispoſition völlig ändern muß! Hier, lies jelber,
Darina
Das junge M äbehen griff haftig nach dem Papier.
„Bia fol nicht nach Holland reifen, fondern hierher zus
rüctehren. Ontel Robert ift als Gejandter nad) Perſien
verjebt und hält es felber für nicht ratſam, Pia jogleich
nad dort mitzunehmen”, las fie und dann atimete fie wie
von Sentnerlaiten der Angſt befreit auf.
„Bott fet Dant — Sie lächeln, Miß Lilian!” —
Hellmuth ftand vor ihr und blickte ängjtlich forschend in
ihr Geficht: „So find eS dod) feine fchlimmen Nachrichten
gewejen, welde Sie erhielten |
Sie jchüttelte haftig das Köpfchen und folgte an feiner
Seite dem vorauseilenden Grafen, welder feiner Gattin
und Fränzchen ven Anhalt des Teleqramins mittee
ichten.
„ein, glüdlicherweije ift e — Schlimmes!“ fagte
fie und zum eritenmal wieder traf ihn ihr leuchtender
Bid: „Sch folte nach unjerer Rheinfahrt Verwandte im
Ausland bejuchen, erhalte aber foeben die Wlitteilung, daß
Diejelben genötigt find, eine lange Reife über die See zu
machen, Dadurch bin ich meinen Verpflichtungen enthoben
und fann Gottlob hier in Deutſchland bleiben!” —
you Deutichland bleiben, ja — Gott fet Lob und
Dauf daj ür! l — D, , Miş Lilian - — eine liebere und
— 414 ee
beffere aide an die Peptide ja niemals —
fönnen!“ —
Welch ein Jubel a in feiner Stimme; wie jagte woo =
Klang jo taufendmal mehr noch wie feine Worte! L
„akih Lilian, darf id... 22 | .
Er verſtummte, Denn hatte w ‘abl ings une
gewandt und eite mit Balken en an oe Seike
zurück x n
Shr migtranifjer lid flo. q —— über die Giefiditee |
und beide empfanden in dieſem Augenblick den Schatten
der Syringenfträuche, in welchen fie eintraten, als Wohlthat.
Fränzchen aber heftete fich wie eine Klette an die Seite
der Couſine, war Hf und einſilbig ‘und wid während
des ganzen Abends nicht mehr í aus der abe der beiden
jungen Leute.
Selten hatte man jo wenig während | des Abentefjens
geplaudert wie heute
Das unermübliche Scherzen und ee bes Bact: |
hous war verjtummt. Pirs. Luror flagte über ein wenig
Kopfweh und Pia war zerſtreut und wortkarg, wenngleich
ihr Autlig, rofig und lachelnd, feinertei förper fiche Or"
mudung verriet. Die beiden Herren ſprachen zumeiſt über
Jagd, und oit erhafchte Pia einen Blick der Komteffe,
wie er düſter, beinahe jeindfe elig den h jo quten Freund |
Rrebte x o
Ein jäher Schrei burehbebte fie. Bas fie aire =
war eingetroffen. .
u x jio mit Der gangen Ledemchaf tlid: : —
= = As. ss
5 tit ies Charakters in Hellmuth verliebt. Die Über:
zeugung, È dab er verheiratet | el, hatte ihre Schwärmerei
harmlos geitaltet und fie jcherz te fd jel ber den Ernit
ihrer Empfindungen von der Seele.
Plöglich durchzuckt fie wie ein Bib Die Erfenninis,
daß Der junge Forſtmann kein Gatte und Familienvater
ijt, und juft in demſelben Mgenblick als ihr junges Herz
voll himmel hochjauchzenden Gntzürfens erbebt, muß fie be-
obadhten, daß der Maun ihrer Liebe fein Herz einer anz
deren gejchenft hat, — dah fie ign. in dem Augenblick, wo
jie ihn zu gewinnen glaubte, — für immer verloren. Nun
icheinen fie Qualen der Eiferfucht zu foltern! Sie grollt
ihm, — fie Haft ihn viclletcht, und ebenjo eigenwillig
wie ſie ihn zu dem Familienkreiſe heranzog wird fie ihn
wieder von ſich ſtoßen und alles thun, den Verräter jo
ſchnell wie möglich zu entfernen. — |
Na ift es vorbei mit dem felig itillen Olid bieles
x Zuſammenlebens = ſoll eë auch für immer. zwiſchen ihnen
ans fein? — Nein, nie und nimmermehr! Heiß und leiz |
denichuftlich wallt es in Pias Herzen auf, fie liebt ifn,
fie liebt ihn, jo wie fie denjenigen Mann lieben muß uud
mil, dem fie d j fiir em qana Leben. zu eigen gibt!
— das fühlt und empfindet fie jet, in ber Angi ihn
a verlieren.
Und and) fie ift feinem Sergent teuer, Das weiß He
nun gewiß.
Steine Macht der Welt fol mehr hinbernt zwoifchen
“fie treten, me ale: m Liebe u voller un) voller
— 46 —
erfproffe n, — wer wei, — ob fie niet ihon am i mote
genden Tage ihren Kelch zur vollen Blüte erfeplieft? Duntle
Wolfen fteigen am Himmel auf, — fie finden Sturm
amd Wetter an, — und juſt dieſe Trenger voll Saubers |
macht die Lenzes fnofpen. _
Die Gräfin wünſcht ich alli —— mg De Se
| zurlchzugiehen; man jagt Hd gute Nacht und trennt bes
‚bedeutend früher wie fonft. A
Fränzchen behauptet gtollend, ihre lojen felon bon
| Brombeergelee jo flebrig, daß fie feinem Menjen die 2
Hand reid) en fonne. — Statt dejjen wirft fie dem Aſſeſſot
einen recht grimmigen Blick zu, nimmt u am Arm und
sieht fie zur Thür. |
2 „Komm — wir leſen noch ein wenig den Trom—
| peter!” aS
Fräulein von Nördlingen reicht dem jungen Forſtmann
bie Hand, — Auge ruht in Auge und jagt fo vierte
als gute Nacht!
Auch Hellmuth ſcheint die Sination au begreifen, scheint
eS zu empfinden, Daß eine Entſcheidung drängt. Mit feftent: :
Drud umfaßt er die jchlanten Finger. „Sie leſen noch
den Trompeter, mein gnädiges Fraulein - fagte er fo
jcherzend, wie es ihm möglich ift. „Nun dann haben
Sie Mitleid mit dem armen Burſchen, der nachts vor
dem Feufter der Geliebten feine Lieder bläft! Er tomte
anders nicht zu ihre reden, und baute fic) darum aus
Tönen die zaubrijche Leiter zu Soller und Turm! Gute
Nacht, Miş Silian“ —
.
rewava sp pa
—
gi ma
27
herr I.
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+ Der Mais
iMftruth, SM. Rom. u. Mov
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*
N
— 415 —
Wie bedeutfam er fie bet diejen Worten anblidte!
Legt er ihnen einen tieferen Gim zu Grunde?
Langjam, jehweigend ichreitet fie mit Franzchen durch,
den erleuchteten ſchmaͤlen Korridor.
Plötzlich bleibt fie ftehen und legt dem: Badftichehen
mit ficbevollem Blick die Hände auf die Schultern. „Hör,
Fränzel, erlaß mir heut das Lefer, es wird fehr viel —
befier und wichtiger jein, wenn ich nach Haufe jchreibe
und Mama mitteile, daß ich dic Depejche empfangen
Habe und nad unferer beendigtent Alemjai Direkt zu
den Eltern heimfehrel*
„Nein — bu gehit wieder mut ung nad Niedeck oder
wo wir imit hinreifen — bu bleibjt bet uns!” trogt
Fränzchen mit rauher Stimme und lex east jehr
viel älter aus.
Wenn deine Eltern mich fo lange als Überfracht
mit fich herumfchleppen wollen, fo bleibe id gewiß gern
bet euch!” — nidt Pia befchwichtigend,, nur mit Dem
jehnjüchtigen Wunſch, die unliebfane Sefellichaft ein wenig
(08 zu werden, — „ichreiben muß ich Du au f jeden gal —
Ich fege mich zu bir! ie .
„Das ftört mich ja, beſtes Hers! Du weifit, bal
ich im Haufe: des Onfels an gar feinen Berlehr gewöhnt
war und die Einfamfeit am Schreibtiſch benbtige“
Komteßchen kneift die Lippen ein. Cin wunderlicher
Blick taucht ſcharf und forſchend in die Augen der
‚Sprecherün. ut”? jagt fie. furz, ‚ic gehe, aber von
Zeit zu Zeit ſehe ich einmal nad) din |
— 419 —
„Das wird mir ter lieb fein; alfo auf Wieder—
ja e
Pia muß lächeln Braglos, noe iter iichige Mädel
bewacht fie — Ë
Der Aſſeſſor vernbfehiebet Sich and von sem Gr —
Er lehnt die Cigarre, welche dieſer ihm noch anbietet, ab.
= PIE möchte gern. noch ein wenig im Kurhaus mit
dem jo liebenswürdigen jungen Arzt der Anftalt plaudern!“
fagt er verbindlich. „Wielleicht ſchließen Sie fich an,
Mr. Luxor, und erfreuen und durch Ihre fo liebens—
wirdige Geſellſchaſt?“
Willibald lehnt. danfend ab, feine gran bedürfe größter
Ruhe bei ihren M igräneanfällen und da würde ein ſpüteres
Heimkommen fie ſtoͤren |
So trennt man Hd. x |
Als Der junge Forſtmann eilig Die Treppe ginal fteigt,
bemerft er nicht, daß eine Thüre fich ein flein wenig U
öffnet und zwei blitende Augen ihm nachichauen.
‚Er fieht auch nicht, daß eine Seftatt leiſe hinter thm
her huſcht und ihm in dem a ber 9
folgt, bis zum. Kurhaus. x |
Dort bleibt fie stehen und beugt nur ben Rout belt. |
fam hinter den Zweigen hervor, wn zu 1 jpähen, ob die hohe &
Meännerfigur voma hinter der Rurhaustbiir Berjehoindet et.
Sie thut eš.
Da atmet Trinen tief auf und wandelt langſamen
Schrittes auf den Gartenwegen hin und her. Ea ift ein-
jam, noch find nicht viele Kurgäſte, ber frühen Jahres-
BAUR Er
— 450: ee
zeit wegen, hier. — |
wohl nur der Forſtaſſeſſor in der Dependance, da ift nicht
viel Verfehr in dem jungbelaubten Garten.
Komteßchen feheint recht befriedigt von dem Ergebnis
ihrer Beobachtung, — fie pfeift leife und triumphierend
„Die Wacht am Rhein” vor ſich hin und macht dazu
ein Geficht, welchen nur der Schuurrbart fehlt, um einem
Strieger auf Vorpofter täufchend ähnlich zu fein,
Nach furger Beit paßt fie einen Moment ab, mu e3
befonders ftill im Rurhaufe ijt, tritt mutig in Den Stor:
ribor und weicht jchnell wieder zurüd, als Schritte und
Stimmen auf der Treppe laut werden.
Aha! das iit er,” —
„Sehen wir dod) noh eine Stunde in die Krone!
Der Wirt ift jeher mufifalifch und fpielt unë etwas vor,
Dieweil wir uns feinen vortrefflidjen roten Whmanns-
hauſer munden laffen.” Die Stimme des jungen Bade-
-arztes, und richtig, num erſcheinen beide im ay Laternen
ſchein und wandern bem Dorfe u. ä
Franzchens Augen blitzen befriedigt a. Mun ſitzt
er „Nummer. Sicher“ bei dem voten. Apmannshaujer 8
und läßt ſich ne Mendes -pous-(ebanten mi R ver:
‚gehen. — N x
Und morgen? - — Sur, ba wird ae inieher t recityeitia Ñ
‚zur Stelle Jein, um bie beiden zu trennen, und wird Daz
- für Sorge tragen, daß bie Eltern jchleunigft weiter reifen
und jede Beziehung zu È dem Falſchen, Hinter! ijtigen abz
‚brechen! Gibt er vor, ——— au fein, nur um defto
ungenierter die Cour meda u Minen, oe der Rial
— als ob ein Mädchen mit ſechzehn Ahnen nichts beſſeres
zu thun hätte, als einen Herrn Hellmuth zu heiraten!! —
Fränzchen balt zornig die Hände zuſammen md
ſtiefelt im Sturmſchritt nach der Villa zurück, um bei
halbgeſchloſſener Thür jeden Schritt im Korridor zu über-
wachen. — Borficht ijt immer gut, und Liebe und Eifer—
jucht ſchlafen jelbjt mit oftener Augen.
GYZ
— — — — — —
AN
Bent — ia. thue tid arien t:
a. Boy SHeiffek
Ä „Nun begüt did) Gott, berztaufiger Schub,
Du fichit mic nimmermebr!! —
Roltslied,
KE n dem Turmzimmerchen welches Pia bewohnte,
hatte fange das Licht gebrannt. Spät nach Mitter-
tr N nacht erft war es erlojden, als (cbteš in Der Burge —
villa. Nun fiand der Mond in voller Eilberpraht am `
= Simmel und malte einen breiten gligeruden Streifen auf -
das Waffer, langhin wallend bis nad) Sonneck und Falfen-
burg hinüber, deren Ruinen grell beleuchtet wie Märchen
‚gebilde über den dunklen Bergen fchwebten.
Weich und warm wogte die Luft, Ströme von Duft
-quollen aus den blühenden Gebüjchen, in welchen die
Nachtigall von wonnigen Qualen der Liebe fang. Etern
an Stern funfelte am flaren Himmel, tiefer, zauberhafter
grieden ruhte auf dem ſchönſten aller landſchaftlichen
Bilder und felten nur, lautlos: wie ein Traum, glitt ein
ule mit Arby — Lichtern den — u Wie =
— 423 —
ein Schatten zicht es dem Ufer zu — ein ines Boot, NN |
welches vorſichtige Ruderſchläge treiben. = 1
Wie funfelnder Tau fpriiht es auf, wenn ñd biz
Ruder heben — und wo das Steuer in das Hare Waifer:
band einjchnitt, zieht fich ein blinfender Schweif tang und
sitternd hinter Dem Schiffchen her.
Und nun hält dag Boot direkt unter dem Turmfenfter,
hinter welchem ſoeben das- Licht erlojchen, eine hohe
Männergeitalt richtet fich in dem fleinen Fahrzeug auf,
— eine andere rüct feitwärts und hält die Ruder. |
Dann blinkt e3 grell in der Hand des IN
eine Trompete, :
— Er hebt den Kopf und ſpäht noch einmal “nach den
Frontfenftern der Billa. Sie liegen längft in tiefem
- Schlummer, S nt weiß, daß nach der Rheinſeite nur
die beiden Calon Der Suxors liegen und daß man Dic
—— nach dem len Barf wählte.
Langſfam hebt er die Hand und jebt die Der Halt
Liebesbotin an die Lippen. x
Weih und rein entftrömt ihr Per Song, weit bine
ziehend durch die me Nacht und über Das ruhige
Waller. — oa
, Site Nacht, du mein herziges Kind!” — Ä
Laufen, mit tiefgeneigtem Haupt fibt der Gefährte x
im Boot, — und Droben in dem Turmſtübchen ergittert
ein Mädchenherz in unbeſchreiblichem Entzüden.
Mit wachen Augen hatte Pia das Köpfchen im die
Kiffen gedrücdt, an ihn denfend und von ihm träumend,
a AIA L
welcher ihre Geele wie durch Zauberſpuk zu eigen ge=
nommen.
-— Roge Bufunjtsbilber maat He, Holde wonnige
Märchen, welche feine Liebe wahr. machen fol! — Roch
hatte ex ihr fo wenig von feiner Heimat und feiner Tas
milie erzählt, fie wußte faum, ob er Eltern bejab, ja fie
faunte nicht einmal den Namen feines Wohnories, und
dennoch fam eà ihr nicht in den Sinn, danad) zu fragen.
Dies alles war ja fo nebenfachlich! Sie liebte ihn, allein
ihn; nicht feinen Namen, feine Stellung, feine Eippel
An feiner Ceite wird fie glücklich ſein, gleichviel wo und
wie das Neſtlein beſchaffen fein wird, welches ( er ihrer
Licbe und ihrem Glück erbaut. x
WViel mehr quält fie der Gedanke, dak fir ihm gegen:
über ein faljches Spiel jpielt, daß fie in feinen Mugen
einen Namen trägt, welcher. nicht der ihre ift. Daß fie
ein armeg Mädchen ohne Vermögen ijt, weiß er, fie hat
ihm erzählt, onp ite Saft in dem on Haufe Der Verz
wandten ift. x
Ein paar Minuten hat ihr Herz a pistes Gröffming
gebebt und gezittert. Cie, die Welterfahrene, welche jo
manche Liebestragödie ani der großen Schaubuhne des
Lebens gejehen, welche weiß, wie golden das Feuer
- brennen muß, foll es bie Herzen der flugen und vor-
fichtig berecjnenden Männer entzünden — fie hat feinen
Augenblick an ihm und feiner Liebe gezweifelt! Fränzchen,
Die reiche Erbin, welche ihm ihre Liebe fo Har und deut-
lich zeigte, welche er ohne jede Mühe zu eigen gewinnen
fonnte, und mit thr all die Í Stücke gitter, mit denen
fie gejegnet war, — mb Dagegen — fie, Die Arme,
welche nichts bieten fonnte, wie ihre Schönheit und ihre
Liebe! Die ſechzehn Ahnen, we (che ihre Mitgift waren,
hatten wohl für eimen. ‚Grafen. Nieder Wert, für be o
Korftaffejlor Hella waren es tote Götzen, welchen man
feine Opfer bringt. — - Wie wird er nun wählen? —
Mit dem Herzen oder. mit den Rerftand? — Mit dem
Senn, dieſem liebeheihen ehrlichen, goldtreuen Herzen!
— Dies Betenntmis hatte ihr aus feinem Auge ent-
gegengeleuchtet, hatte in feinen Küffen auf ihrer Hand
gebramm. Wie em Rauſch der Wonne, der überſchweng⸗ |
lichſten Glücjeligkeit hatte es das ſtolze, ipröde Mädchen
erfaßt!" Cie fichte und ward wieder geliebt, der Gipfel
alles We on fie mie ae ipanen geglaubt, war
recht. .
Und mn u lag fie mit — Lippen und thränen- x
feuchten Augen in den Ñ Kiffen und prefte ihre Hand, auf
welcher feine stüffe flanımten, gegen Lippen und Wange.
— Nachtwache der Liebe, Du gebenedeite, du heilige,
jelige Sat! — Und leije, wte eine Auwort auf all die
jeligen Fragen, welche ihr. Herz durchbebten, Hang ¢3
von dem Fluß empor, voll zärt licher Sunigfeit und leidens
Bus Gewalt:
| Mute. Nacht, Du mein herziges Rind!” —
Cie ſchließt die Mugen und fanjeht — — und dann
überfommt es fie wie namentofe Echujucht — wie eine
ane ee jie Hd, Kin Ham a ie
ee ROT
und tritt an bag Fenſter Sie will ihn fab en nur einen
— einen Blick! Unmöglich, der Rahn ift tiefer in Den
Schatten getrieben und hält dicht unter dem Turm, —
fie. greift mechanifch nach Dem — wb öffitet leije Das
Fenſler
Der Mondſchein udt ibe Rapichen in ſchimmernde
Helle — fie fieht ihn ftejen, wie er in ſtummem Grup -
die Arme zu ihr hebt — und dann erklingt plöglich eine =
herrliche, jubelnde Weije, das Licbeslied Gung-Werners, _
welches er als ſeligſter Mann der. 6 Seliebten brachte:
Lindduftig hätt bie Maiennacht
Seht Berg und T hal umfanaen,
Ta fomm id durch pie Büſche jacht,
Dum Herrenſchloß gegangen! |
Sin Garten ranfcht der Lindenbaum,
‘Sch feig in feine alte 9
Und finge aus dem grünen Raum
Hinauf zur Hohen Vefte: |
Sung-Werner ift der glücjeligfte ann Mas
Im römischen Reid geworben, RER
Doh wer folh Gtd im angethan
Tas fagt er nicht mit Worten,
Das schlicht jid nur in Tone ein,
Wie wunderſchön it's dod) im Main —
Feinslieb, ich thue dich grüßen!“ —
Bia. famite diefe Riedelſche Kompoſition und hatte das
Duett ſchon öfters gefungen; — ihr Herz ſchlug hoch auf,
— überyoll des Gluͤckes, weiches die Brut zu zerfprengen
drohte, und fic} toum peifen bewußt, was fie that, jung
fie mit köſtlichet, jeelenvoller | Etimme die Ahvort.
Die ne verjtummte, m rovitanagebreiteten a EN
oo A e
men, den Kopf zurückgeneigt in entglidtem Echauen, ſtand
er im Sahne und fühlte, wie die ſüße Stimme ihm Dera
und Geele erbeben machte: 2
„3m Wipfel hoch die Nachtigall
Stimmt ein mit fügem Schlagen —
Durch Berg und Thal wird weit der Schalt,
Der Echall deg Lieds getragen. —
Drob jchauen rings die poate anf,
Der Sang thät jie erweden,
Bald fchmettert laut der Helle Hanf
Aus Buje) und Zweig und Heden!
„Margretha ift die glückſeligſte Maid
Im römiſchen Reich geworden,
Doc wer das Glück ihr angethan,
Das fagt fie nit mit Worten!
Das fchließt Hd nur in Töne ein —
Wie wunderichön. ifa doch im Marn,
Seinslieb, ich thue did grüßen!” —
Mit jauchgendem Klang ſehzle die Trompete wieder cin.
— Sor Ton mijchte Hd) mit der Haren Maddhenitimme,
ywunderhold 30g es den ftillen Rhein entlang, und wer im
Kurhaus davon erwachte, lächelte ihi afteunfen; „Des
Säkkingers Geiſt geht um!” —
Hochatmend preßte Pia die Hände gegen die glühen-
den Schläfen, und dann nahm fie den Fliederſtrauß, welcher
neben ihr in der Bafe duftete, und fchleuderte ihn hinab
in den Kahn —
„Silian! flang es wie ein halberjtickter Jubelſchrei
au ihr empor, pa winkte jie noch einmal mit weißen Händen —
hinab, wich haftig gurú und ſchloß das Fenſter |
Drunten en Mang Die Trompete in dem himmelauf-
— 429 —
jauchzenden Schluß des Duetts — und per Kahn 309
zurüd über die jchimmernde Flut und bald tönte es nur
fern her wie ein füßes Echo: „Das ſchließt fih nur in
Töne ein, wie wunderjchön its bod im Mar’ My Seinslich, x
[aB dich umichließen ! —
Die Thüre, welche aus Pias Bimmer nach dem Kleinen -
Nebengemach, in welchen Dorette jee}, ie fuarrte
leiſe in den Angeln.
Die Alte ſtand mit einem Licht in der Hand a Der
Schwelle, ihr runzliges Geſicht lächelte wie verflart! —
Ei du liebe Zeit, aber folch eine Überraichung! Da hat
der Turmwächter vom Rheinſtein den Damen ein Ständ:
chen gebracht! Ich fagte ja gleich, der Menſch iſt ganz
vernarrt in unfere guädigen Träuleing, und wie Komteffe
mir erzählte, daß er auf dem Horn vorgeblafen babe, und
daß fie eS jo ſchön gefunden habe — da dachte ich gleich:
‚Na, da wird er wohl manchmal oben von dem Turm
Heruntertuten ! und mu kommt er gar im Kahn angefahren!
Schön hat er geblafen, prachtvoll Schön! Du licher Gott,
mir iſt's ganz weich ums Herz geworden! Und wie herr-
lich haben das gnädige Fräulein zur Antwort gejungen!
Co etwas faun man fic) ja faum evträumen lafjen! Hätte
die Frau Gräfin nicht über Kopfſchmerz getlagt, hätte ich
fie ficher Feweckt, daß fie und penile das Ständchen
hätten Hören müſſen!“
Während des erregt — Wortichwalla
ber Alten hatte Pia Beit gefunden, fich zu ſammeln.
Sie — (Pe wi, aus Seite UD lachte ein —
gewaltfam. nia, ber — vom Nein jt 12
nickte fie haftig, „ganz recht, ev war es! Sie haben ihn
aljo auch erkannt? D, wir wollen Sranda morgen
-mit dieſem priginellen Vorehrer negen! Nun aber qute
Nacht, Dorette, wir wollen Den verſäumten Schlaf ſchnell
nachholen!“ —
— das wollen wir! 5, und Konteife joll morgen
Augen machen! — Wide sehorjamit nute Ka guiz
— Fraulein!” :
Echlafen Sie wohl, Torit — ; Oe Re
Die I Thüre ſchloß ſich und das bi eiche Mondlicht Hure
abermals durch das Turmftübchen. Pia aber trat an bas °
Senf ter, lente die Stimm gegen Die Scheiben umd blickte
voll füper Träumerei in die Nacht pinaus. |
Bon der Clemensfapelle herüber tönten Glodenichläge,
ein paar Dunkle Wolfen traten vor den Mond, und Bias
Blid zrüßte nod) einmal hinab nach dem Rhein, deſſen
Wogen joeben den Ó Geliebten zu ihr getragen!
Schwer fielen die Lider über ihre Mugen. Cie fant
müde in die Kiffen zurüd und noh Anmal tlang es wie
leifer Widerhall in Ihrem Herzen: „senslich, ich thue
> guia — —
perlte der Frühtau an den Blüten und N veg⸗
gräſern, als Pia SOHN. durch die Matteanaitagen
jehritt. :
Die Luft, welche, mn wie vor einem Gewitter ges
nat hatte fie aus dem eget, Seiten Suan in dag
s =
reie getrieben. Sie fehnte id nad) einer Stunde der
Einjamkeit, um Hd hier in Gottes ſchöner Natur ihres
jungen Liebesglücks voll bewußt zu werden. Wer modte
wiljen, ob der Tag ihr fo En ein wonnevolles en
gönnen werde! |
Die Soune blinfte nur hier und da noch einmal verz
{tohlen durch Die Dunjtfchleier, welche fih düjter und dichter
um die Berge ange und taum woe den on Bi auf t
| Bingen gewährten. |
Über Faltenburg und Sonneck fice dunkle Wolfen.
x empor, melde wohl ein Gewitter anmeldeten, und Die
Wogen bes Rheins färbten fich im Schatten der Berge
dunkelgrün nud grau, wid doch war c fehön Hier in der
duftigen Morganfrühe, wo Vogelkehlchen goitfcherten und
das einige Haſten und Treiben des Schiffs- und Ufer:
verfehrs fich immer lebhafter geftaltete. x
Fernab m dem Teil des Partes, welcher ſich jenfeits
des Kurhauſes erſtreckt, befand Hd) ein lauſchig umwach—
jenes Sitzplätzchen, welches das junge Mädchen unbenterft
zu erreichen hoffte. |
Raum aber, daß fie in die denan Anl agen einges
treten war, flang ihr ein eiliger Schritt entgegen, und —
Scharf um das Fliedergeſträuch biegend, jtand Hellmuth
por ibr, ehe fie Beit fand, ihrer Betroffenheit Herr zu
werden. | Und abermals ſchallte ihr. der Subellaut glid-
jeligiter Überrafchung von feinen Lippen entgegen: „Lilian!
Sie hatte die bebende Hand auf t das Herz qepreBt, eitten
Augenblick fanten ihre dunklen Wimpern tief auf die Wange
= 42 —
hernieder, — dann fühlte fie mehr als daß fie es jab, `
wie cr ihr beide Hände ſtürmiſch entgegenbot.
Und nun faute fie ihn an, — willenlos, überjelig, —
unvermögend, die Seligkeit zu verbergen, welche fie De
durchſchauerte. Cie hatte fih niemals verjtellen, niemals
ihre leidenschaftliche Erregtheit zügeln finnen, weder im
guten noch im böfen. Was fie fühlte und empfand, dad `
jtand auf ihrem Antlitz geichrieben, ne Ang von ihren
Lippen, ob fie es wollte oder —
„iltan!!”
Er hielt ihre beiden Hände frannfhaft umichloffen und
blicte ihr wie cin Trunfener in die Mugen, und fie glühte
wie Die Phyrrusbliiten am Strauch neben ihr und zeng :
vergeblich nad) Worten.
„Sie tommen bereits von einem Eiai prid?“ x
jtammelte fie in ratlofer Verlegenheit.
„a, Lilian, ich fomme von dem Bahnhof, wo id
eigenhändig dem Frühzug einen Brief anvertraute, welchen
ich in diefer feligiten Maiennacht an meine Eltern qes
Schrieben. Darf ich Sonn erzählen, Lilian, was in t Diejen
Beilen ſtand?“ —
Cie lächelte wie im Traum und s ae
das Köpfchen, und dann ſchritten fie fangjam nebeneinander —
her, zu der Heinen veritectten Bank im Gebüfch. |
Und als er an ihrer Seite jab, nahm er abermals —
ihre bebende Heine Hand zwiſchen die feinen. „Dem Simmel ©
jei Dank, daß ich es Ihnen endlich jagen fann, bab ung
dieſe Stunde des Alleinjeins noch geichenkt wurde!” flüfterte —
r.
EA
teherre IL
oro
>
Eſchſtruth M Mom w. Nov, Der Ma
v
N
— 434 —
er hajtig und erregt. „D, Lilian, ih bezmeifelte, daß ich
Ihnen jemals ohne läftige Ge ellſchaft hier begegnen würde,
und darum wollte ich joeben auch an Sie Schreiben, wie
ich es meinen Eltern brieflich jagen mußte, bab ihr Sohn, —
gleich Gung-Werner, der glückſeligſte Mann im Reich ger
worden if! — D, Lilian, ih finde ja gar feine Worte, _
um alles auszuſprechen, was in mir ſingt und klingt, was
mein ganzes Sein durchbebt und durchflutet, feit ich Cie
zum erfienmal im Arm gehalten und in Shr Auge fhaute!
Qilian, ich empfinde mehr für Cie, ala wie das kleine,
armſelige Wörtchen Liebe ausdrüden fann. Ich — o.Cüße
s ee — — und er berftummte unter dem
heißen Blick unermejfenen Glüdes, welcher aus Ihren
Augen brad, jchlang voll fühner Zeidenichaft den Arm
um fie und fagt ihr in Küffen, was er mit Worten nicht
‚mehr auszufprechen vermochte. — :
liber ihnen nicften die Blütendolden und ſtäubten bez
mantenen Tan, nod) einmal brad) die Sonne mit flame
mendem Gruß durch die Wolfen und tauchte die Welt in —
goldenen Glanz, tr den Gebüſchen aber blich es jtifl,
zauberftil — nur der Wind jtrich wie ein wonnevolles
Aufatmen über die Grajer am Weg.
Und dann richtete fidh Pia in jenen Armen auf und
lächelte ihn unter Thränen des Glücks an „Co liebjt du
mich wirklich, wahr und wahrhaftig ohne Lug und Fatih?
Mich, die Fremde, taum Getaunte, — gleichviel, welchen
Namen ich trage, welcher Heimat ich entjtamme, mid) —
fo, wie bu mich hier im Arm Hältjt? 1 |
-o A33 lS
Ceine Antwort lag in feinem Blid. — fot Juſt
ſo liebe ich dich!“ lächelte er mit ſtrahlenden Hugen, fie
fefter und inniger noch an die Bruft jchliegend, „und doch
ftehe ich voll Lug und Trug vor dir, Geliebte, und trage
eine Masfe, welche dir bisher mein wahres Sch verhiillte!
Darf ich dir eine Beichte ablegen und willft bu mir bie
fleine Täufchung vergeben, we (che nicht der Übernut, fon-
dern lediglich die Vernunft bedingte 2”
Mit großen, erjtaunten Augen blickte fie zu ihm auf,
und beide waren fo jehr von dem Zauber des Augenblicks
befangen, daß feiner das leiſe Rauſchen der Aſte, das
RKniftern und Nafcheln der Zweige ſeitlich von — m
Gebiijeh vernahm.
„Eine Täufdung!” lächelte Bia falb: ungläubig, halb
verlegen. „O, ich fürchte, daß ich dir noch mehr zu beichten
habe, wie du mir, Herzlieber, und wenn du mir ebenfalls
deine Verzeihung zuficherit, jo will ich gewiß ne Seftändnis
mit doppelter Liebe lohnen!” x
Er lachte. „Was jollteft du lieber, hol Der Engel wohl
zu jagen haben, was mehr tiberrafdjen könnte, wie meine
Demastierung! Lilian, du haft dich dem Foritaffeifor
Karl Hellmuth zu eigen gegeben, wie nun, wenn dieſer
Name das Vifier ift, Hinter welchem fid) ein gang anderer
verjtecit 2”
Et anderer?” fragte fie und umflammerte feine
Hände jo frampfhait, alg fürchte fie, der Geliebte fünne
ihr. mit Diejem Namen entichwinden wie eine Vifion,
Eine Piy Zuverſicht von jeiner Stimm, ein
| | 28* Ç
a 43 <
innerer Jubel erfüllte ihn, daß er nun die unfcheinbare
graue Hülle von Sich werfen fonnte, Der Geliebten eine
ichimmernde Krone, ein edles Wappenjchild zu zeigen, als
herrliches Angebinde, welches jeine Liebe Hf zu Füßen
legen wollte. |
Und als er lächelnd zögerte, um ſich an dem vollen
Genuß dieſes ſeligen Augenblicks zu weiden, fühlte er,
wie ihre ſchlanke Geſtalt p lohlich hoͤher emporwuchs, wie
ihre Augen fich angſtvoll, unnatürlich erweiterten, wie ſie
plötzlich mit bebender, leiſe veränderter € Stimme fragte:
„Wer bijt bu?”
= Ich bin Wulff- Dietrich, Orai bon Wiebe antwortete
er tief aufatmend mit beinahe feterlichem Ton, und ver-
jtummte erjchroden bei dem erjtichten Aufſchrei, welcher
über ihre Lippen brad. x
„Wulff: Dietrich !! — Gott im Himmel, meine Sivan w —
Sie rik fic) voll leidenſchaftl icher Erregung von ifm los -
und ftrectte die Hände wie in gorniger Abwehr gegen ihn
vor, fie wollte fpredjen, ‚aber Die Stimme veriagte 15
pie qualvolles Ech lately sen tang es Hd) aus ihrer Bruft.
— Muf höchite beſtürzt prang er auf und wollte fie voll
unerflärl lider Angit an die Bruft ziehen. „Lilian — all-
mächtiger Wott, was f fidt dich an?”
nn Hammte ein Blid zu ihm aut, ees an wie —
laͤhmt zurückweichen ließ x ae
Das rofige Autlitz der Gel iebten Y war weiß; wie Canes x
Born, Stoß, Verachtung ibn die tief S
A | es!
me 43 o
Milian! Warum nennen Sie mich nod fo, Graf
Nicdeck, da Ihre Komödie doch jo glänzend zu Ende gez
jpielt wurde?” jtieß fie jchneidend hervor, hingerifjen von
der leidenschaftlichen Verzweiflung, welche jie durchtobte.
„Das war die ftolze, edle Entfagung, welche ic) an dem
Majoratsherrn von Riedeck bewunderte, Das jeine heilige
Achtung vor der Liebe, bab er fie zum Poſſenſpiel entz
würdigt! Und doch wagen Sie mir von Liebe zu |prechen,
pon einer Liebe, welche nur gewifjenlofe Jagd nach jechzehn
Ahnen ijt! Bet Gott, Sie Haben den Plan ſchlau erdacht
und geichickt inſceniert; Graf Nieder, aber Ihres Sieges
haben Eie fidh zu früh gefreut! Was ich einem Karl Hell-
muth zugeitanden, gilt mie und nimmermehr dem Majorats⸗
herrn von Nieded, jo wie ich es geſchworen habe bei meiner
S Ehre und bei meinem Stols, bab ich mich nicht verhandeln
und verſchachern laſſe! So lange aber ein Nieded um fech-
zehn Ahnen wirbt, ift er ein Sflavenfandler, bei dem nur
-fraffer Egoismus, aber feine Liebe mitſpricht!“
= Außer fich, vor Qual und Schmerz die Worte überſtür—
zend, in höchiter Erregung, hatte fie geiprochen, noch einmal
traf ihn ihr Blick, und dann wandte fie fich ab und eutſchwand
wie ein gehegtes Wild Hinter den blühenden Gebitjchen.
Regungslos, wie betäubt, ftand Wulff-Dietrich, Leichen:
jabl, unfähig, ein Wort zu erwidern, nur ein Auſſtöhnen
rang Hd) aus feiner Bruft, ein leife gemurmeltes „pla von
Nördlingen!” und dann trat er zu der Gant zurüd, fant
jchwer darauf nieder und — die Hand über die breunen⸗
ben Ungen, x | —
— — —
—
— iB =
Einſt hatte er mit einem Meifterfchuß einen Hirſch
niebergejtredt, juft in dem Augenblid, als er voll könig⸗
lichen Siegesſtolzes neben dem verendeten Gegner stand,
die Brust geſchwent voll jauchzender, ea
Liebe!
Da hatte ihn die Kugel mitten in das brn getroffen,
und lautlo8 war er zujammengejunfen, Die brechenden
Augen voll unausiprechlichen | Ansdruds auf den Schüßen
gerichtet. Diejer Blick verfolgte ibn, an ihn dachte Wulf
Dietrich auch in diefem Augenblid, wo er jelber auf der
‚Höhe alles Liebesglüds plößlich die tötende . m-
Herzen fühlte.
Der Kies knirſchte neben ihm, und — fante |
er in das ernite, blafje Gejicht Fränzchens Ein wunder-
ficher Ausdruf lag darin, halb Schmerz und Mitleid,
halb triumphierende Genugthuung. Er jprang empor und-
wollte hajtig mit Kurzem Gruß vorüberjchreiten, — fie -
ſtreckte Den Arm aus und fperrte ihm den Weg.
„Better Wulff-Dietrigh, — bleiben Sie!”
Er big die Zähne zuſammen und hob ſtolz —
das Haupt. „Vetter Wulf Dietrich 22 wiederholte er mit
gefurchter Sim. x í
a, Me Better! Sch bin Kranzisfa Nieder uud
Mir. Luror und feine Gatti find meine Eltern, die Erb⸗
grajen von Niedeck“ =
Sranzista —— Onfel Willibald.. 2 mG tee wie
ein Tränmender über die Stimm: „Sa, ia, ae recht, nun
fang ich an zu begreifen, daß fie Pia von Nördlingen it —
= 459 —
Fränzchen trat näher, fabte feine Hand und zog ihn —
zur Bank zurüd. „Armer Wulrf-Dietrich, wie bat fie dir.
ſo bitter Unrecht gethan!“
Sein Blick belebte ſich Er hob den Stopi. „Hörten
Cie e3, Coufine Fränzchen?“ ftieß er leife hervor.
Sie nickte: „Alles; aber nenne mich nicht ‚Sie‘, wir
find ja fo nah verwandt und waren feit Anfang an jo
gute Freunde, feltfam, als parie id) e3 empfunden, daß
‚wir zuſammen gehören.”
And du traujt mir nicht eine schlechte ehielofe Kombdie
zu, wie — — wie Pia eg thut? |
Sie drückte ihm kräftig die Hand: Nein, bei Gott
nicht! Habe ja jelber Niedechſches Blut in den Adern,
und weiß, daß wir uns zu ſolch frummen Wegen nicht
hergeben würden! Ich habe dich ehrlich gern! Wulff:
Dietrich, bu biſt ein redlicher, braver Kerl, und — mein
Wort darauf — e3 hat mich lange nichts fo herzlich qez
freut, alS die Entdeching, Dak du mein Vetter bit!“
Er fchiittelte finjter den Kopf, aber jeine Hand umſchloß
die ihre beinahe krampfhaft. ,,Celtjam, unjere Vater find
feit langen Jahren verjeindet, fie hafjen fich, und ich fürchte,
Onkel Willibald hat die Gefühle, welche er gegen den Barer |
Heat, auch auf mich, den Sohn, übertragen!” x
Fränzchen jchüttelte energijch den Kopf. „Nein, das hat
er nicht, und mare es auch jo gewejen, jest, wo er dich fo
gut fennen lernte, hat er dich aufrichtig Heb gewonnen!”
Wieder fentte der junge Graf die Stirn in die Hand,
„Niemand Hat mich in diejen Tagen wohl jo gut fennen
— 440 —
gelernt, wie fie”, jagte er leife, „und dod) beſchuldigt fie
mich jo ungerecht und fo falſch, und doc) verurteilt fie
mich jo graujam hart!”
pen Hat fich fehr albern benommen!” polterte Fränz—
hen in ihrem derben Ton, „aber fie hat fich nun einmal
in Die Sdee verbiffen, daß du nicht um fie, jondern um
ihre jechzehn Ahnen wirbft! — Na, laß fie laufen, Kopf
Hoch, alter Junge! ES gibt mehr Madden in der Welt!”
Wulff Dietrich preptel Die appin ae und uel
jtumm den Kopf. os i
„Halt du fie denn wagel fo urdtbär lieb; ou
Er jtöhnte leije auf und bededte das blaſſe Antlitz
ſekundenlang mit den Händen
Auch Fränzchen ſeufzte „Du lieber Got, ja, td) fann
es fo gut begreifen, rein toll vor. Liebe fann einen das
Mädel machen, Heer Wul if, bu thujt mir unbejchreib-
lich dt
= Da fabie er ‘at ings ihre beiden Hände amd blickte
i ihr. wie em Sterbender in die Augen.
0, Reänzchen, hilf mir — e
„ir helfen? Wie das?”
„Du glaubt an mich und an meine Wahrhaftigkeit,
Sränzchen, — ach, überzenge aud) Bia davon!“ — und
dann plößlich jprang er auf, machte eine he tige leiden:
ichaftlihe Bewegung mit der Hand und warf totg das
Haupt in den Naden. |
x „Mein! nein! thue es nicht! es “iit ja dod) vergeblich, Ly
fic wird ja doch E an meine Liebe glauben, jo lange
— 441 —
ich Der Erbe des Majorats bin! — Und 1903 fie mir in
Diejer Stunde angethan, das fam fie nicht wieder gut
machen, nicht im Leben — nicht im Tode.“ U
Franzchen ſah ihn mit wunderlich — Au:
gen an. BR
„eo verzichte um ihretwillen auf das Majorat!”
Sr schritt, erregt vor ihr auf und nieder. „Das babe
ich heute morgen gethan, als ich den Eltern mitteilte, bab
ich mich an dem heutigen Tage mit Mig Qilian Luror
verloben würde; da habe ih zu Gunſten meines Bruders
auf Die Erbfolge von Nieded verzichtet. — Ich opferte alles
— um ibretwiflen, und alles vergeblich! Glaube mir,
Frängchen, mein Herz Dat nie an diefem unglücjeligen
Majorat gehangen, und heute morgen, als ich jeine fürft- _
lichen Renten von mir warf, habe ich mich dennoch reicher
gefühlt wie ein König! Nicht jener Brief, den ich fchrieb,
hat mich arm gemacht, jondern Die greujamen Worte,
welche ein M add) enmund zu mir gefprochen, machten mich
| jum Bettler an allem lite
Mit großen j itarren Augen ihaute Fränzchen zu thm
auf, den Kopf vorgeneigt, als habe fie micht recht vers
itanden, ‘und dann ging eine große Veränderung in ihrem —
Geſicht vor ſich |
| ‚Bewunderung, Staunen und Riihrung malten fich —
md fie Hob ungeſtüm die Arme und fdjlang fie jählings
um ſeinen Sal.
Wulff Dietrich! tief fie erregt: „Beim Himmel, du
bijt enr braver Menſch, und du verdienſt fie; erzwingen
abe S
fann ich dir ja Pias Liebe nicht, aber ich will dir nicht
mehr im Wege ftehen, ich will nicht weniger edel jein wie
du! — Laß mir furze Zeit, das meine zu thun, — und
dann fomm wieder und wirb noch einmal um Kia —,
und ift ihre Liebe jodann fo groß und wahr, wie fie ſein
muß, um diefe Stunde an Dir zu ſühnen, jotlt ide beide
glücklich werden!” — _ A
Er blickte ihr beinahe ftreng in die Augen. Bit
du ihr etwa jagen, daß ich verzichtet habe? Nur das nicht, —
Fränzchen dieje Demütigung ertrage ich jetzt nicht mehr!”
Sie zudte die Achſeln „Nein, das fage id nicht, dern
fie würde eë doch nicht glauben und uns einer neuen tz
trigue beſchuldigen“
Eine laute Stimme rief den Namen des Ais
TD mut, |
Wulff- Dietrich trat haſtig auf den Gartenmeg und
winkte dem Hausknecht, welcher herzugelaufen fam.
eine Depejche, gnädiger Herr!” —
Einen Moment herrjchte tiefe Stille, die Schritte bes
Mannes vertlangen. „Die Antwort meiner Eitern‘, ladjelte
Wulff- Dietrich bitter; mechanilch öffnete er das Papier und
überflog die kurzen Beilen, dann rang Hd ein dumpfer
Laut über feine Lippen, wie vernichtet fant feine hohe Ge-
italt zujammen, „Mem Bruder Hartwig... . er fomute
nicht weiter fpredjen und reichte das Blatt aufftöhnenb I
pugen Gräfin. x _
Hartwig beim Rennen adi und joeben verſchieden
Komme ſofort zuruck“
— 443 —
rang chen preßte Die Sis pen ajaminen und fhwieg.
„Run ift der Verzicht ungültig geworden. Nun trage
id für ewige Heit den Fluh, der Majoratsherr von Niedeck
zu fein!’ flüfterte Wulff-Dietrich durch die Zähne, driictte
mit umflorten Augen Fränzchens Hand und ſchritt durch
die graumehenden Nebel davon. Schwer und tuhi fielen
die erften Negentropjen.
MAAS ERA
XXL
Fabr wohl! id fann nicht popust fnie’nm — š
um alles: Heil ber Welt! —
:Strabwiß,
a8 Gewitter war nicht heraufgefommen.
Fern hinter den Bergen vertlang das Teife
| Rollen des Donnera und die Blige zudten nur
jelten, wie matter Kladerjchein am Himmel auf. Die
vorden jo düſtere Wolfenmand Hatte fich zerteilt und
hing mun als eimförmig grauer Schleier. auf die Berg:
hänpter nieder, in feinen Streifen flop Der Regen, lange
jam aber unaufhörlich, jeden Blick in die Ferne hemmend
und das jtrahlende Landſchaftsbild der lebten Tage in
‘jehmubigediiftere Nebel tauchend, daß es bis zur Unten-
lichteit veründert- ſchien
„Sum Abichiebnehmen juft das rechte Wetter!
Grau mie der Himmel liegt vor mir die Welt!“
Wie der lefe, wel mutsvolle lang Diejer Worte
hallte eg durch das Rieſeln und Rauſchen, und wo
geitern nacht die filberglängenden Fluten des TENS, ein.
Schifflein gejchaufelt, darin „der glüdieligite Mann des
römischen Reiches“ alle Gluten ſeiner jungen Liebe in Die
x jtille Welt hinausgefchmettert, yoo fie Die Duftenden Blüten
gewiegt, welche die weiße Madchenhand dem Geliebten zu
treu innigem Gruß hinabgeftreut, — Da walsten fich heute
bleifarbene Waflermaffen einen fernen Diele zu, — jo
ſchwermütig und dülter, als Habe nie em Moubesitraht i
hier zu jupem Liebesglück geleuchtet. — x
Fränzchen war atemlos vor Erregung i in t bas š Bimmer
ihrer Mutter geftürmt. ee &
pol Dia Der?” —
‚Nein, mein Liebling, fie ee wohl ue) Toilette.”
„Sit Papa nebenan?“ —
„Sawohl, — was haft du Sinb, du ahn ja wie
im Fieber“
Fränzchen legte haſtig ben Finger an die Lippen. „Sc
Habe euch etwas Hochinterefjantes zu erzählen”, flüſterte
fie, „ih will erft die Thüre abſchließ zen, und pants u
du mit nebenan zu Papa!” x
Vie Gräfin erhob fich jehr und jah, wie
ihr Tichterchen mit ein paar tollpatjchigen Sprüugen
nach: der r Flügelihür eilte, fie fraj tooll zu verriegeln. Die
Dielen jitterten, als jie zuruckeilte „So min fomm,
Mama, — e3 iſt furchtbar wichtig! ie
© Oral. Willibald ſaß im Schaufelituhl und [a3 Zeitungen.
| & hob hefremdet den Kopf, als Franzchen an ihm vor
überfaufte, um au, in Biefem o © die c Thi a vers
en
=- Aib >
„Aber, Kind, was foll denn das .
pot! — Damit uns niemand RR, fann; Fomin
her, Mutterchen, — ganz nah — feg dich hier dicht neben
ama”, und mit derbem Schwung lich Hd) Komteßchen auf —
bie Knie des verblüfften Vaters nieder und ſtieß hochatmend
durch bie Bühne: — „Eben fam die Bombe zum Plagen!”
„Welche Bombe?!!“ —
„Ra — zmwilchen Pia — — — und... . Herm
Forſtaſſeſſor Hellmuth!“
„Uh wahrhaftig? — Afo doch?!” —
„Sa; ich ftat im Gebüfch und hörte von A bis 3
zu — ach du liebe Beit — Fränzchen breitete mit ediger
Bewegung die fangen Arme aus und ſeufzte ſchwärmeriſch:
Es iſt doch etwas Schönes um jo eine Liebeserklärung,
furchtbar rührend; es ging mir fo auf die Aa, Dak
mir ganz Schwach wurde — —“ _
„Eine Licbeserflarung, jegt — um dieje frühe Stunde. x
— — und bei folchem Wetter im Garten 2”
„O wo werden fie Denn; — mit dem Parapluie einen
Kniefall machen bei dem Dre! — Nein, das ganze
Drama fpielte fidh vor dem Regen ab!“ —
„Und du wubtelt davon?” —
„Sch weiß alles! Seitdem ich geſehen, daß er feinen
Trauring trug, traute ich ihm alles zu” —
‚Na — hat Pia denn etwa „Sa“ gejagt?” — rungelte
der Graf ungeduldig bie Stirn. |
‚seite, — ohne fih im mindeiten zu fperren! Gleich
ein bid wuterftrichenes Ja mit endlojen Küfjen!“
— 447 ` —
„Um Hunmelswillen, — was werden thre Eltern
jagen!” — wollte Willibald entjeßt aufipringen, aber er
vergaß Die geliebte Salt auf jeinen en und fant fraft- —
los in den Seſſel zurüd. —
Die Gräfin aber faßte aufs höchſte betroffen — x
chens Hände und wollte fie voll innigen Mitleids an Hd
‚ziehen. „sch fürchtete eó! er du armes, armes, geliebtes
Kind? —
Das Baͤckfiſchchen ae eine seule Bewegung.
„Hört doch erjt weiter! — der Krach fam ja doch hinter-
her! — x
D... inwiefern 2“
„Das ift ja eben ur Unfaßlihe . . . Märchenhafte
. Unglaubliche .. .! Kaktijeh, in einem Roman tann
es aan nicht toller eat Alſo zugehört 1” ~
: Die Sprecherin verjeßte Dem Papa, welcher fich nach
a puer niederfallenden Zeitung bitden wollte, einen unge-
duldigen Heinen Sieb mit der Stiefelhade. „Es war bei-
nahe wie Elfa und Lohengrin! Nur umgekehrt. — Als
fie nämlich fidh lange genug gefüßt Hatten” — Fränzchens
Sejicht färbte fidh noch in Gedanken daran mit Zornes—
rote — „lagte Hellmuth plößlich, er müſſe ihr eine.
Beichte ablegen, — er fet nicht derjenige, für den fie ihn
Halte? — —
„Srängchen — um alles in der Welt” — —
ea, na, Wamachen, braucht nicht fo furchtbar zu
erichreden, Daß er fein Schufter oder Schneider war,
merfte man ifm — an! — N ein, etwas ganz anderes
= MARS —
war er! — Ratet mal, ratet doch mal, wer bteler Hellz —
muth ijt!!” —- Und das Backfiſchchen Dopie fo lebhaft
anf dem felbjtgemablten Cig, daß Graf Willibald mit
ſchmer ʒucher Geberde ‚aufaßte, m den og Tengu
halten.
„ber, Kind, wie tinnen wir fo etwas taten!”
„Nun dann Hört's und bleibt eurer Sinne Meifter!
Selfinalk ijt fein anderer, ald Retter Wul H ietrid l —
Nun jprang der Graf dennoch auf — und zwar fo
heftig, daß Fränzchen ein paar Schritte in das Bimmer
jtolperte; — aber fie war nicht. übelnehmijch, jondern —
wandte fich den Eltern haftig wieder zu, legte die Hände
auf den Rüden und beobachtete mit blibenden Auglein
die Wir fing Diejer unvermuteten Nachricht. — |
„Ditejer Affeffor . . - diefer Hellmuth . er if
Wulff- Dietrich? Er ijt ein Niedeck 2” tieg ner Graf
atemlos. hervor: ‚Das it unmög lich! Cold) einen Sohn
kann J üdiger nicht haben, eë wäre undenkbar!” — .
Tie Gräfin mediefte die Tarbe und blidte angjtvoll
au ihren Mann auf. „Gott jet Lob und Dank daß er
unſer Rind als Franzista Luror fennen lernte” —
Srängen. lachte. „Den Srrtum habe ich ihm gee
nonmen” — x x
Mit leiſem Aufichrei faßte Johanna bic Arme der
Sprecherin: jou — du haiti — — :
Ihm geſagt, bab ich Franzisfa, feine Cofi bin!
— Natürlich! wäre e3 ihm etwa cin Geheimnis geblieben? —
Bia gab fic) ihm im ihrer furchtbaren Erregung zu erz
Nb. Eihftruth, IE Ron. u. Nov. Der Majoratsberr II: 29
— 450 —
tennen! Sie fchleuderte ihm Die Berhften Anſchuldigungen
entgegen, ſie ſagte ihm auf den Kopf zu, er Habe en `
unwürdiges Spiel getrieben, um ſich ihrer jechzehn Ahnen
auf frummem Wege zu verfichern, — na, es war nicht
lappig, was fie Dem armen Kerl alles borwarf! — —
Daß Pia mit uns reift, fann fih Wulff-Dietrid) an den
Fingern abzählen, alfo wäre e3 ja albern gewejen, wenn
ich hätte hinter dem Berg halten: wollen! Warum foll
er mich nicht als Couſine Franzista tennen lernen, ic)
fage dir, Manta, ich habe ihn gern, ſurchtbar gern, nach
der heutigen Scene noch viel lieber wie früher! Wulff ift
ein uranftändiger Menſch, ein echter Miedeck, und er hat
nicht gewußt, daß er fd in Pia verliebte, dafür lege
ich beide Hände ins Feuer, eS war ein wunderlicher Zu—
fall, weiter nichts. — Nicht wahr, Papa, du magit ihn
auch gut leiden? er hat dir als Hellmuth jehr gut gez
fallen, das fagteft Dit felbjt, und wenn du ein Miann
von Konſequenz und Charakter bift, Dann wirft Du Deine
Anficht nicht ändern, bloß aus dem Grunde, weil er
Onlel Rüdigers Sohn ift” —
Detr Graf ſchritt erregt im Zimmer auf und nieder
Hohe Betroffenheit und Unruhe malten ſich in feinem Ghee.
idt. — „gatal, — ungeheuer fatal! W murmelte er.
Srängchen ftellte fidh ihm energijch in den Weg und
hielt ihn am Arm feft. „Papa, wirft du etwa ſchwenken?
Wirſt du ihn ungerecht verurteilen? Wirſt du gegert deine
Überzeugung fprechen 2“ |
Willibald fchüttelte gedantenvoll ben Kopf. „Nein, das
— 451 —
fann und werde ich nicht thun, — und darum verdriet
mich Die Sache doppelt!“ |
Fränzchen lachte nervös: „Warum nicht gar! es hat
fo fein follen. Sch freue mich, daß eë Gott fei Lob und
Danf noch einen fo vortrefflichen Mieded gibt. — In
meinem ganzen Leben habe ich mich noch nicht fo gefreut wie
heute! — Die Liebe zu meinem Geſchlecht iſt mir ange—
boven, fie liegt mir im Blut. Es war mir ein ‚gräßlicher
Gedanke, bab die einzelnen Verwandten, weldje wir noch
haben, des Namens. fo unwürdig fein jollten, ich habe
mich gejchäntt, wenn ich an Die Nüdigers Dachte. — Nun
habe ich mich überzeugt, daß ich doch nicht einfam und
verlaſſen jtehe, daß es noch einen Nieded giebt, auf den.
w zählen und auf den ich ftolz jein fann!“
Willibald zuckte mißtrauiſch die Achſeln „Und wenn
7 dich irrft? Wenn er dennoch in gefdjictter Weife un-
fere Rei feplane erforjdte und ich. Pia unter der Toate
vergewiljern wollte?” — x
Fränzchen warf mit bl ligenden Mugen Den Kopf in den
Naden. „Nein! nal y nein! und — Nein‘! fann
ich Dir beweiſen“ —
„Beweilen? — Ab, ba wäre d doch geſpannt!“
„WulffeDietrich hat auf das Majorat verzichtet, weil
er der Meinung war, daß feine Braut Lilian Luror heiße!”
„Undentbar! — jagte et o —
poa, 00S tagte er”
„se mn, — niht nur Papier — fjondern auch die
Sprache ift geduldig. Solh ein .. glaube ich
29
an Bani wenn man a mir —— auf weiß anneal —
amd das. müßte ja geidjehen, wenn er zu Gunſten Hat |
wigs verzichten wollte!”
„Hartwig ift tot!”
„Hartwig — tot? — mög it!" = führ der Graf
beinahe entſetzt auf. ;
Fränzchen aber nidte ernfthaf it vor fh hin: © arabs,
als. wir darüber fprachen, daß fein Verzicht vielleicht Das
einzige Mittel fei, Pia von ber Aufrichtigfeit feiner Liebe
zu überzeugen, fam Die Depeiche, daß Hartwig beim Nennen
gejtirzt und fochen I fet. — Sch as die Nachricht
jelbjt. =
Mit weitoffenen Augen — Willibald die Sprecherin
an, — Damn fant fein Kopf tief auf die Bruſt, und lang:
fam, wie im Traum nahm er feine Promenade durd) die
Stube wieder auf.
` Minutenlang herrſchte tiefes Schweigen, nur Johanna |
ſeufzte leije auf: „Wie entjeß lich — ein Kind jo jaͤhlings
— jo graujam zu verlieren! — ub jie breitete Die Arme .
in aufwallendem Gefühl nach Fränzchen aus und zog fie |
feft und innig an bie Brat. wWas foll mm werden 2“
flüſterte fie. Glaubſt du, dak Pia ihn wahr lich liebt?” —
Das Backfiſchchen ſtrich ſich ſchweratmend Die Haare
aus Der Stirn. „a, He Rebt iän!” |
„Die Beit heilt manche Runde, — ich Dome, Bias
Etol und Trog wird die Neigung überwinden? —
Fränzchen drückte Das Geficht gegen die Schul ter der
Mutter und antwortete nit. o
ee
„Bird Wulff-Dietrich fogleich abreijen ?”
Die Komteſſe nidte. — „Als mein Fremd l“ = - fang |
e von ihren Lippen.
„Es tt gut, bak Pta ihn nicht wiederjehen wird. Jede
Gel eqenbeit Dazu ijt mun wohl genommen, und die Ent-
en wirft auf die Liebe wie der Sturm. auf das. Feuer,
— er entfacht das große, aber das kleine löſcht er aus.
— Und Pias Liebe war nod) nicht groß, — fie hatte j ja
famn Wurzel geichlagen. “ Sränzchen hob das Geficht.
Es lag ein fremder Zug von jtolzer Energie darin. Die
dunklen Augen blickten jo feucht verjchleiert und dod) fo
troßig, wie bei einem Kind, welches weinen — naa
ſich dennoch ſeiner Thränen ihämt.
„Bir wollen’s abwarten, Mama!“ = midte Fe bic o
und dann richtete fie fich hod) auf und wandte fich zu dem
Baler: kia ahnt wicht, daß ich fie belaufcht habe, — und
weiß es auch nicht, daß ich mit Wulff-Dietrich einen Freund-
jchaftspaft alg Better und Coufine geichlofl en. Ste foll es
-auch nicht wijfen, demi fie ware in ihrem großen Mißtrauen
und ihrer Erregung imitande, ung für Verbündete des
Wetters zu erachten. Ich bitte euch, bleibt völlig harmlos
vor ifr, und laßt euch nicht das mindefte merten, Dağ wir
- willen, wer Aſſeſſor Hellmuth ift, — ich bitte euch darum.“
Der Graf nidte mechaniſch „Gewig, gewiß! es ift
mir Schr lich, wenn ich diefe unerquidlid)e Angelegenheit
nicht zu erörtern brauche!” und dann jhritt er auf dem
weichen Teppich abermals auf und nieder und murmelte:
„Er wollte auf das Majorat verzichten? — Ummöglid, —
= diu —
es fann nicht wahr fein! wie folte Nüdigers Cohn fo aus
der Art Schlagen ? — und nach kurzer Panje fuhr er wie im
Gelbitgeiprädh fort: „Hartwig tot. — Cs war wohl ein
Glick für ihn. — Wir Menschen fpinnen unjere Pläne, —
aber der liebe Herrgott Ipricht nur allzu aft Mein ijt Die
Rache!” —
Und der Mojoratsherr von t Nieded jant jchwerfällig
m den Seffel zurück, Hübte den Kopf in die Hand und
ſtartte ſinnend vor ſich nieder.
Die Gräfin legte den Arm um ihr Töchterchen und zog
fie in das Nebenzimmer.
„ab uns plaudern, Fränzchen, — du weißt, wie mir _
dies alles — und wohl mehr nod) die Zukunft, das Herz
bewegt!” —
Da warf die Meine den Kopf friich i in “den Naden. x
„Nein, Mütterchen, mir wollen feine Pläne mehr machen!
Hörteft du eS nicht joeben vom Papa, daß der liebe Gott
nichts danach fragt, ſondern feine eignen, wunderbaren Wege
geht? — Darum fort jest mit allem Grübeln und aller
Menſchenklugheit Es wird jhon alles gut werden, und der °
gerade Weg bleibt immer der bejte! — Lies ue hübſches
Buch, Mamachen, und gerfirene Dich, ich — |
„und Duel? ` |
Ich gebe — au Pia und fehe, ob He a wohl
einlapil’— .
Die Grafin — teübfelig vor fich Sin.
Der Regen raufehte gegen die Scheiben und die Welt
jab jo grau und trübe aus, wie fie vor den Augen eines
— 455 —
liegt, welcher aus rofigen, hoffnungsfrohen
Träumen zur traurigen Wirklichkeit erwacht.
Sie fonnte jeßt nicht allein fein.
Sie jchritt zurüd nad) dem Nebenzimmer, fegte id an
die Sette ihres Gatten nieder und nahm feine Hand ut
die thre. So hatten fie manch liebe Stunde daheim am
Erferfenfter in Nicdeck gefeffen und jenen großen, geheinmis—
vollen Plan ihres Lebens ausgeſponnen, welchen Gottes
Hand am heutigen ee le wunderbar zu 2 5 a
ſchien. x x |
k4 — *
Pia ſaß in ihrem kleinen Turmzimmer und ſtarrte
thränenlos auf die grau in grau yem,
landichaft hinaus.
Noch Hatte fih der Sturm, peler b: Inneres burd-
tobte, nicht gelegt, noc) war fie faim imſtande, Die ganze
Gripe ihres Clends zu faffen und zu begreifen. Wie eine
dumpfe, bleierne, unheimliche Schwere laftete e auf ihr
und benahm ihr das Denten, und während ihre Pulje wie
in Sieberjchauern flogen und ihr Herzichlag fie zu er-
ſticken Drohte, empfand fie eine: Siesta weldje fie Durch
jchauerte. x
Nur eine einzige Hahnvortellung beherrjchte fie. „Du
Dit auf das Schändlichite Hintergangen und betrogen, —
bon thm, den du geliebt haft, mehr wie ie einen en
auf der Welt!” —
| Und fie preßte Die Tippen, auf udde rine Küſſe nocd)
brannten, in herber Qual gujammen uud ftarrte voll wilder
— 4568. =
Sehnfucht nach dem Fluß Dernieber. — „Möchte er doch
heute mich felbjt in fühlen Wogen betten, fo wie er geltern
meinen blühenden Liebesgruß auf jchimmernden Fluten
wiegte!” —
Und dann pregte fie Die falten Hände gegen Die
. Stirn und dachte voll bitteren Wehs: — „Was it noch
echt und wahr auf der Welt, wenn ſelbſt ſeine Liebe er:
logen ijt?” — x
Draußen jaujte der Wind, der Treuloje, als einzige
Antwort auf ihre Frage.
Tanie Johanna mußte von Wulff Vietrid)s liſtigem
Auſchlag und begünſtigte ihn, — das war für Pia außer
Zweifel
— Warum hätte fie fonjt den frenbidanliden Verfehr
mit einem Aſſeſſor Hellmuth geduldet, jelbjt dann nod)
geduldet, als fie jab, wie Fränzchen mit vollen Segeln
in eine ſchwärmeriſche Liebe zu ihm hineinfteuerte?
Und darum redete fie auch der Nichte jo lebhaft und
eindringlich ab, die Gemahlin des künftigen Majoratsherrn
zu werden, um jeden Schein einer Begitujtigung zu ver-
meiden, um Pia völlig ficher und harmlos zu machen, und
Wulff Dietrich den Sieg dadurch noch zu erleichtern.
Eine grenzenloje Erbitterung erfaßte fie bei Dem Ge-
danfen und ein wilder Trog, nun eri recht alle hinter:
liſtigen RI dine Der Berbündeten zu vereiteln
Und diejes Gefühl von Haß und Empörung lieh fürerſt
den Verluſt ihrer Liebe. völlig in den Hintergrund treten;
a ae ns — a — s) wie ih
—
POOH T PINS
an *
Sa
‚Herz, und folange ed noch wirr und wüft in ihrem Innern
nadh Klarheit rang, verblaßte die Erinnerung an ihr
junges Liebesglüd, wie die Welt plöglich in Nacht und
Dunfel verfinkt, wenn die Sonne von ſchwarzen Wetter:
wolfen verichlungen wird.
Nicht ein Gedanke der Entſchuldigung oder des Zweifels
an Wulff⸗Dietrichs Schuld tauchte in ihr auf, ihre Heftig-
feit rif} jie mit fidh fort, in planlofe, grund- und haltloſe
Vorſtellungen hinein, und das Wahugebilde, welches ihr
das Mißtrauen im eriten Augenblid bligartig. vorgefpiegelt,
verfolgte fie und gewann immer mehr Geftalt und Farbe,
je leidenjehaftlicher fie Hd) in ihren Echmerz verſenkte x
` Dorette hatte jdon gum zweitenmale geklopft und ges
meldet, daß das Frühſtück ferviert fet und Die Herr] —
auf Das gnidige Fraulein warteten.
Ria erhob fick bligenden Auges. Sie brauchte fein
rotgeweintes Antlitz zu fühlen, ehe fie fih vor Menjchen
zeigte, ihre marmorfühle Bläffe fiel taum auf.
Sie fcheut die forfchenden Blide nicht, im Gegenteil,
eS wird ihr eine ſtolze Genugthuung gewähren, fich vor
ihnen zu zeigen, ungebeugter, ungedemütigter wie je; — `
fie haßt die Niedecks fie alle! — Ontel und Tante Johanna
vielleicht mehr wie jenen egoiltiichen Komöpdianten, für
welchen fie gefällig die Couliſſen zurecht ſchoben und ihm
das Stichwort zuflüſterten.
Sie follen fehen, Daß ihre Falſchheit feine Wunde ſchlug
bal Pia von Nördlingen viel zu Vols ijt, um jenem Berz
ächtlichen eine Thräne nachguweinen, um kraft: und mut:
< 159 —
log plama zu breden, wenn Lie Lebensglüc von e :
x an Händen. in Trümmer gejchlagen wird,
Mechaniſch ſtrich fie über die lockigen Haare, fie zu
| oiia richtete fich hoch auf und foriti ftarren Blicks,
beinahe unheimlich in die] jer ie ae jeden, die teppich-
belegte Treppe hinab. |
Der eilige Schritt eines Kellners tönte ihr von der
Treppe entgegen, ala fie die Hand auf Die Klinte der Eh-
zimmerthür legte und geräufchlos eintrat.
Cin Blid auf den Fruhſtuckstiſch zeigte ibr, daß die
gräfliche Familie eae Hinges a r — hatte. Das
° war leer.
Gleichzeitig top te es š haftig a an | der Thür des feinen
Nebenjalons. —
Die Stimme de3 Dnfela ale „Herein.’
„Der Herr Forſtaſſeſſor Hellmuth bittet um die Ehre,
jich vor jeiner Abreife von der gnädigen Herrſchaft ver-
abſchieden zu dürfen,” |
Einen Augenblick herrjdjte tiefe Stille, und Pia, welche
- jählings einen Schritt vortrat, jah, wie Ontel und Tante,
die zufanımen ant Fenſter apen einen ſehr betroffenen
Blick wechjelten.
Dann nidte die Gräfin mit ee Mudr i in Den
fanjten Nehaugen und ihr Gatte jagte mit etwas gereret
Stimme: „ich (aje bitten!”
Em ſpöttiſches Lächeln kräufe elte die Qippelr des jungen
Mädchens. Wie amphiro flawimte es in den ftarren
| Sat Bul: ier
— 460 —
Welch ein Abjchied wird das werden! Wie höchit qe-
demütigt werden die ausgepfiffenen Akteurs fich jetzt kon⸗
dolierend die Hände drücken!
Sites unrecht oder unedel, zu lauſchen? |
In dieſem Falle ficher nicht, wo fie ja fetber der Pelz
ijt, um welen man verhandelt, der Belz, welchen man
jo zuverſichtlich verfaufte, ehe man den Bären hatte!
Pia freuzt gelaffen bie Arme über der Bruft und lehnt
fich wartend gegen den Thürpfojten; feitlich von ibr meer
findet ſich der Salon, durch deffen halb geöffnete Thür
man zwar nur einen flemen Naum des Zimmers über
bliefen, wohl aber jedes Wort verf ſtehen fanı, welches darın
gewechjelt wird.
Sie empfindet ed als Geuugthuung, ale eine Werechtig-
feit des Schickſals, daß fie fih von feiner Edhuld, feiner
Verächtlichkeit überzeugen fann; feinen bejjeren Bal-
jam gibt es wohl für die Kunde, nee man ihr ge
Ichlagen.
"Schritte auf dem Flur, ſein — Schrut, nur
ſchwerer, nicht jo elaſtiſch wie jonft..
Das gräfliche Ehepaar verharrt im Nebenzimmer
regungslos, in tiefem Schweigen, — es ift jo ftill, dah
Pia vermeint, fie hore ihr Herz flopfen, unrubiger, ſchneller,
feit fein Schritt erflingt.
Ein kurzes Klopfen, — der Kellner reißt die Thür
auf, — Wulff⸗Dietrich tritt ein.
Das junge Mädchen lehnt fich feiter gegen den Thür-
pfoften, eine jähe Echwäche überfommt fie, wie Schatten
oe ee
wallt e3 vor ihren Augen; — fie beißt die Zähne auf-
einander und richtet fic) gewaltfam auf. |
„Ich Höre zu meinem größten Bedauern und Befrem—
den, dat Cie abreijen wollen, mein lieber Affeffor” —
ftottert Ontel Willibald und ſchreitet ſeinem Beſuch mit
unficheren Schritten entgegen, — ‚amd wie ich durch
Fränzchen hörte, ift der Grund Ihrer Abreife ein ganz.
beſonders trauriger; — wir nehmen herzlichen Anteil an
Dem ſchweren Verluft, welcher Cie betroff ett; — abr Herr
x Bruder ſtarb ſehr plöglih?”
Eine kleine, verlegene Baufe, — man hört die fernen
Soldfetten der Manfchettenfnöpfe, an welchen der Sprecher ee |
hangende Kugeln mear, leife entlingen r lous L G :
bie Hand.
Celtiam — warum nennt er ‘ign ae vier t ugen a
noch „Affeffor 2!”
Faulein Fränzchen hat Ihnen — von unſerm
Zuſammentreffen im Garn ee = Me Oe
Miſter Luxor?“ | ane
Wie feltiam verändert klingt ine Stimme! Pia fühlt,
daß ein finfterer, qualvoller Schauer fie bei Diejem Klang
durchrieſelt.
Sie neigt ſich mechaniſch vor — ſie fieht jujt in Onkel
- —Willibalds Geficht, und ſieht, bab eS heiß errötet. Er
mocht eine haftige Gejte, als jchleudere er etwas Unficht-
bares von fich fort, — tritt Schnell eimen Schritt: näher
und breitet voll herzlicher Empfindung die Arme aus.
„Wulff Dietrich! — nein, bei Gott, ich fann und will es
— 462 —
nicht leugnen, bab ich durch Fränzchen erfuhr, wer dt
bijt! — und weil ich dich als Forftaffeffor Hellmuth lieb
gewann, fo will ich dic) als meinen Neffen ehrlich weiter
lieben, — denn bu — Ba Bull Dietrich! — „DR
verdient es! — = x
„Ontel — mein heiter, gütigfter Ontel” — Seine
Stimme bebi vor Erregung, er wirft fich in die Arme
des alten Herrn und führt voll warmer Innigkeit fort:
„Gott fet gelobt für. dieſe Stunde! — der heutige Tag
hat mir wohl alles genommen, was eines Menjchen Süd
bedingt, aber fchenfte mir dafür dennoch eins, — die Er-
filling meines jehnlichiten Wunſches, — au oe
wijden bir und mir” |
Tante Iohanna, welche noch immer am Fenſter gez x
ſtanden, drückte unvermertt das Tafchentuch an die Mugen
und trat [eje an die Seite ihres Gatten. —
„Rulff-Dietrich — wie wunderbar find Gottes Wege,
wie umbermutet hat er ung zufammen geführt und wie hat
er es in feiner Gnade gefügt, dak Willibald did) trog aller
Vorurteile und allen Haffes nun doch a io lieb aioe |
mußte!” |
Pia fühlt es, wie ihre Knie zittern, ae hört es nicht |
mehr, was die Stimmen neben ihr ſprechen, es faut und
brauft vor ihren Ohren wie die Negenjchauer, welds der
Wind gegen die Fenſter peiticht. oy A
Die Hände vor das Antlitz schlagen, fintt fie auf t ae hi
Stuhl, welcher neben ihr fteht, nieder. x
u a bie r neben ihr roirflich af in `
— 452 - =
diefem Wngenbli€? That fie Onkel und Tante unrecht
mit ihrem. Verdacht? — Vielleicht — ach, vielleicht auh
ifm? — `
Seine Worte (ügen in Diejem Aurgenblit nicht, fie
fühlt es; ihr Her ea plößlich wild auf in — und
CUBS a x
Und dann Hot fie e3 wie im Traum, — fern, ganz
~ fern her, wie Ontel Willibald jagt: „Sa, Fränzchen hat
uns alles erzählt, alles, mein armer Junge, und beflage
ich es doppelt, bab dich die unfelige Trauernachricht ge-
rade jest nach Haufe ruft. Das Mißverftändnis, welches
swijdjen dich und Pia getreten ift, muß fich aufklären,
und wenn auch nicht augenblicklich — fodann dod) {pater !/
„ein, augenblicklich! | will Bia voll alles vergejjender
Leidenſchaft rufen, will jählings auffpringen und zu dem
Geliebten eilen, ihm die Hände entgegen zu ſtrecken und
au rufen: „berzeih mir, — vergib mir — th...” —
— fie will fic) wantend erheben, ihre Augen ala wie
im weber
Mem, Ontel, nic jebt, nicht fpater!” Elingt Wulff:
Dietrichs Antwort tonlos, aber ſehr beftimmt, Zwiſchen
Pia und mir ift alles aus, — für jetzt und immerdar.” —
„Aber, beiter Junge, welch ein Peffimigmus! Eine
| Mädchenlaunel — Du weißt, Daß Die Anfichten Der ſchönen
grauen wie Aprilwetter wechſeln!“ |
Er ſchüttelt finfter das Haupt. „Die ae vielleicht
Die meinen nicht. Glaubft du, Onfel, daß mein Stolz
weniger empfindlich ift, wie der ihre? Die Anklage, welche
== 404 —
Pia mir entgegen ſchleuderte, die s Berdichtiguug,
durch welche fie mic) fränfte, fann ich nicht entfräften;
Da ijt fein Beweis, den ich ihr entgegen ftellen fönnte,
und meinen Worten allein glaubt fie niht. Solange
wie ich der Majoratserbe von. Nieded bin, tann und
darf ich Pia nicht wieder von Liebe reden, ohne meine
Ehre unter die Füße zu treten! Und Hartwigs Tod
bürdet mir rettungslos bie Sajt bes Erbes auf, weles
fechzehn Ahnen von meiner Gemahlin verlangt. —
Du bijt jelber ein Niedeck, Onkel, du fennft unjere De: :
vife, welche feinen Hauch auf blanfem Schilde duldet. — 5
Pias Mißtrauen würde aber Flecken auf dem Schilde
ſehen, welche feine Macht der Welt je löfchen fann. Konnie -
fie in diefer Stunde ſelbſt an der Wahrheit meiner Liebe |
‚zweifeln, jo wird fie eë ewig thun, folange der Majo: ee
ratgerbe um ihre Hand wirbt. Wollte ich auch — ich
fönnte es nicht. — Sie jelber hat mir den Weg zu ihrem
ae abgeſchnitten und Hartwigs Tod Hat vollends cine
luft zwifchen uns aufgerijjen, welche alte Liebe ber Welt o
nicht mehr überbrücken fann!”
Pia war auf ihren Plas zurüd gefunfen. Ein Biten x
rann durch ihren Körper und wie eine s falt,
eisfalt, froh es nach ihrem Herzen. 2
Sie wollte aufjchreien in unausſprechl icher Qual, fie
fonnte cë niht, — fie wollte die Hände auf dic Lippen
des Geliebten preffen, damit fie das Entſetzliche nicht aus ——
Iprechen möchten, — umjonft, wie gelähmt, bleiichwer, —
verjagten ihre Glieder den Dient.
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— 466 —
Und drimen fprachen fie weiter; — Tante Johanna
weiche Stimme tröftete mit wunderbaren Fügungen Gottes,
— und Onfel Willibald fam auf Hartwigs of und
Wulff Dietrichs Abreife zurüd. n
Areunde wollten fie bleiben! Der Neffe jollte als
lieber Gaſt nah Niedeck fonımen, — im Herbft, wenn
Willibald noch einmal auf furze Zeit nach dort zurüd-
fehrt, — und während der junge Graf voll herzlicher
Danfbarfeit verjpricht, der Einladung zu folgen, wird die
Thüre aufgeftoßen und Fränzchen ftürmt herein. — |
Wulff⸗Dietrich! Gott je Dank, dak ich dich noch
finde, — ich fuchte bas ganze Kurhaus nad dir ab!
Haft du dich den Eltern zu erfennen gegeben? — Ach
ich jehe es ja euern Gefichtern an, daß bier Frieden qez
ichlofjen wurde! — Ach wie bin ich fo glücklich darüber,
Wulff — jo glücklich!” — Sie wirft fich in ihrer Hür:
miſchen Weife an feine Bruft, — Pia ftarrt totenbleich
in den Spiegel, welcher der Thüre gegenüber hängt und
das Bild zurück wirft.
Er blidt ihr beinahe zärtlich) m die Augen, troß des
ſchwermütigen Ernſtes, welcher fein Antlitz befchattet.
„Mund wem verdanfe ich dieſen geſegneten grwa Dit
Fränzchen, dir ganz allem. — x
Wie ein Stid) zudte es durch Bias Herz. Fränzchen
in feinem Arm, — Fränzchen, die ihn liebt und fechgehn
Ahnen aufzählen fann — und Tante Johannas ſtrahlen⸗
der Wick, — ihr Lächeln, welches den ungeſtümen Bart:
lichfeiten der Tochter feine Schranfe zieht — mit gitterne
— 467 —
i Knien rafft fich die Lauſcherin empor und entitieht
lautlos wie ein Schatten, — unbemerft wie fie gefommen!
und Droben in ihrem Zimmerchen bricht fie mit leifem —
Klagelaut auf die Knie und neigt dad Antlig auf die
gerungenen Hände, Thränen ftürzen aus ihren Augen, —
heiße, brennende Thränen hoffnungsl ofer Liebe und vers
gmeijehnder dieuel
30*
EEA
XXII.
Drüde den Pfeil zu ſchnell nicht ab, ber niminer zurücftebrt;
Glück zu tanben ift ehe e8 wieder šu geben — fo idwer! `
| Herder
eine halbe Chumpe fpäter klopfte es an Pias
X matin x
z | Kann ich hereinfonmen, Bäschen? bitte,
ſchließe Dod) mal aj — ` ie
u
Laß mid) bitte noch ein Weilchen in . ant:
oorte nach abermaligem Klopfen eine heijere Stimme, —
„ich bin vom Regen durchnäßt und ziehe mh um!“ |
„Gut! ich fomme jpäter wieder! nicht wahr, du bez
eiljt Dich recht fehr?”
„Sa, Fränzchen, ich beeile mich.“ x
Und abermals blieb das junge Mädchen allen. Ez
war ftill um fie ber, nur die Negentropfen ſchlugen ein:
tönig gegen die Scheiben, der Wind faufte wie leiſes
Slagen und — und zu a ein =e durd den
‚Nebel.
Eine Stunde verftrid. —
— 469 —
Da Flopite e3 wiederum energifch, je (aut. oe .
den nannte eë Bauten! — —
pout Du nun endlich fertig a? Ich inde aid au
‚Tode bei dem Schandietter; außerdem habe ich bir
unbändig viel intereſſante, hochwichtige Dinge Ru er:
zählen!” -
-Da fprang der Schlüffel knarrend herum ud Fräulein
von Nördlingen öffnete, aber fie jchritt fofort zurüd und
jeßte fich auf einen Sefjel nieder, welcher im dunfeljten
Winfelchen des Zimmers ftand. Da fie dem Feniter
den Rüden fehrte, blieb ihr Antlit befchattet. Sie nahm
cine fleine Stickerei zur Gand und 30g mechanisch die
bunten Fäden durch den weißen Scidenftoff. Fränzchen
trat gerdufdjvoll und lebhaft, wie immer, ein, warf fich
in einen Schaufelftuhl und ſtreckte bie Beine von ich.
Obwohl fie fic) die erdenklichſte Mühe gab, recht harm:
(08 zu erjcheinen, hingen ihre Blide dennoch recht indis-
fret forjchend an dem halbabgewandten, bleichen Geficht
der Conſine
„Bott fet Dank, dak Du endlich gu fprecjen biv”, |
begaun Frangden mit einem Stoßſeufzer, „den ganzen
Morgen verpuppft du dich hier in deinem Bau und ahnjt
gar nicht, was für ein Kapitel Weltgefchichte fich drunten.
im Salon abjpielt! Gude mal her.” — Sie blics die
Backen auf wie ein Pojaunenengel. — „So plagevoll
fibe ih an Neuigfeiten, — und wenn ich ne nicht von
mir geben fann, explobiere ih!” — |
‚„Neuigkeitn?? — — Hier in Ainannshanfe ner
= AM =
fagte Pia mit müber Stimme, ohne den Kopf zu heben,
und doch zitterte Die Hand, welche die Nadel führte.
Den Falfenaugen des Badfischcheng entging es nicht,
aber fie blieb völlig unbefangen. „DaB A abz
gereiſt iff, weißt du?” — — |
Pia wollte fic) ein Wort bes Slaunens obigen.
aber Fränzchen ſchwang die Fugen des Stubles mit
doppelter Vehemenz und lachte leife auf. „Na, Distres
tion Ehrenfadhel — Daß etwas zwiſchen euch vorge
fallen ift, merkte ich ihm augenblicklich an, und daß er
nicht mal einen Abſchiedsknir machte, beftätigt mir Die
a Ein bißchen. santen thut ſich ja wohl jeder
mall... . Back Ichlägt ſich, Pad verträgt fih! Ich
mache es ja ebenjo, aber nach ein paar Stunden ift
dann aller Grol vergeffen und ich freue mich jedesmal
hinterher, daß ich dem Gegenftand meines Hafjes nicht.
alle Badzähne operiert Habe, wie ich das in der erjten
Wut heabfichtigt !”
Reine Antwort.
Sränzchen fuhr mit gefpreizten Fingern durch die
Haare und lachte verſch mist: „Sicherlich hat der arme
Kerl fein Incognito vor Mik Lilian gelüftet, und anftatt,
daß Hold-Amerika anbetend vor feiner Grafentrone in
die Rite fant, Hagelte bie Entrüitung. knüppeldick auf
ihn nieder. Du haft ihn wohl feſte angeblajen, hm? ?!
Pia machte eine ungeduldige Bewegung mit den
Schultern, ihre Lippen gudten wie muter phyſiſchem
Ein eu —
= ATE
„Weißt du, wer der Sorftaffeffo peti wus
sa =
„Mein Better Wuljf- Dietrich l — ekrfnschen ſprang
lebhaft auf die Füße und fuchtelte mit den Armen durch
die Luft. „Du ſcheinſt zwar wütend auf ihm zu fein,
Bäschen, aber ich verfichere dir, er ift trog allem ein
Prachtmenſch, und ich fann dir gar nicht fagen, wie id)
mich über diefen neuen Better freue, rajend, ungeheuer,
Die ganze Welt möchte ich in meiner Fröhlichkeit ums
armen! — (r hatte ich eine Todesangjt, daß Bater
ihm auc) jiedejactgrob fommen würde, aber Gott fei —
Dank hat fih alles in ſchönſter Harmonie aufgelöft! —
Sie haben fic) umarmt, fic) dauernde, treue Freund-
ſchaft gelobt — aber zum Going . 2. gm.» hn, :
man fonnte e8 ja anc) faum vom Bater anders ver:
langen.” — — —.
Bum Chluß . . . was gefdah zum Schluß?”
pea, der Alte jagte ihm ehrlich heraus, Wulff-Dtetrich.
jci zwar ein vortrefflicher, liebenswerter Menih, aber fein
Vater bleibe ihm nad) wie vor in den Tod verhaft. Er
fünne nicht über das Attentat hinaus kommen, welches
Dnfel Rüdiger ehemals gegen ihn geplant habe — —
na, und was fo dergleichen mehr war. Aber Wulff fprach
gang famos — ohne feine Eltern entfchuldigen zu wollen
— Daß er fih beitreben werde, Durch Doppelte Liebe und
Trene alles gut zu machen, was die Seinen an Papa
verjchuldet hätten, und dann bat er, daß mir ſeinem
Bruder feinen Grol nachtragen möchten — fein jäher
2 475 a
Tod habe ihm die Möglichfeit genommen, fia noh mit
uns auszwjöhnen.” — — `
„Dartwig . . TH wirklich tot 2” — -ia Tegte Die
Schmale Hand Teije au ſtöhnend über | die augen ei
att das Entjebliche gej ſchehen?“ — | |
Fragen rückte fih einen Stuhl Dicht: an die Seite
des jungen Mädchens, legte zärtlich) den Arm um fie
und erzählte von ber Depefche, und der übermütig harm- BE:
lofe Ton, net fe zuvor erzwungen, wich b töplich einem
tiefen Ernjt. —
SSH hafun Sorfchen haft ihr BI lid auf dem fo
fehr veränderten Autlitz Bias. Feſter und feſter drückte
ſie die ſchlanke Geſtalt an fic), a als plößlich wieder
große, leuchtende Thranen über Bias Wangen rollten, da
biß fie wie im wilden, leidenſchaftlichem Schmerz die Zähne
zuſammen, fiefs jählings die Arme finfen und jprang anf.
„Sch foll mit Papa Billard jpiclen, — fomnit, du
mit 2” fragte ſie gug unvermittelt.
Pia jehüttelte ſtumm den Kopf, fie konnte nicht
ſprechen
Fränzchen blickte ſekundenlang auf ſie nieder, ein Aus⸗
druck hilflofen Kimuners lag auf ihrem Seficht, dann
jaßte fie mit frampfhaften Druck ihren Arm. „Weine
Doch nicht, Pia! — Du wirit alles überwinden und ver-
-eha ſtieß fie beinahe raul hervor. „Wir reifen morgen
weiter... und wenn du Neues. rit und ſiehſt, tommit
du auf andere Gedanken! Die Zeit heilt alles. — Ru
und die furze Begegnung mit Wulff- Dietrich und euer —
— 474 —
Streit zum Schluß par: dir, fo Gott wil feine tiefe Wunde
geichlagen ?! —
-.. Wieder anime es wie heiße Eiferfucht i in ben buntlen
Augen, als das Badfifchchen fidh neigte und einen Blid
in Pias Antlit erzwingen wollte. Sie jah nur die leiſe
bebenden Hände, welche es ass —
Nachher fomme ich wieder! . . . Dies gemeine, ab:
fcheuliche Wetter! Gerade heute in — Stube ſitzen! das
taugt am wenigſten für dich! — Na, ich bring etwas
Luſtiges mit, Die Fliegenden Blatter, dann lachen wir zu-
fammen, nicht wahr? Adieu!“ und die berben enge
lijehen Schuhe polterten davon und die Thüre jchlug —
frachend Hinter Komteßchen gu. — Draußen auf dem Flur
wiſchte Frangdhen mit dem Handrücken über m Stim —
und feufzte tief und ſchmerzlich auf. —
„sh fürchte, fie liebt ihn und wird nicht von ihm
laſſen!“ murmelte fie aufgeregt, „und e3 lange mit angu-
ichen, daß fie weint, — nein, das fann ich niht!” —
Mechaniſch ſchritt fie den Korridor entlang, was follte
fie thun? — ime entjegliche Unruhe quälte fie, die engen
Bimmer deuchten ihr erdriicfend und erftifenb. Hinan3!
auf die Berge Elcttern! Fret aufatmen, fich austoben
und abjchütteln, mas quält und üngitigt, ja, das muß
fie. Ihr Vater fcheut and) fein Negenwetter, — er wird
fie begleiten. Fränzchen reckte und Hredte die Arme und
{chitttelte bie Haare in den Naden, fen, ungeduldig und
aufgeregt wie ein Füllen, welches gum one gegen
Baum und Halfter aufbäumt.
= jJ —
Auch fie fühlt unbefaunte, feine geheimnisvolle Fäd—
chen, welche fie feft und feiter umſtricken, fie fämpft an
dagegen, fie will fie zerreißen, — aber fie greift tollpat:
jchig in bie leere Luft, und weiß noch nicht, wo finden
und fa — — as! — fie print hinaus!
*
Tage waren vergangen, das Wetter hatte fi | wieder
gebeſſert, und wenn auch fein ftrahfender Sonnenſchein
wie zuvor die Welt vergoldete und die Temperatur fühl
und windig blieb, jo waren die. Regenwolten dod) ver-
gogen und nieder ten Ausflüge in das Freie nicht.
Zu Bias danfbarer Beruhigung hatten weder Dufel
noch Tante eine Silbe von ihren Beziehungen zu Wulff-
Dietrich und ber unglücjeligen Ausſprache mit ihm erz
wähnt.
Dah fie zu ihrer großen Freude den Vetter in ihm
gefunden, bekannten fie indeſſen oft und gern, wenngleich
die ganze Familie bemüht Jchien, die Erinnerung an ihn
nicht allzu friſch zu erhalten.
Man jebte die Reife fort, und Fränzchen war ehrlich
genug, der Couſine gegenüber die Hoffnung auszufprechen,
daß eine andere Umgebung und neue Eindrüde ihr über
den Aßmannshäuſer Arger” hinweghelfen würden.
Mit ſchmerzlichem Lächeln beobachtete Pia, wie man
voll rührender Güte alles aufbot, um fie zu zerſtreuen
und zu amiifieren! Fränzchen überhäufte fie mit den er-
denflichjten Aufmerkjamfeiten, und wenn ihre Zärtlich-
feiten fich zumeift aud) in ein etwas derbes Gewand
hüllten und der RiipelHaftigteit nich f gang — lO
famen fie doch aus treuen imd fiebevolfftem Herzen, das
bewies Der Ausdruck Der großen, dunklen Mugen in wei-
chen Pia oft noch cine flehende Angit entdeckte, welche
ihnen jonft frend gewesen. Voll ausgelafl ener Lane
und Heiterfeit fuchte das Backfiichchen die heitere Stim: —
ning zurüc zu zaubern, welche. pordem in dem fleinen
Kreiſe geherricht hatte, und wenn cë ihr gelang, um Pias
- ernite Lippen ein Lächeln: zu loden, oder das bleiche Antlitz
durch einen bejonders „tollen Wig” zu röten, Dann ſtrahl⸗
ten ihre Augen vor Wonne und ihr Blid flog voll jeligen
Triumphes zu der Mutter Hiniiber, als wolle fie jagen. |
„Siehit du? ich. winge es dodh” — —
Pia bemerkte dieſe Anftrengungen wohl, und fie — = _
biutenden Herzens auch, aus welchen runde fic gemacht =
wurden. Es widerftrebte Franzchens ehrlich geradem © Sim,
aus den Unglück der Freundin Mugen zu ziehen. Eic
wollte in ihrer Liebe zu Wulff-Dielrich nicht glüdlig jeit,
fo Í ange Bia heiße Thranen um ihn vergoß |
Darum bemühte fie ſich, erſt Sie Runden heilen au
(aen, ehe fie als Nivalin auftrat.
Daß Frängchen oft mit allen: Sedanfen bei dem etter
weilte, daß fie ſeiner im geheimen voll glühender € Cehi
juht gedachte, war zweifellos. x
Oft, wenn Pia überrafchend in Das Bune trat,
verjiummte jahlings eine ſehr lebhafte Unterhaltung, bei
welcher manchmal nod ber Name des OF iebten i ihr
ee = — RSE
een 477. TE z
Cine tiefe Betroffenheit malte ſich zumeiſt auf den
Geſichtern und die Blide forſchten beinahe anaftlich, ob
Pia wohl den Eim der Neden erfaßt haben tune,
Der Graf schien bejonders lebhaft von dem Tüchterchen
: „bearbeitet“ | zu werden, und ihren Wiünfchen einen wohl
gerechtfertigten Widerjtand entgegenzufehen.
Wenn Wulff-Dietrich auch nicht allzu nah mit der-
Kleinen verwandt war, fo mußte doch eine Heirat zwiſchen
ihnen mit Bejorgnis erfüllen, da fich bet der Familie
jo wie fo fehon die erften Spuren zur Degeneration
zeigten.
Aber was half das Grübeln? Die Notwendigkeit ſtand
als zwingende Macht Dinter ihnen, denn fo wie die Statuten
“Der Erbjo! ge abgetapt waren, mußten die Niedecks cine
Frau mit ſechzehn Ahnen heimführen, oder der ganze
Grundbeſitß fiel der Krone 3
Daß unter folchen Umftänden nicht darauf zu —
war, des Landesherrn Macht und Gnade möge jene bez
deutungsjchiwere Klauſel ändern, war Har. Wo aber
follte Wulff = Dietrich unter den Töchtern des Kleinen
Ländchens Die. vorichriftsmäßige Gattin finden, da Bia
die einzig paffende, voll tindiſchen Trobes jede Mög
lichfeit abgeſchnitten hatte? — Nun waren die Niedecks
auf fic) ſelber angewiefen, und wenn Grat Willibald
fich zuerft auch noch fträubte, den Sohn feines Tod-
feindes als Eidam in die Arme zu fchliehen, jo mußte es
ihm unter obwaltenden Verhaltniſſen dennoch zur Pflicht
Ben den Ben en Samilienbefit zu — er
fonnte ihm der Gedanfe, fein einziges Sind als Herrin alles
deffen zu jehen, was ihm biäher gu eigen gewejen, nur
hoch erfreulich fein. Ob alfo früher oder jpäter Fränzchen
wird fiegen und die glücjelige Gemahlin des geliebten
Betters werden. — 2S
Pia litt unbeichreibliche Qualen bei Diejer Anficht,
welche mehr und mehr zu ihrer Überzeuaung ward. Wenn
fie in langen einjamen Nächten Thränen der Verzweiflung
weinte und unter bitteriten Eelbjtanflagen und Vorwürfen
Die Hände rang, dann gab es nur eins, was fie momentan —
tröſten konnte, der alte Trotz und die alte Erbitterung!
Dann Hob wieder und wieder das Miftrauen fein
Ihillernd Natternhanpt und flüfterte ihr zu: „Er liebt.
dich ja doch nicht! Gr jpielte dir ja dod) nur eine
liftige & Komödie vor! Er wußte genau, wer Lilian Luror
war und warb nicht um fie, jondern auf jewitiichen
Wege um die jechzehn Ahnen!” —
An diefen Wahn flammerte fie fich feſt mit der blinden
Beharrlichkeit eines Ertrinfenden, der auch zum zweitens
mal noh nach dem Strohhalin greift, welcher ihm jchon
einmal unter den Händen fortgeglitten!
Man hatte Koblenz erreicht und in einem der erſten
Hotels Wohnung genorimen.
Pia wußte nod nicht genau mit den Almen Bez
jcheid und öffnete eine Thür, in der Meinung, den kleinen
Salon der Gräfin zu betreten. —
Ste wid) erichroden zurüd, als fie ein Schlalzimmer
vor fidh jah, — aber in demſelben Augenblick erfanute
— 479 —
fie Fränzchen, melche auf dem Fenfterbrett ſaß und mit
wahrhaft verflärtem Geficht einen Brief las.
Bei Pias Bli ward fie blutrot und nut haftig mit
Hand. und Brief hinter den Rüden. |
Fräulein von Nördlingen ſchloß die Thür wieder,
‚aber schon trabte Komteßchen durch Die Stube, ſchlug
in ihrer lanten Weife hart nni die Klinke md ber
Soufine nad). :
Wollteſt du mich abholen, Pia?” late fie vertegen,
Warum warteft Du nicht auf mich 2”
„Ich jab, daß bu beichäftigt warſt!“
Fränzchen folgte ihr in den Salon, die Eltern waren
nicht anwejend.
„Bah — das war doch nichts Wichtiges! Du weißt
doch, bab deine Geſellſchaft mir vor allen Dingen das
bejte, liebjte und intereljantefte ijt!”
Sie warf fic) in einen Seifel I a7 ine: noch
ſehr rot aus.
Fräulein pon Nördlingen trat ſchweigend zum Senter,
bas Herz that ihr weh, — fle lehute Hd) ftumm gegen
die glatte Scheibe und jtarrte mit brennenden Augen
gerade aus.
piel —
„Sränzdjen?“ —
„Barum fragft bu mich nicht, von wem ber Brief
war?” Hang es beinahe rauh von dem Seffel herüber.
„Beil eë mich nichts angeht.” |
„So, ift dir alles fo gleichgültig, was mid) betrifft?”
= AS coe
owi. rich). “abet darum darj man don) mal š
‘inbistret jen.” a
3wiſchen uns gibt es feine Indiskretion! Der Brief
ijt von Wulff⸗Dietrich!“ —
Keine Antwort. —
„suterejitert er dich. gar nicht?” —
pa atmete jchwer auf. „ES genügt Doch, wenn fich
cine von ung dafür begeiftert, und das thuft du ja”
| Wußteſt du denn Icon, daß wir fossa poe
Du bift jo gar nicht überrafcht!” a
„Nein, ich wußte e ii o
Aber du bijt mir ſehr ‘bite deswegen‘ 2“ Frangzehen
Iprang auf und bficte mit ſeltſam upg, angiter=
—Ç fülltem Blick in das ernſte, farbloſe An Pia — MM
rief fie feidenfchaftlich, „ich könnte es nicht ertragen, wenn
Du falſch von mir bächteft! Nur das nicht! Lahier —
da fies den Brief — — eigentl ich ſollteſt Du jetzt noch
nichts willen, aber wenn du mich mit folh faltem, frem⸗
dem Blid anfieh{t — adj, liebe, liche Ba — — ic)
faın ja dod) m für mein eop uang, dummes
—
Wie ein Gifeshaud wehte es über die höher, thränen=
im Augen. — Nod) follte fie nichts wiſſen? Seht ſchon
tröſtete fich der Majoratsherr und greift voll ungeſtümer
Haſt nach dem letzten Rett ungana, or jechaehn
am bill _ |
Sie möchte aab laut und gellend, aber fie fam
' ë nicht, Eine Baun a — kommt über | ie —
— — —*
"= yw aeta sa a Ash es
nn . ag
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31
Der Maforatsherr IT
t
Mom, 1. Nov
ff.
{
3
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v Eſchſtrut
N
= 4862 =
Sie jchiebt bie Harb, welche oa Brief beinahe trogig
darbietet, zurüd und will wortlos an ber einen vorüber-
ichreiten. Da blidt fie in die Augen, die redlichen, Haren
Kinderaugen, in welchen d) das ganze Herz ſpiegelt—
Trägt Franzch en die Schuld an ſeiner Untreue?
| „Rein! tanjendmal nein!“ Wie ein Aufjhluch en riugt
es ſich von Pias Rippen, fie fehlingt die Arme um die
eckige Figur des Backfiſchchens und birgt das Antlitz an
‚ihrer Schulter. „Laß gut jein, Fränzchen, erjpare mir
Die Qual! | G muß ja fo fommen zwiſchen euch, ob
früher oder jpäter, ud das jol mein Troft jein, dab du
. wirſt, — bu liebſt ihn jal’!
‚Steine Antwort; aufs höchſte betroffen, wie gelägme =
vor Überrafchung ftarrt Sränzchen auf die Sprecherin, —
ja, fie ift fo perplex, daß fie fogar vergiht, dieſe Weiche n
heit der Couſine HUNG, | um fie mit Detanntem Une
geſtüm apathy) ene. |
a. ee > P “° oahi te fie mit
weit anĵgeriji enen Mugen, „Du meint, daß ich In...
Daf ich ihn heiraten werde? . 7
Und bona ereignet ſich etwas ſehr Uberrajeh endea.
Framchen prefit Die Rippen gufammen und pluſtert die
Baden auf, daß fie Hirfchrot wird, fie will. nicht Lachen,
abfolut nicht, aber fie faim es nicht, es geht üher ihre
Kräfte! Mit einen unartifulierten Laut, halb erſtickt im
Pruſchten und Gurgeln, reißt fie ſich loa, wirft ſich auf
einen Eefiel, daß die Kühe Hod) in die Luft ft fliegen, p
Die Arme über dem Magen zuſammen, Daß fie ſich fritinmt, |
ae 489 Re
und bricht in ein Gelächter aus, jo unbändig, fo fehreiend -
und laut, als wollte fie eritiden an ihrer
Fröhlichteit. =
Beinahe entſeßzt weicht Bia aurüd und ‘pref Die
Hände gegen die Ohren. “sit die Kleine verric ge⸗
worden?! . x |
Nein, fie WL bet völlig nies Sn. —
i nur por Lachen! x
Und das üt dieſer Minute! en
s (ujë ticffte verlegt wendet fidh Pia ab. Welch ein
imndiſches albernes Benehmen; und folch ein thörichtes, —
fleines Wejen foll die en eines es
werden! Se
Sa, fie möchte and jeden, wi [den Borne abe, x< —
mit bligenden Thränen in ben Mugen! | —
verſtummt Framchen plöglich, mat auf a
_ ſchlingt die Arme ungeſtum um den Naden der Confie.
z „Berzeih mir, Liebjte!” keucht Ste, „aber aber...
ich. mußte wahrhaftig lachen . . ich meine 03 wicht böfe,
wirflich nit... = fam nur fo unerwartet. und es
war jo fomi- . ach... liebe, füge Bia, bitte, siene
mir nicht!” und oak trob alles W iderftrebeng. ein fhal
fender Kup auf die Wangen, und wie ein Wirbel (wind
- jaujt das Backfiſchchen davon, ‚glühend und bunfefrot.
T Fräulein don Nördlingen aber ſinkt müde auf einen
Stuhl am Fenſter nieder und jük st Die ſchmerzende Stirn
m Die Hand. Em Bug tiefer We ehmut Heat um ihre
en und verfheudt | den “Amelie Ausdrud, welcher
2 le.
oe 4 —
zuvor — lit, Beber Ren, fie a nich —
gerecht fett, o o ne, :
Sie bab bie Melanii id ofti it fonder: |
bariter Weiſe bei jungen Menſchenkindern en und
Fränzchen war faſſungslos und ea m biejem
Augenblick. |
| su ſüßes Geheimnis welches fie. — ol bohiitet
geglaubt, plötzlich von Pia Lippen zu hören, hatte fie
erichredt. amd verwirrt, und weil fie nicht wußte, was au
antworten, nahm fie ihre Zuflucht zu einer übertriebenen
en a iterfeit, welche nichts leugnete und nichts. zugab!
x ‚Kleine Närcin, gerade dieſes finnloje Gelächter verriet De
. fie am meiften, und Pia zümt ihr gewiß nicht baru; 5
fie: weiß, daß fie mit dem Unberſtand und den NL. A
geklärten Empfindungen eines Kindes rechnen muß.
Wohin fie Hd wohl geflüchtet pa? 2
Hord . . gedämpft . .. ang dem Zimmer der Gräfin :
heriiber ichatlt abermals ihr Gelächter, jest verſtummt |
es, als habe ro ‚äh! — eine au au Wren M und a
gelegt : | aes
oo Eicher lich. beit. fie in irgend e ein Sojatijjen, um i |
un zu a — =: =
nn Nas Blick ſchweift thränenglänzond durch das Rene ee
o haftet jählings aur etwas Weißem, Berfuittertem, == z
weiches pot panda Ziel liegt. a o Sein
Brick! So 3 aes poe |
Was gäbe fie Darin, une tk einen einigen Blid x
ul dieje Beilen thun! =
— ASG oS
Fränzchen hat es ihe ja erlaubt und angeboten! Sic
begeht feine Indiskretion, wenn jie das Se Schreiben auj-
hebt und kejt! Aber nein, — nein! — wozu È das? Cie
hat e8 ja aus feinen eigenen Munde gehört, dab zwi-
schen ihnen. für ewige Beit ein Abgrund aufgerifjen ijt,
der Majoratsherr von Nieded fanı und wird nie wieder
um ihre Liebe werben, nie wieder! Zwiſchen ihnen brauft
sam breiter, tiefer, tiefer Strom, und Die Bride, welche S
fich mit ftrablendem Bogen von hitben nad drüben pani, N
| hat Pia jetbft voll ſündhaften Trobes, voll unfe liger Heftige
Ç teit hinter ſich abgebrochen |
Soll fie. num mit Der Verzweiflung ini Herzen cinjam |
ain ſteilen Ufer ftehen, und ſehen wie drüben. die Hod-
zeit. geruſtet wird? Nein, nein! eg würde zu viel des
Leides fein, und bod nur. ‚einen Blid auf die Beilen,
welche jeine Hand gejchrieben, auf welche fein liebes Auge
geblickt — nur einmal zärtlich. mit Der. Hand Darüber
greifen, jeine geliebte Te wie um Traum zu eis
pfinden! | | x
Soll fie «8? Sie erhebt fich mechaniſch, fie wantt
dem Hellen Schein nah — — und dann zuckt fie auc
fammen, legt aufſtöhnend die Hände vor das WUntlig und
ſchrickt zur, als ob glühende Flammen aus dem veißen
Papier emporſchlügen, welche ſie ‚verderben wollen.
Coll fie 8? — Darf fie 8? x
-Und wenn ein Fremder dieſes Zimmer betritt? Kenn
Die Dienftboten Diefen Brief finden und ihn Durch ihre:
Neugier projenin É
an 186 = x
Mit jähem Nu neigt id pa amd reißt ihn von
ber Erde empor. — Sie muk
Und dawn blidt fie, auf = Blatt nieder, welches
fe ‘bebenden Finger fum ait foji en bermögen. G3 ijt
tir der Briefum] ihlag! Gott fi Lob und Danf, an
Diejem begeht He feinen Raub!) Ihre Blicke ſuchen voll
leidenſchaftlich elt Entzuckens ſeine Schriftzüge
‚Groß, Har und edel find He, ein Graphotog wirde
ſie wohl zu dei harmoniſchten zählen,
Pia hat in Holland graphologifdje Werke auf bes |
Ontels Schreibtiſch geſehen und Darin geblättert, fie ent- _
{imt fich ſehr wohl der ein zelnen Merkmale. Iſt mo
Wulff- Dietrichs Schrift ein einziger ug, ‚welcher auf
Falichheit, Verftellung, — met?
feiner! — Kein einziger! an
| Und doch, ijt die l iti cine ° perbiirgi i
Wiffeniehait? Redet fie Wahrheit? =
Nein, fie thut cë nicht! Bia will tae an fie aiani,
ihre Zweifel in. des Gel liebten Anfrichtigteit find ja die
einzigen BT au welche fic. fih Hammert,
wenn Die Hochflut von Sual, tte cue m ‚Dersel leid. ie
verjchlingen will . is
Ein Schritt: nähert fic). der Shir, joule | fehicht Pia
das Couvert ant ifr Kleid ad cilt Baal ar juden Sme R
au Dem Fenfter zurück.
‘Date Hee tritt ein
und "Zeitungen a ‚auf den Ei |
—- 157 =
„D, liebe Bia, welch. aü I ides gni all, Sah ich dich,
‚treffe! -Bijt du bejchäftigt 2“ |
. „rein, lieber. Onkel, wenn du eine Arbeit für mich
wüßtelt, wäre ich dir von Herzen dant bar! pe
Und ob ich welche fiir dich weiß! Johanna und
Fränzchen find nirgends zu finden, ‘ich vermute fie in
Garten und bin, ehrlich geitanden, zu müde, um ihnen
zu folgen. Da wäre e3 fehr lieb umd freundlich von Dir,
wenn du fie erfegen und einmal mein vortragender Rat
fein wollteft! Du weißt, daß mir bei der Paderei mein
Augenglas abhanden gekommen ift amd noch immer nicht.
durch den Optifus er rſetzt wurde; Da bin ich. blind und R
hilflos dieſen Poſtſachen gegenüber - uud bitte Dich. uns.
jtändigft, mir den Subalt ber Briefe vorzuleſen “
Fräulein bon Nördlingen any ſich zu einem müde
Lächeln „Aber, Ontelchen, — Wein um Geheinmiſſe
Darin tehen?” |
Der Graf ließ fich Debati í in einer Colgate nieder
und entzündete eine Cigarette.
Anbeſorgt, Darling”, Icherzte er, „meine Liebesbriet
lafje ich mir von Johanna dirett es Ohren flüftern!
» fo. doat Bitte, lied die Briefe erji einmal für Dich) Durch,
damit bu mir alsdann ihren Inhalt: flar und flichend.
vortragen fannft; — jo macht es meine Frau au.
ed Befehl! 2 Me echanifch griff Das junge
Mädchen nad) den STEH und n v Mans durch
die Hand gleiten. |
„die aft cit eid, weten gang mit ofeemertange |
befahrieben it: er fcheint viele Yapeps gemas zu jabon, =
folt ich ihn zuerst öffnen?“ s:
Wenn ich bitten darf.“
Gleichgultig, ohne näher te öffnete Bin bas
— fteife Couvert und ſchaute mit ihren thränenheißen Augen, |
darauf nieder, fic ftubte. „Meine lieben, teuren Eltern! —
Was bedeutet das? Ihr Blick überflog haftig die erfte
Seite — und ta auf ihrem eigenen Namen, — „Mih
Lilian Luxor...” Was bedeutet das? Sie tritt näher
an das Fenfter, neigt fich und lieſt — und das Papier
fniftert wunderlich zwiſchen ihren eisfalten Fingern, und
ifr Atem geht jchwer und feuchend, wie bei einer Eter-
benden. Cie ‚heit, — lieft den Brief Wulff Dietrichs,
welchen er an jenem unglückſeligen M dorgen an feine |
Eltern vichtete, den Brief, in. welchen er zu Guniten —
feines Bruders Hartwig. auf die, Erbfolge von Nicdeck
verzichten: will, weil er im Begriff Steht, Dd) mit einer 2
Amerikanerin, L lian Luror, gu verloben! Und wie wo
richtet er den Eltern von feiner Braut und feiner Liebe!
Alle Innigkeit, alle Glut feines treuen Herzens fchüttet
ev in Diejen Zeilen aus, himmelhoch jauchzend als glück—
feligfter Mann, — er r fid an dieſe Liebe zum
Mettler macht! ` —
— Pia blid ai oe Beilen m bid wie der Tod
wird ihr Alig, ihr Huge ſtarr und gläfern, ein Fröſteln
und Ritten geht. Durch ihre feb! ante Geftalt, blutrote
Nebel wallen um fie her, mit leiſem Wehſchrei greift ſie
taſtend um hi - ——
= 40 =
Rigs — > allimiehtiger Gott, wag ficht dich an?” Der
“Grof Toringt entfegt auf und. eilt zu ihr bin, aber noh
ehe er fie erreicht, bricht Pia fautlos, wie von inem
. aqa vor u nieder auf don. ai EN |
XXIII:
Mit taujeno Winiden bin id ausgegangen, .
Sem Lehr ich mit befrheinenem Berlungen,
Toh: hezt mein Herz wur einer Hoffnung eim, =
34 wees beim! —
Cart Gero
pA oimmerlich hei Tutein bie Sonneuſtrahlen in
| Pias Bimmer. Wap den Tiſch duftele ein Blumen-
en ftranß, bie Falter ftanden weit geöffnet, und das
junge. mM deen tehrte foeben, auf Sränzchens Arm ges
ftüßt, aus den Garten zurüd, um, immer noch etwas bleih
md erichöpft, auf den bequemen Sefjel niederzuſinken Ç
Voll rührender Sorgfalt waltete - das Backfiſchchen
ihres Pilegeramtes. Sie nahm mit pitzen gingen, ſchier —
drollig in ihrer Unbehol jenheit anzujehen, den leichten
Strohhut don den goldenen Löckchen der Confine, griff
haſtig nach den ſeidenen Shawl, ihn un die Schultern
der Genefenen zu legen und drückte beinahe mit dem
Daumen ein Loch in die Wand, als fie den Knopf der
eleftrijchen u in Bewegung Jepte, um eine Erfrifchung
u banat a
ann
JA
s y T
Dun
Writ gerührten Och ein s Pia den Eifer der
Kleinen, welche nur noch für Die Couſine zu (eben wd
| zu extitieren jedien.
= ine janite, jriebliche Ruhe lag auf dem Autlitz des
jungen Mädchens, ein Ausdruͤck ſtiller Exgebung, welche
überwunden Dat. Und. gerade dieſe engelhafte Milde war
RD, welche ehemals zu ihrer vollen. Schönheit gefehlt hatte. —
Der Zug herber Stolzes trat. zu fühl und abweifend
jervor, amd Die jprühende Heftigfeit blißte oft zu wetter:
-leuchtend aus. det Schönen Mugen, um die Eigenart ihres
Madonnen geſichtes nicht zu beeinträchtigen. Swar hatte
das ftrablende Lächeln des Glückes thr Untlig mit ſüßem
Zauber vertlivt, feit Wulff-Dierich ihren Weg gekreuzt
‘aber bie kleinen Teufelchen des Stolzes und Trobes `
= hatten Hd) nur verſteckt gehalten, um bei dem eriten Nite
daß, in jener ung (ürtjeligen < Scheidejtunde, Doppelt: heftig
u zu brechen. = oe
Nun, aber hatte das Schickſal ihnen den Serien erklärt,
| i = Tränen und Senfzer, Kummer und Herzeleid zu
Hilfe geholt und durch manch einſame, qualvolle Nadıt
in Beit em Rampf mit ihnen gerungen, bis der Sieg er-
fhitten war! Wulff-Dietrichs Brief hatte jener im Meer
des Leids Grtrintenden die lebte @runng plante aus der
Hand geriffen. ee i
Mum trieb fie burch Sage und Nächte hindurch u
— P braaien Wogen erbigter Sicberphantafien; aber
_ Die Nachtigall: fang unter dem Fenſter ein jüßes, pro:
phetijdes Lied. der sm und der Liebe. : |
— 493 —
Bange, Tramona Tage waren cŠ gewefen,
welchen Fränzchens derbes, friſches Geficht zum er :
mal im Leben erſchreckend elend ausgeſehen hatte, wo ſie
im Hilflojer Angit um Rias Reben feit langen Jahren
wieder Thränen in bent Augen gefühlt. Wher die junge, —
fräftige Natur Bias hatte überraschend. ich nell die Rrant:
heit überwunden, und als fie zum uses wieder über
die Schwelle ihres ‚Zimmers schritt, glich fie einem
Banmchen im Lenz, welches Der En geſchüttelt und.
in Zhranenfluten gebadet, damit bie kleinen giftigen
Inſekten, welche verjtectt in der. Blütenpracht jchliefen,
herausgefchüttelt und vernichtet wurden.
oe Run glängte Die Sonne auf einem Engelsangeficht, =
“amd Frängchen flüfterte mit leuchtenden Augen in Bete |
Mutter Ohr: „So {din wie jebt war fie noch Me
Auch mit Fränzehen hatte a in An geit eine
Veränderung vollzogen. | |
Shr Ubermut war tiefem ual an ii auf
dem feden, lebensluftigen Geſicht lag ber Ausdrud einer
Energie und Teftigkeit, welche nichts Mädehenhaftes mehr
an fic) hatte.
Es war gu erregten, öfteren Aus forachen zwiſchen
| ir und dem Grafen gekommen.
Was verhandelt wurde, erfuhr und ahnte fein Menfch,
a man ſchien fich ſchleßlich geeinigt gu haben, pet
Franzchens Augen bligten in Genugthnung, als fie mit
x bigger atten Geſicht bie Thür hinter Jd) ſchloß
Sie atmete auf und fuhr mit dem Taſchentuch |
über bie e Stim, ‚tat, t gum eer und ſtartte
in die Nacht baa oo
Ein Zug tieff tent as bebte um ihre S,
mir die Sterne am — wie ihre purge Seele
litt. — |
Grofer, gerber eines bee Sagi ijt Poefie! Auch
Durch Franzchens Herz zitterte m dieſer Stunde edel-
mütiger Entſagung das erſte Ver ſtehen be] jen, was eit
Tichterberz bewegt, wenn jich aus Fun tiefften =
Die heiligen Lieder ringen!
Aber Fränzchen war eine ſtarke, he Sentai Satur,
fie überwandt auch die lebte Anfechtung Diefer Stunde;
die Zähne zuj jammenbeifend, hob jie friſch Den Stop und
ſtrich energiſch iiber Die Augen a
Dam trat fie ſchallenden Schrittes, wie immer, in
den Galon der Mutter. | 2
Mama’, jagte fie mit fejter \ Stimme, ih —
eg durchgeſetzk! feinem. en wird bie Bonibe |
Heben? | a
Vie Gräfin lick Den cor momentan auf die Rrufi :
ſinken und verſchlang die pande wie in tatlojer. rs
gebenhett, — we le
„Nana, ware nicht gemein, ee ie ar
handelte? — Wulff: Dietrich iſt mein Freund/ = und
Pia habe ich lieb!’ — |
„Darum eben! — ‚gerade. banim! 7 jenfzte Frau Jo—
hanna jchmerzlich, dant aber ‚erhob | lie fidh haftig, breitete
mit Hivgh tennant Mugen | die Mame | aus Au 309 Fränzchen
an De Brujt. „Mein braves, cdles, hochherziges Kind!
pie bin ich jo ftolz auf dich, ih ſehe es felber ein, du
handelit recht, und auf eine Anderung in der Lage der
Dinge zu warten, halte ich jebt nach allem, was wir an
Pia erlebt, anch für nugi (o3! Alfo an Papas Geburtstag, |
— — je min, wie du willft, Gott wird Dich fegnen dafür!” |
Fränzchen grub die Zähne im die Lippen, um wicht
ihre innere Erregung zu verraten. Ste ae jogar und
zuckte die Uden o o
Ich bitte dich, D pated l Nabe ih nieht für € Sethi:
verſtandliches ich ‘thie. meine Pflicht, weiter nichts.”
Ich weiß aber, was es dich foftet, um dieje Pflicht
zu thin, — ih fenne das Opfer, welches bu bringſt!“
„Ein Opfer?” —
Du opferſt nicht 1 miur das “Hers, fondern gewiſſer—
maßen fo, wie die Dinge: liegen, and) das Majorat!” —
„Und wollte Wul ie Dietrich. nicht: dasſe (be thun? | Ich
mich. nicht von ihm bej ſchamen laffen, — Id: will
ihm zeigen, bab auch ich den Namen Nieder mit Ehren
trage! und ich will ihn auch nod) übertrumpfen an Groß
mut! — Gr opferte Das Majorat, um jelber glücklich. zu
werden, — ich thue es, um andere glücklich zu maden! —
und diefer Gedanke ift meine. Belohnung Eo; das wäre 1
‚erledigt, Mama, und nun wollen wir von etwas anderen
reden! — Fränzchen ſtrich ſich noch einmal über die
Stirn, als wolle fie alles wegwifehen, was foeben noch
dahinter revoltiert, wari fid in eine Cofaede, jchlug das
Bein über und ſteckte ſich eine Cigarette at m.
= 400 =
Und von Stund an war. raden wieder ganz Die
alte. Luftig, urwüchſig in Wort und Geften, voll toller
Einfälle und von freien, burfchifojen Manieren, welche
Pia feit jeher antfebt Hatten. Nur eines fiel der Gräfin
auf, — fie füßte die Coufine nicht mehr, höchftens, daß
fie die kleine weiße Hand mehr rejpeftvoll wie gtl ich
an die Lippeit 300.
Nun war Sränlein: von Nördlingen ouha geucjen,
a vorgeſtern erſt hatte Tante Johanna an den Bruder
gefchrieben UND. ihn über bie Erfranfung der Tochter be
richtet, da alle Gefahr vorüber, hoffte fie die Eltern a |
mehr durch die Nachricht aufzuregen. Q 3
Die Rhemreiſe fet für furze Beit — wor-
Den; — Willibald und Fränzchen würden morgen nod)
per ec nad) Köln fahren und nach drei Tagen zurüd-
= Hren, um alsdanı gemeinfam mit = Mt und Pia nach
| Nieded heimgureifen. 2 x
Dort in der herrlichen Luft dub fänblühen Stille werde
= die geliebte Patientin am fchnelliten erholen, und fpreche
fie, Tante Johanna, auch im Ranen ihres Mannes die Bitte
aus, die Familie Nördlingen möchte ebenfalls nach Miedect
fommen, die Tochter pflegen zu helfen! Das ee
mit den Eltern werde Die bejte on jein! . nu
Nach Nieder!
Ñ Pins Wangen Ichimmerten in feinem Mot, als fic volf
inniger Dankbarkeit Die Hände der Tante fühte! Ja, nach
der Einſamkeit von Niedeck jehnte fie fich mit der ganzen
Snbrunit — ruhebebörftigen De!
Riv, Cih trutt, IL. Nom. u. Nov, Der Majoratsberr IL 382
= BB
Cie liebte es um neficinillen: be es einjt als Herr
bejigen wird, den man fon jet im ganzen Land um
diefe Erbjchaft beneidet und der ihr dennoch lächelnd ent-
fa gen wollte — um feiner Liebe willen — —
Fränzchen hat fih einen Kleinen Sah emel Hergugetragen oS
und figt zu Bias Füßen. a |
Es beginnt zu dämmern; das lebte Abenbrot n Jt s
wie zarte Duftfchleier über den Himmel und erlischt.
Graue Schatten finfen nieder, und die dichtlaubigen Baum—
kronen vor dem Feuſter verdunkeln ſich mehr und mehr.
Bon fern her fallt der Straßenlärm; einzelne Ga-
lichter flammen auf, die kleinen irdijchen Eterne, welche
früher zur Stelle find, wie ihre himmliſchen Genoſſen im
flaren Äther. Das zarte Profil Pias hebt fih grel von
dem dunklen Hintergrund ab. Cie hat bas Köpfchen zurüde
geneigt wie in ſchwärmeriſcher Sehnſucht, den Blid gum
Himmel hebend,
| Fränzchen blidt ſchweigend zu ibr ai, fie weiß, an
went die Freundin denkt; nach jener bangen Stunde, i
welcher man bie Bemwugitofe, Wulff⸗Dietrichs Brief in bie
Hand, emporhob und zu ihrem Lager trug, Hatte fie vor
Fränzchen und Tante Johanna fein Geheimnis mehr.
Damals aber hatte fich der Liebe ganze Hoffnung-
volle Leidenschaft in ihrem thränenüberjtrömten Wntlig
geipiegelt, und heute lag eine fo friedliche Ruhe auf Deniz
m — eine Entjagung. —
Franzchens Herz erbebt, noch einmal bligt fule ganz
fern ein Sternlein ber Hoffnung, noch einmal wallt die
499
geglättete Flut ihrer Empfindung auf, als habe elit Wind—
jtoß fie jäh getroffen. — —
Bia fieht nicht mehr unglücklich qual —
Leiſe, zaghaft legt die Kleine ihre farefundhige Gant
auf Die a Rn der en |
„Bia | .
Fräulein von Noͤrdli ingen erjaĵt bie £ ae mit herz:
tichem Drut, fragend wendet fie das Antti. |
Freuſt du dich auf Nide?” —
„Anausiprechlich 1” ee
„3 wird m einjam fein, vielleicht langweilft du
BiG ;
Ich ſehne Ini. nad an
„Weil bu noch frank bift! Cowie du abet neue Kräfte
geſammelt halt t mid. die alte eee wiederkehrt wirſt
du dich nach Berftreuung. felynen !“ |
„Nem, Frangchen, ganz gewiß nicht, ich hoffe, dak
Oulel mich nad) Perfien mitnimmt, dort faun ich ohne
jeden läftigen Zwan q fernab von allem Verkehr leben!” —
„Bia, du wirit die Erinnerung überwinden, wirft hei—
raten und glücklich fein!” Wie beich wärend ft bic
x dunklen Augen zu ihr auf. | |
Sie jchüttelte fehr eruft und ruhig peli oi. ACHI
niemals; ich gehöre zu den Mädchen, welche den Blumen
gleichen. Für uns gibt eë nur Sen Vong, — nur einen
einzigen Holden Frühlingstraum. Fällt cin Naureif, fo
fterbe wir daran. Nur nicht jo ſchnell wie die Blau:
blümlein, nicht über Macht. Wet uns tie 3
82 Mepis
| oo >n
hift der Todestr oft nur. — — und Das ſteckt jo tief _
verborgen, Daß fein. Men of jenange c3 fet. Auch MM
wirt Darüber. hinweg jeben, Fräuchen und wirſt es ben y
Roſen auf meinen Wangen nicht gl lauben, daß jie. über
einem Grabe blühen, ‚wenn wir. ans dereinſt im ‚Leben
froh. und auter ° Tinge wiederjehn!” = J no
- Fränzchen jentie Den Kopf fehr tief. „Sage mir r wahr 3
m wahrhaftig, wirſt DU Wal lif-Dietrich nie vergeſſen? Dan N
„Nie, aber. ich werde ihn ohne Groll amd Virterkeit an
ber Seite einer- andern. glücklich hnt = |
„Und wenn mut zu Dir ein anderer. tame, ‘be dich, a
— ſehr lieb, ganz unausſprechlich lieb hätte?”
Ente würde ich tief betlagen, Denn er würde unglüd-
ih werden Wie ih et :
— ae das dein heiligen Ernit? anmi i bu deine In:
fidt wicht: doch nod) ändern? weit... nin... ment
ich nuu zum Beifptel cin Mann wäre! Du fennjt mid)
jo gut, dur haft mich dod). lieh, wide du ur dann ce
auch nicht: heiraten Dem. ; o
. Pia lachte, u, zum erftenmal techie fe life. auf. x —
„Ri eid) cin Gedante! Gott fei Lob und Dank, dag du
ein M idden bijt, denn als Mann würdeſt du ja in erſtet
Linie Wajoratsherr von Nieder | jein, und du weit —— _
ihre Stimme erbebte plöşlih und ihr 9| intlitz wurde ehr :
crn — „ich habe e3 mir gejihiworen, nie md minner er FORE
deu Majoratsherm zu heiraten! Na
‚Fränzchen lachte auch, aber etwas fouvutjiviie, cite a
finu! id) meinte nur, daß es vielleicht dod noch M enhe
— OL —
und Mäuner geben könnte, die du lieb haben würdeſt!
Wom nun Wulff- Dietrich ‘both noch einmal time . Fees
„Still, ſtill von ibm — x |
„Bem er num nicht Majoratsherr wäre =. wenn
Nieded an die Krone fiele?!” —
„Das faun wicht gel ichehen, fo lange ein Nicded [eb `
und Wulff-Dietrich ift der Ichte feines Stammes. Warum
mir mit fold) unnötigen Dingen das Herz ſchwer machen,
Sränzchen? — Über meine Liebe ift das Urteil gefprochen
und ich habe mich dem Spruch gefügt! Will denn Dein
trenes, liebes, redliches Herz noch immer gegen fein eigenes
Empfinden aufänpfen ? — Laß gut fein, bu braves Kind!
ich weih ja, daß in bir fein Falſch ift, daß Du mir das
Glück nicht gejtohlen haft, — — Gott felber gab es dir! —
Haft du neuerdings Nachricht von... von ihm?” —
Fränzchen war tief in fic) zufammengefunfen und hatte
den Kopf fo fe dr zur Bruft geneigt, daß man ihr Autlitz
nicht erfermen fonnte, fie war haſtig zuruckgewichen als
Pia fic) neigte, um fie voll Innigkeit zu füffen, und fie
bebte leije zufammen, als die Lippen des jungen Mädchens
zärtlich ihren Scheitel berührten. —
„sa, idh habe die Antwort auf ‚hen Erribe erz
halten, mit welchen ich thm femen eigenen Brief, den er
an feine Eltern gerichtet, überjandte. Cr löſt das Rätſel,
wie Diejeg ( Schreiben an Papa gelangen fonnte. “ —
Fränzchen ſprach mit leiſer, heiſerer Stimme.
„Und wie (öjt er e3? Erzähle mir! Es regt mich
gewiß nicht mehr auf.“ x
* poa —
„Bijt. Du nicht jelber lejen?” e AE A
„Rein! — das flang febr kurz und rid
Aun die Sache war febr einfach. Hartwig ſtürzte
‘in Hoppegarten und Ontel Nüdiger und Tante Melanie —
reiften auf die Depeche hin jo fofort ab. Wulff-Dietrichs
Brief ward ohne nähere Adreſſe nach Berlin nachgefandt, -
fand. den Graf — welcher bei Fremden fogierte, nicht
“anf und ward fälfchlicheniveije nach Nieder zurkekdirigiert.
Dort glaubte man, das Schreiben fei an Rapa gerichtet
und ſchickte es ihm nach. — Du fichit, welch eine Ver
etha der Umftände nöthig war, um das unglüchelige. Bu
Papier juft in deine Hände zu pi en, Rule Ped a
Ichreibt, übrigens ſehr verzweifelt.” -
,Berzweifelt? Warum das?” — ` 2
= Saitoh hat maßloſe Schulden Dimeriatien, bon
welchen fein Ween} ch eine Ahnung hatte. Sollen fie Dez
zahlt werden, ift fein Vater ruiniert. Es jdjcint, der.
feichtfinnige Benge! ift gerade zur rechten Beit geftorben,
che er noch mehr Unheil ee fonnte und jelber .
fäglich zu Grunde ging!“ —
Enlſſetzlich! weld) ein Gi, Sak Wulff⸗ Dietrich einſt
als Majoratsherr für feine Eltern ſorgen fann! Siehſt
du, Fränzchen, ſchon darum Dirite er nie Den ſündhäften
Gedanken hegen, den Beſiß an die Krone ab; jutreten, —
Diejes Opfer wiirde ich m recht nieht annehmen, lieber
fterben.’ — a
Frängehen neigte t bei Kopf abermals schr tief. a
bie ae, = poy. m ae bef fatal! = ſeufzte
— 503 —
jchwer auf —: „Hartwigs Schulden kommen höchſt un-
glüdlih! — aber... Du mein Gott! Wulff hat doch
‚feine ſchöne Anſtellung als Oberförfter. Der Herzog
würde ihm für pen Verluſt von Niedeck ſicherl ich eine
schnelle Karriere fidern — —
„sränzhen —!” Pia na 1 mit ‘entfegtem Geſicht
empor: (ott verhüte eë, daß ihr folh ein Unheil plant,
c3 hieße mich zum Äußerſten treiben! — Glaubit du,
daß ich jemals ein ſolch ungeheures Opfer von einem
Manne annehmen würde, ein Opfer, welches mein ganzes
Veben lang als untragbare Schuld auf mir fajten würde?
Nie! eg HieBe mein Glüd durch ernten vets quälende
Vorwürfe zermalmen!“ —
Fränzchen drehte — die Daumen in ihrem
CE dof zuſammen und ſchüttelte den geſenkten Kopf. „Nein,
nein, beunruhige dich nicht, es ijt gar feine Möglichkeit
mehr, Dak Wuiff-Dietrich freiwillig anf Niedeck verzichtet,
— wenngleich eë ein Unfug ift, denn das Majorat liegt
fo wie fo in den lebten Zügen. Außer dir gibt es feine
vorschriftsmäßige Frau mehr für den Majoratsherrn von
Niedeck Der lebte diefer Art wird als triibjeliger Sung-
gejelle im Schloß der Ahnen ſitzen und die Herren Mi-
nijter werden Jchmunzelnd auf den Tag warten, wo das
Beſitztum der ausgejtorbenen Familie an die Krone zurück—
fällt. — Lange genug haben wir e3 ja zu Lehen gehabt,
nun ift die Sanduhr abgelaufen, — und das Gejchlecht
geht zu Grunde, weil — weil eine Mädchenlaune eS
oe aes ae ER
— loo
„Fränzchen!! — bift bu denn niht nod) auf ber
Welt?” — das Badfiichchen fprang auf und fritt er-
regt im Zimmer auf und nieder.
„sh! — ja! id) bin nod) da, — und bie traurige
Rolle, welche ich in der Familiengeichichte zu ſpielen habe,
ift mir bereits guerteilt, — von mir jelber. Sd) werde
fie getreulich zu Ende führen, — — glaube es mir. Sh
weiß, was ich der Freundſchaft und unſeres Namens
Ehre ſchuldig bin. — Und nun ſtill davon, — die Sache
ift nun erledigt und außerdem höre ich Mama tommen,
welche wir mit erfreulicheren Themata unterhalten wollen,
als wie mit dem Schreckgeſpenſt des Majoratsherrn!“
— Schon öffnete ſich die ami ad Die em jtand
auf der Schwelle |
Fränzchen hielt in ia ge sen inne
und jchwenkte mit jähem Rud einen Seſſel herum, der —
Mutter einen Blak neben Pia am Fenſter zu bereiten.
„Dachte id) es doc)! figen die Mädels noch md
feiern Dämmerftundel” lächelte Tante Johanna, den Iım —
liebevoll um den fehlanten Naden der Nichte legend.
„ein, felle noch nit had) Lidt, Fränzchen, es ift ja
reizend gemütlich in die ftille, warme Sommernacht
hinauszufehen, ohne daß Nachtfalter und Rheinſchnacken
durch Lampenlicht in das Bimmer gelodt werden!”
„Bir fehen ja auch zu unjerer Arbeit!” verjuchte —
Pia zu jcherzen, dieweil Frangden fehweigend von der
eleftrifchen Klingel ausüctegt und fich auf den A der
— —
— 905. —
„Ich bringe gute Nachricht!” fuhr die Gräfin mit
ihrer weichen, etwas verjchleierten Stimme fort, „eme
Nachricht, welche uns alle foeben innig erfrent hat. Noch
hatte ich nicht auf die Antwort deines Vaters gereduct, RS
Bia, und dod) traf fie focben ſchon ein!” |
„Ein Brief von den Eltern? o gib ifn mir, Tantdien,
wenn feine Geheimniffe darin ftehen! fe |
„est könnteſt du ihn ja doch nicht lefen, liebes Herz,
aljo laß mich mündlich berichten! Wor allen Dingen
haben deine Eltern unjere Einladung angenommen und. Ñ
werden nächiten Donnerstag, bereits auf Nieded ein
treffen!
„Hurra, fie kommen! jubelte Fränzchen laut auf,
fie war pliblich wie umgewandelt, fehien ihre fentimentale
Stimmung völlig vergejjen zu haben und diana ſich
mit fühnem Gab auf das Fenſterbrett! „Brillant! alle
Akteurs müfjen für Papas Geburtstag zur Stelle fein!”
„And dent dir, Pia, deine Eltern tommen nicht allein,
fie bringen fogar noch eine Überrafhung mit!“ —
Sine Überraichung? Hang eë ein wenig gedehnt und
beinahe a tempo aus dem Munde der beiden jun mga
Pram zurück
Md was für eine! Dein Bruder Gert ijt vor a i
Tagen mit S. WM. ©. Ariadne’ aus der Südjee Heimgetehrt
und wird morgen einen mehrmöchentlichen Urlaub m die
Heimat antreten; er wird deine Eltern begleiten und
ebenfalls unfer lieber Gaft auf Nieded fein!”
Mochmals Hurra, boppeltes Hurra |” rief Franʒchen,
und ihre rauhe Stimme fchnappte beinahe über; „Das Be
ift ja pyramidal! das ift einfach famos! Gert foll em
rieſig fidels Huhn fein, der wird [don für Kurzweil
Jorgen! — Sux, trullullul! ich fann eë gar nicht mehr
abwarten, bis wir daheim find! und dabei fuchtelte fie
mit ihren langen Armen durch die Luft und manipulierte
mit den Beinen, daß ſich ihre ( Yeftalt gegen den Hellen
Abendhimmel in geradezu grotesfer Cilhouctte abhob.
Und aleidjjam als ob Wre Luſtigkeit anſteckend wirke,
‚ward bie Unterhaltung jo febhaft und heiter, wie fie feit
jenen frohen Aßmanus hänjer Tagen nicht mehr geweſen
war, und als Ariedrich meldete, bag das Abendbrot
jerviert fei, begab man üh in fo animierter €timmung
zu Tiſch, bag Graf Bilibald feinen Mugen, und Norm
faum trauen wollte.
- Die frohe Nachricht Hatte s sity auf
Pias Befinden eingewirkt. | | |
Sie lebte neu auf in dem Gedanfen an das frohe
Beiſammenleben auf Niedeck, und manchmal ſtand fie,
die Hände verſchlungen, den Blick wie verklärt zum
Himmel gehoben und wiederholte leiſe: „Das ſtolze, alte
Geſchlecht foll zu Grunde gehen, weil eine Mädchenlaune
cs alſo will? — Nein, bei Gott, fie will es nicht! die
Beit kindiſcher Laune und lindiſchen Trotzes ift um!“
Und wenn fie nachts. ſchlaſtos auf dem Lager lag, und
der filberne Mondſchein über das weiße Briefcouvert glitt,
welches feine Hand geichrieben, und welches Das einzige
teure Kl leinod das ee von on ala — wenn ie |
= 50 =
eS wieder und immer wieder an die Lippen drüdte — `
und fein Bild fo tlar und mafellos wie dag eines. Deis =
ligen vor ihren Augen jchwebte, dann gewann der Plan,
welcher feu und zaghait in ihr zu reifen un immer
mehr Geſtalt und Farbe! — | :
„sa, Was ihr zuvor wie ein Wahnwib, wie eine —
folute Unmöglichkeit erſchienen, das hatte Fränzchens
leiſe klagende Stimme urplößlich ganz und w pers ©:
wandelt.
Sic, Die in Den ariftofratifchen Grundfagen erzogen
r, fofllte um einer Laune, einer übertriebenen ftolzen
te: fterei willen, eines der älteften Geſchlechter dem
Untergang weihen? War ihr diejer Gedanke denn nicht
fon früher gekommen? — Gewif, er war es! und dod)
hatte fie mit gleichgültiger Kälte die Hand, welche retten —
fonnte, von dieſem Geſchlecht zurücdgezogen.
Jetzt aber war Die Liebe gekommen und hatte fie mit
tauſend geheimen Fäden an den Lewten dieſes Gejchlechtes
gebunden, feft, unlöslich, bis in den Tod getreu, — und
was ihr fremd und interejjelos geweſen, das deuchte ihr
nun ein €tüd von ihrem eigenen Ich, das war ihr nabe
getreten, wie nichts anderes auf der Welt, für das empfand,
a te und {tt fie! =
Wulff Dletrich fann als ehrenfefter Mann nicht wieder
um ihre Hand werben, — fie aber, Die Echuldbewußts, o
Neuige fann ihm dieſe oe wohl ver = fend
entgegenftrecten ! !
Handelt fie unmveiblich ud fork? | —
L 508 —
Nein, Die Verhältniſſe hen fe etfuligen, —
BE: ja, wenn Fränzchen nicht wire! - FPS OS SSS u
So lance aber wie die Kleine ba ift, findet j ja Wulfi fj-
‚Dietrich in ihr bie Gemahlin mit ſechzehn Ahnen, und jo
lange wie Fraͤnzchen ihm tren bleibt, ift das Ge Arten
der Niededs noch nicht gefährdet. — |
Qiebt ign Fränzchen aber wieklich, tren and echt?
oder war ihre- Begeifterung für Den Better nur eine
lindiſche Schwärnerei ohne Beltand? en
Wulff⸗ Dietrichs vornehm ernjtes We} en paht fo ganz
und gar nicht zu Framchens Art und fie, die Kecke,
Übermutsvolle, kann ſich wohl auf die Dauer nicht für
einen Mann begeiftern, welcher ihren Paſſionen und
Ertravaganzen in nichts gerecht wird. Ihr Eindifches
Gelächter gellt Pia noch immer wie ein Mißton in den
Ohren fo lacht fein Mädchen, wenn e3 fidh um das ſüße
Geheimnis feiner Liebe handelt, — und außerdem ijt es
Bia feit jenem Tage aufgefallen, wie fühl und gleich—
gültig ` die Confine von Wutffr Dietrich ſpricht! — Und
alsdann . ifr Jubel bet der — Pal Geri aum
Beſuch cee K ticded fununt ? o
Mh, wie gleichgültig, wie bef eelbieh alcichoiilie
würde Pia der Beſuch eines jungen, anderen Herrn ſein
— und wäre es ſelbſt der des Königs! —
Franzchen aber ift wie eleftrifiert bei dem Gedanfen
an den jungen Marineoifizier, von deſſen flotter Laune,
x Schinheit und Se ny gat nicht genug porn 3
fem! Be I a Be
=
Wie viel hat er — erlebt! wie viel anterin antes
geſehen und gehört!
Sie brennt darauf, ihn. cane au. hören, dem ar
in diefer Beziehung hat die Kleine abjolut feinen Mädchen
geſchmack, ſondern macht jedem Gymnafiajten Konturen! —
Indianergeſchichten, Seeabentener, Kriege und Kampf-
erlcbnifje! ja, Darüber fof fie mit glühenden Wangen
und flammenden Augen, während Bia fie in den erjten
Tagen ihres Bei ſammenſeins üher dem Buche „Mädchen:
leben”, welches fie Dem Couſinchen mitgebracht, einge—
hlajen fand. Damals hatte Fränzchen alles Lyriſche“—
noch geradezu gräßlich gefunden und behauptet, es werde
ihr ſpeiübel bei folh einem Gejäufel und Gebräufel, aber
es war bald anders geworden und direkt in Schwarmerei, -
zeitweiſe beinahe in Eentimentalitdt umgejchlagen. —
Das verſchuldete wohl der Verkehr mit Bia; Fränzchen
hatte zuvor wenig oder gar feine Gelegenheit gehabt, mit
jungen Damen zufammen zu fein, und darum erging es
ihr der fchönen Coufine gegenüber wie fait allen ihrer |
Altersgenoſſinnen, — fie {chwarnite die ältere an! ae
Sollte auch ihre Vegeifterung für Wulff-Dietrih me
eine ſolche Eintagsfliege > er N Bhan.
tahe gemelen en? — .: |
Sollte fie imjtande fein, in um Gerts. willen zu
vergeſſen? —
Der junge Marineoffizier ift wie — dazu die ee =
kleine Komteſſe prima vista zu erobern! er DD, in allen oe
Dingen mit ihr harmonieren. — —
— 10 >
Pia prebt wie in weber Yeidenjchaft Die Hände gegen —
Die Brujt! — Fränzcheus Verlobung mit Gert würde
Die einzige Möglichkeit ſein, Be verwirrten Faden des
Schickſals zu löſen! — = |
Gert muß eine reiche Frau faci er itt burdhaus
nicht jfrupulös in feiner Wahl, Hrangchens Haͤßlichkeit
würde thn nicht genieren, ihr. originelles Weſen ihn fogar
amuſteren und anreizen! — Herr Bott des Himmels —
wenn cS möglich fein fünnte, — wenn jene Etunde fame,
in welcher fie zu Wulff- Dietrich ſprechen könnte: Ich
bin die Einzige, welche dein altes Geſchlecht von dem
Untergang erretten fant, — um deines Kamir Wun
vergib mit — -
$8 ijt eine lange, Gange, dunkle Nacht um fie qemelen,
ma leuchtet ein roſiger Hoffnungsſchimmer am ſchwarzen
x Himmel auf, ein Lichtſtrahl, welcher eine Sonne verheißt!
Wird fie voll blendender Schöne emporjteigen!? Wird
fie mit Deen — ‚bie nn von. den Fanm
tije?
D (oum, Eune, fomnt! Du ndejt eine Rofe, von
welcher die ſchwere Hand des Schickſals die Tomen
— x —
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YNY I INN
MM AANA AN
| fi {| A
Hod ragt aus ſchattigen Gebegen ein ſchimmerndes Schloß Hervor — `
Ich tenne bie Türme, Die DÜNEN Die fteinerne Brige, bas Shor! —
C Damií Di
„Eine wunberlidhe Zorte von Diäblhen! Brawn wd rwitd,
flint wie eine Rats, unftät wie ein Irrlicht, — nur Allokria
im Sopp! Ich warn’ Gud, m Sie halt Gud zum
Narren — `
= Sena Guild,
jou dem Wartiurm der Burg Niedeck webhte die
Flagge mit dem farbiggeftiekten, weithin leuchten-
I den Wappen der Grafen, ein ungewohnt feftliches
Beichen, nach welchem die Tine von sa di une
gläubig empor blikten.
Säfte im Haufe des Grafen Willibald?
Se min, das muh entweder ein Srrium fein, oder
Rudolf Falb Hat recht prophezeit, wenn er den Unter:
gang der Welt für die nachite Zeit porausfagte! —
Freilich hatte ja die Baronef von Nördlingen vor
der legten Reiſe der Herrichaft auch ſchon auf Niedeck
zu Beſuch geweilt, und wie man behanptet, war fie auch
jetzt mit ae gräflichen Familie — — Unb Die
== 512 —
Welt ging doch nicht aus den Fugen darüber, warum
ſollte fih der alte Geizhals, feiner jungen Tochter zu
Liebe, nicht doch einmal aufraffen und fich auf die Pflichten
befinnen, welche Am — Titel und fein zen — |
ea a a ee
Göſte auf Niedeck! a :
In der „Stadt Hamburg“ Hatte man berais am
—— qewettct, ob und wer wohl fomment fönnte? —
der Name des Grafen Nüdigers war ſeit (angen
Jahren nicht mehr in dem Stadtchen genannt worden,
und geichah e8, fo war e3 voll Groll und Erbitterung,
denn daß man diejem Herrn allein das flägliche Pape
verhältnis, welches zwiſchen den Bürgern und dem Majo—
ratsherrn beſtand, zu verdanken hatte, war ehemals er x
dem T Thörichti ten flar geworden. =
Anftatt vorwärts war in Der longer Beit alles nur
zurück gegangen in Angerwies Die rau Birrgermeifterin
jap mit drei alten Jungfern im Haufe noch immer am
Fenſter und jante nad Freiern aus, aber die vere
heißenen Leutnants waren nicht erjchienen, und weal der |
junge Rentmeifter und ber Adminiſtrator von Medeck
auf Befehl des Grafen nicht mit den ,,Meuterern” von
Angermics verfehren durften, fo = ten fie 1 n Sn |
bon auswärts. BEN
Sp wars aud m bicier Besihung time gez 2
worden, anjtatt befjer. È
Manch alter Hibfopt, welcher ehemals bie
Hinde in das Feuer gefiect hatte, um für Graf Rüdiger
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33
Der Majoratsherr Il,
Eiäfrutb, SU. Nom. u Nov,
N. v
bie Raftanien heraus zu holen, war in das Grab gez
junfen, eine neue Generation wuchs heran, welche den
Sonderling Willibald faum von Angeficht fannte, denn
jeit feiner Vermählung hatte der Graf ja fait immer auf
Neifen gelebt, und war mur zu febr furzem, beinahe
flüchtigem Aufenthalt in Nieded eingetroffen.
Während die Burg droben in ihrem tiefen Schlaf
der Vergefjenheit lag, ward fie von den Angerwieſern
völlig ignoriert, wie man fic) an das Dalein von Sonne,
Mond und Sternen gewöhnt, welde alè unbekannte
Welten auf Die Köpfe der ehrſamen Bürger herabjchauen
und Durch unermeßliche Entfernung jeden Berfehr mit
ihnen abgeichnitten Haben.
Man gab fih weder dort noch hier die Mühe, Un:
mögliches möglich zu machen und Unerreidjbares zu er:
reichen, — weder bei dem Mond nod) bei Burg Niedeck
Wenn aber der Majoratsherr ganz plöglich auftauchte
und mit feiner Familie fo jchnell wie die Pferde laufen
fonnten Durch Angerwies Hindurchlaufte, — zweimal nur,
wenn er von der Bahn fam, oder wenn er zur Bahn
fuhr —, dann erwachte bei den Alten die Erinnerung _
Dennod) Die ein jchierer, fataler Traum, und fie ſteckten
die Köpfe zufammen und gedachten grollend der befferen — =
Zeiten, welche fie gejehen, ehe Graf Rüdiger fam, die
Unzufriedenheit und Rebellion unter ihnen zu fchüren.
So auch jet. Das Banner, welches fo friedlich und.
freundlich vom Schloßturm mwehte, ward zu einem Alarme
fignal, welches das träumende Angerwies für etliche Beit
OL >
aus feiner Zethargte emporriß und den Weg zum Bahn⸗
hof zu einer der belebteften Promenaden machte, ſelbſt
bet Regenwetter! — aber glüclicherweile ließ es ber
Himmel bei einem tüchtigen Gewitter bewenden und zeigte
Tag für Tag die fonnigfte Bläue, welche fo ganz bes
jonders dazu angethan war, der ftolzen Pracht des alten
Turmbauss ein Relief zu geben! — Nie war Nieder jo
ſchön, als in ſommerlicher Roſenzeit wo feine bemoojten
Gemäuer von duftigem Blütenregen überflutet fehienen,
wo Die Kletteroſen durch den Epheu lachten und das
graue Felsgeſtein einen go 5 Sönigemantel
gelber Manerblumen überwarf.
Feld und Wald ftroßten voll Segen, hier die wogende —<
Saat in allen Sarbentönen, vom lichten Gelb bis zum |
gefättigten buntgetupften Wieſengrun, und dort das raus
chende Wipfelmeer peš Waldes Hodragend im munder-
vollen, alten Beftand, wechſelnd zwiſchen Laub- und
Nadelholz, reizend geſchmückt von weigblühenden Afazien,
durch welche die Blutbuche ihre tiefroten Bweige flict. —
Voll unbejchreiblichen Entzüdens ftand Pia wieder
und immer wieder auf dem Giller, um die zauberhafte
= hönheit dieſes Landſchaftsbildes zu genießen
Sa, Die alten Ritter wußten gar wohl, was Poeſie
und Schönheit war, darum bauten fie fich ihr Heim droben
auf die Berge, wo die Freiheit wohnt, und wo die Welt
es dem trumfenen Blick erft zeigt, wie herrlich und mus
berbar fie Der gütige Gott qej schaffen!
| Und ae ya PE mit Popart — erregtem =
— 516 >
Herzen an der Mauerbrüftung und fpahte hinab zu Thal,
wo Der weiße Rauchſtreif der Lofomotive fräufelte, wo
der Schnellzug yore eine Dunkle, pfeilichnell daherſchießende
Schlange ſich durch das bergige Terrain wand, u.
Nun wird es nod eine halbe Stunde währen, und
fie Hat Die Eltern: und den Bruder bei fih, Die Cle
tern, nach welden He ſich in ihrer. Herzensnot Doppelt
geiehnt hat, den Bruder, welcher ihr durch lange, lange —
Jahre hindurch fern gewejen, welchen fie ftets befonders —
geliebt, und deſſen Briefe ihr das tenerite Band mit ber '
Heimat geweſen, ihren lieben, luſtigen Gert, an welchen
-iir Harz im geheimen die heißen ten und. ſehnl ae
Wliuſche a
Auſ der grauen Eteintreppe — eine Seftalt bit
: ne fpringt, immer zwei Stufen m einmal roh zu
dem Göller empor, — Franzchen |
Richtig! Dachte ich eS body oaf bu fie wicher
auf dem „Lug ins Qand“ ſteckſt brquchteſt gar nicht jo
hoch zu Klettern, ich habe den Bug ſchon feit zehn Mi-
nuten pon dem Erferf — drunten beobachtet!” |
Pia schaute anf. Ihr Blick überflog voll beinahe ängjts
Lich prüfenden Intereſſes Die eckige, ungraziöfe. Mädchen:
geftalt, weiche, vom hellen Eonnenticht beftrahlt, mit
rohen Schritten auf fie zufam. (3 war ja ſchrecklich!
| Gerade Heute jab Franzchen unvorteilhafter aus wie je!
Sie trug ſelbſt als großes M adden meiſt noch Hänge
fleider von bpllenberiter Rinderfacon, welche durch cine
T. — unt die Taille herum samme gefaßt wurden.
— BIT —
Dennoch fonnte die merhoiirdig gedrungene, plumpe
Figur faum verdedt werden. Die Taille war eigentlich
wur Dew Namen nach vorhanden, pon irgend welcher
weiblichen Übpigkeit feine Jede, ja, Bill (ow Hätte bet dem
Aublick der Koulteſſe ſicher ſein berlhmtes Wort noch
einnal wiederholt: Sch liebe e3 nicht, wenn l die T Damen
den Rüden vorne haben!!
Obwohl Fränzchen nicht übermäßig groß war, fab
fie doch lang aufgeſchoſſen aus, namentlich in dieſem
Augenblid, wo fie fo lebhaft mit den fpibfnochigen Armen
Zeſtikulierte und das elegante, weißgejtite Kleid unbe-
en Ichlampig um die großen Füße fhhg.
Pia hatte dieje Betrachtungen ja {hon oft gemacht
x und fih manchmal topfjchüttelnd eingeftanden: „Sie üt
die wahre Karrifatur von einem Mädchen“, ‚heute, wo
He die Erf ſcheinung der Couſine voll ganz beſonderer
Eorge mujfterte, fiel ihr das Unſchöne und ee
beſonders daran auf! —
Ach, was wird Gert, diefer petri gnte, was Beſchmat |
: anbelangt fo fein beanlagte Mann dazu fagen! — Wie
dite Verzagtheit will e3 das junge Mädchen itberfommen;
da blidt fie in die ftrahlenden Ungen des Büscheng,
diefe wunderjchönen, großen Augen, in das freudegeriitete
lebhafte Gejicht, und fie atmet tic} auf und denft: „Selt-
= jam, troß aller Huß lichteit kann ſie — ie en -
: hubſch ausjehen!” — =
Franzchen bleibt nacatnend vor ir ftehen. |
= „sn einer halben Stunde find fie ba!“ lacht fie, daß
— 518 —
bie ganzen. Zähne fichtbar werden, pid) Habe foeben mit
Friedrich. und ein paar anderen Dienjtbolz en Die Feld—
ſchlangen vor dem Thor geladen; — wenn der Wagen
an der Wegbiegung in Sicht. kommt, donnern wir —
— Famoſe Idee, mas?” —
„Aber id) bitte dich, liebjtes ern, wenn Die —
Dinger platzen! Bedenfe, wie lange nicht parana —
ichoffen ift, es fann ein Unglüd geben!” ` —
„3 wo! Der Doftor und ih mon fie ent morgen 2
felber mit pugen helfen!” x
„Der Doktor! Was versteht: ein gjehet von Ge
Ben MM
©) bitte, er Hat jein Jahr bei der Artillerie abgeDdient
und F in militärijchen Dingen ein ganz firer Kerl! Ws
ob fie mir einen anderen hätten geben Dürfen!! — Sein
Dienjtjahr imponiert mir mehr, wie alles Latein, alle
Wathematit und alles Bofabelpauten!”
an bift nicht recht gejcheit, Frängchen! Was —
Gert zu foldjen Anfichten jagen!” —
‚Na, als braver Leutnant kann er fich höchfteng bar: —
über freuen!” |
„And... Herr bes. Himmels! wie fehen denn deine
Hände aus?” —
Komteßchen fab mit flüch ſtigem Blick auf die (Senier |
nieder und jtrich fe ungeniert ant Kleid ab. Donner
ja! ic) muß mich noch wajchen!”
Wo hajt bu dich denn fo furchtbar zugerictet 2
| rängchen achte harmlos mie ein Tugel. SS find
— 519 —
ja nur Bickbeeren! Die neue Mamfell hatte mir geftern
fein Cis, wie fie verfprochen, fondern elenden Apritojen-
auflauf als Nachtiſch vorgeworfen, da mußte ich mid)
doch rächen, um die Disziplin aufrecht zu erhalten!”
„Räden? mit Blaubeeren ?”
„Hm! ich Habe ihr ein paar Hände voll Saft in
den Wafchkeffel gedrüdt, worin fie unfere feine weiße
Wäfche hat.“ — a .
„Fränzchen!!!“ —
„Die Wut von ihr! es wird prachtvoll! neulich hat x
fie {hon Mord und Tod gejchimpft, fie hatte den ganzen
Nachmittag jtehen müfjen, um die Grasfleden aus meinen
Kleidern zu machen.” —
„Die ganze Wäfche wird verloren fein!” rang Pia
entiegt Die Hände, „und jolchen Unfug Stellt eine jechzehne
jährige junge Dame an!” — |
„S wo! verloren! — Der alte Drachen muß fie nur
wieder jäubern, voila tout! und jegt will ich mir flint
noch die Finger abjpiilen.”” —
„Das befommf{t du ja im Leben nicht wieder herunter,
die blauen (ede haften tagelang!” —
„Shna! ih nehme Sand! —
„geig Her, ob dein Kleid etwas abbefommen hat?”
„Keine Spur! ich hatte wohlweislich Mamfells Schürze
vorgebunden, die hat allerdings die ſchwarzen Poden be
kommen!“ —
„And dein Haar, eb ſtarrt wieder in alle Windel
fomm jchnell mit mir in mein Zimmer!” —
— —
„Nein, das Hat Mama verboten!” —
Ich werde ſie um Verzeihung bitten! ich muß dir ine |
die Haare ein wenig brennen.”
„Brennen?! Miete — Zrimgchen ja) — ver⸗
dutzt aus. |
N Gewiß! es wird ne allerliebjt Helen! überhaupt muß
ich Dich noch ein wenig herauspugen! Gert legt fo viel
Wert auf guten Anzug, und wirft du iin Doppelt ge-
fallen, wenn du ein bißchen hübſch ausſiehſt!“
Fränzchen machte ein undefinierbares Geficht. Teils
pfiffig, teils jchmungelnd, aber fie jagte fein Wort weiter,
jondern raſte der Couſine voraus, . bem Fremden⸗
zimmer. —
Die Sonne leuchtete Suni die mächtigen Bagenfeitier. me
und wedte blibende Lichter in dem eleganten Rroftall,
welches den fpigenverhingten Toilettentifch verzierte.
Bor vielen, langen Jahren mochte hier eine ſchöne
Ahnfrau ae Antlig in dem Nofofojpiegel, deffen gol-
denen Blätterrahmen ſchwebende Englein trugen, zuge—
laͤchelt mochte mit weihen Händchen zwiſchen all den
Flagons, Döschen und Krüglein gewählt und blitzende
Edelſteine in die Schmuckſchalen geworfen haben! —
Noch war das Zimmer in jeiner vergilbten Pracht genau
wie ehemals erhalten, und nur der ausgeltopfte, weiße
Seidenſpitz, welcher mit ftarren @(ašaugen auf Der Bronze-
fonjole des Raming jak, war entfernt worden, weil bie
Motten ihm gar zu ſchoönungslos zugefegt hatten.
Wo ehemals die fofette Gräfin Niedeck das rofenbe-
r
` VAIAS Wirg
—9 BERN Wr
x
i
— 522 —
fränzte Schäferhütchen auf das Qoctentoupe gedrüct und.
auf jpiben Stödelihuhen zierlich wie ein Bachitelzchen =
über das Barfett wippte, trappiten jebt Die berben Schuhe
ihrer fpäten Enkelin, und Fränzchen pflangte fih breit- —
beinig, die Hände mit gefpreigten Fingern auf die Knie
geitüßt, vor dem Toilettentifd) auf, um mit dem komiſchſten
Geſichts ausdruck, welchen man jemals an ihr wahrge:
nommen, der Brennfcheere zu Harren. Pia Hing thr den
eigenen geſtickten Srifiermantel um die Schultern und |
entglindete voll Fliegender Eile die Spiritusflamme.
„Es ift mir unbegreijlich, daß Tante Johanna dich
nicht täglich) von Dorette friſieren läßt!“ ichüttelte fie
den Kopf. ,,Willft du benn Die aare immer ange
schnitten tragen?” —
Fränzchen grunzte envas Unvertändtiches und hielt
den Kopf ferzengerade.
„an, Dann müſſen bie rebellijden Strüppe zum
mindeſten zu sierfichen Tituslöckchen gewellt werden. Bit _
Du denn gar nicht im mindeften eitel, petite? Jedes
Mädchen Hegt pod) ein gemwiljes Inlereſſe für feinen
außeren Wenfchen !” — |
„Om, Ihon möglich... aber id? ... nee, ich bin
nicht eitel!“ und zur Beftätigung ſchnitt fie ihrem prail:
bild eine furchtbare Grimaffe.
„Aber, Sränzchen, wie fann man fein Oe jo vers
— —
yd, ich fann tod viel tollere Graben Schneiden! Alz —
wir feted Zahr in Montreur an der table d’höte fpeiften,
faßen wir drei holländifchen Rindern gegenüber, famofe
Balge, welche aber dämlicherweife ſtets das Futter ver:
weigerten. Ihre Mama rang die Hände, aber alles
Bitten und Drohen Half nichts. Da hatte ich eine gute
Idee Sch ſchnitt den Kindern ein paar Schauervifagen |
prima Qualität! Siehfte fo fo, Bia, mit rollendew Augen,
gefletjchten Zähnen, dann ein bißchen geichielt.” — —
„Piui, hör auf! es ift ja haarſträubend!!“ ee
‚Ra, ja, das fanden die Bilge wohl auch, denn fie Se
befamen eimen ſolch blödfinnigen Schreck, daß fie daj —
wie gelähmt und mich anſtarrten“ :
„Wenn ihr nicht fofort effen werdet, dann frejfe ih
euch!” heulte ich fie an wie ein Deuwel, „und faktiich es >
nubie! Wie bejeffen fuhren fie auf die Teller los und
löffelten! Na, jpäter wurden wir aute Freunde und dann —
änderte fich bie Methode. Weil fie fih großartig über
meine Fragen zu amiifieren begannen, ſchnitt ich ihnen
aad) Tijd sur Belohnung für gutes Ejjen jedesmal cine o
nette, fleine Kollektion vor! — Willft du mal Puma a
Großmutter jehen? I” —
‚Mein, — dante verbindlich{t!” — Pias Hände bebten
ſchon vor Nervoſität? „und wenn ich dich um eine Ge-
fülligkeit bitten dürfte, Fränzchen, beglücke Gert nicht eva
mit jolchen Grimafjen! Cr Haft alles, was nicht lady-
‚like tft! €p; ein paar hübſche Wellen habe ich dir nin —
auf die Gti gelegt, — nun noch die Stritppe an den
beiden Kopfwirbeln ein wenig beifegen . . wie verändert
du ausliehit! Gang alterkiebft! findeſt u nicht auch?”
Fränzchen grinſte ſich wot lye an: „Ra, na, wenn
Der Vetter man bloß nicht: pas Verlieben friegt
Pia wandte den Kopf jeinväuts.. „Wäre das denn
fo ſchumm 2 fragte fie mit unficherer Stimme, „Gert
ift ein prächtiger Menfeh, fein Mädchen könnte fich einen
ſchbneren Shay awilnjehen! — — ee oe.
Franzʒchen fchnelite herum und ſtarrte die Sprecherin |
mit offenem Munde ganz verblüfft an, plößlich aber gutte
und arbeitete e3 in ihrem Geficht, flammende Nöte ſtieg
in ihre Wangen und die dunklen Augen blitzten auf.
Ein Scharf prüfender Blid traf das verlegene Gej icht
per ſchönen Baje.
pom... date fie. gebehnt, „würdelt bu mid denn ay
zur Shmägerin wollen?” —
‚Mein liebes, liebes Sränzchen!! Pia ſchlang ‘the ;
[naš Die Arme um Komteßchen und iy ßte He my Die
Stirn. x
Fraänzchen machte ia ungeftiim (08. omen!
— Bub, HE mr u . alfo du meinft... hm.
Famojer Gedanke . was fehlte mir arate hier in
Der Einſamkeit! — Na ja, wenn ich Dir vielleicht einen
Ge fallen damit thue, nehme ich ihn!“
Fränzchen, bejtes, einziges Herz . . benihe ei tet,
ihm zu gefallen! fei recht, recht nett zu ihm.
Das Badfiichehen jtand breitjpurig vor bet Waſch⸗
td und jchdumte lich Die Hände ein, Wie Wetterleuchten
flammte e3 über ihr Gelicht, wie ein tolles, jubelndes
Gelächter, welches faum noc) unterdrüct werden fann
— 595 a
und fie zu erſticken hroble a en bezwingt fie
Hb —
3 werde ihn zu berücfen fie! I flötet fie ſchwär—⸗
meriſch, und fügt ärgerlich hinzu: WVerdammte Bickbeeren⸗
brühe! unter den Nägeln kriege ich ſie nicht weg!“
Pia jeufzt. „Wie fatal! aber eg ift teine Zeit mehr,
linger zu bürſten, man ruft fon nach wns!”
„Alle Donner — meine Böllerf ſchüſſe“ und das Bad-
ſiſchchen fpribt den Seifenichaum un I fährt mit
den Händen flüchtig über das Handtuch, und nickt der
Coufine noh einmal tröftlich zu. „Sa, ja, verlaß did)
drauf, den Gert, den Heirate ich!” — und dann fliegen
rechts und links die zierlichen Seffelchen mit dem per:
blaßten blumigen Atlasbezug zur Seite und Gräfin Fränz-
en ſtürmt wie die wilde Jagd in den Hof zurück
Pia nimmt ſchnell die Rojen, welche fie dem Wildfang
— in den Gürtel ſtecken wollte, von dem Tiſch und
folgt —— enden Herzens. Sie ift jo konfus und zere
ſtreut, — war e3 recht, daß fie a an g rangen om ge:
heimſten Wünſche verriet?
Die Kleine iſt ſeit ihrer Maeh —— und
findijcher wie je, — oft ſcheint ihre tolle Laune frampfs
haft, zeigt fie fich Gert als gefitteteres und berniinftigeres
Wefen, jo thut fie es einzig der Coufine zu Liebe, welche
fie darum gebeten.
Fränzchen ſteht neben den alten —— chien und
qeitifuliert lebhaft mit ihrem Erzieher und den beiden
Dienern, welche die Lunten halten. |
He ee —
Cie reißt Hd) aber qeborjam bon ber interejjanten
Spielerei los, als Fräulein von Nördlingen fie ruft und
ligt Hd) geduldig, mit luſtigem Magenpolutern, Die Nejen |
in den Gürtel Stein. =
„Nun fahre nicht fo heftig. mit — Amen dagegen,
ſonſt brechen die Blüten ab!” ermahnt Pia nod) einmal
forgenvoll, und dann führt fie die Kleine an der Hand
Den Eltern entgegen, we — * in das Schloß⸗ :
portal treten |
Sieh Tante Sohanna! wie gefällt dir bein eS :
eek heute?“
Die. Gräfin ficht ganz perpler aus. „OD, weld) eine `
Eea Franzchen als Dame frifiert! D — —
fieh doch, Willibald!“ — — und dann befommt fie einen
Hüften, fehr heitig und andauernd, fo daß fie das Taſchen⸗
tuch bor den Mund prefjen mug.
Aber es ijt feine Beit mehr zu näherer Beſichtigung,
ein Hornſignal jchmettert von dem Lug ins Land. Wit
unheimlichem Krach entläd fich die erite der Feldichlangen
und enttäuſcht Jränzchen durch Ihr Ichivachatmiges Organ.
Der Toltor und die Diener find ficherheitshalber
hinter eine Mauerböjchung gejprungen; Da aber das G Sez
ſchütz höflicherweiſe nicht geplagt ut, eilen fie kühn und
mutig zu dem zweiten, auch hier Die feitliche Detonation —
in Scene zu ſetzen
Much Hier ein dumpfer Schlag.
„sammerlih, wie ein Suallbonbon!” ärgert fich
Fränzchen; im nächiten Moment aber ſchwenkt fie mit
rauhkehligem Hurra das Tajchentuch — es zeigt fo viel
Heidelbeertlecken, dah man e3 für eine Trauerflagge halten
könnte! — in der Hand und winkt jtürmifchen Willfommen.
Bor dem Burgthor Klingt Hufjchlag und Näderrollen, Ç
und im nächſten YAugenbluf Halt die elegante Equipage,
mit vier R tappen bejpannt, in dem Schlokhofe. — —
Herr und Frau von Nördlingen breiten grüßend die
ine aus, und ein Schlanker, bildhübſcher Marineleutnant
gre jalutierend an at aie
; *
*
Tage find vergangen. x
Bias bleiche Wangen blühen wieder wie ehedem in
rofiger Friſche und ihre Augen leuchten jo glüdlid) und
zuverfichtlich wie Diejenigen eines indes, welches durch
die Thürjpalte den verheifungsvollen — des Chrift-
baumes ftrahlen fieht! —
Wie wunderbar gut haben fic) Gert unb Seranachen
angefreundet! Die Kleine erfaßt ja einen nenen Gedanfen
meiſt fehr pajfioniert, ihre Neigung für Gert fcheint je:
doch mit Sturmesjchnelligfeit au is und jan Sieg
pnma vista ent}chteden.
Sie macht auch nicht den x Hehl daraus, bab
ber neue Vetter ihr über die Maken qut gefällt, — die
Naivität, mit welcher ſie ihr Entzücken zur Schau trägt,
wirkt viel zu driginell und kindlich, um abſtoßend zu ſein!
Gert ſelber iſt während der erſten Tage oft blutrot
geworden vor Verlegenheit, wenn das junge Bäschen voll
. orok oiger has i ame a a
— §28 —
anftaunt, wenn fie ungeniert befennt: „Höre, Gert, bu haft
gerade fo bildfdjine Augen wie Pia!” oder wenn fie
nachdenklich feine Hand zwiſchen Die ihre nimmt und fragt:
„Wie madft bu das nur, daß du als Mann fo ſchöne
weiße Hände haft? Du bift doch gar nicht fo jehr viel
älter wie ich und mußt doch gewiß auf dem Schiff tüchtig
zugreifen, — ſicherlich noch mehr als wie ich hier in
Haus und Hof herumhantiere, — und doch jehen Deine —
Finger ang wie von Marmor gemeiget! —
Der elegante Gert, welcher auf feine tadellofen Hände:
befonders eitel ift, lächelt voll Wohlgefallen und findet
die Kleine „immer jcharmanter!” und Frau pon Nörd-
lingen, welche ja feine Mutter fein müßte, wen fie nicht
jedwede Tochter des Landes auf ihre Eigenjchaft als
brauchbare Schmiegertochter prüfte, schaut immer. iiber-
rajchter und aufmerfjamer brein, je dentl icher Fräulein
Fränzchen ihre Sympathien für den Herrlichſten von allen
befundet,
Der Hauslehrer ift noch an Demjelben Tage, wo die
Gäſte auf Niedeck eingetroffen, gu feiner eigenen großen
Überrafchung abgercift. Graf Willibald liebt ja die Über-
raſchungen Mach Tijd) hat er ein Weilchen heimlich mit
dem Doktor getujchelt, Hat eë inverantwortlich gefunden,
daß der junge Gelehrte die Schweiz noch nicht fenne, und
ihm mit verjtändnisinnigem Lächeln ein paar Goldrollen
in die Hand gedrüdt: „Machen jie bei Der Hike nod)
gerien und reifen fie mit Gott, mein wackerer junger
Ale eo
= 596
Der Doftor war jprachlos vor Freude, Zwar janbte
er noch einen wehmütigen Blick nach Bias goldlodigem
Köpfchen hinüber, raffte fidh dann aber energij zulammen
und ftitrmte auf fein Bimmer, das Koj fferchen zu paden,
Mit dem Abendichnellzug dampfte er bereits nad)
Straßburg ab, und anläßlich feines Abjchieds war Fränz-
chen zum eritenmal fehr zärtlich gegen Better Gert, —
fie wary fic) an feine Bruft und drehte ihn wie einen
Brummkreiſel umber: „Gott jei Danf — nun hat’3 mit
dem Geochje für eit MWeilchen wieder ein Ende!” —
Und dann genog fie die föftliche Frahen ſo recht in
vollen Zügen
Ihre kleine, ſehr koſtbare Büchſe über der Schulter zog
fie mit Dem Better und dem Rentmeiſter ſchon in aller
Morgenfrühe auf Die Jagd hinaus, denn zu beiderſeitigem
innigen Entzücken war foniga urt daf Gert ein pajfio-
nierter gaat jet.
„Wie gefällt es dir s dah Frängchen Der
Diana fo fehr in das Handwerk pfufcht?” forſchte Pia
ein wenig forgenvoll bei dem Bruder, diejer aber ſtrich
das Bärtchen flott in die Höhe und fagte: „Brillant! fie
ift ein Mordsfrauenzimmer, fchießt beſſer wie wir anz
deren zufammen! Es ijt uramiijant, mit Dem lujtigen
Mädel zu jagen, fie gönnt mir die beiten Schüffe, ijt
abjofut nicht zimperlich und ftiefelt mit uns duch Did
und Dünn! Mit der fam man zur Not ein Pferd
jtehlen |’ —
Findeſt du fie hübſch— Din
| R0-Ei@frutd, SN Mom. u Rov. Der Majorateherr I. Bi
=: 530 Ei:
Gert lachte. „Na, das ift nicht qut masti, | das arme
Ding fieht aus wie ein Nußknacker! Aber was liegt =
daran? bei einem gee K ameraden ift das boch gleich 3
gültig!” — en
„Nur ein guter Sameab2le —
Der Marinelertnant bob erftaunt den So: pd,
bent bu etwa, ic) wollte fie Heiraten? ae
Pia hob tiefatmend pie Theeroſen, welche fie in der
Haud hielt, und S das erglühende Antlitz
nieder.
3 glaube, Drängen ii auf — — Weg, ſich
ftexblich, in dich zu verlieben, — das arme Rind!” —
gan: . jaktijch: 2 — qlaubjt bu?!” — Eo iiberrafeht
auh Die € ame Í lang, fo í gejchnreichelt jah Dennoch das
hübſche Geſicht Des Jungen Dffiziers aus. „Das —
mir rieſig leid thun, — fie ift MT ein jehr nettes
Mädchen!”
„Sie hat wimderbar fchöne Auge n — und em fo
herzliches, frijdes Wein! Warum ſollteſt du nicht auch
jie lieb gewinnen fönnen!?”
Gert machte eine jähe Bewegung. a bitte dich,
Lin, — daran ift doch faum zu denten —! Haft du
nicht selber an Mama geichrieben, an fle für Wulf:
Dietrich beſtimmt jee | |
Das junge I ädehen blickte aads zur Seite,
Daran it “i kein Gedauke mehr, — fie liebt ifn
nicht — und, HHO. 2
uy St, wen ‘oll denn Der arme. Majorats ‚herr aber
= 6
font heimführen, ba es ati schen euch beiden abfolut nite
Zu werden jcheint?”
Pia fenfte das Köpfchen tief zur Bruit-
2 as laf} deine geringfte Gorge fein, — in — Not
lernen die Menjchen fürlieb nehmen!“ jprach’s und eilte
hal tig in das Nebenzimmer, um ihres Antes an
uhſtuckstiſch zu walten. x
Gert blidte ihr jtarren Auges nach. Cin ligaguld x
Gedante durchzuckte ihn x
War jeine {chine Schwefter nicht an im Haufe |
des Diplomaten erzogen?
-Eo übel ift der Plan nicht, welchen fie zu verfolgen
Scheint. Wer Schloß Miedeck fermen gelernt hat, muß
wohl oder übel für den Gedanken ſchwürmen, eë einft: —Ñ
mals beſihen zu konnen Wulff-Dietrich Hat fich, wie er
von feinen Eltern hörte, nie bemüht, Pia femen zu
3 lernen; die reiche Couſine Franziska ſcheint thm bes
gehrenswerter zu fein, wenn aber Fränzchen einem an-
deren bie Hand reicht, io bleibt Wulff- Dietrich feine
Wahl, er muß Pia Heimführen, will er feinen Söhnen
das Majorat erhalten. Die Heirat mit einer andern
enterbt feine Kinder und mi Den Amery Beſitz
an pie Krome; —— = |
Gedanfenverloren finft fein — zur Bruſt und die
lone zwiſchen den Fingern ver Löfcht. |
| Traglos, Pia hofft durch ihn dennoch Gräfin an |
3 m werben. |
Gert hat feine reizende Schweiter jeit jeher aba.
34*
— 532
geliebt, fie gut und tae vest zu (enen, würde PIN
ihn unbe ichreiblich beglüden. :
Er weiß auh, bab man in ber Reſidenz Parate
ipotict, daß Wulff-Dietrich fich fo oftenfibel fern hält,
obwohl jein Vater fon vor Jahren für ihn um Pia
angehalten. Die Familie Nördlingen hat Die jpätere
Heirat für felbftverftändfich erachtet. und man hat wohl
zu fiegesgewiß darüber geiprochen — nun ift es doppelt
empfindlich für das junge Madchen, verfchmäht zu werden.
Wert ficht das alles ein, und der teine diplomatifde
Schachzug der Schweiter deucht ihm geiſtreich und zweck⸗
mähig, wenn . |a, wenn er e3 nur nicht ware, welcher
jein Herz bafite auf! den Opferaltar niederlegen muß!
Fränzchen ijt ein Liebes, herzensgutes Kind, — aber
fie lieben? Gert feufst tef und ſchmerzlich
Er denkt zurück an ein Ballfeſt in Riel, an ein ſüßes,
blaudugiges Eugelsange} iit, welches. unter zarten Vergiße
meinmichtfrang zu ihm auflächelte, fo ftrablend glücklich,
jo hen und imig, fo. heimlich ES — Vergif — `
mein — nicht! —
Nein, er hat ie nicht vergeffen, er hat an jenem Abend
jogar ſtolz entjchlofien den Kopf zurücigeworfen und Den
bligenden Sternen am Himmel zugejauchzt: „Und wenn
ich warten muß bis zum Slorvettenkapitän! ich liebe bags
blonde Gretelein und führe fie heim!“ und er Hatte feit
jener Zeit öfters ein heiteres Liedchen gepfiffen: „Mein
Schatzerl ift hübſch, aber Geld hat es nit! was nügt mir
der Neichtum, das Geld fig i nit!” Nein — das Geld
= 533 =
füßt man nicht — und pod. acht das Feuer auf dem
Herde aus, — flieget die Riche zum Schornitein hinaus!“
— das ift auch ein wahres, ein bitter wahres Wort!
Gert ftreicht nachdenflich über die Stirn. Er ijt ein
blutjunger Qeutnant und bis zum Sorvettenfapitän Hat's
noch gute Wege, das blonde Gretelein dürfte wohl kaum
fo lange warten wollen, — und Fränzchen, das wilde,
derbe, häßliche Mädchen?? - —- Der junge Mann fpringt
erregt empor umd fehüttelt erſchreckt ben a „Mein,
nein! fie Geroni ı undenkbar! l —
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XXV.
lind ſprich: meper Torımt Liebe?
„Zie formt und fie it tal’
Unb iprid) — ie fhmwindet Yiebe?
„Die mar’ nicht, ders geihah H —
Friedrich Halm.
„Kann bei foldem Rinderlarmen
Wohl ein Menſch vernünftig fein 2”
Erat Shulze
Ve ‚[3 Der junge Herr von Nördlingen nah Si
it der Buchenlaube des kleinen Burggartens —
fibt, urſcht vor ihm der gelbe Kies, welcher.
die ſchmalen Wege det wd jeine Mutter taucht jählings
bor ihm auf.
nh, mein Herzensjunge, mie nett, daß ich Dich hier
finde!“ — lächelt fie. ihm zärtlich zu. „Sch fage cà ja
immer, wir beide haben einen geradezu lächerlich gleichen
Gejchmac! hier Diefes weltvergefjene Pläßchen mit dem
herrlichen Blick in die Thalebene hat es mir ang vom —
ae Augenblice angethan!“
Gert zieht die Hand der noch immer ſehr intereffanten
nd eon Dama aman an Die I unb ſchlingt
— 3 —
den Arm um fie, als Frau bon Nordling an feiner
Seite Blah nimmt. > oe
Kannſt Du eS mir verdenfen, Mütterchen, wenn e3
mir ein befonderer Genuß ift, abwechſelungshal ber mal
auf em Meer von grünrauſchenden Wäldern herab zu
blicfen und mich ait Dem Anblick wogender Kornfelder zu
freuen ? Gold) ein Idyll träumt der Seefahrer felten, und
darum liebt er es wie den oon, welcher auch nur
einmal im Jahre braun —
na, Š ilt Schön bier! jo chin, wie ich mir das
ſagenumwobene Niedeck niemals vorgeſtellt habe! Dieſes
wunderbar großartige Schloß, — Diefe Pracht der Cine —
richtung, diefer fürftliche Beſitz, welcher es umgibt!
Die Baronin jeufzt wehmiitig auf: „Würde Pia nicht Ç : x
die geborene Burgfran dafür fein? Mir thut das Herz ss
| web, wenn ich ihre fchlante Geftalt durch die Hallen und
Säle ſchreiten jehe, und deufe, N finnen ihre Heiz
mat, ihr Eigentum werden, — went... 1G, ent Diejes
fatale ‚wenn‘ nicht wäre!“
Gert zwirbelte das blonde Schnurrbärtchen. und faute
nervös an der Lippe. „Sa, e3 ift fein übel Dina, die
Gemahlin des Minjoratsherrn von Niederk zu fein!
Tante Johanna hat doch damals auch no das große
205 gezogen, als fein Menſch mehr daran glaubte und -
Dichte, — wer weiß, wie Bias Schickſal fih noch qe
italten wird, — vorläufig ift Wulff- Dietrich nod) er —
Frau von Nördlingen zuefte a bie Achſe
„Bas man bet ihm ‚frei‘ nennen fann! Pia jchrieb ar
er Ban ae
wir jollten jeden Gedanfen an ihn ane er Ki itr
grängchen beſtimmt!“ |
- „Zo wie ich Confine Fränzchen teamen lernte, iſt fie
energiſch und cigenwillig genug, um jd) thre ah
felber zu geftalten!” —
Ein lebhafter Blick aus pen Mugen der Mutter Hammte
au dem Sprecher auf. Macht eg dir auch fo den Gin-
drud?” flüfterte fie haftig. |
Gert wiegte nachdenklich ben Kopf, ein fiegesgenifes :
Lächeln fpielt um feine frifchen Lippen. |
Fränzchen macht zum mindeſten nicht den Eindruck,
als ob fie fterblich in Wulff-Dietrid) verliebt je —
Nicht: wahr!? Das findeft du auch? Je nun, Gert,
‘wir fünmen ja offen darüber reden, ich finde, das aller:
| liebte fleine Ding ift geradezu vernarrt in Dig! fg
AMllerliebſte Kleine winger eS
Die Baronin rückte eifrig näher: ‚nsindeit Du das
etwa nicht? Mein Gott, fie fieht ja dem Vater leider
jprechend ähnlich, aber bie Augen hat fie von Johanna, |
— was für Pradtaugen! und dann mußt du bedenfen,
fie ift erft ſechzehn Sabre alt, — die unvorteilhaftefte
Werdegeit für ein junges Mädchen, da ijt alles nod) edig,
ungrazis derb; aber warte noch ein oder zwei Sabre,
dann ſollſt du — wie ſie ſich entwickeln wird! Sh.
wette Darauf, fie wird eine fabelhaft aparte Er ticheinung! |
O, und diejes herzige, naive, luftige amitfante Wefen!
ich, fönnte mich oft totlachen über ihre draſtiſche Art und
nike e, über ihren Nölagfertigen Semar — Sie wird
EP 938 —
mit Pee Gaticrgabe alle Herzen erobern! Nun...
und... last not least — — weld ein Vermögen! ihre
Gropmutter hinterließ ihr bie wundervollen Güter Seejenz -
walde und Sonuendof, — abjolut jejuldenfrei, — ihre
Großtante brachte auch tüchtig Kapital ins Haus, nun,
und dann Willibalds Privatvermiqen — wel hes ja a
Den langen Jahren j jeter ‚May joratäherrfchaft‘ la winen⸗
artig angewachfen muß! Bedenke, Daß er die zwanzig
Jahre vor feiner Verheiratung dod) alle Neveniien Zing
auf Zins zurücgelegt hat; und bei Johannas Anſpruchs—
lofigteit und ihrem praftifchen Sinn haben fie auch wäh-
rend Der Ehe ficherlidh faum ein Drittel ihrer rieſigen
Einkünfte verbraucht! Da rechne einmal nad), was für
ein peelings Goldfiſchchen dieſes einzige Kind ae
DM — Od mag eë wohl nad) Millionen gehen...
murmelte Gert mit beflommenem Aufatmen, „Solch ein
Meichtum ijt ja- fehe ſchön — aber mit weniger Geld
fann man auc) g dlh fein... mtb... 2“ er iprang
erregt auf und fuhr fic) mit gejpreigten ice dure)
Das lodige Haar, „weiß der Teufel, was für cin uu:
Definierbares Etwas in Fränzchens Erjcheinung liegt!
Etwas jo umviderftehlich Komiſches — gum Lachen
Neizendes! man fann fle beim beiten Willen nicht ernft
nehmen —
Frau von Nördlin⸗ gen zwang ihr Geſicht ernſt, erſtaunt
auszuſehen |
yeas - ftdel bu? merkwürdig . + . 008 Habe ich,
nod) nicht bemerkt; oder meinit du nur ihren Anzug? |
ja! — Da allerdings mig id) bir vehi geben, Johanna
sicht das arme Wurm unter aller Kritik jehlecht an! Was
helfen die echten Spitzen und jeidenen Bänder, wenn fie
abjolut geſchmacklos arrangiert find! Sch habe mich über:
zeugt, Das große Mädel trägt noch aeftrictte Unter:
leibehen !! — Wo foll da cine Taille Herfommen? Gejund
mag eS ja fcin, Das gebe ich zu, und Johanna thut recht,
wenn fie ihr einzigites Mind ohne jeden förperlichen Zwaug
friſch und frei aufwachſen läßt, aber diefe Gleichgültigkeit
gegen jede Toilettenfrage muß doch mit der Zeit ein
Ende nehmen, und fie nimmt es auch ficher, wenn das `
Böglein flügge wird! Se nun und trägt Frangdeu auch U
als Brant noch fein Korsett, jo beſorgſt du ihr als Frau
eine perfefte Jungfer, und bn wirft Wunder erleben! Auso
dem häßlichen, jungen Entlein mauſert fih ein Ewan
mit blendendem Gefieder heraus!” —
Gert fant refigniert auf die Bant zurüd: „Sie ift ja
jonit ein liebes, Mädel! ies murmelte er mit
EN he
Frau von Nördli ingen idhin ang voll flehender Innigkeit
beide Arme um ihn. „Gert — mein Herzensjuuge, ſchmiede
bas Eifen, fo lange es heiß ijt! Welch ein Segen köunte
daraus erwachjen, nicht mur für uns alle, fondern ancl)
für Bia; welch ein Goldregen würde auf uns nieder-
träufeln — ad, und wie unjagbar wohl wirde eà mir
tbm, einmal noch frei aufatmen zu fünnen, nachdem ich
mein ganzes Leben hindurch mit Not und Sorge fümpfte,
nachdem E m alles Deagicten. mujte, was mein Derg
fich wünſchte! Sich, Gert, wie föftlich könnte fih dein
Leben gejtalten, in Kiel baut ihr euch ein Palais — du
ſchaffſt dir eine eigene Jacht an, mit welcher du in könig⸗
licher Freiheit mandvrierjt, Du wünfchelt es dir ja fo
brennend, an den Wettfahrten in Comes teilzunehmen —
Gert hob mit leuchtenden Augen den Kopf: „Cowes!
.— — eine eigene Jacht!“ — flüfterte er wie perflürt.
Seine Mutter fühte ihn fier feierlich auf die Stirn
„Du wirft fie haben, wenn du das Glen ſchmiedeſt,
jo lange es heiß ijt!
Ein Hornſignal erichallte vom Turm.
„Es ift Effengzeit!” fuhr die Baronin fort, „Seh,
dort blühen rote Rojen am en me e gagn auf
ben Teller
Mechauiſch erhob fich der junge Marinenifisie, trat
zu dem ſchlanken Stammchen und — die ee
ce = üten herab.
Wie heiß und rell fie in der Some — Sie
blendelen ihm die Augen, er pfüdte fie mit energiſchem
riff, unbefümmert, daß die jcharfen Dornen feine Finger
blutig ribten. Wor feinen Augen ganfelte ein märchen-
haftes, wundervolles Bild, — cine ſchmucke, elegante
Jacht, die als Gallionsbild bis aufrechtichreitenden Löwen
der Nördlingen trägt, umrauſcht von dem Wappenbanner;
— auf blaufräufelnden Wogen zieht fie jtol3 daher, und
der junge Offizier, welcher fie befehligt, fagt nicht mehr,
„Zeiner Majeftit Schiff, fondern lächelt bligenden
Auges: „Mein Schiff!" —
=s otl >
Gert fühlt, wie ihm das Blut glühend in die Wangen
Ichießt, wie ein leidenſchaftliches Wünjchen und Verlangen
jene Seele erfaßt. |
Die roten Rojen Duften ſchwül zu ihm empor und
neben. ihnen verblaßt bie Erinnerung an zarte Blau-
blümlein mehr und mehr, bis fie haltlos zerrinnen wie
Nebel und Dunt! > _.. .
Ter Wind ftreicht flüfternd durch die Gebüſche und
die Nolsharfe in der Nuine, welche ſeitwärts an dem
alten Burgberg emporragt, hebt ein leifes, webmutsvolles
Summen an.
Gert lauſcht empor, nude Dana es ihm wie eine
befaunte Melodie.
‚Mein Schaßerl ift hübſch, aber Gel Ü hat e3 nicht. .
Nein diefe Weiſe ift verflungen.
Geiſterſtimmen halen aus dem serfallehen Genie
heriiber, die wollen den Freier in Schloß Niedeck begrüßen!
Klingt eë wie Jubel und V echerklang , Wie © ocken⸗
läuten und | füße Liebeswworte ? |
| Der Wind fauft ftärter daher. Über — an einem
Fenſter des Schloſſes tickt die kleine Kette einer Sean
gegen die Scheibe. š
„Ñling, fling, Eling”... fo tönen Goldſtücke, eld
mau haſtig und habgierig zählt. =
Gert macht eine jühe nervoje Berve, gung, wendet mi
ftarrem Blid den Kopf und ftürmt, Die Mojen i in der.
Hand, den Epeijefaal gir. x
*
ee
Pia beobachtete es bei Tiſch mit hochklopfendem
Herzen, wie ihr Bruder Gert begann, der feinen Couſine
recht auffallend die Cour zu maden.
x Er überreichte ihr ein paar rote Nofen mit jehr vicl-
fagendem Blid, und Fränzchen antwortete mit einem Derz
art ſchmachtenden Geficht, daß man es Hätte outricrt
finden können, wenn dent naiven Kind dergleichen gronie
gigutranen Jb |
Die Rojen hienen ibr — — zu erdien,
fie rod) unabläſſig daran, und nn jo geräuſchvoll, daß
auch diefe zarte Anerkennung feiner Huldigung etwas
auperordentlich Komiſches befam,
Nach Eurzer Zeit, während die Unterhaltung einmal
jehr lebhaft gewejen, hielt Komteßchen mit imig wohl⸗
wollender Miene eine der R tojen Dem ältlichen Sräulein,
welche die Stelle einer Hausdame auf Niedeck befleidete
und einer Offigiersfamilie enijtammite, über den Tijd
herüber Din.
So wundervoll wie Gerts Rofe hice noch nie eine
andere” — jagte fie mit beinahe jdjmachtender Miene,
„riechen fie mal, Fräulein Aurelte, e8 ift zauberhaft !”’ =
Die alfo Ausgezeichnete lächelte ſehr geſchmeichelt und
nahm mit graziös geſpreizten Fingern die Blüte ent:
gegen, um die pie Raje andächtig in ins — ae
verjenten. |
: Kaum aber, daß fie Daran prude fahr — mit allen
Heichen des Entjegens zurüd, riß ihr Taſchentuch aus
dent Kleid, ſtarrte mit blöden Angen nach dem helfen
— 543 —
Fenſter — und fazie, bazie ertönte eine folojfale Riese
erplojion. ur
Proſit, projit, Aurelchen !” hie die fleine Gratin
mit wahrhafter Gal genphyfiognonie, und als der Nies:
frampf immer ärger ward und das alte Fräulein mit
unverjtändlich gegurgelten Entſchul digungen aufſprang
und nad der Thür ſtürzte, ward Franzchen tirjehrot
por Vergnügen, warf Hd aufjohlend, ohne alle Brüderie
an Gerts Bruft und fehl uchzte vor Lachen.
„Um Gottes willen! was ift dem gejchehen 2“ tic}
die Gräfin betroffen, während die ganze Lidge} ellſchaft
ſprachlos vor Überraſchung auf das erregte Backfiſchchen
und den recht verlegen Dafifenden Gert jtarrte.
Frängchen wilchte fich mit dem Handrüden die Thränen
aus den Augen. „Mh du liebe Beit... ad) du bejte
Beit... p du ewige Befitmmernis . . .!” ftöhnte fie.
„Bitte, erkläre uns dod) — 2
‚Ma, was ijt Denn da noch zu erklären? Sch hatte
für Die liebe Aurelie ein bißchen Paprifapulver aus dem
PBiefferitänder in die Moje gejtreut! — warum bobrt fie
denn ihren Nüfjel bis auf den Grund?!”
Ob man will oder nicht, man mu B lachen! Sa Vetter
(Sert amüſiert ſich unbändig und in ſeinen luſtigen Augen
blitzt etwas auf, was los an feine eigene Jugend⸗
geit erinnert!
Bia, welche zuerit wie gelähmt vor Echred dageſeſſen,
bemerite zu ihrer großen Beruhigung, daß ihr Bruder
den Echerzen der Confine mehr Verftändnis und Aner:
— §44 —
kennung entgegenbringt wie fie, und daß ihm ihr Übers
mut entſchleden ſympathiſcher iſt, wie ihre Sentimentalität.
Das trifft fich außerordentl ich günſtig; Fränzchen iſt
Feuer und Flamme, dah der Better ihren Wig fo ſtürmiſch
belait, fie rüdt ihren Stuhl noch näher zu ihm heran
und haft fich jogar während der furzen Panje miom
Braten und Nachtifch bei ihm ein | |
Dabei flüſtert und uſchelt fie unaufhörlidh und Gert
prujtet ein paarmal faut auf vor Lachen und niet lebhaft
Beifall, ficher jucht ihn die liebe Hutiinftige als Aſſocie
für einen neuen Gaunerſtreich zu gewinnen.
Erſt ber dem Ericheinen eines köſtl an Banille-Cis-
fegelS ändert fih das Bild x
Nun konzentriert ſich ihr Intereſſe auf einen aie
Bunt. Die Bene Auglein flimmern vor Wonne und
Genugtduung. Cie blingelt Pia eifrig zu. „Siehit du
wohl, die Bidbecren haben fie zahm gemacht! ſchon drei
Tage nacheinander Eis! — Hn... ae ui TA nur
Mefpett verichaffen!” |
Und dann tritt für den um Die Tafel nande
Gisfegel eine lange Ruhepauſe ein, — er ift bei Gräfin
Sränzchen angelangt und komnit ſo bald nicht wieder
von ihr fort. |
Noch einen! immer noch einen Löffel! Dem ——
ehr jtrduben fih Die Haare vor Angit,
Endlich Ut der Teller des Backiſchchens nad) ihrer eiges
nen wohlig aufgefeufzten Verficherung „Ichmuppevoll! —
und der geduldig wartende Gert fommt auch an die Reihe.
35
ajoratsberr IL
<
>
Nov. Der
ff. Row a.
Y
t:
*
9.0. Eſchſtrufh—
— 046 —
Die Coufine ftößt ihn mit dem Ellenbogen an: „Du
ipt Doch auch gerne Eis, wenn du mich lich haft, mußt
bu eS gerne ejjen!!”
aſend gern! — geradezu leidenjchaftlich nn perz
ſichert der junge Offizier eifrig.
Ra, dann rechne bu mit dem Reſt auf be € Shii el
ab! Aurelie bedarf heute feines! Die ift leidend, — hat
den Schnuppen! . . . ich höre fie nieft immer nod!”
Gert weigert fih entjehieden, mehr wie drei Löffel zu
nehmen, — da fährt Komteßchen energifch herum und
ladet ihm den Teller voll. „Ich gönne es dir ja! — ich
finde eS entziidend, wenn ein Menih aa (oöfuttert!
Komm, wir effen um die Wette
Pia fouftatiert, daß ihr Bruder aud) bicker Verkehrs:
ton nicht unäfthetiich findet, fondern feelenvergnügt um —
Die Wette ikt!
Es ift geradezu wunderbar, wie die beiden jo himm-
liſch harmonieren!“ lächelt Baronin Nördlingen mit wahr:
haft verflärtem Blick nad) dem Pärden und fie brüdt
dabei die Hand Johannas. Die Gräfin nick ihr Herzlich
gu, aber fie fieht ein wenig verlegen Dabei aus.
Willibalds Geburtstag foll diesmal in ganz bez
ſonders feierlicher Weife begangen werden“, fagt fie ziem-
{ich unvermittelt, „Und obwohl es fiir euch alle eine
Überrafchung werden folte, halte ich es doch für beffer,
euch ein wenig vorzubereiten, Wir haben Gäſte geladen!”
„Säfte? O, das ift ja herrlich! das ift ja ganz
reizend! Leute aus der Umgegend, liebe Tante?“
on >
„ein, nur Berwandtichaft!”
„Berwandtichaft?” Herr von Nördlingen blickt auf.
„Außer den Nüdigers peek D gar feine näheren
Verwandten!” |
Kurze Baufe. Dann wid Willibald haſtig „Du halt
recht, darum habe ich ber Better mit grau und Sohn
hierher gebeten.“
Memloſe Stille. |
Pia wird jo weiß wie dag altu bor ift und
dann flammt e3 purpurheiß in ihre Wangen empor, igre
“Mutter wirft Gert einen Blid des Schredens zu.
pd. bit überrajcheit mich in hohem Grade, Willie j
bald! Seid ihr denn wieder ausgeſöhnt?“ |
Fraänzchen ißt unbefümmert weiter, ihr Blick Hufeht -
aber über den Teller hinweg und beobachtet Bias Anti =
— Whe
und dann wandert er voll Sinezale weiter, ‚von eiten
Geficht zum anderen.
Graf Willibald yerbriidt chnas nervös die Serviette
wiſchen den Händen. |
Rein, was man fo nennt, ‚ausgeföhnt bin u noch
nicht mit thin, und abgerechnet habe ich auch noch nicht
mit ihm wegen damals. . aber eë wird wohl Beit daz
zu. Der künftige Majoratsherr von Niederk muß anz
erkannt werden. Sch feiere meinen jechzigiten Geburtstag;
Das bibliche Alter ijt bald erreicht, da weiß man nie,
was der nächite Tag bringen fum, dom ich bin nicht
mehe der Stärkite und Nüftigfte!” —
Ma, na! Darüber laß uns erft einmal ftretten, mein
35".
-- 548 —
lieber, quter Willibald! — Broji! — auf daß wir jier
noch Deinen nennzigjten Geburtstag feiern! —
Der Graf faßte jem Glas und that dem Freiherr i
Rede. Er lächelte. mit refigitiertem Blick: „Sch lebe.
oh! ja! aber meine Rolle als niiglider, notwendiger
Mann iit aus geſpielt/ auch dürfte der Vorhang bald
fallen! Mir eilt es gewiß nicht Damnit, denn ich fann es
hinter den Couliffer. nod) qut abwarten, finde es gar
behaglich und. liebes warm, und eine Genugthuung ift es
mir auh gewejen, daß meine Rolle einen Fünfalter ges
dauert und daf Weib und Kind darin mitgeipielt haben! 3
Aber man bari nicht den rechten Moment zum Dra-
matijden Abgang: verſäumen d) felber hatte ihn feicr-
Aid) bis zum Nachſpiel zuruckhalten wollen, aber Fränzchen
bat mich. überzeugt, daß jest der rechte Moment gefommen
fei! — Mag dem der Würfel Fallen!” |
Iſt bereit Antwort von Onkel Rüdiger da?” fragte. -
Komteßchen mit vollen Baden, ohue das mindejte lyrijde
Intereſſe an einem — mit Auf? memg an
den Tag zu legen. x
Dex Graf nitte. Heute morgen ‘trai ent ſehr Schar:
pante Schreiben von ihm ein, ebeno ein Brief von
Wulff Dietrich, der gute Junge ift fo erfüllt bon inniger
Danfbarfeit, daß ich feinem Vater zuerjt die Hand zur
Verſöhnung biete. Er jchreibt, Daß Rüdiger fich jeit dem
Tode feines Lieblings Hartwig bis zur Unenntlichleit
verändert habe. Cin Herzleiden, welches ihn ſchon ſeit
Jahren geplagt, fei Durch dic furchtbare Ar fregung und
den Schreck bis zu den bedenklichiten Symptomen ge
fteigert, fein Saar Je ergraut. Auch Melanie fei eine
alte Fran geworden und namentlich in ihrem Wefen völlig
verändert. Sie, die Lebensluſtigſte von allen, habe au: —
jcheinend gang und gar mit ber Welt abgeſchloſſen. Dak.
die Eltern die Nefidenz für immer verlajjen wollten, ſtände
jeit, nur fet borerit Die a ‚eines neuen Wohnortes noch
unentichieden.”
„And ſonſt jchreibt er nidia? ou — Blick huſchte
wieder zu Bias tiefgeneigtem Muntlig. |
„Bas joll er ſonſt noch jchreiben 22 zuckte Willibald
die Achjeln. „Er fommt ja — her und kaun fih
mündlich ausjprechen.“
Ser md Frau von N lördlingen Hatten einen schnellen
N lick deg Einverjtändnifies gewedjelt. „Liebe Johanng,
wäre es nicht beffer, wenn wir diefen neuen Gäjten das
vn räumten? Es üt euch doc) ungewohnt, jo viele
Menfchen um euch zu fehen, und ehrlich geitanden ..
es ift nicht ſehr angenehm für uns, jenem anderen Nie:
decker hier st begegnen!“ —
Graf Willibald fuhr jählings auf und legte die Hand
auf den Arm des Echwagers: „Unter feinen Umftänden
dürft ihr weg, — 1 unter feinen Unſt tänden!” und sohanna
ſchlang aufs höchite erichrocten den Arm um die Baronin
und jagte jehr beitimmt: „Das würde den ganzen Tag
und das ganze Felt verderben! Das würden wir euch |
nie verzeihen! Es ift gar fein Grund vorhanden, Dak ihr =
dem Vetter aus dem Wege geht, — Pia hat es ja lange
e, 95 re
genug. gethan und ihre: Bire menr wie wollig gee
waini — zi
Franzchen kreuzte behagl ih bi Arme Gab (achte —
auf: „Seht doch zu, wie ihr ohne Wagen und Pferde
von bier jortfommt! Wir ftellen an feinen u
gefchweige vier Rappen!" —
„And bie Zugbrücke bleibt oben!” ſcherzte Willibald.
ee, I dann en wir uns ann!”
jas Gert. ve oe —
Man erhob o.
Mahlzeit!” ftöhnte Franzchen, die Arme — |
Bu dann reichte fie Gert Die Hand. iy
Rahigeit, Bäschen!“ fagte dicjer, jah bie Kleine mit
den — unwiderſtehlichſten Augen an, hob ibe Dane |
und drückte feine Lippen darauf. `
x „Alle Donner!‘ jchrie Fränzchen ganz entjett und rif
fie zurüc, utd dann ftand fie wie verfteinert und ftarrte
auf Die heidelbeergebläute Rechte nieder, auf ne der
erjte Handfup eines Reutnants brannte! — 3
Aber, Gert, um alles in der Welt!“ rief aud Tante
| — qana Derblüiit und machte Miene, als wolle fie
noch nachträglich die Heine Galanterie verhindern: „Sch
bitte dich, verwühne doc) das Rüden nicht fo!”
Graf Willibald aber r flan und hielt ſich die Seiten
vor Lachen!
Tränzchen jah blutrot aus mb maiie ein Geſicht,
alg jchnappe fie nach Luft, und Dann jdjlenferte fie mit
Händen und Füßen wie cin Zappelmann, ftieß ein un—
— 551 —
—— Grumen aus und ſtürmte aus Den Saal,
daß rechts und linfs die Stühle und Diener beifeite flogen.
„Mein Gott, wie todverlegen das ſüße, fleine Ding
wurde!“ rief Frau von Nördlingen mit zärtlihem Ton.
„Sie hat dod) etwas ganz außerordentlich Weibliches bei
afl ihrem Übermut!“ |
Da dritdte aud) Die Gräfin das Tafchentud vor das
Geficht und lachte Thrönen. x
Gert aber zwirbel te ſtolz über folder Erfolg fein
Schnurrbärtchen und Papa Nördlingen flopfte ihn wohl:
wollend auf die Schulter und necdte: „Na, na! Bilde dir
‘mal nicht zu große Lorbeeren ein, du Feiner Schwerenöter!”
Die Baronin umarmte ihren Mahlzeit wünſchenden
Sohn febr Herzlich und dabei fliijterte fie ihm unbemerft
zu: Losſchießen, Sungdjen! jo bald als möglich! Es
it die höchſte Beit!” — =
* *
Die Damen hatten fich zu einer Heinen Sieſta zurüc-
gezogen, ebenjo die beiden Väter, welche über „den Dienft —
nachdenfend‘ in ftiller ee eine ar oe
teinfen wollten.. |
Es war fer heiß. ae
Unter den hohen Minen berti. bridenbe
Schwüle und Gert wandte ſich mechaniich der Heinen
Felsdrotte zu, Dr welcher gewiß eine Sina Teme
peratur herrichte.
Er hielt bie Cigarette zwifchen Den Zähnen und ftarrte —
nadjdenflid) vor Hd hin auf den Parkweg, welcher ziemlich
— —
teil abfiel, da die Gartenantagen fich den Ben Be
erſtreckten —
Em unbehagliches - Geriigt wollte ihn nicht —
Wie eit Alp laſtete die bevorſtehende Liebeserklärung auf
ihm, und wenn auch vor feinen Augen noch das Bild der
„eigenen Jacht” wie eine lvefende Fata Morgana ſchwebte,
jo fand er den Weg bis zu ihr Hin doch reichlich jo janer,
wie Das. Wandern durch den q lühenden Wüſtenſand
Sa, wenn das Herz nicht Dabei: ift! x |
Damals mußte er gewaltfam die Lippen Schließen, um
dem jühen, blonden Gretelein nicht voll überjtrömender
Liebeswonne Herz il Hand. ae eich zu gapen ; au
legen, und heute .
Gert Ttöhnte — auf: rie jollte er dieſem unreifen,
kindiſchen, übermutstollen Mädel wohl ein ernſtes Wort
pon Liebe reden? |
Manchmal war ja Fränzchen höchſt jentimental und
ichwärmerifch, verdrehte die Mugen und drückte die Hand
auf das Herz, aber das waren nur momentane Stim—
mungen und... Pog Anker und Rumpjtocd... gerade
Dicje Anwandlungen liebte er am wenigiter au ihr! Es
fam ihm immer vor, als ob eine ausgelaffne Schau:
jpielerin vor ihm ftünde, um unter innerlichem, jchluch-
aedem ©elächter em wenig Komödie zu Spielen! Ihre
Rüpel haftigkeit mutete ihn „echter = ud darum bedeutend
wohlthuender an! | | |
Und dieſem erchredlichen fl chun I, = ene Liebes—
BUN, Be a —
ae x
—
——
r —
— —
— 554 —
Es war furchtbar.
Aber was hilft alles Striuben und Echaudern, er.
muß! Um Pias und um der Mutter willen! — An N
die Millionen und die, Apene Sadi denft er ihon gar
nicht mehr. Ri
Übermorgen konnt W Wulff Dietrich pur an; obet er
Fräuzchen als Braut eines anderen, fo iſt Pras Schickſal
wohl entichieden, und der unentjchlojfene Graf Dietrich
entſchließt fich Dennoch, fie dem Antrag des Vaters qez
map zu femer Gräfin zu machen. |
Wird es ein jo großes Glück für bie Schweiter fein,
einen Mann zu heiraten, welcher ich jo. ſehr gegen eine
Verbindung mit ihr ſträubte? Unbegreifl ich genug war
es von ihm; — je nun, er liebt vielleicht aud) ein blaues
Vergiimeinnicht, Dem er ſchwer eutjagen tam. Und Bia?
Der Beſitz von Niedeck reizt fie wohl an und blendet fie,
— jonft wäre das Handeln des ſonſt ſo ſtarren, ſpröden
Madchens wohl unbegreif (ie = x
D, Gold, du teufliiches rotes Gold, welch cine a ah
Hast du jelbit über die beiten! |
Die Zeit drängt, wie foll er e3 nur anfangen, Cons
fine Frängchen eine vegelrechte Licbeser Haring zu machen!
Humoriſtiſch⸗ Mein, dazu ift ihr Wejen oft zu jentimental x
und auch bie findiichen B sadriiche haben von Siebeser-
| klärungen ſtets eine außerordentlich ‚poetijche Vorftellung! |
Nachdenklich, mit ſorgenſchwerem Herzen biegt Gert
um Die zarfigen Granitfelfen, ‘welche. die „blane Grotte”.
zu x Seiten einfa Hen, und als er in das milde, 7
— DOO —
kühle Dämmerlicht eintritt, ſchrickt er — zuſammen
bei dem Aublick der „Lupa in fabula”, welche gleich ihm
in die ſchühenden elfen geflüchtet ift. es
Fraͤnzchen liegt längelang auf der Bank, Die Hände
unter den Kopf geichoben, eine qualmende Cigarette in
dem Mund. Sie rührt fich nicht bei feinem Exjeheinen,
nur die großen Augen rollen momentan nach ihm herüber.
„SE bin allda, fprat der Swinegel!” citiert fie, ohne die
mindefte Spur von Eitelfeit, und als Gert betroffen zögert,
näher zu treten, fährt fie wohlwollend fort: „Da drüben
ift noch eine Steinpritjche, liegen fie gefälligit Play!”
Sollte ihm das freundliche Schickſal zu pie fommen,
-follte er vielleicht jebt? — — —
Ros dajür! Mit Gott für König und Vaterland,
„Merci, Holdes Baisden, Plog zu frien wäre mir
allerdings lieber!” jagt er mit bedeutſamem Lächeln und
Fränzchen pafft eine pide Wolfe und fagt voll ber:
blüffenden Scharflinns: „Dann breite erft das Schnupf:
tuch unter! bie Erde ay feucht und deine Buchjen find
nagelneu!“
Er lacht und regt ſich ſeitwärts auf die Bant.
„Willt bu Feuer oder brennjt du noh?”
Gert ſeufzt „Sc breme lichterloh, Bäschen!“
Die kleine Gräfin mufterte ihn vou oben bis unten.
Majeſtät jollte feine Leutnauts imprägnieren laffen!”
meint fie troden.
Gert füllt aus der Rolle und lacht Rn auf!
s aoe Pip —
— 356 —
Dann ſchweigen beide. =
Fränzchen gähnt. „Erzähl mir eine forjche Sefehichte,
Gert! irgend jo was von Chineſen und Seeräubern, die
liebe ich befonders. Haft du mal fo einen Kerl zu Ge-
Jt befommen? Haft du mal an einem Stinfpott ge-
rohen? Ach ee nämlich nicht fo recht an belen
Erfeft!“ so ee
| Gert ftectte fich eine nene Cigarette an. Gewaltſam
rafft er fich aufamnen.. Er muß die ze Stimmung, Ç
jaja. x =
„Eine Seeränbergejehichte‘ pf — rpari fcbiittett
er den Kopf. „Ach, Fränzchen, danach ijt mir momentan
wahrhaftig wicht zu Sinnen! Ich bin in fo ganz anderer
Stimmung, — fo freudvoll und leidvoll... gerade fo.
na, Teufel ja, alS ob man nur lyriſche Gedichte recitieren
fünnte! Soll ich?“
Sie wijdt fich nicht gerade jchmeichelhaft über den
Mund. „Dante, mir ift ſchon übel! b. H. pardon, wenn
e8 dir Freude macht, ſchieß (os! Rannit du deun übers
haupt jolh Zeug auswendig: oe
ber, Fränzchen! das gehört doch zu einem. per:
liebten Menfchen! 3. B. fo ein Heine-Gedicht! was —
da für Muſik drin! wenn einem fo teäumerifch. weh nı
das Herz ift, man immer an die Gelicbte denkt, —
hangend und bangend in ſchwebender Bein, — welch ein
Troit ift dann ſolch ein ſtimmungsvolles Gedicht!“
„Na, fag mal eing auf" —
Gert kommt in Verlegenheit, eigentlich Fällt ihm...
- p m
— Jot —
fein einziges cin, die „I Wah t ant Nein‘ und pel Dir
im — pafjen nicht in die Situation. Doh —
Heine! wie fängt es uur gleich an? — Er hat ein fo
niferables Gedadtuis! — D, N Das ijt furcht⸗
bar fentimental! Gr fegt Das Geficht in düſtere walter
ae beginnt mit vict Pathos:
2,88 fiel cin Neif in der Frith lingsnadt us)
— „Hab ihn hören pluimpjen!! — fährt Frangden
ebenſo jchwärmeriich fort, — und dann breden beide in
ein dröhnendes Gelächter ang, nein, es ift abjolut feine —
Stimmung zu erzielen! Eine Weile necken fie fi) in ge
wohnter Weile hin und ber.
Sränzchen wirft ifm den Gigaretienftimmel an De
Kopf und ruft: „play pve —
Gr antwortet prompt mit dem feinen: vont 2 Wollen
wir Temis ſpielen ? — | —
„Nein, ich ſpiele vorerſt Klapperſchl ne
on „Alle Wetter, wie ift bas?” —
ee dehnt die: Arme. Das ijt roalifitfje. Mach:
ahmung. der Natur. Nadh Tiſch ringelt man Hd) gue
fammen und perdat!” —
„Al right!"
„Nachher fahre Die neuen Sue ein. Somme x
du mit?’ -
Sert erſchrick, er garie Die bef te det, Sot einen
Anſturm, es muh gefiegt werden! — 2.
Ach / Franzen!” ſeufzt er, aber. es ‘ijt on eh
ein Stöhnen. |
€e blickt erjtaunt auf. +
‚Bas fehlt dir?” —
Fränzchen!“ er fapt wie beſchwörend ihre Hand:
„ac, wenn du wühßtelt, wie e8 mir zu Mute ift!”
Da richtet fie ſich hoch auf und ſieht ifn — fich dicht
zu ihm nn m bie — aa, nn mit
ernjtem Blick,
auch: a “ti tert fie.
Er wird kühner und preßt ihre Hand. Seifen ` Hai.
feinen, fie zu füffen wagt er nicht wieder. „Beites,
teuerite® Srangchen, anit bu, wie e8 um mich Aller
ärmiten ſteht?“ fleht er mit der Miene eines Sterbenden.
Sie. legt bie Hand auf feine Stirn und nick haſtig —
„San. genau ebeufo wie ich! mir it es — furcht-
` bar zu Mute” — | | 5
Furchtbar?!“ —
Ihre Miene ift ſehr düſſer Sie lehnt den Kopf an
feine Schulter. „Ach, Gert, wir haben uns beide ver-
‘futtert! es war zu viel Gis. nun ift einem au Mute,
als follte der ganze Mac gen plagen! Lieber, armer Gert,
mein Leidensgenojje! Komm mit, wir holen und bei
Muttern ein Branfepulver, — das er —
Gert ſteht jprachlos, wie unter einem Zturzbad falten
Waffers, — dann aber lacht er abermals, lacht wie einer,
der aus fchweren Ängften erlöjt ift? Nein, beim beiten
Willen, es ift unmöglich, ihr eine ee zu
machen, — — Gott fet Dani! — —
Famos! =, Hurra, ein Braujepulver |” sübelt e er;
— 359 —
und Fränzchen ift auch wieder ganz fidel, haft thn unter
den Arm, und beide wandern innig verbündet aber vollig
unverlobt nach dem Schloß zurüd. ,
Über ihnen fchlägt die fleine ‘Salonfietette an
gegen die Senfterfcheiben. x
y Ñlinuq— ttina—fliua.“ a | x
Gert blidt triumphierend empor — Tat aden: x
Mein Schaßerl U Hib} dy, aber Gelb hat cs nit! was ae
nügt mir der Neihtum — das Geld ig i nt“ — °
An voler Rei ee Srängchen elit.
|
7, — —
WAAAY)
MA
ANYI
(SS: flinat das Wort: zu has gatz:
abr wohl, fabr wohl, auf imnierdar!.
Benn ſich wei Herzen feinen,
DG: ſich dereinſt geliebt!
Emaniel Seibel.
ples bat der Biv ael ein Sohnlein geſchentt
Weiße Dame:
> me hatte fich Die Emwohnerichaft von
| Angerwies in einer derartig großen Aufregung
II Befunden, wie an dem Hentigen Tage. — Sein
mgodi Ametjenhaufen fann mehr Leben zeigen, wie
das feine Städtchen, deſſen Bürger das Mittagseſſen
noch nie hatten fo falt werden cles wie an t Diejent
Sonnabend.
Etwas Ungeheucrliches, ganz Unjah ides Hatte ich
ereignet. Mut frühen Morgen rollte die Nieder) iche Equipage.
durch die Straßen und Gäßchen, um bor den Häuſern
der Honpratioren zu halten. a. |
Friedrich, in ſtrotzender, eleganter Salalivree, ſprang
pon Dem Bock nnd überreichte dem jedmaligen Hausherrn
unter ‚feierlichen Biidlingen einen ‚großen, mit rotem
Simpel veriehtoii enient Briet nes |
£
Ead
j
Ir,
Reh
Ass,
+ Bey
Eſchſtruth IN. Nom. u. Nov, Der Majorattherr JL.
36
— 562 —
Aufs höchſte überrafcht, beinahe entſeht, ward dieſer
zuerſt angeſtarrt, dann mit leicht bebenden Fingern ges
öffnet.
Eine diae Hochelegante Karte mit Dem erhabenen
Wappen des Neichsgrafen von Niedeck glänzte dem
Faſſungsloſen entgegen und er traute feinen Augen nicht,
ais er die gedruckten Worte las: „Willibald, Neichsgraf
zu Niedeck, Erbherr auf Burg Niedeck, und Johanna,
Reichsgräfin zu Niedeck edle Frau von Sonnenburg und
| Hohenelf, beehren jich den Herrn Bürgermeifter pp. zu
Tomierstag, den 24. Juli a 6 Uhr zur a
zu laden.”
Mas bedeutete das? War e3 eine Sailucination?
War es ein fchlechter Scherz? x
Der jeweilig Betroffene rieb Wd) Die — und mar
jo Berker, daß er vergaß zu antworten, bis Friedrich
etwas ungeduldig um „gütigen Beſcheid“ bat.
Sa, den befam er nicht fo ſchnelll Wohl aber ward
ihu in fonfufer Haft ein Stuhl und ein Glas Wein ans
geboten, die Hausfrau ſtürzte danach in den Keller, und
der künftige Tinergaft auf Nieder legte beide Hände wie
bejchwörend auf die Schultern des Galonnierten und
jlitfterte atemilos: „Friedrich, edle, hochherzige Seele,
jagen Eie mir, was ift 1032” 3 |
Friedrich wahrte die feierlihe Würde. „Sie müſſen
iu vollem Wichs erſcheinen, Verehrteſter, es gibt ein auper-
ordent! iches Ereignis. Der Herr Graf wollen den t
Majoratsherrn ——— —
— 963 —
Heren Wulff- Dietrich? Alle guten Geifter! Fa,
fagen Sie, Friedrich, da kommt m der junge Graf pers
jönlich hierher?”
Es kommt die ganze Familie; auch der Herr Kammer-
herr Rüdiger mit Frau Gemahlin!”
„Graf Rüdiger kommt!” wie ein Schrei rang 8 Hd
von dem Lippen: Friedrich, Jen, haben ſich die
Vettern denn perfopnt 2” .
„Muß wohl!“ nidte der ‘Gana. „Der Herr Graf
Wulff-Dietrich ift ja jüngſthin mit uns am Rhein gereiſt,
amd... wie man munfelt . . . na, unſere Komteſſe
Santan iſt ja noch reich lich sig, abe een könnte
einſtweilen ſchon gefeiert werden”
Graf Rüdiger! Verlobung! Verföhnung! Wie über-
wältigt fant jeder Mann, den folch eine Nachricht er-
reichte, an die Bruft des Überbringers, und dann glühte
der Funken auf und ward zur Flamme, welche durch den
ichwachen Hauch des Mundes gieriger um Hd frak, als
wenn ein Sturmwind fie ‚zur Fenersbrunſt anfachte!
Angerwies branute lichterloh vor Aufregung! und jo
viel Bier hatte Vater Simmel noc) nie zuvor verzapft,
wie Heute, wo die Wirtsjtube der „Stadt —
einem Taubenjehlag glich.
Sollten die ichlechten Beiten für Mrgerwies doch nocd
einmal aufhören? Sollte Graf Willibald, der endlich
Verſöhnte, vielleicht all die Privilegien, welche er ehemals
der Stadt zur Strafe entzogen, aufs neue verleihen? — —
Wie ein Naufch, ein Taumel erjaßte e8 die Väter der
36*
Zo flee
Stadt, und dennoch dachten fie etwas beklommen an das
Wiederfehen mit dem, welcher alles Unheil über fie qez
bracht, an den Kammerherrn! — Und dieweil die thätigen |
Hausfrauen die beiten Vatermirder und Platthembden für
das große Ereignis riifteten und die Menge ſtürmiſch eine
Wiederholung des ehemals mikglückten Feuerwerks vers
langte, ward auch auf Nieded der fe ftliche Tag vorbereitet.
— Baronin Nördlingen fab zwar recht niedergejchlagen l
in ihrem Bimmer und Rü6te Dent Kopf ſorgenſchwer i
die Hand. a
Gert hatte ihr verfichert, es fei abfofut unmöglich,
Crimen eine Licbeserklärung zu machen, fie ließe e3
abfolut nicht Dazu tommen und ſeit vorgejtern habe er je |
überhaupt nicht mehr allein zu fprechen befommen! Dies
fet doch recht deutlich „Ubgewinkt“, und er könne Hd
unmöglich blamieren und fich gemalt] am einen Korb holen! —
Nein, das konnte und ſollte er nicht, Dazu waren fie
beide zu ftolg; aber es war doch recht ſauer, don allen
lieben Zufmftsträumen Abjchied zu nehmen! FR
Pia {chien merkwürdig ruhig und gefaßt. Ein beinabe
ftrablendes Lächeln verklärte ihr reigendes Antlitz und
dennoch ſprach fie ſich nicht aus, ob fie Frängchens Herz
erforscht Habe oder nicht. — Gort legte ihre Hand auf x
jeinen Arm und zog fie au! den Balkon.
vee „Rial“ flüfterte er: „Du Halt geſtern fo lange und
fo ernfthaft mit Fränzchen gefprochen, — war ich vielleicht Be
ber Gegenftand eurer Unterhaltung 2” | ERS
| ‚Das Junge > ee nickte mit _ Augen
— 565 —
zu: „Du wirft fiegen! Gie liebt Wulff-Dietrid) nicht,
und that einen heiligen Eid, daß fie ihn niemals Dal —
‚werde! —
„Damit ift Doch noch nicht gejagt, daß fie mich liebt
und erwählen wird!?” zucdte Gert mehr unruhig und.
bejorgt, als wie hoffnungsfroh die Achfeln. i
„Selbftverjtändlich jagt fie bas damit! fie fennt ja.
feine Herren auger Wulff— Dietrich und die? —
„Halt du fie bireft gefragt?” —
Pia jentte ein wenig verlegen das Köpfchen: „Sa,
ich war jo indisfret! Verzeih mir, bejter Bruder!“ bat
fie weich, mit leife bebender Stimme. „Ah, die Unges ©
wißheit war fo qualvoll, und ich wollte gern mit mir ae
jelber und meinen. wiren, fraufen Gedanken ing me
kommen!“
Dano Gott! . : was jagte fie?”
Gert war beinahe ulak vor Schrei.
„Sie bat mich, jebt wicht um eine Antwort in fie zu
dringen, am Donnerstag jolle alles nah Wunſch arrauz
giert werden! Wenn du nach dem Diner noch Luft verz
jpürteft, um fie zu freien, fo folltejt du getroft anfragen !
— Nun, das ift doch fo gut wie ein Sawort!” —
Gert jtand wie vom Schlag gerührt und zerrte nervös
an jenem Schuurrbärtchen. Am liebſten hätte er heftig
(osgewettert und rundweg erklärt, daß er abjolut feine
Lift habe, die Coufine au heiraten und Daß er eS mie
und nimmer thun werde, — aber als er in die glück⸗
itrahlenden, wunderjamen Mädchenaugen fah, welche wie
== 566: —
a flehender Bitte zu ihm aufladen, tab im das Wort
auf den Lippen. x `
Er drückte kurz und erregt ihre Garb ind — fic |
jag zur. Thür: Ich Dante dir, Schweſterchen,n nun ſind
ja wohl die Würfel gefallen!” — | |
Pia aber blieb allein zurüc und fete ia gedanfen-
verloren in die blühenden Broeige, welche Valton ı ums
TANTEN: —
Nam wird und muß — alles gut werden! ir fann
jühnen, was He an ifm gefe htt Hat! = :
Cie faltet die Hände und brñdt fie gegen die Brüt,
— und ihr Blid ſchweift wie verflärt hinab zum Thal,
als wolle fie ifn jebt ſchon fehujuchtsvoll grüßen, ihn,
der morgen die Blume des Glüds auf dieſem Berge
pflüden foll. Für ihn wird das Glüd vollfommen fein,
— ad, daß aud) für fic die einzige Wolfe, welche eë noch
bejchattet, zerrinnen finite! Das Majorat ift und bleibt
für fie Das Bleigewidt an ben Schwingen ihrer Liebe,
welches den höchften Aufſchwung nicht geitatten will. —
| Pia hat nie Wert auf Geld und Gut gelegt; ihr
zartfühlender Sinn erachtet den: Reichtum als gemd
wahrer Liebe. Wie foll fich diefelbe bethätigen, wie fol
fie Hd in ihrer ganzen Größe und Starke zei gen, wenn, |
fie eë nicht durch Opfermut beweiſen faın!? — |
Ach, daß Wulff-Dietrid) der ärmite Mann unter der
Sonne wäre! bab er dod) der titel- und mittelloſe Aſſeſſor
Hellmuth geblieben wäre, auf daß fie ihm zeigen founte,
wie fehr fie ihn liebt! D glüdjelige Margareta! wie
die von ihrem Bung’ Werner. lone fonnte: „Er ift nur
ein Trompeter, und doch bin ich ihm qut!“
wa, Dadurch allein ift er zum glüchjeligiten Mann im
römischen Reid) geworden, durch die Überzeugung: Sie
liebt Did) um deiner jelbjt willen! —
Wie gern würde fie eine ſolche Stücjeligteit anch
Wulff“ Dietrich, bereiten! aber die unerbitt! lichen =i °.
mächte haben es anders bejchlofien os
An fid) fe (ber und ihren Stolz batt fie nicht ma u |
— Fraugdhens schlichte Worte haben einen wunderbar
tiefen Eindruc auf fie gemacht! — was üt ihr arnıjeliges x
Ich gegen das älteſte Geſchlecht des Landes, deſſen Tra—
ditionen gu ehrwürdig und heilig find, um an einer
Mädchenlaune zu Grunde gehen zu dürfen! |
| Dab es ihr fern gelegen, aus dem Stüdszufall,
= elder ihr die jechzehn Ahnen bejchteden, Kapital gu
ſchlagen und die Grafentrone für fich daraus zu ſchmieden,
das weh Wulff- Dietrich! Cie vergibt fic) michts mehr
UND. jehadigt ihre Würde nicht, wenn fie nun, wo Die
Eiſtenz der Grafen Niedeck einzig nod. von ve abhängt,
die Hand zur Verjühnung bietet.
Sie muß es thun, denn Wulff: Dietrich t tann alg Ehren:
mann nicht wieder um fie mee jo lange er der Ma-
joratserbe diefes Echloffes ijt. Sie liebt ihn! und die
Liebe hat über Stolz, Troß o Vorurteil gefiegt! —
Der bedeutungsfchwere Tag, welcher fo viele Herzen
ſchneller Schlagen machte, ift angebrochen. :
. Ein Karer, heißer Sommertag > Die Bäume fkchen |
— 508 —
regunaslos, — a Hof en duften ſchwül und die Vöglein
verſtummen im 9 Salde. Man nimmt das erfte Frühſtück
in Der unter Deren hoher jäulengetragener
Wölbung nichts von Hige zu merken ijt. Das Gejpräc
ijt piel lebhafter wie ſonſt und dreht ſich hauptjächlich um
die Ankunft der Gäfte; Franzchen zeigt ſich von ihrer
übermutigſten Seite und i ſich vor
verzehren. | =
Aber ihre Sehnſucht silt oe Bulff- Dietrich. a
Gegenteil, fie hat morgens bei der erjten Begrüßung Die `
Hände Bias erfaßt und ihr tief und forfchend in Die
Mugen geblidt: | sareni du dich auf ihn?” Hat fie qe
Hintere
Das junge Mädchen atmet tief auf und ihre ſtrahlenden
Augen geben Antwort.
Sränzchen utdt aufgeregt und drüdt die fdlanten
winger noch heftiger. „Ihr jollt euch beide nicht in meiner
Freundſchaft täufchen! ich habe eë mir zugejchworen!” —
murmelt fle, und Dann reißt fie Hd {o8, um Fräulein
Aurelchen einen extra dazu eingefangenen Froſch meuchlings
in die Halskrauſe zu ſtecken, daß „der Kalte, Naſſe“ dem
zeterfchreienden Dämchen lang den Niücken hinab⸗
zappelt.
Aurelchen krümmt ſich wie ein Fidelbogen, und die
junge Gräfin will jterben vor Lachen.
Und diefe Ausgelafjenheit Dauert während des ganzen
Frühſtücks an, nur der etwas ſchweigſame Gert wird voll
Aufmerkſamkeit behandelt, ja, trog des derweiſenden
— 570 —
Bis der Mama Hält fie ihm ein paarmal die Hand
zum Kuſſe hin und fieht den febr überrajchten jungen
Offizier dabei jo HB und holdfelig an, bab Gert wohl
oder übel küſſen nuß a
Friedrich tritt ein und ey auj fbernem Tablet >
die Briefjchaften. x —
Graf Willibald liebt e3, fie noch am Kaffeeiſch bur :
aujehen. —
Während er den einzigen Brief, welcher fidh diesmal
zwijchen den Zeitungen befindet, öffnet, unterhält fich die
Heine Tafelrunde lebhaft weiter. Plötzlich dröhnt ein
Schlag auf den Tiſch, da dic Tafjen klirren: „Franzen!“
ſchreit Der Graf auf, Franzchen!“ und zum zweiten-
male fchlägt er, in höchiter Aufregung alle Ctifette ver-
geffend, auf den Tijch. |
gS Backfiſchchen hat dem lieben Vetter Gert in bie
alle bis an den Naud voll Anderjtücihen gelegt, Die-
weil der zerjtweute Leutnant gedanfenverloren bie Waffen
an den Wänden auftarrt und es nicht einmal bemerft,
bab die Coufine mit ihm fofettieren will.
Sie führt ganz erichroden auf und ftarrt den Sater
an: „Bumm — Füngft bu Fliegen, Papa?” —
Graf Willibald flarrt auf den Brief in feiner Hand
und aller Augen vichten fich erjchroden auf ſein Geficht.
Gottlob, er fichi zwar ſehr libervajeht, aber gang vertlärt x
vor Freude aus. ae
„Kinder... . eine Überrafchung! u ft er bervor
— mit L er wilden Kap! —
22 524 ee
„Bitte, teile Doch mit!”
„Ein Brief von meinem Nechtsamvalt aus der Ne
fidenz! Weil er glaubt, daf jeder Niedeck fic) für jechzehn
Ahnen intereffiert, teilt er mir folgendes mit: Der
Leutnant von Nunow, welcher vor 25 Jahren den Mb-
ichied nahm, um befonderer Verhältniſſe willen in ſpaniſche
Dienfte zu treten, Ht feit drei Tagen nach feiner alten
Heimat zurückgefehrt. von Runow vermählte fid) mit der
Gräfin Pasqual y Martinez, eine Dem fpanifchen Hofe
verwandte Dame, Tochter des Herzogs von D. — Diejer
Ehe find fieben Kinder eutiproffen, ſechs Tüchter und ein
Sohn, die ältefte Tochter ift an einen fpanijchen Granden
vermählt, die fünf jüngeren, im Alter von ſiebzehn bis
ſechs Jahren, begleiten Die Eltern, welche in unjerer Reſidenz
dauernden Aufenthaltnehmen wollen. Die jungen Mädchen, —
rejp. Kinder jollen hervorragende Schönheiten fein, und
befigen nebjt fonftigen guten Eigenfchaften den außer:
ordentlichen Borzug — jechzehn Ahnen — oder darüber!
— aufiweifen zu können. Herrn Graf Wulff Dietrich ift
die Nachricht auch bereits zugegangen, und wird ihn
hoffentlich mit großer Genugthuung erfüllen !
Fränzchen, mein liebes d — was ſagſt du
nun? —
Der Graf breitete die aane weit aus und, die Kleine
flog ſtürmiſch mit einem ohrzerreigenden Juchzer hinein!
Tante Sohanna fah ganz echauffiert aus vor Freude
und umarnite ihr Töchterchen ebenfalls fehr erregt, und
Nördlingens wechjelten verftändnisiofe Blide und fonnten
— DIL —
ſich die Erregung nicht recht deuten! was ging fie Die
Familie von Nunow an!? Frau von Nördlingens Bez |
ficht aber leuchtete plöglih im jähem Berftehen auf:
„Dur das Erjcheinen diefer Nunomwjchen Töchter ward
Fränzchen frei von dem moralischen Zwang, Wulff-Dietrich
heiraten. au mijjen, und fonnte nun nad ihrem Herzen
wählen - — Wert! —
oe der allgemeinen Aufregung hatte niemand auf Pia
| geachtet. Leichenblaß, regungslos jaß fie in der fleinen
Runde und preßte Die zitternden Lippen aujammen, als
wolle fie einem Schmerzensjchrei wehren, welcher fidh ihrer x
Bruſt entringen wollte. |
Reije, wankend erhob fie fih und verlich die Halle,
Droben aber in ihren Zimmer brach fie mit dumpfem
Wehelaut auf die Knie nieder und drückte das Antlig in
die Hände,
=- Run war alles vorbei, — alles. —
Nun ijt fie überflüjlig geworden, — nun bedarf die
Familie Niederl ihrer nicht mehr, — nun wird Wulff:
Dietrich eine andere freien, welche ihn nicht bis in den —
Tod gefränft hat wie fie! — Nun ijt alles vorbei, und
Via fann nie und nimmer gur machen, was fie an dem z
Geliebten gefehlt! =
Die Sonne verduntelt fich, Weiten fen ſteigen schwarz
und drohend auf und der Wind fährt raufchend durd)
die Baume, — juſt wie damals, al3 fie voll frevelnden
Leichtſinus, voll ſündhafter Oe tigkeit ihr Olid -in Trüumer
ſchlug —
S sqa —
Ein leijes fernes Donnergrollen — —
Pia hört eS nicht, wie eine Sterbende fniet fie bor
dem Diwan und preft die Augen auf Derk berblaptent
Atlas.
Sie hat feine Hoffnung mehr und feine Thränen.
*
Der Ahuenſaal der Ricdes rabi i in feſtlichem Glanz.
Man hatte dic Fenjterladen geichloffen und die Lichter
entzündet. An mächtigen Ketten hingen die wundervollen,
viele Jahrhunderte alten Kronleuchter von dem getafelten
Plafond hernieder, durch zahlloſe hohe Dacysterger den
interejfanten Raum erleuchtend. |
- An den Wandpfetlern, zwijchen den —— Gemälden |
— breite Armleuchter vor, gleich hohen flammenden
Plütenfträußen die Lange der Wände ſchmückend
Da hingen fie feterlich in Reih und Glied, die Bilder
aus allen Zeitaltern, da jchauten die Neich3grafen von Nie-
deck in Rüſtung, Mönchsgewand, Allongeperüde, Treffen-
(feb und Schäferhut, in Bärenmüßen und Drdensgewand
auf Die jpäten Enfel nieder, von dem eleganten Pinfel-
ftrich moderner Meijter bis zurück zu der naivften Kunſt
der Alter, welche die PBatronatsheren mit fteifen, höl—
zernen Gliedmaßen und betend erhobenen Händen als
Altarbilder verewigt, oder die Ritter und Edelfrauen auf
kunſtvollen Gobelins abzubilden verſuchte. —
Neben dem riefenhaften Kamin prangten rechts und
| ‘ints die mächtigen Tafeln des Stammbaums, gefrönt von | |
den bunten Wappenfhilbern und ritterlichen Inſignien
der Familie. |
-Bor demjelben, am nördlichen Ende des Saale, erz
‘hob fich ein fleiner Altar, welcher mit Frifchen Qorbeer-
bäumen couliffenartig umftellt war. Zwiſchen hoben,
brennenden Kandelabern ftand das Bild des Landes-
herren, vor demjelben ein Kruzifix uralter Form, weldjes
— als Sechenf des Bapites Urban V., um das Jahr
1368, — feit jener Zeit jtets bei e Handlungen
den Familienaltar der Niedecks geſchmückt Hatte. Nach
der Tradition noch älteren Urſprungs war das Schwert,
mit welchen Kaifer Otto I. feinen Pagen Johaun Lando
von Miedeck zum Ritter gejchlagen haben jollte.
Auf dieſes Schwert leisteten die jungen Grafen vor
Niede bis auf den heutigen Tag den Eid der Treue,
wenn fie vor verjammelter Familie für volljährig erfannt
und in die Rechte der Erbfolge eingefegt wurden,
Das „Aufihwören” war einer ber feierlichiten Akte x
im Leben der jungen Grafen, welde das Schickſal zum
Majoratsherrn und Erben von Niedeck gemacht. Auch
heute lag das „ichier heilige” Schwert auf dem Altar, und
Die Haskernden Lichter weckten in ihm dieſelben Silberblitze
-wie jeli vielen, vielen, endlos langen Jahren, wo an dieſer
jelben Stelle der Sohn von dem aan den Ritterſchlag
erhielt. —
Nah dem Kia war die cecil bis
auf wenige Mugen zufanmengelchmolzen, nad) den Bez
x Heetingetriege: b blieb nur ein einziger Nieder als Stamm⸗
— 575 —
halter zurüd, und deffen Enkel und Urenfel erfchienen
auch heute wieder in dem Ahnenſaal, uralter Sitte den
ichuldigen Tribut zu zahlen.
Die Güfte verfammelten HO.
Feierlich gekleidet, bis zur Wtemlofigfeit ergriffen von
der würdevollen Pracht der fie umgebenden uralten Herr-
lichfeit, ftanden die Wiirdentrager von Angerwies und
{tarrten regungslos zu den vornehmen Herren und Damen
empor, welche aug verdunfelten a mit u Augen
auf fie herabfchauten. .
Dann öffnete fich die mit einem sn Bremectiker verichloi ne,
thorbogenartige Seitenthitr aur Nüfthalle, — die Diener in
großer Livree traten ein und ftellten fich zu beiden Seiten auf.
Eine furze Pauſe ehrfurchtsvoller Erwartung; dann
erichien Graf Willibald, am Arm Gräfin Melanie, auf
welche fich aller Augen mit bejonderem Intereſſe richteten.
Beinahe achtzehn Jahre lagen wijden heute und
jenem Ball in der „Stadt Hamburg”, auf welchem die
ſtrahlende Erich jeimung der ſchönen Frau alle Anweſenden
blendete! |
Was war aus ihr geworden!
Sine bleiche, müde blickende Frau, über Deren ergraute
Scheitel die langen Trauerjchleier wallen, von deren
abgemagerter Geftalt — Srepefalten zur Schl ae
meore ce
Und doch ift bie Gräfin auch jekt noch eine Gr:
ſcheinung, welche in ihrer vornehmen Eleganz den Cite
Druck auf Die ae nicht verfehlt. |
—. 970 —
Graf Nüdiger folgt mit der maim Des .
ratsherrn. | |
Unwillkürlich geht eine Senen durch die Reihen
‘Der Angerwiefer.
Führt er die Gräfin Johanna —oder führt fie ifn?
Sit diefe gebrochene greifenhafte Geftalt mit dem leder-
farbenen Antlig, auf welchem fth der tiefe Ernft eines
unheilbaren Leidens ausprägt, ift Diefer unficher daher-
wanfende Mann ber ftolze, ſelbſtbewußte, weltgewandte, |
imponierende Kavalier von eheden — a
Wie ein Fröfteln jchleicht es Durch bie Glieder berer, uy
welche er einft fo huldvoll Freunde“ genannt!
Welch ein anderes Bild, als on San: Dietrich
über Die Schwelle tritt! Ç
Hod, jtolz, eine herrliche Gagan in ber ritter-
lichen Hofuniform der Jagdjunfer! An feinem Arm
schreitet Baronin Nördlingen in eleganter Toilette, ein
icht liebenswiürdiges Lächeln auf den Lippen, in leijer
Unterhaltung mit ihrem Partner begriffen; fie ahnt nicht,
was fih au den Ufern des Rheins zwijchen ihrer Tochter
und Wulff Dietrich abgefptelt und ift infolgedefien völlig
harmlos. Am Arm des Vaters folgt Pia, fehr ernſt und
fehr bleich, mie ein wunderfchönes Marmorbild, ganz
weiß gekleidet, eine weiße Nofe im Haar.
Boll Entzüden grüßen fie alle Blide, fie aber hält
Die Augen gejenkt und jchreitet Daher wie im Traum.
Und nun das lebte Paar? ae
In flotter Marinenniform ein fchmucter, junger Reut-
N. x. Eſchſtruth, ML
Nom. u.
4
L:
,
i
Nov, Der Majoratsherr D, 87
ae
nant — und. ae leis Sturetie von Hoff? Tas bes.
deutet Dag? Wo bleibt Gräfin Fraͤnzchen, fie, welche —Ç a
Die Anderwieſer noch nie in der Nähe geſehen hatten
und auf deren Bekanntfchaft fie ganz befonders geſpannt
geweſen find? Folgt ſie vielleicht ſpäter ee m einem
anderen Galt?
Nein, Die hohen Thorgitter ſch ließen ſich ae bie grij-
lichen Herrichaften nehmen auf den Sefjeln, den Altar
gegenüber, Bla. Die Orgelflänge, welche während der
ganzen Zeit aus der angrenzenden Kapelle herüberge-
braujt find, verſtummen x
Graf Willibald tritt auf bie — Stufe vor den
Altar. Er trägt die Uniform der Sohanniter und fieht
auffallend friſch und. geiftig belebt aus. Er hätt eine
kurze Anfprache, er erklärt die Bedeutung diejes Tages
und fpricht feine Abficht aus, alter Sitte gemäß den
fünftigen Majoratsherrn Heute an diefe heilige Stätte
führen zu wollen, wo er nach der Biter Brauch und
Weiſe mit dem Eid der Treue die alten Sarnen Der
Familie neu beſchwhren jolle.
Warum er fo lange damit ———
Das hoffe er allſogleich darlegen zu können.
Und dann fährt er mit erhobener Stimme fort: „So
wäre e denn an der Beit, euch, ihr lieben Anverwandten, —
und ihnen, meine Herren, jowohl wie euch, ihr Mge-
jteflten und Bedienfteten meines Haufe, den künftigen
Majoratsherrn und Erben dieſes Beſihes vorzuſtellen
Ich thue es mit groper Dankbarkeit gegen Gott den
u
Heren, welcher mich dee groben Gluts wert biejen
Tag erleben zu dürfen!“ —
Wat feſtem Schritt verlich der Sprecher die Empore,
aber er wandte fich nicht zu Wullf- Dietrich, fondern
ſchritt aur allgemeinen Überrafchung rechter Hand zu der
fleinen Kapellenthür, welche der getreue Friedrich und ber
greije K Kunert mit ſtrahlenden Augen öffneten.
Om junger Mann, in der kleidſamen alten Tracht der
‚Hofpagen, trat Graf Willibald mit aus zgeſtreckten Händen
| entgegen, und der Graf erfaßte We nut ftol zer Bmnigteit
und führte den Jüngling vor pen Ultar.
„Hternit ſtelle ich euch Anweſenden in aller Form
wid Felerlichkeit den kunftigen Erbherrn von Niedeck vor!”
{prah et mit jehattender Stimme: „Mein Sohn Franz
nn Borwin, Neichagraf zu Nieded! — —
Ein paar- (aute Auffchreie: ‚„stänzchen, Fränzchen!“
Die ehemalige kleine Komteſſe aber rij fich los vow
er Hand des Waters und warf Hd an Wulff- Dietrichs
< Brujt: ter lieber Better, züenft t Du mir, oder bijt
du zufrieden?” — and ungeftim Pias este ergreifend
vereinigte Franzchen die Hände der m Leute
ie Druckes in der ar ——
— —
ARVIL.
Und ter Mond, bie Sterne ſa gen's,
Und in Träumen rauſcht's ber Sad,
Und die Nachtigallen falagen’s:
Sie iff deine, — fie ift dein!
Cidendorff.
BE ine ungeheure Auf regung bemächtigte fich aller An—
x welenden. Gräfin Fränzchen war ein Zunge! Die
Tochter des M ajoratsherrn war ein Sohn! —
Grengt das nicht an BWahmvig ? Iſt ſolch ein Un—
geheuerliches überhaupt zu glauben ?
Graf Rüdiger hatte das Haupt erhoben und mit
gläfernem Blick die überrafchende Erjcheinung des neuen
Neffen angeltarrt, dann griff er nad) der Stirn und
prehte fehmdenlang die kalte Hand dagegen, als müßte
er feine Gedanfen gewaltjam jammeln, Seine Lippen
auden, — aber er jpricht nicht. x
Seine Gemahlin war in dem erften faſſungsloſen
Schreden bis in die Lippen erbleiht. Voll Entſetzen
hafteten thre weit aufgeriſſenen Augen auf „dem Sohn
Fränzchen“, welcher wie ein junger Theatergott aus der
— 981 —
Verjenfung gejtiegen, um die ſchönſten, goldeniten, ſicherſten
Plane und Hoffnungen einer Familie zu Schanden zu
Basen!
- Willibald hat einen Sohn! Das Majocat allt nicht
an Wulff-Dietrih? Ya, du großer Gott, was foll als-
dann aus ihnen werden, die durch Harhvigs Schulden
N der Beit an den Bettelfiab gebracht find. Cine Hilf-
loje e Angit, ein Gejühl rettungslofer Verlaſſenheit über:
fommt die vermöhnte, fiegesbemubte Frau! Sie blickt
auf ihren Gatten, welcher noch. mehr denn zuvor in fich
zuſammengeſunken iſt und mit blödem Blick ins Leere ſtiert.
Er ſieht nicht aus, alg ob er guten Nat oder Hilfe
x wiel Grau Melanie hat das Gefühl, als müffe fie
gleich einen Sind faut aufweinen und in ratlojer Ber-
weiſlung die Hände ringen, — da ficht fie, wie die
Angerwiefer fie forfehend anftarren, wie die Augen aller
mit gar munderlichem Ausdruck auf fie gerichtet find!
Noch einmal hebt fih der alte Trog und Hochmut in
ihr. Sie beißt die Zähne zufammen und wendet fidh wie
eine Marionette an Johanna. „Welch eine Überrafchung,
liebe Goujine! und fo lange haben fie das ſtolze Glint,
einen Sohn zu befihen, verheimlicht 2”
Shre Stimme flingt Heijer. Johanna drüdt ihr her;-
lich die Hand und weilt ftumm auf ihren Gatten, welcher,
| den Sohn neben fidh winfend, abermals die Stufe befteigt.
„Meme Herrichaften!“ ruft er mit ftrahlenden Augen,
id habe Ihnen foeben in meinem Sohn ein Nätjel prä-
fentiert , beffen Auflöjung ich umgehend folgen laſſen
582 =
möchte, Falls irgend jemand der hier Anweſenden das
‚Sndignat‘” — er lächelte — „und die ‚Echtheit‘ meines
Sohnes anzweifeln möchte, jo erlaube ich mir auf etliche.
Zeugen aufmerkſam zu machen, welche jeden: gewünfchten.
Nachweis rühren. fonnen!” Der Sprecher wies mit furzer
x Berneigung auf drei. Derren, welche dem jungen Franz
ducch Die Kapellenthür gefolgt waren. „Da id) darauf
gefaßt jein mute, daß mir feinergett große Echwierigfeiten
erwachſen wirden, wenn ich eines fhönen Tages meine
Tochter in einen Sohn umwandeln wollte, Habe ich bei
der Geburt meines Kindes alle Schritte gethan, um feine
Suceeffion zu fichern. Die Sa Paroni hier
ſtehen aur Beriani e
Cine Turze Pauſe tiefen. — die genannten
Herren drehten die Altenrollen in den Händen.
-Graf pie hob mit müben Zücheln den Kopf.
„Dein Sohn ift dein ſprechendes Ebenbild, lieber Willi-
bald, und mai andererjeits auch jo viel: Üpnlichkeit mit
der Mutter auf, daß jeder ou bei ſeinent Anblick
ausgeſchl offer ie —
Rudiger! Franz Sohaun Borwin,
teichegraf von Miedeck, ift mir an 20. sum 18... don `
meiner Gemahlin Sohamma, Freim bon Nordlin gen, au `
Wiesbaden geboren und daſelbſt im Regiſter und Sirhan
buch eingetragen. Ras mid) verantafite, ‚den jo heißer:
fefnten Sohn und Erben lange Jahre hindurd) unter der
Masfe einer Tochter zu „werbeinlichen“, möchte ich mit
Au kurzen Worten erläutern. — muß da leider anf eine
— 583 —
-jhwere, traurige Heit zurücktommen, deren fich wohl alle
Anweſenden noch) entjinnen. Ich meine jene Tage, in
welchen der Entmündigungsantrag gegen meine Berjon
geſtellt wurde. Daß mich derjetbe namenlos erbitterte
und mich aufs äußerſte mißtrauiſch machte, bedarf
wohl teiner Verficherung, ich hielt in jener Unglückszeit
die Majpratsherven von Miedec für vogelfreies Wild,
welches an keinem Ort feines Lebens und feiner Freiheit
ficher war. Sch bitte um Vergebung, wenn ich in meiner
grenzenlojen Grbitterung mit dicjem Verdacht zu weit
ging. Ehe mein Kind geboren ward, gelobte ich Nur,
alles zu thun, um es gegen böfe Nachftellung zu fidern,
falls es der künftige Majoratsherr fein follte, — und er
war es! Da deuchte mir fein Mittel ficherer, mein Kleinod
zu fchüßen, als das, vor der Welt den Knaben — zum
Mädchen zu machen. Nur wenige treu erprobte Berfonen
unjerer Umgebung wußte um Das Geheimnis. Da Das-
jelbe hier auf Nedeck mie zu wahren gewejen wäre, ent-
ichloffen wiv wis, auf Reiſen zu gehe, um den Knaben
ohne Gorge als echten Knaben erziehen zu fönnen. Wir =
lebten unter falſchem Namen im Auslande, und Franz
ijt wie jeder andere unge m Hojen anfgewachſen! nur
bie furze Zeit, welche wir in den legten Sahren bier vers
(ebten, waren wit gezwungen, unjeren wilden Schlingel
in Madchentleider zu teden, eine Komödie, welche ihn,
feinem Alter entiprechend, königlich ergößte und meine
ran und mich oft Derart amüfierte, daß wir fiirchteten, =
unſere eigenen Verrater A mim. Ich atte eigentlich =
Die Abficht, das Geheimnis ai bei der Volljährigkeits—
erklärung meines Sohnes zu lüften, und diejer Zag jollte
der Triumph meiner Rache fein. — Gottes W Tege aber
find unerforjchlih, wunderſame Schickſalswirren haben
mich beſtimmt, den Zeitpunkt zu verfrühen, und es iſt
wohl in jeder Weiſe beſſer jo; Gott fet Lob und Tant
erweiſt fic) mein Sohn als militärtüchtig und hegt auper-
dem den Wunſch, zu ſtudieren, — da wird e3 hohe Zeit,
daß feine Hauslehrer das Feld räumen! — Für meinen
lieben Neffen Wulff-Dietrich, welcher meinem Herzen aufs
richtig tener geworden, würde mir dieſer Wechfel der
Dinge unjagbar leid thun, wenn ich nicht wüßte, bab
gerade ber Berluft des Majorats ihm m hohem Grade
willfonımen wäre Seine pefuniären Berlujie aufs mög⸗
fichfte zu beichränfen, foll mir eine liebe Pflicht wd
Eorge fein. Du aber, lieber Better Rüdiger, ſollſt dieſes
Tages auch nicht in Groll gedenfen! — Ich habe bir `
bon Herzen verziehen und bas Vergangene toll vergeſſen
ſein Über deine Zukunft möchte ich nachher mit dir vers
handeln, — diejelbe forgenfrei zu geitalten, fol die jhöne
Jache fein, welche ich an dir. nehme, und ich dente, mw
Dit in Bufunjt nicht allein mein | Vetter, — „rien auch |
mein Freund! — |
Der Sprecher netics jeinen 1 Bley, Ge. Wulff
Dietrich und defjen Vater i imiger Herzlichkeit: beide
Hände entgegen und 30g den Samnerherm, welcher
laut, als er feine Schwache Stimme gejtattete, Ipradh: „Du
haſt mir — Willibald! Gott | am n Senke!”
oS eee
ergriffen an bie Brit, und während die Stimmen der
Anweſenden [aut und erregt durcheinander ſchwirrten,
blicfte Willibald dem Vetter in die Augen und fuhr (etje,
voll nervöſer Haft, fort: Ich will in dieſer Stunde ehrlich
zu dir fein, Nüdiger, ganz ehrlich und offen! Sieh, ic)
habe dich gehakt, jo lange ich denfen fann, fo lange wie
ich dich fenne! Ich hatte dir Rache gejchworen und übte
fie aus; nicht allem aus Borficht und Mißtrauen per:
heimlichte ich bir die Exiſtenz meines Sohnes, — nod)
ein anderer Grund war es, welcher mich dazu bejtimmte.
Du wollteſt mich an Geld und Gut zum Bettler machen
und in ein Irrenhaus iperren, — dafür wollte ich dich
wieder zu Grunde richten; in der Hoffnung. auf das Mas
jorat verpraßtejt bu dein Vermögen und Hartwig machte |
Schulden. An dem T Tage aber, wo ich euch, die zu Bett-
fern geworden, den Erben von Nieded vorjtellen wollte,
follte auch meine Mache ihren Triumph feiern. Gottes
Wege find aber wunderbar und er fpricht: Ich will ver-
gelten! — Seit Wulff-Dietricd meinen Weg freuzte und
ich den braven, edlen Mann in thm achten lernte, ift es
ander? in mir geworden. Mein prächtiger Franz hat
redlich bas Seine gethau, meinen Hab in Liebe zu fehren, |
und wenn ich Dir heute jage, Rüdiger, Dap ich dir per-
geben habe, fo ift es fein leeres Wort. — Nun foll fortan
auch die Vergangenheit begraben und vergefien feim; um
Wulff-Dietrichg willen! —
Der Kammerherr wollte Iprechen, aber feine Rippen,
bie ſchmalen, farblofen, bebten nur, und über das ab-
qemagerte Geſicht tet ei ein neue Zucken Er drückte
die Hände Des | Sprechers und miete ihm ſtumm zu, amd —
Dann traf fein Blick Mulff-Dieteich, welcher, den Am
innig um Frängcen geſchlungen, bent n lebhaft pl aubernden
jungen Better zuhörte. x
det veritehe Ich mehren Sogn! un weiß ich, warum —
cr nicht in den Tag hineinleben und von dem Majorat
abhängen wollte! Er fteht auf eigenen Füßen! — £,
Gott im Himmel, wie dant ich bir jebt dafiir!”
und er beflagt bon Verluſt nicht, Rüdiger!” midte
Willibald mit ftrahlenden 9 slick, „Er hat fich ans eigener
Kraft zu Dem gemacht, was er ift, und er wird feinen.
Weg auch fernerhin in Stolz und Ehren gehen, zu einem —
höheren Biel, als wie jener mühelos ererbte R eichtum ..
ift! Hut ab vor einem Mann, welcher fich wicht zum =
Epielball des (aunifchen Schidjals macht, fondern Das-
jelbe } ſich und feiner en unterthan macht! ‚Gebe
Gott, daß Franz fich ein Beiſpiel an ibm Hunt;
noch Degeneriert fein Geſchlecht, an Defen | un
zwei martia terngejnnbe Reiſer ee |
a Noch | hatte Wulff: Dietrich fein Wort mit Pia ge⸗
wechſelt Sa, erft ein einziges Mal hatten fich ihre Blicke
begegnet, als das junge Mädchen voll Höchfter Über-
raſchung und ee oer mann „arangho
gerufen.
Fränzchen war ein — Se |
Da hatte Bia in unbewuster Erregung ihr Mati
— ol —
dem Nachbar zugewandt und die Blide tajen ſich, heiß
anfgluhend, im mausſprechlichem Gefühl!
Sekundenlaug ruhten ſie ineinander fagten ig
fo ſtumm fie o venno taufend Worte namenlojer
Scligfeit! |
Und dann ftürinte Frang Hergn, die Arme um fie zu
ichlingen nnd ihre Hände in den jeinen git vereinigen, —
wie zuckten fie empor! Wie ſchl igen Q liihendheife Flame
men von ihnen. hinauf zum — und dann begann
Das allgemeine Durcheinander, der Bann war. gebrochen
und die Aufregung juchte nach Worten! Im |
Dufel Willibald zog den Neffen von ihrer Seite fort
in die Arme, und Tante ‚Johanna trat an fie heran und
blickte mit thränenglängenden Augen zu ihr auf. x
„Bia! flititerte fie, „vergiß es nie in Deinem Leben,
was mein Cohn in dieſer Stunde für dich that; ahnſt du
nun, wie es in ſeinem ‚Herzen ausiah? Merlſt du mun,
| el en liebes Does wir _ _ . —
. Su we das “ike, x — ‘Gon:
Sugend, und wir Eltern fahen in dir, troy des Alters-
unterfchieds, dennoch feine fünftige Gemahlin! — D, blig
mich nicht fo ftaunend an, Bia! Du bift vier Sabre nur
älter wie er, — was bedeutet das in unſerer heutigen
Zeit? — und Du warft ja die einzige Tochter des Landes,
welche ein Niedeckſcher Majoratsherr heiraten fonnte! Als
Frang feine Liebe dem Better opferte, als er dich felber
ut feme see, führen w wollte, ee er für. Ni | ſelbſt
— 8
auf die Erbfolge von Nieder, bani — mußte er ume >
. vermählt bleiben oder eine nicht volfgül tige Frau heiraten, _
wodurch feinen Kindern das Erbe verloren war, falls
Wulff Dietrichs Che durch einen Cohn gejegnet ward!
Und Dennoch brachte Franz bir dieſes große, große Opfer, |
Pia, weil fein goldgetreues Herz dich nicht leiden fehen
founte! Gott fei gelobt, daß fein Edelfinn nicht auf alles
verzichten muß; in dem Fräulein von Nunow finden wir
nun vielleicht doch noch die pafjende Frau für ihn, welche
ihn, fo Gott will, auch glücklich macht. Er ift jung und —
in der Jugend verwindet man den Schmerz und den Ver:
{uft der erften Liebe leichter, wie in gereifteren Jahren!
Nın aber wollen wir froh und zuwverfichtlich in die Bu-
funft jchauen, und du wirft Diefer Stunde eingedent
bleiben, Pia, und, wie eg auch im Leben noch fommen
möge, unjeres Eohnea treue Freundin fein!
Faſſungslos errötend und erbleichend hatte das junge
Mädchen. den leije geflüſterten Worten gelaujcht; wie
Dichte Schleier zerriß eS vor ihren Mugen, — ja, mun
verftund fie das eiferfüichtige, verliebte, wunderliche Fränz—
hen! Nun wußte fie, auf men fie hatte warten follen,
was Tante Johanna für Wünſche und Pläne Hegte, uno
warum fie anfangs ihrer Verbindung mit Wulff-Dietrich
nicht günftig gejonnen war! Armer, armer Franz! —
Thränen ſtürzten aus ihren Augen, fie ſchlang die Arme
um den Hals der Gräfin und fchluchzte leije auf, — e
war zu viel Des Aufregenden, welches jo plößlich auf fie
einſtürmte Johanna kühte zärl > oe es ER. =
— 59
gus es ine ‘Se du
fie, „das Glück ſchwebt ja über dir, und mein braver
Junge ift Gottlob fein jentimentaler Kopf hanger! Da,
fieh mur, wie er Hd) mit Gert net! Sc) glaube wirklich, —
der Sch! ingel will noch immer mit ihm fofetticren !”
Pia drückte das Spibentuch gegen bie feuchten Win:
pern und mußte trog ihrer ſchmerzlichen Erregung lähem.
Nein, Gott fei Dank, Fränzchen nimmt cS nicht mehr.
tragiich mit jeiner erſten Liebe, oder frönt er mur ſein
‚edles Werk der Entfagung, indem er dieſe I
‚Heiterfeit zur Schau trägt? x |
Muſikklänge ertönen aus ber r hafta Der Krömmass
| marſch, elder auf oar, majeftätifchen Kl angwellen a
daherbrauft. |
Rod einmal ergreiit Willibald das Wort, um oe
Verſammlung mitzuteilen, daß er am heutigen Tage noch
darauf verzichte, ſeinen Sohn Franz aufſchwören zu laſſen
und dieſen feierlichen Nft bis zur Volljährigkeit des jungen
Grafen Hinauszufchieben gedenfe. Der Zweck der heutigen
Zuſammenkunft jei erreicht, da die Auweſenden nunmehr
den kunftigen Majoratsherrn von Niedeck fennen gelernt
Hatten. Ihm auch lieben zu lernen, fei hoffent( ich Die
erfreuliche Folge des erjteren, und fomit bitte er feine
verehrten Gäfte, ihm zu folgen, das Wohl des jungen
Erbheren mit flingenden Gläſern auszubringen!
i EEE * *
*
Pla fit während der Tafel an Wulff⸗Dietrichs Seite.
Rum erftenmal taujchen fie ein paar Worte miteinander,
—
ruhige, höfliche, gleichgültige Worte, bum ringsum gibt
es neugierige Mugen und Ohren, we tehe fich für die Unters |
Haltung intereſſieren |
Und doch. empfinden die beiden jungen Lente Diejen
ceremoniellen Verkehr nicht als Qual; er deucht ihnen
‚vielmehr in wohl thuender Weife die | Brite, ‘welche gütige `
Feenhände vermittelud von EB Ehemals jum Seht ew
geſchlagen | |
x Ihnen gegenüber fiben Seien He Gert. Der junge
Marineoffigier fieht gar nicht aus wie einer, welchem Die
zärtlichjten Hoffnungen und Riniche zu Waffer geworden
find! Sin Gegenteil! das hübjche junge Geficht jtrahlt wie.
eitel Sonnenſchein wud Die Laune ift Die denkbar rouane —
fie wetteifert mit derjenigen Ù Des jungen Erbheren!
Pia kann fh gar nicht ſattſehen an der jo isn per-
wandelten Confine! wie war es nur möglich, daß fie fich
fo Lange täufchen | lie! 2 Seht, nachdem das gelöjte Mattel
in Sinichofen vor ihr fißt, begreift jie e3 jelber wicht mehr,
dah grängchen jemals ein Mädchen gewejen fein jollte! —
Diefes ausgefprochene Knabengelicht, all diefe Manieren,
— dieſe Bewegungen!
Was ut Madchenkleidern ſo O id tötpe haft
und ungrazias ausjah, wirkt in dem eleganten Pagen-
anzug Außerit fympathijeh und angenehm! — Das un-
Ychöne Mädchen ift em Ben meter friſcher unD
anfehnlicher junger Mami geworden! - — x Be
Aber Franzchen gefällt ſich auch jeht noch ganz aus⸗
nehmend gut üt ihrer: Mädchenrolle, nachdem fie die
— OL =
` Anfibenben voll überzeugender Lebhaftigfeit verfichert
- hat! „Ganz famos habe ich mich in den Mädchenkleidern
amitfiert! Uber die Maen gut! fo ein bißchen vertletden
amd. wastieren mochte ich. nich. immer gern! Es war
jedesmal mein Hanptulf, went e3 nach Deutichland ging
UND Papa | fagte: „So, mein Junge, nun wirft bit wieder
als SKomteffe frifiert!!! — — Die erften Tage mußte
ich daun Gehitburgen tr ben langen Schlumperkleidern —
wachen, und die Eltern und mein Hauslehrer lagen dabei
auf dem Rüden vor Lachen! — O — und wie nun gar
erft die Pia ins Haus fam! die erite Beit fand ich es
prachtvol, als liebe Coufine von ihr verhätichelt au
erden, — alle Donner, wie habe ich fie abgefüßt!!
Fefte! — Mlle fünf Minuten einen Echmak, bis es —
en Und damm Wulff-Dietrich! wie
höflich und galant er zu mir war, — und die Studenten
und Meifenden, was fie immer für dämliche Gefichter
machten, wenn ich mit ihnen fofettierte! —
Aber am allerfidelften war es doch mit Gert! — ja,
| Du! wie ein verlicbter Schäfer haft bu mir die Cour ges
macht, und u der Grote.. bm... fag mal, alter
| Freund, war es nicht, inanftändig von an daß ich dich
abſolut nicht | au Morte fommen ließ? Na, Projt! —
armer Kerl, eS ift bir verteufelt ſauer ae mir Die
Schleppe zu tragen, und Darum trinte ich auf dein gang
Spezielles! Hod! Du und das blonde Gretelein, deſſen
jchöne Photographie du in der Brufttafche trägit! ihr
beiden follt (eben... zufammen nämlich — vivat Hoch!” —
Gert war ein wenig verdubt, aber er machte fich Feine
Efrupel über die Wiſſenſchaft des Vetters, foudern ftieR
mit ifm an, daß bie Gläfer flirrten! — Als aber Fränz—
chen fih Tchmachtend an ihn lehnte und abermals die
Hand zum Kup bot — da Happte er den Schlingel doch
auf die Finger, fagte „Pfui Deiwel!” und wijdte Hd
den Mund Jufamer Bengel! ich glaube gar, du will
Dir noch immer den Hof machen laffen!” —
Der junge Graf verdrehte gefühlvoll die Mugen wid
jeufzte: „ES fiel ein Neif in der Frühliugsnadt — |!”
„ogs weiß Gott! ih bin mächtig über iu ges
Itolvert!! — |
Leider nicht por meine Sije! höre Gort eigentlich Ht'Š
doch jehade, bab ich fein Mädel bin, wir würden cin ſehr
glüdliches Paar geworden fein! Datteft dit nicht vielleicht
ihon ett paar lyriſche Gedichte auf midh ea —
Der junge Offizier nickte ernjthaft: „Dir holden Maid
im Linnenmieder — dir flingen meine Vannelteder! O, _
Tante, gib Den Mutterkuß — bevor id) auf den Kutter
muß! — denn zweimal ficben ijt veracht — und Die
Liebe brennt im Herzen? — |
Franzchen jubelte derart auf, daß die ganze Tafel
runde teils erſchreckt, teils amüfiert die Köpſe Hob, er
ichlang den linken Arm um den Dichter von Gottes Guaden
und hob mit der rechten Hand das Seltglas. „Sa, welche
Luft! ha, welche Luft! ha, welche Luft, cin Mädchen ſein!“
— jang er mit fdjallender Stimme. Damm aber Hufchte
ſein Blid plöglich wieder zu Pia hinüber und er leerte
RAN ig
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Nv. CiHtruth, IN Mom. u Nov., Der Majoratshere IT. 38
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bas Glas haftig bis zum Grunde ,Lilian!” rief er.
aufgeregt: „Sb fann bie weißen Roſen nicht ausſtehen!
fie paſſen gar nicht zu bir! weg damit, hier find beſſere!“
— und er griff mit übermütigem Sachen in den großen
Strauß Burpurrofen, welcher vor ihin die Tafel ſchmückte
und ftreute die Blüten über den Tiſch herüber auf
Bias Plag.
Das junge Madden war bei dem Namen Lilian”
heiß errötet, und fie neigte Das Haupt tief zur Bruft,
win Wulff⸗Dietrichs Blid nicht zu begegnen. Dicfer aber.
nahm die jchönften der Rofen und fügte fie zufammen,
und Dann neigte er fic) ganz nahe zu ihr Hin und flüſterte
init weicher Stimme: — — ift die Beit der migen
Roſen noch nicht um? —
Da blidte fie zu ihm auf, lächelnd, wie verflärt, nahm
die Rofen aus feiner Hand und ftedte fie an die Bruft...
Merkwürdig!“ fagte der Bürgermeijter von Anger:
wies juft zu feinem Nachbar: „Dem Graf Wulff-Dietrich
scheint der Verluft von Nieded nicht nahe zu gehen! feht
nur wie er dreinfchaut! nicht, ala habe ihm der heutige
Tag ein Majorat genommen, fondern ihm eine Romige
frone in den Schoß geworfen!” —
„Seltjam, ſehr jeltfam!” nidte ber andere und jchnitt
mit dem goldenen Vorlegelöffel eifrig in die warme Paſtete,
welche juft jerviert wurde.
š — x
*
Die Tafel war aufgehoben, und in dem Augenblick,
wo die Diener die breiten Flügelthüren zu der Terraſſe
— 595 —
öffneten, knatterte und ziſchte und jprühte es draußen in
bunten Strahlengarben auf, — die Angerwiefer Bürger
brannten endlich das fchon lange projeftierte Feuerwerk ab.
Wie ein Dienenschwarm furrte und jummte es im
Schloßhof und auf der breiten Fahrftraße bes Burgberas,
und der Graf Willibald bot jeiner Tiſchgenoſſin lachend
den Arm, um fie zum Anblid der pyrotechnijchen Kunſt—
leitung in die föftlich friſche Abendluft hinauszuführen.
Die anderen Paare ſchloſſen fih an, und auch Wulff-
Dietrich bot jeiner Holden Nachbarin den Arm. Er fühlte:
wie ihre kleine Hand bebte, und drückte fie fejter, leidens
ſchaſtlicher an die Bruft.
Da, wo die Terraffe im breiter Aundung nach dem
alten Gemäner der Nuine zu vorjpringt, wo die auf:
gehängten Lampions nur ein mildes, träumerijches Däm—
merlicht verbreiten und das Stunmengewirr der jubelnden
Menge verflingt, — dahin führte Wulff Dietrich die
Geliebte. Schweigend jdjritten fie nebeneinander her,
beide fühlten und empfanden, daß jedes Wort zu arm jei,
um ihres Herzens Überfülle auszudrüden.
Dann aber blieb Wulff- Dietrich plößlich ftehen, nahm
beide Hände des jungen Mädchens voll leidenfchaftlicher
Erregung in die jeine und ‚309 Die ſchlanke Geſtalt zu ſich
heran.
Bia”, murmelte er mit halberitidter Stimme: ,,Der
barmberzige Herrgott im Himmel erhört noch das Gebet
‘Der Seinen! ich bin nicht mehr der Majoratsherr von
Niedeck — ich bin ein jelbftändi ger freier Mam, über
38*
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deſſen Herz und Hand feine Macht der Welt mehr be
ſtimmen fann, e3 fet denn bie Der Liebe! — Nur fie allein! `
Den Freier, welcher dir Reichtum und Pracht bieten
— wiejeit Du ehedem jtolz zuriick, — mun ftehe ih
— bar aller diefer Herrlichkeit por dir, arm und ſchlicht,
mur Das mein eigen nennend, ‘was meiner Hände Fleiß
für ung erwirbt! Es ii fein glänzendes Qoos mehr,
welches ich dir bieten Foun, fein Ahnenjchloß wie dieſes a:
hier, aber es ift ein Reihen, veldjes die Liebe baut, —
weich und mam. 2 | |
Er vollendete zwei weiße — ° Senne ñd
in zitlernder Aufregung um ſeinen Jaden, ein thränen—
betautes Antlitz ſchmiegte fich voll heifer Zärtlichkeit an
ſeine Wange
WulffDietrich!“ flang e3 wie ein leiſer sutra.
unausſprechlicher Wonne zu ifm auf. R
Und Ginter ihnen, über die dunklen: ‘SPlotanentoipiet
ſprühte ein Funkenregen, taujende von blaulich flimmernbden |
Sternchen ſchwirrten durch die dunkle Nacht, Hub alS fer :
Des Himmels funfelnde Herrlichkeit. auf die Welt herab: —x
gejunten. Dann leuchteten die Buntfeuer, Raketen ftiegen
zifchend anf und farbige Leuchtkugeln ſchwebten leis und
gragiös zwijchen den flüfternden Wipfeln empor.
„Mid. jener andere, Pia — welchen bu liebteit und
von Dem DH mir un í Briefe jchriebit, jener unbe—
fannte Gott, um Ddeffentwillen ich. auf bid verzichten
jollte?” — lächelt der junge Graf. ce
„Sr hieß Soritafjeifor Karl ERNST | antwortete e fie
— 597 —
mit ftrahlendem Bli in feine Augen: „Sch hatte ihn im
Zraume gejehen und liebte ifn — wie Elfa ihren Metter x
liebte! —
Er füßte ihr voll truntener Seligteit die Worte bon
den Lippen. —
Aus dem Schatten des — (öft ſich se 3
zierliche Pagengeitalt, einen Augenblid ſteht Fränzchen
und preßt die bebenden Lippen zuſammen wie ein Kind,
welches energiſch gegen die Thränen kämpft, noch einmal
udt fein Herz unter brennendem Schmerz empor und die
jonft fo fed bligenden Augen haften mit umflortem Blid
auf der lieblichen Mädchengeitalt. — Wie ſehr hat er fie
geliebt! mit der vollen, heißen Subrunjt feiner jungen
Ecele, — mit der ſchwärmeriſchen Glut einer erjten Jugend-
fiebe! — Nun ift fie die Braut eines anderen, feines
beiten Freundes! — Ga, er hat ihm Die Freundjchaft ges
halten, treu und redlich, er Hat dem Wahlipruch feines
alten Gefchlechts Ehre gemadt; er ift ein ritterlicher
Sproſſe feines Gefchlechts, ein echter Niedeck, und wenn
auch das Schwert des Ahnherrn heute noch nicht jeinen
Scheitel fegnend berührte, diefer Tag hat ifm dennoch den
Nitterjchlag gegeben, in ernjter, jtiller Herzensweihe.
WulffeDietrich Halt die Braut im Arm und fügt fie, und
Fränzchens wild pochendes Herz wird ruhig; — voll
jtolzer Genugthuung blidt er auf fein Werf und hebt den
Kopf friid) und energijch in den Naden. Sein Opfer
würde nicht vollfommen fein, wenn jene beiden glüd-
feligen Menfchen merften, was ihm diefe Stunde gefoftet!
— 598 —
Alfo frifeh auf! dag tolle, luftige, übermütige Franghen
von ehedem zu fein! — ihnen zuliebe! —
Boll ftunmer Sunigfeit breitet der Page noch — |
die Arme nad dem Brautpaar a aus, — fein Segensqruf |
und dann berſchwindet die dunkle Geſtalt ebenſo unbemerkt,
wie fie — i. —
* | *
*
An der Terraſſenbrüſtung ſteht Graf Willibald, neben
ihm ſein Sohn Franz Er ſpricht zu den Bürgern von
Angerwies, dankt für die freundliche Ovation, erwähnt
das Vergangene, die Untreue, welche Strafe verdiente,
und gedenft der neuen Sinnesänderung, welche Verzeihung
erwirft habe. — Dann kündigt er an, daß alle Privilegien,
welche er vor fiebgehn Jahren dem Städtchen entzogen,
demjelben neuerdings wieder zuerteilt werden follen. „Auf
Wunfch meines Sohnes Franz Habe ich den jegigen
günftigen Beitpunft wahrgenommen, für die Stadt Anger:
wies zu wirken, daß diefelbe mit Militär belegt werden
fol! Den Bau einer Kajerne wünjcht mein Sohn aus
eigenen Mitteln zu bejtreiten und werden wir in den
nächſten Tagen mit einer Kommiſſion das Nähere be⸗
ſprechen und das ee Terrain in Augenfchein
‚nehmen! !” | x
Der Sprecher muk eine Baufe — denn ein
tobendes, jauchzendes Hurrageſchrei verſchlingt feine
Worte, ein grenzenloſer, nicht endenwollender Jubel ſchallt
und hallt durch die ffe Nacht, der ſtets von neuem
— 599 —
gipfelt in dem braufenden Ruf: 6 tebe N Bean
der fünftige Rage et von Niedeck!“ x
*
*
Jahre waren vergangen.
Wulff Dietrich ift Schnell zu Rang und Würden empor-
geitiegen und lebt mit feiner angebeteten jungen Frau in
qliclichften Verhältniffen in der Nefidenz. Vetter Franz,
welcher fein Jahr bei den Dragonern abdient, ift täglicher
Saft in ihrem Haufe; wie man id erzählt, ift Frau Pia
feine BVertrante und unterſtützt feine Werbung bei der
reizenden Mercedes von Runow, welche nicht allein für
Schloß Niedeck, ſondern in erfter Linie für den jo jehr
lujtigen, natürlichen und herzenzguten, allgemein fo außer:
ordentlich beliebten Majoratsherrn fchwärnt.
„Wie werden fie jo glüdlich werden!” lächelt Pia oft
firablenden Auges und Wulff-Dietrich antwortet zärtlich:
„So glüdlich wie wir! das gebe Gott!” — — —
Leutnant Gert beabſichtigte thatſächlich auf den Rapi-
tänleutnant zu warten, um fein blondes Gretelein heim-
zuführen, um fo mehr iiberrafchte, eines Tages feine Berz
lobung mit ihr. - — Wie war das möglih? Be mun, man —
munkelte fo mancherlei und erzählte es fid fchlichlich ala `
Fattum daß Graf Franz in ſeiner Freundſchaft für den a |
— Better die pefuniären Hinderniffe ans dem Wege geräumt
Habe. Zum Polterabend fei er in recht origneller Auf⸗
fuhrung erſchienen — als Reif in ber a n mun ©
a „weldhen, man furchtbar habe hinplumpjen hören! |
‚Graf Willibald lebt mit feiner Johauna nun panene
— BOQ —
auf Nieder, alljährlich die ganze Familie um fd verz
fammelud, — eine luſtige, glückſelig belebte Beit, auf welche
te sung und Alt das ganze Jahr über freut. 1
Graf Nüdiger bewohnte mit feiner Gemahlin zwei
Sahre lang das Gut Sonnenhof, welches Willibald ihnen
zum Wohnſiß famt feinen Nenten überwiejen hatte. Aber
dag ſchwere Nervenleiden, welches feit dem Tode Hartwig
nitt erfchreefender < Schnelle um fidh griff, ‚benötigte feine
Überführung. nah einer Nervenheil anitalt, wofe elbjt er nach
furger Beit verftarb. ‘Seine Witwe lebt mit ihrer ebenfalls
permitiweten, ſehr wohl habenden Schweiter auf Reifen,
und Sonnenhof ift alg Patengejchent Willibalds an das
älteſte Sbhnchen Wulff- Dietridjs übergegangen.
Nun jubelt und jauchzt es auf Niedeck von frohen
Rinderftimmejen; auch Fränzchen ijt verheiratet und der
Klapperitorch ift Niededicher Hoflieferant geworden. Der
alte Stammbaum blüht frifch auf, vow „Degeneriert fein”
ijt nichtS bei den jungen Eprofjen zu merfen. Deunod)
geht das Gerücht um, die Gnade des Herzogs habe den
Bann der fechzehn Ahnen gelöft, und mit ig bie N
ion des oe .
Drud von G. 6, Röder G. m. b. Q., Leipzig.
3.9 E74;
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