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Die Regimentstante —
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Mit Dluftrationen von Frik Bergen
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Ihrer Po
der Bergonin Johann Auc
von Moctenbung- Schwerin
geb. primetin von Sade Dama Biad
in größler und ehrfurdisvoller Ergebenheit
— mgrrignet.
o Hisilel
Hlürkfelige, mee bie Muſe Lett:
— Hef ion.
Gin jeorr Ari, sen idi Sireben
Dem Reich der Wahrheit abgewinnt, :
Gr iff ein Schritt hinein ins heitre Geifesteben!
Jedoch, Dak mir hurt diefes Labyrinth ——
Bur fang[am ams der Fülle näher winden,
Pies Ireibf in uns Die ‚Kraft num Streben anf, -
Und baf mir fie mur almen, nidi ergründen,
Das if rin hoher unm. der winni E
— EI °
> ie Kammerjungfer ftand hinter thr und ftedte ben
Schneeglodentranz auf dem braunvoten, platt:
gefcheitelten Haar feft, und während ihre ge
ſchickten Finger zierlich auf den weißen Blumenfelchen hin
und her tupften, hier jeiter andrückten und dort ein wenig
foderten, flog der Blick immer wieder in den Epiegel, das
Bild der jungen Gebieterin zu multern. Ach, e3 mar jo
ganz und gar nicht nad) ihrem Gejchmad, es mar fo
herzbetlenımend unvorteilhaft, daß Dörte gar nicht begriff,
wo das gnübige Fräulein überhaupt Die . Herz
nahm, auf einen Ball zu gehen! |
Wußte man dort, wie klug, wie luftig, wie Herzens-
gut Fräulein Reſi war?
Nein, man faunte fie nicht, man jah fie zum eriten-
mal bier in der Stadt, — und auf einem Ball fragt fein
Menſch danach, wie e& tief innen in Herz und Seele eines
jungen Mädchens ausfieht, da fommt e$ lediglich auf das
hübiche Lärvchen an, und wem Mutter Natur den Freis
um per. hergbefiegenben, augenbethärenben Schönheit aus-
Dig s
— — der tanzt, — und mer häßlich ijt, wer bei
der großen Ausftattungsfotterie eine Niete gezogen bat,
der bleibt figen — rettung3los fißen, denn bie paar Ml-
mojen, welche mitleidige Herren bem Mauerblümchen in
Form fpärlicher Crtratouren zuwerfen, rechnen nicht mit.
Dörte wußte fo genau Befcheid damit! — ——
Cie hatte nicht umjonft acht Jahre lang bei ber Gräfin
Ridder gedient und mand) liebes Mal durch bie Beranda-
thür in den Ballfaal geäugt! Wie ging e8 ba zu? Etwa
nah Recht und Berdienit ? © Gott bewahre!
Gre kleine Comteſſe ichwebte Daher wie ein Engelchen,
lachend, glüditrahlend, fofettierenb mit all der Routine
ber Gropitadterin, welche die radergroßen , naiven‘
| Augen moog vor bem Spiegel einftudiert, welche
~ gemau weiß, wie fie Das Köpfchen drehen muß, um das
: pifante, Profil. im angen Moment zur Geltung zu
bringen! —— 0
i Bol de eine Rot | im Tellehtenztmaer! - ~~ da liegen die
Engelflügel noch alg Nequifite in Der Schub! ade, und
Grafin Sidelia tobt umber als dag bitterböfefte aller
Tenfelchen! Dreiz — viermal muß die Frifur geändert
werden, immer wieder werden von allen Seiten Spiegel
gehalten und die Fleine Dame muftert und prüft ohne
Aufhören, Zornesfalten auf der Stirn, fcharfe Linien um
das rofige Mündchen, leidenjchaftliche Scheltworte auf
den Lippen. Wie oft Hat fie nicht. Die Puderdoje ber
Rammerjungfer an den Kopf geworfen wenn cà bie Arme
trog aller Wn mier recht mare fomite: Wie mand)
i reizenden Blumenkranz hat fie voll Wut nut den Milns-
ſchuhchen zeritampft, wenn er ihrem Ao nieht D dag
Relief gab, welches fie erwartete ! ;
Wieviel zornig zerfetzte Spitzentücher, wieviel Serber:
wieviel be8 Hesens, Kommandierens und Schmahens,
bis e8 endlich — endlich fo weit ift, bis Das Erjcheinen
der Frau Gräfin dem granfamen Epiel ein Ende jest, —
ibr Mahnruf unb der Cd ag Der eu mur Dem
Kamin.
Dörte ift daun müde und erfährt einen Augenblid n.
auf ben Seſſel geſunken und hat bie fühlen Hände gegen
die Stirn gepreft, wie ein flügellahmer Bogel, welder _
fih in einem Wirbeljturm zu Tode geflaıtert, — Gräfin
Fidelia aber jdjmebt in ben Balljaal, — lächelnd, an-
mutig, ganz findfiche Unſchuld und Lieblichfeit. —
— Entzüdend hübjch ficbt fie aus, umb fie fliegt von
ciem Arm in den andern, fle Ut umjchwärmt, angebetet,
ihre Händchen vermögen kaum die Maſſ e Der Ponlo 2
» ftrüupe zu faſſen
Und abjeits, faum bemerkt, nur re jo viel tanzend,
Dak ihr „Schinmmeln“ nicht auffällt und. für bie Herren
zum Vorwurf wird, ſteht ein überjchlanfes, ernites, nicht —
allzu hübſches Mädchen, cine Nichte der Gräfin, Dan
jeit Jahren jon im Echlofje weilt. —
Wie mande Stunde fibt fie ſtill und omfig, fittet
bie Scherben, ſtopft, faum fichtbar, Dic gerjebten Tafchen-
tiicher, richt liebevoll die Blumen auf, welche die.
wütende Kleine Soufine zertreten, amb überall, wo Fidelias —
a
Qieb[ofigfei und Heftigfeit ihre Spuren hinterlaffen, waltet
fie fanft und milde wie ein Geift des fuum. Die Wunden x
Deifen unter ihrer Hand, —
Willen das die Leute im Ballfaal? — Stein, — Ex
leben nur mas vor Augen ijt, — bier bie Schöne, und
dort die Häßliche.
Im Reich ber Rofe fommt Dag Wegetrant nicht zu Ruhm
und Ehren — nud wenn e8 jelbit das befte, ebeljte Heil:
pflänzlein und Wohlwverleih ift! x
| Sa, Dörte hatte die Welt fennen gelernt. Sie war
eine verarmte LehrerStochter, gebildet und freigei]tig genug, a oS
um fid ein Urteil bilden zu können. |
Mis Comteſſe Fidelia gebeiratet, hatte fie Das itte
Haus verlajjen und war auf ihre quien Empfehlungen
UH zu Fräulein Thereje von Wieders iibergefiedelt.
Fraͤulein Nefi war eine Waife. Geit ihrem fünften.
Lebensjahr ſtand fie allein anf der Welt, ward von einer oe —
freundlichen alten Tante auf ihrem elterlichen Gut erzogen, <
und hatte das große Glüd, von emer vortrefflichen Er:
zieherin und einem geijtig bedeutenden Pfarrer unter:
richtet zu werden.
Sebterer war ein febr vieljeitiger, lebensfriicher alter
Herr, welcher ehemals als Marinepfarrer die Welt burdj-
quert und manch reichen Cdja des Wiſſens und der Erz —
fahrung beimgebracht hatte in ote flle, Heine Dori-
pfarre, auf welcher er, feinem eigenen Wunſche gemäß,
den Reit feiner Tage in ee Beſchaulichkeit be-
ichließen wollte. 3
Es gewährte ihm. a a Freude, bie junge Nefi
von Wieders zu einer tugen, lebhaft friichen und trefflich
unterrichteten Dame. heran zu bilden, gleichzeitig Herz und
Seele bei ihr pflegend, um in den beiden Wumdergärtlein ;
aus fleißiger Saat viel edle Früchte zu ziehen.
So reich beanlagt Nefi, fo fpiclend leicht fie auffahte u — Vi
und lernte, fo {cher} ällig war ihr einziger B Bruder Ebers
þar, — auf Veranla ung. des Vormundes im Ka-
bettenforps erzogen ward unb mir feine Ferien quit bem
elterlichen Echloß verleben durfte Das war Der einzige,
herbe Schmerz in bem fonft jo heiteren, friedlich jttllen
Leben Des heranwachſenden Kindes, denn bte Gejdjwifter
.. fiebten fid) über alles, und wenn auch Refi an Jahren
— jünger mar, jo machte jie ihr energiſches Weſen, ihr übers
— legener Geiſt dennoch zur lady patroness des Bruders, dm
— woelder fid) ihren Anfichten und Wunſchen fügte, wie m os
qehorjamer Cohn feiner Sutter. |
Eberhard war Offizier geworden und jollte e — por:
(aufiq bleiben, ba er für Landwirtichaft weder Neigun: n Jn
nod) Suterejje zeigte, und feine Güter im den Händen
eines vortrefflidjen Pächters beffer aufgehoben jchienen,
wie in feinen eigenen. Seine Bermögensverhältnifje waren
auch jo glänzend, ba man e3 als noble Pflicht erachtete,
den Namen Wieders in imponierender Weije im der
Armee reprájentieren zu laffen. Als Eberhard bei einem -
Garde-Mavallerie-Megiment eintrat, zahlte Refi fünfzehn.
Jahre und jeitdem der Bruder zum letztenmal einen
Sagdurlaub auf Biedershagen verlebt, war ein € Sturm:
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wins mit t im zugleich Durch bag {tile Schloß gebrauft,
welcher die ichönen, jeu dahren ſo trefflich beftehenden
Verhaͤltniſſe dmi e über ben Haufen zu blaſen
drohte.
Eberhard verlangte in feiner poteanaiiden, aber jehr
nachdrücklichen Weife, bab Tante Auguſte mit Refi nah
ber Refidens überfiedeln folle. Die „Heine Maug” folle
fid) dort weiter ausbilden, Mufif und Malerei fet im
Rüdjtand geblieben, Kunſtgeſchichte lerne fie am beiten
in Mufeen und Theatern, und für all bieje Kram habe
Refi Talent und Intereffe. Auch fei es für ihn ein bez
hagliches Gefühl, ein Heim in ber großen Stadt au haben.
Die Refi fünnte ihm mit mand) gutem Rat beijteber,
denn das veritehe fie beffer mie jede ‚andere - — und er.
- finne wiederum der Emedi — wenn fie Schutz
unb Schirm bedürfe. = :
Boll Begeifterung griff Das junge Mädchen biefen Borz
Schlag auf, und wenn auch bie Tante taufend Einwände
macht, fchließlich fügte fie fid) Dod) und fiedelte mit dem
Pflegetüchterchen nach der Refideng über,
Es mar, al habe Refis reger Geilt nur auf den Funken
gewartet, um in hellen Flammen aufzuſchlagen |
Das neue, nie gelaunte Leben und Treiben, bie Fülle
von Wiſſenſchaft, Kunft, Eleganz und Grofartigfeit waren
dieſer Funken, und wenn Refi ſchon als Rind viel An-
lage zur Selb itubigfeit und Energie gehabt, fo reifte ihr
Charakter jebt mtt Rief ſengeſchwindigkeit ihren Jahren vor-
aus und verlieh bem jungen Mädchen, als “= faum
c a es
achtzehn Jahre zählte, etwas jo Fertiges, fraueufait
js Nuhiges und Sicheres, day man wohl annehmen fonnte,
- ber bartloje, etwas linkiſch unbeholfene Qeutnant fei ber
Sohn biejer Dame, welde mo etwas jung geheiratet |
hatte. >
254 (S War ve SS lich, meld) ein Ta (ent Rel
entwidelte, den älteren Bruder zu gängeln und zu leiten.
Nicht in herrjchjüchtiger oder unangenehmer Weije, fone |
dern jtet$ taftooll, ftet3 im etter jo jrijchen, {ujtigen,
fiebensmürdigen Art, daß e8 dem Leutnant gar niht
in den Ginn fam, jid) für irgendwie beeinflußt zu ere
achten. Sm Gegenteil — e war fo bequem, berjorgt
au werden! Er brauchte fid nicht mit Überlegen und E
Denfen abzumühen, er fragte einfach in feiner langjamen,
pomabigen Weije: „Eag, Refi, wie fol ichs maden? —
— Gag’, Refi, was fol id) ba thun? — Cag’, Refi,
wie könnt" ich das ändern?” Und Refi fah ibn mit ———
ihren Hellen, grauen Augen einen Moment jchweigend am,
.. rudte dann das Köpfchen mit ber ihr eigenen, jchnell
p eutſchloſſenen Weiſe in den Naden und gab Bg und D :
bündig ihre Anordnungen. —
Stets zur SujriebenDeit, Eberhard gae tid) dir
nie in bie Neſſeln gejebt, wenn er det Rat des Jungen
Mädchens befolgte, und bas fejtigte Jeni Vertrauen mehr
und mehr, jo daß es ibm bald eine Unmöglicteit un |
= ohne Die Schweſter fertig zu werden.
Eberhard mar ein hochaufgeſchoſſener jun get Maid, |
bemmod Ç aber ſchwank und haltlos mie eine Sean x
vu OH ee
‚welche trog ihrer ——— Wlatter und fleiſchigen
Blüten bod) hilflos an der Grbe kriechen würde, wenn
ber liebe Herrgott nicht ein früjtig Ctünundjen. douches
itellte, an welchem He fich enporrichten fünnte. Und —
jolh ein Steden war bie Refi, — der quie Gärtner
droben Hatte cë wohl gewußt, warum er Die beiden
Menichenpflänzlein fo Dicht nebeneinander geftellt hatte.
Mit kleinen Sorgen und erase begann (8, —
aber eë blieb nicht babel. — |
Refi febte jd mit wunderbarer Schnelligkeit in ihre
Rolle als Schutzgeiſt hinein, Cie begann, den gropen
Leutnant mehr und mehr „unter ihre Flügel” zu nehmen,
jie interejfierte fidh ſchließlich nicht nur für bie Angelegen ———
heiten, welche er felber, freiwillig, bet ihr zur Sprache -
brachte, jondern auch für Diejenigen, welche dim :
wohl mehr al privater Natur eradjtete, :
Ich muß auf den Schlingel aufpafjen”, fagte fie -
dann wohl zu jid) jelber, „er gebraucht mehr Geld, als
er ausgeben bar Conjt jchenite er mir ein ganzes
Dutzend Handjchuhe, wenn es ifm eie, mid) durch
eine Aufmertfamfeit zu überrafchen, das [ete Mal war
es nur ein halbes Dugend, — qud) ſchloß er neulich
jeinen Schreibtiich io ſchnell ab, als td) ihn vor etlichen
SB dicen ie. und baà eine Papier hatte en
sormat.... Gott im pun der Junge wird doch
feine Schulden machen?” — |
Abends am Kamin, als die beber Gewier einen |
Augenblick allein jaßen, begann Refi mit dem arm-
loſeſten Gejicht bet Welt von einem € Spieler: und Wucher-
prozeß welcher un längſt ſich por den Schranken des —
Gerichts abgejpielt, zu reden. Wie verurteilte fie den
Leichtjinn, bie Chriofigfeit eines Menjchen, welcher fid)
auf bie unedelite aller Weifen an dem Hab und Gut
jeines Nächten bereichern möchte. — Warum jpielt ein
Mann? — Um zu gewinnen! Um Hd auf die Kojten
eines andern reich zu machen. Sit es nicht ein Aus:
plündern ſchlimmſter Sorte? Was ament moderner
Kavalier, welcher mit Hilfe von ein paar. Koͤnigen,
Buben und Damen dem bezechten Nachbar den Geld-
bentel leicht macht, anderes, alg ehemals ein Ritter vom —
- €teareif, welcher mit feinen. Spießgeſellen dem ahnungs: oh
(ofen Stamerab ein Dorf — ober dem a a
Kaufmann den Beutel leerte — — — | —
o a Eberhard -— piel unb pie en di ein |
Unterjchted —
„ewi, — jo lange ea Bn facili en Cfat ober
Whit bleibt und ein paar Mark fojtet, ijt auc) baè
Slartenipielen ein erlaubtes Vergnügen, — bleibt eë aber
dabei? — Nein; und wo das Hazard mit feinen Ver-
mögenseinfüten Begins hört die Ehrenhaftigteit auf, —
Wenn man ein reicher Mann ij und das Gelb zum
Megwerien Hat? Auch der größte Sad Korn läuft aus,
wenn man ein Qod) hineimjchmeidet, und außerdem —
find e8 nur reiche Leute, welche jpielen? Sm Gegenteil,
die leidenſchaftlichſten Epieler find zumeiſt die, welche
abjolut nichts gugujeben haben, jondern reich werden
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LIMES
91.9. G id itvu ttg, IW. Nom. v. Nov., Die Negimentstante T. 2
‚wollen. Außerdem ift e8 für permigende Leute ein
doppeltes Verbrechen, zu fpiclen und andere, weniger
= Bemittelte durch thr Beilpiel zu verführen —^ und nun
ſchilderte Mefi mit jolh lebhafter Beredſamkeit alles
Elend, welches je durch das S Spiel über Familien herein⸗
gebrochen, daß Eberhard die Zähne im bie Lippe qrub,
aufiprang und mit groben s un Bimmer auf und
nieder ging.
Refit fien fee Erregung gar nicht zu bemerfen, fie
lehnte bem Kopf zurüd und lächelte: „Gott fei fob und
Dant, bap in uitjerer Familie. ber Epieltenfel niemals
Tu fallen fomute. Die Wieders waren zu gottesfürchtig
und rechtlich dazu. Unfer feliger Water haßte das Spiel.
Hat dir Onkel Hellmuth ſchon davon geſprochen, Hardi,
daß Bater in feinem Teftament einen Brief hinterlegt
hat, welchen bu bei deiner Miündigfeitserflärung aus:
-gefünbigt befommen jollit? Es fet dag legte, liebevolle _
s — Mabmwort am feinen Cohn.” — Und bie Eprecherin —
erhob hd yah, Ichlang Die Arme um den Bruder und
. blidte ihm mit jtrablenbem Blid in das erfibte Antlig:
„© Eberhard, wie ftolz bin ich auf dich ehrenhaften,
braven Menſchen! Wie zuverſichtlich ſehe ich der Stunde
entgegen, wo bu Waters Brief licit, du braudjt Hit o
zu erröten dabei — Du fannft ftolg erhobenen Hauptes
zum Himmel bliden und bem Toten fagen, daß du feines
Haufes und Namens Ehre heilig gehalten . . .“
Eberhard jant auf einen Eefjel nieder, fein Haupt
neigte fid) tief — tiep zur Brujt — und dann drückte
—
er das Geſicht gegen Ne is Echulter. „Gott gebe es,
Nefi. U
Die naive, Heine Strieqslift hatte ihre Wirkung nicht
verfehlt, was ein geftrenger Oberft umfonft angejtrebt,
hatte eim Mädchenmund durch wenige Worte erreicht. — `
Und Diejer erfte, mehr qeafnte, wie bewußte Erfolg |
machte bie Schwefter immer ficherer und energijder,
imer madjamer auf ihrem Poſten Zeigte Eberhard
eine Anwandlung zu Leichtfinn oder zu flotter Qebens-
art, verftand Heft eë, zu rechter Beit „den Daumen
aufzudrüden!” Nicht pedantijch, nicht altjungferlich,
ſondern jrijd) und fröhlich mit rechtem Wort zu rechter
Bet. Der junge Wieder war ein leicht zu lenfender
Charakter, und in N efi jab er das Chenbild der Mutter,
und oft, wenn fie ifm ing Gewijjen jprach, fam es
über ihn, als je bie weiche Hand, welche ihm zärtlich
über das Haar — itid, die ſchlanke, fühle Nechte der
geliebten Toten, fo, wie er fie zum letztenmal auf dem
Haupte gefühlt, aí8 die Nrante mit brechenden Augen |
in den Stillen des hohen Himmelbettes lag. —
Reſi war erwachjen. !
Tante Auguite machte in ber Reſidenz ein Haus,
um bie Pflegetochter ber Geſelligkeit zuzuführen. Eber—
hards Kameraden ſtatteten ihre Bejuche ab- und ver—
fohrten gern und viel in dem behaglichen Salon; eg
war ein jo anbheimelndes, netted es mit den beiden
Damen, namentlich mit Fräulein Heli.
x Sie mar jo anders wie andere junge M ee rh
Mi
kameradſchaftlich, helid, vernünjtig und vergnügt,
Gedante an lyriſche Nedensarten oder fade na
fam feinem in den Ginn, — das jchien feltiamerweiie
ganz ausgefchlojfen, dem das junge Mädchen bon acht⸗
zehn Bahren machte einen jo gereijtem, mütterlich wohl-
wollenden Eindruck, fo recht mie cine gute, freundliche
Tante, mit welcher man jo ganz und gar harmlos ver-
fehren fann und muß!
Refi war durchaus nicht hübſch, ja, eë gab eni buy
Weine das birefte Gegenteil behaupteten.
Ihre große, vierjchrötige Gejtalt entbehrte jedwebder
Grazie und Anmut, ihre Bewegungen waren energiid) =
unb furz, ihr Gang von einer gemwijjen derben Eilfertig⸗ aie
feit, welche ihre Erzieherin manchmal mit den Worten = ^
gerügt hatte: „Refi, jttefele Dod) nicht fo drauf los!” —
Die Haare lagen glatt gejcheitelt, braunrot a RN
ohne Glang, wie von leichtem Roſt überzogen, an ber
ſtark gewölbten Stirn, melde durch jebr jparliche, ih —
in ihrer hellen Färbung faum martierende Drum abe —
gegrenzt wurde. | —
Hellfarbige, graue Augen, weder an Farbe, nod)
Umrahmung ſchön, aber durch ben klugen, febhaften
Bic jympathijdh, gaben dem Gejicht Ausdruck, und über
die furze, fumpfe Naje und bie breiten Badentnochen
30g fich em Cattel von Commerfprojjen, welcher jelbjt -
im härtelten Winter nicht abblaßte.
Dorte hatte anfänglich mit gerungenen Händen ge-
fleht: „Brauchen Ste bpd ein Mittel dagegen, gnädiges __
a MEI E.
Fräulein, — es "T deren gut mirfenbe, welche abfotut x oe
unſchädlich find! Mein Gott, wenn ih an all bieo
Salbentiegelchen und Grémebojen auf bem Toilettentijch
ber Gomtejje Fidelia denfe! — Aber Nefi hatte mit
{uftigem Lachen den Stopf geihüttelt: „Wie follte ih
mob! dem lieben Gott feine jchönite Originalphyfiognomie
verderben!” jcherzte fie: „die Sommerſproſſen gehören
zu mir, wie Die braunen Staubfäden in den Seld) der
Sedenroje! Wir find beide Landfinder und tragen |
unjere Bilitenfarte tm Gelicht! Mem, Dörte, eð wäre .
undanfbar von mir, etwas wegzuwerfen, was Mutter
Natur mir jo befonders ſplendid gejchenft hat” —
Die Kammerjungfer jchüttelte über jolh lachende
Philojophte ben Kopf unb ſeufzte Hilflos wie Jung-
women: „Wat fall id) Dabi daun?!” und mit bem |
gleichen Gefühl beüngitigenber Natlofigfeit ftand fie auh
jebt hinter bem Stuhl ihrer. jungen Herrin, welde fie
zum erjten großen Ball frifiert hatte, und wagte faum,
einen Blick auf das jo unvorteil As ite an ee :
zu werfen. |
puch, gnädiges — 1 mir : fatten Die Saare —
doch ein wenig brennen follen!” rang es fid) ſchließlich über
ihre Lippen; „der Krang fibt auf diejen glatten Scheiteln —
jo ungeldjidt — er gefällt mir noch gar nicht recht —
unb... ad, ba Ichlägt eó ja erft. halb fieben Uhr —
wenn ich mich recht |pute, befommte ich ficher noch eine
seite Srijur fertig! Einen Brennapparat befite id)...
darf ich ihn Holen — —” und jhon wollte bie Sprecherin
eg
jeden Einwand ber jungen Dame durch i eunige Rin x
ds aus bem Bimmer abjchneiden.
Refi aber fafte lachend hinter fid) und pielt Die Ge⸗
trene mit euergijdjem Griff. „Du wärft eS imftande,
Dörte, und Hieheft mich noch eine weitere halbe Stunde
‚Statue‘ fiken! Mein, ich banfe Gott, bap die Prüfung
überitauben ift. Es üt thöricht, dak id) überhaupt einen
Strang auffebe, aber es ift nun einmal Gitte, daß man
zu. einem Hofball ein ausgejchnittenes Kleid anzieht und
durch Blumenſchmuck Die feſtliche Stimmung marfiert — ` S
und gegen Borjchriften darf man nicht rebellieren,” Ein
beinahe jchelmischer Blid traf das verlegene Geſicht ber
‘Boje: „Wenn folde Befehle nun hie und ba in ber Aus-
führung übel ausfallen — wie zum Beijpiel ber Ka —
auf meinem Kopf und bic furgen Urmel an meinen ror : =
Armen, fo ijt Das nicht meine Schuld, fondern bie der
‚Hofetifette — und barum trage ich das Unvermeidliche
amit Würde und fage: tu l'as voulou, George!" -
ber man fann doch etwas dazu thun, um die Bore -
-o fehriften geichmadvoll auszuführen, gnädiges Fraulein! —
Ein wenig brennen — ein paar Löckchen — und uidt
den vollen niana, ſondern einen graziöfen Zweig in das
Haar gelegt .
Reſi late cath mehr. „Nur einen fleinen Zweig
Wie rejpeftierlich! Sch bin eine qute Patriotin und fage:
„Ehre, wem Ehre gebührt! — Seinem König darf man
nichts abfrapjen! — Übrige — e3 ijt ja jo ub ait
gleichgültig, wie ich ausjche, Torte —
—
ta2!! — Gnadiges unes mone. und
Jollen doch gefallen!” — | D
Ich jol gefallen? — Wozu das? Wenn nur "bie
andern Leute mit gefallen —
„Glauben Sie mir, guiidiges Fräulein, wenn eine
junge Dame recht hübſch la N fie HO `
boppelt.^ — |
Hübſch ausjehen?. Rich Dörte, aus einer leder: -
maus wird zeitlebens fein Goldjajan, und wenn fie fich
mit noch jo viel fremden Federn ſchmückte! Das Amüſe—
ment, welches id) auf bem Balle juche, finde id), und
wenn mir der Teufel noch mal fo arg auf meinem Geficht
Erbfen gedrojchen hätte!” — Refi jehaute mit ihren ver-
gnügten Augen ohne jedwede Spur von Vitterfeit oder
Bedauern auf ihr Spiegelbild. „Daß ich mordsgaritig
bin, weiß ich, und daß die Menschen nicht blind jind,
weiß ich auch, und um mir thörichte und falſche Illuſidnen
zu machen, dazu bin ich Gott fei Dant zu vernünftig.
Sch gehe nicht auf den Ball, um Eroberungen zu machen
und Herzen zu bethören“ — wieder ein ‚Frisches, [uitiqes
Lachen — „auch nicht um mit meinen ſchönen Mitſchweſtern
zu fonfurrieren und die begehrtefte Tänzerin gu fem, —
id gehe bin, um mid) mie die Göttin Unnahbarteit auf
einen eitjamen Throw zu jeben und auf die ſchnurrige
Welt voll Pracht und Herrlichfeit, Haß und Liebe, Gut
unb $888 herab zu jehen. Nicht ich mill bie Leute ami: `
fieren, jondern Die Leute follen mich amüfieren — nicht |
id) will Wohlgefallen erweden, jondern die Menjchen |
cuc aa s
jollen mir bie Freude zutragen, ich will nicht geben —
jondern empfangen! Siehft bu, Dörte, menn man mit |
jolh guten Abjichten auf einen Ball geht, muß man fih |
amiifieren, ſelbſt mit biejem auf dem
diden Schädel!” —
Dörte blidte mit einem Gemifch von Nührung und
Staunen auf die Sprecherin. Unbegreiflich! So ladt
unb fdjergt ein Mädchen von achtzehn Jahren über ihr
Unglüd — denn ‚Hüplichkeit ijt ein Unglüd für jedes —
weibliche Wejen, — wie ojt hatte Gräfin Fidelia das —
nicht ironijd) lächelnd ihrer armen Coufine perjidjert!
Nod) einen Einwand wollte fie wagen!
Gewiß, gnadiges Fräulein, das ift alles ſchon ganz
qut! Aber wenn bie Herrichaften Ahnen gefallen jollen,
— dann gehört es Dazu, paf fie redt nett und liebens-
würdig zu Dem gnädigen 9 Franlein find, daß bie Damen
freundliche Worte jagen und die Herren die Cour machen,
— und das gejchicht um jo mehr, al8 man vorteilhaft _
ansfieht, denn bie meiften Herrichaften find bei fold
großem Felt einander fremd, und weil fie fid) nicht gleich —
in Herz fehen können, jo lejeu fie auerft den Freibrief,
welcher dem Menſchen von außen leb—
Refi dehnt bie robujteu Arme und lehnt fid) behag=
lich gegen den Etuhl zurüd. Ich jage bir ja, Dörte,
paf ich an feinen Menfchen irgend welche Anforderungen
ftelle! Das bewahrt mich vor jeder Enttäufhung. Ich
verlange fein freundliches Wort und feinen Tanz. Ih
will mir ein friedliches Wandplabden ausjuchen und mir
PEE w pora 000
u
einbilden, ich fife im Theater. Bor mir fpielt fid) eine
große Komödie ab, teils lujtig, teils ernft, teils zum
Lachen, teils zum Weinen, Und ich fehe zu und nide
Beifall, wenn einer feine Molle gut jpieft. Und an dem
Schönen, was ich jefe, freue ich mich, und das Häßliche
nehme ich mit in ben Kauf, weil e$ ba fein muß, um
Der Schönheit Wert zu geben. Und wenn ich das Nied-
rige jehe, werde ich den Blick um fo entzücter auf das
Erhabene richten, denn je tiefer mir in den Abgrund
ehen, bejto höher deucht uns ber Berg. — Siehſt du,
Dörte, das ijt mein Ballvergnügen, und wenn alle häß-
lichen Mädchen mit ſolch vernünftigen Gedanfen zu Spiel
und Tanz gingen, gab es feine jauertöpfigen Gelichter an
den Wänden. „Nimm bi nir vir — dann Heit bi nir
fehl!” — So; und mum zieh mir das jeitliche Fell über
Die Ohren, i möchte bereit jein, wenn mein Bruder
fomint! — —
Und Refi ftanb (adend auf, ſtreifte den Friſiermantel
von den Schultern und hob die Taille von duftiger, ge—
ſtickter Seidengaze mit zwei Fingern empor Ihr Blick
befam etwas Weiches, Inniges, wie er warmherzigen
Sptenjdjen eigen ift, wenn ein fieblicher Anblic fie erfreut.
„Bie Schön ijt doch fo ein Balltleid, Dörte! Es
macht mir jon auperordentlichen Spay, mich einmal jo
anziehen zu fünnen! — Ach Dörte, wie glücklich bin id)
bod)! Konnte Gottes Wille mid) nicht aud) als Krante,
als Krüppel auf bie Welt fommen laffen? — Wenn id)
drunten an bie arme unglüdlidje Portierstodjter benfe,
Ze ua
welthe bei ihren vierundzwanzig Jahren tagein, tagaus
in dem Fahrituhl fiber muß und ihre gelähmten Füße
‚nicht regen fann! Und arm ift fie auch noch dazu —
fann ihr Elend durch nichts vergeffen machen! — Und
ich! o, wie fann ich meine Glieder rühren, wie fann ich
jo unendlich viel Cchönes fejen und mit vollen Zügen
geniehen !^ Sie blieb vor ber Jungfer ftehen und legte
thr mit ftrahlenden Augen die Hände auf bie Echultern.
„Dörte — als id) eben vor bem Spiegel fap, und bu
mein haͤß liches Geſicht anſahſt, da las ich in deinen
Bügen. Du beflagteft mich aus Hergensqrund! — feine
Urjache Dazu. Sch bin zwar nicht hübſch und reich, denn
unjere Güter find Majorat und Eberhards Eigentum, -
aber ich bim geſumd und von Herzen guter Dinge — und
das ift Glück! ein großes © lid! So lange ein Menſch N
noch feine Glieder gebrauchen und fid) neidlog am ber -—
idjónen Welt freuen fann, fo fang ift er ein Liebling
feines Gottes!” Dörte blictte in bie ftrahlenden Augen
ber Sprecherin und nidte ftumm mit dem Kopf, — wahr:
lich, Fräulein Refi war wohl beneidenswerter wie manch —
blendend ſchönes Mädchen, welchem nichts mehr genügt
und nichts mehr begehrensmert erjcheint, welches auf dem
ilimmernden Goldftrom des Lebens treibt und nach den
fühlen, friichen, Derben Wafjern des Lebens fchmachtet,
welche aus rauhem Felſen jchaumen, und nur den er —
quicen, welcher tapfer und zuoerfichtlich beu fteinigten —
ai erflommen. :
Refi ftand in dem Duftigen Balleleid und freute fid)
— uoo
— jemer geſchmackvollen Zartheit, und fie freute fid) über
den jchönen Fächer, welchen Eberhard ihr heute morgen
geſchickt, und über die Taffe Thee und die belegten Butter-
brote, weldje Dante Augujte nod) jervieren ließ. Wie
gelegen famen. fie ihrem Hunger! wie lieb, wie qut von
der Tante, daran zu benten! —
Die Freude ift bie größte Rünitlerin, fie malt da3
füplidite Geficht mit Farben, welche es verflären und ——
- jdn machen, und fie legte auch ihren Zanberglanz in
Reſis Augen und warf einen zarten, roſig roten Schleier
über ihr Untlth, daß es trog der ungebrannten Haare
und des unvorteilhajten Kranzes jo liebenswert drein—
idjaute, dag bem eintretenden Bruder vor Genugthuung
das Herz im Leibe lachte!
Leutnant pon Wieders hatte nicht viel Schönheitsſinn,
und an das Geficht der Sd ‚weiter hatte er jid) jeit Kindes
beinen gewöhnt, und weil er jeine Refi liebte und pere |
ehrte, wie ſonſt fein anderes Wefen, jo fam. ibm gar nicht u
der Gedanke, daß eiu anderer Menjch | eine Schweiter mit x
anderen Mugen anjehen könnte, wie er. —
Er jprad) me jehr viel, nidte auch jest nur bebaglid
nor fid hin und bot der | Tame den Arm. — „Un bie
š: idee — (š ijt git" m
AS ca VAN MN
D Vous
NES IA —
SUN
AUS
SAN -
Il.
eee Wan hat Misher jtets angenommen, das Tide
EL, tigite Möbel in einer Damengarderobe fei ein
Spiegel, felten jedoch erfüllt geichliffenes Glas
weniger jeinen Bwec, mie bier, jo en e8 aud)
flingen mag. |
= Die Damen, melche in groper Toilette eine Ball-
garderobe betreten, haben ſich lange genug vor dem
Spiegel aufgehalten und find mit fid) im Haren. —
Sn Der Regel muſtert bie Mutter Die Töchter, und.
die Töchter mit flüchtigerem Blick bie Mama, nachdem
Mantel und Kopfichleier abgelegt find, und dann nigen
fie fi) mit etwas atemlojer Haft und Eile zu: „Alles in
Ordnung!” — und winden jid) mit liebenswürdigiten
Pardons dem Ausgang wieder zu.
Nur Hie und da wirft eme mutter, jchmefter- und
tochterloje Schöne emen jchnellen Bli in das Glas, zupft
noch einmal an Stirnlöcdchen und Blumen, und wendet
den Kopf bligjchnell wieder zur Seite, wenn neben ihr
aufs neue eine Schleppe raufcht.
- m
Sn ber Ballgarderobe interejjieren fid) die Damen
nicht mehr für ihre eigene Pracht und Herrlichkeit, die.
ift zu Haufe genugiam ‘geprüft und anerfamut, jondern
all ihre Aufmerkſamkeit konzentriert fid) auf die lieben
Mitfchweitern, welche man im Saal — wo Begrüßung
und Konverfation ihre Anfprüche ftellen — lange nicht jo
ſcharf und genau muſtern kann, wie hier, wo die Blide
jo bequem bin und Der hujchen fünnen, während man
‚anjcheinend — bis jur 3 T Teilnapmlofigtett vertieft — Die
Handſchuhe zuknöpft —
cer qnd über bas Kapitel Nächften! icr unterrichten
wili, beobachte in einem Ablegezimmer die Blicke, mit
welchen eine liebe Freundin die andere heimlich und rúd- ae
{ings nudtert. Sa, da liegt in gar manchen Mugen das
Herz viel ffarer und durchfichtiger, als die Schinen 8 — —
fid) träumen lajjen, und man erzählt fic) von einem Herrn,
welcher vor der Garderobe auf bie Echweiter wartete,
daß er durch die fid) öffnende Thür zufällig in die heilige
Halle hinein ſchaute
. Übiejer 3Blid war bie fleine Urjache einer großen Wir:
fung, Denn er traf anjallig das Geficht ber bis dahin
heißgeliebten Königin feines Herzens, und diefe mujterte
juft Die Toilette einer vor ihr ftehenden Kommergienrat3-
tochter. — Wieviel Neid, wieviel Mifgunft, wieviel em:
pörende Unduldjanfeit fchillerte durch diejon einen Blid!
Seine Schärfe zerriß all die rojiqeu Edleter vor Den
Augen des Anbeters, und bon einer jähen, bitteren Ent:
tauſchung beeinflußt, blieb das bindende Wort, welches
d OR on
ibm an biejem Abend auf den Lippen gereh, ungez
iprodjen.
Reſi ahnte nicht, welch einem Kreuzfeuer von Blicken
fie ausgejebt war, ala fie mit fröhlichem Geficht den
Pelzmantel in die Hände einer Nammerfrau gleiten Lief
und fid) momentan niederneigte, fid) der Pelzſchuhe zu
entledigen. Die jungen Mädchen wechſelten ironiſche
Blicke, bie Mütter lächelten wohlzufrieden und felbitbewußt -
ein unhörbares „hors de concours!” und nur ein paar
febr heitere, Heine Frauen, welche jhon jest begannen,
bie bunten Fädchen zu ipmmen, an melden fie nachher
Die jungen und alten Falter zappeln laffen wollten, waren
jo jehr mit fid) jelbit beichäftigt, daß fie, ohne rechts und
links zu blicken, porübereilten. Als Refi ſich wieder auf
richtete und — unwilltürlich mad) betaunten Gefichten
fuchend — um fid) blickte, jah fie faum ein Ange auf
fid) gerichtet, — ein paar junge Damen ficherten und
prufteten vor Laden hinter ihren Fächern über einen
ej den bie eine gemacht zu haben fchien — und welchen
Reſi wohl auf alles andere bezogen zu haben ihien, wie
| auj fid.
Tante Auguſte mar in dem farbenprächtigen Gedränge,
in diejem wogenden Meer von Seide, Sammet und Spitzen
das einzige Inſelchen, zu welchem ſich ihr irrender Blick
zurück rettete, und fie freute fich, als die Brokatſchleppe
der alten Dame endlich — durch alle Klippen durchlaviert
— auf den Purpurdecken beg Treppenhauſes raujdhte.
Eberhard ftand, den Küraſſierhelm im Arm, bereits
wartend neben der mächtigen Tateno, welche ihre —Ç A
graziöſen e in er a inpet o
babete — i
. Gr flappte die Sporen — "pi ber. Tante en |
mals den Arm, und feierlich jchweigend und langſam ſtie Ú
man Die Stufen empor, — hier den jtunumen Grup elueš
dienftthuenden Kammerherrn erwidernd, dort liebenswür⸗
dig ein paar fliuke Leutnantsfüße oder Jüngere Damen
vorüberlafjend, deren thatendurflige Eile die afthmati he
Tante Auguite überflügelte,
Die Lafaten ftanden in prunfhafter Slime. mürbenoil
und ſelbſtbewußt zur Seite, und Refis luftige Augen jafen
alles und jedes, von beu mächtigen Ritterbildern am den
Wünden bis herab zu ben mwappengewirften Teppiche.
Der Rahmen deuchte ihr fürerjt nod unlerejjanter wie das
Bild, und alg fie ihn genugſam gewürdigt, ließ fie auch
bem lebterem jein Recht geſchehen Ga, ein ſchönes Bild!
So jehon, wie es in all jeiner iiber] djmenglidjen Farben-
pracht umb Jemen — fein Maler wiedergeben
fann.
Sie blieb momentan jteben und blickte über bie breiten
Schloßtreppen iu das wundervolle Beitibül hinab.
Drunten wogte die Menge ber Neuankonmenden, bie
Herren in impojanten Galauniformen der Minifter, Wate
und Gejandtichaft, Gol dtreſſen und breite Drdensbänder,
Offiztersimtjormen in größter Mamigjattigfeit des Ste
und Yuslandes, und zwijchen ihnen die liebliche Farben-
pracht Cone Sorento bon dem Sulfigen sie
"n
E
*
Die RertmentStante J
Eihftrutb, an. Nom. u. Non,
. 9,
N
—
jugendlichſten Ballkleides big au ber Rn Sammet-
ichleppe der Excellenz. | de
Das wogte und gaie Puttbeamben itieg m helene
Konverjation bie Stufen empor und taujdjte lächelnde
Grüße von drunten nach droben und von droben nad)
drunten — und über dem ganzen diamantgligernden
Treiben zogen jüje Duftwogen dahin, — jenes geheim-
nispolle Gemijd) von Ambrée und Blüten, die Narfoje
jür junge Herzen, un welcher He fo manch jüßen, wehen, | 2
wonnigen Traum der Liebe träumen! —
Nefi war nicht gefommen, um zu tanzen ober ih o rm
unter jenem midjtsjagenden Medensarten, welche fremde
Menſchen bei unmterbrochenen Borftellumgen wechjeln, zu
langweilen. x
Tante Nugufte hatte gang "bordi eine alte
-— Sugendjreundin, welche bei einer zu Bejuch weilenden
Herzogin bie Dienjte der Etaatsdame verjab, getroffen,
und während fie in der Galerie lab nahm, am ber
Seite ber fo lang Entbehrten taujend Erinnerungen aufs
zufriichen, nahm Refi den Arm des Bruders und flüfterte:
„Ruu jduell, Hardi, bring mich auf ein recht gededtes —
behagliches Plätzchen im Thronjal, wo id) bem Tanz zu-
jehen fann!”
pom!” nite Der Sürajfier, loderte ben Ellenbogen
und verjchaffte jid) und jeter Dame mit bem höflidjiten
und fdarmanteiten Lächeln ber Welt Blak —
Lungs der Wände 30g fid) ein teppichbelegtes Podium x
hin, hie und da durd) blühende Sierjtrüudje gejdjmad-
voll deforiert, auf welchem p Die älteren Damen
Blak genommen. —
Sm äußerjten TBinfeldjen, halb verjtectt von Succ
Syringene und Mandelbäumchen, fand Refi, was fie
juchte, und während Eberhard fih mubjam zu feiner
Negimentsfommandeuje burd)brüngte, um ihr den idul,
digen Rejpeft zu vermelden, ja Fräulein von Wieders
mit jeelenvergnügtem Gejicht auf ihrem verlorenen Poften
und freute jid) unbejchreiblic; über ifr Git, Ddiejen
brillanten ‘Blak erobert zu haben. :
Vor ihr, zwei Stufen tiefer, drängte jid) Kopf an
Kopf das tanzluftige Publikum, jtet8 wechjelnd — wenn
auch langjam und mur in feinen Wirbein — weil dicht
Daneben eine weite, durch Säulen geteilte und bogen:
artig gewölbte Thür in einen der Nebenjale führte. —
Wie interefjant, diejen bunten Strom an fid) vorüber
fließen zu jeden, in all bie lachenden, verfchiedenartigen
Gefichter zu fehen und fo vieles beobachten zu fónnen,
was den andern entging, weil fie viel zu fehr mit fid)
jelbjt und ihrem eigenen Amüfement befchattiqt waren.
Dann betraten die Hohen Herrſchaften in kurzem Rund-
gang den Saal, und Refi ward dunfelrot vor Entzücen,
fie jo ganz nabe zu jeben und grüßen zu können
Welch ein feierlicher, unvergeßlicher Augenblid, weld
eine Stille plöglich nad) all bem Schwagen und Naujfchen
und Braujen, welches wie Meeresbprandung unter Dem
goldgemalten Plafond dahin gezogen. Und dann er-
weitert fic) der freie, fleine Raum inmitten des Saales
3*
= 46 —
nod) mehr, — Die Hertſchaften haben Platz genommen,
um die Mufif jchmettert. in jauchzenden Weiſen los. —
Die Vortiinger üben ihres Amtes. d ue
Cine Prinzeß des königlichen Haujes fliegt wie eim
veizendes roja Commermwöltchen im Arm eines Dragoners
. bafu ber Diamanttau funfelt über die graziöfe Gejtalt
. umb durd) bie Gejtalten der Bujdaner geht ein Reden
unb Heben... Und dann wirbelt eS wie ein bunter
Schnnetterlingafjwarm durcheinander, man fieht nicht
mehr viel, nur die jid) drehenden Köpfe und Köpfchen,
denn bie Mauer der Zuſchauer baut jid) in immer did-
teren Kreijen auf. — ur
Jefi fommet eS garnicht in den Zinn, daß fie eigent-
lich recht verlaffen und einjam m ihrem Wandedcen
fibt, bag fid) fein Menſch mit ihr unterhält, daß feiner
der Herren Notiz von ihr nimmt, und fie wundert
fi, ald fie in bie ärgerlichen, verdroſſenen Gejichter
zweier jungen Damen blidt, welche ihre Tanzfarten
muftern und nicht zufrieden mit ihrem Inhalt find. Sie
ftreijen bie nächititehenden Herren mit recht pieljageuben
Bliden, und alg juft em Garde-Wrtillerift begrüßend an
fie heran tritt, wirft bie Heine Blondine jdjmollenb bie
Lippen auf und jagt jehr laut: „Es ijt entjeblid) dieſes
Völterjeit! Man fennt mal wieder fene Seele! — Dre ©
befannten Herren finden fid) nicht durch, und Die fremden
laſſen fih nicht voritellen, — den ganzen eriten Tanz
feinen Schritt gethan! Geht men bonum auf einen Bale’ =
— Der junge Dffigier djt außer fih über fold) ein :
himmeljchreiendes Unrecht und verfidjert haftig, daß man
fic) drüben in der Galerie ſchon zu einem famojen,
kleinen Kreis zujammen gefunden! „Darf ich bitten, 33a-
roncp?^ und er bietet der Blondine den Arm und Rund
jid) mit ijr nach ber Thür zurüd, x a
Mit einem vernichtenden Blick auf bie —— |
„Schlachtenbunmler‘‘ folgt bie Schweiter.
Reſi lächelt: „sit das der Breck eines Balles? —
Wie verjdiedenartig bod) der Geſchmack ijt” ——
Nimm di niy vör — daun jleit die Tir fehl! - — Du
liebe Beit, wie fann man nod) mehr des Herrlichen ver⸗ x
langen, al$ wie Hier geboten wird! |
Aber bie Menjchen haben ganz verlernt, fich harmlos
und ehrlich zu freuen, jie können nur noch nörgeln und
tadeln, — die Hige! das Gedrange! bie flauen Tänzer! —
Die Langeweile! —
Reſi merft nichts von alledem. ie freut: jid an
allen, an der bunten Pracht, an ber köſtlichen Muſit,
welche dem Herzen Flügel wadjen lüpt, an den Er:
frijehungen, welde jerviert werden und welche ihr herrlich
munden.
— Dabei Bat fie foviel gu thun.
Gin paar bejondere Lieblinge unter den jungen
Mädchen hat fie jon erwählt, und die beobachtet fie
Amb freut fid, wenn bie Herren ihren Gedmad gut —
heißen und die allerliebften Dinger recht auszeichnen, —
und unter den Taͤnzern find ihr auch jdjon verjchiedene,
eigenartige Typen aufgefallen, ein junger Türfe, welder
— 38 D
mit febr erftaunten, | ‚über, Baunobe. Augen in Dice
fremde Welt ſtarrt und die köſtliche Gelegenheit gar
nicht genugſam ausnutzen Yann, fo viele reizende, uns
verſchleierte Damen aus andrer Männer Harem un—
geſtraft ſchauen und gar im Tanze umfaſſen zu können! —
„Das Abendland gefällt mir alle Tage beſſer!“ ſteht
deutlich auf ſeinem ſchmalen, gelben Geſicht zu leſen,
und zwei Herren erzählen ſich vor Nefi mit lauter
Stimme: „Ali Ben Haffan habe jüngit einen, mit acht
Töchtern gejegneten Baron gefragt, ob er wohl fein
Schwiegerjohn werden fómne, — worauf der alte Herr -
mit [autem Seufzer Der Erleichterung nur Das eine
bervorgeftoßen: ‚Wie viele wollen Sie? — Wenn Sie
alle acht nehmen, friegen Sie bie Gouvernante gratia
zul“ ds
Man lacht hell auf, und Rei amien i eben}o
gut, alg habe man ihr den Wig Direkt erzählt. — Dann
fällt ihr Blick auf einen u lan, welcher neben » im Die
Thür tritt.
Borhin Stand er ihr gegenüber und fiel ihr auf, weil
fein ernites Antlitz fo ENE) gegen all Die in pco
Gejichter umber abftach. |
Auch jest blickt er fo eat in Das luſtige Gewimmel
hinein, als ſpiele die Muſik ein Requiem und als müfte ——
mit Schlag zwölf biejer ganze Zotenreigen in Grab und
Poder gurüdTinten. |
Wie gut und diftinguiert er ausfieht.
Groh im Dar ohne fraftlos zu er ſcheinen, mit
gebräuntem, ovalem Gejicht, aus welchem große, dunfle
Augen bliden und über belen Lippe jid) ein n egent,
fleiner Schnurrbart fráuielt. |
Gr if nod) jung, und Darum überraſcht ber Aus—
bru ſeines Geſichts nod). mehr. | —
Warum tanzt er nicht? —
Er jcheint nicht unbefannt zu lem, denn öfters jdjon
neigte er das Haupt in etwas fteifem und förmlichem
Gruß, das Kinn gegen den geiticten Uniformfragen
prüdenb und bie Haden sufammenflappend, wenn Damen —
an ifm vorüber eilten, aber jeine ganze Art und Weile
behielt trog aller Höflichkeit etwas Abweijendes, jo viel-
jagend auch mand) jchönes Auge zu ihm aufblicte, Cin-
mal redete ihn eine junge Frau an, er antwortete mit
Ícijer, etwas verjchleierter Stimme, wie e3 jchien, mur
gerade das Nötigſte, uno ala fie gegangen, ftand er wie
vorher und faute auf bie lebensfrohe dieat. . motte
er jagen: „Wie fanı man!! —“
| Wieder und immer wieder blickte Reji zu jv.
liber.
Noch nie batte ihe ein Mimani jo venei
gefallen, wie jujt Diele. :
Warum? — fie fragte e8 nicht, denn fie hätte doch |
wohl feine rechte Antwort darauf gewußt; die dpürtidje
Thatjache, daß er jchön war, fonnte einen jo ffugem
Mädchen, wie Fräulein von Wieders, nicht genügen, und
außer biejer fehlte vorläufig jede andere Qualifikation.
Und dennoch! — 08 ijt ein wunderbares Gefühl um die
ESympathie, um fol ein unbewußtes SHARON! und =
.. Sidinterejfieren! | E
Reſi empfand nie zuvor etwas Ähnliches, wie in diefer Ex
| Stunde, und während die andern Menſchen im Saal ihr
wur als amüjante Mlarionetten erjchienen, Deren Dres
ungen und Wendungen man zuficht, mie in einem Luft-
piel, fo fam ifr bei bent hübjchen Ulanenojfizier zum
erjtenmal die Frage: „Wie heißt er und warum tanzt ‘
er nicht? Warum Me er jo ae — i in ne
Die Welt?” —
— Und während ihr Blick tiber nachdenflich auf ihm
weilte, und fie im Herzen eine innige, naive Freude
empfand, daß ifr ein Menſch jo außerordentlich qut zu —
gefallen vermochte, jab fie Eberhards robujte Geftalt -
neben dem Ulan auftauden.
Der Sürajiier legte jd)meigjam wie immer bie Son |
. auf bie Schulter des Ul fans, und drehte thn mit fröhlich
ſchmunzelndem etwas zur Seite, um paſſieren zu
fönnen.
Der interejjante Unbekannte wandte jählings das
Haupt und ftarrte in das rote, fleiſchige Gefiht Wieders’,
und dann flog ein Schimmer von Lächeln über fein
Geficht umb er ſprach ein paar Worte, welche ſicher
lauteten: „Ad, Wieders! Gut, dağ id) Cie treffe!” —
So wenigſtens deutete fid) Refi den Wusdrud feines |
Geſichts
bunte fie bod) hören, was fie fprechen! — Gie fibt.
ja ziemlich nahe, aber die Muſik jpielt fo laut — ab!
Bee
brillant, eben jchließt fie mit früftigem Paufenjchlag, —
unb durd; bie momentane Stille flingt bie tiefe Bier-
bafitimme des Bruders zu dem jungen Mädchen Berüber. |
„Meine Fuchsſtute? Thut mir leid, Berehrteiter, bor:
geitern jdjon verfauft! War ein Kapitalgaul! Stochow
hatte fon lange darum gehandelt — —” und dann.
fete bie Muſik zu der dritten Quadrillentour cin, und
Eberhard und der Ulan dienerten ſich ein t paarmal an
. unb trennten fid).
Der Küraſſier fteuerte bireft auf das abhi (08,
feine Schmweiter zu erreichen, und der {chine Unbefannte
Stand nach wie vor als fteinernes Bild am ber Säule,
„Ra, Refel — da bin ich endlich wieder! nidte
Eberhard, mit tiefen Seufzer fic) in das | ihmale Gdden |
zwiſchen Diwan und Gdoeforation hinein Elemmend. „Ent:
jegliche Schwägerei! — An allen Een und Enden nageln
fie einen feit! — Haft dich gelangweilt?” —
Fräulein von Wieder lachte und ihre Wangen
glühten wie Bfingftrofen. , S, mo werde ich, e8 ift ent-
züdend! Du glaubjt gar nicht, wie prachtvoll ich mich
amüftere! Schade nur, daß id) jo wenig Menſchen fenne,
bu mußt mir ein paar Namen nennen, Hardi, zum Bei:
ipiel mer iff Jene. . . ja, mart mal. . wo Bedt fe
denn mm... dr. . . ba drüben unter bem zweiten
Growfeitdler, tanzt mit einem ausländiichen Offizier in
grüner, goldgeitidter Ee een mit breitem Bandelicr .. ^
pom. Ruhe..
„Und bie Dame trägt ein Acid aus Giolbilor und
j —
einen. großen, {ebillernden Schmetterling i im = - fiebjt
bu fie? — Eben macht fie einen at
ud, bie Udall” —
„Ada? — Und wie weiter?” |
„Ra, Ada Sngelsburg! Tochter vom alten. Safe,
dem Ronunandierenden Des X. Korps...” 2...
„Die entzückend fie ijt, — bibbitbid! Ben Ww ed
Mann wäre, Hardi, in die würde id) mich verlieben!’
Ein undefinierbares Sinurren neben ihr. ee
„Nun? Findeſt bu fie nicht auch allerliebft 2“
„Par distance, — went fie Geſicht Xr. 1 auf fat ^ "D
„Das Deipt das?” — —
„Das heißt, die Allergnädigſte hat usa i in Be oe
fichtern. Gie jtedt fie nad) Bedarf anf.” -— d s
„And weldes zeigt fie bir?" — — —
„Das mit ben Angelhäkchen in den an As
Kürafiier und Majvratsherr befommt man drei Stern-
chen in ihrer gifte” —
„‚Abjcheulich! Werf ber liebe Gott, wenn bie Men- i
ſchen ſchandmäulern, werden ſelbſt die Schweigſamſten uu
beredt!!!”
Sm...
„Auf die Damen DÚt du ja felten qut gu ſprechen —"
„Dho! — ich bin ein Gefühlsmenfh — aber tein
Courmacher, das ftrengt zu verteufelt an!“ = ee
„Darum ziehit bu weniger aufregende Selpräche mit |
Herren por — wie zum Beifpiel mit jenem Wan dort!
— — er bie Nora taufen?” —
— 44 —
„Hätte ihm fo paffen können!” Eberhard legte beide
Hände auf jeinen Eäbelforb und game wie ein Aeneon |
ber Naje entlang?” — | i |
„Bie heißt er?” —
„Der Gaul? — Kora!” —
„Anfinn, ber Ulan!” — x |
Leutnant pon Wieders ſchob die e. breite Unterlippe -
nod) breiter Dor.
„Sein Bater hieß Baron SORA) und Daruin heißt
der Sohn aud) fol” - :
„Er tanzt ja nicht? Barum as?” —
Eberhardt zuckte die Achſein „Blafierter Bengel!”
„ui, Hardt! Tanzeſt bu etwa?!”
„Das verſteht fi! — Eben wird eim ſchneidiger
Galopp losgelaſſen, auf den habe ich nur gewartet, um
mal alle Hinderniffe mi Dir zu nehmen!“ |
„Mit mir?!” |
Refi lachte hell auf, ward aber im nüdj ten Moment -
blutrot, denn der Ulan HR den Ropi und jah
fie an. |
„Na natürlid) mit dir!“ inh —— legte gelaſſen
den Gabel ab; „Du armes Wurm ſollſt bid) Dod) nicht —
den ganzen Abend Hier im Eckchen ſteif fiken! Komm,
Refi — kannſt es getroft mit mir risfieren!“ — |
Seine tiefe Stimme tlang wohl lauter, alg er dachte,
ber Ulan verftand Wort für Wort und jchaute jah be:
troffen auf ba8 große, häßliche Mädchen, belen ganzes
Geficht vor Freude glühte. — Du lieber Gott! fie hatte —
noch feinmal ben ganzen Abend getanzt, und eS war ei |
libr bur! — — x
Refi fühlte ben Süd ber dunklen dhiar auf (id B
ruben, und eine jähe, namenloje Verlegenheit erfagte fie.
Um fie aber nicht zu zeigen, lachte fie immer mehr und
immer luftiger und jprang haſtig auf, um bon biejem
lab fortzufommen. Sie hatte aber den einen Fuß
während des Sitzens zurüd gejchoben und auf die Spite
gejtellt, und der jpibe, franzöfiſche Haden ihres weißen
Atlasſchuhes hatte ſich in dem des
Unterkleides feſtgehakt.
AlS fie nun fo haſtig aufſpraug, blieb der ¿sub hängen,
unb um ihn zu befreien, mußte Reſi etwas zappeln mit
ihm, und das verurjachte momentan eine Düpjenbe Be-
wegung, bis der Haden frei fam, und Fräulein von
Wieders, immer tüblid)er verlegen, den Arm des Bruders
nahm und, immer lebhafter lachend, auf ihn einjprad),
während fie fid) burd) bie d Mauer ber Aujchauer
Bahn braden.
Baron Stronjtabt aber — ihr immer noch mit
meitaujgerijjenen Augen nah!
Go etwas hatte er ja im ganzen Leben nod) nicht ge-
jehen! — Du lieber- Himmel, meld) eine Freude! Welch
ein Entzüden, weil fie einmal tanzen foll! Armes Ding!
Den ganzen Abend geſchimmelt, unb dabei bod) jo liebens:
würdig und guter Dinge geblieben! Und als endlich ber
bide Kerl, der Wieders anfommt — er jchien ihr Bruder
oder Vetter zu fein, nannte fie wenigitens „du“ — und
ae
"fie, gu einem armjeligen Galopp flott macht, da freut
fid) das rührende Wurm fo diebiich, bap fie vor Berz aS
gnügen von einem Fuß auf ben andern Düpit! — -
Ein Gefühl von Staunen, — und SEN
bemächtigte fid) des Ulang. =
Nein, jo viel ehrliche freude, fo viel befcheibene Liebens-
würdigfeit und Anjpruchslofigfeit hatte er zuvor nod) nie
erlebt! —
Hübjch ijt fie zwar nicht, aber . . du heilige Kümmer—
nis! man findet e$ nod) jchlimmer, und ein häßlıches Gez
ficht, welches fo glüdjelig lacht, ijt ihm immer nod) zehn—
mal lieber, wie das ſchönſte Lärochen, welches von
Arroganz und schlechter Laune verunftaltet wird. —
Er wollte heute eigentlich nicht tanzen, aber biejem -
braven Mädel gegenüber gebietet c8 bie Nitterlichfeit, eine
Aus Sahne zu machen — da fann man ja leicht ein Herz
beglüden — und wer weiß, hier idt er vieleicht durch |
einen einzigen kurzen Tanz mehr Glücjeligfeit, wie jemals
bei feinen Schweſtern pus die fojtbarjten Präſente pon
— und Brillanten. |
Refi hatte getanzt, mit ungebeurem Genuß getanzt!
Welch ein Spaß, nun jelber einmal zwijchen all dieſen
Augerwählten herum au wirbeln, jogar mit einem Küraſſier
und Wajoratsherrn, welcher auf Gräfin Adas Lifte durch —
drei Sternchen als „jehr empfehlens: und begehrenswert”
bezeichnet ijt. Refi mar jo vergnügt, als flöge fie in den
offenen Himmel hinein, und zwar mit ihrem Bruder, eine
Thatjache, welche bei andern jungen Mädchen gar nicht
e
mitrechnet, fondern al8 motel Ichr umgnäbig „uk s
Det” wird.
Als fie hochaufatmend gum Te herum getanzt 3:
hatte und mit luftblibenden Augen gu Eberhard aufjah,
nidte ihr ber junge Offizier ſchmunzelnd zu und fagte:
Siehſte, Altes, das Hatten mir hölliſch jorich gemadjt!
— Und nun wollen wir verpuften!” —
Er bot ihr beu Arm und wandte Hd nad) bem Ed⸗
plaͤtzchen auf bem Wandpolſter, um feine Tänzerin in ihr
„angewärmtes Neft” zurück zu bringen. x
Nefi aber blieb jählings ftehen und wandte den Kopf
etwas betroffen zur Seite. |
„Da habe ich nun jdon jo ſehr lange Beit gefeifen !“
jagte fie etwas unjicher, „Jühre mid) bod) einmal mad)
dort drüben, daß ich diefe bunte Welt aud) dns bon
der anderen Seite fennen lerne!” —
Eberhard zudte bie Achjeln. „Alles enrama vol!
Da mühten wir jdjon einen Nebenſaal unficher machen.
Range Zeit ift ohnehin nicht mehr, — mod) ein wiers —
efiger Tanz und dann wird zum Futterſchütten ges
blaſen!“
QE fomm dort in Die Galerie!" —
,Sa, halt mal, erft müjjer wir an den Diwan aurüd,
ich habe ja meinen Sibel da abgelegt und muß wieder
umjdjnallen !^ | |
Refi hob den Kopf. Warum wollte fie eigentlich nicht
wieder am Den alten Plat zurück? Es war jehr thöricht
von ifr, — Weil der Ulan fie mit jenen bunten
2: M s
Augen jo erftaunt angejehen hatte? Lächerlich! Hat :
fie ihn etwa nicht angejehen? Und Refi lachte wieder — d
ganz vergnügt und redete fid) jelber ein, daß e8 bod)
höchit gleichgültig fei, ob ein Menſch den andern anſähe
oder nicht.
Wis fie an den Diwan famen, ſtand Sore von Rron-
{tadt vor bruni 7 und Sfi ihnen erwartungsvoll ent-
gegen.
Sie mußten. he an | ds vorüberjchreiten, und ber
Ulan machte höflich, Plas, wandte Hd) zu Eberhard und
jagte lächelnd: ot) habe ihr Schl adtid)mert in Ber-
wahrung genommen, lieber Wieders, eë rafjelte gar zu
friegerifch auf das Parkett herab!“ Und als der &ürajjier
wohlbehäbig jeine. Anerkennung auéfprad), bat fein Ra-
merad mit biebenswürdigftem Neigen feines woblirifierten
Dru „Darf id) bitten, mich vorzustellen 2” —
- „Sen, Verehrteiter. Liebe Schweſter, bleibe
Sinne Meiſter —: Baron Kronitadt.”.
x Refi lachte und Sronitabt lächelte, und nad) einet —
malig icharmanten, ſpornklingenden Verbeugung jagte Der
Allon ganz. iumermittelt: „Sind guädiges Fräulein bereits
B qu biejem. Lancier ngagiett, oder darf — um t ben Bore
E dug bitten 2^"-
Refi ftand einen Xugenbid ipradjtos amb arete
Ber ihönen Wann an, als habe er tiirfijch. geiprochen,
und fie ward erit bla und dann jo rot, als habe cino
Sonnenuntergang all j jeine Purpurlichter über ihre "Pange S
gegoſſen | pen |
vd os
Eberhard nannte das nur Alpenglühen 7 —
„zanzen? — D gewiß, jehr gern, Herr vou Rron-
itabt, wenngleich ich Shnen ehrlich geitehe, daß ich ſehr
wenig Übung Habe! Meine Tanzitunde auf dem Lande o
war jebr einjeitiger Natur!” |
Eberhard jah beinahe noch überrafchter aus, wie TU x
Schweiter. „Samos! ſehr nett, Mronjtadt — aber id — "s
halte e& aud) für beffer, Cie taujdjem den Lancier in
einen Walzer um, — ich weiß nicht, ob unfer alter
Dorffchulmeif ter bit Quadrille fo gang à à la cour eie —
ſtudiert hat!“ |
„Einen Walzer?” — der Wan zögerte ett wenig:
„sch weiß wirklich nicht, mein gnädiges Fräulein, ob
ich Das riskieren darf! Die Rundtange find mir nod)
verboten, weil nach meiner jchweren Kontufion am Kopf
leicht noch Schwindel eintritt, und folde Zufälligfeiten
vor den Mugen Der höchiten Herrichaften riskieren — —”
Sie dürfen nicht tanzen? Sie waren trant?” rief
Refi ganz entjebt — „un Himmelswillen, feinen
Schritt — !^ |
Und Eberhard machte eine jähe Gejte mit ber Hand
unb nite: „Donnerwetter ja! Ihr Sturz in Hoppe-
garten! 9tce zum X Teufel! ba en Ste mal das
Gej tome qut fein!” —
,GOefürst? Mit ben pierd qeititcat 2” wiederholte
Nefi atemlos, und m ihrem Auge ſpiegelte ſich eine
ſolch underhohlene Angſt, bab Kronftadt in feiner ruhigen,
etwas fürmlichen Weiſe den Kopf neigte und pon
No. G (d firitb, I. Mom u. Nov, Tie NegimentstantelL 4
— 50 —
"55 Das ijt bei einem Savalleriften feine allzu große Selten-
heit und Hat nur den einen übeln Beigejchmad, welcher
ein ehrgeiziges Herz mehr ſchmerzt, wie eine €dramme
x ober ein zerichlagener Knochen, Daf man nämlid) den
Armſten für einen flechten Reiter Hält! — —
Die Muſit ſchmetterte eine Fanfare, und der Spredjer
D jab bie junge Dame bittend an: „Befehlen gnübigcs
| abit. Der Tanz beginnt.”
e
Hp
7 > ei fchüttelte Küchetnd à den Sopi. Aem, Baron,
PEA id) befehle nicht! Sm Gegenteil, ich möchte die
Vorſchriften Ihres Arztes burd) die Bitte bere
icjärfen, fid möglichft zu jjonem! Ich dante Shier ———
herzlich für Ihre Aumteranten Und“ — fügte fie mt —
ſcherzendem Ton hinzu — „werde Sie in voller 3 ——
erfennung Ihrer guten Abficht jojort für die Cdymeiter ———
ber , Mora” notieren, welche Daheim in dem Fohlenjtall
heran wächlt, und Eberhards Fuchs am Schönheit und
guten Eigenfchaften. Ir any um etliche Pferdelängen
ngen mel? —
Sroujtabt jah fie überrascht an, dann lachte er teije
auf. „Sie wijfen von meiner unglücklichen Liebe zu der
goldblonden Nora?“ antwortete er in berjelbeu. heiteren
Art, „danu bitte ich unt tiles Beileid, — ich fam mit
meinem Antrag. leider zu ]pát^ — ein beinahe fofetter -
Blick der hören, dunklen Augen traf fie — „wie eo
eben fold armen Burſchen geht, welche immer mehr
eus im | Spiel - — wie in ber Liebe haben! M —
4
: 20m re Bue rg mit einer m
i Geimafje und. furgem Seitenblid. -
Refi aber ward abermals. latet: nh jab — mit
- d Blick an, ir welchem fid bie volle, naive Ehrlich⸗ a
feit eine. arglojen Herzens ipiegelte, deſſen Staunen jid ———
in der Š Frage ausdrückt: „Du liebe Beit! : — Du ichöner,
wunderjchöner Mam ottteit fein. Gd. ME der. Sie
haben?!” — = x
- Aber fie faßte fd i dell und ber Schalt blitzte
wieder aus ihren Augen.
: Erſte Lieb, bu da vorbei,
Schneller: wie ein Sturn im Mai!
resitierte fie. Ich hoffe, aud) Cie verjchmerzen die T
ichöne Nora bald, um ihrer nod) jhöneren en
willen? — nu
iyattijd), gnabdiges Fräulein, Hat fie fold) nahe Bers ee
wandte, welche ihr Ebenbild üt!" —
o „om“ brummte eS neben ibm, und Der ftürajfier
nahm ein Seftglag von dem Cilbertablett eines jer:
| biereuben Safaien: „auf der gebente id) bie nächite Früh—
jahrsparade zu reiten!
„Aber Wieders!!” —
„Shine bid), Eberhard! Über Iſolde“ Hatt bu x e
a ganz und par nicht zu beitimmen! —
| oo! - — das wäre!’ — 3
Ich Hab’s ſchriftlich! ye
eufel ja! Die Akte fahre mal an, tal oss
„Momentan wäre das jchwierig, aber du entum - uie
CIEN D.
Dich eines Briefes — und auch Briefe haben bindende
Rrajt — in welchem du mir ausdvitelic) bie Dber-
hoheit und Geredjtiame über alle weiblichen Wejen von
Biedershagen zuerkannteft! Uber das Ewig-Männliche
befjteltejt du bir alle Beſtimmungen vor, aber die Weiber
tönnte id) fommanbieren, jo viel es mir Spaß mache!
Na ja, — was haben aber bie Frauenzimmer mit
Det. Sohlenfoppel zu hun?” — —
„Ei! fie bewohnen Acte jogar; — ale ijt
eure Dame — =.
| Monſtadt lachte ſo laut aut, wie eS in dieſen Jänner
neftattet par. ,Bvillant, mein znädiges Fräulein! Bore
trefflich! — Gegen diefe Tide fänpfen Götter jelbjt
vergebens! — jx 2 s
Manke und Schlichel — Gott foll emen vor ben
Diplomaten im Weiberrock bewahren fchüttelte Eber-
hard voll gutmütiger Entrüftung den Kopf. „Sie jefen,
Kronjtadt, wie fie ihrem leiblichen Bruder das Fell über
pie Ohren zieht — und mit ber wollen Sie ub in
Pferdehandel einlaffen ?^ So
jd) risfiere e$, und vertraue diefen —
Händen jo jehr, daß. i "gne jogar den a im End š:
abfaufe!” pee x
| „Donnerwetter) — Hör mal, Al tes, bu ümidi ı von
jeBt ab meine Pferdegejchäfte aud) übernehmen! Sel)
habe zu Hauje noch einen jpatlahmen, alten Schinder
auf Gnadenbrot geftellt, — den opp ifm mit deinen
liebenswiirdigen Händen in den Sad hinein!’ —
oftigemsines eta i. — be s Cia: — fid
zur Seite, um einem Kammerferrn, welcher ifm im Borz
überjchreiten. jovial die Schulter Eopfte, mit bieberem
Drug bie Hand zu ſchütteln/ und Kronſtadt wies auf den
verlaffenen Wak und jdjergte: Nehmen wir bod) nod)
einen Augenblid auf Diejent weftöftlichen Diwan Blak,
mein guädiges Fräulein, und geftatten Sie cà nachfichtig,
ment. id mid poll begreiflichen Sutereffes noch ein wenig
über meine zukünftige Iſolde informieren möchte! Sit es
ungalant, mad) dem Alter der jungen Dame zu fragen 2”
Melt Hatte Das unbejtunmte Gefühl, ala hätten fid)
alle Himmelsthüren ſperrangehweit vor ihr aufgethan, ſie
wit einer ut ſtrahlenden Lichtes zu blenden und ifr
junges Herz in den Tiefen ber Seligfeit verjinfen zu
laſſen Wachte ſie denn wirtlich , oder war alles mur =
ein jchöner Traum, aus welchem fie im nächiten Mugen: |
blid Dörtes Klopfen weden mußte? — i
Er hatte mit ihr. tangen wollen! Gr jebte fich a üH
ihre Seite, um in heiterfter und licbeuswürdigfter Reife S 3
zu plaudern, fo lebhaft und interejfiert; als tabe ep bie
ſchönſte, gefeiertite Dame vor fidh, — nicht aber eine Reji
Wieders, vor deren Epiegelbild die gute Dörte beinahe `
die Hände. gerungen bor Jammer und Mitleid! n |
Und batte ſchon vorher Die beicheidene und bautbare
Freude über ihr ganzes Geficht gelacht, fo verflärte bie
Gd jefigfeit nunmehr ihr Autlis, Geift unb Wik jprübte
aus ihren: Augen und geſtaltete die eig. immer
lebhaf ter und lujtiger! =
e Bh a
Kronjtadt gehörte zu ben Menfchen, welche febr der —
Anregung bedürfen, um fid zu. amüfieren. Gein ftillee, — :
reſerviertes Weſen gab ihm Leicht einen Beigeſchmack der
Saugtoeiligfeit, und ba bie meiften jungen Mädchen mehr
amiifiert jein wollen, als daß fie felber amiifieren, fo hatte
ber Ulan bislang wenig animierte Ballunterhaltungen
fennen gelernt. Phraſenhaftes Courmacher lag nicht in
feinem Wejen, — er „ſchwang! ſich wohl hie und da zu
einer Artigkeit auf, aber er war zu ehrenhaft und ſtreng
denfend, um Hoffnungen zu ermeden, welche er nicht zu
erfüllen gedachte, oder Lediglich mit Selen zu ipielen,
welche thm feru lagen. x
So war ihm die harmlos vergnügte Art Reſis neu
und fejfelte ihn, — e8 fag jo nichts in ihrer ganzen Art,
was irgendwie lyriſchen Beigeſchmack hatte, man fprach —
über Dinge, welche weitab von bem Gebiet jebmeber
ſchmachtenden ober pifanten Centimentalitát lagen, und —
pod) amiifierte er fich, voie felten zuvor.
Eberhard ward nach feiner flüchtigen Begrüßung mit
dem Kammerherrn pon zwei befannten Damen angeredet |
ud hörte andächtig, mit feinem fo unverbrüchlich ernften
Geficht, ans deffen Augen es bejto Humorvoller wetter-
[cud)tete, zu, was man ibm zu jagen hatte. Er Dienerte
und Elappte mit den Sporen, und die Damen plauderten
weiter und er dachte fid) fein Teil dazu, und als die ein-
jeitige Unterhaltung zur rechten Beit durch eine Gegen-
ftrömung ber zum Souper ftrebenden alten Sunggefellen,
welche nie bie Zeit erwarten fónnen, bis fid) bie Flügel
— 56 —
thüren öffnen und jdn zehn Minuten zu früh in 1 bereti
Umtreis Bofto fahten — unterbrochen wurde, jtrid) der
Küraflier leife ftöhnend mit dem Battifttuch über die Stirn
und ſchaute fid) nach feiner Echwefter um. |
Gi bu Echodbombenelement! — da tt ja ber Kron:
ftadt jo nahe neben ihr, als führe er in der Gijenbabn
und wolle nur auf halben Blab ein Kinderbillet bezahlen,
unb redet fo eifrig auf Refi cin — und fie mict und
(adit, daß alle Schneeglödchen in ihren Kranz Sturm
[äuten, — und dann jdjmabt fic wieder und er lacht —
und fo geht das ohne Unterbrechung, wie bei Müller
und Schulße, wenn fie Weltgejchichte machen!
Site möglich! der Sronjtabt! und er hatte ihn
immer für einen jo blafierten, en — gez
halten! — —
Und Reli! — Bn solchem Sur hat er We T ja od:
nie gejehen, — reden thut fie ja immer gern und jat —
den Mund auf dem rechten Fled, aber heut liegt etwas
ganz Beſonderes in ihren Augen, ein Ausdrud .
wie... ja mie bet einem, Der eine Portion Sant Di von
Schemelbeinen erwartet hat, und bem plötzlich — für
basjelbe Geld — ein Viertel Gänſebraten vorgefeßt
worden it! Eberhard fpigt nachdenklich bie vollen, roten
Lippen, über welchen cs erit fo ganz wenig und ganz
iemmelblond iprot, unb pfeift ganz leife, faum, daß er
.e$ jelber Hort, etwas jchr Unmufifalijdes, welches in
. teinerlei Aufammenhang mit jeinen Gedanken tent.
Gr hat fid) dieje Eroberung Refis am allerlebten träu—
— e —
men lajem, aber fie | frente dm gan subdi fogar,
denn er gbunte feinen. Alt chen” alles Gute und ein bis⸗
‚chen Vergnügen auf einem Balle ganz beſonders
Nur bie Thatſache, bal Kronſtadt eiten fo guten und
Refi einen fo ſchlechten Geſchmack dabei entwidelt haben,
macht ihn gewaltig erftaunen. Seine fuge, gute, luftige
Schweiter, wenn bie Menjchen fie auch Haflich nennen, —
nut jedem gefallen, ber aud) nur ein einigermaßen ver-
wünjtiger Kerl ift, aber chat Sronjtabt, dieſer eitle, ver-
wöhnte Schlingel, der fid) fiir gewöhnlich mir anfchmachten
x läßt und höchitens mal mit den fehönen Angen flimpert,
wenn eine Prinze ijn gun Tange befich! t, oder Die grau
Negimentstonmnandeufe ibm Giogen jagt, — wie fann
jene Refi fo oberflächlich fein und did) fo lange Beit
i derart Feuer und Fett!” mit ihm unterhalten! ——
— — Suuberli)! fie hat e$ aber gezwungen! Der eins
filbige Adonis taut auf und Spricht fo mibige Sachen .
Sanon wo nur Die Menſchen alle die ju
nebnien i! —
Was gibt eð mur für zwei iwilbirente Leute zu
ihwaten? Ihm würden nicht drei Säte einfallen!
Neulich Dat er bet ciem Diner neben einem Kleinen —
Mädchen gejeflen, das wollte aud) unterhalten. fein, unb
das war eine verteufelte Sache, denn ihm fiel nichts ein.
Gr tranf in feiner bedrängten Lage ein Glas Notwein
nach dem andern und jab feine Nachbarin freundlich >
dabei an, und als bie Paſtetchen famen, fiel ifm.
plößlich feine Unaufmerfjamfeit ein: Cie trinken viel-
pe UR I
leicht aud) ein Glas finm; mein . Fräu—
Aen e — | |
Dante! id) möchte Sie nicht berauben" - — - Hei
ie freundlich gurüd. —
Da trant er allein weiter. E
- Als ber tote Fisch fam, zermarterte er dein him um
eine Anipielung: ‚enger Gie, guädiges Fraulein?” —
„Nicht nach Stockfischen!” — fie lächelte abermals
holdfelig wie ein Engel, und er fand ihre Antwort etwas.
merhoitebig, | denn, fo viel er . werden die mit en
gefangen! — |
Was nun weiter? — Cr jdentte fid) ——— ein
und jab. wie auf Kohlen; jonjt batte er jid) nad) Der
zweiten langen Pauſe mit idjarmantem Diener empfohlen,
aber während des Eſſens fonnte er dod) nicht den Platz
wechjeln!
Das Eis erjchien in Geftalt einer Keblichen Palme,
unter welcher eine Gruppe Gazellen lagerte. „Nun,
gnädiges Fräulein, wie denton Sie über Afrita?”
jhmungelte er und freute 19 toloffal über jin guten.
Einfall,
Sie zudte die Achſe in. Afrika habe ich in he
Schule nicht gehabt, — wie's orai war, ee n ue
Majern.’ — x x
„Donnerwetter, - — ‘fatal! p — | |
| Die Flajde Rotwein vor ihm war leer imo bie Tafel
ward aufgehoben. | —
Geſeguete Mahl atit, mein gnäbiges Zeil ein! D ros
2 m
Wohl befonmm’s, Herr von Wieders!“ und dabei
fchiittelten fie fid) fo í. die Hände und jahen fih
- fo recht von Herzen ausdrucsvoll an, daß man wohl
glauben fonnte, fie hätten einen Pakt fürs ganze Leben
gejchloffen. — uo
| Schade, daß ifm immer fo wenig zum Spreen | —
cinjallt, — Ipäter in ber Macht, als er im Bett lag, |
ba famen ibm noch ein paar gute Gedanten, was er
wohl hätte jagen tönen, aber was hilft ber Mo jtrich
quo Ind.
Und Sronjtabt fibt ba und ift poti ber reine
Kettenredner geworden!
x Freil ich, mit Nefi! diet Mit. der kommt jeder qut a |
= don, — mit ber jd)maót er, Gberfarb ber €dweig-
=- lame fogar das Blaue von omel herunter! | Co, A
autem lag, = edt ub. Gott. fei gant, nun üt .
die Quadrille zu ihren. Büren verjammelt und Die
Flügelthuren werden na öffnen. E son e3 dem i
Poſten fein. 2
Der Küraffier dob jb e energij d an cin ‘paar bien um
Ereellenzen Dorüber we tippte Melt auf den Naden.
,Xomm fir, 3 (lies! Das Düffett für bie tangende v
Sugend ift in der — anfgeſchl agen, wem -—
wir durch dew Eleinen Gaal bier, — rechts burd bie -
Vorhalle gehen, fchlängeln wir uns durch den Eingang —
für bie Lataien bireft hinter das Büet! sch habe e3
das [ebte Mal ausprobiert!” E —
Heil dorem OEpürpm !” ladite - Rronjtadt aufs
— 01
jpringend und bot yet ben Arm: „Darf ich bitten,
mein gnädiges Fräulein? Spr Herr Bruder zeigt den `
Weg, und. wir folgen: unjerm ns le —
© „Bap der Teufel, wie er bem Vorteil auémugt i^
ſchmunzelte Eberhard, „na, heute. will ich Sie noch mal
mitnehmen, alter Freund!“ unb damit ſchob er feine
vierfchrötige Geftalt wie einen Gisbrecher durch bie fine
und Dermogernbe Menge, bent nachfolgenden Baar Bahn
zu ſchaffen, und fein rotes, frisches Geficht leuchtete jo
jwöhlih wie ein Vollmond an flarem Himmel, denn ——
eritens that es feinem eitlen Herzen wohl, daß jene
Schweiter einen regelrechten Tiichheren gefunden hae
was bei wenig befannten jungen Damen immer etwas
schwierig dit, und zweitens fühlte er 9 guum doppelt
frei und behaglich
Er engagierte fid) prinzipiell nicht bei Biiffette, denn
er behauptete, Nach Mitternacht für alte Weiber und
andrer Leute Töchter Efjen zu fehleppen” — dazu ſei er
nicht durch ben Fahneneid verpflichtet.
Er aß gern in Ruhe und Behaglichkeit und beklagte es
lebhaft, bab Rehrücken, Schnepfenpaſtete und Auſternaſpie
nicht auch mit Grater und Floſſen zur Welt gekommen
waren, Denn Der Yoeijejte Ausjpruch, den je eim hungriger
Menſch gethan, deuchte ihm ber: deno beim Fiſch—
ee ipridt man qut —-
Und fo freute er ſich aud) jetzt ſeines
Einfalls, einen Flankenangriff auf das Büffett gemacht
zu Javr, denn D Tar — a me glängenh.
LU WO cs
Während bie Schar hungriger Geelen, glänzend. und
farbenprächtig, fic) durch bie jochen geöffneten Gaal-
thüren ergoß, und fich bald vor ber langen, reichbeſetzten =
Mitteltajel jtaute, wie ein Bienenjchwarm, welcher in
jurrenden und burvenden Klumpen am Korbe hängt,
jtand Leutnant Eberhard ‚bereits mit Schweiter und
S&amerab. ‚hinter bem „Zijchlein bed dich”, füllte fidh
mit aller Geelenruhe und Behaglichkeit jeinen Teller,
„Ihwuppevoll” — rettete ihn auf ein Fenſterbrett und
kehrte zurück, um eine zweite Auswahl zu treffen und
mit Kennermiene die lukulliſchen Perlen
zu piden! u
— Gr behauptete, e3 jet — für einen Teller nicht gut,
wenn er alleine ſei, und barum ſorgte er ihm für einen -
lederen Genoſſen.
‚Wieders! — Wieders! — füllen Cie mir mal -
flint was auf!!“ rief eine Stimme aus ber Menge,
aber Eberhard mar taub wte eine Nuk, mwuchtete, reich
mit des Orients Sdagen beladen, im die Senjternijche
zurück, {hang fid) auf das Fenſterbrett und war für
niemand — für abjolut niemand mehr gu fprehen! — —
Refi jtand währenddejjen an Kronſtadts Seite hinter
bem Büffett und ſorgte in ihrer mutterlichen Weiſe mehr
für ihn, wie er für fie. “aš machte ſich jo ganz felbjte -
Der jtáublid, bal fie euergijd) bie Teller zur Hand nahm,
bie Speijen mit fritijchem Blid überflog und auf dies
und jenes Gericht aufert am madte; ftonnte er e8
ſchlecht erreichen, füllte fie ihm ſchnell auf, und juft, als ——
boom s
fie Eberhards Beijpiel folgen und ſich am bem freien —
Gddjen eines jeitwärts ſtehenden Serbviertiſches häuslich
mederlaſſen wollte, tinte die Stimme au ihr Dr:
„Wieders! Wieders! füllen Cie mir bod) was auf!”
Sie ſchaute empor und ſah weit zurüd hinter den
eifrig Hantierenden Damen und Herren ein paar junge `
Küraffiere, ifr wohlbefannte Kameraden Eberhards ſtehen
Sie nickte ihnen fröhlich zu, und die Herren winkten
mit der Hand und einer von ihnen ti: „Ei, mein
gnädiges Fräulein, endlich ſieht man Gel — Bie
fommt denn das, daß wir Sie jebt erft finden?!” ae
„Das fommt Daher, bap Sie immer in ber faljchen
Ede gejucht haben!” rief Refi lachend, und alle Um:
ftehenden lachten mit.
‚te kommen Sie denn hinter das Büffett, mein
gnädiges Fräulein? Haben Cie voltigiert?” p
„Das verfteht fi! — In Freiheit drejfiert!” —
Wieder allgemeine FroHlichfeit. —
Fraulein von Wieders, Sie waren ein Engel, wenn
Sie mir armem Mann ein Stüdchen Brot gäben! Bis
wir durchdringen, find wir entiveder s ohr eo `
üt nichts mehr da” — |
Ich thue e3 aud) billiger! — Was wollen Gie, di
ober jauer?" —
„Möglichit von allem und rect piel! !^
„But“, und Refi befub flint und geichmadvoll einen
Teller und reichte ihn ſeitwärts durch einen Lakdien Den
glüclichen Pratendenten. x
-uo
| „Aber rántein pon Wichers wie ‚gönnen Cie “pb:
tib jo verziehen? - — Das weiner wir N übel! —
Weld) ein Recht hat unfer Jüngſter
„Er it mein Neffe!” jagte Refi mii tele ernfter
Min. -——— |
Ss ae bin. auch 3br Neffel!⸗ rep etm anderer. Der
$türaj Were. „Bitte, Tante, mir. auch einen Teller!”
„Das verfteht fich, — fofort ^ und das junge Mädchen
waltete abermals ihres Amtes als Hermann ber Nabe. —
„Zante! Tante Wieder3! Vergeſſen Sic etwa, daß ich ©
auch Ihr Neffe bin?” jubelte ein dritter Küraſſier, umd
ein Bicrter ſchwenkte aufgeregt beide Arme in die Luft —
| Auch id) war ein Süngling m lockigem Sanr! TRO
ich bin 3hr Neffe, (Snübigite — W — x
Nanu! Wieviel N effen hat S an, von Wieders?
Segt it wohl bald das ganze Negiment beijammen!!”
lachte ein Artillerie-Major in tiefem Bak, und während
bie Teller über die Köpfe weiter gereicht wurden und die
Stimmen lachend durcheinander Hangen, tief Leutnant
von Lobwitz übermütig | x
„Na natürlich! Fräulein Refi ijt unfer aller Tante,
— fie ijt Negimentstante!” —
Und ein allgemeiner Jubel erhob fid) und das Wort
ward wie von einem Sturmwind erfaßt.
„Bravo, — bravo! Negimentstante! Das ijt famos,
das joll jchriftlich gemacht werden! An die Gläfer, meine
‚Herren! Die Negimentstante ſoll leben, hoch! fous —
| a ein i hinges Durcheinander!
5
Meg t
tegimentötante L.
"€
ite Nov, ©
Non
Su.
.Gid ftrutb,
Å;
J
Kronftadt reichte ber jungen Dame ein volles Sl ž
glas, und He hob es ohne alle Priiderie, nickte den Herren
fröhlich au und tranf e$ aus. x
„Einverftanden. Alſo Negimentstante! Aber Ba bem |
Neffen, welcher nicht Ordre pariert!^ | —
„Sie follen Ihre Freude erleben, gnädigſte ante!” ae
„Sit Regimentstante identifd) mit Grbtante?" — — ^
‚Schämen Sie fid, Graf! Bei joldjem feterijd)en
Ideen werden Cie jofort aus bem Unterthanenverbande
der allergnadigiter Tante au$ge]topen?^
„sräulein von Wieders, fann ich mich gegen einen
Mobhrenfopf und zwei Rafe Mang in ipm Verband ein:
taufen?!” — :
„Unii ; Paſchedar! Ba aid eios mit bem
Stürajiterfelm auf die Welt gefommen. iit, Dat feinerlei
| Anwartſchaft darauf!” —
x © „Aber id) werde Adoptivneffe! Gch Habe zu Hauje
zwei gemöhnliche Zanten, bie ann ich gegen Die up
‚mentstante ein!” —
„Entztehen Ste ifm Die Sunmermajonaif, a |
Tante, aus ihm Spricht Beelzebub!” —
„Blag! Blak! — Bitte weiter gehen, ı meine Herren! "
„Bahn frei! der Landiturm kommt! —
»arüulem von Wieders, wo ſitzen Cie sein? Bir
miijjen eine Heime, verwandtichaftliche (de bilden!” —
Kronſtadt, führen Cie unjere Tante zu Th? —
Kommen Cie doch, bitte, iu bie Bildergalerie, — gleich
rechts an ber Thür haben mir unjere Stühle!”
* 67 u
Rein! im Marinefant it mehr Plg” —
Keine Spur! bleiben Sie ruhig hier, meine Derr:
ichaften, e8 ift gar nicht burdjaufommen I^
„Iſt ja aud) gar feine gemütliche Ede bei Dem Teller-
balancieren möglich! — Dal td) jag ju, ber fleine
Graf jongliert bereits, - — sauve qui E |
„Dann auf Wiederjehen beim Tanzen!
— 2 pale geftatter, gnüdigſte Tante — !^
E bie. Kuraſſiere hoben chevaleresf bie Gläfer, -
um fle zu leeren un Togli an Die Lakaien ae Ho
geben. : | |
Kronſtadt hatte — Teller bereite geleert.
pum bitte id) aber dringend, mein gnädiges Fräus
(ciu, Da Sie aud) einmal an fid) denten, und nicht Hier
bie Wohlthätigfeit bis zur Selbſtverleugnun treiben!
Sehen Sie mal, Ihr Herr Bruder, fonunt jchon zum
dritten Keſſeltteiben ounid! ‚Bir wollen ung ſchnell d
ſeines Fenſterbrettes bemächtigen, denn diefe find unge:
heuer. gejucht! - — ‚Sie on 2 9 Siren Seller.
trage! — 0
Und als fie biet itanden,. qub ‘Hef wie —
vor Freude und Entzücen mit ftraffenben Augen zu ihm
aufjah, ba fob aud) er jein Glas, neigte es galant gegen
bie junge Dame und jagte: ao. triufe. das Wohl der
liebens würdigſten aller Sicginentétanten, — in Der Hoff-
wung, bap. aus berjelben einſt eine ebenjo liebensroiitbige
grau Kommandeuſe — Die Regiments mutter werde!”
Reſi erglühte bis auf den puer Hals herab, und
—
Rn
‚Eberhard, welder jut mit e britten Teller wid m
blickte in das Geſicht der Schmeiter.
Bor Shred hätte er beinahe feine ganze Ladung ee Bud
fehitttet. — Grundgittiger! uw ein Ausdruck in —
Augen! —
„Wahr und o — ba verge, liche
Athen Hat Hd per(iebt!^ - ut
Sollte eë möglich fen? Sn Kronftabt, xn Familien =
täufcher, für welchen ſchon jo mang junges Deren hoff
nungslos geglüht hat? — -
— Gr tft fo erid)roden, daß ifm beinahe but Sppefit: Derz x
geht, — aber er fieht, bap Mefi thre Liebe nicht tragiſch,
jondern ungeheuer bergniigt auffaßt, und daß a |
au) jo animiert mie felten ijt! —
Es pajjieren ja manchmal Dinge zwiſchen heute und. uu
morgen, von welchen fi unfere Schul meisheit nichts -
träumen läßt, und Amor befommt genau folche Gaunereiz `
Anfälle, wie jeder brave Erdenſchlingel aud, — went | o
er einen Froſch und einen Maitäfer, welche die Natur —.
durch ihr Außeres abjotut. nicht für einander beitimmt —
hat, übermütig mit einem Fädchen zufanmenbindet -
| - inb an bielem Bauberfädhen, |
Das fid) nicht zerreißen lügt —
hält der liebe, {fe Schlingel fie fo bet Willen feit!
— Uber was hilft 3? — Gin Dritter darf fid) mit feinen
plumpen Händen nicht hinein mengen, — man muß fie
zappeln fajjen, bis fie jelber bie Feffeln jprenqen! —
$a aber. bie Sache vorläufig nod) jehr friedlich aus-
ſieht und Froſch und. Maifäfer Die holde Gefangenſchaft
. mod) als einen ſchlechten Witz von Amorchen zu belachen
ſcheinen, ergibt ſich auch Leutnant Eberhard in feine
neuejte Gntbedung und ift Philoſoph genug, um jid) nicht
jeinen jchönen Ananascreme von einem Gewitter pere
hageln zu {aj Hen, welches vorläufig nod) gar qu am
pu steht. — |
Es ballt fid) erft am Horizont zuſammen, und —
Hat es noch feine Gefahr, man weiß nicht, ob's herauf u
fommt, oder ob all das Augenbligen und Wangenflammen |
nur eit ganz unjchädliches Wetterleuchten bleibt! Wem
man fd) mur ein bischen. hatte jegen fönnen, wäre die
fleine Syeujterede Höchit behaglic) gemejeu. —
Eberhard liebt e8 jo febr bei Tisch, einer anderen
febhajten Unterhaltung zuguhören, welche ihn amüſiert,
ohne perſönliche Anſprüche an ihn zu Stellen.
Sa, er ijt ihon auf ganz. nichts würdige Ideen vers ——
fallen, um Dicjer Raffion gu fröhnen, und hat Tante —
Wuguite jüngi ſthin ſchwer dadurch alteriert. E
— €ie jaBen gu dreien — bie Tante, Nefi und er —
beim Eſſen, und felt Hanterioeife wollte bte Unterhaltung
feine rechten Blüten treiben, ben bie beiden Damen
waren auffällig wortfarg.
Ich möchte wiljen, was eigentlich richtig tt^, hub der
Geninant plópfid) an, „jo, wie es früher Mode war, ober *
wie e$ unjere aufgetlarte Beit mar o
„Was meinit bu fiir eine Mode?” Horte bie Tante
auf, denn fie ſchwor Stein und Bein auf die alte Zeit
- 76. c
unb fand fie in allen Dingen. ſehr viel beſſer, mie DIE ea
— jebige. „Aljo was meinft du?” jragte fie 208 jah T —
wachenden Intereſſes.
PARU meine Den Auſtandebrocentl⸗ ae Eberhard
fort imd Schnitt fid) cite grohe Portion Braten, „friiher
hielt man es für wohl erzogen, einen Jicitbroden qur Dem
Teller juri zu lajjen, welcher furgmeg. ber Arjtand‘
genannt wurde, und heutzutage findet man das uidit
dic und behauptet, befagter A müſſe aur Der
CS chüjjel legen bleiben!” Q
„Bas aud) eutid)icben. richtig. af nickte Net.
‚Ba as entjchieden fatih it!” betonte Tante Auguite,
E edi jel ijt neutrales Gebiet, während das Qurüd-
laſſen eines Keinen Reſtes auf dem. eigenen Teller eine
n gii fe Sclbfibeherrjdung unb Maßigung ausdrücken joll !^
o nd würde 08 als cine € Oppofition auffallen, bab es
bem Betreffenden nicht geſchmeck mu ze i „as
meint bu, Hardie — 2 uen ©
Do 8
Weun man zuvor von dem Gericht ei einen ganzen Teller
ober deren mehrere verjpeift Hat, ijt joíd) eine Annahme
ausgeſchl offen!” warf bie Tante ſpitz ein, mb geriet en
in Eifer. |
‚dan fani schlief lich auch im lebten: Saman ue
Fliege finden!” — — Lo ee
|. „Bheeking!! Go etwas ijt in einem jauberen Haus-
halt abjolut ey Findeſt bu nicht auch, Eber-
š . — nn ae
E
,, Stt [ee |
„Du liebe Beit! Wie mande Fliege Babe ih m.
Bicers hacer aus ber Suppe gefiſcht!“ |
Mnerhört! Soll das ein Vorwurf — - eine Beleidigung
für mich fein?” bebte Tante Auguite in ann und x
Kampfesmut |
,SDurdjaus nidjt! Das üt auf boni Vande, wo viele
liegen find, oft unvermeidlich! Sie fallen hinein, während
der Diener den Dedel von ber Terrine Debt! — Sch meine
nur, der Reſtbrocken auf ber Schüſſel fei richtiger! —
Nicht wahr, Hardie’ =
Hm —
„Und id erfläre — auf den Zeller gehört er!”
,ka, id) ejfe num mal alles auf, was id) mir nehme —
„Und ich faji e einen Brocen zurüd — !^
„So werde jede auf feine eigene Façon felig!”
„Ein junges, nafeweifes Ding, welches dem Alter und
dem Althergebrachten pom M wenig Hoffnung auf
Sefigfet —! ` x
Und jo fpißte fid) ber Streit immer mehr und mehr
zu, beide Damen, bie erit fo ſchweigſam verharrten, weil
jede ſchon etwas „angeärgert“ war, wurden nun defto leb- _
hafter, und Eberhard fab dabei, aß und tranf und tranf
und aß, nnd über ben Zeller Derüber flogen bie Blide
jeiner hellblauen Auglein jo pfijfig und das rote, feifte o
Antlitz glänzte fo ftillvergnügt, bab feine ganze, wohl-
behagliche Perfoulichfert jehr grell und erjtaunlich gegen
die beiden or Damen abitad).
m m
„Rimmft bu vielleicht noch den ieftbroden 2” fragte
Tante Augufte ironisch und blähte bie Nüftern ihrer ſpitzen
Naſe noch weiter auf, reichte Reſi die Platte, auf welcher
noch ein letzter, kleiner Punſchkuchen lag, herüber, und
blickte ſie mit herausforderndſtem Blick an. .
„Danfe; id) laffe ihn als ‚Anftand‘ auf ber Schlüſſel
liegen!“ — ermiberte Fräulein von Wieders energiſch,
mn) Tante Augufte gute ſpöttiſch die Achſeln und blickte
auf ihren Teller, wo ein halber Apfel ſehr ae
„aufgebaut“ lag.
er. ‚Anjtand‘ liegt aui Dent Teller — wie bet mir!
Alles andere ift tafilos i^ —
,Gberbarb!^ rief Mefi mit firjchrotem Kopf. „Ich
bitte dich, enticheide! Wer hat recht?!”
„Eberhard, ich bitte dich ebenfalls, enticheide! l^ gebot
auch bie Pflegemutter mit dem würdigſten Ton, welcher
ihr zu Gebote ftand, und Leutnant von Wiederg richtete
Hid) mit wohligem Stohnen volliter Sättigung auf, wildte
Hd) bie fleischigen Lippen mit der Cerviette und blidte
die beiden Damen abwechſelnd jebr ernit an. Und dann
nahm er bie Schüfjel mit dem Punſchküchlein und ſchob
Dasfelbe jehr gelajjen in den Mund, und griff gleicher- ie
zeit nach dem Apfel auf Tantchens Teller und en
ihn eifrig zu jchälen. —
Wer recht bat von euch beiden?“ dte er ‘taneub,
und jah aus, jo Hug und fo weile und majeftätifch wie
König Salomo, wenn er Gerichtstag hielt: „Das will
ich end) jagen: Meine! denn ber jogenannte ‚Anjtand‘
ift erſtens ein gang veralteter Zopf und zweitens eit
SProvingialisimus, jpridjt alfo in der gebildeten, neutralen ;
Welt gar nicht mehr mit!” Und damit jchob er N
bie Apfeljcheibe zwijchen bie weißen, fräftigen Büpne: `
„So, meine Damen! Cie fehen: beide ‚Aftands‘ hat d
der Deiwel geholt, unb wo nichts it, hat der
das Hecht verloren!” — _
Reji lachte Thränen vor Amüſement über bier ver:
bluffende Wendung, und es fiel ihr plób(id) wie Schuppen
von den Augen, warum der Schalt den Wortfrieg herauf:
beſchworen, — er gebrauchte eben feine Unterhaltung
bei Tiich! — Tante Augufte aber war schwer inbigniert.
anb hat bem böfen Neffen diefe Roheit“ drei Tage
fang nicht vergejjen, bis Eberhard am vierten mit Loy yen-
vilets zum — cape — ee — el
Teberia mit {fr — jo verzieh fie und fuhr
mit, — Sa! Cus mußte ber junge Offizier gerade
recht innig vergnügt Denfen unb blidte ganz eritaunt
von jeinent Grémeteller auf, als Melis und Sronitabts
Unterhaltung plöglich neben ihm verſtummle und beide
ihre Plage verließen.
„a, Wieder3?“ lachte der Ulan und tlopfte Eber-
hard auf die Schulter: „Die Souperftunde Hat ans-
geichlagen, ober UN Ste gleidh zu den Reiten Hier
' bleiben 2? ^^. — |
„Alle Donkernetier! — lab bid) Halten, goldne —
Stunde! — Lafai! jchnell noch ein Abjchiedsglas!” —
IV.
— in Empfang
Da Kronſtadt „leider“ auf den Tiſchwalzer per:
sichten mußte, gejtattete er lächelnd, daß bie vier jungen
Stüraffiere fid) in dieſes Necht teilten, und. Reſi flog von
ciuem Arm in den andern, alg jet fie Die ſchönſte und
meiſt begehrte Tänzerin des Balles. y
„ei Der Sudud, was jo vier junge Dächſe leiſten
8 Refi den Tanzſaal abermals betrat, fanden
p neu ernannten Neffen bereits farremb an
der Thür und nahmen ihre „Regimentstaute” —
können!“ jchmungelte Eberhard, 1 weicher neben bem lam —
jtchen geblieben mar, — „fie tanzen einen unglaublichen
Etriemen zufanmen, aber die Heft dt ihnen gewachjen,
die hält burch, und wenn das gauge Regiment antrite!
Sin Mordsfranenzimmer! En gleich nach dem Couper
folch ein Dauergalopp! Alle guten Geilter follen mich
davor bewahren!“ ——
- Glühend, atemlos vor Freude und Entzüden fehrie —
Nefi nach jeder neuen Grtratour auf ihren Pla aurüd, ——
und wenn fie Sroujtabt erbíifte, wie er immer nod) —
— Rs
eben ihrem Diwanplahe fand, ala gehöre er dahin,
| .. bann jtieg das Blut noch eiper in ihre Wangen, und
„em Gefühl überfam fie, jo neu, fo wunderbar, — |o
bimmelhoch jauchzend, als fei bie ganze, grofe Belt n
eng für ihr Kleines ‚Herz. geworden!
Und wie blibte dieſes Feuer aus ihren Migan, wie
fprudelte e8 im originellen Worten und Einfällen jo
x amiifant bon ihren Lippen! Ja, die Regimentstaute!
Die Idee mar prachtvoll, unb je mehr fie fih in ihre
neue Würde hinein — deſto Beer kleidete ſie
dieſelbe! — Soe — x
„Sie haben jo chivas Beriranenenmedendes, qnabines
Fräulein!“ ſchwärmte der fleine Graf mit begeittertem
Aufblid Ich glaube, db fönnte Ihnen meine fämt-
lichen Schulden beichten — bejjer wie meinem Bater!
und fo muß e8 aud) bei einer richtigen, regelrechten
Tante fein!” —
yaa, etwas fo famog Kameradſchaftliches hat
Fräulein von Wieders!“ rief ein anderer jebr animiert
dazwiſchen „das ijt mir feit Anfang an, wo ih den ———
Vorzug habe, im ponje Ihrer Frau Tante zu vers.
| m Ü | à
ehren, aufgefallen! — Ein guter Ramerad, einen x
bejj’ren find’ man uge
„Bit! Clauſin! Sprechen Sie nicht auf einem Sof: x ie —
ball fo faut von einem guten Kameraden”
„Ranu? Warum denn das niht?” —
„Kennen Sie nicht bie jchöne Parodie?” —
„Parodie auf den guien Sameraben? — Famog,
— cr
— — Bitte, — Sie mal los! Sh iene
für Parodien” —
„Wer hat fie denn verfaßt? Die 1 2 —
„Nie follft du mich befragen” Wer tennt Autoren
pon Parodien — fie fommen fo namenlos und p (8i Hj
wie das Mädchen aus der Fremde /
„Quit, Clavigo! Stellen Sie fid) mal artig in Rofitur,
Kleiner, und jagen Cie das on a
„Hört, Hört!“
„Der Yocije Brutus fpricht! m x
„Ss wo! S it ja der eee Clann —
| diee Sie bie Kreife dichter! — Mjo? —
- Nd) bat’ einen Kameraden,
.. Einen bejl'ven find’ft bu nit,
Die Trommel fchlug zum Tanzen —
Wir drängten durd bie Echranzen —
„Hört! hort! 1^
ede. [infa —
| Im gleiden Schritt und Tritt!
Ein [iden fam geilar =
Gilt es ihm — oder gilt es mir? - —
Er fühlt jid) Hingeriffen — -—
Er liegt gu ihren Füßen,
Als wärs ein Ctüd bon ihr! —
„Das geht auf unjere Regimentstante!“
„Still bod), nicht unterbrechen!” —
„Ah Gott, mir wird jo rührjam!! E
Wenn Cie nicht Stimmung halten, Graf, miüjjen
Cie raus! — Geladt foul werden, nicht geweint!”
ds weiter!”
| Will im pie. Sand nod) reiden —
Umfonit — '8 ift (don zu. frat!
— Kaum, baf ber Tang bertobet, -
ga. war er ſchon verlobet ue
Mein armer Stameradl a
we roe! — mun men Sie weinen, Graj!” a
| Relics à, jubelndes Sel üchter. =
- ,mqrüuíeut von Wieders, maden Cie es mur um —
alles in ber Welt nicht dieſe m guten Kameraden nah!
Für eine Negimentstante paßt Hd) das Berloben nicht, ae
die Hat erujtere Verpflichtung gen
„Ei, wie follte ich mit jo (ch böfen Beijpiel voran.
gehen! lachte Refi. „Wenn ich all meine lieben Meifen
unter Die Haube bringen Joll, ‚bleibt für mich feine Zeit
dazu! — Außerdem trete ich mit der Stellung g einer
Negimentstante in den allgemeinen Wehrſtand in —
und verwehre eS von vornherein jedem meiner Herren
Neffen, jemals yriſche Gedichte auf mich au maden, —
Parodien find dagegen erwuünſcht und werden r nah ——
Quantität und Qualität honoriert — —
„Ein Königreich für einen Regal use ` feos
„Sch reite ihn icon — - bitte ee An,
„Präjentiert — 4f
„Er Tano auf feines Dames Sante —
Und faf gelehnt auf feine Tante — —’ —
„Raus! raus! Plagiat ift x geftohlen we | m i
— 70 —
„Und beinahe ebenſo altehrwürdig, wie bie Parodie
auf Dem guten Kameraden!’ — :
‚Matürlich! bie hat fid) auch schon am er bes
König Nebucadnezar abgejpielt! w —
„Eine Quadrille, meine Herrſchaften !“ —
Kronſtadt trat ſchnell vor
XG erneuere meine Bitte von vorhin, gnadiges
Fraulein, und laffe mich diesmal nicht wieder in den
Wartejaal verweilen — —“ .
Auch dann nicht, wenn er ‚exiter &tajie ift Oe e
Auch dann nicht! Wir bilden Hier in aller Stille, —
fern von Madrid, unjer Garré, umb. jo, den fritifchen
Blicen der hoben Saftgeber entrüdt, fürchte ich ſelbſt
die phantaftiichen Blüten nicht, mit melchen Ihr Dorf:
schuf chrer die Quadrille à la cour ausgeſchmuckt hat!” —
„ber Ihre Gejundheit? Sd) fürchte mich vor Ihrem
geitrengen Doktor?” —
Wenn mein Ceibmebifus- bt wie vortrefflich mir
bielet Gehtanz befommen ift, verichreibt er mir als befte
Medizin täglich zwei Lancters mit Ihnen!” —
„Lu Vas voulu, George!” —
Gr verneigte ſich, flappte die Sporen annm und
bot ber jungen Dame ben Arm. .
„D'accord ^ lächelte er, und dieſes Lächeln, unb
der Blid ber ſonſt fo ernften, dunflen Augen, welder
in biejem Moment fier [ujtig hinter den langen Wimpern
zu ifr aufblibte, hatte etwas Beraufchendes für Neil,
welcher bie ganze Welt — fie felber inbegriffen —
zu
— verändert buai dt: bu Schöne Mann an
ihrer Seite ihren Lebensweg gefreuzt. - |
- €ie folgte ihm in den Hleineren Nebenſaal, wo fie)
ſchon mehrere Carrés bildeten. l o n
Bu ihres UÜberraſchung lier Eberhard von pe :
anderen Cite unb führte ihnen eine große, bellblonde, -
‚etwas lang aufgejchoff ene Tänzerin au, mit welcher er 2
an der Quadrille teilzunehmen gedachte. —
Mein: Bruder tanzt? Sekt nad) dem Souper? Wo
er alle Anftvengungen, ſowohl bie der Zunge wie ber
Beine, hakt?!” lachte Refi leije auf, unb Kronftadt :
nicte amüfiert: „Es ijt mir nicht leicht geworden, bem
Safar zu diejer jel bitmörderifchen Aufopferung zu bez
megen, aber es fehlte an Baar..."
Sajar? — Nennen Sie Eberhard (jar? !^
„Sennen Sie biejen Spit namen noch nicht? So hieß
er bod) ion im Korps! —
,GSüjarP^" — Mefi ſchüttelte ſtaunend ben Kopf,
„nein, biefe Bezeichnung ijt mir abjolut neu; ich weiß
mir diefelbe auch gar nicht zu erklären! Was Bat Cäjar
für eme Bedentung?” ur
„Die Sache iit jebr tieffinnig! Schon im Korps
mar eS allgemein befannt, daß Ihr Herr Bruder ſehr
phlegmatijch beanlagt war und bejonderen Wert auf
Effen und Trinken legte! Er fonnte {on Damals
Abnormes in biejer Beziehung leiften, und man erzählte
fid eine niedlidje, Heine. Geſchichte pon ihm. Er war
mit einem anderen Kadetten in eine befreundete Familie
Ü
tante |
tŠ
une
Die Nez
f
Woo. Cimitruth, ML Rom. u, Now
x und kurz ehe man fid) zu Tiſch jebte, Magte
Die Hausfrau, eine Witwe, daß ihre neue Köchin nicht
traudjieren tünne, ob wohl einer der beiden „Herren
Seleftaner‘ dieje wichtige Amt nachher bei Tiſch über:
nehmen wolle? — Der Freund verwahrte fih energisch
dagegen, Eberhard aber jagt voll Seelenruhe: Probieren —
geht über jtudieren, gnädige Frau! Peffer, fchlecht ges
ſchnittene Stücke, als gar feine —
Über diefe am unb für fid) treffliche und praftifche |
Anficht ward er f algemein belobt, und die Familie [ste ;
fid gu Zijd. —
Shon damals war während des Eſſens alles andere —
für Ihren Herrn Bruder tot, und fo jah er auch diesmal
nicht rechts, noch finfS, fondern widmete fid) gang und
gar feinem Teller, ‚welchen die liebenswürdige Galt:
geberin perjón(id) überhoch erft mit Fiſch und dann mit
Paſtete gefüllt hatte, und ihn durch den Diener den
beiden Güjten porjeben ließ.
Der Braten erjchten, und auf einen W Wink ber Haus:
frau jeßte ber Diener bie große, — Ente
vor Herrn Eberhard nieder
Dieſer hatte Jud) gerade ein wenig nach der Paſtete
verpuſtet und ftarrte jelig verklärt in fein Rotweinglas,
als plötzlich die Ente vor ihm niedergeſetzt wird
Ein ſonniges Lächeln fliegt über ſein Antlitz, er
nickt und dienert fein ftereotypes Verbindlichſten Dank!,
greift zu Meſſer und Gabel und fabelt auf den delifaten
Vogel los Der Diener fteht harrend hinter ihm, die —
Hausfrau und der andere Celeftaner blicden wohl. —.
gefällig zu. no
Plötzlich aber — o Skagen zerlegt Eberhard dag —
Bruitfleijch klein — ganz klein, greift nad) der € Sauce,
füllt fid auf — unb führt bie Gabel zum Mund! — |
Laſſen Sie mich das Etillleben am Tische übergeben.
Auf einen Wink der humorvollen Dame des Haujes
jtörte niemand Diejes zärtliche téte-à-téte, und Eberhard
aß die Ente mit Stumpf und Stiel auf — —“
„Srundgütiger!! diefes Stillleben ijt ſchon mehr ein
SrefBfo'gemülbel!/ fehlug Refi bie Hände zufammen,
und beide lachten jchallend auf — ds Blamage, als
ev’3 gewahr wurde — —!“
„Er bat nie Selbftinordgedanfen darüber ander,
Sondern nur mit vorwurfsvollem Kopffchütteln die Hauss |
frau angelächelt: ‚Sa, bu lieber Gott, gnädige Frau,
wer fann fich benfen, daß folch ein gebratener Spatz
für uns drei al Braten gilt!!! —
„Und um diejer Gejchichte willen heißt er. Güj ar? qd)
perjtebe noch immer nicht!” —
„And liegt dod) jo nahe! Der aniar Kaiſer
Vitellius aß auch zum Schluß eines Gaſtmahls für ſeine
Perſon einen gebratenen Pfau, welcher mit Schnepfen
und Wachteln gefüllt war, dieweil ſeine Umgebung
ftaunend zuſah — und rief: ‚Heil unſerm Güjar!* —
Nun, und in diejen flaffijchen Ruf brad) ein jeder im
Korps aus, welcher dieſe Gejchichte hörte! Da nante.
man ihren Bruder anfänglich Cäjar Vitellius, wel er
6*
aber den legten Namen — eine zu “befpettiediche Anz
ſpielung auffaßte und ganz jurdjtbar emen jeden. pere
faute, ber ihn jo titulierte, blieb e8 bei bem ‚Cäfar‘
allein, und dagegen hatte er nichts einzuwenden, denn
ein jchlaues Huhn war er jeit je, und jagte Hd, daß
jedermann wohl juerft an quitus Güjar denfen
Werde!‘ —
Sionftabt. medias (b mit einem Lächeln und
neigte fein wohlfrifiertes Haupt fer tief; Cäsar redivivus
ſtand vor ihnen iub jtellte Refi jee germ vor;
„Mig Elenor Swiſtly!“
„Aha! Die Nichte des ameritanifhen Botidafters
flijterte Kronſtadt jeiner Nachbarin. zu, als fid) das Baar
nad) ftummer SSerbeugung auf | jeinen Blot aurudgegogen,
und der Tanz begonnen hatte. x
& „Eine Amerifanerm? — Bie T er gerabe au
dieſer Tänzerin ? wunderte fid Fraulein von Wieders. —
Auch Kronftadt gudte ftaunend bie Achſeln
Wohl ein Spiel des Bufalls; bie Herren driicfen fid)
wenigjtens im allgemeinen gerade bor biejer Tänzerin
gern, denn fie jpricht fein Wort deutſch!⸗
Nur allzubald follten beide merten, daß es abfotut
fein Spiel des Bujalle, foudern raffinlerteſte muse)
Des Herrn Leutnants gemejen. —
Miz Elenor wandte fid) mit liebenswiirdigitem
Lächeln an ihren Kavalier, we ther febr nad)bentlid)
geradeaus jtarrte.
„Of what are you thinking, baron?“
DRE Us
Wichers flappte Die Eporen zuſammen und machte
einen [charmanten Diener.
„Bedaure, meine Gnddiaite, id) ſpreche nicht engliſch!⸗
„Vous parley‘ Français?! TN terte ne u
etwas verlegen. — =
„Noch viel weniger! — du tout, du tout!” ga:
ficherte | Eberhard mit jeinen treuberzigften Augen und
jah aus, als ob er fid) vor Herzeleid über ſolches Te
geſchick das Leben nehmen wolle.
„O — und id nir Deitich I^ iüttelte Miß Elenor
lig ich das Köpfchen, was den Sürajler zu einer
ſchmerzlich bedauernden Geſte veranlaßte.
-i febte Die Muſik ein, Vip Swiſtly tauchte kerzen⸗
gerade, in ftcifer, tiefer Berbeugung hinab, und Eber-
. Barba. hellblondes Haupt ſchoß eifrig, in wahrhaft Din:
gebendem Kompliment vornitber, und dann lächelten fich
beide freundlich an und. tanzten. fill und andächtig, ohne
nochmaligen Verſuch einer ——
ihre Tour ab. |
Eberhard aber blinzofte ine Gditocfte: ohio. a,
wb wa tun einer chaine anglaise ffüjterte er ifr jehr
eufgluft zu: „Das. habe ich gut gefingert; das lange
Amerika dit Die bequemite Tänzerin, ote Gott erjchaffen
Bat! Sch jpreche nicht englifch, fie nicht deutich, wir
amiifieren uns großartig in MEE
Und wenn man in dad — frifchrote
Geſicht des jungen Offiziers jab, welcher diesmal mit
volliter, größter Berechtigung jchweigen fomute, und
POR 86 ER
Daneben Die flante Blondine erblidte, welche jeden
Amnigen Blid ihres Tänzer, hold errötend, mit liebe
fidem Lächeln beantwortete, jo mußte man wirflich
überzeugt fein, Daf es beiden giant bei
Tange behagtel — `
„Mit ber tange id) jebt immer!” ih ja junge
Cäſar enthufiaftiih, ala er nah Schluß ber Quadrille
jane Dame zu den Shren aurüdgeleitet hatte, und nun
au Refi wicderfehrte: „Schade, daß ich fie ei zu Ende =
des Balles cntbedte!^ —
Ra, na, Wieders! Geien Sie ‘porfichtig, wenn Cie
. fid) biejen Winter über, auf gegenfeitiges, unverbrüdj |
| . liches Schweigen, mit ibr eintanzen, mirb aus dieſem
Lied ohne Worte am Ende nod) ein Brauthor!!” —
—Ç ‚Eberhard lächelte wohlgefällig: „Das wollen wir
noch nicht io ſchroff dahin Stellen! Häusliche Scenen
wären wenigſtens au8geidjojjen, und die Gardinen-
predigten würde ich nicht verjtehen! — Nun aber, Reit,
mill. ic) mich an das fchwere Werf begeben und unjere
Tante austlingeln laſſen! Haſt du noch eine Ahnung,
in welchem Winkel wir fie verloren hatten?! —
Ausklingeln ift altmodiſch! Nehmen Gie einen
Trompeter! Bm zoologischen Garten werden bie verz
[orenem Söhne aud) ausgeblajen!” —
„Das ge Ichteht aud) auf bem Ererzierplag!! Haba,
eilen Sie Hd, Güjar, Die Canbubr bieje8 Feſtes ftreut
bereit3 bie legten Körnlein!” —
Sa, bie legten Körnlein rannen t Haltlos dahin, und c
ee ay IS Re
bald ftanb Tante Auguſte und Refi, in die Mäntel
gefüllt, in ber groben Borhalle unb harrten des
Wagens. |
Die Riira ſiere ihrer jungen Regimentstante |
ba8 Geleit gegeben, auch Rronftadt ftaub noch neben
ihr, und des Ladens und Scherzens war fein Ende.
Die neue Ernennung der „Regimentstante” war schnell
befannt geworden.
Andere Kameraden Cherhards brängten. fid) beglück⸗
wünſchend herzu und verlangten, daß ber fo wichtige,
ſcharmante Zuwachs des Regiments im nächſten Militär-
wochenblatt befannt gemacht werden müffe. Neji firablte
por Entzüden und Amüſement, und mer ifr in bas über-
glüclihe Geficht jab, hatte feine Freude paran.
— Den Mantelfragen Hoch emporgeſchlagen ftand Eber-
hard an ihrer Ceite und fah aus, wie ein Rater im
Sonnenschein,
Er hörte zu, ohne fid) felber an der Unterhaltung
zu beteiligen, nur Die und ba jtreute er eines jeiner
trocfenen Witzworte
Ein junger dpa hatte (id) ber Negimentstante
vorjtellen laffen und legte beſchwörend bie weißen, wohl-
gepflegten Hände auf die Bruft. „Ste dürfen nicht jo
erflufiv fein und nur dieje jchwere Kavallerie hier unter
Shre Broteftion nehmen, mein gnädiges Fräulein! rief
er mit einem tiefen Bld aus feinen großen, etwas |
ſchmachtenden Blauaugen. „IH habe nie im Leben eine _ =
Tante bejeffen — und wünjche fie mir bod) fo brennend!”
— 88 —
wa, Fräulein von. Wieders, dann Hilft es nichts, - x
Cie müjjen den fchönen Adolph wohl oder übel in die
Reihe ber Neffen einrangieren” — —— x
„ee — das ijt abjolut unmöglich!” pa Cher- A
- Barb plößl id) mit ſchalkhaften Auglein aus feinem hohen
Belztragen heraus.
„Unmöglih? — Wiefo dase” —
„Der S(rmjie heißt Adolph?” — N:
„Allerdings; — i das ein Hindernis?” | x
| Mil: ob |
„Bico | x
Meine Schweſter i manchmal jo jehr zeritreut unD
veripricht fid) leicht! — Nun denten Cie mal an, wenn
fie plößlih vor ber Front — ober im Balljaal rufen
wollte: ‚Lieber Neffe Adolph! und fie veripradje fid)
anb rief: ‚Mein lieber Affe Nedolph !1*^ —
Schallendes Gelächter.
PC | — au! — Salou!” —
„Raus mit ihm H —
‚Der Wagen für ‚Ham Leutnant von Mieders!! —
Hane bie Stimme des ausrufenden Dieners von —
b Portal herauf.
Balencial”
. ute Stadt, gnábigite Tante! —
„Empfehlen uns zu Gnaden!” —
ee ge kommt! la meine Herren!“
„Ra, bas iit Sor Gta, Gajar! — Yb wi
„Wenn du nod eine Tante Haft — °
Und willft nad) Haufe fligen —
Und ber Wagen wird verpaßt,
Dann bleibjt du eben figen!
ertónte eine Stimme von der Treppe herab.
„Das war wieder Glaujin! — Bereits bte zweite Anz
leihe bei den liegenden DBlätten!! — mant di in
Strafe!” — x
Refi wandte nod) einmal be Den Kopf si winkte
lachend dde
„Nenn du nod) einen Neffen haft
Der Berfe thut ftiebigen —
Wohl dir! — er fann als {pater Gaft —
Hat aud den Wagen er verpakt —
Sm .... Grünen Heinrich‘ ſitzen!!“ —
„Bravo, gnädiges Fräulein! — Hurra, famos
gegeben! — Hahaha! Sau ats ee im Grünen
peur —
„er ift der ‚Grüne Heinrich! 2” fragte e eine Same
bom Land ihren Nachbar.
„Der ‚Grüne Heinridy‘ heißt im Berliner S Sargon der
ominöſe Wagen, in a Die Verbrecher transportiert
werden!
„Ausgezeichnet!
„Auf Wiederjehen, gnädigite Tante!” —
Dörte fuhr jchlaftrunfen von der Chaijelonque empor,
als fie den Wagen, welcher ihre Herrichaften von dem
... $ojbal heimbrachte, vor bem Hauje halten hörte.
MONS AT Ne hs
I M 4 `
CU gehen.
( "i Ñ n As N 9* | à ‘ de A
I Pss , ' (à
codd —
Fräulein Refi hatte or amar anbef oe, zu a zu
„Es it nicht nötig, Dörte, ‘bak T a mich wartejt!”
jagte fie, „ich bitte Tante Augufte, mir die Taille auf
zubafen, und mit allem anderen werde id) dann felber
fertig!”
Aber was hätte bie desse anale eher giljan, alg
mie fidh zur Ruhe begeben, ehe nicht ihre junge Herrin —
wohlverforgt in den meipen Kien lad! = —
Dazu mar fie bei Gräfin, Fidelia in zu {trenger
Schule gewejen. Sa damals, wenn bie Damen Nacht für
Macht erjt um zwei ober bui Uhr von den Feften Heim-
fchrten, war fie oft tobmiübe gewefen, und hätte fu
gerne niedergelegt, aber jebt, bet Fräulein Refi, welche
jo wenig große Bälle mitmacht, Da üt ja ihr Dienft über:
haupt feine Anftrengung!
gür ihre jebige Dame thut fie alles gern, mas fie
bei ber Gräfin nur aus Gehorfam geleitet. Sie fennt
ja Fräulein von Wieders fert MindeSbeinen an!
Shr Vater war damals Dorficdhullehrer in Wieders-
Dagen, und Refi umd Dörte ſpielten mand) glüdliche
Stunde in dem herrlichen Part zufammen, bis ber frante
Lehrer ftarb und jeine Witwe mit ben Kindern in ihre
Heimat zurüdzog.
Wie vieles lag amijden dem Einit an Seht! Und
doch hatte Refi die Jugendgeſpielin mit derſelben Güte
und Serzlichkeit aufgenommen, wie in dem elter-
lichen Schloßparf. :
SOM
Auf Dörtes Bunih ebron 3e aud) das vers
trauliche „Du“ in ber Anrede, und Dörte verficherte, Da3
erwede in ihr ein jo N heimatliches Gefühl ber Buz
gehorigfett! — —
Went Gräfin Fidelia zu Entel und Zang fuhr, hatte
Dörte fid) wenig gejorgt, ob fie fid) amüfieren werde
oder nicht, heute aber begleiteten ihre Gedanfen bie liebe
Herrin unentwegt durch bie langen Stunden hindurch, und
Dabei feufgte die Getreue jo tief unb ſchmerzlich, als ob
it getjtiges Auge nur bie traurigjten und trojtojejten
‚Bilder jübe. x x
Shr erfter Ball! —
Ad, und mie froh und glüdlich fuhr fie hin, und wie
unvorteilhaft jah fie aus, wie wird ihre große, derbe
Gejtalt trog der jchönen Toilette, wie wird ihr armes,
häßliches Geficht fo übel abftechen gegen alf die anderen
Elfengeſtalten, welchen Mutter Natur die Sottesgabe der
Schönheit und Anmut in die Wiege gelegt!
- Armes Fräul ein Refi! wie mag fie fich fo tödlich
langweilen! Wieviel Bitterfeit: wird der Kelch der Freude
pir fie bergen! —
Dörte fieht fie jdjon in Gebanten heimfehren, tbe 25 Ç
abgefpannt, mit jenem ins Herz jdjneidenden Ausdruck
in den Zügen, wie ihn das Herzeleid eingräbt.
Arme Reji! — :
Und nun hält ber Wagen, ein paar laute, helle
Abichiedsworte mit dem Bruder, und dann ftürmt eg die
Treppe empor. x x
Sie jdeint aufgeregt, vielleicht in hohem Grade em-
pört und erzürnt über bie unireundliche Menge — —
Sept — die Thür fliegt auf und a pa bebt
in banger Erwartung!
Aber was it Da8? — ` ie.
Lachend, glühend, atemlga bor — tritt Fränlein
Heli ein, lächelnd, hod befriedigt folgt bie Tante
Auguite.
= „Armes Dörtchen! armeg, gutes Dörtchen, bu bijt
nod) wach?!” — jubelte bie junge Dame, ihre Augen
itrahfen wie verflärt, und ber Schnerglodentrang hängt
{chief auj ber Seite, wie ein fedes Cerevis, jo recht zer:
tanzt und zerzanft das exit fo glatte Haar —! Das Kleid
ſieht ebenfalls aus, als fönne e3 bon hen p jiten
Galopps erzählen — —
ud, gnädiges Fräulein — liebes Fräulein Refi —
war eà jdjón? — ftotterte bie Jungfer ganz perpler vor
Überrafchung, a Neji breitete die Arme weit aus, als
wolle fie Millionen umjchlingen und einen Kuh der ganzen —
Welt geben! — und fie wiederholt jauchzend: - |
„Schön? Nur Hon? — Ah, Dörte — für fo uie
Gluͤck und — iſt noch gar kein Wort erfunden! —
4 in falter, dämmrig-graner Wintertag war e8.
; Der Schnee fiel als ffeime, fürnige Çiz-
-. füddjen auf bie hartgefrorenen Straßen und
heron bie Tannen und Lebensbäume in dem Vorgarten,
Daß fie ausjahen wie (eere, 129 Uber suderte Ronz
bitormare..
Reji fak auf ihrem befaal iden Seulierpläschen, Hinter
ben warmen Plüſchvorhängen, welche jedem Zuglüftchen
webhrten, und fa mit felig vertrduniten Mugen in die -
tile Billenftrage hinaus, als zögen dort all ihre herr-
lichen Erlebniffe ber vergangenen Nacht als lichte, deut! liche
Bilder noch einmal an ihr vorüber.
Hinter Nefi in dem fleinen Salon fnifterte and fladerte
das Feuer im Kamin, mit all jenen jo unbejchreibl ich
gemütlichen und trauten Gerdujden, wie je ichon des
Kindes Ohr geheimnisvoll entzüden , wenn — zs =
oder Kinderfrau von den Prugelmännchen und Kuier — =
fünfchen erzählen, ben (ujtiger, Heinen Gunomen im feuerz | e
farbenen Wamslein, welche im Ofen ihr Wejen treiben =
Bald werfen fie medijd) bie Hellen, jprüfenben Gunfer =~
ci xS LSU
durch ba8 Kamingitter, ober fie fauchen und zifchen, um
ängftliche Leute und Babys zu erjd)reden, oder fie jummen
und fingen leije Liedchen, bei welchen Großpäterchen im
Sorgenftuhl jo prächtig einjchläft, ja eë fommt auch vor,
dah fie najemei$ auf ben diden Holzkloben herumflettern,
fef ihre Rauchfähnlein jchwingen und mit glühheißen
Händchen nach allem hafchen, was fid) zu nah an ben
Ofen wagt. Dann fengt und brennt e8 plößlich, bie
pfel, welche zum Braten in die Röhre gelegt find, zifchen
unb brodeln und fehreien faut auf vor Angft, denn ihre -—
ichönen, roten Wangen find fchon ganz ſchwarz gebrannt,
und Prubelmännchen unb Kniſterkneischen figen mit ihren
ipibem, roten Hütchen vor dem Ofenloch und jchneiden |
Grimaffen und lachen die vergepliche, alte Muhme aus:
„Ei, warum paßt du nicht beffer auf!” Die Flammen
rauschen, der Wind fährt fanfend durch den Schornftein,
und ber Sudud jchlüpft aus feinem geichnißten Uhr-
häuschen, unter eifrigen Dienerchen ein fleines Se (bft
geſpräch halten».
RKuckuck! Ruud!”
Wie nedijd) er's ruft und wie eilig er wieder Davon
hufdt, gerade wie ein Kind, wenn es Verſtecken fpielt;
aber das große, gang in ihre Gebanfen verjunfene
Mädchen am Fenfter Bat gar femen Blid für den
Schelm, fie ftü&t den Kopf in die Hand und ftarrt in das
Schneetreiben hinaus und lächelt fo felig, als ob der Himmel
nicht voll Schneewolken, jondern eitel Baßgeigen hinge.
Ml das Mittagefien, zu welchem Eberhard ,,dienjt-
— 6 —
licher Verhinderung” wegen nicht erfchien, unter Den heiter-
jten Sejprächen und Nückerinnerungen an den Hofball ein-
genommen war, hob Tante Auguſte plöglich das alden:
— tuch an die Lippen und begann ungeheuer herzlich zu gähnen.
„Nun fommt bie Müdigkeit nach!” fagte fie; „Dies.
= lange, ungewohnte Nachhwächtern ift bod) für alte Leute
ein merhvürdiges Vergnügen, e3 hinterläßt Blei in den
Gliedern. Gch lege mich jet eine ganze Weile aufs Ohr,
Neschen, und du wirft dich in dein Bimmer zurückziehen
umb desgleichen thun. Unjinn, feine Widerrede, ind! .—
Du halt ja nichts zu verfäumen, und bei diejem grimmen | —
Wetter. liegt ſich's jo gut auf Dent Bärenfell, gum Träumen
und Sinnen !” . i
Dies [ebtere gab den Kusfchlag.
Sa, Träumen und Sinnen! — -—
Was thate Refi heute lieber alg das! 3
Cie half zupor Der Plegenutter, 25 [fid auf der
Chaijelongue bequem zu machen, ſchlang ihr die weich⸗
floctige Dede um die Füße, ſchob ihr dag feidene Daunen:
fijfen, den ſogenannten Wonnepummel, unter den Kopf, !
rüdte nod) das leine, runde Marmortijdjden, auf welchen
unter blühender Azalee ein Romanbueh lag, näher hinzu
und füßte liebevoll bie fa altige SUR mner Dem eleganten
Cpibenauijat.
,9um fehmelze das Blei de aus, ‘Tantehen!”
ſcherzte fie, „und Dole alles Verjäumte der vergangenen
Nacht nad; ich bin auch ein Muſter von Artigkeit und
mich in mein Schlafzimmer zurüd!” |
el.
tstant
N ımen
Reg
1e
4
‚Rom. u. Noy.,
Sil
p.Gidftrutb,
Jb.
— =
Thue e8, mein Liebling, und jag’, bitte, den Leuten —
in der Küche, Dah ich nicht geftört fein will! |
Die Tante jchlief, und bie neuernannte Regiments: —
tante legte den Stopf qud) in die Kiffen und träumte.
Aber fie that es mit offenen Mugen und lächelte dabei
amb atmete jo tief und wohlig, al8 ob es die glüdjeligiten
Bilder feien, welche diefe Träume fpiegelten.
Und der Schnee fiel dichter draußen, unb die Schatten
im Bimmer vertieften fidh — Da ſanken ganz unbemuft
qud) bie Augenlider fdjwerer herab, und bie Natur
forderte ihr Redt. x
Reſi ſchlief ein.
Nach kurzer Seit ſchrak fie empor.
Hatte fie wirklich geſchlafen? Wie thöricht! Welde
Zeitverſchwendung! — Der Traumgott iſt felten fo rüd-
ſichtsvoll, ſein buntes Schirmchen juſt mit den Bildern
zu bemalen, welche die Menſchen gern ſehen möchten, |
und aud) por Reſis gejchloffenen Augen hatte er zwar
recht jchöne, aber bod) unendlich gleichgültige Gemälde
entrollt, welche nicht bie minbejte Ähnl ichfeit mit einem
Ballfaal, geichweige mit zwei dunfeln, ‚herzlichen, emp. .
ſchönen Männeraugen hatten. — x
| Ürgerlich fprang das junge Mädchen. auf, alättete 11007 3
das Haar und eilte auf leiſen Sohlen in = aes AN
Boudoir auri.
Ein Blid auf bie Sududsufr — bof ie feine
lange iela gehalten, aber Die tiefen, regelmäßigen
Atemzüge der Tante, welche im Nebenjalon rubte, bes
— 99 —
wiejen ihr, bap en une dort Sere Geſchafte
machte.
co See fete T Stet auj ha Seniterplab mieber "e
{haute auf die wointerliche Straße hinaus. Über fie jab
weder bie Drofchfen, welche fajt lautlos über die weiche -
Schneedecke rollten, mod) bie eiligen Paſſanten, welche
fchattenhaft an dem Gartengitter vorüberglitten, fie faf
nur einen, einen einzigen, Mchat von Kronitadt, und um
fein ihönes Bild ranftem fid) die Frühlingsblüten, und
warme, goldige Somnenftrahlen verflärten es.
Wenn die Welt aud) da draußen im fchweren hamme
falten Winters ſchlaf (ag, in Dem Herzen des jungen Menſchen⸗
kindes war es Maienzeit, glückſelige, wonnige, ſonnige
Maienzeit geworden, jener erſte Liebes leng voll Nachti-
- gallenjubel und Feiergloden, voll Blumenduft und funfeln-
der Sterne, wie er nur einmal im Leben die Geele bez
zaubert, im bem ſüßen Traum einer erften, jungen Liebe!
Und Reſi liebte!
Cie fragte nicht, ob e3 Thorheit jet, ob fie wieder
geliebt werde, ob a te wohl Hoff meg habe, glüklih zu —.
werden! P
. Cie mar e ia ‘ton! hre ganze Seele war voll |
Licht, voll überftrömenden Dantes, voll vounfehlojer ou
friebenfeit! ° x c.
Sie legte fid) feine Nechenfchaft über ihr Empfinden
ab, fie flügelte und erwog nicht, fie genog den Augen⸗
blick und flüſterte aud) ibm mit bebenden Lippen“ au
„Berweile dod, bu bijt jo ihn QI
Es
— 100 —
Im Nebenzimmer ward leife eine Thür geöffnet. Ein
Säbel Hirrte, und Tante Auguſtens verichlafene Stimme = :
iprach: „Mch, bu bijt 8, Eberhard! Wie kommſt bu.
denn, ohne zu flingeln, herein?” | |
„Habe bod) meinen Grüder, Tante! Störe ih?”
„Hm .. na, nun bin id) wach! Qeg ab, mein Junge!”
„Bilt du allein Tante?” flüfterte ber junge —
haftig „mo ijt Refi?”
„Die liegt nod) in ihrem Schlafzimmer ch ipta!
„Sehr qut! Sch möchte bid) gern mal einen Augen⸗
blick allein iprechen!” — Und das junge Mädchen hörte,
wie der Sprecher die Thür mod) einmal öffnete und
Paletot unb Sibel auf einen Stuhl im Entree legte.
Allein wollte er bie Tante: fprechen ? Was bedeutet
das? Weihnachten iſt bod) vorüber, und jonitige Heim=
f lichfciten —?
Na warte! lachte Refi in Gebanten, horchen ijt amar
nicht Schön, aber ruhig an jeinem Platz verharren, iſt
auch feine Sünde! Was Tante Auguſte wiſſen darf, das
darf id) erit recht erfahren! Ja, wenn es irgend etwas
Kriminelles ift, jo muß id) e8 jogar wijfen! x
Eberhard war wieder im den Salon getreten, uan `
- Baronin Quintach jap vor Intereſſe und xis Tnt
gerade auf dem Diwan.
„Sejeimnijfe, Eberhard ? rief fie ibm mit gebämpfter
Stimme entgegen! „Um Gottes milen, doch nichts
Sehlimmes ?^
‚rd WO, erjchrid v nur nicht, bie Cade üt ganz Barm:
— 101 —
lo — aber — id) habe mit bie Gejchichte heute den
ganzen Morgen im Reithaus überlegt, und ich will nicht, | x
bab unjere Refi womiglic) bei ber Cade HOMES
Unſere Refi — reinfallt? — Sd) verſtehe nicht .
Der Küraſſier ließ ne fraftvoll in einen Sei
nieber.
negt bu, Tante... ba war po aejtern der
Ulan .. Kronftadt — hübjcher Kerl — Bait ihn bod) auch
gejehen — na aljo! — der fat unjrer Nefi bie Cour
gemacht, flerte fid) ben Halben Abend bet uns am, was
jouit durchaus nicht jeine Art ijt, denn er gilt für reid:
lich arrogant und blafiert — tangte auch mit Refi —
na, war wirtlid) ganz famos. Mich freute e8; Denn
gerade einen Menjchen wie Sronjtabt, um den fidh bie
Damen reihen, an der Geite meiner Schweſter zu jehen,
papte mir. — Und ber Refi paBte die Sache erft recht.
— Heiliges Linksſchwenkt! Wie war mein Altes in einem
Vergnügen, jo fidel habe ich fie noch nie gejehen! —
Und weißt bu, fo manchmal fam e8 mir vor . ber
Kuckuck ja! als ob fie Feuer fingel — Ein Wunder
wäre e8 nicht, denn Kronſtadt ijt verflixt hübich .
Halt ihn ja gej jehen! — Weißt du, Tante, auch bei bes
Verlieben dachte id) mir nichts Schlimmes, gejterm abend.
Warum nicht? In Alter, Namen, Stellung würde Achat
ausgezeichnet für die Nefi paffen, und fie für ihn, a =
dachte ich: ‚man tan“ ——
„Nun, umb? - — und jest 2” — Torjdjte Tante auguſte sx
ängftlich. ©
c ch =
„Heute morgen im Roeihaus mbe natürlich ber
gejtrige Abend bejprochen. och fiand dabei und hörte zu.
Da fragte plößlich Bresfow, ber wegen Familientraner
biejen Winter nichts mitmadt, ob e8 Denn wahr fei, daß
Kronftadt fid) jo auffällig benommen habe? Die wenigit
ſchöne, junge Dame, welche im Eaale vorhanden gewejen,
habe er fid) ausgefucht und ihr für feine fteifleinenen Berz
— s büttnijj e morbémábig die Cour gemacht. — Es foll eine
- fejwerreiche Coufine gemejeu fein, Verwandte vom Bots
fchafter — na, und Sivonjtabt ſäße big über bie Ohren in `
Schulden umb jude nad) einer Millionenfrau, auf Außer—
(ichfeiten fame es nicht am babei! — Na, weißt du, id)
dente, ich falle auf den 9tüden! Solch eine Gemeinheit,
wenn das wahr wäre, wenn Sironjtabt wirklich in der
lemme fäße und eine reihe Frau juhte — —“ —-
„Aber Refi ift doch feine Millionärin, im Gegenteil]
— (Cpüter allerdings, wenn fie mich beerbt — —"
„sit bas etwa befannt hier? Man fennt Die Re-
venüen, welche id) beziche, unb font. baburd) vielleicht
auf faljde Schlüffe! Dag 4 Dietrich: hagen früher nicht
Majorat war, weiß man, daß Großbater eg dazu machte,
weiß man nicht, Denn Papa war ſein einziges Kind und
bie Majoratsfrage fam offiziell nie in Erwägung —
Leicht möglich aljo, bag man dentt, ein reicher Bruder
muß auch eine reiche Schweiter haben! Daß aber mein
gutes Altes mal wegen des Geldes geheiratet werden
jollte, das gebe ix iet zu, Tante, rag ijt fie mir viel
zu Lieb ^^ x
— 103 —
„Sie hat ja eim gang nettes Vermögen, aber reich ift
fie nicht, alfo fann fie feiner aus Berechnung heimführen !“
Eberhard rüdte feinen Seffel näher zu bem Diwan,
amb feine Stimme flang beinahe etwas angjtvoll.
„Das ijt aud) ein Gottesglüd, aber . . . trobbent
quält mid) bie Sache! Sieh mal, Refi hat nur das
gejehen, mwas vor Augen mar, und hat dem Schein qez
glaubt! Sch bin überzeugt, daß fie fid) in Kronftadt
verliebt hat, und wenn Achat nun plößlich erjabrt, daf
Refi arm ijt, wenn er fid) zurüdzieht und auf bem nächiten
Ball einer anderen, reicheren den Hof macht, und mein armes
Altes nimmt fid das gu Herzen und geht womöglich an
ſolch einer unig lic ichen Liebe zu Grunde — —U
Reſi hatte mit weit aufgeriſſenen Augen gelauſcht. Die
Hinde gegen die Bruſt gepreßt, mit fehnellen, unregel⸗
mäßigen Atemzügen jtarrte fie in das T Dümmerlicht, und
es war plót(id) alles falt und dunfel um fie er öde
und einfam, voll Winterfroft und Winterweh! cem
Wo war der lichte Tag voll Jauchzen und fti ingen,
voll Blütenduft und Schalmeienklang geblieben?
Während fie nod) in bie blendende Sonne des Glüdes
{haute und im feliger Weltvergeffenheit alles um fid) her
vergaß, waren heimlich und unbemerkt hinter ihr Die
düſteren Wolfen emporgeftiegen, amb mum warfen fie jäh-
linga ihre grauen Schatten über die Sonne und bie
Träume, über den Glauber und die Hoffnung einer eriten
Liebe, e3 ward Nacht. (Sin unbejchreiblich u Gefuhl
prep Reſis Herz oe
eet AA v
Ein Bittern und Schluchzen rang in ihrer Bruft und
vermochte dennoch nicht über das. thie willensitarfe
Madden zu fiegen.
Nur ein paar heiße, glühendheiße Tropfen {tieqen in -
Die Augen empor unb rollten vin über Die sees.
Wangen. |
Das mar Herzblut, daran berblutete ie erite a =
ſicherlich auch ihre einzige Liebe. :
Hatte fie an Verloben und Heiraten gedacht? Bahr- x
lich nicht. p
— ere Bejdjeibenfeit, ihr flarer, — inn
hatten die Sterne des Himmels nicht begehrt, fie freute
fid) harmlos und ohne alle jelbjtjüchtigen Nebengedanfen
der einzigen, lieben, glückſeligen Thatſache, Dap er, ber
Herrlichſte von allen, welcher ihr Herz jo heiß und
ſtürmiſch ſchlagen ließ, welcher eS Himmelhod) jauchzen
machte, daß er be8 armen, häßlichen Wegefrauts achtete
und eg nicht verjchmähte, für Pie Stunden pern Ritter
zu jeim. x
Seine Freundlichkeit allein patte seta. fie zu $e
glücken, fein jchönes, ideales Bild hatte fie begeiftert, -
und mit feinem Gebantem hatte fie ein „Mehr” von
ihm erwartet oder gefordert, ach, fie war fid) ihres
Gefühls wohl jelber taum tlar geworden, fie liebte ihn, |
ohne eS zu willen! |
Und num zerriſſen all bie rojigen Schleier, und fie
blidte entjebt auf ein Berrbild, welches all ihrem
ihwärmerifchen Entzüden Hohn jprach, bie Wirklichkeit.
BERN rn Paper et
— TES ——
p. Caspa nr
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SAR IE
i >.
ae aN * ^ R 1
ppa
— RE s
= 108 —
Ad, wie weh that ihr das Herz, alg ftürbe eS in
dieſem YAugenblic eines taufendfachen Todes! — Wie
müde, wie fterbensmüde ward fie plób(id), als müſſe fie
das Haupt zum Schlaf niederlegen, fieben Schuh unter
ber Erde, tief brunten, wo einzig und allein das Blümlein
der Rube für gebrochene Herzen wächſt!
Und doch finft ihre fraftvolle Geftalt nicht matt und
morjd) zufammen, unter dem Keulenſchlag, welcher fie
getroffen, bas Mark ift zu friich unb zu gejund, eg
widerfteht und beugt fid) nur momentan, ohne zu ger-
jdellen. Miinutenlang weber bie Todesſchauer gemordeter
pu Sugend durd Herz und Geele.
Reſi preßt bie Hände gegen das Angeficht und fümpit
ihn durch, ben erjten jchweren, bittern Kampf des Lebens,
unb bann hebt fie bas Haupt, ‚atmet tief auf und lächelt;
ein herzzerreißendes Lächeln, |
‚Man jagt, er fude eine reiche Frau! Man | fag ^
. Was fagt bie Welt midi alles! Sunen, Berz
Dächtigungen, Gemeimheiten. :
Man fagt! — S e$ banum Wahrheit? — D nein,
taujenbmal nen! — Gie hat im feine ernften, flaren
Augen geldjaut, in denen wohnt fein Falſch und feine
Verfiellung, fie hat in feinem Antlit gelejen, und da
ftand gejchrieben von Edelſinn und NRitterlichfeit! —
. 3Sem fol fie mehr glauben, ihnen oder ber Belt? — 0
Da gibt'á wohl feine Bweifel!
Nein! Bei Gott im Himmel, die Welt fann unb. oe
bat ibe mit biejem „Man jagt” viel genommen, b o
e 1 a
reinfte, füßelte Glück, welches eim junges Menjchenherz
‚empfinden fann, eines aber foll jie ihr nun und nimmere
mehr nehmen, den Glauben an ihn, an jeine ſtolze Ux
Redlichkeit! x
Die Yreundlichfeit, welche er ihr —— ak ihr,
ihr allein und nicht ihren vermuteten Reichtiimern!
— Um fo herber empfindet fie die Qual diefer Stunde.
Nun weiß fie e8 felbjt, daß fie ifm licht, mehr liebt,
als Worte es fagen fönnen, und fie gehört zu jenen
armen Menichenblümlein, ‚welche nie wieder maienfriſche
Gnojpen treiben, wenn ein Reif in der Frühlingsnacht
ihre erſte Blütenpracht qu Tode fror, Wie ſollte fie
aber einen Mann, den fie liebt, unglücklich madeu? ——
Eberhards Worte haben ihr bewiejen, wie ober-
flächlich, mie fatih und r Die Welt urteilt und
verurteilt.
Eine häpliche Frau fann ihrer Meinung nach nie |
aus Liebe, jonbern nur aus Berechnung gewählt werden,
und welch ein Vorwurf fönnte wohl einen ebelbenfenben
Mann verlegender treffen als ber, die heiligiten Gefühle
unter die Füße getreten zu haben!
Kronftadt wird nie daran denten, um fie zu werben, |
ue er e8 aber, jo würde Refi mum unb nimmermehr -—
die Seine werden fünnen, Denn, wenn fie aud) jest nod)
Mis reich ijt, jo tann ber Tod ber Tante, an melden
fie wahrlich zuvor nie gedacht, fie über Nacht zur Erbin —
machen, unb eine häßliche Frau mit viel Gelb ijt ftets
der Roftfleden auf bem blanten Schild des Gatten, welcher
— 108 —
mehr und mehr um fid irifit, je neidiſcher und mif-
— bie Welt ihr Gift perjprigt!
it fat fid noch nie ernjt(id) mit. Heiratsgedanfen
in dud Stunde aber vegan fie bie —
für immer.
Einen Mann, den fie liebt, fana fie um feiner ielbit
willen nicht freien, und einen, den He nicht (iebt, würde
fie erjt recht nicht nehmen. |
Sie fat doch fonft jo ruhig und heiter über bien ai
Punkt gedacht, und mwenn fie fid) in bem Spiegel jab,
oft voll Selbſtironie geſcherzt „Benn büplid) und bbſe
ſtets dasſelbe wäre, hingft bu dod) wohl längjt am
Galgen, Refi! I” — Und mit einem Mal bringen fie ein
paar Worte des Staunens, bap einer der fchöniten
Offiziere ber Garnijon der menigit jchönen Tänzerin den
Hof gemacht habe, jo ganz außer Faſſung?
Wie nürrijd) ijt fie bod! — „Ob ich dich liebe,
was geht's bid) an?“ — Sie liebte ja fo jelbitlos, fo
beicheiden, jo ohne jede Anforderung, wie Das Beilchen -
im Moos, welches fdon a i wenn ein Sonnen:
jtrabl es trifft. x
Kopf bod), Refi! Der Kampf it quigetümpHt: und
die jühen Träume zerrinnen, eğ heipt mit Haren, wachen
Augen um fich ſchauen!
„Rimm bi nip vir — Dann fleit 1 te nip fehl!” — ——
Haft bu deinen Wahlſpruch vergeij en? D ja bis jebt —.
immer jo gut damit gejabren! ts E
Das junge Mädchen trockuet energiſch bie Augen |
— 109 —
unb firetcht über die Stirn Gie ift nicht unglücklich
und will fid) auch feine Ceutimentalitáteu einbilden!
Sie will dag Leben nehmen, wie e8 mm einmal ijt,
und micht feine ichwargen, jondern feine lichten Seiten
hervorſuchen Die finden fid) immer, wenn man mur
amit Hellen Süden um fid) faut and jid nicht von-
jedem Sturm zu Boden werfen läßt.
„Sa aber, mein lieber Junge, was Toll id) bei der `
ganzen Gade thun?” Klingt Tante Quintadhs Stimme
nebenan beinahe weinerlich. „Ad, die arme Refi thut
mit jo ſchrecklich leid, folh eine Derbe Erfahrung fränft
junge Herzen jo bitter! Das arme, arme Kind! —
Wie fann man e8 wohl verhüten, daß fie nicht un:
glücklich wird 2 x
„das ijt eben Deine Sache, Santdjen 1“ jeupgte der
Junge Dffizter. „Ihr rauen verjteht das viel beffer
alg unjereins! Du mußt eben dafür jorgen, daß fie fid)
nichts in den Kopf febt, unb wenn bu merfit, daß fie
fd Slufionen macht, mußt bu fie gefchictt ablenken,
was man jo jagt, fie ein bißchen beeinflujjen.”
„Aber um alles in ber Welt, Eberhard, id) bin bod)
; ui fein Diplomat!” wehrte fid) die alte Dame jo entjebt, daß
pu Refi unwillkürlich Lächeln mußte,
n x Ra, wenn DU eS nicht famtit, bann Hilft eë eben
as | nichts, Dann muß ich dafür jorgen, daß Kronjtadt nicht
wieder mit ihr gufammentrifft! 3n unjerem Regiment
läßt fid) das wohl fon fingern, wenn aber ber Menſch
bie unglüdjelige Idee Hat, hier bei euch anzutreten, und
— 110 —
. dann eingeladen werden muk, Ban ja, Tante, dann
fiber wir in der Patihe drin, und wer dann unjer |-—
armes NS vor einer agli ‚Liebe aes
fol — —“ =
„Das will ich bir fagen, Barhi! ie thang poli. eine
Stimme aus der Nebenthür, „das wird fider und
bejtimmt das arme Alte jelber thun! Biel einfacher und
viel beffer, als mie ihr lieben ogie roben angue omer
ihent!” —
Der Küraifier fehneltte — noch nie ‘atte man bet
jeinem Phlegma eine folh jchnelle Bewegung gejehen —
nad) ber Sprecherin herum, und fein rundes, vole ——
wangiges Antlit farbte fid) vor — wie ein (Sbamer ——
Käſe x
„le Wetter! — Sie hat’3 gehört! Z :
„Gott jet Dank! ein Zeichen, daß ich noch nicht taub
bin!” lachte Refi, und wenn diejes Laden aud) nod
etwas nervös und gemaltjam flang, fo wirfte der Ans
blid des verdubten Verfchwörerpaares doch jo erheiternd
auf ihren humorvollen Ginn, daß jchnell aud) bie
lebten Spuren des furzen, herben € — pert) cht
wurden.
Alſo ihr zerbrecht euch die Köpfe, wie ihr mich vor
einem gebrochenen Herzen bewahren fount?” fuhr Refi
ſchnell fort. „Ohr guten Menjchen! wie Dante id) e8 euch,
wenn e8 auch recht unnötige Sorgen waren, die ihr euch
gemacht! Soviel Köpfe, joviel Sinne; und joviel Herzen,
foviel verjchiedenartiges Lieben auf ber Welt! Ich werde
—
an ber meinen nicht zu Grunde gehen, denn fie gewährt
mir ja alles, was ich von ihr verlange.” —
„Bog taufend! Hat er etwa . . .”
,Cid) wohl gar erklärt?” Reſi jchüttelte den Stopr,
und durch ihr Lächeln jchlich ſich unwillkürlich doch wieder
ein leiſer Hauch der Wehmut. „Nein, Hardi, in dieſem
Falle blieb er ſeiner Sinne doch noch Meiſter, obwohl
meine Schönheit ihn von Rechts wer egm vi bie ne hätte
zwingen miijjen i^
„Aber nuu mal a beifeite, As) Du T Deine
Liebe gemähre alles —"
„hut fle auch!“
„Du liebe Zeit, aber was denn ?^ :
Da trat das junge Mädchen neben ihn, legte ihre
Hände auf feine Schulter und blickte am gar wunderfam
in die Augen.
„Ein Sdeal!” fagte fie leije und wih. „Und bag
ift das befte und dauerndfte Glüd, welches | einem háp-
Lichen Mädchen zuteil werden fann.” - :
Siu ..., mie perjtebit bu das?” flang e3 Heder |
bon Sheiharhe Zippen, er atmete jchwer auf, und in
feinem treuen, ehrlichen Geficht kämpfte die mit
dem Kummer.
Nefi blickte wie träumend ing Leere, sk ichlanten,
weißen Hände erbebten unmerklich —
. ,&m Sdeal, welches ich mir ibaie, gehört mir!”
fagte fie fo mild und heimlich, als flüjtere fie mit einem
Kind. „Sc fann e8 ausjtatten mit all den Vorzügen,
EES oes
welche id) an bem Manne liebe und bavundere, ich fam = = =
am ibn auslöfchen, was mich ermüchtern und verdrießen = aS
würde! Mein Sdeal lebt mit mir in meiner Welt, fein
Auge fieht es, fein Ohr hört von ihm, feine giftige Zunge
fann es jtechen, feine Ilubulbjamteit ber Menjchen vermag
e zu ſchwärzen und zu beſudeln, keine Lebensverhältniſſe
entreißen es mir! — Blütenbefrängt und jonnenperfíürt
jteht eë auf dem Altar meines Herzens, ein liches, heiliges
Bild, welchem meine Phantafie Leben einhancht, welches
mich anfieht mit den Blicken, wie id) fie mir wünſche,
welches nur Worte zu mir jprid)t, bie meine Liebe et
jebut! Mein deal ijt mein (Süd, mein wolkenlo oſes,
flecken loſes Gd! Und wenn ich einen Mann liebe, fo
jei es auch fold ein Gnadenbild, Dem weber Welt wos
Beit etwas anhaben können!”
Eberhards Haupt war tief zur Bruit gejunten. itn
DS “bu glaubjt wirtlich, Neit, folh ein wejenlojer Traum
Ha fünne auch auf bie Dauer beglücken?“ E
Gin ſchwaͤrmeriſcher Gang [cud)tete ang ihren Qon.
„Bem nicht er, was jonjt auf der Welt? Wie oft hört
man nicht, ber fühe Traum des Glüde8 fet nad) den
Flitterwochen ausgeträumt! ine Braut liebt in ihrem
Bräutigam aud) nur ein Ideal, jo wie ich ba8 meine
liebe. Als Frau liebt fie den Menſchen mit all feinen
Schwächen und Fehlern, der Mann, welcher aus feiner
idealen Höhe plößlich Dernieberiteigt imb von welchem
die Alltäglichfeit fo mandhe Blüte abitreift, mit welcher
ihre Liebe ihn ehedem früngte. — Wieviel bittere Ent:
S š
k '
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RE.
*. 1
Mio. & id ftvutb, IA. Mom vu Nov,
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A
te Negimeitstante E:
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tänichungen, nie sevtritmmerte Slufionen baigi oft ds
S bie Ehe mit fidt Da find nur wenige, welche auf ihrem sos
brautlich idealen Standpunkt verharren, welche m ibren
Herzen das ſüße Glück ber Flitterwochen durch ein ganzes
Leben tragen, und thuen. fie e3 auch, fo brauft bod) von
außen fer jo mand) Hohe Woge an ihr Lebensichifflein, —
und der Sturm und Kampf ums Dajein blaͤſt ſo manche
Staubwolke gegen fie, daß aud) bae ſtrahlendſte Bild
— getrübt wird. — Sieh bid) um in der Welt, mie wenig [EE
wahrhaft glückliche Ehen; wie wenige, die mit all ihren
| hoben, großen Erwartungen die Verwirkl lichung ims = |
Ideals gefunden haben, „dein manch ein Herz flingt N
thönern, das wir von Gold geglaubt!“ — Und ſiehſt
du, Hardi, darum will ich zu jenen Weltweijen gehören,
die fid) auf fein Hazardipiel einlaffen, joubern fid) ein
bejcheidenes Glück aus eigner Kraft fihern! Sch werde
niemals heiraten, jondern eine ewige Braut bleiben,
meinem deal angelobt und ihn getreu in Crwigfeit!” —
„Aber Refi, jedes weibliche Weſen ſehnt fid) bod)
nad) einem Wirfungsfreis, einer Thatigfcit! — Dein
Kultus des. Idealen wird Dich Der Welt entjremden und
Dich unbefriedigt lajjen!^
Das junge Mädchen hob mit — Lacheln ben
Kopf. Sede Spur von Schwärmerei war aus ihrem
heitern Antlitz verſchwunden
Glaube das ja nicht! Meine Liebe wird ale ftilles,
mein ganzes Sein und Weſen erleuchtendes Flammchen
auf dem Altar meines Herzens brennen, ohne mich zu
= 345 ee
einftcbferiid)em Gößendienft und Nichtsthun; sit verdammen.
Ginen Wir fungSfreis findet jedes Mädchen, me [ches ernft-
lich danach jucht, und anc) id) werde mich mütíid) zu
machen fuchen! Dap mich jemand liebe, das kann id)
leider Gottes. nicht erzwingen, daß mich aber die Menſchen _
gern haben und mir freamdfich geſinnt find, das fann
Ach burd) guten Willen erreichen, und das Ht mir jest
ſchon vortrefflich. geglückt! Sit es nicht eine Freude für
mid), daß deine Kameraden mid) zu ihrer Regimentstante
gemacht haben?” ——
3 „Das. war ein Wig, ein Scherz!”
„Und warum follte aus bent Scherz nicht der ein—
mal Ernſt werden‘ ve Refi. (achte Fröhlich auf: Ich glaube
Eberhard D, id) habe cin ganz beſonderes Talent dazu,
junge Lente gu bemuttern, und wenn die Stellung einer
Hegimentstante richtig, amd vernünftig aufgefaßt wird,
jo follte ich a daB f man viel Gutes in ihr wirken
könnte!“ |
Leutnant vow 1 Wichers hatte jid en. & ſtand
neben ber Schwefter und legte den linfen Arm um fie, — 2
während er mit ber sa Dano gare ihre ae
Hopite.- >
QS. biit ein Batentfeanengimmer, Refi -mD ii
den Nagel immer auf ben Kopf!” ‘Adjnuunselte er, „und
was bu da vorhin von bem Ideal Doziert haft, das
leuchtet mir ganz vorzüglich ein! — Gp eine jtille Liebe
im. Herzen, auf Dauerbrand eingerichtet, muß eine wirt-
lich praftijche Sache Fu nod) viel PEINE und o |
gr š
Eq —
licher al eine amerifanijche Frau, mit ber man ſich mor
anfen fann; Denn Geſichter fdjneiden und Thüren flagen ——— |
unb Rechnungen präfentieren, fann mam ſchließlich aud, — —
ohne bentjd) zu fprechen, mährend jolh ein bereibigteo
Ideal auf Lebenszeit nie aus ſeinem Glorienſchein heraus:
fonımt. — amos, wird gemacht, — bu bíeibt ewige
Braut — id ein ewiger Bräutigam, und bis dahin haben
wir beide unfern Wirkungstreis, ich brille Jiefruten, und
bu füfrft mir den Haushalt! Topp; » Sache ijt ab:
gemacht!” — x
Jefi lachte über das ganze Geficht, abet fie Hob ben
Finger und drohte Dem Sprecher fchalthait zu. „Cäfarchen
‚bu wollteft ohne Kaiferin bleiben? Du wollteft als
ullis Hageltolz bie Altjungfernlaunen deiner Schweſter
ertragen und das Schulgeld für den Majoratserben
jparen? Den? am ben Vogt von Tenneberg, beu Minne
nie befangen! — und nimm bi um Gotteswillen nix vör,
dann fleit bi wir fegt ee
„Nefi, auf Wort! — Hier . Dant drauf! Morgen
fange ich an und Tod nad) einem 1 Gegenftand für ewige
Bräntigamsliebe!” -
‘Das junge Mädchen idi ug mit einem t undefinierbaren —
Ausdruck in ihrem heiteren Geficht ein: „Gut, e8 gilt! —
— Mun habe ich deinen etdlichen gouby, und wehe
dem, ponn fahnenflüchtig wird!
NA <$ VEU
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uA IR
DAR
8e. EEG,
NE NG: HR h
SYL
Wya eutnant von Kronftadt Hatte feinen Beſuch im
X x Haufe der Frau von Quintach abgejtattet, Hatte
^" per erjten formellen Einladung mit Vergnügen
Folge geleif tet unb mar Dan öfters freundſchaftlich zum
Thee erfchienen, fid) furz vorher anſagend und in fo
harmlos behaglicher Weije verfehrend, wie eë anerfannter-
weije mur im Salon von Fräulein Refi möglich war.
Woran eg lag, dak fich gerade bie jüngeren Offiziere
jo außerordentlich wohl in der Gefellichaft ber jungen
Dame fühlten, wußte niemand jo vecht zu erklären.
Œs mar eben alles in allem die große, aufrichtige
und von Herzen kommende Liebenswürdigkeit Reſis, ihr
feines Verſtändnis für all die kleinen Paſſionen und
Liebhabereien ber jungen Herren, welche fie im täglichen
Verkehr mit dem Bruder Diejem abgelaufcht Hatte, ihr
ſelbſtloſes Eingehen auf Münfche und Pläne, zu deren
Verwirllichung bie Herren der Hilfe von Damenhand
bedurften. Wie ungentert und frijch von ber Leber weg
fonnte man an dem Dheettich ber beiden Damen über
dienstliche und gejellichaftliche Angelegenheiten reden!
Nefi hatte fid) cbenjo taftvoll als verjchiviegen er-
wieſen, bie Regimentstante vereinigte alle Eigenſchaften
eines guten Kameraden in fic, and trog ihrer Jugend
hatte fie ein gereiftes und geſundes Urteil, — maus v
junger Sauſewind bald ſchaͤen lcu |
Wie mand) guten Nat erteilte fie: in "rcroidelten: und
ernften Angelegenheiten, welch ein ficheres, obwohl nur
iitinftiues. ‚Gefühl tich fie je (oft mi (itàrijd)e Dinge beur-
teilen, für ‚weiche Damen für gewöhnlich mur ein jefr
| geringes oder gar fein Verjtändnis bejiben.
| Und niemals hatte einer ihrer „Negimentsneffen“ bei
biejem 2 Bericht den fatalem. DBeigejchmad, gej jehulmeiftert —
Ober. bevormundet. zu werden! Aud darin entmidelte —
Refi cine wahre Kunſt, dem meiſt jo auffallend aus:
x gebritetten Se jamuq ager: Herren Rechnung zu
tragen.
-. 8a mar e$ — ich zu verwundern, wenn bie
oed Romaanin Gberfarbs. fid) außerordentlich in ben Salon
ihrer Negimentstante hingezogen fühlten, in welchen. ber
allgemein beliebte Gäfar | jo jeelendergnitgt und gaftfrei
den Hausherren fpicite ini feine Schweiter mit oleh Ale
ct pulfe licher” Tanteumiene Die Honneurs machte, x
Baronin Onintach flatterte als mbejriebenet Blatt
bud bie. behagliche Runde, fie mar zu wenig anregend,
um zu amitfieren, unb. bod) zu comm il faut und gütig,
um gu genieren, fie füllte ihren Plab ( aus und fiand
niemand int Wege. :
Sa lebte. fiH Refi mehr unb ‘ache in Die Würde -—
c ee
einer wirklichen Negimentstante hinein, und ba fie nie
jchr jugenblid) ausjah und auch durchaus nicht bean-
ipritchte, dafür gehal ten zu werden, jo fam e3 niemand
in den Sim, ihr bie Cour zu machen, oder gar Heirats-
gedanken in den Salon der Negimentstante gu tragen,
und gerade durch dics völlige Hintenanfeser ihrer Perſön⸗
lichfeit, für welche fie in beicheidenfter und anfpruchg-
lojefter Weije nie die geringite Aufmerkſamkeit Heraus-
forderte, erhöhte N weh bet ihren Giüjten das angenehme
Gefühl ‚völliger Harmloſigkeit Und am harmloſeſten
pon allen genoß Kronftadt - die behagliche Anregung dieſes
Verkehrs.
Er zeigte und bewies in allen Dingen, bab er Reji
außerordentlich gut leiden mochte, Daf er fie ichäßte und —
berehrte wie elite Schweiter, rede man ; Füdfattélos
vertrauen famm. —
Da gewann Das junge M ädehen en Shite in
fein Herz, welcher den Glanz ihres Ideals nicht trithte, —
jondern ibm iut Gegenteil erhöhte. s |
Adhat Stronjtadt gehörte zu den ftillen, ver ichloffenen
Naturen, welche fid) ſchwer einem anderen Meni chen an-
ichliegen, haben fic aber einmal Sn geja Bt, E it
cë ein volles und unerjchütterliches. c crt
Selten hatte er wohl einem Fremd Menſchen ſo viel
bon jemen innerſten Sein offenbart, wie Refi Wieders,
und dennoch mußte aud) jie gar manches noch zwiſchen _
bot Beil en leſen, um den Schluſſel au jeinem viel zu x
ernſten und peſſimiſtiſchen Weſen au ‚Anden, eei mit
a
feiner Se und infi jo gar nicht im Ginflang
ſtand
Achat hatte eine traurige Jugend verlebt
Die Schatten einer Konvenienzehe war in feine Rinder-
jahre gefallen und hatte bem lieben, goldenen Gonnen-
jchein feliger Kindheit mid) zu bu Sud fommen
lajjen.
Gerade diefe erften und glüctichften Sehensiahre aber
— fimb e8, welche dem Wejen eines Menjchen ihren Stempel
aufdrüden! Wer in dem liebesmarmen, friedlichen Neft-
chen, welches Elternjorge und Ehierneintract erbaut, aufs
gewachſen ijt, den geleitet dieſes wonnige Heimatsgefühl
durch das ganze Leben. Mögen fpäter aud) nod) foviel
Stürme erbraujen und Wetter aufziehen, jenen Frühlings: —
morgen voll Licht und Glanz vermögen fie nie zu berz : :
dunfeln, ber ftrahlt mit all feinen Erinnerungen durch —
das ganze Leben, wie ein Segensgruß, deſſen u und
‚Heil unvergänglich üt. |
Und wiederum jene, welche in jungen Sahıen jo falt
und fieblos gebettet lagen, welche nie den Liebesquell
inniger Gemeinjchaft zwiichen Kind umb Eltern raufchen
hörten, jenen fann das Leben in jpäterer Beit nod) jo
jtrahlend lächeln, fie werden jolchen Glückes nie voll und
ganz froh werden, Denn auf ihre jungen Seelen ijt ein
Reif gefallen, den ſchmilzt ielbit it die heißefte Sonne ber
Erdenfreude nicht fort, ber hinterläßt zeitlebens cin frojtiges |
Gefühl der Ode und Lecre, wie ein Baum aud) im Hod-
jommer feine Blüten treibt, wenn jeine Lebenskeime des
Lichtes und der Wärme entbehrten,. wenn ber Froſt i
nicht sur Entwicelung gelangen ließ,
Und jolh ein grauer Nebel lag auch über Achats
Kindheit, bie Hand hatte gefehlt, welche a Liebe
und Vertrauen it das. Junge Herz geſaͤet
Vereinſamt wuchs et heran, obwohl er s
bejak. Waren jene fremden, kaltherzigen Mädchen, welche
ſtets mit ber Mutter reijtem und den Familienzwiſt aud)
auf ihn, der „um feindlichen ager bei Papa” verbleiben
muhte, übertrugen, waren fie wirtlich eines giis und c
Blutes mit ifm, feine Schweiten? |
Auf ber Hochzeit ber. al teften tanzte er — - auf Des
| fehl des Waters, um por der I Welt feinen Anſtoß er o :
, regem — und nad) drei. Jahren hörte er alle die Einzelz
ul heiten i einer unglücklichen Ehe, welche mit ber Scheidung
endete x
,3) Die Weiber, Die Weiber jind an allem. ſchuld!“
rief ſein Pater niit bitterem Lächeln und klopfte den Sohn
auf Die | Schultern. „augen auf, Achat! renn nicht
taub und blind in das Elend ber Ehe hinein! — 63
prüfe, was fid) ewig bindet, ob fid) das Herz zum Herzen
findet!!! — Qa, auch in feinem Eiternhaufe ‚war Der
Wahn jo turg und die Neue fo lang geweien.
storuite es eritaunen, bab Mchat Stron{taot, der ichöne,
viel umſchwärmte Mann, den Frauen gegenüber miß—
tranijch wurde? Er war jehon von Natur etwas [dmer-
blütig beanlagt, und die ewigen, Nageuden Zweifel, welche
an feinem Herzen fraßen, lichen eim vorurteilstojes Be
= 123. m
obachten und Rennenlernen ber pnm Damen gu
Autant
Sieb. haben! — Du liebe db wie doles er es ieilig
bringen, ein Mädchen licb zu haben! Enh er doch hinter 2 s
jedem Rojengefichtlein. Die Schlange: lauern, deuchte ihm
bod) jedes zärtliche Lächeln, jedes warme Aufleuchten. der ‘
Augen mur Schlinge und Leimente, em aries Opfer zu
— Unglück einzufangen! |
och fatte er nie eine tiefere Neigung empfunden, und. i
weil er fid) den Frauen gefliffentlich fernhielt und. ihnen
gerade nur fobiel Zeit und Höflichfert opferte, wie es die —
geſellſchaftlichen Pflichten vorſchrieben, mangelte ihm auch
die Gelegenheit, giinjtigere Erfahrung zu machen. Sein : =
Herz blieb falt und unberührt, und mur im Salon Reis =
faute eë auf, eine un bewußte Sehun jt nach Bde. `
jejfenem, nach einer gemütlich en, trauten. Haus ‚lichkeit, mad). iu |
vertrauter Ausſprache überfam ibm, uud jo ſchloß er ſich
mehr und mehr dem kleinen Kreis der Regimentstante
an und genoß die seltenen Stunden. jolchen 9 Behagens in
Dantbarer Freude, Der Gedanfe aber, in Neji mehr —
finden zu fóunen, als eine treue Schweiter, einen guten
Samerab, Der fam ifm ebenfowenig wie bem anderen =
Herren, dem nichts fag in der Art ber jungen Dome, ;
was lyriſche Empfindungen hätte weden fünnen. Sab .
fie jelber jede 3 Möglichkeit einer Verlobung weit von fidh
mies, lag flar auf ber Hand, und daS war jo natitr-
lich, e& pafte fo zu ihr! - — Wer hätte jid dieſes Mäd-
chen als Braut denten könn! Nicht etwa, weil fie zu
— 124 —
häßlich dazu gewefen , Got on Wie ſchnell bere
gaB man in bem amüfanten, anregenden Verkehr It Dr
das wenig Dübjd Außere, welches ja — wie alles
Schöne oder Häßliche, aud) mur Geſchmacksſache war!
— Mein, e8 [ag ein gemijje8 Etwas in ihrem Weſen,
welches man mit dem profanen Ausdruck „altjüngferlich“
hätte benennen fünnen, wenn e3 nicht eben ganz das
Gegenteil davon wäre, ein Zug größter Sungherzigfeit
und Rindlichfeit, welcher fein Antereffe nicht auf eine ein-
aige Lerjon fonzentrieren fann, fondern für alle ba ift
und für alle lebt, wur gemeinfane Sdeen verjofgenb und
jid dem Wohl des Ganzen widmend.
Heft war eben nicht zur Gattin und Hausfrau, Ton:
dern zur Negimentstante geboren, das bewies fie von
Fahr zu Jahr deutlicher, je mehr fidh ihr Wirkungskreis
vergrößerte, je mehr fie fic) in ihre menjchenfreundfiche
Molle als guter, freundlicher, helfender (eiit. hineinlebte.
Und Jahr um Jahr verging; Nefi faf in ihrem
frauenfajten | Capothütchen immer älter und tantenhafter
aus, und Achat Sronjtabt jap ihr mandy lange Stunde
gegenüber, trug all feine Freuden und Sorgen bertraueng-
voll zu ber bejten und einzigen Freundin, welche er be-
jah, und Refi behandelte ihn mit derjelben herzlichen
und teilnehmenden epee eet, wie alle ihre andern
Regimentsneffen
Ihr Antlit blieb fo oleihmäßin b beiten und bergniigt,
ober ernjt und befümmert, je nachdem es galt, Freud
ober Leid zu teilen, und ihre Augen bickten fo ungetrübt
see ADE —
in das ſchöne Gefidht bes Ulang, dağ Kronftadt nie
und nimmer ahnen fonnte, Weiden funzen, leibeujdjaft:
(iden Cturm er einjt über biejes jo ruhige und ver:
nünftige Madchen heraufbeſ chworen, welch ein Gefühl
inniger, unausiprechlicher Liebe e3 war, welches tief verz
borgen in ihr glühte, mie es jem Bildnis war, welches
fie al3 Sdeal in ihrem Herzen mit ewigen Miyrtenblüten
franate. — — —
Eberhard hatte manchen Walzer und manche Quadrille
mit Miß Glenor getanzt und fid) ungeheuer behaglich an
der Seite einer Tänzerin gefühlt, PEE in beiten
Willen nicht zu unterhalten war.
Er jdjmieg fich fo recht von Herzen. aus qub. in
jeine ganze Liebenswürdigfeit [ediglich in fein Lächeln,
welches von der Amerikanerin ebenfo innig und gefühl-
voll erwidert wurde.
Diefe ,ftumme Liebe fiel natürlich mit der : Beit auf,
und damit begannen erft recht bie guten Tage für den
Erbherrn von Wiedershagen.
Da der idjmeigjame Berehrer erfichttich das Wohl:
wollen der amerikanischen Familie erwerlte, fo verging
taum mod) cine Woche, ohne daß ber junge Difigier zum
Diner ober Empfang in das Botichaftshotel geladen —
wurde und regelmäßig Mig Elenor gu Tiſch d führen
matte.
War fie ſchon eine angenehme Tänzerin für ibm, fo
erwies fie fid) als Tijchnachbarin als geradezu anbetungs-
würdig, denn da fie fich nicht mit ihrem Kavalier unter:
= 126 cs
halten fomite, ougentriccte jie all ibre Picbenemirbigfei |
auf Heine Auferlichfeiten, als ba find: ſtets volle Wein c gu
| gläfer und wohlgefüllte Teller. =
Mit meld) bezaubernden Lächeln winti fie — in ihrer
|... Cigenfehaft als Nichte bcà Haufes — den D Dienern, dem
. Sere Leutnant, welcher ber Schweigſamkeit wegen fehneller
effen fonnte als die anderen unterhaltungsgeplagten — i
Menſchen, noch einmal zu präſentieren, wie aller
liebſt fofettierte fie mit ihren brilfantg! igernden, mageren
und langen Händen, wenn fie bie Konfektſchalen vor
ihrem Tiſchherrn auf bie Tafel píagierte unb ifm -
immer wieder anbot mit dent leiſen, imelgenben n „please!”,
welchen er. nicht widerſtehen fonnte!
Er lächelte Dann qud) eim „o — — please! —
ſeht gnädig — merci, assez!” — und tlappte dann unter
dem Stuhl mit den Sporen, und Miß Clenor ichälte
graziög eine Drange, Pfirſich oder Birne nach der andern
und fegte fie auf jeinen Teller, dieweil fid) ibr Blick mit
ben ſeinen begegnete und fie Bor Entzüden errdtete, wenn
er englisch iprad) und mebreremals nad) einander „please, A
please” oder „thank yon!“ fagte.
MU ber Hoſgeſellſchaft intercifierte mon fid lebhaft
für Diejes originelle Paar, und all bie Tamen, welde
nicht jelber Töchter zu berbeiraten Hatter, machten fid)
ein Vergnügen. daraus, ‘Gott Amor bei jener delifaten
Arbeit zu hel jen. p : x .
Sp regnete e8 plößlich — > pon allen
Gefen und Enden über den entzücten Küraffier, und zwar
oe m —
zu lauter ſolchen Diners, wo font die guai ac pole =
bis zu den —— reichten ae
— Bu einem richtigen Excellenzeſſen in den Sejanbifejafts- =
treijem. fonunt ein junger, jterbi icher Leutnant höchſt ſelten,
und wenn er. zehnmal jeidenes Rockfu ter. trägt! Und —
befamtlid bie Epigendiners ant liebebollſten bon bei Kichen-
-= fchefs ausgearbeitet werden, jo mar cë den Gájar längit febr — :
jchmerzlich, bap er ſtets nur zu ben Empfängen ober Bällen
gewünſcht ward, wofür er ſo herzlich wenig übrig hatte!
seht aß er jo oft mit dem großen vü Hel, daß fem
Tiſchplatz daheim gans berwaifte und jein C übelqurt
— um etliche Löcher. weilergeſchnallt werden. mußte. |
AUnd wem verdantte er all Diejes (| (üd?
Miß Elenor, Der. lieben, netten, famoſen Miß Elenor, —
Inbegriff aller angenehmen Weiblichkeit.
Wenn ein großer Hergenstenner behauptet hat, dieſer b
flopfende Muskel habe mit lyriſchen Empfindungen durch
aus nichts gemein, fondern Der Direftc, jchnurgerade Weg
der Liebe gehe durch den Magen, jo war Leutnant von
Wieders der iprechendite Beweis für diefen Cab.
a, er ftand wirklich im Begriff, fid) in Miß — —
zu verlieben, einesteils, weil fie nicht deutſch prad, - |
was ihm ein großer Vorteil fihien, ber jede häusliche —
Scene, welche ex allen Bejchreibungen nad) hate, in be MO
Keime erftidte, und zweitens, weil fie entfchieden Sinn mu
jür einen guten Tiſch hatte.
> Sa, et liebte: jie und hätte He pileni dud gadai 2 —
ment er oy den Rn Vorwand ju Jenter Bg. —
— 138 —
Gewiſſensentlaſtung gehabt hätte, daß fie ja eine Liebes-
erfldrung in feinen beimatlichen Lauten gar nicht vers
ſtehen würde und barum der Berftändigung ua
| Heirat unmöglich EL ———
. @p mar ber. Winter. vergangen, mb al bie erften
Lerchen ſchwirrten, zerrann die Geſelligkeit der Großſtadt
wie ſchillernde Seifenblafen, die in nichts zerftieben, wenn
ein friſcher Luftzug daherfährt und fie Takt.
Auch bie Damen der amerifaniichen Botjchaft reiiten
ab, um eine Frühjahrsjaifon in London mitzumachen, ——
und als Miß Elenor ihrem ftummen Berehrer zum lebten: —
mal die Hand drüdte und in feme Augen jab, welche
ungeheuer kummervoll dreinichauten, da lächelte fie plöß-
lich ganz geheimnisvoll, neigte fich ganz naf zu ifm hin
und flüfterte: „Muf Uiederfehen!“, was Eberhard i in Diejem
Augenblick ehrlich entzückte, wenngleich es es breit unb
gar nicht melobijd) Hang. |
Gleichviel! — Er machte großen Qrm mit jeinen
Sporen, flappte fie wieder und wieder zufammen und
lächelte: „Oanz. famos! — Auf Wiederfehen, men
gnädiges Fräul ein — im nächften Winter!“ x x
Oh! oh! ina siio ind lächelte Mig Elenor mit
ber geheimnisvoll dramatifchen Steigerung einer Lady
Macbeth und fah Dabei aus, als dächte fie: „Wenn du
ahnteſt, was id) für bid) thie!” — ——
Aber Eberhard ahnte nichts, und jo fchieden fie.
Nefi hatte jhon heimlich triumphiert, daß das verz
ſchworene Cölibat des Bruders wohl demnächft mit einem
9
tante I.
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E
tent:
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Ae di egi
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ub,
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b. éfdifitrutb, SIL. Kor
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— 130 =
Polterabend enden werde, um jo überrafchter war fie,
als das ſchweigſame LiebeSpaar fid) trennte, ohne in ber
Sprache der Sterne oder Blumen das bindende Wort
gerunden zu haben.
yas, WO werde id) denn!” ſchmunzelte Eberhard, yd
wäre ja ganz gegen alle Verabredung. Als ein —
Braͤutigam kann ich doch nicht freien, und wenn Hold—
Amerika mein Ideal bleiben ſoll, wie darf ich es dann
zu Glucking, meinem Hauskreuz, erniedrigen! — — Nein,
heiraten thue ich nicht, trog aller Liebe — aber fobald
als möglich nehme id Urlaub und reife nah Karls⸗
bad!”
Das that er, und Karlsbad machte wicher gut, was
— Glenor mit all ihren Diners gejünbigt hatte.
Das Manbver jorgte auch dafür, bap ner emige =<
Bräutigam nicht viel aus dem Sattel fam, was im Verein
mit kümmerlichen, märtiihen Banernquartieren dazu Del:
trug, bab Cäſars unglücliche Liebe nicht mit Herzver-
fettung endete ; und als bie erften Gchneeflocen wehten
und bie Vifitenequipagen alë Herolde der beginnenden
neuen Gaijon über das Pflajter donnerten, jah Leutnant
von Wieder wirklich jo flant und „‚ätherifch” aus, als
habe er fid) nach der abwejenden Dauerbraut halb zu
Tode gejehnt.
(St war ber erite, welcher feine Karte in ber großen
Alabafterjchale ber amerifanijden Botſchaft niederlegte,
unb es währte aud) faum acht Tage, fo lag, als Revanche,
die elegante, lithographierte Einladung, auf welcher ſich
„Monsieur et madame bie Ehre geben”, auf Eberhards
Schreibtiſch, von Hun umgehend mit Hocherfreuter Sujage
beantwortet.
Die conventionellen Verpflichtungen waren fomit aufs
befte erledigt, und der junge Küraſſier ſchwelgte fo ehr-
fid) im der Vorfreude fonumember Genüffe, dak Refi ihn
mit ganz eigenartigem Lächeln entließ, als der Bruder
fid) verabjchicdete, um Toilette für das ,, Misterdinner" zu
machen.
Sie träumte fdjou von allen möglichen Überrafchungen,
welche ber fommende Tag wohl für fie bringen könne,
und war barum im höchſten Grade überrafcht, ja direkt
erfehroden, als nad) zehn Uhr plöglich bie Flurflingel in
rajenbe Bewegung gejebt ward und wenige 9(ugenblide jpater
| chupa in ben ftillen, behaglichen, Heinen Salon ftitrmte.
Sein rundes, rotmangiges Geſicht ist s; verz
ändert aus.
Entichieden farblofer als. ionit ~ mi einem fuz-
brud bumpfer Verzweiflung und den fichtbaren Spuren
eines dorhergegangenen ungeheuern Schreckens
Die blauen Augen ftarrten noch mit ganz verftörtem
Blid in das angftnolle Geficht ber Schweiter, und der
maſſive Körper jauf wie Blei in den nächſten Seſſel, daß
alle Sprungfedern ächzten
So recht wie eim „geichlagener Mann” jab er aus,
wie er bie Arme fchlaff herniederjinfen und das Haupt —
mit bem hellblonden, furggejdorenen „plc“ - — unend—
lich Häglich auf bie Drill gangar fie.
g*
AQ, Reſi! — Refi — - unt er; oe eine bere
flirte Überrafchung!“ nn
„üm alles in ber Welt, was ift pit? |
„Alles ijt aus, alles! l.
„Was ijt aus? — Sond! — Wngftige mid) nicht!”
Aber Refi lachte doch ſchon bei den legten Worten, denn
dem ganzen Wejen des Bruders jab fie e8 an, daß er
im Galgenhumor cinen Kummer erheichelte, Bi fein
thatjächlicher Schicjalsjchlag war.
Daß ihr Bruder einem foldjen ganz anders, wie ein
junger Nordlanprieje, gegenüberjtand, wußte fie aus
mancherlei Erfahrungen.
„Die ſchönen Diners, die jchönen Tänze! — ad)
meine Ruh’ ijt hin — — Herz ijt ſchwer — meine
ſchönen, friedlich- tien Bagel" x
Menſch — bu Hajt Did) verlobt!
„Der Ehelofigfeit — ja! — ber ewigen Liebe —
aber mit Der ijt'ó aus! — für immer aus! — für immer
aus, meine Liebe ijt vorbei, für alle Emigfeit mein Sdeal
geritbrt."
„Senn id) nicht wüßte, daß eS unmöglich ware,
würde id) jagen, bu haft dich mit Mik Elenor gegantt!^
Da jprang er auf mie ein gereigter Löwe und grub
bie wohlgepflegten Singernägel i in pem bellbionben Plüſch.
Nicht möglich! Adh, das ijt’ ja eben, dieſe Sn-
fame! Und ſiehſt bu — meines Hauſes ſtiller Frieden
iſt zerftört auf munerbar — —“
Take un lap mal bas Detlamieren und jage, was [os itt
ecd ws
Da jauf er wie gebrochen auf ben Ceffel zurüd:
„Sie hat Deutich gelernt!” — fprach er bump.
Refi brach in ein fallende Gelächter aus. —
„Das ijt allerdings + Das i grrobrgt
rücjichtslos !^
„Nicht wahr, das ijt e8? Und dente bie mie heim⸗
titckifch fie mir den Schreck auf den leeren Magen bel:
bringt! Grit — bei ber Begrüßung, da lächelt unb
ſchweigt fie mod) ganz mie fonft, Dat aber ſchon jo etwas ——
Strahlendes im Geſicht, und Botſchafters desgleichen, fie —
jehen mich affe jo gerührt unb herginnig teilnehmend an,
- . baj ich [don dachte, ich Hätte mir irgendwo eine Naht —
2 -— — anfgeplagt! — — Und num gehts gu Tiſch, und id) mill —
~ gerade gum Löffel fafjen umb mache der Elenor einen
: — .- Diener fage ,please" — als fie mid) pliblic) anlacht
“und wie ein Wafferfall lostlüderte: ‚So! — eigentlich
jagte He: ‚au: — aber jo was Unäfthetiiches mag ich
gar nicht wiederholen! — alfo fie fagte: ,Sau, meine
liebe Herr van lliber8 — nau Cie follen haben bejjere
Vergniegen! Bishär mir aben gejprecht für gar nid) —
aber naun id) Duabe gelernt Sie zu Liebe das Deitiche
Sprachen, unb naun uir werben haulen alles nach und
rüben bie ganzen Dinner mu — gu id) verjtehe jede
Hort 1
Weißt bu, Refi — id Dente, mid foll gleich einer
aus bem Boologiden Garten frifieren! Und mein Ge-
ſicht hat wohl dementſprechend ausgejehen, denn bie Mif;
lachte laut auf und freute fich, wie uondervoll® ihre
— 134 —
0 Überrafchung geglüct fet! Ach, Nefi — uud mun hättet —
Dut hören follen, wie das Geplapper logging! - d habe —
noch nie ein Frauenzimmer fennen gelernt, welches foviel —
fpricht und ſoviel geantwortet haben will! Von Effen —
und Trinfen gar feine Rede mehr, mit all dev früheren Au
merffamteit, mit doppelt Servieren erft recht Eifig! Sie
ärgert fich, wenn id) effe, anftatt ihr den Hof zu machen!”
Refi lag in der Sofaede unb lachte Thränen, bis [ie
jah, dak e8 bem fchwergeprüften Eberhard bod) Fer
babet zu Mut war, als fie dachte.
,9unt wird fie und bie anderen erwarten, dap ich i
—Deirate!^ ftöhnte er.
,Sberfarb — liebft bu fie? 1^
Gr jubr entjebt empor. ,,Gott bemabre mid! Eo-
(ange fie fchwieg unb mich effen lick, ba liebte ich fie
als Sbeal, jebt, wo fle mid) zu Tode hungrig repet, grengt
mein Gefühl an Ingrimm unb Haß!“
„Wehe, dreimal wehe!”
ej — rette mich!”
gern, auch ohne Auſpruch auf Die Medaille zu
s machen. Seg dich hin unb reiche einen längeren Urlaub
für Stalien ein, deine Geſundheit ift ſtark au gegriffen!”
Eberhard nifte. „Das wäre ein Cedante! Man
geht zur Not ein Jahr à la suite” |
you fiehft bir Land und Sie an, iuh menm bu
— Beimfommit, ift Mig Elenor hoffentlich anderweit ver-
geben. Nun fie deutſch jpricht, wird e3 nicht an Freiern
fehlen.” — Ce
Cherhard reichte ber Schweſter tiefaufatmend die
Hand. „Schön gejagt, Nefi, du bijt ein WMordsmadel ^
Leutnant von Wieders ging ein Jahr à la suite,
und als dag Jahr abgelaufen war, erhielt er feine Neu-
einrangierung in ein anderes Küraffierregiment in der _
Proving. Er hatte eS zuvor gewußt und ging gern in
die behagliche, fleine Garnijon, denn der Trubel der Ñx
Reſidenz mit ihren ungeheuren Anfprüchen an bie ges
felligen Talente der jungen Difiziere Hatte ihn nie fo
recht gugejagt. |
Nefi ward em wenig bla, als fie die Verjebung -
erfuhr and der Bruder energisch darauf beftand, Tante
Quinta) und Refi follten ihm folgen und ihm eine
- figene, ‚gemütliche Häuslichfeit gründen. Das Gafthans-
leben haſſe er, er fet ein geborener Haushammel unb ——
verlange jeine Behaglichkeit. Cie nidte. G3 mar gut ——
fo. Da hieß eS jcheiden, unb Kronftadt ftaub zum lebten ——
mal vor Refi und drüdte ihr die san Sie lächelte
ihm zu.
Auf Wiederfehen!” und er. jeujate mit pibenn
Blid, „ja id) tomme Ihnen nad)!
Die Sürajfiere aber beklagten ben Abſchied der a
mentstante aufs Ditterjte.
A it Tanggegogeuen Tönen verhallte das Retraite:
am und Die Küraſſiere, welche in weißer
Drelljacke plaudernd in den Straßen herum—
aditibo oder auf den breiten grüngeſtrichenen Bänken
vor bem Düulern gejeifen, bie Pfeife rauchend oder mit
den ſchmucken Bürgertöchtern idjarmierenb, ſchüttelten hier
und Dorf zum „Gute Nacht“ die Hände und zogen fich
in ihre Quartiere zurück x
Dort trug ein galanter Jünger des Wars noch flint
bie ſchwexen Waffereimer vom Brummen nad) ber Thür
jenes Echabes, bier jpielte emer jchnell noch fein Etüd-
‚chen auf der Harmonita herunter, jener framte eifrig fein
Putzzeng zufanmen, nod) zum legtenmal für Diefen Tag
auf Echmirgel, Blau» und Bimſtein fehimpfend, und
Diefer DeDute fid) gähnend und jang den alten. Reim zu
...bem Signal, welches noch einmal mie cin melodijches
d: Ede aus jerneren Straßen herüber] Ihallte:
— Gin Seder geh in fein Quartier
Und jdjieb den Riegel vor ble MU
Arara! Trara! rara! —
|
2i
|
A es TT,
a
Ẹ
— 438 —
Und dann ibam. bie Colbatc&fa aus bem Nahınen
bes Heinftadtifchen Bildes, e8 ward Stiller auf ben Straßen
und dem fauggeltredten Marltplatz mit dem altertümlichen
Stündehaus, den verjchiedenen Kürien und dem Dom,
welcher, von zwei ftattlidjen Türmen gekrönt, feine Front
nad) dem Blak, welchen er auch den Namen gab, vor:
ſchob, während fid) feine weitläufigen Baulichfeiten bem
alten Schloß anreihten, in deffen verlaffenen Galen und
ehemaligen Bruntgemächern das Landgericht. feinen Sit
gefunden hatte. x
Malerifch, auf partartig Eemalbieker Anhöhe gelegen,
präjentierte fid) ber. ‚herrliche, uralte Schloßbau mit all
feinen Türmen und Türmen unvergleichlich ſchön und
intereſſant, während. d Jeinen Füßen mit. ſchdumend
hellen Waſſern ein Fuh vorüberftrömte, ben © Schloßberg
mit feinem grau verwitterten Gemäuer fpiegelnd wie ein
Märchenbild, bis bie Wellen Ichäumend ein breites Wehr
| herabjtürzten unb in fraufen Strudeln weiterfchoffen durch
blumige Wiefen und üppige gib, weithin durch flaches
Land.
Maiſenburg hatte teine fandjchaftlichen Neize, außer
feinem Schloß und Dom auch feine Sehensiwiirdigfeiten, |
. aber e8 war eine jaubere, hübiche Stadt, juft auf ber
Scheide zwifchen Groß und Kleinſtadt ftehend, mit vieler:
fei altfränfiichem Beiwerk und lÜberbleibfel aus einer
geit, wo nod) der Bopf im Wappen bon Krähwinkel
baumelte, andererfeit3 durch das flotte Ravallerieregiment
und dag Landgericht poliert 1 amb zugeſtutzt, und friſch
— HR
emporblühend und fid) ausbefnenb, je mehr penfiouicrte —
- Generäle und Stabsoffiziere, Gerichtsräte und Domberren
fid) in feinen Mauern zur Ruhe fester. —
Bu dem Bau einer Kaſerne hatte fid) Maifenburg
aber immer nod) nicht aufgejchwungen, und da nur etliche
Schwadronen m einem alten Kloſterbau untergebracht
werden fonnten, mußte der Neft ber Mannfchaften Bürger:
quartiere beziehen, was bem Straßenleben, namentlich —
dem abendlichen, diejes Stadtviertels einen ungewohnt
ſpießbürgerlichen, wenn auch gei Sharatter
verlieh.
Und 5 ftanb aud) jebt bo Mond am Himmel und
blickte friedlich auf bie ftillen Gaſſen Bernieber, wo Eleine,
hellgeftrichene Kachwerfhäufer, unterbrochen von laufchigen
Gartchen und großen Hojthoren, fid) aneinanderreihten,
bis plöglich ein moderner, Bodjtódiger Bau bie Linie
unterbrach, immer öfter und aufdringlicher wiederfehrend,
je mehr man jid) bem Centrum der Stadt näherte, wo
bie Straßen eng und winflig wurden, wo Schaufeniter,
hinter welchen recht rejpeftabfe Dinge pruntten, ihren
Glanz auf bie ſchmalen Zrottoirs warfen, und die
Paffanten jid) zufammendräugten, daß den Vätern Der
Stadt vor Genugthuung die ‚Herzen. jchwellten unb fie
tiefer und anDdachisvoller atmeten, weil hier underfennbar
Großſtadtluft wehte —
In der Nähe des Schloßgartens und nach dem Bahn—
hof zu wuchſen die Villen aus der Erde, und das ae
iellfchaftliche Leben trieb von Winter zu Winter üppigere
—
Blüten, p hab dem —— gen einzigen Lohndiener fehon
eine ftattliche Bahl von Konkurrenten erwachſen war
So war M aijenburg ein Gemiſch von Alt und Modern,
von Groß und Klein geworden, mit Gasbeleuchtung, -
| &ommertfeater, Scheibenfchiegen, Bregeljungen und hol:
prigem PBflafter, dort mit Delifategladen und bie grüne
Gartenbänten vor ber Hausthir, mit jdmabenben Magden
am Brunnen und eleganten Squipagen, mit Bürgern,
welche abends, das Seberfüppd)en auf dem Sr, ihr
Pfeifchen vor bem Haufe Ichmauchten, unb bligblanfen - —
Kiüraffteroffizieren and ſchönen Modedamen zu Roß und
zu Fuß! —
Auf dem Trottoir raſſelte ein Säbel.
Cine marfige, etwas zur Fülle neigenbe Seftalt im
— Offizierspaletot ſchritt eilig durch ben frühdänmerigen,
fübl en Herbitabend und öffnete die rundgewölbte, alter-
tümliche Hausthiir einer Der langgeitredten, vielfenftrigen
Kurien am Domplag, welche als geräumige und bequeme
Familienvohnungen febr gern. gemiethet wurden.
Außerlich wie innerlich machten fie den Eindruck alt-
hervihattticher Haujer, nicht mit modernem Confort aus-
geltattet, aber durch wahre Granitmauern und mächtig
große, wohnliche Zimmer und Sale pir allen Tn
Luxus entichädigend. |
Cine große Hangelampe brannte in bem geroilbter
Hausflur und warf ihr Licht in das Antlitz des foeben
eintretenden Offiziers Eberhard von Wieders. —
Das runde, frifchrote Geficht war älter geworden und
ee dul e
eim fleiner, noch immer bürjtiger Schnurrbart bedte die °
— Sippe, dennoch ja ber Rittmeiſter erjter Kaffe bem |
o blutjungen Leutnant von ehemals immer a ee
CORB. —Ñ
Gr hatte Hd vortreffl ij Bleiben — — mb |
| Phlegma find qute Mittel gegen das Altwerden, nur die
Figur verriet die Jahre, welde mit vielen Diners pn
Coupers über fie hingezogen waren. | x
Aber auch dafür gab es ein Karlsbad und s diſſingen,
und Herr von Wieders fonnte mit voller Zuf friedenheit
deren gute Wirkung bejtätigen, denn wenn er auch das
Doppeltinn und bie 199 Pfund nit ableugnen fonnte, -
jo war von einem Majorsbäuchlein doch noch feine Rede, = = > |
obwohl ber Rittmeiſter nah, jebr nahe ihon c m diee —
Würde herangerücdt war. —
Seine Größe und Breitfchultrigfeit Derteugen (id Me e
veoh mit einer gewiffen Fülle, und bie Uniform that
ebenfalls das Ihre, den Cäsar redivivus zu einer redt 2 `
anjefuliden, angenehmen und vielbegelyrten Erſche mg
zu machen!
OU, Die Uniform! x
Etlichentale, wenn Sonnenhiße und Grerzierplatftaub
gar zu grob gefommen waren, hatte Herr von Wieder ——
Den ingrimmigen Entſchluß gefaßt, die ganze glänzende
Herrlichkeit mm endlich an den Nagel au hängen und zu
fehen, ie Majeltät und feine glorreiche Armee wohl
ohne den Nittmeijter von Wieders fertig werden würden.
Wozu hatte er fein miuhjam ererbtes Gut mit allen
— 142 —
Rebeniien, wenn er e8 fid) nicht im Schatten ber büterz
tichet Schlogmauern wohl fein laffen folte? —
Aber!! — Ba, wenn fein Blid dann auf den Säbel
— den lieben, treuen Gabel — und den Rod und Helm
— und last not least auf die Refi fiel, — dann fpribte
er bie Feder, welche er bereits zum Abſchiedsgeſuch eim-
‚getaucht hatte, energijch wieder aus, ftand auf, verjenkte die
Hände pfeifend in bie Hofenta] mes und jagte jid) fehr
entjchieden und febr richtig: „Nein — ich darf e3 weder
Majeltät — noch mir, noch ber Reji anthun! —
Mich fónnte das Regiment ja zur Not entbehren,
denn ein Nittmeifter ijt fein unicum, fondern fann er-
fegt werden, — dag ‚wie‘ ijt in biejem alle allerdings
eine andere rage! — Uber bie Refi tann das Regiment
nicht entbehren, denn eine Negimentstante ijt und bleibt
eine Abnormität, welche nie wieder zu finden ift, menig-
— nicht mit ſolch Iüperben Qualitäten, wie unjere
Refi fie bat! —
Habe neulich erit Die Conduite ae welche fud ;
Offizierkorps ihr ausgeftellt hat, — großartig, einfach
groBartig! — Die ,Gejfreiten‘tndpje haben fie ihr jhon
längſt verliehen, gum Zeichen, dak das ganze Regiment
fie feierlich{t ‚gefreit‘ und fid) mit ber geliebten Tante
für ewige Zeiten in Luft und Leid verbunden habe, — |
na — und went fie erft bie fünfundzwanzig Dienf itjabre
boll hat, geben fie ifr ficherlid) aud) das Sienftfreus! -
Lang ijf$ ja nicht mehr bis dahin, alfo muß ich ion
um ber Refi willen aushalten, denn mein brave? Altes
as S
berdient eS, beforiert au werden, fie hat e3 fid) wirklich
| a im Dienſt fürs Vaterland ſauer werden laſſen!
Du Grundgütiger! Wenn ich bedenfe, was das
foriche Srauenzimmer nicht alles für Gutes geitijtet hat!” c.
— Faktiſch, ich tenne nun fon vier tüchtige, hervor —
ragende Difiziere, welche dem Paterland- us erhalten — —
wären, wenn die Refi nicht gemejen wäre! ;
-S hieß e8: Die leichtfinnigen Bengels gehen dod
um bie Cele! Bei denen ift Hopfen und Malz verloren!
— Und fie wären auch jamtlich an Bagatellen geicheitert
und pflanzten jest wohl im Staate Nebrasfa Ririh-
bäume, wenn bie madere, pflichtgetreue
nicht den Daumen aufgedrückt hatte! —
Und wie berítebt fie das! — Hat fie alle am.
Bandel, Die jungen Schlingels, ohne daß fie e mur
merfen!
na, bie bier Dat fie bor bem gebrochenen Hals bez
wart, und nun füllen fie ihre Stellungen aus wie das
Donnerwetter, der Grunding fogar in ben Generaljtab
gefommen! — Und die armen Eltern vor Herzeleid und
das Regiment vor einem Ser und viel Ärger behütet
— und dem Raijer vier famoje, blaue Jungens er-
halten! — |
Biere! Eigentlich muğ ich mich als fünften rechnen,
denn daß id) noch Für's Vaterland ſchwitze, das ijt im
Grunde genommen aud) nur Reſis Berbienjt - — weil fie
gurebet, zu bleiben!
Und recht bat fie, — recht wie immer. 34 verftafe
= eem
nichts von Landwirtſchaft, ich würde thatenlos auf ber
Vater Sofa figen und die Hände in den Cdjop legen. DR
— Wen fein Oberft mit einem Anfchnauzer dahinter
fibt, arbeitet ja der Menſch nicht, — und Refi fagt,
ohne bie viele förperliche Bewegung würde mir das een
nicht mehr jchmeden, — na — und Davor ſoll mid) Gott a
bewahren —! ‚Was ift dad Leben ohne Bratenduft?
— Sd) werf e$ Din, wenn fein Gehalt entichwunden!“
= me Ja, fie hat recht, bie Refi, jo eine fene Attacke
reiten, macht. Appetit, — und in Wiedershagen habe ich
nidjt8 au attadieren! — Ergo — id thue meinem Raijer |
DaS Herzeleid nod) nicht an, bie dritte Esfadron als
vaterloje Waiſe im Stich zu lajjen; id) bleibe,“ x
— Und er war geblieben, wohlgemut, gut gelaunt
und vergnügt, wenn er ſatt war, — und weltſchmerzlich
elegifch, wenn dag verdeiwelte Ererzieren mit jeiner Früh—
{tiidsitunbde farambolierte! — Er war geblieben, mit Gott
für König und Vaterland! — is aur felbigen Stunde, —
wo er eben Daftiger und ungebulbiger wie je, — ja et=
ſichtlich aufgeregt die Kurie betrat, um jübelflirvend bie
breite, gebräunte Holztteppe nach dem Salon feiner :
Schweſter emporzuſtürmen —
Die Klingel der Hausthür hatte den Diener Berbeie 0 ue
gerufen, — Eberhard warf ifm ben Raletot zu, hing —
den Gabel am ein Kletderre und trat ein,
Moja Schleier dämpiten das Licht ber Tifchlampe, -
deren jd)fanie Glode mie eine phantaftifche Blüte aus
der broncenen Blatierfrone einer Palme jtieg.
10
Die Negimentöstantel.
WV. v.Gidftrutb, 30. Rom. u. Nop,
= dddg n
Refi fa mit geneigtem Haupt und ftudierte eifrig ein
befchriebenes Heft, welches vor ihr auf ber golömarkierten
Ebenholzplatte lag. Elegant, behaglich bis zur Zraulidjz
feit war ‘Der Salon mit feinen zierlih geihmadvollen
Möbeln, feinen weichen Teppichen, Portieren, Degen,
Kiffen und laufchigen Plaubderedichen, mit ben ſchönen
Gemälden und gold- und Eryftallgligernden Armleuchtern,
SBoftamenten und Schauftücen an den Wänden, auf Kon:
folen, auf Tiſchchen und Ctagéren. .
Blumen dufteten, Uhren tidten, Vögel flatterten im
Käfig, und über allem lag ein jo warmer, garter Hauch,
als ob nur lichte, fröhliche Geifter burdj dieje Räume
ichwebten, ala ob nur ber feine Ginn einer fiebenswerten
unb edlen Franenfeele hier waltete! —
— Und wie ihre Umgebung, jo bie Eigentümerin felbjt.
Die lange Reihe von Jahren war an Refi nicht ganz
fo [purío8 vorübergegangen, wie an dem Bruder. Sie
hatte ftet3 älter ausgefchen als wie fie war, jebt trat
Diejer Zug noch fchärfer hervor, — erhöht burd) bie
etwas altmodijche Friſur mit den gewellten Scheiteln und
dem dicken Zopf, welcher das Oberhaupt und den oU
kopf ſchier turbanartig umgab.
| Die Figur mar nod) voller geworden, etwas untere
etzt und frauenhaft impofant, tadellos gefleidet, gumeijt
in fchwerjeidene Stoffe dunkler Farbe, ſtahlgrau, braun,
rejeda= ober pflaumjarbig mit feujden, weißen Cpiben
am Hals und Händen, und Schmuditüden, welche foftbar
und ehrwürdig, aber durchaus nicht modern waren.
— 147 —
Cine meibijde Gegnerin behauptete, Fraulein von
Wieder putriere etwas, um möglichit tantenfaft drein-
zuſchauen und durch ein vertrauenerwedendes Mugere ihre
bod) etwas originelle Stellung als Regimentstante zu
unterftügen. Gie hatte Refi nicht zuvor gefannt und gez
hörte zu den engherzigen und mißgünftigen Naturen,
welche der Eigenart ihrer Mitmenfchen nie gerecht werden,
jondern diejelbe auch in ihrer ae loan
anfeinden und läjtern!
Nichts war Refis Charakter — alè Schein; jo
ehrlich, fo gradaus und aufrichtig wie fie dachte und
empfand, gab fie fic) auch, und wenn fie jebroebe Kuuſt
verjchmähte, ihrem äußeren Menjchen durch fofette
Mittelchen zu Hilfe zu fommen, fo gejchah e3 nur, weil
fie viel zu anjpruchslos, zu befcheiden und vernünftig
war, um fid ber Reihe jener alternden Damen einzus
fügen, welche durch frampfhaftes Jugendlichjein ſich
lächerlich machen unb Die 7 Spottt Der —
herausfordern. |
Refi hatte ala junges Mädchen feine een
gemacht, fic) und andere über ihre Haplidfert zu
täufchen, wieviel. weniger jebt, mp fie fid) ihrer Jahre fo
voll bewußt war, wo fein felbtfüchtiger Gebanfe an
[prijdje Eroberungen mehr in ihr lebte, wo fie jo. glüd-
~ lid, jo von Herzen banfbar war für bie reizende, bez
friedigende Stellung, welche fie einnahm, für ihren Wire
fungSfrets, für all bie ehrliche, warme ` amb
Freundſchaft, eps ibr en würdel =
10% pue
— 48
Und diefe glüdjelige Zufriedenheit, Nächitenliebe und
Herzensgüte leuchteten aus ihren Augen und verflärten
das Geficht mit einer Milde und jdjaltfaftem Heiterkeit,
daß eS fein Wunder mar, wenn ihr bie pergen LEE
unb bet ihr blieben. — —
Cie war jo fehr in ihre Qettüre — daß fie
erft. aufſchaute, als ſich die hinter dem Rittmeiſter
ſchloß —
Sie ſtreckte ihm lächelnd die Hand entgegen.
| „Shon zurück, Cäjarchen? So außergewöhnlich
früh? — Sit der Oberſt franf, daß ifr in ber ‚Sonne‘
ſchon Feierabend machen durftet?!“ —
Wieders zuckte verſchmißt bie Achſeln — „Sch gelte
> ja zeitwweife für ‚halb verheiratet‘, weil bu mir hilfſt
ein Haus zu machen, Darum darf ic) mid) manchmal |
< eim bischen früher brüden, mie bie anderen Schladt- -
| opiat E :
„Und was trieb Dich 6 beim? — oder Sehn⸗
ſucht?“ — ſcherzte ſein Gegenüber. |
Eberhard jab aus wie ein Menjch, welcher etwas
ganz Geheimnisvolles im Schilde führt, aber nod) damit
hinter dem Berge halt, um die Vorfreude deito länger
und behaglicher auskoſten zu fünnen.
. Er nahm in einem Gejjel zur Seite der Schwerter
Blak umb rieb fich bie Hände,
„Hm — das möchteft bu wohl mijjeu! — Vielleicht
war e3 Neugierde, zu willen, was für eine jeltjame Qef- `
türe Du hier im Manujeript durchſchmökerſt!“ x
= 149 —
Refi legte bie Hand auf das Heft. „Wenn du
verſchwiegen bijt, unb den betreffenden Autor nicht umn
glücklich machen willit, fage id) e8 bir vielleicht!” —
,Sonnuermetter! Refi, id) bin doch eiu ditate
Kerl! — Sind’s lyrijde Ergüſſe?“ — |
„Das weniger! Sieh her — und bleibe deiner
Sinne Meister, — die Winterarbeit unjeres na
Babys!“ —
Potz Blig! Niebelanbs Winterarbeit? — - Rel —
wie kommſt du Dazu?!” — |
s Sräulein pon Wieders sielidecte mit bei Ungen, „Ita,
Cäjar, bu jagit ja, bap bu ein anjtändiger Charakter
bijt und deine Zeutnants nicht reinlappit! — Ajo höre!
Geftern bei Werners jd)üitete mir der fleine Niebeland,
unfer jüngiter Leutnant, fein ſchwer bedrängtes Herz aus!
Gr muß eine Winterarbeit liefern und . . . na fieh mal,
der Kleine ift ein prächtiger, lieber, eleganter Menjch,
aber ein Schriftgelehrter ijt er gerade nicht, und bie Haus-
lefverergiehung hängt ifm nod) in allen Eden und Enden
an! — Nun hangt und bangt er in fchwebender Pein, —
ob fein Schriftſtück hier aud) all den fchauerlich ſchweren
Anforderungen der Orthographie unb Anterpunftion ge-
recht geworden, und weil e8 ifm peinlich ift, fid) ben
älteren Kameraden anzuvertrauen und er Doch anderer:
jeit auch die Sritif der Vorgejegten fürchtet, flüchtete er
fid) zu dem Madden für Alles, der Regimentstante —
und bat mich, ganz à discrétion — das Opus doch eine
mal burdjju(ejeu! — ———
xui t50 =
Eberhard lachte laut auf! . „Das ift ja einen Thaler
wert! Wozu dod) jo eine Negimentstante alles niite
it! — Na, Herr Reftor — wie viel Bide haben Cie ——
denn dem Kleinen ſchon rot angejtridjen? I”
„a — Gottlob — die Cade tjt recht sine. a6
tellend! Ein paar Mommas hat er gejpart, aber jouit
ijt er auf bem beiten Wege, fid) nod) al8 homme de
lettres auszubilden! Das Gefühl der Unficherheit ijt
größer geivejen mie bie Unficherheit felbft, — du liebe
— . Beit, [old) ein junges Buürſchchen, welches bisher bei jedem
Schreibebrief den Gouverneur neben ſich hatte! — für
ihn iſt die Regimentstante wirklich noch unentbehrlich ! | —
„Und bod) hört er [don im den nächſten Tagen auf,
ber Süngjte zu fein! — Der Slapperitord) aus bem |
Militärkabinett ichleppt: uns {con wieder ein ſtrategiſches
Widelfind ran!“
Ah — neuer Zuwachs? — Das ift ja nett. Wie
heißt bas Baby?” —
„Ein Graf Lichtenberg ! Wird direkt aus der Rinder-
tube von Groß-Lichterfelde. importiert! ia
„Bie? Kai Lichtenberg? — Der Neffe ber Gräfin
. Sofern, mit welder ich vor zwei Jahren in Gajtei
zufammentraf? Das freut mich ja gang bejonders! Und
Niebeland hat mim ſchon einen ‚Hintermann! ame,
wie wird er jtolz jem!” —
Eberhards Blick ſtreifte von unten herauf das heitere
Geſicht ber Schweiter. Gs p gie ein — um ſeine
vollen Lippen.
wes 151 —
„Es gibt noch mehr Veränderungen in unjerm Regi-
ment!” fagte er madjbrüdlid). „Der Obert hat birette :
telegraphifche Nachrichten befommen — |
„5! — Grunert hat ein Regiment befommen?!“
Refi blidte fehr lebhaft und freudig erregt auf.
Der Nittmeifter nidte. „Die Hufaren in M.! Nettes
Regiment, freut fid) folojjal! — Mber für uns Bech!
Von den paar wenigen verheirateten Kameraden, bie mir
haben, wird einer nun noch megverjebt!^ -
„Ei — der Nachfolger ijt vielleicht auch verheiratet?
Als (Ftat&müfiger font er Ja jdon ermadjene Töchter
mitbringen!“
Eberhard jchüttelte jchmungelnd den Kopf. „Nein,
wieder ein Junggejclle! Die Ernennung ijt and ihon
heraus!” = vus
Refi schlug lachend Die Hände zufammen. „Wieder
ein Unverheirateter! Ei bu liebe Beit, das ijt ja eim
wahres Verhängnis! Bor adt Wochen einen Jung-
gejellen zum Dberft — nun wieder einen ſolchen als
Etatsmäßigen — ja, ba fann man es der Welt nicht
übelnehmen, wenn fie euch das Regiment der Dane
nennt! — Wer fonımt denn her?” —
„Rate mal!“
35°... . Raten? — Die Ranglifte durdhraten?
Du bijt nicht recht geicheit!” —
Bielleicht fommft du bod) daranf! — Es ijt ein ehe-
maliger jebr guter Befannter von unë aus ber Refideng —
Fräulein von Wieders richtete fic) langjam auf.
1459 a
Sore Augen öffneten Nic) weit und ” Lippen bebten —
unmerflic.
„Solte eB... aber nein... :
(Sberfarb hatte fie Rope ee er fprang plöß:
lid) auf und legte lachend den Arm um fie: „Ewige
Braut — dein Jdeal tritt an!“ rief er übermüttg.
,Sronitabt ijt als Ginjdjub ins Regiment gefommen! —
Und fiebit bu, mie ich ba8 eben an unjerem Tiſch in ber
‚Sonne‘ hörte, da hielt e$ mid) nicht länger, jelbjt
auf bie Ungnade des Oberft Hin, melcher ja, wie du
weißt, bis in bie Puppen bei Tiſche figt — mußte id)
heim und dir diefe famoje Ten berichten! Na, Altes,
freuft bu bid?" —
Einen Augenblid wechjelten Nöte und Dläffe auf Relig
Angeficht, aber fie hatte e8 im Leben gelernt, fid) zu bez
Derrjdjen und verfiel nicht in den lächerlichen und alt-
jungferliden Fehler, bei ber Heinjten Uberrajdung ober
Erregung Herzträmpfe zu befommen! |
Sie freute fid) von Herzen und befannte bieje Freude
auch ehrlich und unummunden. Einen alten Freund wieder:
zuſehen ift ftet3 eine frohe und bealüdenbe Thatjache, und
wenn Diejer Freund in ihrem Herzen auch unverändert die
Stellung eines Ideals einnahm und als erite und einzige
Liebe darin herrſchte, jo war doch biejcá Gefühl fo ge-
flart und geläutert und [o bar aller Sentimentalitäten,
dag Refi ohne Heuchelei wohl auh von fih behaupten
fonnte: Ich tann ibn en fommen und ruhig gehen
ſehen!“ —
— {53 —
Sa, mit rubigem Herzen, ohne falſche Jllufionen und
thörichte Hoffnungen, aber froh und beglückt, heiter und
guter Dinge, jo wie bie ehrbar alte Negimenistante bic
Hände zum Willfommen entgegenjtredt! —
Und jo jprad) fie ihre Freude aus und Eberhard zog —
Ihmunzelnd eine Depejche aus der Tafche und hielt fie
ihr hin: „Da hat er jid) gleich auf unjere alten Bezie-
hungen berufen und bittet mid), Quartier für ihn gu
machen! Weißt du, Neji, mir ijt ein guter Gedante gez
fommen. Die Junggejellemvohnungen mit Stallung für
3—4 Pferde find jest verteufelt tnapp hier geworden!
Grunert3 ganze Billa fann der Ginjieblerfreb8 unmöglich
gebrauchen, und eine andere hübjche und pajjenbe Woh-
nung ijt momentan weder für Geld mod) für gute Worte
zu haben. Da dadjte ich, Kronjtadt befommt meine
jebige Wohnung in ber Unteraltenburg — und td) ziehe
hierher zu euch im den Erfer oben. Unten die beiden
Zimmer redjtà vom Flur benußeft bu ja dod nur als
Bindfadenftuben, da fann id) mein Arbeitzzelt und Rauch⸗
fabinett aufichlagen, und oben das große Erferzimmer
wird aí8 meine Schlafitube frifiert! Wozu drei Logier⸗
räume, eë fommt ja doch fein Menſch; höchſtens mal
eine durchreifende Goujine, na — unb für bie reichen
zwei Bimmer mit vier Betten aud) aus! — Pierdejtall —
und Wagenremife ijt ba und wird ja bod) nicht von
euch benugt — aljo — ich folage vor, wir helfen dem
Kronftadt auf dieje Meile unter Dah in sad. Tante
Auguste Hat ficher nichts dagegen! Die hörrs ja gar
— 151 —
nicht, wenn mein. Scherasmin mal die — — m
amphi” — =
Refi war ganz — und p geier iib —
für bie Neuerung, ja fie nahm es als ganz felbitverjtänd- —
lid) an, daß ihr als vereidigter Negimentstante bie Ber-
pflichtung zufalle, Rronftadt beim Umzug behilfl ich zu
fein und ihm die neue Wohnung fier einzurichten. „Sa,
das thu bu, Altes!“ — midte Eberhard. „Bir. ewig
Männliches verjtehen ja von dergleichen Dingen dod)
nicht, und du haft die Gejchichte famos 'rau8! —
Niebeland ſchwärmt ja in allen Tonarten, wie prattijd)
und reizend Du ihm fein Neft ausgepolftert hättejt, und
wie neulich feine Mutter mal hier war, fonnte fie bir
ja aud) gar nicht genug des Dantes jagen! — Mjo id)
Schreibe Sronjtabt, um den Umzugszauber brauche er
fid bier gar nicht zu fiimmern, bu würdeft ibm | ion
feine — fteben a fejtnageln, hättejt fon Übung
~ E
Refi jüttelte immer wieder finnend den Kopf. „M3
Etatsmäßiger fonunt er her? — Sa, mie ift das nur
möglich? — Go febr viel älter wie bu war er bod gar
niht! —
Der Nittmeifter auctte die 9[djelu. „Sa, bie Merle
mit ben echauffierten Waden haben eS immer ein bischen
eiliger wie unjereing” — —
„Kerle mit echauffierten Baden? Refi rip erjtaunt
bie Augen auf,
Sa ja — das find bie Generaljtäbler mit ihren
himbeerfarbenen Beinen! — Sehen He etwa nicht aus, ala
ob fie ihre Unterthanen hölliſch ſtrapaziert hätten mit
all bent Slettern und Springen? — — Na, und Kron⸗
ftadt hat ja auh lange genug in ber großen Dude gee a
arbeitet ^^ — Ir)
Fräulein von Wieders lachte ſchallend cuf: PED
haft ein unglaubliches Mundwerk, Cäfar, und deine
bilderreiche Sprache get in das Genre des ganz Wro-
Dernen!” —
„Dan muß mit ber Beit fortjchreiten! Und Tante
Auguſte? — Wo ftedt fie eigentlich?” — —— —
Refi jeufzte. „Sie blieb in ihrem Zimmer und flagt
wieder jehr. Mir deucht, ihr Ohrenleiden nimmt von
Tag zu Tag zu, faum, daß fie noch veriteht, wenn man
ihr bie Worte mit aller Kraft der Lungen in das Ohr
ichreit! Und bod) verlangt fie immer Unterhaltung und
ihimpft, wenn die Menjchen fie nicht befuchen! Wer
mag aber noch jebt gu ihr fommen, um fih Heijer zu
idreien und obendrein ihre ſchlechte Laune zu ertragen?
Die beiden Fräulein von Tauberts waren mod) die-
jenigen, welche am meijten famen, aber feit fie das lebte.
Mal die Armen jo fehr franfte —" x
,— Rranfte? Ich wollte Schon immer — was
an fid bie alten Gchachteln gar nicht mehr bliden
fallen?!" —
„Du fenn{t den Vorfall wohl gar nit?” —
„eine Ahnung! — Schieß mal los!“ — Und die
Hände in die Tafchen feines Beinkleides perjeuft, man:
I0 DM 67
derte ber pes mit großen u im Saon qw
.— und nieder.
Refi lehnte fich in ihren Gefjel — a datte,
„Man hat der armen bo Unrecht gapan, jie war
diesmal unjuldig — —— |
„Ra, na 11^ — ee
„Wirklich, fie war ebl ber bie Tauberts laffen fid)
leider nicht davon überzeugen! Du weikt ja, wie miß-
trauiſch und leicht verlegt die jechs alten Schwejtern find — —
„Seh alte, unverheiratete Echweitern, welche zu-
jammen in einem Häuschen wohnen —! Heiliges Linfs-
ichwenft, man hat recht, bieje8 E Tauberts den
Taubenſchlag zu nenneu!!“
„Da fie meiſt als halbes Dutzend in ben Damen-,
faffees erjchienen, glojficrte man ein wenig über Diefe |
Maffenauflage, was ihnen zu Ohren fam, und fie verz
anfafte, febr ungern und ingrimmig nur mag zu gone
auf einmal auszugehn!“
„Genügt aud) vollfommen!” — | ae
Ferner find bie Schweitern Tauberts jebe mager und
recht alt, welch erjteres ihnen jtet8 — und welch legteres
ihnen jon at Jahren ein créve-coeur gemejen! —
Verzeih! dieje langatmige Worrede, jie ijf aber zum Berz
ſtändnis ber Situation notwendig. —
Süngft nun hatte Tante Augufte bem Buttermann aus _
Biendorf Auftrag gegeben, ihr junge Tauben zu bejorgen, —
bie fie befanntlich jebr liebt, und bie fie fid) zu Frikaſſee
und Baftete zubereiten laffen wollte.
— 17 =
Tage darauf erjcheinen zwei Schweftern Tauberts
zum Beſuch, und da Johann gerade i im Garten arbeitete,
läuft Sette hinauf und meldet febr eilig in ihrer fächfijchen
Sprache etwas jchiver verjtändlih: Gnädige oror —
Fräulein bom Tauberts find dal! —
Zante Auguste ift juft mit ihren Gedanken etwas
brouilliert und denft wohl auch an ihre beitellten Tauben,
und ſchwerhörig, mie fie eben iſt, verſteht ſie, die Tauben
ſind dal” —
„õm“ — nite fie, „wie viele find’3 ihrer denn?”
‚ra, man blos ame —
„Sp? Nur zwei? Dann jagen Sie mal — das wäre
mir biel zu wenig — auf ein halbes Dugend hätte ich
geredjnet!^ — |
Sette ftarrt fie verbis an. ye Stau Bas
ronn — —”
‚a — find fie denn enigttens i jung und fett? —
fragt bie Tante, mit ber Hand am Ohr. -
Keel” jchüttelt Jette erjtaunt ben Kopf. „Man recht
alt und mager!” — > T
,Co?" ruft die Tanke zornig: „Dann gehen Cie
mal fofort him und fagen Gie: Erſtens wären mir
zwei viel zu wenig, ich hätte ein Halbes Dugend er-
wartet, und zweitens wären fie mir zu alt und zu
mager —!” —
„Hahahaha — — und das SFrauenzimmer beftellt’s 2^
„Ei verfteht fij! — Diefe Antwort deuchte Jette ja
bei aller Eigenartigfeit äußerſt jpaßhaft, und fie richtete
fie wortgetren aus. — — Der Kanonenfchlag, mit wel-
chem die Hausthür hinter Fräulein von Tauberts guz —
ichmetterte, war bie erite Runde, welche mir bon dem
Unglüf ward!” —
„Und was nun?”
„Run lacht ganz Viaijenburg, dab man e& bis Leipzig
hört, und im Taubenfchlag flattert e3 aus und ein von
händeringenden Condolenz-Pifiten, — id) als erfte der
Neidtragenden, — aber leider vergeblich, Tauberts glauben
nicht an ein Mig verftandnis, jondern jchildern Tantes
Grobheit fchon feit Wochen al3 unerträglich!”
„OD web, — na, ba ijt'8 das befte, wir lachen mit,
Refi, unb nun will id) ber Baronin meine Aufwartung
machen, id) werde ihr hoffentlich jung und ue) genug |
jem!“ —
VIII.
Ae ine große Feuersbrunſt hatte ein in ber Nähe
( pon Maijenburg liegendes Dorf eingeäfchert ;
die Not war groß und Hilfe dringend geboten,
und jo hatte fich denn in Maijenburg ein Komitee gez
bildet, welches beſchloß, in den fehr geeigneten Räumen
des Schloßgartenpavillons, in welchem ftets derartige —
MWohlthätigkeitsfeite abgehalten wurden, einen Bazar zu
arrangieren, deſſen Erlös den armen Abgebrannten zu
gute fommen jollte. Gelbjtverjtandlic) mußte die viel-
beanjpruchte Regimentstante auch bei diejer Veranitaltung
bejonders thätig fein, und Eberhard jchüttelte Den Kopf
und brunmte: „Es wird ja zu viel, Refi! Du raderit
bid) mal wieder ab, al8 ob du für zehn Pferde arbeiten -
müßtelt. Gott fei Dank, daß du pia Knochen und
joldje Nerven hajt!” —
Refi lachte mit ſtrahlenden Augen und band ſich die
Bänder ihres würdigen Capothutes unter dem Kinn.
„Bott fei Dank, wenn e8 etwas zu thun gibt! Des
Menjchen Leben ijt wahrlich nur fhón, wenn es vol
— 160 —
Mühe und Arbeit gemejen ijt, und wie felten Babe ich
Gelegenheit, im wahren Sinne beg Wortes die Hände
zu rühren! Deine Güte und Generofität, Hardi, hat mir _
alles jo bequem gemacht, daß id) mir meine Bewegung
- [hon außerhalb des Hauſes machen muß! Alſo jebt
gebt'8 flinf noch mal in die Küche, um nad) dem Rechten
zu fehen, obwohl eë ja bei Anna nicht nötig ift, — wenn
aber Sronjtabt zum erftenmal heute bei uns iBt, fol e3
ihm auch jd)meden. Dann heift’s marſch, marjd) — hurra“
— mad ber Unteraltenburg — ber erfte Möbelwagen fol a
fon um adt Uhr dort fein. Sch fage, ber erfte — `
wie viel nachkommen, ahne ich nicht, aber Kronitadt feint
jein Neft recht anjehnlich mit Möbeln und petit riens |
gejpidt zu haben. —" =
x „Ratürlih! Hat ja dazumal den — Orient aus
getauft — na, und wenn fo ein armer, einjamer Kerl
nicht mal ſein gemütliches Heim hatte! Verfügt ja nicht
jeber über eine ſolche Schmeiter pie id!” — _
— —. Rlapp hat er eing mit bem oe Wildlederhandſchuh
por den Mund.
„Und dann Konferenz im Pavillon — Vorbeſichtigung
— und dann zu Gollnoms — —"
„Sollnows? — Mami, was willft du denn da?“
„Die Damen haben leider auf die Lite ‚verhindert
gejchrieben, und e3 wäre bod) ewig jdjabe, wenn bie
teigende Martina, eines wnjerer hübfcheften Mädchen, als
Verkäufern fehlen folte. Ich hatte mir ſchon etwas
jo Nettes für fie muegebacyt, fie follie als UM pon
MegimentStante I 11
Die
Jtom. i. 9tov.,
30.
,
Ny. Eid firuts
= 188 5 xx
Rairo Gigaretten verfaufen, — glaubft bu nicht auch, dab fih ——
ihr Geſichtchen grade im Koftüm entzüdend machen müßte?”
„Das jhon! Aber du liebe Beit, folh ein Koſtüm!
Bedenke, eë ijt eine befannte Sache, daß der Landgerichts⸗
rat in ſehr beſchränkten Verhältniſſen lebt!“ a
„Ah was! Ein alter ZTyrann, ein falthergiger (gift =
it ec!” rief Refi erzürnt und fnöpfte fichier heftig ihren
Handjchuh zu, „Der feinen armen Damen fein Vergnügen
gönnt! (Glaube mir, ich Babe längft hinter die Couliſſen
gejdaut und weiß, mie die Armften unter diefem enge
hergigen Pedanten leiden müfjen! Und barum will id |
den armen Dingern zu Hilfe fommen. Sit e8 nur die
Koftümfrage, ei, fo werde id) ſchon durch dies oder jenes
helfen können! Gott fei Lob und Dank, daß ber liebe
Gott mir einen jo berzensguten — edlen — generdjen
Bruder gegeben hat, welder... .”
„a — Altes — nun aber ftopp —“ und Diesmal
flappte des Rittmeiſters weißer Militärhandfchuh auf ihren —
Mund; dann umarmten fie fid) beide lachend, und Eber-
hard fíopite ifr zärtlich den Rüden: „Nur zu, Refi!
&' ijt brav, dak bu dich der Mädels annimmit, und wenn
ihr zu dem Orientalijden was hübſch Geſticktes braucht,
bann fannft bu meinetiwegen meine alten Schabraden
verwenden, — ober meine Schoitachierten aus der Zeit
meiner furzen Gajtrolle alg Hujar —"
„Aber Cajar!! — Schäme bid! — Apropos — der
fleine Lichtenberg ijt eingetroffen, ves wahr? Was
macht er fiir einen Ginbrud ?^
— 108 —
Der Nittmeifter zog eine Grimaffe. Grüner Laffe,
nod) gum Plagen vollgefüllt mit bem hohen Celbftbemufte
fein des Geleftanerá, mit dem ganzen unreifen Hochgefühl
eines Knaben, we (cher ſich plötzlich als Mann fühlt!
Recht eingebildet, jelbftzufrieden und ungeheuer elegant,
man merit, bab id eine überzärtliche Mana und ſechs
bejorgte Tanten abgemüht haben, dem jungen Sam
Grajen den Kopf voll Marotten zu feben!”
„Ei bu ewige Kümmernis, da ijt ja eine fchöne Ron-
Duite! Na, dann fann ja bie Negimentstante auf recht
viel gefegnete Thätigfeit gefaßt fein! — Nun aber Gott
befohlen, Hardi! e8 ijt bie höchſte Beit!” — Und bie —
Sprecherin ffopfte bem Bruder noch einmal mütterlich herz-
lich bie fleiſchige Wange und verlich mit ihrem fchnellen,
rejoluten Eitt bas MP
Y
Durd ben. € . über deſſen Bäume und
Sträucher ber Winter” jeine ersten Neifjchleier gehaucht,
ichlenderten drei junge Küraſſieroffiziere
Dem einen Derjelben, emem blutjungen, hochaufge |
ſchoſſenen Bürſchchen mit bartlofem Milchgeſicht, welches
troß des Monocles am breiten, fehwarzen Band und der
ungeheuer arroganten tiene, welche er aufgeſetzt, abfotut
nicht älter als achtzehn — höchjtens neunzehn Sabre erz
jcheinen wollte, biejem einen jab man es Icon qup zehn
Cdyitt weit an, Dak feine Equipierung fo neu — fo
nagelneu nod) war, daß man berechtigt war, nud den
Neihfäden im Paletot zu juchen. |
Ift
s= 1061 —
Cr hatte bie Hände nachläffig in bi Baletottafchen
perjenft, und muijterte mit halb zugefniffenen Augen die
Anlagen und den in Kleiner Entfernung auftauchenden
Pavillon mit einem fo geringſchätzigen, ja mitleidigen Aus-
brud, daß feinen beiden nur wenig älteren Begleitern bie
Nöte der Verlegenheit in das raube Kriegerantlit ſchoß —
„Scheint ja ein verzweifelt odes Neft au fein!” näfelte
Graf Lichtenberg und jeine Gelichtsmusfulatur arbeitete
wie im Veitstang, um das ungewohnte Monocle zu balauz
cieren. „Ein infames Pech, daß id) mit zwei Fürften
und einem Prinzen von Geblüt für bie Garde-Ravallerie
fonfurrieren mußte, hatte fonft, troh ber Überfüllung, befte
a Chancen dort angutommen. %h ... und das ift ber bez
ue rithmte Pavillon — wo der Bazar abgehalten werden joll?
a - ſieht einem SGuterſchuppen verzweifelt
ähnlich 3
| „od — finden Sie Graf? Xm Allerdings ein jebr MUS
altes Gebäude — aber innen recht nett . . . und gerade —
für ben Zwed geeignet! — Der Kronprinz hat während -
des Kaiſermanövers jogar einmal da logiert —“
„Glaube e8 Ihnen, Niebeland, in der Not frißt ber
Deiwel Fliegen! Wh... und jonit? Wie habt ihr e8
jonft hier? — Bißchen was Suterejjantes für Herz und
Geele? — $übjde Weiber . . was?”
„Und ob!”
Die jungen Herren gerieten wahrhaft in Eifer, als fie
bie Sterne von Maiſenburg und Umgegend nambajt
madten. „Biel gute Gejellfchaft, ſcharmanter S'anbper-
— 165 —
febr — — apropos — haben Sie ſchon Shre Vifiten qez
fahren und find Gie viel angenommen, Grape s
„Angenommen? — Wh — jollte mir fehlen, mich
Haus für Haus melden zu — die
Karten abgeworfen!“
„Auch bei Tante Thereje?” tiefen die beiden Begleiter
ss gang entfebt unb mie aus einem Munde.
„Zante Therefe? Wer ijt Tante Thereſe? hüftelte
Graf Lichtenberg und warf den Kopf bor Gelbitbewußtjein
derart in den Naden, Daß es Hm bequem gane in Die
Nafe regnen fonnen. |
Nun — Fraulein von Wieders! Unjere Regiments-
tante! Die Schweſter vom Mittmeijter!” —
„So — ah! .. . Mt oder jung?”
Miebeland blickte Hochbetroffen zu feinem Ramerad
Howald hinüber.
„Ra — mie alt fie ijt, wiffen wir gerade nicht, aber
jung ijt fie feinesfall3 — o im Gegenteil —
Ihr perjönliches Bech!" ipottete Lichtenberg, „und
wie nennen Sie bie alte Dame? MegimentStante? Was
heißt das gu
„Bas das feiBt?^ rief Niebeland paile, „daß
fie das befte, vortreiflichite Wejen unter Gottes Sonne
ift, daß fie fid) riefig verdient um das Regiment — rejp.
um das Dffizierforps macht! Alles ſchwärmt für fie, und
mit vollem Recht! Du liebe Beit, wie ftände eë um gar
manches, wenn Tante Reſi nicht mare! = befte Kamez x
rab ijt fie, auverlajjig, verjdjwiegen —^ |
— 100 —
Lichtenberg lachte mit heller, dünner Stimme auf und
blinzelte den Sprecher ironijd) an. „Um alles in der
Welt, Herr? Sie find ja ganz Grtaje! Glaube fattiid
Sie haben fid) im bie Alte verliebt!”
Stiebelanb war verdugt und verlegen. yo) — baz
von ijt gar feine Rede... aber wir haben fie alle gern
ud Am Sie e unjere Negimentstante fennen
lernen —"
SR, Nicbeland hat recht!” nidte Howald, fid) energiſch
-aufraffend, „die Wieders ijt eine vortrefflide Perſon —
und wenn Sie ſie erft fennen lernen —“
„Gott bewahre mich davor!”
,"Bie? — Sie wollten...0 Sie haben ihr bo —
idjon einem Bejuch gemacht?”
„Denkt gar fein Pferd dran! Bei alten Schachteln = =
mache id) pringipiell feine Befuche Y"
Seine beiden Begleiter wechjelten einen Vli, in — |
bereit3 ein Funken der Gereigtheit alimunte. |
„Das möchte ich SDmen nicht raten!" fagte Niebe⸗
(and ploͤtzlich ſehr kühl unb förmlich, „Sie tommen zu
Wieders’ Esſskadron — und im Haufe feines Vorgeſetzten
feinen Beſuch zu machen, wäre bod) eine... einjad)
ie, 2
Qichtenberg rig momentan bie Augen auf, „on?
Cie führt bem Bruder den Haushalt? Wh . . . das ijt
freilich etwas anderes, natürlich, dann muß id) ta Karten
abwerfen!“ —
„hun Sie das niht, Graf! — bemerfte Howald
— 167 —
troden, „e8 möchte fich übel an nen rächen, denn mer
eo mit Tante Thereje vericherzt —’
„Haha! — Sauber Sie, id) fürchte mich vor einer
alten Jungfer?”
Nein — das glaube ich nicht, —^ Niebeland mufterte
den neuen Kameraden von oben bis unten, feine anfang-
fide Schüchternheit war verflogen, der Celeftaner mit
dem Monocle imponierte ihm abjolut nicht, „aber ich
glaube, daß e für einen jungen Offizier und Neuling
recht fatal fein dürfte, bie ganze öffentliche Meinung der
Gejellidaft unb de3 Regiments gegen fid) zu haben!“
Lichtenberg lachte abermals. „Was ber Taujend!
So jtehen Sie alle unter dem Pantoffel biejer Alten?
ÑH — wäre das erjte Mal, bag ich einem Weihe —
nod) dazu einem alten und häßlichen, den minbeiten Çin-
Hub über mid) emrüumie! Sch mache feine Ausnahme —
mit ihr, jondern werfe bei ihr. qud Karten ab, mie bi — —
allen. — — nae
„Dann wundern Sie ſich nicht, wenn Cie bei —
Karlenſpiel gewaltig verlieren!” — Howald flappte mit.
faltem Gruß die Haden gujammen. „Ste wollten mid)
begleiten, im Ständehaus bei dem Präſidenten vorzu—
jprechen, Niebeland!” wandte er Hd) am den jungen
Kürafjier, „wir find aur Stelle. Pardon Graf — eine
Beiprechung wegen des Bazars —"
Auf Wiederjehen Herr Graf!” — und nach kurzem,
formellem Gruß befand jid Sai von Lichtenberg zu ———
jeinem nicht geringen Erjtaunen allem. Er flemmte ge `
— 168 —
ärgert bie Unterlippe 3mijdjen bie Zähne. „Sch glaube
wahrhaftig, die beiden befamen falte Füße, weil ich niht
in ihre Lobpojaune über das alte Frauenzimmer ein-
ſtimmte“, mebitierte er im Weiterjchreiten, „Lächerlich!
ſcheinen ja angenehme Zuftände hier! Ein ganzes Regi-
ment — eine ganze Gefellichaft läßt fic) von einer alten
Jungfer tyrannijieren. — Das follte mir einfallen! Und
bod)... fatal, febr fatal, daß Wieder$ gerade mein
Nittmeiiter ijt! Da ware e8 doch am Ende ffüger, man
fügte fi! — Snfam! ganz infam! Gich wie ein Dummer
Sunge fommandieren laffen! Und ich thue e3 bod) nicht,
fällt mir nicht im Traume ein, wegen folch einer alten
Schachtel perjönlich bie Treppe zu fpringen! Aber halt
— mir fällt etwas en! — D, , ausgezeichnet, bas wäre
ein Gebanfel^ — und der junge Graf lachte jo trium
pbierend, daß bas Monocle in hohem Bogen über bie
Naje weajprang. „Heute abend ijt ja großes Felt bei
irgend einem penfionierten General — ba wird ja wohl
bie Allerweltstante auch fein! Ga, richtig, id entſinne
mid) — ber Rittmeifter jagte mir ja, er würde mich gern
bitten, den Thee bei ihm zu trinfen, leider wären feine
Schweiter und er aber heute abend verjagt? Das jtimmt
ja brillant zu meinem Plan. Und Kai von Lichtenberg
bob den Kopf noch jelbjtbewußter wie zuvor und jchritt
ſtolz auf jeiner Stegesbahn dahin, — und weil er nun
patentierter €eutnant mar und fid) feinerlei Borjchriften
mehr machen ließ, fondem al8 gemadjter Mann das
that, was er wollte, jah er auch nicht die große Schnee-
— 169 —
wafferlade, welche die Conne perfibermei]e gerade da
x eujgetaut Hatte, wo Graf Kai hintreten wollte.
Und er trat — und das Waffer ipribte ihm um die
Dhren und gab dem HRGSNEUEN . einen fatalen
Denfzettel.
Sold) Heines Warnungsfignal gibt bie meije Vor-
fehung oftmals Menfchentindern, welche die Nafe zu hod
tragen, aber Rai von Lichtenberg reagierte nicht auf
jolde Vermahnung, fondern ftolperte — jedweden
Nutzen
Da es außerdem begann dämmerig zu nba —
obwohl bie Domuhr erft halb fünf Uhr gejichlagen —
lenkte ber jünglte Kürajfier feine Schritte nad) Haufe,
denn er brannte vor Begierde, der lächerlich geichul-
meifterten Gejellihaft von Maiſenburg anjcheinend den
Willen zu thun, und Fräulein von Wieders perjönlich
eine WnirittSvifite abzuftatten, und heimlich ber alten
Mamfell bod) ein Schnippchen zu ſchlagen, und zu thun,
was ifm beliebte.
Ser neue Buriche de3 jungen Grater war ein flinter,
— Kerl, ein Rheinländer, weldje ja alle recht
brauchbare Menschen find, wenn e8 gilt, einen feinen
Karnevalfcherz auszuführen, und als folchen faßte Aloys
Fuchs aud) bem Höchit eigenartigen Befehl auf, welchen
fein Leutnant ihm foeben zu geben gerubte, und welchen
er, laut feiner Verfiherung — ganz vorzüglich begriff.
Rai Lichtenberg jchärfte feinem Knappen folgendes ein:
„Du beftellft für 1/8 Uhr einen Wagen, ziehft bir meinen
Li DN sux
t Paletot über, fegt meine Mütze auf und nimmt hier
meine Vifitenfartentajche in bie Hand, — und dam .
fteigft Du in bem Wagen und befiehlft zur Wohnung von
Fräulein von Wieders. Dort angefommen, fteigjt du
aus, flingelft und fragft den Diener, ob das gmübige
Fräulein gu Sprechen fei. Er wird dir antworten: ‚De:
Daure jehr, die Gnübige macht Toilette‘ oder ‚Die Gnadige
ijt nicht zu Haufe‘ Darauf gibit bu zwei Karten ab
und ſagſt: Beſtellen Sie den Damen mein aufrichtigjtes
Bedauern, und ich hätte mir erlauben wollen, perjin-
{ich meine Aufwartung zu machen! — Beritanden,
Kerl? — Berjönlid fagft du recht mit — d = —
„Be ebl, Herr Grapl^ — pee
„Bon; nun wiederhole, was bu gu. jagen Haft!“ pe
Und Moys wiederholte es tadellos. :
„Befehl, Herr Graf — wenn das grädige Fräulein o
nun aber bod) zu Saul fe ift?” x
„Sie ijt nicht zu Haufe!” verwies. der junge Gen
etwas jcharf und nngnábig, und Aloys war entlajfen.
Gr ging, pfiff fid) vergügt ein fleines Lied und be .
ftellte den Wagen. — Wem hätte fold) ein UE mehr
Spaß gemacht, wie Aloys Fuchs! Schade mur, daß ber.
Leutnant ihm aufs 3 jtrengite verboten hatte, über die Ans p.
gelegenheit zu reden. :
‘
Reſi Hanb an bem Feniter und faute leuchtenden
. Auges bem Bruder und Kronjtadt nach, welche durch ben
Dammernden Abend dem Gaſthof zur Sonne entgegen-
— 1 —
(dritter, — ungern genug, aber dennoch gehorjam dem
gejtrengen Dberit, welcher nicht gern allein bet ber
Gigarre faf, jonbern die älteren Kameraden gemifler -
maen „dienjtlich” zu feiner Unterhaltung heranzog.
Man Hatte biejen Zwang von vornherein unangenehm
empfunden, aber das Unbehagen fteigerte fid) von Tag
zu Tag, je mehr der alternde Herr feine einjame, troft-
(oje Häuslichteit floh und in dem Hotelzimmer (rjat
für jehlendes Familienleben fute. —
Wieders und Kronitadt liebten den Aufenthalt im
Wirtshaus abjolut nicht und trennten fid) defto fchwerer
von bem fo reizend behaglichen Kaffeetiich im Salon ber
NegimentStante, wo nad) bem Mittageſſen der Waſſer⸗
keſſel ſo gemütlich über ber Spiritusflamme fang und
der Mokka ſo beſonders gut ſchmeckte, weil heitere Gez
ſpräche und liebe Ritcerinnerungen thn würzten! Bum
eritenmal nach langen Jahren jahen fid) Refi und Kron-
Habt wieder, unb mwenn aud) das Herz des gealterten
Mädchens hoch aufſchlug und mod) ebenjo begeijtert und
glücjelig bem deal entgegenbebte, wie ehemals, fo
lächelte ihn ihr Antlitz doch ebenjo ruhig und friedlich
an, wie tm jener Stunde, wo er ihr zum legten Abjchied _
bie Hand gereicht, und ihr peg bor Pa und veid zu.
brechen drobte!
Und heute ahnte er ebenjowenig wie opu was
feine fchmeiterliche Freundin für ihn empfand. Mit
welchen Gefühlen blickte Refi zum erjtenmal wieder in das
{chine Antlig, welches ijr Traum bei Tag und Nacht war!
— 172 —
Fand fie e8 wieder, wie fie e3 einft verlaffen hatte?
ie fchön war e8 nod) immer; ja — wieviel inter-
^ effanter und bedeutender erjchien e3 ifr jebt, mo Gr-
fahrung und Wedel des Lebens es ee unb
gereift hatten.
Schmal, bijtinguiert, pon jener leichten Bla, rie fie
angejtrengte Bureauarbett mitbringt, fah das Geſicht mit
bem fleinen, duntlen Schnurrbart und den großen, leude
tend dunflen Augen immer nod) auffallend jung aus,
nur an den Schläfen mijchte fid ba8 Haar mit feinen
Cilberjübem, und die ernite, nachdenfliche Falte zwiſchen
den Brauen hatte fid) vertieft.
Auch bie Geftalt war ſchlank und elaſtiſch geblieben,
eher zur Magerfeit wie zur Fülle meigenb, und Refis
deal litt in feiner Weife durch bieje8 Wiederfehen, um
Gegenteil, eë vervollfommnete fich, weil e3 bem anjprudj&
volleren Gejchmad ihrer Fahre mehr entiprach, mie das
Bild des jungen, jchönen Leutnants, belen Antlitz ehe-
mala nod) ein unbejchriebenes Blatt geweien. —
Wie weggewiſcht war die Zeit, welche zwilchen ehe-
mala unb heute lag.
Bol warmbergigfter Dankbarkeit erfannte Rronjtadt
alle Hilfe und Fürforge ber hochverehrten Tante an, ja,
er geſtand freimütig, Dak er e8 faum anders erwartet
habe, und daß er nad) Maiſenburg abgereijt fet mit dem
Gefühl eines einfamen Wanderers, welcher endlich wieder
heimatliche Lichter vor fid) erjtrahlen fieht. —
Die fchöne, vergangene Beit werde nun, fo Gott will,
wieder aufleben, und mit ber trübfeligen Verlaſſenheit
habe e8 heute ſchon aufgehört, wo fic) das liebjte und
gaſtlichſte aller Häufer ihm neu geöffnet. rs
Gr gedachte jenes Hojballes, wo zum erftenmal im
Scherz das Wort: „Negimentstante!” gefallen war, und.
amtierte und freute fid), wie aus biejem Scherz ein jo |
ichöner und jegensreicher Ernſt geworden fet! =
„Damals, als Sie die Reſidenz verließen, Fraulein
Refi, hatte id) geradezu ſelbſtmörderiſche Anwandlungen !”
lächelte er. Sie glauben gar nicht wie vereinfamt ich mir
vorfam; Shr Haus war mir jo unentbehrlich geworden,
und jeljamermeijle fand Hd aud) in der ganzen, riefen-
großen Stadt fein zweites, wo wir verwaiften Neffen uns
jo mollig fühl ten, wie ehemals bet buen! — Aus Ber-
zweiflung begann id) zu arbeiten und bereitete mich für Die
Kriegsafademie vor — na, und e3 glückte, e ward ein-
berufen — fam fogar in ben General} tab —"
„Sieft bu, Neil, fon ‘wieder einer, ber eigentlich
nur durch dein Verdienit groß geworden ijt!” ſchmunzelte
Eberhard, und jeine Schweſter nidte mit ſtrahlenden Augen:
„Da fiebt man’s mal wieder, was aud) bie geringſten Ur-
jachen für bedeutende Wirkungen haben fbumen!^ — ———
Oa, e8 mar cin ſchönes, ungetrübtes Wiederfehen,
und alg Nefi am Senter ftand - und den Herren nad
blickte, Deuchte es ihr, ber ganze Himmel fei eine einzig
große, leuchtende Sonne, — und bod) hing er voll dider,
grauer © Schneewolfen uib ber Abend brad) unabänderlic |
herein! — |
Minuten waren vergangen, — da ward die Thür
geöffnet und der Diener meldete mit fragender Stimme: — —
Fräulein Martina ran — bejeblen. gnädiges
Fräulein?” —
Reſi wandte jid haftig um. ea — bag ift ier
ſchön — ich laffe bitten, näher zu treten !”
- Leichte Schritte fangen auf bem Flur und im nádyiten
Augenblick jtanb eine fchlanfe, gragibje Mädchengeitalt —
zwijchen den Portieren, welcher Nefi mit ausgeftredten —
Händen, in ihrer jo gewinnend liebensmwürdigen Weile - x
entgegeneilte. | — x —
„Meine liebe Martina, wie freunbíid) von Ihnen,
heute abend mod) zu fommen!”
„Wir haben fo febr bedauert, gnädiges Fräulein,
Sie heute vormittag bei uns verfehlt zu Haben, und
wollte id) doh nicht ermangeln, Shnen dies zu verz
dern!" — x
Mit —— rehbraunen Augen, in welchen
das Lampenlicht goldene Reflexe wedte, blickte Die
Sprecherin zu Reſi auf, und ihr feines, —
Geſichtchen mit ben friſch überhauchten Wangen und dem
feinen, ſtolz gezeichneten Mund ſah ſo bezaubernd unter
Dem weißen Gazeſchleier aus, daß Reſi voll EI
einen Kuß auf bie Schöne Stirn brüdte.- 2
„regen Sie ab, liebes Herz! trinfen Gie noch eiue
Taſſe Kaffee mit mir, und dann erzähle id) Ihnen, was
ich heut bei Ihrer Mutter wollte!” -
„Störe id) Sie nicht, liebe Tante Refi? Cobiel id)
uc des ee
weiß, ift heute das Felt bei Erections Salben, und OG os
Dürfen Ste bod) nicht fehlen!” - —
Reſi wies auf ein Billet, welches neben b Shonen =
vafe auf bem jeitwärts ftehenden Marmortiichchen lag .
und nur ein paar Zeilen mit Bleiftif‘ gejchrieben enthielt.
„Denten Sie doch, in ber legten Stunde alles ab- —
gejagt! Eine Depejche hat das ganz plößliche Ableben
der Mutter von Frau von Saldern gemeldet, und figen —
fie jest jhon auf ber Eijenbahn, auitatt ihre Gälte ——
empfangen zu fonnen. Es thut mir gar zu leid, daß es
ſolch traurige Veranlaſſung gt —
Während fie fprach, hatte Reji stein Befuch bie ie x
einfache, aber fleidjame Jade abgenommen, Martina
löſte felber das Hütchen pon bem bujtig gewellten Haar,
und wenige Minuten jpüter jaßen beide Damen im eif⸗
rigen Gefpräch gujammen.
„Sie glauben, daß Sie vielleicht verreijen müjjen,
und barum den Bazar nicht mitmachen können?” fragte
Fräulein von Wieders und blickte fo tief und forjdend
in bie Augen ihres Gegenüber, dak Martina heiß er-
tötete. Einer Augenblid kämpften Stolz und Scham:
gefühl einen heißen Kampf mit ihrem aufrichtigen Herzen,
Die feinen Lippen, welche fid) jonjt jo Herb und ſpröde
ichloffen, wenn eà galt, vor ber Welt ibr Elend zu perz
bergen, bebten feije, und plößlich ſchlang Martina bie
Arme um Refi Hals und Drüdte Das Antlitz gegen ihre
Schulter.
„Nein — Cie mijen ja bod) Beſcheid, unb nei,
code
gerade Shnen, Tante Refi, tann ich feine Unwahrheit
lagen! — Ad, wie gerne wären wir bei bem Feſt zu—
gegen! Käthe weint fid) por Kummer jdjon die Augen
aus! Aber Vater erlaubt es ja nicht! Er jagt, unjere
Toilette fofte ihn jdjon mehr wie genng, für Koſtüme
und Derartige Narretei habe er fein Geld übrig — und
Sie mijfn ja, Zante Refi — mit Bitten dürfen —
wir ihm gar nicht sommen, — er ijt ja fo furchtbar
ſtreng —^-
„And wenn Sie bie Koftüme nun geliehen jg da.
liebftes Herzchen — bann?" |
Martina fchaute mit großen Augen auf. A, bas.
wäre herrlich! — Aber wir fennen fo wenig Menjen
hier . und bie Damen, welche uns näher ftehen, bes ———
Dürfen ber Koſtüme, welche fie bejigen, felber — —^" ——
„Das woher ijt meine Sache! Wenn ihm das Fejt —
feine Koften berurjacht, würde e8 Shr Vater Dann er-
lauben?” ——— | |
so qu. 10 hoffe wenigtten’ — ftammelte Fraulein
Gollnow bunfefrot vor Freude und Verlegenheit, ihr font —
jo unnabbarer, jpröder Stolz ſchmolz vor ber geliebten
Fräulein Refi dahin, mie Schatten vor ber Comi:
„Er befümmert fic) ja joni gar nicht um uns — und
wenn wir fein Geld zu fordern brauchen —”
„prächtig! Co wäre die Sache abgemadt, und Sie ver:
faufen als Agypterin Cigaretten und Käthe als Sdwedin |
bie Schwefelhölzchen dazu; das wird für Cie beide jehr -
paffend und Dübjd) fein! Alles, was dazu gehört, be
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— 178 —
forge id), unb wenn eS zur —— geht, bitte id Sie
beide zu mir her!” —
G8 lag nicht in Martinag Wefen, viele Worte zu
machen, fie war {till und zurüdhaltend, wie bie meilten
zartfühlenden Menjchen, auf welchen traurige Verhält-
nijfe laften, aber in ihren wunderbar fchönen Augen
ipiegelte fid) ihr Empfinden defto reicher und rüdhalt-
lojer, und Nefi verjtand e8 fo gut, in fold) thränen-
glänzendem Blick zu lejen. |
Die Furdt vor rauhen Worten trieb Martina bald
wieder heim; fie hatte den Theetifch zu beforgen, und
wehe ihr, wenn nicht alles zur vollen Buf un Dee
tyrannifden Hausherrn ausfiel! —
. Wefi geleitete fie pie ‚Treppe hinab, — Arm in oem
ftanden fie nod) einen Augenblick und. namen Abſchied,
dann ſchloß ſich die Thür hinter der Tochter des Land-
gerichtsrats und Reſi blieb ſinnend vor einem der großen — T
Flurſchränke ftehen.
Sie hatte ja Beit jest, fie wollte jojort alle Sachen es
zulammenfuchen, welche für die Stoitüme verwendbar
waren, ja, fogar ihr Heiligtum, Den echt feidenen Kopj-
ſhawl und Halsfchmud, welchen Kronſtadt ihr ehemals
aus Kairo mitgebracht, wollte fie leihen, um ihren
Liebling Martina zu jchmüden! Für He, das arme,
jreudloje Rind, brachte fie dies Dpfer, — für andere ^.
wohl nicht. Und jie öffnete den Erant und begann
zu framen,
IX 5
EP Pahrend Refi juft im Begriff ftand, an bem
großen Echlüffelbund nach dem pafjenden
oe Cchlüffel für bie Sdhublade des Schrankes zu
juchen, trat Johann aus dem rechtsjeitigen Parterre-
zimmer, dem behaglichen Nauchjalon Eberhards, aus
welchen er die Campen zum Nachfüllen geholt batte,
und juft in demfelben Moment rollte ein Wagen
vor bie Hausthür und ſchnelle Schritte |praigen die
Treppe empor.
sohann stellte feine beiden dampet Hint nicber Mb
rib Die Hausthür auf, und in dem unbeſtimmten Dämmer⸗
jchein erſchien eur Offizier im Helm und SBaletot. —
„Sit Das gnábige Fräulein gu Iprechen? Ich wollte
mir perjönlich — verjtehen Sie wohl? — perjönlicd) das
Vergnügen machen unb fie bejudjen!^ jagte eine Stimme
jo eilig und fröhlich, aber aud) fo penfumartig einge-
lernt, daß Reſi erjtaunt hinter ihrer sch nen
idjaute. |
{2* |
— 180 a
Sohann nahm bie bargebotene Karte nidjt an, on: p
bern jagte nach leichtem Raͤuſpern mit verlegenem Car
blick nach feiner Herrin Pe ue gute find a
Co
,38a8 . . was? zu prehen? mieberholte e Befuch
jo erichrocen unb jab fih jo ängſtlich mad) ber Haus-
: hür um, alg wollte er bie Flucht ergreifen. Schon war
-o Mefi vorgetreten und lächelte bem jungen Offizier verz
s Dindlich gu. Durch, die grün- roten Scheiben der Flurlaterne
erfannte fie ihn nicht genau, fondern jaf mur in unbe-
| jtimnuten Umriſſen ein junges Geſicht zn fe wahr
bet eutfet amjtarrte.
x ,, Graf Lichtenberg Qu — midte Sul ein von Wieders
d a ihrer. ungeniert freundlichen Weije, „wie freue ich mich,
Sie zu defen. und Ihren Befuh, welchen ich beinahe
u. fehl t hätte, nun doch gu empfangen! Holen Sie fchnell
Licht, Johann, der Herr Graf tritt wohl einen Augenblick
pe hier in das Zimmer des ‚Herrn Nittmeifters !”
Der Diener jaufte mit jeinen Lampen davon, Reſi aber
öffnete die Thür zu Eberhards Bimmer und bat mit eim-
labenber Gicite: „Bitte, treten Cie näher, Graf, und ge-
- ftatten Sie, bak id) Sie der Einfachheit halber im Salon
- meineg Bruders empfange!” =
Der Graf ftand ftare und iteif wie aus nn gez
ſchnitzt, bie ginger am der Hof ennaht und den Blick fo
feſt und ſtier auf die Sprecherin ‚gerichtet, wie ein qez
wöhnlicher Soldat, wenn er vor dem s Bosgejepten hamun x
steht!
— 181 —
Seltiam! — Co hatte fie fid ihn gar nicht vorge(tellt.
,"Dute, fominen Ste bod), Graf! | wiederholte fie noch
einmal dringlicher, als der Junge PIRE. teine Wien:
machte, zu jolgen. : m
Qd) nee . . . ad) nee — Dag ot ja bod) nidy — —
ftammelte eë endlich ſchier angitwofl unter bem ‘Helm hervor. —
Melt aber lachte: „Ste ftören wirklich nicht, Graf, -
und ich freue mich fo jehr, von Shnen über sire Arge-
horigen zu hören.”
Da jtolperte Rai von Sihrenberg ent le id vertegel E
über bie Schwelle. = =
Mein Gott! Sohann Hat Ihnen den Paletot in ber
Gile nicht abgenommen — bitte legen Sie ab, fieber en
— darf ich behilflich fein?” —
Wie von jüfem Entjeßen gepactt, frallte be minder
lige, junge Mann ben Paletot mit beiden Händen über
ber Bruft gujammen. — „Nee — mee — um alles nid) . .
das ijt ja alles gegen bie Vorfehrift... ih... id... ^
Refi lachte unwillfürlich auf. „WVorfehrift? — Lieber
Graf, wenn Sie auch nicht die erfte Garnitur zum Vifiten- —
fahren angelegt haben, fo nehme ich ba wirklich nicht übel!
Mein Gott, id) bin ja fo gut wie ein Samerab von Ihnen!
Bor der Negimentstante un Sie EUM x jo
üugitíid) zu jeu" —
. Q*ajjen Se man [ieber find! 9 Mich idudert nántlid,
e8 ift fo falt heute!” — ftammelte Sai Lichtenberg, und
jeine Sprache, ied ganze Art und Weije war > ube:
jchreiblich fomijd) . | cx :
"Sum, dann neben. Sie Plog! H — Reſi voll un—
verivüftlicher Güte zu, und ibe Beſuch ſetzte ſich ſo un—
beholfen und linkiſch, wie fie noch nie etwas geſehen hatte,
born — gang vorn auf die Rante des Seffels, mah
in das dämmerigſte Edichen hinein.
Nun erzählen Sie mir mal — wie geht es Demi
Ihrer lieben Mutter?” begann Fräulein von Wieders,
wie man bei einem Kind die Unterhaltung eröffnet.
„Meine Mutter?” — ihr Gegenüber macht ein Ge-
rüujd) mit ber Nafe, wie einer, ber jid) das Schnupftuch
erſparen will — ‚ma — die... ja fie hat fidj ba
einen Gack Kartoffeln auf den Fuh aejdjmifen . , .7
„Spre Mutter?! — Mein Gott, — wie fommt fie
beum Dazu?” M
S weef auch nid) genau .. . aber was meine Tante
i8 — bie jchrieb, daß fie dermis von der Diele nad) dem
- eller gewollt hat — —'
x "Sore Mutter?” — wie eim Aufſchrei Hang’s und
— Graf Sai rutjchte immer unruhiger Hin und Der auf dem
Seſſel, und wijdte fic) mit dem Nodärmel den Angit-
ichweiß von ber Stirn.
„Seit wann geht Ihre Fran Mutter mg Keller und
Küche? Qd) jab fie zulegt bei Hofe .
„Das war wohl nod) in der alien Wirtichaft —
murmelte ber Küraſſter ſchwer atmenb, das feine Barfim,
welches von der vornehmen Dame herüber webte, madte
ihn ganz fdjwindlig und bie Angit — wie dies alles
werden folle — und was fein Leutnant jagen würde,
veas js as
ſchnürte ihm bie Kehle zufammen — ,jebt . . . ach nee
. . bet ber jebigen mijerablichten Stadtwohnung .. .
da haben je gar feenen eigenen Hof nid) mehr. . .”
= Refi jtarrte den Sprecher wortlos an. Dies war
- Graf Lichtenberg? — Hatte jid) Eberhard einen ſchlechten
Wis gemacht und ihn juft im MARQUE von allem, was
oe mar, geichildert?
Doer... oder... nein — e8 war ja gar nicht
möglich, nicht auszudenten — — °
Indem öffnete fid) Die Thür und ber Lichtſchein ber
Lampen, welche Johann brachte, fiel grel auf bie felt-
fame Zeutnantögeitalt.
Refis ſcharfer Blick überilog fie — das in dieſem
Moment völlig fonfternierte, ftupide Gefidjt, Die ver-
arbeiteten, blauroten Hände, welche mit gefpreizten Fingern
frampfhaft bie Knie umfrallten und last not least bie
Beinkleider und unbeſchreiblichen Schmierftiefeln, welde
unter Dem Baletot gum Vorſchein tamen — — Refi
mupte genug. — —
Eine Sekunde war fie iprachlog und wußte nicht.
‚recht, jollte fie empört jein, oder (id aber fold) unerhörte
Farce amiifieren? — ———
Graf Kai Lichtenberg war — fein Burie! —.
Aber fie faßte fid) ſchnell und fand fid) mit ber Gewandt-
heit ber Dame von Welt in ihre feltfame Situation. -
‚Sie erhob fidj, und Moys Fuchs fchnellte ebenfalls ——
empor und ſtand gewohnheitsgemäß wieder ftramm.
„Sie find zu Wagen Hier, Herr Graf!” fagte Reſi
— 184 —
voll unveränderten Ernftes, „und ich will Sie nicht länger
aufhalten. Habe mich jehr über Ihren Beſuch gefreut.
Adieu!“ x | |
„Adieu, — leben Cie wohl meine Dame! Gehor-
famjt Befehl!” — ftotterte Moys mit dem Gefühl eines
Raters, welcher in fremder Speifefammer jammerlid) —
durchgebläut worden unb nun endlich eine rettende Thür
fid) öffnen fieht — in fopilojer Haft drängte er an dem
erſtaunten Sohann vorüber, flappte noch einmal in ber
Thür. dienftlich die Haden gujammen und ftürzte daun
mit wilden Sätzen burd) den Hausflur dem Wagen ent
gegen. —
„Daß du die Motten — i du. e odusllioner
Himmel- Bombenclement ^ — jtöhnte er auf und fletterte
in bie Drojchle — „Über jo was — fo ein verdammtiger
Reinfall — Gott foll mich bewahren — ich bin wie
gerädert an allen Sinochen..... Dunnerhagelblig und
Knall — da foll bod) aleidj!^ —
Und der jouft fo muntere, fede Aloys Fuchs rollte
bie Augen noch immer jo entjeßt umber, als ob das |
gnäpige Fräulein hinter dem Wagen herliefe und ihn
nod) einmal zuricnötigte! Cin fo fdjauderhaftes Ende
feiner fidelen Spazierfahrt hatte er ſich denn doch nicht
vermutet und ehe er noch ein zweites Wal für ſeinen
Leutnant Viſiten macht — lieber bod) Ddefertieren! —
Potſakrament! — er hatte mod) nie im Leben mit
einer vornehmen Dame gejprodjen — und bie eben
jab jo hoheitsvoll aus und hatte jo etwas wie ber
u
Herr Oberft in ihrem Wejen, bei dem man aud) nie weiß,
wo die Freundlichkeit aufhört und die mofante Nieder —
trat anfängt — daß bem armen n Aloys vor Befangenheit
ber Herzichlag ftodte! —
Und ber feine Duft — und bas robie Jna —
und daß fie immer „Herr Graf” zu ibm jagte — und
ihn wirklich und wahrhaftig für den Leutnant äftimierte
— ja, während er auf dem Marterroft von Plüfchjeifel
jap, batte ihn das alles geradezu betrunfen. gemacht, er
hätte e$ felber nicht geglaubt, bab. ihm das Herz derart
in bie Hofen rutiden fünne — und jebt, mo er fid)
allmählich erholte, und feine angeborene, freche Munter
feit wieder Oberwafjer befam, da begriff er fid) felber -
nicht in jeinem thörichten „Sammel ko
Sebt, wo die Gefahr überjtanden unb der Rater jid)
glücklich wieder purd) die Thür durchgeklemmt hatte, jaf
er fofort wieder im Bewußtſein feines Wertes auf dem
2
Das beiloje Scimpfen, mit pedem er fid) zuerſt
bag bedrangte Herz erleichtert Hatte, verjtummte, und
aus allen niederdrüdenden Nebeln erhob fid) eine bejto
- ftraffenbere Sonne, das SBerujtjein, für zehn Minuten
ein wirklicher und wahrhajtiger Graf geweſen gu fem! —
Wie tau ſchend und nobel mußte er Dod) jene Molle
gejpielt haben, wie jchneidig hatte er wohl ausgejehen,
daß bie Gnadige egal dabei ‚blieb. und. ihn Herr Gra]
nanntel —
Was er eigentlich geredet hatte, wußte er nicht mehr,
— 187 —
aber feine Phantafie und bie frijd) erwachten Lebens-
geijter arbeiteten befto frajtiger und bald war Aloys x
Fuchs felt überzeugt, daß er fid) tadellos benommen und
jenen Leutnant vollftändig erjebt Habe!
Das Hochgefühl ſchwellte feine Bruſt, unb wie ber
Menſch nun einmal dazu neigt, nach itberftandener Gefahr
in — mit Derjelben zu fpteler, wie Die Sabe mit
ber Maus, jo fonnte fid) auch ber biedere Offigiers-
burjche in ee Erinnerung an fein Abentener und war
mie ein Epab, welcher vom fichern Birnbaum aus die .
Vogelſcheuche verfpottet, welche ihm im erſten Augenblick ==
bod) in eilige Flucht gejagt!
Eo gereichte e8 auch Herrn Moys zu bejonberem
Vergnügen, in feinem Herzen über Fraulein von Wieders
zu ulfen, welcher er ein fo großes X für ein ll gemacht,
welche er jo völlig Hinter das Licht geführt und ein
— Cchnippchen gejchlagen hatte!
Mit funfelnden Nuglein erwartete er feinen suh x
um ihm gehörig vorzurenommieren, wie famos er fic) aus
der Schlinge gezogen und zu wieviel ungauslöſchlichen
Dank Graf Lichtenberg feinem Doppelganger verpflichtet fet.
Graf Kar fam jpát nad) Haufe, ingrimmig auf bie
empörenden Buftände in dtefem Negiment petternb! |
Bis nad ein Uhr hatte ber Oberft heute wieder
geleffen und feine Offiziere an jid gefejlelt, fie zu töd-
licher Langeweile verdammend! Das fonnte ja recht
erfriichend werden, wenu das fo Abend für Abend beiz
bleiben folte! Die andern Herren ftöhnten und ſchimpften
auch ihon in en Tonarten db — ſich an
ben einzigen Rettungsanter, Die Gefelligfeit, welche biejem
unertráglidjen Wirtshausſitzen wohl ein Ende machen werde.
So erſchien ber jüngjte Leutnant recht übellaunig
endlich in feiner Wohnung und war überrajcht, Aloys
Fuchs feiner farrenb, nod) vorzufinden
Mit aller Lebhaftigkeit und Gewaͤndtheit, welche den oa
Armſten bei feinem Debüt fo täglich im Stich gelaffen, -
- fehilderte er fen Abenteuer bei Fraulein bom Wieders,
renommierte und jehnitt gewaltig auf, und fonnte gar o
nicht fatt werden zu verfichern, das gnadige Fraulein jei
voliftandiq getäufcht worden und abme — on
eigentlich empfangen. |
Graf Kai war anfänglich febr betbabt — cm
aud) ein wenig erjd)redt | über Dieje unvorhergelehene
Wendung ber Dinge, aber jein Knappe wußte fein Un-
behagen bald gu zeritreuen, und wenn ber junge Offizier
den teden, jo munter. ichwadronierenden Burjchen anjah, -
jo mußte er fid) eingeitefen, daß Aloys Fuchs wohl ganz
geeignet jet, bie Rolle eines Leutnants zu jpielen.
Er ließ fid) alles ausführlich erzählen, und da e8
der Nheinländer mit der Wahrheit nicht allzu genau nahm,
fo wiegte fic) auch Graf Kai bald in abjoluter Eicherheit
und bog fid vor Lachen über biejen fapitalen Scherz.
Nun, da alles jo gut abgelaufen war, fonnte er fich gar
nichts Beſſeres wünſchen, als wie der alten Schachtel
— eid) einen Schabernack gejpielt zu haben, denn jein
Selbſtbewußtſein mar groß und mit ber Halsſtarrigkeit
¿AAY XS
= (OO
eines Knaben verrannte er fich in bie Oppofition gegen
Du. Berjönlichteit, welche er gar nicht fauute.- p
© Wem er fie aber mum tennen lernte? Würde ihr =
der Unterjchieb amijen Dum und nicht bod
auffallen? x
Aloys Fuchs paihere, dies jet. — Das
gnädige Fraulein habe ihn nur im Dämmerlicht gefehen,
und er jet aud) ſchlau genug. geweten, hg 1o in Den
Schatten zu fever. 2
Graf Lichtenberg belobte ihn jehr, ient ihm b Dreb o
Mark und höhmte im Herzen unendlich über diefe Horn-
dumme, alte Schraube, welcher man mit t dol groben
Geſchütz anfahren fönnte. —
Acht Tage waren persone
Stolz und felbjtgufrieden Schritt Kat von Lichtenberg
Daher und lüdjelte nur ſchweigſam und ironifeh, menn ——
in feiner Gegenwart von der Regimentstante geredet, ihr
! eon und ihre Hergensgitte, ibr Scharfblid und ifr. |
Verftändnis für das Eeim und Weſen eines Offigiers
gerühmt ward. em Herz hatte anfangs doch etwas
beflommen gefdlagen, als er am Morgen nad) ber
ominöfen Bilite en Bier Wreders unter Pie
Augen trat. |
Sun — fid. ja zeigen, ob bas _geiftbotte Icharf-
bliefende” Fraulein Refi Qunte gerochen hatte, denn daf
fie in diefem Fall in wildem Zorn: und Rachegefühl fofort
pen Bruder Meldung vun t haben, würde, mar ſelbſt⸗
z 100 eee
"ll | m; — joíd) eine arrogante, verwöhnte alte Schachtel
N ln) mar jeiner Anficht nach ſtets rachjüchtig und Handalluftig
| "und hätte e8 alg Wonne erachtet, einem jungen pinn,
welcher ihre geheiligte Perſon nicht genügend refpet
tierte, fo empfindlich wie möglich zu faden. Aber
fiehe dal — uic
Der Nittmeifter war zwar nicht gerade liebenamrbiner
‚wie fonft — er hatte den Grafen von Anfang an mit
etwas grimmigeironifcher Grobheit behandelt — aber er
markierte auch fein ,,Geladenfein’ oder eine befondere
Wut, ein paar Kleine Anfchnauzer abgerechnet.
Sa, als ber Dienft vorüber war, nidte er ihm fogar
huldvoll zu und jagte: „That mir leid, Lichtenberg, bap
id) geitern. abend nicht zu Haufe war, als Sie meiner
Schweiter Ihren Kratzfuß machten!” —
Kai berneigte fid) febr tief und eryoiberte in bebauernbem
Ton etwas Unverftändliches, — aber innerlich ftarb er.
‚beinahe vor Lachen, denn num hatte er ja den direkten
Beweis, bag bie teure Negimentstante wirklich. Düpiert de
| worden war. Darum lachte er nod) ſarkaſtiſcher als
Niebeland und Howald e$ ablehuten, mit ihm zu früh-
ftüden, weil fie im Vorüberreiten Tante Refi ins Fenſter
gerufen hatten, daß fie um zwölf Uhr um eine Mubieng
büten! VES
— Den jungen Dffizieren entging das ——— Lacheln
nicht, und ihre Abneigung gegen Graj Kai Lo an, wie
ein ae nach Gewitterregen.
Sie machten unter fid) aud) fein Hehl aus biefer Anti
= Ul —
pathte, denn fie wußten, bag fie mit ` nicht allein x
| ftanbdett.
Der jüngite ` hatte eine fatale Gsefchiclichteit
an den Tag gelegt, fid) durch fnabenfaite Arroganz und
abfprechende Urteile über Maiſenburg und feine Geſellſchaft
und Einrichtungen ſchon in kürzeſter Zeit ſehr unbeliebt zu
machen, und wenn er feine Vereinfamung im Kameraden-
freije vorerft noch nicht recht erfannte, fo war wohl nur
feme Blafiertheit daran ſchuld, mittelft der er fich einbilbete,
er jet e8, welcher fich in allzugroßer Bornehmbeit vorerſt v
nod) rar made.
So zog er es aud) jebt vor, in feiner Wohnung allein
zu frühjtuden, denn Die beforgte Mama hatte ibm aus
einem renommierten Delikategeichäft ber Nefidenz ein —
höchſt appetitliches Frühſtückskörbchen zufenden laffen, auf
deffen Inneres fid) Der Graf — in biejer Beziehung fonnte
er Lichterfelde nod) nicht ganz verleugnen — {don während
des ganzen Fußererzierens innigſt gefreut hatte. Und
nun jap er vor dem jrübjtüdstijd), welchen Aloys Fuchs
mehr. eifrig Tote zierlich gedeckt hatte, und packte ſeine
Herrlichkeiten aus.
Obenauf ein Brief von 1 Mama, — ben legte er bore
(äufig beifeite, denn wo der Hunger anfängt, da Hören
zärtliche Gefühle auf — unb vertiefte fid) ſchmunzelnd in
Die materielle Seite ber Sendung, welche ibm mit aller
hand PRaftetennäpfchen, Biichjen, Würften und Flafhen |——
entgegen lächelte. —
Solch ein Frühſtückskorb ijt ein patentierter Sorgen
— 192 —
brecher, und e8 war —— bap Rai
feine Eorgen an Diefem falten Wintervormittag hatte,
— die Welt lag al angenehmer Erdenkloß zu feinen Füßen,
unb der jüngfte Leutnant ftrampelte auf ihr herum, wie
es ibm — und nicht andern Lenten beliebte, und ſolch
ein Hochgefühl üt fid) zumeift [don felbjt genug und
bedarf weder der Gaujeleberpaftete nod) eines Likörs
Dermody verjchmähte fie Kat nicht, im Gegenteil, Hu
feinen vier Wänden brauchte er nd feine najerümprenbe
Burüdhaltung aufzuerlegen, und jo aß er, — mehr, immer
mehr — bis er febr fatt war, und dann warf er fic,
ungeachtet der Epornftiefel aufs Cofa, entgümbete eine
Cigarette und griff feir ſelbſtzufrieden non bent mütters |
lichen Brief.
Cd)on nach wenigen Minuten verdüfterte fid). fein
Angeſicht, und die alte Lehre bewahrheitete fi, Dak man
Brice pels erit nad) dem Eſſen d Lus €eine Mutter
EM unter anderem: x
Ms Dein febter. Brief fam, mein [er ‘war
gerade Ontel Humbert hier, und weil id) fo fehr über
Deine Echilderung der myitifizierten, alten Meqiment3tante
gelacht hatte, las id) biejen Paſſus Deines Schreibens
aud) Onfel vor! — D hätte id) e3 nie gethan! Geit
biejer Stunde ift eë um meine Rube geichehen, denn Du
madjt Dir ja feinen Begriff, wie Ontel außer fid) war!
Mas ich für einen luitigem Streich hielt, tabelte er mit
den Schärfiten Ansdrüden, war empört über fold) ein
Benehmen gegen eine Date, welches bei einem Offizier
ree:
t$tante 1
gimen
Me
Die
u. Too,
<
i itrutd, ot. Nom
9t. v. €
= dM —
doppelt fcharf verurteilt würde! Deine Jugend jet da .
feine Entjchuldigung — und wenn die Sache herausfäme, —
wenn Fraulein von Wieders ben wahren Sachverhalt noh —
erjübre, würde fie zweifellos bem Oberſt Mitteilung machen,
und der dumme Streich könne Dir dann Leicht den Kragen
foften. — Schaden würde e3 Dir auf jeden Fall ungeheuer,
— Deinen Kler in der &onbuite hätteft Du weg! — —
Ach Kai, welch eine Todesangit foltert mich nun! Dent’,
wenn die Wieders fid rächt, fannft Du den Wb} died
befommen, und was foll dann werden? — Du haft nicht
bie Mittel, um von Deinen Nenten leben zu können, und
um einen andern Beruf ergreifen zu fünnen, dazu fehlen
bie Vorfenntniffe — und wohl aud) die Paſſion, nod-
mals die Echulbanf zu drüden! (58 ijt entjeglih! —
Wenn Dein Burfche nun plaudert? — Von ber
Wieders fann man feinen derartigen Edelmut erwarten,
daß fie Did) font, denn Du haft fie zu febr nichtachtend
behandelt, und das ift in ben Mugen älterer Damen die
ſchwerſte Beleidigung. Bch fenne fie ja perjönlich, aber
nur flüchtig — febr flüchtig, — erinnere mich ihrer als
recht häßlich — und fold)’ hapliche, alte Jungfern find
mmeiſt verbittert und intolerant! — Sieber Kat - — geli
. .e8 ber Oberft erführe — — "^.
Mit einem Laut höchfter Wut fnüulte Der Rejer den
Brie} zufammen und fprang von dem Sofa auf, um mit
jehr erregten Schritten im Zimmer auf und ab gu gehen.
Das hatte gerade noch gefehlt! — Das war ja eine
nette Perjpettive, welche ihm da eröffnet ward! -
An bicje Auslegung hatte er mod) gar nicht gedacht —
eine derartige Auffaſſung war n nod) ger nora in den
Ginn gefommert.
Der Ontel war verrüdt! —
— Wegen folch eines alten Frauengimmers einem Graf
Lichtenberg den Abjchied . . . oder was im die Konduite
e. D — fold ein Gedante ijt ja, um aus ber Haut
M fahren!
bor. 3 joviel er auch innerlich auf ben Ontel
ichimpfte, ; er mußte ſich bod) ſchließlich zugeftehen, daß
derſelbe einer der bedeutendften und korrekteſten Offi- D
alere a Armee, unD dap m Tren Jap und gerecht
ift! — x
- Sm wird e3 plößlich zu M ut, wie ben Heiter, welder —
erfährt, daß er über bem Dee pues it, — ibm. zc
grauft ea plößlich. a.
Sa — was Dann — wenn Se WBieders Die Sadie
erfährt? — Auf Schonung darf er nicht N — bei
ihr am wenigjten!
Was dann?
Kal beißt bie Zähne auf jammen und pm ben Ropi
jah in den Naden.
Bah, wie foll fie es bom: er jahren? — Aloys ift Der
einzige, welcher um bie Sache weiß — und daf er ie gen
wird, foll binfori jeine größte Sorge fein. |
- Noh ijt Polen nicht verloren! Hahaha! Und bange
machen gilt nicht! Die Gefahr erhöht den Reiz — und
Die R eginari wird Die s arrikatur fem, über welche
| 13* |
— 196 —
jette Rinder und Enfel einst noch lachen werden, menu.
er feine Memoiren erzählt und des Schwanfs gedentt,
wie er die Alte büpierte! Er lacht kurz umd hart auf —
und mitten in fein Gelächter klappt eine Thür.
Aloys Fuchs fteht auf der Schwelle. — —
te Herr Graf — eine Einladung” —
Kai greift nah bem fteifen Kartonpapier und fein .
— Geficht fieht plößlich febr verdugt aus.
„Nittmeifter von Wieders nebjt Schweſter geben Hó
bie Ehre, Herr Sentnant Graf Lichtenberg zu Donnerstag,
‚den 12. b. Mts., um Drei Uhr, zum Mittageſſen im kleinſten
Kreiſe einzuladen.” |
Donnerwetter ! |
Donnerstag — das ijt erft in drei Tagen — und
anderweitig berjagt ijt er noch nicht — und eine jonjtige
Ausrede fann man in Ddiefem fleinen Neft, wo einer
Dem andern in die Fenſter gudt, = machen. Bas :
tun? —
| Wieders aft fein Nittmeifter, — er uil cinia fin,
— er muk e3! — x
Und warum aud) nicht? Einmal mu er ja | pr
- -Süegimentétamte dod) gegeniiberftehen, — da Hilft fein
.. Maulfpiben, eë muß gepfiffen fein. — Beigt Diele Ein—
- [adung nicht am deutlichjten, pap W Wieders völlig abnungs-
los find? —
Warum alfo fol er nicht aud) gang harmlos und
| ahnungslos zu ihnen gehen? |
Ajo — u ben mn a veingebiffen!
— Ar o
Rat wendet fid) um: Betelen Sie eine {chine ae o-
prehlung, und id) würde bie Ehre haben und kommen? — a
Der Burjche gringt febr ungeniert über das gange
Geficht, und ſein Leutnant will juft zornig auffahren -
und fich folde Unverjhämtheit verbitten, als ifm noch
rechtzeitig einfällt, daß Aloys Fuchs um feinen Preig
der Welt beleidigt werden Darf. Fatal! — Ein ſcheuß—
x liches Gefühl, von dem guten Villen eines folchen Kerls
— absubdngen, — aber was a H, — mitgegangen, mit-
- gehangen.
Und Aloys Fuchs hätte nicht ber geriebene snp
fein müſſen, gu welchen Mutter Natur im gemacht,
menm er wicht bie Situation voll ss und maie
nübt hätte.
Wehe der Dame, welde ihre Jungfer zur dod
macht! Rehe bem Herrn, welcher feinen Diener Wits
wijjer von Geheimniffen werden (apt, welcher ifm D Dinge |
anvertraut, bie ſonſt feines Menſchen Qr er fahren
darf, fie haben fid rettungs(o3 in die Hände ihrer
ärgiten Feinde geliefert, fie haben fid) der Niedrigfeit, |
Habgier und Gemeinheit als Sklaven verjchrieben, fie —
haben fich und ihre Ehre, ihre Mittel und ihre Stellung
preisgegeben! Auch, Rai Lichtenberg follte mit Sngeimm a
ſchon allzubald die Erfahrung machen, Daß e8 ein übel ——
Ding für einen Herrn ijt, von feinem Burjchen abzuhängeın.
Der joni dienfteifrige, gehorfame Moys war feit
einigen Tagen fidjtbar nachläjfig und nichts weniger mehr
wie aufmerffam.
— 198 —
Die Caden waren Schlecht: gepubt, Herr Wloys nicht
zur Stelle, wenn gettimgelt ward, — das Zimmer blieb | x
trog ber fremiblidjen Mahnung auch am anderen Morgen
wieder unaufgeräumt, und als ber Graf jchließlich mit
einem Donnermetter losfuhr, da ſchillerte es wunderlich
in ben Mugen des Rheinländers und er bemerkte nadh
wenig Minuten fo leicht hin: „Glauben wohl der Herr
Graf, daß der Droſchkenkutſcher neulich gemerkt hat, wen
er fuhr? — Na, wenn er was jchwäßen ſollte, fo leugne
id) alles rundweg ab, c8 liegt bod) ſchließlich an mir,
ob id) jo was de ober nicht, und das thue ich ſchon
| queri" — an
Lichtenberg grub die Zähne im die Lippen, er fuiridjte
in ohnmächtiger Wut und jagte fid), daß er der größte
Eſel unter Gottes | Sonne gewefen, ben verwünjchten Streich
auszuführen, — aber e3 war gefchehen, unb die Greig-
nijje — diesmal ihre Schatten nicht voraus, ied
E
Als er am nächften Bormittag bon bem Dienſt Heim-
lbi bemerfte er, bab Herr Aloys febr ungeniert aus
dem en Delifateptorb gefrühftütckt hatte. Die Liför-
flafche war halb leer, bie Truffelle berwurſt von welcher
er geftern mur ein Heines Stüdchen zur Probe abge-
ichnitten, war big auf die Hälfte verkleinert, und von der -
Sänfeleberpaftete fehlte das vocat ‘Yas er Darin ge
laſſen, gänzlich
Das hieß die Frechheit weit getrieben .
Kai tobte innerlich, verwünjchte ben Schranf, an
= 199 o
meldjem der Schlüſſel fehlte und jagte fid), bap feine Ci-
garren Schon jeit Tagen rapide abgenommen. Das waren
ja fchauderhafte Zuftände! Und dies alles mit anjehen
und doch ſtillſchweigen müſſen, ſolch eim Arger war m
. bie Dauer einfach unerträglich! D
Es fribbelte ifm in den Fingern, mal mit dem eijernen
Beſen bagmijdje gu fahren und ein Wort deutſch mit
bem imfamen Merl zu reden, und er würde es auch ſicher
gethan haben, wenn — ja wemi dieſes unjelige wenn!“
nicht wäre!
Seit er den Brief ſeiner Mutter erhal ten, febte er in
ſtändiger Aufregung.
— . Se unbehaglicher ér fid) unter bem Drud fühlte, defto
mehr wuha feine Sorge, Fräulein von Wieders möchte
bon jener Perfiflage erfahren, und je mehr dieſes Bangen
ſich ſeiner bemächtigte, deſto hilflojer ſah er ſich in die
Hände feines Burſchen gegeben. Durch den Dro} ſchken⸗
“futher hatte Aloys eim Mittel zur Verfügung, feinem
| - Serm aufs empfindlichite zu Schaden, falls er zur Mache
gereizt würde, ohne jid) jelber im mindeften bloBauiteden.
Und Aloys Fuchs war raffiniert genug, biejen Vorteil aus:
zunuben.
Es waren böje Tage und Nächte, we (che in juge —
Offizier burdjfebte, ein Fegefeuer, in welchem ein qut
Teil feines hohen Selbftbewußtjeins verſchwand, und als
der Donnerstag fam, da fühlte er fid) von all dem Ärger
unb den unterdrücten Zornesausbrüchen, jowie bom Diejent
Hangen und Bangen in [djmebenber Pein, ganz jammer-
— 200 —
voll, und wäre er nicht Rai von Lichtenberg geivefen, |.
bejjen Arroganz noch immer größer war wie jeine &elbit-
erkenntnis, fo wäre er wohl alg gerfuirjd)ter Sünder vor
Der Negimentstante erjchienen. —
Das that er aber nicht, fondern — vorerjt nod; :
alen Grol und alle Verantwortung auf fich zu laden,
er rief all feinen Männerſtolz und alles Sel bjtberuftiein
zu Hilfe, um fid) daraus einen Harniſch zu panzern, m
welchem er trogig und fampfesmutig vor unbe-
fannten Feindin erjcheinen wollte. — > 3
Der Wagen fuhr vor, und diesmal war e3 dei echte
Graf, welcher mit umwölkter Stirn und zurüdgeworfenem
Haupt hineinfprang und mit najelnder Stimme abermal8 ——
befahl:
„gu Fräul ein von Biever L
abgelegt, noch einmal etwas umjtändlich das
leicht gebrannte Haar mit zwei Bürjtchen vor
dem Spiegel glatt gejtrichen und war dann mit unnab-
barer Miene an Johann, welcher die Salonthür auirig,
borübergeichritten, dus Boudoir der Negimentstante zu
- betreten. |
E3 war leer, und bee junge Riirajfier rümpfte don |
y: Lichtenberg hatte aut dem geräumigen Flur
Die Naje, bab „vie arrogante Perjon” ihn antiſcham
brieren lieh.
Nach wenigen Augenblicken erſchien Johann abermals
und verneigte fich jo tief und re jpeftuoll , dap n nan jein
Geſicht faum ſehen fonnte.
„der Herr Rittmeifter laffen vielmafs um
gung bitten, eine dienſtliche Angelegenheit berief ihn zum
Herrn Ober. Herr Graf möchte gütigft verzeihen und
mit dem gnädigen aranan am das Miitta pee eit
nehmen! pe
— 203 —
Stai fnnrrte etwas Unverftändliches, was verzweifelte —
Uhulichfeit mit dem Stoßfeufzer „Hols ber Teufel” -
hatte, und Johann fügte feiner Rede nod) Hinzu: „Wenn
irgend möglich, hofft ber Herr Nittmeifter, — gn
Kaffee wieder hier zu fein.” |
Out, dante Ihnen.” —
Und Johann verfchwand.
„Bo bleibt denn bie alte Schachtel waige, wenn
ber Herr Bruder dienjtlich verhindert ift, feine Gäjte zu
empfangen?” groflte ber Sürajfier und ſtreifte mit ärger: —
idem Blick bie — Eleganz, welche ihn umgab.
SS ut einfach bodenlos, einen bier ee lafjen wi
die Zrumpf Sieben!” en
. Gr warf fih in einen Seffel, daß 03 fractte, jet -
aber im nächften Moment wieder empor, denn jchwere
Schritte, welche ein leifes Beben und Klirren im Salon
verurfachten, näherten fid) im Nebengemach, die Portiere
ward zurücgefchlagen, und Graf Lichtenberg anb der
Negimentstante gegenüber.
Cr flappte bte Sporen zufammen und neigte das Haupt i
in jebr formellem, etwas fteifen rupe. p
„Gnädiges Fräulein waren jo gütig zu geftatten — D
und dann fdjaute er mit falt forjdendem Blid auf feine -
zeindin. |
Grundgiitiger, weld) ein Monjtrum!! Und bom ber
himmeln und jchwärmen feine Kameraden in allen Ton:
arten, — von der läßt fid) ein ganzes R Negiment — eine
ganze, vornchme Geſellſchaft gängeln?
E tai jah eine der. vide, alte Dame vor fid)
tehen, mit unbejchreibl id) ordinärem Geficht, welches ind —
Blausrote fpiel ie vornehmlich bie Nafe, welche entweder —
erfroren mar, ober pon mane) . pean — x
räteriſche Dinge berichtete.
, Gine mächtige, ſchwarze C'openbaute, feauberhat
. geſchmacklos mit lila Veilchenſträußen unb jalatgrünem
Band garniert, ſchwankte auf bent breiten Scheitel, und
das Schwarze Ceibenfletb fpannte jo eng um bie dicken
Hüften und den vortretenden Magen, daß dem anſpruchs
vollen Grajen ganz ſchlimm und weh bei bem 3(mblid .
wurde. Cine altmobijdpe, dreiedige Cpibenbatbe, eiue
riefenhafte, gewöhn liche Brofdje aus gefchnistent, weihen -
Elfenbein und eine dicke: lifrfette, welche ihr maſſives
Medaillon wie einen PVerpendifel über den Bauch ber
Be eſtherin ſchaukel te, markierten die au — welche
einen Grafen zu Iſch erwartete = ——— i
„Ra, ba find Sie ja! begrüßte ihn bie te mit =
einen Ausdruck in dem fetten Geſicht, welchen Rai von — :
Lichtenberg nur als hochf t bimmbreijt^ bezeichnen fonnte. oo
„Haben wohl Hunger, was? Na, mir fnurrt Der Magen - =
aud) jdjon; fommen Sie mit, Wir werden a mas -
bekommen! —
Der jüngfte Leutnant ftorrte die Corsica morlos an.
Welch ein jchauerliches Weib — und weld eine Sprache
— und mie fie baftanb! (š fehlte nur noch, daß fie die
Arme in die Seite jtemmte und ein Waſchfaß por fid) nahm! | |
Na, dağ bie teure Regiment3tante fein Bild der —
—- o 2050 9
Schönheit mar, hatte er ja von allen Geiten gehört, —
aber jo — nein, ſo hatte e fie fich bod) nicht vorgeftellt! — .
Die Alte matichelte ungeniert bor ihm ber nach dem E-
zimmer, und Die Eleganz ber Salons, welche fie pajfterten,
und die antite Pracht des Speifef aales TIONEN
abjotut nicht mit der greulichen Befigerin.
- Graf Kai hatte fid) zwar vorgenommen, Lichterfelder —
Sralloorie nicht mehr zu gebrauchen, aber in dieſem
Augenblick fonnte er es nicht vermeiden, fich im tiefften —
Innern unaufhörlich zu wiederhohlen: „En Sjanet bod St
ijt Dies Weib — der reine Schauerbock!“ |
Johann ftand mit tief ernſter Miene harrend bereit. |
,C0; ba find wir, — nu tragen Sie mal auf!” nidte
ibm bie Tante zu und — ihm im Vorüberſchreiten einen
jovialen, kleinen Slaps gegen den Arm, „eben Sie fid),
junger Mann, — und tüchtig zugelangt — ich bin nicht
für bie Schenierlichteit“, fügte fie gegen Rai gewandt hinzu,
und nahm puftend, und fid) ungeniert das Kleid am Halfe
etwas [oderub, bem Gaft gegenüber Blab. |
,Wüllen Cie ifm ordentlich Suppe auf, Johann, fo
junges Blut haut frájtig ein! — Na, na — laffen Sie
man”, wehrte fie mit entjeglich unfeinem Lachen, als Rat
eine erjchrodene Bewegung nad) dem Büffet machte: „ich
efje auch meine Portion runter, und Sie werden fid) bod)
wohl nicht von einem Weibsbild beſchämen lajjen! Go; —
bm =: . qut, die Bouillon — aber. noin bißchen heeße,
puſten Gie mar!“ —
Kai hatte das Gefühl, al 3 füße er bis an die fini
— 206 —
im falten Waffer. Er hatte fih wahrlich feme idealen -
Borftellungen von der alten Schachtel gemacht — aber —
dies überjtieg Denn Doch alle Begriffe. Daß fold) ein
Frauenzimmer einen Burjden von einem Küraffieroffizier
nicht unterfcheiden fonnte, munberte ihn nun wahrlich
nicht mehr.
Und jid) folh einem Belen gegenüber nodj zuſammen—
nehmen und den Artigen jpielen müffen! —
„Snädiges Fräulein tennen meine Mama und Tante
Dyhern perfönlic), wie id) burd) Ihren Herrn Bruder
hörte?” — begann er voll ungeheurer Selbſtüberwindung
bie Unterhaltung, und Fräulein von Wieders grungte
nur fopfnidend und löffelte jehr eifrig drauf los. —
yom ... fo gewiffermaßen — aber... bas ijt jebt
alles Rehentache. Beim Effen fol man nicht viel reden,
foudern fauen, das prebige ich bei uns am Tijche — —“
fie unterbrach fid) plöglich, weil Sohann huftete, und blickte
auf. „Sertig — e3 fann weiter gehen! — Daß mir
Sette aber nicht etwa den Bud serbroctelt! Cx V ent
gibt3 nümlid) den €adj$, Herr Leutnant — und wenn
ber nicht tadellos angerichtet ijt, — dann fieht er gleich
aus, als hätten fid) bie Hunde brum gebifien! — Wie
meinen Sie?
Bei dem „Herrn Leutnant” war es Kai falt über den
Rüden gelaufen, — - mud das noch! eë ward ja immer
bejjer! x .
Sr jtammelte wie aeiitesabmefenb etwas don Dem
Herrn Bruder, welcher bienjtlid) verhindert fei — aber
— 307 os
Fräulein von Wieders hatte ihre ganze Aufmerkſamkeit
auf den Fiſch fongentriert und nidte nur gerjtreut: „Hin,
ber Rittmeiſter ift von Hans gegangen ... So! nun
mal ran mit Ihrem Teller — hier fibt ber fetteite Happen,
ben follen Sie man haben!” x
Nein, e8 war nicht möglich, fid) mit diefem Franenz
zimmer zu unterhalten, e3 ging einfach über die Kräfte
Des femjtem und eleganteiten aller Kavallerieoffiziere!
Und jebt — Rai ftarrt die Gaftgeberin an, als fet
ihr bänders und veilchenummmogtes Haupt das Original
ber Meduja — jet nimmt fie ihr Meffer zur Hand —
und jabelt ungeniert auf den Fijc cin! — Haarfträubend! —
— Kat von Lichtenberg möchte eigentlich ſchallend auf
IE Lachen, aber bie Kehle ift ihm wie zugefchnürt.
: ‚Ma - — jdmedt'8?" grinjt ibm bie Alte ermutigend
an, und ber Graf greift zufammenjchredend gu der Gabel,
— ,J8o fommen Cie denn eigentlich her?” informiert
fic) Fräulein von Wieders mit vollen Baden fauenb, und
Das ift mur eine jehr jeichte Redensart, ein pour parler,
denn fie weiß genau Bejchetd. Und wie empörend ordinär
ihre Sprache mit dem bäuerlichen, breiten Ton T —
Gar nicht zu fajjen! — =
Aber Kai macht eine Heine Berbeugung und inet
fich eine Antwort ab. „Mus Berlin, meine Gnäpdigite!
Cie fennen eS bod) auch? — Oder waren Gie längere
Seit nicht in unſrer Metropole 2
„Re — in neuejter Seit nidh.” —
wer bie Stadt hat fid wunderbar perünbertl
— ABS c
Dieje Kunft — diefe Cebensmürbigfeiten — würde es
Sie nicht interejfieren Das neue Herds ndeor ainor —
Die herrlichen Denkmäler zu fehen — “ x ne
Die Negimentstante legte bie Fauft derb neben ſich
auf den Tilh. Sn dieſer Fauſt Halt fie die Gabel, aufs
recht, in der Art wie der Soldat fein Gewehr prüjentiert,
und anf bie Gabel ift ein Stüd Kartoffel aufgefpießt,
von welchem bie geie Eierſauee wie Behmutszähren
abtropit. —
Kai ſchwindelt e geradezu bei biefem Anblid, aber
fein Gegenüber lacht gemütlich: „3 woher denn! Das
ijt mir alles ganz fchnuppe; aber was ich jhon mal fehen
möchte — das ijt jo eine große Markthalle — wo mer -
alles fo hübſch app is und a gleidh neben a
ame bat — — —"
Sie nerjtummt, denn pinter ibr i in der Thür rau} idt
eë von feidenen Gewändern, eine hohe, impojante Frauen⸗
geſtalt ſteht auf ber Schwelle und gibt ihr ſowohl, wie
Johann einen kurzen Wink Dieſer hat juft bie Teller
gewechſelt, er tritt zur Thür, und bie bide Regiments-
tante erhebt jid) eifrig mit febr zufriedenem Geſicht, macht
dem verduhten Grafen eine linfijde Berbeugung unb —
watjchelt, jo jchnell eë ihre Korpulenz geftattet, davon,
Dinter Johann ber, um durch die Seitenthür zu ver—
ſchwinden
Was jol dies? Was bedeutet diea? — Wer iſt die
fremde Dame? —
Rat a aufgejprungen und ftarrt ioe wie en mou
| 7 mr — a
oe —
E:
See MIT
14
Efhftrutb, I. Rom. u. Nov, Die Negimentstante L.
T.
N,
=m
fidget an, und weil dieje lepte halbe Stunde zu viel —
des Unfaßlichen und Überrafchenden gebracht, legt er die
Hand gegen die Stirn, als molle er fid) vergewiſſern,
daß er nicht träume.
Die fremde Dame aber tritt — als fie allein find
— mit leijem, luftigem Aufladen ihm entgegen, blidt thn
Ichalfhaft an und fragt: „Nun Graf, find Sie zufrieden
mit mir? Bin ich gut genug auf Ihre Gutentionen ein:
gegangen ?" x | x
Meine Gnübige, id... id) weiß nicht...” jtammelt
Rai Lichtenberg faffungato3, flappt abermals die Haden
zufammen und nennt feinen Namen. |
„Und id) bin Thereje von Wieders!“ lächelt j ſein —
über mit leichter Kopfneigung. „Wir lernen uns auf Um:
wegen fennen, Graf — |
„Sie, meine Gnädige? — Cie . . . Fraulein von
Wieders? Und jene andere Same? . . .“
Der junge Offizier fieht plüblid) aus, als fei er einer
Ohnmacht nahe, Reſi aber lacht abermals und erwidert
ſehr fröhlich und harmlos: „Jene andere? Das mar
meine Ridin Anna, lieber Graf! Sch Hoffe, daß 1d)
in Shrem Sinne handelte, indem id) annahm, dak Gie
unjern Verkehr vorerft burd) bie SDienftboten regeln wollten!
Sie liegen Ihren Burjchen bet mir Vifite machen, barum
hielt id) e3 dementjprechend für richtig, Sie von meiner .
Köchin empfangen šu laffen! D ich habe Sinn für Humor, -
Graf Lichtenberg — und wenn meine Regimentsneffen —
einen fleinen Karnevalsſcherz infcenieren wollen, jo finden
— 211 —
fie mich. ftets bereit, heiter unb guter unge t ein⸗
zugehen! |
Wie Schuppen mar e8 von den ‘Shiner be. jungen
$ürajfier8 gefallen, und nun anb er da, abwechjelnd
blaß und rot, mit dem einzigen, unklaren, verzweifelten
Wunſch: ad) bap fid) bod) bie Erde öffnen wollte — mid)
zu verichlingen! Welch eine namenloje Blamage! Welch
ein grümdlicher Reinfall —! Und dabei diefe herzensguten,
ladjenben Augen, welche auf ihn gerichtet find — diefe
weiche, liebenswürdige Stimme, welche feinen jcharfen
Klang zu tennen fcheint, welche feme Flegelet voll Laune
und Humor zum Karnevalsſcherz jtempelt und fie in geift-
volliter, wißigjter Weije pariert. —
Ach Kai von Lichtenberg hat das Gefühl, ala mühe :
er in dieſem Augenblick Hein — fo klein wie nod nie
vorher, ala weiche der Berg von Hodmut und Selbjt-
bewußtſein jahlings unter feinen Füßen weg, um ihn herab-
ftürgem zu laſſen in den Abgrund Elaftertiefer Neue und
Zerfnirfhung. Und fein Haupt fintt auf bie Bruft, und
fliegende Schamesglut bedt jene Stirn — und er ftammelt
leije und jd)meratmenb: , 3d) dante Ihnen für dieje Lef-
tion, mein gnädiges Fräulein — ich habe fie verdient!”
Da ſtreckt fie ihm beide Hände und drüdt
Die feinen gar herzlich.
Was jagen Ste von Sektion, lieber Graf! Dieſes
Wort fteht nicht in meinem Lerifon! Ebenfowenig, wie
Cie mich franfen wollten, ebenjomenig wollte id) Sie be-
feidigen, — wir haben ein launiges Spiel gejpielt und
14*
c 312 _
gefunden, daß wir uns im biejer Kunſt gewachſen find!
» Und nun wollen mir uns gu Tisch jeben und unfer origi- —
nelles Kennenlernen feiern! Zum Karneval gehört Sette — —
ftimmung! Darum laffen Sie uns. darauf anjtoßen, bag
Burfche und Köchin die beiten Bindemittel für eine gute
und dauernde Freundfchaft fein möchten! Bitte, Ihren
Arm, lieber Graf!” ns x
Und Graf Kai nahm zum zweitenmale am Eßtiſch
Blog, aber unter gänzlich veränderten Berhältnifien, und
mie angenehm und wohlthuend dieſelben ibm jetzt er-
ſchienen, läßt ſich gar nicht beſchreiben
Tante Thereſe hätte fid) gar feiner qaem
Folie bedienen fonnen, als ihrer. Köchin Anna, denn mad) — —
diejer unförmigen Maidine, ‚welche dem jungen Herrn erz
ſchienen mar, wie eine bide Cidymartenmagenurit, welche
in ihrer Mitte den Einfchnitt des Bindfadens quasi als
Taille aufweift, deuchte ihm die itattliche, elegante Er-
ſcheinung ber Regimentstante nod) bedeutend impoſanter,
unb ihr lachendes, geiſtvoll kebenswürdiges Geficht fand
er geradezu jd)ón, gegen Frau Annas fupferfarbige Plage
mit Der Warze auf Der Naje. he
Wie hatte man Tante Therefe überhaupt häßlich nennen |
fönnen? — Rein Friedensengel lächelt den Menfdjen be-
Tufigenber und tröftender in bie Seele, wie fie, — und
wenn Graf Kai bedenkt, Daß fie feine Farce fofort Durch:
ichaut hat, baf fie aber fo übermenjchlich edel und wobl-
wollend gemejen, fein Wort an maßgebender Stelle darüber ©
verlauten zu lafjen, ja dann überfonunt den jungen Offizier —
— 213 —
ein Gefühl wahrer Begeifterung, und was in feinen
Kräften ſteht, fid) ah und angenehm zu MAE, —
gefchieht. ae
Die Unterhaltung ift lebhaft und iberan geiter, Fräu⸗
lein von Wieders verſteht es, jid) ben Intereſſen und dem
Geſchmack ihrer Gäſte anzupaſſen, und ſo findet ſie auch
ſchnell die ita heraus, an welcher ifr wi
iterblid) U RE
Sie iui ibm bie hochintereffanten Nennen, nee —
alljährlich in der Nähe von Matjenburg abgehalten werden,
fie jpricht mit fo viel Berftändnis von jdjónen Pferden und —
allen Greigniffen auf Surf umb Barfett, bag Kai fein —
junger, im Grunde des Herzens brennend lebensfroher
und fportlich gefärbter Neiteroffizier fein müßte, um ihr
nicht mit vollen Segeln auf dieje Gebiete > folgen, wo-
hin fie jo gejchieft jteuert.
Cie ijt auch gar nicht engherzig und fchlagt feine
Drei Kreuze vor dem & otalijator, wie andere wiirdevolle,
philiſtröſe Tanten, im Gegenteil, ſie erzählt ſehr harmlos
und vergnügt, daß fie jid) jedesmtal ſelber bet ben Wetten
beteiligt und ſchon manch unerfahrenem Kameraden mit —
gutem Rat zu ſchönem Gewinn verholfen bat. Du _
Cie ijt ſtolz darauf, daß ihre Regimentsneffen faum —
noch ohne Tante Nefi den Totalifator beehren, — aber | S
fie verjchweigt e3 bem interejfiertem Zuhörer, dak e8 bas
bei ihr Hauptbeftreben ijt, bie. jungen Offiziere von zu
hohen und unvernünftigen Einſätzen abzuhalten, bap fie
auch Hier im geheimen ihren vortrefflichen Einfluß übt
— 214 —
unb ben bookmakers jdjon mandjes Dpfer aus bem
Zähnen gerijjen Hat. 3
Shre Schiiglinge ahnen das nicht, — follen es auch
nicht ahnen, fondern im vollen Vertrauen auf bie jchnei=
bige, gut famerabjdjajtlide Tante darauf jchwören, daß
Refi aus lauter Paffion und perjünlichem Vergnügen
„mitthut” und nicht allein Bapt, wo alle andern lieben.
Und auch Kat Lichtenberg ijf völlig überzeugt, daß
Tante Therefe die famojeite und verjtändnisvollite aller
Damen fei, welde ihm je begegneten, daß mam ein ver-
nünftige3 Wort mit ihr reden fann, ohne jofort mit Bor-
wiirfen überhäuft und abgefanzelt zu werden.
Leben unb leben laffen! — Gie weiß, was die Jugend
fordert und wird Diejen Forderungen gerecht. Dak fie
mit ber Zeit einen reichen Schag an Erfahrung jammelte
und ihren jungen Freunden Durch mand) guten Wink
nügen fann, ift jehr beareiflich, und felbitverjtändlich
nimmt man folh guten Rat am, — man wäre ja ein
Narr, eë nicht zu thun, — denn Tante Refi will ja nicht
moralifieren und fchulmeiftern, jondern lediglich einen
guten, fameradichaftlihen Dienjt erwetjen.
Kai wird fo zutraulich, wie er es faum feiner Mutter,
jeinen andern Verwandten gegenüber ift.
Avene behandeln ihn mehr oder minder bod) noch als
„Knaben, alè „unjern lieben Kleinen‘, welcher immer
nod) gegängelt und erzogen werden muß, während bie
Wieders ihm volle Genugthuung miberjabren läßt und-
es ihm mehr mie einmal zeigt, Daß fie auch auf feine
— 215 —
Anfichten Wert legt und feinen Willen al den eines ſelb⸗
ftindigen Mannes rejpettiert. Und das war jeine Mhil-
lesverſe. p |
Hier jaß bie Wunde, an welcher er frantte. =
Er war zu lange gewaltjam in den Sinderjchuhen |
gehalten worden. |
Wis Kadett galt er noh nicht für voll, im Haufe
jeimer Mutter blieb er unverändert das Süden, von
welchem fein zus) begreifen will, bas e8 iltigge giz
worden. -
. Das erzeugt eine Sehnfucht nach Celbitüubigleit, welche
bei manchen jungen Leuten geradezu franfhaft wird, — und
fommt dann endlich bie Stunde, wo fie als Studenten oder
junge Offiziere gang plötzlich und beinahe ohne jeden Über-
gang in die Welt treten, dann bemächtigt fidh ber fo
lange in die Kinderftube Verbannten eine wahre Sucht,
Durd) übertriebenes Selbitbewußtjein der Mitwelt 8t ime
ponieren,
Die Angit, aud) — nad nicht tir oll erachtet
zu werden, zeitigt Dann bie Klarrifaturen von jungen Leuten,
welche blafiert, arrogant, abjprechend und umleidlich
ericheinen, ohne es im Grunde ihres Herzens zu fein.
Neji hatte gerade in diejer Beziehnug ſchon mandhe
Erfahrung gemacht, und fie verurteilte eine Erziehung,
welche allzuſchroff bie Rehte des Heranwachjenden Menjchen
beichneidet, und fie beklagte bie Betroffenen, welche durch
fremde Schuld auf jolche jchiefe Bahn gedrängt werden.
Sie a e3 ma wieder an Kai Lichtenberg, mie völlig
29 —
er fein Wejen änderte, als er fah, dah bie Würde feiner
Perjoulichfert hier völlig rejpeftiert wurde. x
Auch im RKreije ber Rameraden hatte er ein gewiſſes
Mißtrauen noh nicht überwunden, denn e8 finden fid)
jtet3 jpottlujtige, oder germ nedende Glemente, welche Die
„Süngften“ immer mod) ein wenig am bie Longe nehmen
wollen unb fid) zu einer gewiljen „Erziehung“ berechtigt
fühlen
Su manchen Fällen, wo ein Elternhaus fehlte, ober
perfönliche Anlagen dazu Veranlaſſung geben, ijt Dies wohl
ganz bienlid) und oft fogar notwendig, aber aud) hier —
ijt e8 „der Ton, welder die Muſitk“ macht, und Derjelbe — —
fann Dirett aum Mißklang werden, wird er an unredjter —
Stelle laut. Refis Augen leuchteten bor Freude und
Eifer, als fie bemerkte, wie richtig Der a war, nee
fie eingejchlagen. 5
Der Saulus verwandelte jid) vor ipren Sich zum
Paulus, und je öfter die ichäumenden. Gläſer gujammen-
langem, um jo ehrlicher und aufrichtiger ward das Wohl-
gefallen, welches die beiden Tifchgenoffen aneinander
nahmen.
. Kai Lichtenberg war noch jung, und die Jugend ift
in all ihren Gefühlen hitzig, unberechenbar, von einem
Extrem in das andere verfallend. Gie ijt nicht lau, fie
ift entweder heiß oder falt, unb ber junge Graf, welcher
erit fo falt, fo. etjesfalt feiner Gegnerin gegenüber jtanb,
entflanımte jest mehr und mehr bis zur lobernben
Begeijterung. Auch bei den Männern ift es oft nur ein
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fleiner Schritt, welcher zwiſchen Dankbarkeit und Liebe
liegt, und Rat war jeiner Gaftgeberin über alles dankbar! —
Stein Wunder, wenn er mun durch rofige Brillen fah
unb bie Gejpenjter, weldje er fih zuvor felber herauf-
phantafierte, wie Nebel vor bem Connenjdjetm gerjtoben.
Sie tranfen den Kaffee im laufchigen Salon, und der
KRüraffier lachte Thränen bei der humorvollen Befdhreibung, —
welche Tante Refi von dem vifitemachenden Moya entwarf.
Dann aber überfam ihn nod) einmal das alte Angft-
| | gefühl.
Er jtrid) mit leicht bebenber Hand die Gigarette an
bem emaillierten Aſchenbecher ab und blickte bie Sprecherin
qnit einem Stoßjeufzer an.
„Sa, mein gnädiges Fraulein — — “
„Zante, wenn ich bitten darf!“
Er füfte ritterlich ihre Hand und fah fie beinahe
zärtlich an: „Tante, gütigfte gnädigjte Tante! Ja, Gie
nehmen meinen unbedachten Streich jo unendlich freundlich
und humoriſtiſch auf, wie aber, wenn Shr Herr Bruder —
oder gar ber Oberft davon erfährt? Sch fürchte, dann
heißt e& aud) bet mir: ¿bie Thränen und die Seufzer —
Die fommen hinten nad)!” x
Refi Ichüttelte eifrig den Kopf. „Gott behüte, wie
jollen fie davon hören? — Durch bie Dienftboten? Das
wäre allerdings eine Möglichkeit, und ich habe diefelbe
bedacht, ehe id) revanche pour Paris gab! — Wir müffen —
da eine fleme Notliige machen, Graf; ber Smed heiligt
bie Mittel. Ajo hören Cie! Gbenjo gut, mie ich Ihre —
— 219 =
Mutter und Tante von früher her fenne, ebenjogut finnte
ih auch Sie jhon vor Jahren einmal gejehen haben.
Kun — merfen Sie auf! — haben wir mit Ihrer Frau
Mama eine Wette gemacht, ob wir unë wohl nad) folh
langer Beit wiedererfennen würden, und um diefe Wette
zum Austrag zu bringen, ſetzten Cie bie Komödie Der
Srrungen in Scene! Sch burdjjdjaute dtejelbe und fügte
ihr einen zweiten Alt zu, — und jo entitand bie luftige
Karnevalsgejchichte, über welche wir beide uns großartig
amüjiert haben! Emperjtanden 2?“
„Und ob ich einverfianden bin!” rief Kai mit bligenden
Augen. „Sönigin von Saba! Dieje Götteridee ijt die
Rettungsmedaille wert!
„Gute Sreundjchaft ijt fie wert, und id) denke, Graf,
die halten wir aud) fortan!“
„Bern Sie mid) biejer Auszeichnung für wert palten,
gnübigite Tante, jchlagen Sie mid) Damit für ewige Beit
zu Shrem Ritter!”
— 9n dieſem Augenblid fam Eberhard zurüd und Refi
legte mit bebeutjamem Lächeln den Moffalöffel, welchen
fie lachend zum Nitterjchlag erhoben, nieder.
„Sp, min erzählen wir ihm bie Wette.”
Und fie erzählten beide, jo übermütig und launig,
buf ber. Kittmeifter fic) in einen Gefjel warf und fo
Schallend auflachte, bag Refi ver ficherte: „Das hört felbit
Zante umtad) oben!” x
Und als jid) der Graf voll Teilnahme nad) der -—
alten Dame erfundigte, entjdjulbigte Refi deren Nicht
erjdjeinen mit ber ; immer ftir werdenden Taubheit =
— derſelben
Noch ein Weil (chen ios Geplauders, und Dann
griff Kat nad) Säbel unb Müte und ſchied ebenjo ungern
von feiner neugewonnenen Negimentstante, als wie er au
ihr gefommen war. —
Eberhard forderte feine Eskadronsſtütze“ auf, —
joviel und ungeniert in feinem Haufe zu verfehren wie
die andern Kameraden, und Lichtenberg füßte Fraulein
von Wieders jehr ausdrudsnol die Hand und dantte
verbindlichjt für diefe gütige Erlaubnis, allerdings fügte
er warnend Hinzu, er fürchte, e3 werde dem Rittmeiſter
ergehen wie dem Zauberlehrling, welcher aud) die Geijter,
Die er feichtfinnig gerufen, nicht. wieder [o8 werden fonnte.
„Darauf lajjen mire anfommen, was, Altes?” —
ſchmunzelte Wieders, und Refi fang mit Locris nur
Kai verftändlichem Nugenblinzeln:
„Und mil das Gräfchen ein Tänzchen wohl wagen —
mag ers mur jagen - = d foiele ihm aue ee
So nahm man unter Lachen und Scherzen Abjchied,
und als der Kürajlier gegangen, jagte Eberhard über-
rajd)t zu feiner Schmeiter: „Seltjam, der Eleine Kerl
war heute wie ausgewechſelt, jo luftig und natürlich
beſcheiden, wie ich ihn mod) nie gejeben! Ich glaube,
Refi, er macht iid) bod) noch!
ooo Worauf Fräulein von Wieders mit ganz eigenartigem `
unb zuverfichtlichem Lächeln zur Antwort nidte: ,Glaubs — —
. obl; er macht jid) ganz gewiß!” — — — —
— 221 —
Während deffen eilte Kai im Eturmfchritt und ohne
rechts und {inf zu blicken, feiner Wohnung zu.
Der Wind warf ihm bie feinen Hageljchauer më
Gejidt, und die Baume des Schloßgartens raufchten und 5
ächzten über jeinem Haupt; e3 mar falt und unwirtlich, b
und der junge Herr hätte zu anderer Beit wohl i ingeimmig ——
über das infame Wetter in diejem Heinen Neft geſchimpft,
heute aber ftrablte fcin ganzes Antlitz wie lauter Wonne
und Wobhlbehagen, und er grüßte ein paar itramm itehende |
$ürajfiere fo huldvoll, als fei er minbejtens am —
Tage fommandierender General geworden.
Und er hatte bod) nur die Würde eines Regiments- |
neffen erreicht! Aber bieje deuchte ihm momentan foit —
barer wie ein. Erellenzentitel, denn. fie fef fein pes :
wieder fo. leicht umb jorgenlos in der Bruft Ichlagen, 1
welcher e8 heute morgen noch alg Bleiklümpchen —
hatte. : |
Tante Refi hatte ibm viel — ſehr viel Gutes und
Hochherziges heute eriiefen, das bejte von allem aber
war bie unbeſchreiblich ſchöne Thatjache, Daß fie auch die
unertragliche Machtitellung des Herrn Moys Fuchs für
erige Beiten gebrochen — Und dieſe "Popular beta
er thr miel = = —
Wie eine — Bombe lechzte Rai geradezu
nad). bent Augenblid einmal fosplaben zu dürfen, um all
den angejammelten Groll und Ürger non fid) geben zu fünnen.
Und ber Funke lag bereits in der Luft um Andete
ſchon an dem nämlichen Abend —
Rein Feuer mehr im Dien, eine e Hunbdetite, und Herr
Aloys den ganzen Nachmittag aufer bem Haufe gewejen!
Da brad) das Gewitter los — unb Moys Fuchs
jtand iprachlos vor Überrajchung unter dem $ageljidauer. —
„Noh eine Frechheit, Kerl, und du fliegt in bie
Gdwabron urid" — —
Das verdiente Rade! Der Küraffier wollte gerade
anheben zu erzählen, daß ber Drojchkentutjcher — —
Da fuhr ihm fein Herr mächtig über den Mund. „Laß
ihm machen was er will; id) habe heute meine Wette
gewonnen — nun brauche ich feine Diskretion mehr!“
Der Rheinlander fuidte zujammen wie ein Tajchen-
meijer und 30g aufs höchſte Bene die oe ein, — -
das hatte er nicht vermutet.
Kai aber atmete tief auf und jdjwor fid zu: „Ginz
mal, — aber nie wieder!” —
XI.
(aber ante Refi fi Hatte ihre j jungen Bilegebefohlenen eigen
Se händig gejchmüdt. |
Cie jtand vor Martina und ordnete mit
liebevoller Gorgjalt die weihen, goldgefticten Falten des
orientalijden Ceibenjfaw8 um das reizende Köpfchen,
und ganz unmerklich ging ein leifes Beben durch ihre ſonſt
jo ruhig energijd)e Hand.
Diefer Shawl war ein Geſchenk Rronjtadts, melches
er ihr einjt — vor langen Jahren, nad) einer Unientretfe,
auf den Geburtetagstijd) gelegt hatte!
Wie ein Heiligtum hatte fie ihn gebütet, er lag mob
verwahrt amilden duftenden Beilchentiffen in ihrer Rom-
mode, Dann und wann herausgenommen, um mit ürt-
lichem Liebfojen geftreichelt zu werden.
Angeiegt hatte fie ihn nur einmal bei einem Reina:
ball, zu welchem Achat die Einladung hatte ergehen laffen;
— fie trug das köftliche Gewebe aber nicht, feiner Pez
{timmung nad), um den Kopf gewunden, jondern hatte
es um die Schulter gelegt, Denn eS deuchte ihr geradezu
— 224
barbariich, fo udi Edjinfeit Direft al8 Umrahmung für
thr häßliches Geſicht zu wahlen.
Und dann fürchtete fie ftets, es zu verlieren ober bag
e8 bei großen seiten verdorben werden fünnte, und jo
Dütete fie e3 während ber langem Jahre poll ängftlicher
- Gorge in ihrem Kleinodienfchrein bis auf den heutigen.
Tag, wo ihr gutes, menjchenfreundliches Herz bas große,
adj ger fo große Opfer brachte, e8 zu dem Stojtüm eines
fremden Mädchens beizufteuern! |
Sept, ba fie vor bemjelben ſtand, und Martinas reizen-
des Gejicht aus den weichen, glänzenden Seidenfalten her-
vorlächelte, bereute fie ihren Opfermut aud) keineswegs.
Sie war viel zu grundehrlich, zu brav und ſelbſtlos,
um fid) nicht aud) an fremder Schönheit unb frembem
Glück erfreuen zu fünnen, und Die jammetbraunen Reh
augen ihrer Schutzbefohlenen itraflten jo glücjelig zu
ijr empor, und das zarte Oval des Gefichtchens hob
— fid) fo entzücdend von bem golddurchwirkten Hintergrund
ab, daß Refi fih lachelnd eingejtand: „Segt, erft jest tjt
ber Shawl an feinem richtigen Pla!” —
= Kronftadt ifr wohl wieder erfennt? —
Er foll e3 thun! — Gie jelber wird ihn darauf aufs `
merfiam machen, damit auch er fid noch nad langen
Jahren feiner Gabe freut, welche heut einem jungen
Menſchenkind jo vortreffliche Dienſte ermeift.
„Martina — bu fiehft einfach beraufchend aus!”
jubelte Die jüngere Schweiter Käthe, deren frijches, hel-
blond umlocktes Gefichtchen aus einer ſchwediſchen Haube
.
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— 226 —
heraus lachte: „Wie ein Bild von eid! Wie eine Miarden-
geftalt! Dieje vielen, herrlichen Goldmünzen auf Brust und
Armen — wo haben Sie bie nur alle aufgetrieben, Tante
Neschen? Wenn fie echt wären, würde ich glauben, Sie
hätten über Nacht bei Mr. Vanderbilt eingebrochen! ^^ —
„Wer weiß, ob ich es nicht bei dem Qalif von Bagdad
gethan habe?” ſcherzte Fräulein von Wiederd. „Zwar
find ja diefe jchönen Behange nicht ganz am Plas bei
unjerer fleinen Hgypterin hier, das ganze Koftüm ift ja
etwas pbantaltijd) ausgefallen und ſchwaänkt zwiſchen
Türkei und Ngypten, — aber gerade das gibt ihm einen
bejonderen Reig, und ich dente, unjer Publitum wird nicht
allzu eifrig Nationalfoftüme jtubiert haben, um bie Echt-
heit Martinas und ihrer Cigaretten anzuzmweifeln! — Gp,
mein Herz, Sie find fir und fertig, und angeſichts Ihrer
würde ich e3 feinem Eroberer verdenfen, wenn er Ge-
liifte auf Agypten veripüren folte!”
.. Cie job das junge Mädchen lachend por den hohen
Wanbdjpiegel, welcher bie farbenprächtige, jchlanf-graziöfe
Geftalt, um welche fic) die fchimmernden Brofatftoffe
Ichmiegten, in ihrer vollen, eigenartigen Anmut wieder-
gab, dann wandte fie fid) nod) einmal mit prüfendem
Blid zu ber drallen Schwedin im roten Röckchen, welche
ihr nicht minder zu gefallen fien. ‚Nun, wenn Sie
nicht bie Schwefelhölzchen à Stüd für 50 Pfennig verz
faufen, dann haben unjere jungen Herren feine Mugen
im Kopf! Famos, Kinder! Ih bin wirklich fehr zu:
frieden mit euh! — Was werden eure Eltern fagen!”
— 227 —
Käthe ſchob die Unterlippe vor. „Ach, es ift fo fraglich,
ob. bie fommen werden! — Water ift ja jo jer ba:
gegen, ſchimpfte jon den. ganzen Morgen, fold) ein
infamer Trödel fet nur basu da, den Leuten das Geld
aus dem Beutel zu holen! Seine Verhaltnifje erlaubten
e$ ibm nicht, für eie Tafje ln eine Mart zu
geben !^ | :
‚Nun, dann —— Hoffentlich Sire liebe Mama!”
tröftete Refi teilnehmend; Martinas herb gejchlofjene
Lippen Sprachen nod viel beredter zu Ihr, wie Käthes
Derbe Klage, und außerdem wußte fie, wie unendlich
idymer eS der überjtrenge Bater jeinen Töchtern auch dies-
mal gemacht hatte, eim Felt zu bejuchen, obwohl er nicht
das miudefte Opfer dazu zu bringen hatte! -
Er verurteilte eS prinzipiell, bab weibliche Wejen ſich
amüſierten.
Er jab in der Frau mur das Laſttier, dazu ge Ichaffen,
von früh bis jpát unermüdlich fleißig und thätig zu fein,
fd im Dienjt für den Mann aufzuopfern und feinen
anderen Horizont zu fennen, als bie engen bier Mauern —
des Haujes. x
Gr jelber hatte eine gar luftige und antifante Sugend :
hinter fid), er hatte das ‚„Borrecht” des Mannes, „fih —
auszutoben”, vollauf in feinen Studentenjahren genofjen-
und gedachte oft voll Ingrimm jener unglüdjeligen Stunde,
in welcher er jo hirnverbrannt gewejen, feine goldene
Freiheit zu opfern, um fid in das Chejoch zu jpannen.
Bon da an nannte er jein Leben ein unwürdiges und
152 E
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elendes, denn er hatte arbeiten und een mie, um
feine Familie zu ernähren. |
Dennoch fand fich für ihn ſtets nod) bas nötige Geld,
um eine Erholungsreife im Sommer madjen zu fonnen —
„damit er nicht vollends zujammenbräche unter feinem
Elend!” — aud) bejud)te er Abend für Abend bie Bier:
ftube und hielt e3 für durchaus richtig, bag er fid) ein
teures, warmes Abendbrot bejtellte, biemeil Frau aun
Kinder daheim Kartoffeln oder Euppe apen. —
Ununterbrodjen hegte feine falte, Deralofe Stimme bie
beflagenswerte Frau: „Du mußt jparen, Hedwig! —
Du mußt dich befjer einrichten! — D weld) ein Unglüd
für einen Mann, ein Weib zu haben, welches nichts von
der Wirtſchaft perjtebt !^
Die blaffe, ftille Frau aber jaf ſcheu und ſchatten haft
tagaus, tagein und kochte und nähte, ſtopfte und flickte,
jo ſparſam und trefflich, wie keine zweite, und es ward
geſpart in dem Hauſe, aber nur bei Weib und Kind, für
den Hausherrn ſelber exiſtierte dieſes Wort nicht.
Seine Unduldſamkeit mißgönnte den Töchtern ſelbſt
bie harmloſeſten, kleinen Freuden, weil er jid) durd bie:
ſelben in ſeiner Bequemlichkeit geſtört glaubte, und hätte
Fräulein von Wieders ihn nicht perſönlich auf der Straße
angelprodjen und feme Erlaubnis erbeten, wer weiß, ob
Die jungen Mädchen Jebt fo glüdjelig ihrem de cs
zugelacht hätten!
Der Landgerichtgrat war immer nog eim ioter
Maun, groß, Ichlanf, brünett, mit klaſſiſchen Geſichts⸗
$ügen, welche allerdings etwas allzu Kaltes, Steinernes
hatten, wenn man ihn jah, — jobald er aber mit fremden
Damen jprach, belebte fid) das jtarre Antlik, eine gewilfe
Verbindlichkeit drückte fid) darin aus, — die eitle Sucht,
noch immer zu gefallen und einen guten Eindrud zu machen.
Bor der Welt fien er ber rückſichtsvollſte Gatte
und Bater und fofettierte gern mit ben Opfern, welche
er den Seinen brachte! — Man glaubte fie ihm aber
nicht mehr. |
‚Mama? Ach du lieber Gott — wenn fie nur den
Mut haben wollte und fid) herausmagen !“ fagte Käthe
lebhaft weiter. „Nacht wahr, Tante Refi — fie braucht
Dod) gar nichts zu faujen? ES genügt Dod), wenn fie
ihr Entree bezahlt, nun, und ich hoffe, Dagegen wird Bater
nichts einwenden! Wie würde fie fid) freuen, uns zu
jehen! Gar zu gern hätte fie — hierher begleitet,
aber gerade jetzt kann ſie ſchlecht abkommen daheim, weil
die Buben aus der Schule kommen und beſorgt ſein
müſſen, und Papa verlangt aud), bag fie zu Haufe iit,
wenn er nicht auf dem Bureau arbeitet! Aber nachher —
wenn er in den Klub geht — dann . . ad) Gott, wie
hoffen wir, daß fie dann nod) in den Pavillon fommt!
hr thut eim bißchen Freude fo not, gar, gar jo not!” —
Käthe legte gutraulid) die Arme um die Regiments-
tante und blickte ihr mit bem treuherzigen Rinderaugen
ehrlich ins Gefidjt, — Martina aber ward blutrot, bif
bie Zähne wie in bitterer Scham zufammen und vanbi
fid) ab.
= 380 —
„Martina mag nie über all unfere Not daheim reden!”
feufzte Käthe, „als ob es eine Schande wäre, dap Bater. — — —
jo ftreng ift! Du lieber Gott — er muß e3 ja wohl
fein, wenn man fein Gelb hat, fo heißt es energifd)
rechnen! Wher amjere Ültefte ba ijt fo entpfindlid), —
fo ſpröde und ftolj daß fie am liebitem eine Mauer um
unjer Haus baute, jebem fremden Blid zu wehren!”
x Refi ſtrich freundlich über die heißen Wangen der
Sprecherin, dann trat fie neben. Martina, hob das tief
geneigte Haupt und N ir "m bie Brawengiltquaben
Augen.
Spröbe amb tol! ja, baë mar fie, jelbjtquäterija Ç in
ihrer tiefen Verfchloffenheit. — ` .
Golde Menichen, meldje all ihr geib allein tragen
wollen, welche es nicht über fid) vermögen, fid an ein
treues Herz zu flüchten, um es teilnehmen zu laſſen an
Luſt und Leid — folche Menichen gehen gar ſchweren Weg.
Arme, liebreigende Martina, — du wandelft mit Herb
geſchloſſenen Lippen über Dorn und Stein, und e8 fojtet
bid) vielleicht nur ein Elagendes Wort, den Entichluß, eine
bargebotene Hand zu erjajlen, um a blumigem Pfade
ſchreiten zu können!
Das Mitleid ift Schon bei mandjem Mann zur Braut-
bitterin geworden und Dat bie Liebe in feinem Herzen
gemedt, — Martina aber verjchmähte e3, jid) beflagen
zu laffen, fie will die Liebe ihres Gatten mdi ale Whnofen
empfangen, fie will geben, aber nicht nehmen! —
Der Landgerichtsrat Gollnow nennt feine Tochter |
einen fehtvierigen Charakter, ein Mädel, ang welchem fein
Menſch Klug werden fönne! Aber Refi Wieders wird
wohl ug aus ihr, fie fieft in ben Augen, biejen feujdjen,
heilig reinen Mädchenaugen, in welchen Thränen ftummer
Dual leuchten, all die unausgefprochenen Worte, welchen
ein ſpröder s es ey an eines Menjchen Ohr zu
klingen. | —
„Spre Mama wird ganz beftimmt heute abend fommen,
Martina!” lächelte bie RegimentStante geheimnisvoll:
„Geben Sie einmal acht, menn Ihre Cigaretten aus-
verfauft find, fommt eine Botenjrau und bringt neue! —
Und nun Kopf hoch und luſtige Gefichter gemacht, Kinder!
Ein geitrenger Bater iit das Beite, was ein Mädchen
haben fann! Um fo galanter fommt ihr Dagegen der a
Bräntigam, um jo nachgiebiger ber Ehemann vor! —
Profit, darauf wollen wir gleich anftoßen! Dörte bringt
ung eben ben Thee — und ein warmer Slud ijt bei
diejer Malte recht notwendig!” — | |
Käthe lachte hell auf und Martina brüdte lächelnd
die Hand der Sprecherin an die Lippen, — Dörte aber
lebte ihr Tablett mit Thee und belegten Brötchen haftig
nieder und ſchlug bie Hände gujammen.
„Ei du liebe Zeit, gnädiges Fraulein; der Wagen
muß jeden Augenblick fommen, und Sie quum nod) met
Toilette gemacht?” —
„Die Beite, Teuerfte hat ja immer an ung herum
gepugt!” rief Martina mit ihrer weichen, feelenvollen
Stimme, melde jedes ihrer Worte doppelt inhaltreich
a 232 —
machte, — p Rate pode. ein gang iiberrafdjtes -
Geſichtchen und ftammelte: „Ei, Tante Refi — tragen =
Cie denn auch ein Koftüm? Davon ahnte ich ja nod)
gar nichts!” |
,AXvob ber vielen Corti aden fo gar nicht cim
bißchen helle?!” nedte Fräulein von Wieder und trat
haftig nach der Thür des Nebenzimmers: Zh brauche
nicht viel Beit zu meiner Metamorphofe —! Bitte,
Kinderchen, eft und trinkt, ich bin gleich wieder bei
euch! —
Was ift fie, Dörte? — Liebes, beſtes Dörtchen, jagen
Sie, mas fie vorftellen wird?” — jubelte Käthe, unb
griff mit leuchtenden Augen nach einem Lachsbrötchen; —
Himmel, pie jchmedte das jo gut — fie hätte zwanzig
auf einmal effen können! Dörte aber zuckte heiter und
geheimnisvoll die Achſeln und folgte ihrer Gebieterin in
-.. bus angrenzende Schlafgemad).
„Martina — o fofte einmal — das jchmedt gerabegu
fünigfij!^ jubelte Käthe mit glühenden Wangen und
langte abermal3 zu: €o etwas habe id) noch mie
gegefjen, und die Heinen, ſchwarzen Körnchen auf den
geröfteten Semmeln — mag das wohl fein mag —?
Koſten werde id) fie auch... . o, ich habe einen Hunger —
einen Hunger, fage ich bir — ich glaube, in meinem Magen
it ein Loch! Komiſch, Mama jagt, wenn man aufgeregt
jet, Habe man feinen Appetit, — ich bin ſchrecklich auf-
geregt — id) fiebere geradezu — aber jchmeden tut es
mir bod) — und wiel! — Die liebe Tante Refi! Auch
< 04 us
zu effen gibt fie uns! — O — und nun koſte ich bie
Schwarzen Semmeln — aber warum nimmft Du denn nicht, |
Martina? Du fiehſt gar nicht erit aus und willſt bod)
nicht ejjen?!^
Die ältere Schweſter lächelte mb nidte ber Kleinen
fiebevoll zu: „Sch freue mich, bap es bir jo trefflich
mundet, Baby, — if bu für mich mit; Durft habe ich
wohl — und eine Taſſe Thee trinfe i qud) !^
Welch ein fröhliches Geſchwätz unb Gelahe! Käthe
führte mit vollem Mündchen die Unterhaltung, und —
Martina war für ihre Verhältniffe ſchon fehr heiter, denn
jie antwortete und belächelte die brolligen Einfälle Der
fleinen Cdjmebit. —
Und faum, daß man e8 dachte, öffnete fid) die fir,
und Tante Nefi rauichte „teifgeſtärkt“ über bie Schwelle,
mit ſchallendem Jubel aus Räthes rotem Miündchen, und mit
einem Laut freudigiter Überrajchung pon Martina begrüßt.
„Ei, Tante Refi! Großartig! Bildſchön! Was ftelen
‚Sie vor?” jtürmte Käthe ihr entgegen, die impojante
— Srauengeitalt von allen Seiten mufternd, und Fräulein
bon Wieders lachte, ſtemmte die Arme in die Seiten mo
jah febr rejolut aus.
„Rennit bu mid) nit? Gi, Lob Blitz, ich bin Jü bie š
Guftel pon Blajewig ^^ — — jcherzte fie, „mein Marfetender-
farren farrt im Pavillon, und id) denfe, meine Küraſſiere
werden Wallenfteins Lager recht wacker beleben!” —
„Brillant jehen Sie aus, hergliebe Tante Thereje!” nidte
Martina mit ftrahlenden Mugen. „Das Roftüm ift fabel- -
— 235 —
haft originell und fieht wirklich fo recht aus, als fel e& in ber
That jhon mit Wallenfteins Reitern zu Feld gezogen!” —
Cie hatte recht, — felten wohl fah Refi fo vorteilhaft
aus, wie an Diefem Nachmittag! —
Die altertümliche Haube kleidete vortrefflich und jdien ae
wie geſchaffen für das etwas grobknochige, friſche Geſicht, x
bie furze, peləbelebte Jade, ber bäuerijhe Rod, Balb ——
perbedt von der blütenmweißen, fteifgejtärften Shite,
melde an der einen Seite von ber höchſt originellen,
federnen Zahltafche emporgehalten wurde, — has ſchmucke
—— gürtud) und der große Georgsthaler an filberner Kette —
das alles jah jo „echt“ und fleidjam aus, und bie robujte
Geltalt, bie energifchen Bewegungen. der Trägerin untere
jtüßten in Dejter Weife die Wirkung des flotten Koftiims.
Wie nett, pajjenb und humorvoll hatte die Regiment-
tante einmal wieder ihre Rolle gewählt!
Sie gehörte nun mal zu ihren Küraffieren; und fo,
pie fie im täglichen Leben für Deren Wohl und Wehe
jorgte, jo ließ fie es jid) aud) nicht in heiterem Bazaripiele |
nehmen, ihre Fürjorge für die tapferen Reiter zu marfieren.
Guitel von Blajewib! Boll Laune und Humor, mit — |
Hintanjebung aller Gitelfeit verfdrperte fie ihre klaͤſſiſche |
Rolle, idjenfte bie Becher voll und hielt Ordnung in dem
fidelen Heerlager, welches jid) gar bald um we war
ausgerüiteten Karren bildete. a
Der Bubdrang des Publifums zu dem Bazar war ein
außerodentlicher, und bie jubelnden Mufikweifen, Gelächter
und Trubel ſchallten weit hinaus im den verjchneiten
ORB ues
Schloßgarten, durch deſſen bodas Ween unaufhörlic
Alt und Sung herzuſtrömte
Rai Lichtenberg hatte fid) and) voll firablenber Laune
auf den Weg gemacht, und da er in der Dämmerung des
Abends noch nicht blaſiert auszuſehen brauchte, ſo leuchteten
ſeine Augen unverhohlen in all dem Eifer und der Freude,
welche jedwedes Feſt ihm glücklicherweiſe noch bereitete,
wenngleich es ja ſeine angitooll herausgekehrte Würde
nicht litt, Dies öffentlich vor den Leuten zu befennen.
Cein erftes Forichen und Suchen galt der Regiment- —
tante, welche feit Dem vorgejtrigen Mittageſſen all feine
Gedanken bejchäftigte.
Richtig, ba fah er fie ſchon!
Ein Kleiner Nebenjaal war febr geſchickt durch Cou-
liffen und echte Tannen in einen fleinen Wald verwandelt;
feitwarts hielt ber altertümliche SBlanfarren mit abfonder-
lichem Gerät, Rupferfefjein, Maufefallen, Pferdegeſchirr
und Selleifen behängt, — dicht davor fladerte ein offenes —
Wachtfeuer, über welchem fidh auf eiferner Gabel der
dampfende Keſſel fdjautcite. Darin brodelten die Heiß—
würfte im bayrijchen Kraut, und zwei trefflich fojtiimierte,
buttleriſche Dragoner und ein wallonifdjer Küraſſier hielten,
malerifch gelagert, Wache dabei, derweil etliche Scharf-
ihüßen und Arkebufiere vom Regiment Tiefenbach der
vielbeichäftigten Guftel hilfreich zur Hand gingen. Eber-
hard hatte fid) ben „Wachtmeijter” zur Verlkbrperung
ausgejucht, und verjchiedene feiner Kameraden folgten feinem
Beifpiel und erfchienen ebenfalls im Koftüm wallenfteinfcher
Negimenter, was bem Lagerbild einen ungemein frischen
und originellen Charafter verlieh,
Die Überrafhung, welche man damit geplant hatte,
mar trefflic) geglüdt, der Zudrang war jo groß, daß
immer neue Tijche und Schemel in das Lager gejchleppt
werden mußten, wo fid) bet Dampfendem Bund und ——
Keſſelwurſt bald das lujtigite Leben entroidelte.
Die Reiter und Scharffchügen durchbummelten Arm
in Arm die Bazarräume, würfelten und tranfen, wie fich
das für Kriegsmänner gehört, und fehrten unter Jubel —
und Lachen gurüd, braune Ziegeunerinnen, Nürnberger
BViirgermadel, Tyrolerinnen, Drientalinnen und Blunen-
verfäuferinnen am Arm, um das Reich ber Guſtel von
Blajewis immer unter unb vergnüglicher zu geftalten. —
Lichtenberg, welcher zu jpüt von den Vorbereitungen —
erfahren, begnügte fih, im Bauernfojtim zu erscheinen,
„als 9toBfned)t der Gujtel", mie er jagte, und bie ging
jofort auf feine Idee ein und rief ibm mit glühenden
Wangen entgegen: „Ei, der Jürgen! Wo fat er fo lang
herum jchwitifiert? — Da geh er mir flinf zur Hand und
\chöpf die Becher em! © ijt ein guter Tag heut, bie
Mannerleut lafjen Heller jpringen und bie Stäbtifchen |
itrömen eh" herzu und fnaufern aud) nit! — Da jpring, -
Jürgen — bring dem blonden Madel am Tiſch dort —
einen Glühwein — aber unter zwanzig an sibi
ihn nicht Her!” — 3
Rai Lichtenberg war felig!
Er fief und bediente und Baftete durch Die Menge,
— m a
ging, ip gut er e8 m auf bie — ein, welche x
man mit ihm machte, und hatte merkwürdig wenig Sinn
und Augen für all die reizenden, jungen Damen, welche
in ihren originellen Koſtümen noch vorteilhafter und herze — —
bethörender ausjahen, wie joujt.
Kai Lichtenbergs ganzes Intereſſe fougentrierte fid)
auf bie Negimentstante, unb wenn eg irgend anging, fo
ftand er an ihrer Seite und faute fie verftohlen an.
Ein Kasperletheater fünbete in einem der Nebentäle
feine erfte Borjtellung durch ohrenzerreigendes Klingeln
und Ausichreien an, und die Mallenfteiner warfen die
Seberbüte juchzend in die Luft und jprangen mit ihren
Dirnlein davon, bie furdjthare Tragödie von „Hurlie —
uri” oder „Des oe SON ga c
jehen. — »
Das Publitum Ime histone neuen Anziehungepunft
zu, und Refi fant aufatmend auf einen Echemel nieder
und fagte: „Gott jet Dank — einen Augenblid mre:
bie haben mir arg nötig!”
Kai Lichtenberg 30g jid) einen Suhl an ius Cite.
„Es ift rajeb anftrengend für Sie, Tante Mefi!”
jagte er mit beinahe zärtlihem Klang in ber Ctimme:
„Sie dürfen fid) nicht fo abjagen, es ſchadet Ihnen!
Lajjen Sie mich doch, bitte, allein laufen und bedienen
— und jeben Ste fidh beim Keſſel zur Ruh!”
Refi lachte und flimperte feelenvergnügt mit den Münzen
in ihrer Gelbtajdje. |
„Hören Cie bod)! Bei jolhem Klang best man fiğ
— 999 —
gern ein bißchen ab! Wir haben eine brillante Einnahme!
— Uber wag wollen Cie noch Bier? Allein Dafjen, wo
alles andere liebt? Warum verjchmähen Sie das Sas-
perletheater ?” —
„sh. ziehe e8 vor, bei Ihnen zu bleiben!” — er fagte
eS beinahe ſchwärmeriſch, unb fein Blick ſchweifte aber-
mala — fchier bewundernd — über fie hin. x
„Das ijt fer liebenswürdig, befter Graf, ja, es ift
zu liebenswürdig, denu ich verlange von meinen Neffen
niemals Nücdfichten für meine Perion, geichweige Selbit: -
fajteiungen! Wenn Sie fid) lieber ausruhen, ift’3 etwas
anderes, und dann flage id) vor, wir „‚pünfchen‘‘, um ung
neu zu fraftigen! Profit, Jung Jürgen! So ein Roß—
fuedjt bei der Guftel hat an faueres Leben!” —
Sie hob den Becher und lachte ihm fröhlich zu, und
Rai that eifrig Bejcheid und lächelte ſchwärmeriſch: „Daß
ich’ für mein Leben bleiben fónnte! — Welch ein famojed
Koftim tragen Cie, mein gnädiges Fräulein, es fteht
Ihnen brillant — ganz brillant — das müßten Ste immer Ç vu
anlegen —“ |
„Nicht wahr, jolch em bißchen was Außergemöhnliches
verfeugnet niemals feinen Reiz — ſelbſt bei einer Gujtel
bon Blajewik nicht!” nidte fie harmlos. „Wie entzückend
jehen bie meiften unferer jungen Damen aus, — jelbit
bie Nüchternfte und Häßlichſte entbehrt heute abend nicht
eines gewiſſen Zaubers — und wie hinreifend jehen erit
bie ſchönen Madden aus! — Haben Sie un Fräulein
Martina Gollnow geſehen p" —
- Bollnom ? — Rein - — ber Name flingt mir aud)
ganz unbefannt.” zu ae _
„Sie verkauft als 9Laypteriu onm — im erjten —
Gaal — rechis! — Wie, bie jdjóne Martina haben Sie
nod) nicht gejehen? — ‘Uber jofort müjjen Sie bin und c
ihr eine bujtige Agypterin abfaujen!” |
Rai regte fid) nicht, fondern blickte gcogiittg h in bis TAS
Hadernben lammen.
„Sch bitte Sie, liebe, gnädige Tante — laffen Gie
mich hier! Sch bin uod) jo fremd, — id) würde mid)
gar nicht zu ihr bin finden .. .“
„Si, jo bitten Sie Niebeland oder Howald, — bie
bringen Cie mit Vergnügen hin! Überhaupt jollten Sie
Hid) einen Kameraden zum Cicerone wählen und ne)
herumführen Lafjen =
Gai bip bie Zähne in die Lippe und tah —
wieder ſehr abweiſend und ſehr arrogant aus.
„Das möchte id) lieber vermeiden, mein gnädiges Frau-
fein!” — jagte er gepreßt.
Sefundenlang trap ibn Rejis ſcharf forjdender Blid.
Cie neigte Hd) máfer. — x
„Barum nicht, Graf? Liegt etwas vor zwiſchen Ihnen
und den Herren?” — ——
Qai gudte finfter bie Achfetn. ,Surd mein Ber:
jdulben gewiß niht!” antwortete er jchroff.
Das lachende Gelicht ber Negimentstante fab plößlich
jehr ernjt aus. Ich bitte Sie als Freundin, lieber Graf,
jprechen Sie ehrlich zu mir, was vorgefallen ijt! Wenn
9t. o. Cf OHftruth, IL Mom. u. Nov. Die Itegimentstantel. 16
ec wA cem
cin Fleck friſch ift, (aft i ec fid) feicht au&mergen, — I1 c -
altet er, fo ijt ihm nicht mehr beigufommen!” ——
„O, mein gnädiges Fraulein — id) verfihere Ihnen, —
e8 liegt nicht das —— vor, was Ihrer gütigen Ver⸗
mittelung bedürfte —
‚Vielleicht fein offizielles Zerwürfnis! — Aber es ift
nicht alles fo, wie e3 fein follte; ich fehe eë Ihnen an,
Graf, — id) weiß, Daß etwas goes Ihnen und ben
Kameraden jtebt ^. — |
Rai drehte medjanijd) den totbebänderten ——
zwiſchen den Händen: „Das ſtimmt allerdings, leider
Gottes!” ſtieß er ingrimmig hervor. „Es ijt geradezu
empörend, wie ich hier in dem Regiment aufgenommen
werde! Unfreundlih — falt — taum, daß man mir
Die notwendigſten Formen ber Höflichkeit erzeigt! Sch
bin ein junger Menjch und e8 iff natürlich, bag ich mid)
anderen Herren intimer anfchlichen möchte, aber man zeigt
es mir |o deutlich, daß man meine Freundichaft nicht
winjcht, Daß ich zudringlich fein müßte, mich den Herren
nod) weiter aufzudrängen! Selbſt Niebeland und Howald,
welche doch felber noch junge Dächje find, benehmen fich
mir gegenüber, ala ftünden fie biz an bie uie in faltem
Wafjer! — Š, id) Habe mir bie Sache bis jest ruhig
angefehen — aber Die Bombe ift dicht am Plagen, und
wenn e8 Skandal im Regiment gibt, — jo haben es he)
bie dee jelber zugujchreiben!” x
ji hatte den erregten, jungen Manu ruhig aue
incus lajfen. Seht jab fie ihm freunbfid) in bie Augen
— 243 —
unb jdjttelte den Kopf. „Da fei Gott vor, daß es
Bwiftigfeiten gäbe!” jagte fie fanft: „E3 würde viel Berz
drieglichfeiten geben und Ihnen, als dem Jungſten und
Solierteiten, am allermeiften jdjaben! Sn Ihrem eigenen
Sntereffe, Graf — halten Sie Frieden!”
Es fann ber SSejte nicht im Frieden leben, wenn e3
bem bojen Nachbar nicht gefällt!” murmelte der Küraſſier
erbittert. „Sch bin mir nicht bewußt, die Herren provoziert
zu haben! Ich werk nicht, was id) Ihnen that.” —
Ich weiß e8, Graf!” |
(Sr blidte überrajd)t auf: „Sie, mein guibi ges Fräu—
fein? Ah — ba ware ich begierig .
Reſi reichte ihm herzlich bie Gand, Ich ‘oll e3
Ihnen jagen? Gern. Sehen Sie, lieber Freund, es ijt
ein übles Ding, die Wahrheit zu jagen, und id) habe
diefem undanfbaren Geſchäft [ünaft abgejchworen, beum
Die Menjchen find meijt viel zu bejchränft und thöricht,
um joíde Wahrheit ertragen zu fünnen. Bet Ihnen ijt
das etwas ganz anderes. Sch habe Sie ala einen viel
zu Eugen, ernjt und vernünftig venfenden Mann fennen
gelernt, um zu fürchten, daß Cie, engherzig wie bie an:
deren, fold) ein ehrliches Ausjprechen übelnehmen fóunten!
Od) weiß, bag man mit Ihnen alles bejprechen fann, Graf,
ohne Gefahr zu laufen, mißverftanden zu werden!”
Die Sprecherin Diet momentan ume, und der Blid
ihrer forjchenden, ſchalkhaft liftigen me jenfte fic) in
bie ihres Gegenübers. |
Kat Lichtenberg jah buntefrot aus, d oe ae
16*
= 244 —
ichmeichelt und angenehm berührt fühlte er fid) durch
ihre Worte, x
,Gnübiglte Tante — id) ee giur- — alles —
alles fann ich ertragen! Aus Shrem Munde.. “V
Sie driidte ihm herzlich bie Hand, DM er an E
Lippen geführt hatte. Se
‚Beil Sie willen, dafs id voll ganz zu Ihnen
halte!” lächelte fie heiter. Mfo hören Cie, was man -
Ihnen Hier übel nimmt! Seder Menfch bat feine Achilles:
ferfe — bie Provingler eine ganz befonders empfindliche.
Cie find eiferfüichtig auf die Großftädter und erblicken
in einem jeden den Verjpötter alles deffen, was ihnen i in
bem engen Rahmen ihrer Kleinen Berhältniffe fieb und
teuer geworden ift. Nichts fann fie mehr verlegen, als
ein nichtachtendes Wort, eine ironifche Bemerkung über
Land und Leute ihrer Umgebung. So ift e3 aud) hier.
WM die Zuftände, welche buen, bem Re efidengler, alt=
fränkiſch unb. kraͤhwinklig porfommen, gelten Hier als
heilige Traditionen. Kun haben Ste hier in der eriten
Beit ganz arglos Ihre Meinung ausgejprochen, haben
bie Stadt fein und fpießbürgerlich, bie Menfchen fang:
meilig, bie Berhaliniffe in mandjer ao Reale
gefunden — — —"
„Auf Wort, gnädigftes Sräufein — baba buie id
mir nie etwas gedacht, — Das war jo Binaeiprod)en . . .
„Natürlich waren Cie ganz harmlos! Aber bei bem
Argwohn der Provingler jab man bitteren Spott und
Hohn darm — und das fünnen die Leute nun mal nicht
— 945 —
vertragen! Wenn einer daherfommt und fid) aufs Hohe
Pferd jebt und alles bemitett, dann Bi man ifu
gis end en
QA, id banfe — Bu jabe it mig ja Feti in bie
Neffeln geſetzt!!“
„Bottlob nod) nicht agidi I Sie, be —
Niebeland und Howald gurüd! Nun ganz harmlos ge
than! Sch beordere fie zu Ihren Fiihrern, unb dann
thun Sie mir ben Gefallen, Graf, und himmeln und
ſchwaͤrmen Sie von Maifenburg in allen Tonarten! -
Finden Sie dies Fejt gropartig, bie jungen Mädchen a
jin wie die Engel — die Herren amijant Hub
wibig, wie fies jonft noch nie gefunden — und Cie ———
werden jehen, welche Wunder b eine
tur — `
Rai Lichtenberg bfickte mit Hlikenden a. in “hae x pm
fiebenswürdige Geficht ber Eprecherin. Er griff oed ben
Runjchbecher und hob ihn begeiitert. |
.. Q,FXd) werde eS thun, mein qnädiges Fräulein, anb ib =:
werde damit bie Wahrheit jagen! Maijenburg ijt die
Krone ber Provinz — aber bie edelite, herrlichite Perle,
welche fie trägt, ift unjere Regimentstante, fie lebe quan
— Homi! — Homi —
Niebeland und Howald hatten bie lebten Worte ge-
hört und traten mit höchlichſt überrajd)ten Gefichtern
näher, Refi aber reichte auch. ihnen lachend bie bampjene —
den Gläfer und rief: „An meine Seite, | liebe Neien da UM
mit bie Berle fbniglid) gefaßt ee
Au 946 —
Subelnde Heiterkeit, — die Gläfer Hangen ftürmifch
zufammen und zum erftenmal richteten fih bie Augen
der beiden jungen Kameraden fehr mob(mollenb auf Rat
Lichtenberg, welcher jo gar nicht mehr blafiert oder
mokant ausfah.
„Und nun heran, meine a, ierit Tante Refi,
„führen Sie Lichtenberg feinem Verhängnis entgegen!
Der Löwe beginnt Blut an feden! Seigen Sie ihm mal
. umjere Schönen Mädchen — Martina Gollnow nicht zu
vergeſſen!“
| „Bravo! Famos! €p ia recht, Bidhtenbera Avanti!
Wer gern tanzt, bem ijt leicht gepfiffen ^, und voll lachen⸗
der, liebenswilrdiger Heiterkeit fakten Die Küraffiere ben
jungen Kamerad unter den Arm und zogen ihn mit fid)
fort in das bunte Menfchengewoge. x
Refi aber fah ihnen mit einem tiefen, erleichterten
Aufatmen nad) und lächelte ftl vor fid) Hin: „So; den
— Heinen Störenfried Hatten wir zahm gemacht! Wäre noch
alles gemejem, was ba fehlte, daß wir a ins Rez 2
giment befonmen hätten! i
Guſtel Guſtel von Blajemib!l Da tonne dn 2
[ujtiqe Gejellen, bie leckert's nach einer Heißwurſt!“
poed — ssungfer Gujtel — | eingejihentt 12
-A&iutelbed)er Herzu!” : eU
under. Kroat will Streit onen Weis ihm bie
ege - — Guſtell⸗ x
„Sein (till, Geſellen — laßts euch pon ben Dra-
gonern bedienen, — - ba fommt unjer Feldherr all jebi
247 =
Und Refi fuirte itii und tier vor ber jtattlich ſchönen
Geftalt Kronſtadts, welcher mit federummalltem Hut, in
Heibjamer Wallenfteintracht auf fie . yan om :
den Sl [füftete, — o
gS Por i ua | Gott grüp' He, ftt von z
Blaſewitz!“
— =
o AS
SUUS se
OS N
UNT SNK
ON a
SEE
SAS
XII.
ron|tabt hatte jid) feinen Schemel etwas abjeits
an bie Marfetenderfarre gerüdt und blidte nad-
| denflich, beinahe etwas. trúbjelig i in — heiter
pulſierende Leben hinein
Er hielt den Punſchbecher in ber Hand, ohne zu trinten,
und als juft ein paar [ujtige Schwabenmädels, welche
ihren bunten Tand an den Holzitänden bereits ausverkauft
hatten, fid) ber Guſtel von Blaſewitz alè „dienſtwillige
Magd” angeboten hatten und nun unter Scherz und
Neckerei die Lagergäfte bedienen halfen, ftrid) Refi auf:
atınend über das erhitzte Geſicht und ſetzte fich auf bie
~Rarrendeichfel nieder, um für eit paar Minuten aus:
- zuruben. |
„Er bu liebe Beit! Freund Sronitabt, was machen
Sie denn für ein Geficht ?“ lachte fie, „Dichten ober trachten
Sie? — Oder machen Sie Weltgefchichte, daß ſelbſt ber
ſchönſte Glühwein darüber falt wird?” —
Er jab) ite mit fone dunklen Augen voll und gerade an.
= 490 FS
Amien Sie bie efenifche, fatale Stimmung, Tante
Reſi, welche einen Menſchen ganz plößlich überfällt, jo
daß er fich inmitten des größten Menſchentrubel Š .
unjagbar einjam porfommt?^ |
. Wein, bie fenne ich nicht, denn ich habe, Gott dei
Dant, feine Nerven, — und für Sie find foldje Elegien
auch noch bedeutend verfriiht! — Es ift wunderbar, weld —
ein Geijt ber Schwermut, ja id) möchte jagen ‚ver ——
Unzufriedenheit‘ plöglich in bem Regiment um fid) greift!
(dj beobachte das don feit geraumer Beit — wid
ich fürchte — ^ Nefi jeufzte leicht auf — „ich feme
auch die Urfache, an welcher das gejamte Offiziere |
cauti =
„Davon bin id) überzeugt! Was entginge Ihrem
i gri. Bid! — Sehen Sie L ante Reſi — bie Der
zu —
„Aber mein Gott — warum tevoltieren Sie nicht
dagegen? Sch bin wahrlich nicht für das Aufhegen, aber
alles fat feine Grenzen! Der Oberft mag Ihnen dienftlich
eine unfehlbare Perſönlichkeit fein, Deren Befehle blindlings
erfüllt werden müjjen; aber im privaten Leben hören die
Niückfichten auf, und fich ftunden-, ja albe Tage und
Nächte lang am Wirtstifch feftnageln zu laffen, nur darum,
weil e bem Oberft zu langweilig ift, allein zu Haufe zu
hu — Das... mut, Das halte ich einfach für einen
Mißbrauch jeder gii baide Form! — Wenn Sie
alle — viribus unitis! — | De ſchließen, dagegen zu Oppo:
— 251 —
| nieren — et, id) wollte mal fehen, ob jid) dies Wirtshaus-
itraffommando nicht abitellen liege!” |
: Kronjtadt jdjütielte langfam den Kopf. „Das ginge
fier an, — was fid) nicht biegen läßt, fann man zur
Not brechen. Wher id) glaube nicht, Tante Refi, dag
hierin allein der Grund zu bem allgemeinen Mißbehagen ——
der älteren Kameraden ftedt; — er liegt tiefer. Bisher -
dominierten im Regiment „ber Hagejtolge” die Jung-
gefelfen, weldje fic) ungeheuer befagfid) und glucklich in
ihrem freien, ledigen Zuſtand fühlten. Man neckte und
foppte bie paar verheirateten Leutnants, baute ihnen bei ——
jeber Gelegenheit alle Schwiegermutter⸗ und Gattinnen-
mibe ber liegenden 3Blütter auf, und beflagte fie im
Grunde des Herzens ichr, daß fie ihre ſchöne, goldene
Freiheit einem Leben voll Sorge, Verantwortung, Kinder:
geld)rel und Weiberlaunen geopfert hatten. — Seht ift
Das plößlich anders geworden. Die ftolze Junggefellen-
berrlichfeit Dat einen jchauerlichen Dämpfer befommen.
Nicht allein, daß die verheirateten Kameraden uns täglich
beweijen, daß ſie im Grunde genommen viel beſſer dran
find wie mir — der Oberft ift ein ritterliher Mann und
nimmt jedwede Nückficht, ſelbſt die, daß bie Verheirateten
nicht mal abends in der Kneipe zu erfcheinen brauchen, —
ja nod) mehr — wir Unverheirateten haben plößlich ein
entjegliches Menetekel in Geftalt unjere8 Oberjten an bie
Wand gefchrieben befommen. Was jo ein alter Hages
ſtolz für ein bedauernswertes Gejchöpf ijt, führt er uns.
tagtäglich vor Augen. Man müßte ja taub und blind -
— 22 —
fein, das nicht mit zu beobachten. — Weld} ein Unbehagen
überfommt den alternden Mann in feiner ftillen, einjamen,
öden Wohnung! Mag fie noch fo ſchön deforiert und =~
warm gefeiot fein — fie bleibt unwohnlich und falt, daß
man big in das Herz hinein friert. — Eine wahre Furcht
bor Diefer Ginjamfeit quält ben Dberft, das franthajte,
ungeftüme Verlangen — unter Menfchen zu fein, Dod)
fo, daß er ungeniert ijt und fein eigner Herr bleibt, wie
e8 im Wirtshaus der Fall ijt. — Was hat er außer dem —
Dienft noch für Interefjen? Reine. Wenn er das bißchen
Arbeit erledigt Dat, liegt er fid) bie Ellbogen auf dem |
(yeujterbrett round nnd wartet voll Ungeduld, bis die
Eſſensſtunde ſchlagt Dann atmet er auf, er wird nicht
mehr allein fein. — Und während Der Suppe hält diefes
Gefühl der Be friedigung nod) an, — mit bem eren ——
Gang überfommt ihn bereits bie llurube Das Effen
nähert fic) dem Ende, — was dann? — Wieder allein
a. 0 no — Sn einer befreundeten Familieden —
Thee trinfen? — Wenn der Menſch altert, wird er -
ichwerfällig, ber gefellichaftliche Verkehr ermüdet — der
jteife Rockkragen drüdt mit ber Beit. Und fo will der
alte Hageſtolz fid) felber, feine Ginfamteit, feine Oden pier
Wände fo lange wie möglich fliehen — und dann bleibt
er bet did) fiten ewig — ohne Ende — und feine
Offiziere miljfen ibm Gefellfchaft leiften, denn fie find ja
auch Sunggejellen, frei und Herren ihrer Zeit! — Welch
eine Daarjtrüubeube Langeweile während Diefer emigen
Sibungen! Geftern entfehulbigte ih mid), daß id) ein
= s —
neues Pferd zureiten mile, unb ftand nach bem Kaffee
auf. Ad) ritt zwei Stunden, — ich las daheim nod) die
Verdyſchen Erinnerungen aus bem großen Hauptquartier‘
zur Hälfte bur), und dann ging id) langfam dur bie —
jtille, fchlafende Stadt nach ‚der Sonne zurüd, meine =
vergeffene Gigarrentajdje zu Holen. — Als ih an den —
Tiſch trat, mar'8 als fet ich gar nicht fortgewejen! Da
ſaßen der Oberſt und feine Opfer mit müden, verglaften
Augen — tranten, tauchten — fprachen hie und da ein
Wort — und meine Raffeetafje ftand noch an ihrem
Fled, und das Schwefelhölzchen, mit welchem id) meine
Cigarre angejtedt, ag nod) juft fo, wie id) e8 hingeworfen
hatte. Der Oberft aber fagte gerade mit einem tiefen
Ceufger: ‚Ja, wenn man älter wird, dann laſſen bie
Augen bei den meijten Menj iden plötzlich nàd), — bei
Licht be8 Abends lefem ift ein übel Ding — ich mute e3
den meinen nicht mehr zu, — und ich rate Shuen, meine
Herren, halten Sie haus mit den Shren! So lang:
weilige Abende find greulich, namentlich, wenn man nicht
Rarten fpielt, wie ih, — und fold) ein Dauerjfat von
Jahr zu Jahr — der verliert für alte Leute ſchließlich
auch feinen Neiz! Sa, jo lange, wie man noch im Dienit
ift, Da geht es nod) an, ba hat man feine Beſchäftigung —
aber alè SBenfionür — na, Gott bewahre uns alle nod).
lange davor! Profit meine Herren!
Sch fann Ihnen gar nicht jagen, Tante Refi, wie
mir zu Mute war! Greulich, entfeglich! Sit folh eine
Perfpeftive hat man ja mod gar Mns L 5
= 91 —
Und id) glaube, bas eb a allen Renanen fol Wenn
wir mod) vier Woden fang den Oberſt als Schreck⸗ |
gefpenft ber Zufunft im unjerer Mitte haben — leiden
wir entweder alle an Tieffinn ...: oder... . wir
heiraten.” — |
^ Refi lächelte. „Und das ift eins fo idyredtid) ole
das andere, wenigitens für Menſchen, melde abjolut
nicht zum paret gejhaffen find, wie gum Beifpiel
Ste! |^ x
Er ſchaute ee in feinen Becher. „Das glauben
Sie alfo auch?” feufste er. „Sa, ich werde felber nicht
recht fug aus mir. Ohne Neigung zu heiraten, Halte
ich geradezu für ein Verbrechen, und mich verlieben? —
Ad id) fürchte, was piden nicht lernte, lernt Hans
nimmermehr!” — | |
„un, das wollen wir ‘nod nicht io ſchroff Dabin
ftellen! ‚Und He fommt Doch! Die Liebe nämlicd), welche
für Sie vielleicht etwas ganz Tr Beglücendes falt
—ugeuelit pate-
„ld, bap je e$ mir jcemieren möchte! d) Habe fo
gar fein Talent zum Suchen!“ :
„Seluchte Liebe ijt auch nicht bie richtige, jie: muB
ganz von jelber fommen, wie eim Blitz aus Hetterm |. e
- Simmel, muß fofort zimden und das Herz in Flammen —
jegen! Allerdings aus den Wolfen fallen bie jungen
Mädchen nicht, infofern muß man ber Göttin Minne
wenigftens entgegen gehen, bab man bie Augen aufthut
und im Leben um fid) fieht! Haben fie Beute ſchon Um-
— 905 —
{hau Bier im Pavillon gehalten? Nein? Cie find eben
erit gekommen und geben fofort neben dem Punſchkeſſel
bor Unfer? Allerdings, wenn dann nicht bie hübjchen,
jungen Mädchen herumpräfentiert werden, weiß ich auch
nicht, wie und wo der efeftriiche Funfen zünden fol! Nun
will id) Ihnen mal ein biächen Arbeit geben, welche Sie
auf andere Gedanken bringen foll! Entfinnen Sie fid)
noch Deg weißſeidenen Kopfſhawls, welchen Sie mir aus
Kairo mitbrachten?“ x oo
Gr jah fie erftaunt an. „Das ijt ein bikchen viel
verlangt! Aber id) büdjte, er hätte ein Mujter in Gold-
fticferet aufgewiejen ?^ —
„Redt fo; gut gebrüllt, Löwe! Nun hören Cie!
Dieſen Shawl habe ich heute einer jungen Dame, welche
fih im Pavillon befindet, gelichen. Dieſe junge Dame
ſuchen Sie, bitte, mal auf — Erkennungszeichen jener
Shawl! — und bringen Cie Diejelbe Hierher! Sagen
Cie ibr, @ujtel bon Blaſewitz kommandiere ſie zu einem
Glas Punſch, einem Deimaettel mit baprijdjem
Kraut!”
„sh bin Wachs in Given Händen, Tante Refi! Aber
fagen Gie mir wenigitens, weld) ein Koſtum trägt bie
Dame? In meídjem Saal befindet fie fih? Wo unge:
fähr ift ihr Stand? Was verkauft fie und wie heißt fie?“
Reſi ſtemmte mit ſchalkhaftem Geſicht die Arme in
bie Seite. „Da fau einer an, wie bequem e8 der Herr
gemacht haben möchte! Nein, lieber Freund, hingehen
und herholen — bas allein ijt nicht der Zweck der Übung!
c6 — —
Suchen follen Cie! Euchen von er zu Sij, in jedes
Dübide Gefichtchen hineinfehen und bei diefer Belegen —
heit eae einmal u unter den jungen Damen
halten —
— Gr lachte ihallend auf, P» fftine Rlugheitt Dein
Name ijt Weib! — Bravo, Tante Refi — die mgm
von Gaba ilt $hre Bwillingsichweiter . . ."
> Ryu, Freund Sn fo alt bin ich denn Doc)
nod niht — —
td; NE Tante Refi, Delt Seburtefehein haben Eie
ung nod) nicht gezeigt!” flang eine nedende Stimme baz
zwifchen, und ber unverheiratete Rittmeifter von Hunolf
ſchob ſein gerbletes Geſicht hinter der Karre vor, gleich—
zeitig wies er mit einem Jodler auf ein Paar geltrictter
Babyſchuhchen, welche als Berloque an einem feiner
Knöpfe baumelten: „Echen Sie maf, was id) eben in ber
Würfelbude gewonnen habe! a das nidt eine Vor:
bedeutung? — Kann ich auf dieſes — Din |
nicht fofort heiraten p" |
| — „Bem Cie eine finden, Die e3 mit E vistieron |
(i cos semel, lieber Neffe —”
Wurden Sie mid) faltifch nicht erhören, Tante Mefi”
Faktiſch nicht! Sch darf feine Ausnahmen maden!”
„Ewig Schade! — Wilfen Sie auch feine fiir mich?
Co eine ganze fleine, ganze Kleine, ganze Heine Frau?”
„Das verfteht fih! Blond oder braun 2”
„Ra, fo ein bifchen brünett ijt pifant — unb friſch —
und füß unb appetitlich zum Wnbeifen . . .”
N.v. SfHftruth, IN. Rom. u. Non, Die Negimentstante I. 17
Out, foll bejorgt werben! Hier haben Sie einft-
weiten ein Glas Fund - — made fünfzig Prange [^
- Aber Guſtel!“
Nefi ftedte ſchnell einen Thecoffel „Mit Safe. P.
eine Mart.” s
Am alles im der Welt” und Hunolf tranf. bem Wein |
fchleunigft aus. Ich jebe, jedes Zögern bringt hier
ichwere Gefahr ....^ —
„Suftel! Gul ſtel von Bla jemig!^
„Stier bin ich, komme ihon! p
jQigeunenmupit! Heija, ber Kroat giebt mit einer
Bande awl! Sertumpt find fie fchredlich und eine Mufit —
machen fie — daß Gott erbarm — wer iſt's den? — `
Hahaha! Ein paar Neferendare! Famoſe Idee! Das
fehlte noch zum Bazar! Nun fann der aba —
Juvivallera! hops Deijaja!^ .
„Und ba fommt ber Kapuziner! Er traut alle apre
ohne Anfehen ber Perfon — wie fie ihm grade unter bie
Hände ommen! . . .”
„nauve qui peut!
Ein pubelndes, lärmendes Durcheinander; langjam
Schreitet Sironjtabt in: ben Stebenfaat hinein. Gr fol den
weifjeidenen Kopfſhawl fuchen! x
Wahrlich, Tante Nefi hätte e$ gar nicht gejchidter an-
fangen können, ihm zu zwingen, ſich die Damen einmal
gründlich anzufehen.
Er thut eë lächelnd, und er fieht foviel ‚Hübjches, Mn-
GES aul Daß er feine ‚Freude paran fat. |
— 259 —
Noch ijt er wenig befannt in ber Gefellichaft, obwohl — —
er {chon jeit Wochen in ber Stadt weilt. Der Winter ijt ES
in biejem Jahr fo überrafchend früh gefommen, bab er —
die Geſellſchaftsſaiſon nod) ganz inorberetet, wie ein
Kind in Windeln, vorfand.
Mit dem Bazar Beute ward fie wohl ait ret et
öffnet, unb Die Sugend jubelte darüber, Denn jonjt war
vor Weihnachten im der Siegel recht menig los, ba Die —
Seftoprbereitumgen alle Heit in Anfpruch nahmen. Es ge
hörte zum guten Ton, dak Mutter und Töchter fif bis —
zur Atemloſigkeit an Ruckenkiſſen, felbitgefnüpften Smyrnas
und gemalten Ofenſchirmen abarbeiteten, denn je raſtloſer
man bie Damen am fyenjter figen und nähen fah, dejto —
mirtidjattl icher und häuslicher nannte fie Frau Sama. ——
So waren aud) an S'roujtabt noch wenig Einladungar
ergangen, und weil ihm die Damenwelt nod fremd war, —
und auch er in feinem K ojtimt nicht jo schnell erfannt
wurde, fam er ziemlich unbehelligt durch die Menge,
Ein paarmal nur mujte er Qofe faufen und an ciner
Würjelbude - ward er von einer ifm betannten, feinem.
Leutnantsfrau — — bant er jem Glück
verjuche.
Thuen Ste e8 nicht, gnaͤdigſte ran! ad tuiniere
Ihnen das ganze Geſchäft!“ lachte er. „So oft id) im
“eben gejpielt oder gewürfelt habe, entwickelte ich ein folches
Slüc, bafi bóje 5 Sungen nie Ihan Den Cepia Cede
nannten.“
„‚Steicpviel! Wir vistieren es und beftell en einen 1 Laft- D
pu Sd
— Stee
wagen, welcher nen bie Gewinne heimfährt. Alfo bitte,
Herr von Kronftadt — eins... gwet... ah — dies
mal Hat fich ber Grouplerjdreden nicht bewahrheitet!” -
Und Achat würfelte weiter und verlor immer weiter,
— er hatte fein Glitc wohl berufen! =
Die Damen ficherten und nedten: „Ei, et, Herr Dberit:
[cutuant! Unglück im Epiel bedeutet Glick in der Liebe.”
„Das würde etwas |pát fommen!^ .
„Aber es fommt! Es üt vielleicht [don ganz, ganz
nahe auf dem Wege und lacht Gie mod) in Der
Stunde an!“
| „Möchten Sie uh prophezeien, meine aa |
Frau!” lächelte er chevalerest und jaf es faum, wie heiß —
Die Blide ber Damen an feinem ſchönen Untlig hingen.
Ich werde mid) jojort Daran begeben, e3 zu chen,
halten Sie mir den Daumen, daß id es finde” —
Und er jehritt nadjdenflich weiter und faute in all
die frischen, bübjdjen Gefichter — und mufterte aufinerfjam
alle Softüme — aber den weißjeidenen, orientalifchen
-Shawl fand er nicht. Hatte Tante Refi ihn nur gefoppt?
„se num, ihren Swed hat fie ja erreicht, er jiebt fidh
Die Damen jehr genau an — allerdings hat jem Herz
nod) nicht einmal jchneller gejdlagen. Eine laute, etwas — —
dröhnende Herrenftimme fallt zu ihm herüber. |
Bor einer Bheebude, wo eine jehr niedliche, junge
Aſſeſſ orsfrau, als Chineſin koſtümiert, Duftende, feine
Theeſchalen verabreicht, jteht ein alter General, eine wohl:
betannte und pj genannte Perjönlichkeit aus dem Kriege
— 96 —
70/71, elder fo populär ijt, daß man ifm all feine
Originalität jdon fängft nicht mehr übelnimmt.
Er liebt e3, jehr draſtiſche, derbe Wipe zu machen,
ungeniert, ob er jid) in Herren⸗ ober Damengeſellſchaft
befindet, — und viele folder Scherze werden bereits von
ibm erzählt unb ün ganzen Lande belat. —
Sein weißbuſchiger Kopf auf dem ftarfen, geröteten
Naden ragt über das ihn umvingenbe Bublifum. Er hält
die Theetaſſe in der Hand, ſchlürft behagltd ihren Inhalt
und ſchaut bie allertiebjte Li-Huang, melde jefr graziös
vor ihm mit dem Fächer fofettiert, über den Porzellan-
rand Dinmeg mit höchſt twohlgefälligen Biden an. —
‚Ma, Eleenes Chinaweibchen — un’ wie ville foft'
mich ber Troppen? fragte er — und zieht bie
itruppigen Augenbrauen Bod) |
„Bitte nach Belieben, Grella — aber nicht zu fnapp |” x e
lächelt Das junge Frauchen verführerifch zu ihm auf, und
der alte Herr zieht umständlich bie Börfe und legt ein
Goldjtiic auf den Tifch.
pug!” Qi-Huang tritt noch ein Slide näher
und macht bie jchönjten Augen, welche fie auf Lager hat.
„Und was darf ich abziehen, Grcelleng 2” x
Da grinſte ber Alte über das ganze Gelicht.
„Meinetwegen alles, meine Gmübigfte, bis uff bie
Schuhe!“ fagte er mit dröhnender Stimme, und ein
ichallendes, unauslöfchliches Gelächter erhebt fih, dieweil
der alte Feldherr fid) mit berid)uibtent Blu im Sreife |
umfchaut. 3a, alle = — alle! — Dod ein
0988 oo
paar qam junge Madchen, elie als Picarben bie Teller |
poll brioche zu bem Thee anbieten, ftoßen fid an und —
wechſeln vielfagende Blide und fidern errbtend a
ihren Schürzen.
Auch Kronftadt mußte Lachen, und um fo überralibter |
fiebt er plößlich in zwei große, weit aufgeriffene Mädchen —
augen, welche wahrhaft entjebt über fo viel s eera
Frivolität den alten General anjtarren. |
Achat fdjaut wie gebannt in bieje8 reizende, ftolze
Mädchengeficht, in welchem fid) in biejem Augenblid das
gauge Herz — dag volle, wahre Denten und Empfinden,
ohne Falih und Derftellung fpiegelt. Sie wähnt fih
ganz unbeobachtet, weil aller Augen auf bie arme Chinefin — : x
gerichtet find, welche voll allerliebſten Zürnens mit dem
Fächer droht, und mit hochgeröteten Wangen fo reizend ——
ſchmollt; daß Exeellenz mit feinem tiefen Bah begütigend a
lacht: „Na ba ziehen Ste mal bem Goldfuchs das Fell
nicht über bie Ohren, hu — Sie ihn uff emg
ungedeelt!”
Sedermann beobachtet bie drollige — nur chat
allein jieht Das entzüdende, [pride Mädchengeficht juft
durch eine fleine Lücke im enggedrängten Kreiſe und u
e3 an, wie eine holde Viſion
Wie viel Herzensreinheit, wie viel sgh Stolz,
wie biel edles Schamgefühl drüdt fid) in biejen erjd)rodenen
Augen, m dieſem herb zuckenden Mündchen aus! —
| ‘Unfere jungen Damen des fin de siècle, welche Bola
unb Tolftoi lejen und ohne Strupel bie franzöſiſchen
— 263 —
Sittenſtücke der Voritadttheater bejuchen, Haben e8 berfernt,
folch eine ftumme Sprache feujcher Sitten zu reden.
Sronjtabt Hatte im feinem Leben faft mur Gro’:
jtädterinnen fennen gelernt, — freilich mur durch ober
flächliches Beobachten — und wirklich gefannt Hat er
wohl nur feine Schweitern, frühreife, durch fchlechte -
Gouvernanten und 9iefibenaluft verdorbene, junge Seelen,
weldje bie laxe Moral der großen Welt zu ber ihren
gemacht, wie leider bie fo unglücklichen Ehen bewiejen!
Sie waren e8 geweſen, welche Achat den Glauben an
chte, heilige Werblichfett genommen, und fein Engel
hatte bisher feinen Weg gefreust, welcher ihm das ber
[orene Paradies von neuem erjchlojjen hatte. —
Und jebt — plößlich ungefucht und ungeahnt taucht
cin zartes Mädchengeficht vor ihm auf, welches mit einem
einzigen Blick der reinen Kinderaugen all das Bollwerk
in feinem Herzen über den Haufen ftößt, welches fchlechte
Erfahrung und Vorurteil darin feit langen Jahren auf-
gebaut. Welch einen tiefen, wunderjamen Cindruc fat
Diejes flüchtige Cehen auf ihn gemadt! — |
Gleich einem lichten Gnadenbild, welches J
vor dem muden Erdenpilger aus den Wolfen taucht und
haltfos in Luft und Licht zerrinnt, fo war auch das
fiebfidje Mädchenhaupt im nächiten Augenblick hinter ber
herzudrängenden Menge verjchwunden, und Sronftadt
wandte fic) voll Halt zur Seite, um durch einen Keinen —
Umweg nad) ber andern Geite ber Bude zu gelangen.
Es glüdte ihm — und ein warmes, wunderjames
Dou ged ue
Gefühl ber Freude ifn, als. er nad) wenigen
Schritten in ber freien Budengaffe ftand und bireft CM ps x :
Das Wntlig ber Gejuchten jchaute.
Eine Drientalin!
Sie feint Cigaretten verfauft und ſehr gute Geſchäfte
gemacht zu haben, denn ihr Tiſchchen iſt abgeräumt,
nur noch ein kleines Käſtchen mit wenig — ſteht
darauf.
Die Schöne Ügypterin aber hat fid), wohl von. dem.
tangen Stehen ermübet, auf eine Ecke des Tifches gelebt, ae
die Hände im Schoß verjchlungen, bie dunflen Augen wie
in umvilligem Schauen auf ben Menſchenknäuel gerichtet,
welcher fid) um den General und Li-Huang gebildet hat.
Und Kronftadt deucht es, als könne er die Gedanken der —
weißen Mädchenftirn lejen, Gedanken, melde ba laufen: ——
„Bie ifte möglich), daß bie junge Frau fold) einen |
unzarten Scherz nicht übel nimmt, daß fie noch ferzen
und lachen fann und nicht in bie Erde [ift vor Scham
und Berlegenheit? Herr des Himmel3, wenn mir das
paſſiert wäre!! Sch hätte eð ja gar nicht überlebt!“
Ein beinahe angftooller Ausdrud liegt in ihren Augen,
alg fürchte fie, ber jd)redí(idje General könne fid) nun
auch zu ihr wenden und fie zur Bieljdjeibe lees Bibe
machen. .
Wie jdn fie ut! Welch ein zauberhaft fleibfames
Soltün — und auf ihrem Köpfchen — ber reife, gold⸗
gewirkte Shawl — — —
Ein leifer Laut ber Überrafchung ringt fid) von
— 266 —
Kronſtadts — sein Shawl! — Gie ift bie
Geſuchte, fie ijt bie Unbefannte, welde e er zu Tante Refi
bringen joll!
Sit er trunfen bon dem Punſch ber Guſtel von
Blajewig ?
Barum Schlägt fein Herz plbbli fo Hod) auf? —
Warum erfaßt e8 ihn wie jubelndes Entzüden, daß gerade —
Dieje8 liebreizende Wefen feinen Shawl um das Haupt vA
gelegt hat, daß gerade jie e8 ijt, bie er ſuchen die
er zu Mefi Wieders bringen foll? | —
Noch nie iſt ihm ein Auftrag ſo lieb geweſen, wie a
jujt Diejer, nod) nie hat er ein jo jehnliches Berlangen
empfunden, eine Dame fennen zu lernen, wie angejichts
Diejer Orientalin! Sind e8 goldene Zauberfäden, welche
fi von dem weichen Seidengemebe nach feinem Herzen
Derüber jpinnen, einen magijchen Zuſammenhang zu bilden
zwiſchen ihr und ihm? x |
Sie Stimme des alten Generals flingt lauter und
schreckt ihn jählings auf, Er fiebt, wie der originelle
Haudegen fich zum Weiterfchreiten wendet, wie feine
weinfeligen Fallftajfaugen ſuchend umher blicfen und
wohlgefällig auf der feinem Cigarettenverkäuferin haften
‚bleiben.
Und er fieht, wie diefe, heiß erglüühend bor Schreck
und Angſt in fid) zuſammen fehauert und wie hilfeflehend
umberblict — jujt in fein Antlitz Auge ruht in fuge,
es ijt, als ob fid) bieje beiden fremden Menichen jählings
| verjtünben, wie ein Herz und eine Seele. Shon jtebt
eM —
er bor ihr und bietet ijr den Arm: „Darf ich bitten
mein gnädiges Fräulein? Tante Refi erwartet Sie!“
Wie erlöft leuchten bie dunklen Augen voll inniger
Dankbarkeit zu ihm auf, fie ſchmiegt fid) haftig an feinen —
Arm unb flüftert: „O fommen Sie fuel — — ae
— Amb. Kron| Mabt flüchtet ale. feine weiße . ——
Taube. rn
EEE se se se se
‚ber Fraulein Gollnom — wo foll es denn jo
dalli hinjehn?“ rief ber General mit lauter °
Sttmme nah, — Martina aber wandte nur
mit liebenswürdigem Lächeln den Kopf und winfte mit
dem gierlidjen Händchen zurück x
Alles ausverfanft, Excellenz!” — und dann drängte
fie Haftig vorwärts, bis das Gewühl des Nebenjaals fid)
als gewaltige, lebende Mauer zwiſchen den gefürchteten,
alten Krieger und fie {chob.
Kronftadt trat jeitwärts in den menjchenleeren Gang,
welcher Hinter den Buden hindurch am den Fenftern ent:
lang führte, und hier gab er momentan den Arm des
jungen Mädchens frei, zog bem Federhut vom Haupt unb
verneigte lic) chevalerest.
„Berzeihen Sie, mein gnädiges Fräulein, wenn id) e3
jo formlos wagte, in Shr Schickſal einzugreifen und Ste
Ihrem greifen Verehrer zu entführen“, [üdjelte er in feiner
Jetë mehr ernjten unb gemefjenen, wie heiteren Weife;
„3 war jedoch in dem entjcheidenden Augenblick feine |
— N, =.
Gay re bree <=
—— eee e
-—- — 3
—— —
* ANS Sr
— mM =
Beit mehr, mich Ihnen befannt zu machen, und bitte ich.
nachträglich um die Erlaubnis, das Verjaumte nachholen —
zu Dürfen!” — Er fappte bie Haden zufammen und —
neigte Das Haupt nod) tiefer: „von Kronſtadt!“
Martina blifte hochatmend zu ihm auf und reichte
ifm ohne alle Prüderie herzlich die Hand entgegen: „Wie — —
banfe ich Ihnen, daß Cie mir zu Hilfe famen! Ih
glaube, Sie verjtanden bie ſtumme Bitte, als id) Sie
anjab! — Nicht wahr, e3 ijt redt finbij von mir, vor
dem berühmten, verdienſtvollen, alten Herrn davon zu
laufen, aber er nedt jo gern — und feine Scherze marten
mid) fo namenlos verlegen! Sch fann nicht dagegen an-
fämpfen, jo oft id) es auch verſucht habe, — es ift jo -—
ganz gegen meine Natur, zu lachen, wenn id) am liebiten —
vor Scheu und Berroffenheit weinen möchte!“
Er fonnte den Blid gar nicht von biejem rührend
ehrlichen, unjchuldigen und Doc jo Itofgen Sean |
losreißen
sth begreife Sie vollkommen, mein gnädiges Scit etit,
und fann Shr Empfinden nur billigen! Die derben Ciferse
Seiner Grcelleng find nicht jedermanns Gejdmad und für
junge Mädchen find fie wohl am wenigiten berechnet!
Wie unflug von dem alten Herrn, welcher bod) fonft ein
jo heller Kopf ijt! Da verjcheucht er fich jelber das Wild
und treibt eë Fremden in die Arme!”
— Gr jdjrate, und das ſtand ifm gut und verjüngte
ihn nod) mehr.
Auch Martina lachte unbefangen: „So gar fremd
waren Cie mir nicht mehr, Herr von Kronſtadt!“ wedte
aud) jie mit ſchelmiſchem Aufblid: „Der große Zilzhut und
das Lederfoller vermochten e8 nicht, mid) zu täufchen!” 2
„AD... mein gnädiges Fräulein - — Sie überrajchen
mich ! Bo Babe id Ichon je Den Vorzug gehabt, ‘bor
Ihnen zu ftehen ?^
„In effigie! Auf bem Screibtife von Fräulein von
Wieders!” — Die reizende Orientalin neigte das Köpfchen
ein wenig zur Seite und Die weißen Zähnchen leuchteten
durch Die gartroten Lippen: „Sie nahmen da allerdings
feinerlet Notiz von mir — und daß Ste mich nad) Diejen
Begegnungen yiedererfemten moam, wäre wohl au mel eS
verlangt!” E
„Ba Tante N ef 3. . num veriiehe ich! Und
Cie, mein gnädiges Fräulein, find der Liebling unſerer
Negimentstante — Fräul cin Martina Goͤllnow!“
„Das leptere jtümmt, — ob ich aber das Prädifat
€iebling beanjpruchen darf, weiß ich nicht. Auf alle Faille
ift bie gütigfte und liebenswertefte aller Tanten von jo
viel Freundlichkeit und Nachlicht gegen mich, daß id) felber
ben lieben Glauben Hege, fie jet mir ein wenig gut!”
„Nach allem, was fie mir bereits von Ihren erzählte,
fann ich Cie belen voll verfichern !”
Als Sie mich vorhin flüchteten, thaten Gie es unter
den Vorwand, mich zu Tante Refi Holen zu follen!
Hatte Dies feine Richtigfeit, oder war e$ nur Die sylagge, —
unter welcher mein Schifflein den Rriegehalen u
joe?" >
— 272 —
,S8 hatte feine vollfommene Nichtigkeit! Gd mar
ausgelchidt, Sie als allerliebiten Refruten für das Heer-
lager ber Guftel von Blafewik angumerben!^ un
wd, das ift herrlich! — Meine Cigaretten find ichon
alle verfauft, bis auf diefen legten Heft”, — Martina
hielt bas Bappfäftchen empor, welches fie bei ihrer Flucht
noch eilig vom Zijd) gerafft, „welchen ich vielleicht bei
den rauhen Wallenfteinern aud) nod) an ben Mann bringen |
fann !”
„Sch bitte, tar! un mich zu zählen! Dort werden -
wir gerufen, — befehlen Sie zu PETE mein grapes
Fräulein 2^ 2
Sie ward buntelrot. di nein ... banfe tanjendmal
ih... id) habe gar fein Gelb bei mir —“ ftammelte
ts voll — Naivetät. |
Er überhörte bie lebten Worte und trat mit ihr an bie
Bude heran. $ajtig legte er einen Thaler auf den Tijd):
„Sch babe fo viel Glück in der Liebe, Fraulein Golluow, -
daß ich vorhin jchon eine ganze Zeitlang vergeblich
mwürfelte. Bitte, erbarmen Cie jid) nun einmal und
Ihütteln Sie den Becher für mih, — vielleicht erringe
id) Dort bie Schöne Suppenfelle — oder den Vogelfafig
— welcher mic) bejonders beglücken würde!
„Haben Sie Vögel?”
Rein noch nicht, aber auf den Käfig Hin fönnte =
- mir Dann Doch jojort welde anſchaffen!“ |
- Sie ja in fein lachendes dq empor, ud den
DE und würfelte |
x bui! WAN
A
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Mom. u. Mer,
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a 274 i
„dD — fchabde - — _ biesmal war's nod) HOE mit dem
göttlich ſchönen fig.
„Vielleicht wirds bie Suppentelle! Mut, mein abis a
Fräulein! —
„Wieder nichts’ — |
„Alle gute Dinge find pra! —
„©, weld) eine jdlechte Anwältin oben i Sie fid) in
mir ausgejucht I^ :
Sein ganzes Geficht ftrahlte, al8 auch gum dritten
Mal fein befferes Rejultat erzielt ward. Gr nahm ihren ——
Arm und führte fie, nach luſtigen Abſchiedsworten mit
ben Wiirfelbamen, weiter
Gr beugte ſich etwas tiefer zu ifr nieder,
Sie haben auch Glück in der Liebe, Fräulein
Gollnow! Ich thörichter Geſell an das vorher wiſſen
ſollen!“ — |
Ein feiner Haud) ber Wehmut 30g über ihr weiches
Gelichtchen: „Ganz heimlich ftille Liebe, von der niemand
nichts weiß, — aud) ich nicht!” Und dann lachte fie leiſe
auf und wies auf einen Leierfaftenmann, welcher fid) mit
einer fürchterlich gemalten „Mordgeſchichte“ in der Thür-
efe poftiert hatte. Das Leierfaftenweib, in einem Koftim, —
bei beffen Anblid laut Eberhards Verficherung: „fein
Auge thränenleer blieb” — fang mit fchauerlicher Fifte- —
jtimme ein ungeheuer fíüglidje8 Lied dazu: „Es mar
im Sabre 1879, al8 biejer jraufe Mord jeihah!” —
welcher männiglich fo recht vor Augen führte, wie treuz
tole Liebe ſich auf nn Hor
— 75 —
der üt denn dieſes furchtbare Weib?” Flüfterte
Martina, ganz betroffen auf die fudjfige Perrücke und
die maraenubefíebte, faliche Naje ftarrend, {chon aber
wandte fid) bie Betreffende mit ausgebreiteten Armen
-gegen bie allerliebjte Drientalin und fang mit gellenden
Tönen: „Merk dir’, du ſchöne Jungfrau hier, — verlag
nich deinen Kavalier! — Bleib’ treu und werde fein
Jemahl — jeujt jiebt’3 och fo’nen Mordsſkandal!“ —
Und babet wies bie Sängerin auf Kronftadt, und
wiederholte abermals — „ja, werde bu man feine Frau
Semahlin!” — |
Martina erglühte bis unter die goldbraunen Lichen,
welche unter bem weißfeidenen Shawl hervorquollen, ber
Oberjtleutnant aber verjebte ber Sängerin einen derben
Klaps auf die Schulter und lachte: „Habe id) e8 nicht
immer gejagt, Herr Major, bab Cie mod) mal beim
Leierfaften enden? — Das fommt davon, wenn man
alle Tage Weifbier trintt, welches bie Bitte Eligunt
gebraut hat!“ —
Das Zeierfaftenweib, in 1 welchem Martina mur duds
zu allgemeiner Heiterfett einen jebr {ebensluftigen, pen-
fionierten Major erfannte, hub ein jchredlich lamentables
Gebettele an, erzählte von jechzehn Kleinen Kindern, bie
alle rafenden Hunger hätten . . .
„Bas — bie jeden gehören alle Sbnen, arme
Frau?” — und Kronjtadt warf tie] erjchüttert ein Geld-
itid üt bie zerlumpte Schürze —
„Nee — merjchdendeels andern Leuten! ſchmunzelte
files ©
c ow us
ber Herr Major — und da gerade wieder neue Menfchen
Deranbrüngten, griff er abermals in „die Saiten feines
Lelerkaſtens“ und begann das tragijche Lied von neuem.
Lachend ſchritten Achat und Martina weiter.
Schon Schalte ihnen der Jubel aus Walleniteins
Lager entgegen, und Tante Refi Hand juft in der Mitte,
hielt die Arme in die Seiten geftemmt und überjchaute
wohlgefällig ihr Reidh.
Sa fah fie ihre beiden Freunde heranfommen. Wie
Sonnenjchein leuchtete bie Freude über ihr Geficht.
‚Bravo, bravo, lieber Pfadfinder! — Haben Cie
mitten im Sturm und Wogengraus bie Perle Hefijdit 2^
nidte fie Kronſtadt Injtig zu: „Hat mein Mittel gegen
Motten und Grillen gut angejchlagen? Ih glaube es
beinahe fel bit! Nun machen Sie ein ganz anderes Geſicht,
mie vorhin, und ich garantiere ncn, es 3 foll i immer noh |
ftrahlender werden!”
Und dann umarmte fie Martina, zupfte voll mütter⸗
licher Eile und Sorge ihr Koftüm zurecht und flüfterte
in thr Ohr: „ut verfauit ? Uno ane m pie Reſerve⸗
cigaretten erhalten ?^ m UT
Boll überftrömender E "brüdie: Martina
ihre Hände. 5
A, id) erhielt fie! — O, Gie einzig Gute, Geliebtejte,
wie fol id) Shnen nur danfen! Meinem Mütterchen jo
viel Freude zu bereiten! Cie haben ihr einen Paſſe—
partout ausgeitellt, bap fie jederzeit le Entree NUN
: fommen tann nt
— 277 —
Na ja, was ijt ba für eim Berdienft babel? Ihre
Frau Mama ijt ja jo gütig, Ihnen neue Cigaretten zu
bringen, — ob ich das burd) ein Ladenfraulein bejorgen
laſſe, oder eine Dame ber Wejellidaft, das ut pod) gang
einerfeit^ |
„Mama läßt Ahnen: einjtwetlen taujend, taujenb d
| Dant fagen! — Unjere Koftüme fand fie geradezu blendend
{din — hat jid) jo unbejchreiblich Darüber gefreut — und
jo wie Sie erft wieder Zeit Haben, fommt fie zu Ihnen
Sa, gemütlich, — zum Kaffee oder Thee, das ift
eine treffliche Idee!“ nidte Refi mit ihrem fo unbefchreiblich
(iebenswürdigen Ausdrud im Geficht. „Wo ijt denn
aber Käthe? Das Kind ang me peto y und etwas
genteben!^
Martina lachte: ,,Unbeforgt, Tante Refil Ste geniest
und ftärft fich ohne aufhören! Eben Bat Frau Kommerzien-
rat Hollmann fie mit in bie Sonbitorbube genommen,
und zuvor hatte {don Frau on mem einen großen
Piefferfuchenmann gebradjt —
„Sit bod) alles nicht zum = ejfet! Schnell Becher
Diejer Tijch ijt gerade frei geworden! Freund Kronſtadt —
bitte, bejegen Sie fdjnell! Sch habe mit ber Beit auch
Hunger befommen, nun wollen wir mal jelber fehen,
ob die Deigmurit und das Kraut den Kochtünſten br `
Guſtel Ehre machen!“
What hatte zur Seite geftanden und ſchien mur auf
dieje Aufforderung gewartet zu haben; er warf fojort
feinen Hut auf den Tiſch, zum Beiden, dah von dem-
— 278 —
jelben Befiß ergriffen fei, und bot Nefi den einen, Martina |
den anderen Arm.
„Gut — mögen ung bie Mägde einmal bedienen!”
ničte Refi und fanf müde auf ben Holafchemel nieder:
„Hola! — Madel! — Sie ba, fomtejje Fridal — -
Erbarmen Gie fidh unjerer, id) fann nicht mehr!”
Die munteren Bauermädel ſchwirrten heran.
„Das ijt recht, Tante Refi, mum mal ausruhen!
Wir werden ganz gut allein fertig — und ba, die beiden
Schwarzwälderinnen, die Töchter von dem Fabrifant
Geißler — nicht wahr, man erfennt fie faum, fo famos
fehen fie aus — haben fidh eben auch nod) als Schenkinnen
angeboten!”
„Sehr gut! Ihr junges Volk feib noch flinfer auj
den Füßen! — Wh . . unb da fommt auch Lichtenberg
unb Sonjorten zurüd, — Gott fet Dant, fcheint ja ein
== Herz unb eine Geele gu fein!” —
Die bre jungen Riirajfiere famem Arm in Arm
~ amgezogen, alle drei fahen außerordentlich animiert und
= mohlverföhnt aus.
Kai trug einen ‚großer Veilchenſtrauß m "ber Hand;
er trat fogleich mit ſchwarmeriſchſtem Geſicht neben Guſtel a
pon Blaſewitz und nerit pon bem — en is |
Seite Beſitz — =
x US Uu. — min -gebeidhtet! - Melhe [^ Shnen
am beiten von allem gefallen?” medte Refi. — ue
Gr jab fie mit tiefem Blid an und überreichte jehr >
ausdrudsvoll en Veilchenſtrauß i
— 279 =
„Immer die, welche fragt!” verjuchte er auf ihren
Deiteren Zon einzugehen, obwohl ihm ein gebührend
jentimentaler Grnj in biejem Augenblid se: E
erjchienen ware.
„Alte Achtung, dag ijt nett (obte Refi und ftopfte 2 21
bie Veilchen mehr energijch mie (yrijd) zwiſchen die Knöpfe — .———
ihrer SBelgjade: „Was Cie für einen guten Gejdmad
haben! — Zur Belohnung dürfen Sie mir auch fofort
eine recht große an > unb eine Portion bayriſch Kraut
holen!” —
Kai ſtürmte davon und Refi blinzelt Niebeland zu inb i
winkt ihn heran.
„Ra — wie machte er fih? Wird der Lowe zahm?” —
„nyamos! Wie ausgemechjelt!” flüfterte Der junge ^
Offizier eifrig: „Hut ab, quábigite Tante, wenn Sie das
zu Wege gebracht haben! Na, er ſchwärmt aud) in
allen Tonarten für Sie, und bae üt bie Welle b
für unjere Ohren!“
„Sch hoffe, wir erziehen uns einen idi fieben und
brauchbaren Kameraden an ihm! Aber ohne eure Hilfe
gebt'à nicht, Kinder! Geduld und Nachjficht wird noh
manchmal bon nöten fein, denn der Kadett qudt nod)
gar zu oft aus dein Roller heraus! — Id jaate Ihnen
ihon geitern den Grund für feine Arroganz und fein
abiprechendes Wejen, und verlaffe mich darauf, lieber -
Freund, daß Ste als älterer und vernünftigerer ftamerad —
mit Lichtenbergs Jugend rechnen! Bitte beeinflufjen Sie —
auch Howald in diefem Cinn! Wenn Cie beide den
— 280 =
Grafen weiter jo unter Die Arme nehmen, mie jochen, — |
werden Cie fid) bem Dank bes ganzen Regiments er⸗ Ue :
werben!”
Niebeland, welcher höchſtens ein bis ein und ein halbes
Sabr älter war, wie Kai, jab ungeheuer gefchmeichelt
unb fabelhaft ehrwürdig aus. x
vVerlaſſen Sie fid) quf uns, gnädigſte Zante!” berz
ſicherte er ſehr eindringlich, „Sie folen ganz zufrieden
lem! Lichtenberg üt wirtlich ein netter Meuſch, davon
find wir bereits überzeugt, und bag. ae auch alle
anderen bald einjehen lernen! ee
Fräulein von Wieders driidte ihm voll warmen Cinz
verſtändniſſes Die Hand, und Niebeland folgte im ges
Dobenjter Stimmung bem Ruf einer meu antommenden,
fleinen Schar, welche ſich haſtig um das noch freie Ende
bes Tiſches reihte:
Tante Fe” —
Fräulein von Wieders ſchaute fid haſtig um, das
klang ja gar zu kläglich hinter ihr
Sie blickte in das ſonſt ſo luftige Geſicht des Üben:
leutnants Dorpat, welches fid) ihr in dieſem Wugenblict
recht befümmert gumandte. — x
„Haben Sie wohl nachher e ein biß chen Zeit für Ind
quübigite Tante ?^
„Die Dube id) [tet8 für Cte. Wie nishesgeleitusen
jehen Sie aus; um alles in der Welt, ijt etwas paſſiert?“
Gr feufste. „Hörten Sie mod) nicht von meinem
entjeblichen Reinfall?“ |
IFP ug 12 —
TA
sg
——
„Reinfall? Sie? — Sn í ober geteligatt: z
licher Beziehung ?” rief fie erjchrectt. x
„Man fann wohl jagen, in beiden! Ad, Tante
Reſi — wenn Sie mir nicht helfen, wenn Sie niht Jat
MH bin ich rabifal verloren!” —
„oho — jadte mit ben jungen Pferden! Sagen
Sie nur mal mit furzen Worten, um was es fid) handelt!“
Dorpat Strich mit bem Battfttuch über bie Stirn, |
welche blendend weiß gegen das gebrüunte MERE —
abſtach
Ich verderbe Ihnen am Ende den Appetit . (M
„Unfinn! Sie wiſſen, bap mir unjere emule
angelegenheiten wichtiger find, wie das Gen!” |
„Sa, das weiß Gott! Sd Hätte ja nie den Mut,
penu id nicht überzeugt wäre, daß jede unjerer großen
und Heinen Sorgen zuerit vor dante Refi muB! —
Aljo hören Sie! — Geftern bleiben wir, wie gewöhnlich, -
wieder Schr lange mad) Tijd zufammen figen. Der Alte
fonnte fid) mal wieder nicht nach Haufe finden! Unten am
Ende ber Tafel jaken wir Jüngeren, etwa entfernter von
un3 ein ud) mit Gioilijten. Wenn man jo Tag für
Tag im Hotel ipt, wird man daa gewohnt und achtet
Schließlich gar nicht mehr darauf — und außerdem hatten |
wir Hunolfs Geburtstag gefeiert und dabei ein bißchen
tiefer ins Glas gegudt! Nun haben Sie wohl {chon
davon gehört, daß ber Oberſt fid) in feiner Bequemlich—
feit immer mehr zum Einfiedlerfrebs ausbildet unb höchſt
ärgerlich ijt, wenn wir ung abends ober beim Mittags:
o
tisch enſchuldigen s unter bem Vorwand, wir feien
eingeladen!
So hat er {chon sei i Abende mal Sit iol geſeſſen
. anb war dementſprechend wütend. Vorgeſtern nahm er
fid) denn das Dffiziersforps mal zuſammen und made -
feinem Herzen Luft. Er fnüpfte daran an, dak Howald —
meufid) mal im Neithaus eingefchlafen war, — in aller
Herrgottsfruͤhe — mad) ein paar recht ftrapaziöien Tagen, —
Sie wijfen wohl, wir hatten auf Loſchwitz beim Graf
Bedjom vier Tage fang Hochzeit gefeiert! Na, alfo ber
Heine Howald lehnte in ber dämmerigen Reithausecke
und war janft entichlafen, alà der Teufel gerade ben
Alten — weiß Gott, durch weldhen tüdiihen Zufall —
in Die Bude hinein führt! Daran aljo fuüpit er an — — |
ſchimpft auf die übertrieben große Gejelligfeit, unter
welcher ber Dienft litt, — e8 ginge niht, daß feine
Seutnanté die Nächte durd)jdwiemelten und morgens,
anftatt voltigieren zu lajjen, in den Eden lägen unb
Ichnarchten! Die Gefelligfeit fet zu groß hier, — man —
habe diefelbe in ungebührender Weife ausgedehnt und.
eine Menge Elemente hineingezogen, bie gar nicht zu uns
gehörten, und das folle anders werden! Der Berfehr
müßte eingejchränft werden! Wozu der riejige Civilfreis,
das Regiment geniige fid) allein vollfommen! Na —
unb fo in ber Tonart weiter. Willen Sie, Tante Therefe,
ein jeder andere Kommandeur freut fih, wenn feine
Dffiziere flott find und das Negiment ſchneidig auf bem
SBarfett vertreten, und wenn aud) wirfli mal fold)
A
c MD o
junger Dads dabei abfailt — na, ta brüdt man ein
Auge gu und läßt ihm Zeit, fih zu gewöhnen! — —
Aber bei unjerem Alten fpricht ja nur der Egoismus
mit, er ärgert fih, daß wir nicht Tag für Tag anbetend |
um ihn herum figen, er ijt halt der Typus eines gries=
grämigen, jchrullenhaften Hageſtolzes, au welchem Hymen
Rache nimmt! — Und nun fommt be8 Pudels Kern! |
Alfo wir jiken wieder Stunde um Stunde zuſammen,
haben ſchon viel getrunfen und trinfen immer nod) mehr —
unb — wes das Herz voll ijt, be8 geht der Mund über!
Sd) erinnere mich der Sade überhaupt faum noch, baf
mir aber alle höchſt indigniert und aufgebracht über die
neueſte ordre de bataille waren und fel Ditrebenb unjerem
Herzen Luft machten, das mei ich. Da joll ich denn
gefagt haben: ‚Na, Kinder, beim Civil wird alfo fünftig-
hin nicht mehr verfehrt, da giebt’s ja Elemente drunter, -
welche nicht in die Geſellſchaft paſſen“ — Und diefe
paar Unglüctsworte, ae Reſi, ſind an dem Nehentiſch
gehört morben!! — | ie.
ji) bu rud —
„ie ein Lauffeuer iſt's bereits durch das ganze Neſt
gegangen! Das Civil nimmt die Sache als tödliche Be—
leibiqung auf — id) bin bereits aufgefordert, diejenigen
Clemente, welche nicht in die Geſellſchaft gehörten, nam-
fait zu machen, ba jonjt jedermann . Inſulte ſich an—
rechnen müßte!“
„Himmel — das ift ja eine nette Gace! W Feii,
die fonjt jo Ruhige und Gejapte, blidte dem Sprecher
.0— 3985 —
jo beftiirgt in das Geficht, bo Dorpat Teije aufftöhnend
den Kopf in die Hand ftüpte. = |
0, Der Oberft tobt natüríid) . . . alle Schuld, alle
Verantwortung wird natürlich) anf mich, den indisfreten »
Edwiber abgeladen, — bie Wolfen ziehen fid) immer - |
jchwärzer und bedrohlicher zuſammen — — id) wap nicht,
was daraus werden jo!” x —
x Refi richtete ftch plötzlich rejolut empor. ‚Was |
daraus werden joll? — Gut fol alles werden, jo ſchnell
mie möglich aus ber Welt geichafft mab bie — :
heit werden —“ —
pu fürchte, es ijt zu ipät, der Staub wirbelt jhon
zu Dod! — Sehen Sie fid) um, — falt feiner der
höheren Civilbeamten Jie — Die Mütter erſcheinen wohl
den Töchtern zu Liebe — aber fie find fühl bis ans
Herz ginan, amb s Apegiell bin Luft — mehr. wie.
~<A |
‚sit a Dberit bier?"
Auch nicht.” Dorpat jenfte das Haupt nod) tiefer, es
et € mir woh! den Senferitrif daheim!” — — a
Refi lachte und war plößlich ganz guter aune..
„Ra, na, eim Etri ift unmilitäriſch ihlinmften .
galls werden Sie por bie Kanone gebunden! Und mm _
mal Kopf hod! — iS’ ift nichts jo ſchlimm ‘wie man .
e3 benft, wenn man’s erfaßt und richtig lenft!! —
Lajjen Cie jid) nicht diejen ſchönen Tag verderben,
jondern werfen Sie mal alle ihre Sorgen ber Tante —
Nefi in die große Schürze hier! — Schnell ein Glas
— 98 s
funi! Wir wollen auf bonne chance s und |
dann fein fo verzweifeltes Glefid)t mehr — m
Soldat muß auf fein gutes Glück vertrauen!” (eis
„And auf feine Regimentstante!” —
„Auch auf bie! Sie wiffen, daß id meine Leutnant3s
verteibige, wie eine Glucke ihre Küchlein! Alſo Profit! —
Übermorgen gehen wir wieder Arm in Arm mit dem
Civil fpagieren !”
Und Fraulein von Wiebers rückte ihren Schemel
ein wenig wetter und fchaffte am dem Aid) Plat für
ihren Schüßling Dorpat. |
Die Stimmung war fo überaus luftig und heiter,
bag niemand ahnte, welch ein übler Stadtklatſch ſeine
Wetterwolken über Maijenburg ballte, und bie niedlichen
Gioittóc)ter, welche jo feel enbergnügt im Heerlager der °
Guftel verkehrten, zeigten eS am beutl ichiten, daß fie
abjotut nicht: gewillt waren, im das u bie
X elf, hie Waibling !^ einguftimmen.
Man amüſierte fid) köſtlich, und die kleinen Bauber-
geiſter des Frohjinns, welche ala feine Dampfwölfchen
aus ben Punfehglajern emporjdweben, tanzten ihren —
Reigen aud) um Dorpats jorgenjchwere Stirn, bis jie —
fid) glättete und eitel Sonnenfchein darauf leuchtete.
Martina verkaufte ihre Cigaretten aus, und Howald,
welcher joebeu eine erhandelt hatte, reichte fie der jungen
Dame mit jchwärmerijchem Blid gurüd.
„Reizende Orientalin — ich zahle eine Mart extra,
wenn Sie mir diefe Cigarette nun aud) anraudjen!“ —
= adr. m
Ein jäher Schatten 30g über Kronſtadts Stim, es
war ibm, alS müßte er, jah verhindernd, bie Hand des
Rittenden zurüdjtoßen. Martina aber lachte leije auf:
„Sc anrauchen? Das follte etwas Schönes werden!” —
„Sie? Haben Sie noch nie Shrem Serm Vater eine
Cigarre oder Pfeife angeraucht 2”
Ich?“ — Das junge Mädchen öffnete die Augen
jo weit und entjebt, als habe ihr Gegenüber gefragt,
ob fie ſchon mal einem Menjchen den Hals umgedreht
habe. — „Sch?” wiederholte fie fopfichüttelnd, „ich habe | :
nod) nie im Leben geraucht und wüßte auch gar nicht,
wie ich dazu kommen ſollte!“
Ich bitte Sie; wie viele Damen gibt e8 heutzutage,
welche rauchen” ——— Pre
Finden Sie e8 hüſch?“
„Se nun, e8 fommt darauf an! Wenn fid) eine
holde Schöne beim Jagddiner zwiſchen die Herren fegt,
einen Kirſch nad) bem andern fippt und basu eine echte
Havanna von diefer Dimenfion —” Howald outrierte
mit den Handen bie Länge — „zwifchen bie Bübne ftedt,
nein, das finde id) nicht mehr jdjón, — wenn aber eine
Dame mit zierlichem Händchen folh fleine Cigarette hebt — |
unb graziöfe Wöltchen bläft —^ -
„So fteht fie am Anfang jenes Weges , melden bie
Dame mit ber Havanna bereits hinter fid) hat!” Mar-
tina fchüttelte mit ber ihr eigenen, etwas Herben Sprödig-
feit das Köpfchen. „Der Gejdmad ij ja verjchieden,
und jeder beurteilt den lieben Nächten nad) dem jeinen.
— 288 —
So widerwärtig wie e3 mir perfönlich fein würde, einen :
Herrn mit Stidarbeit ober Stridftrumpf in ber Hand
zu jeben, ebenjo unjympathiich ijt mir ber Anblid einer ee
Dame, welche mit ange fofettiert, welche ihr nicht
auco mmen [d | |
„Bravo! Vortrefflich! — - Ganz meine Anficht, Fräulein
Gollnow!” — Rronjtadt fab gang begeijtert aus unb. =
hob Huldigend fein Glas gegen bie Sprecherin, und
Niebeland rief lebhaft über den Tiſch herüber: „So ijt'a
recht, mein gnädiges Fräulein, furieren Sie Howald von
feiner Vorliebe für Sportsdamen! Go was ijt nur par
distance hübſch! Sch tenne aud) eine Dame, bildjchin,
vornehm — reich — aber gang und gar im Bann ber
Neitgerte! Sie raucht, reitet, ſchießt Nehböde — tann
beſſer fechten und junge Pferde einfahren, wie unfereinz,
ein amitjantes, forjches Mädel, das SBerefrer hatte wie
Sand am Meer, — aber heiraten? Nein, heiraten wollte
fie merfwürdigerwetfe fein einziger, und mum ift fie eine
alte Sungfer, ein rüdes Mannweib, welches man den
jungen Mädchen als abjchredendes Beifpiel zeigt und
ihnen fagt: ‚Wenn ihr mal heiraten wollt, macht's nicht
wie diel!” — ee
Martina hob das Köpfchen: „Sie wollen bod) damit
nicht jagen, daß jede, welche bie echte Weiblichkeit Hod-
ftellt, abjolut heiraten will 2”
— Howald lachte: „Kräutlein, rithr’ mich nicht an!! —
Seien Sie vorfichtig, Niebeland! Fräulein Gollnow müßte -
eigentlich eine — und HUE eine Agypterin len... <
Wt. p. Ciditruth, SIL Mom. u. Nov, Die Negimentetantel. 19
— 290 —
„Barum das?“ —— | |
„Weil fie jo fto ift, fo fchrecklich do baf fie.
nicht einmal zugeben will, mir armen- Männer jeien
begehrenswert! Und dabei habe ich ihr eben erft eine
Cigarette welche nicht mal Zug hat, für 50 Pfennige
abgefaujt!^ —
Alles lachte, aud) Martina imme ein, und als fie
auffah, blicte fie bireft in Stron|tabt8 Augen. Mod) nie
hatten ein paar Augen mit folhem Ausdrud auf ihr
geruht.
„Haben Ste de Liebe, der Ehe unb pen Glück
abgeſchworen, Fräulein Martina?” fragte er leije.
Cie ſenkte verwirrt bie dunklen Wimpern.
„D nein‘, ſagte fie ehrlich, „ich hoffe und marte auf
das Glück — aber ich jage ihm nicht nach!”
„Daran thuen Sie recht. Wahres Glüd bruni
ungeſucht — plötzlich — viel gewaltiger und unwider—
jtehlicher, als man ahnt. — Und fold ein Sonnen:
aufgang ijt fchön, — die ganze, ehedem fo duntle "belt
it plöglich em Meer von Licht!” —
Sie lächelt und fieht wieder ganz unbefangen zu ihm
auf. „Was weiß der Blinde von der Farbe?” nedt fie.
Seine dunklen Augen feuchten. „Wer fieht e8 bem
Menſchen an, ob fie blind find? Wer bemerkt es, wenn
jie jehend werden? — ‚Den Mann hats! hieß e8 von
Sung Werner, in dem Augenblid, da ifm bie Augen
aujgethan wurden!“ x |
XIV.
2, ittmeifter Eberhard — mur ab iub zu eut
AN mal im Das Feldlager der Guſtel und erfreute
© Wd) ber allgemeinen Heiterfeit, ohne eigentlich
P debt daran teil zu nehmen.
Und jebt trat er wohlbehäbig hinter bie heitere eine
Lifdyrunde und hörte der Unterhaltung. ein Weilchen zu.
„Herr Rittmeifter, — ein Glas Punſch gefällig 2” —
fnixte Comtefje Frida, bie muntere fleime Sentin und
präjentierte das berfüfrerijd) dampfende Gietrünf. — —
Herrn von Wieders jtica ber Duft erfichtlich recht (eder
in bie Nafe und er jah aud) bie kleine Schwäbin in bem
roten Röckchen höchſt wohlwollend an, bennod) lehnte er
Die Offerte unbegreiflicherweije ab.
„Nee, Allergnadigſte, id) danke verbindfichit! Was
nicht aus Flaſchen geichenft wird, trinfe 1d) nicht mehr!“
„Boho, weld) eine jeltjame Neuerung! Warum denn —
bas, Herr Juttmeijter?^ jchallte e8 über den Aid).
„Abe, barum ijt er aud) drüben im ber Djteria
Stammgaft geworden und bricht einer Flaſche mad) der
andern bem ale!" — —
qe 19*
25899 —
„Na natürfid), Kinder, weil bie Dfteria in bem ganzen
Pavillon das einzige Vofal iit, wo man auch eine xm ;
- mit Staniolfapfel haben fann!” ae =
Refi machte ein böjes Geficht. |
„Aljo bas war ber Anziehungspunft! ch hoffte
-— don, e8 fet ein viel Iyrijcherer Magnet, welcher Did) Dort
= feffelte.”
(s wo follte ber her. omeen! W fadjte Wieders mit
ſchalkhaften Auglein „Die Ofteria fteht nicht im Stern- —
bild ber Jungfrau, fondern der Gattinnen! Die einzige
junge Dame, welche als allerliebjte Ninetta Früchte feil
hält und aut Der Mandoline flimpert, ijt bie femme
Dittersbad) — na, und bie jagt aus Gewohnheit immer
nod) Onfel zu mir, denn ich könnte wohl thr Großpapa
jein, und wenn id) damals nur gewünscht worden wäre, |
hätte id) fie gern über bie Taufe gehalten.” -
„Aber warum und wodurch haben es Ihnen sn 2
gerade bie Flajchen mit Staniolfapfel angethan, Herr —
pou Wieders ?" Haug Martinas Stimine in das allgemeine Se
Gelächter hinein. | T
„enn Cie e8 niht weiter fagen wollen, mene i
Fräulein, will ich es Ihnen verraten!”
— Ser Sprecher griff in bie Tajche und bdbbete 0
etwas umftändlich drei rötlich fchillernde Staniolfapfeln 1
zu Tage. Er hielt fie empor und fab fie ganz BE Aa
U Echen Sie, Fraulein Golliow — id) fammle
— eblen Anzeichen meiner ‚trinfenden Angelegenbeiten‘
und xd Habe à Haufe {hon eine o ' mit
tien HS 2
foldjen Dingern, fowie bem Metallplatten ber Sette
pfropjen und Blomben alter Jahrgänge gejammelt.”
„Ah, bravo! Mal etwas anderes wie WAnfichts-
poftfarten! Wir wollen alle jammeln helfen, — auf
wie viel €tüd müfjen Sie e3 bringen?”
„Sammeln helfen? Berbindlichiten Dant meine Herr-
schaften, ba8 fich fimmerlich von milden Gaben nähren‘
ijt aber bei diejem Unternehmen ausgejchloffen! Sch -
fammle nur das Staniol oder jonftige Metall von denz
jenigen Flaſchen welche ich er im Leben dpuegesunten Bu
Babe...
„Hört, hört!”
„Beifall rechts, inks und im der Mitte!”
„ehe, wenn fie aufgeftapelt! Wher Herr Nitt-
meifter, folh ein Staniolberg ift ja eine himmelſchreiende
Anklage gegen Sie! Wie wollen Sie über folh ein
Hindernis hinweg ftolpern, wenn Gt. Petrus ben Sn:
halt biejer omindjen Kiſte vor ber Himmelsthiir auf
jpeichert 2”
,Anbejorgt mein gnädiges Fräulein, ber alte Petrus
- Hat jdjon mand) waderem Landsfnecht, als verjtänd- .
nisinniger Schußpatron, ein Hinterpförtlen geöffnet!
— p Außerdem fommt das mit ben Staniolfapfeln "o mal
gang anders, al3 wie Sie fid) denfen —"
Aha! Seht ihr wohl, der brave, gute, verfannte
Rittmeifter wird fie fchließlich zum EM für arme
Waiſenknaben verfaufen !^
Wieders zog eine leichte Grimalfe. „Sie find wohl
= 904
jelber ein abgebrannter Waifentnabe, Howald, daß Sie
Propaganda für fid) maden wollen? Nee, an bie
Waiſenknaben dachte id) noch nicht, fondern ganz allen —
an einen andern alten, einjamen Knaben —“
„Heißt er Eberhard ?^
Topp! Diefen fehönen Namen führt er, und barum
wird derjelbe auch jo oft von den jungen Damen aejeutat'^ —
„ho! Der Mann redet falſch Seugnis P^
„Bir haben eë noch nie gehört.” "
,Ctll bod)! Wir wollen. et mijjen, was mit den
Kapſeln werden foll! _
„Ganz recht! Silentium! E per Ale
hat das Wort!” — x |
Wieders ſtützte ſich mit beiden Händen di bie :
Schultern feiner Schweſter und jab genau aus, wie
Cir Sohn Fallftaff, wenn ihm der Schalt im Naden faf!
„Deine Herrichaften, wie Sie wiſſen, lebe id) in
bebrüngten Berhältnifjen! Das menige, was id) be-
fibe, verpulvert meine Schweiter Wen, wenn fie all
ihren a en gros und en detail die Schulden
berappt —
,Sberbarb, bu fait einen Schwipps !
„Halt den Mund, Altes, bas muß id) beffer mien. _
Alto meine Herrjchaften, — wenn id) mal ins Gras beigen
muB — was Sie hoffentlich alle nicht mehr erleben
werden, — denn ich nehme an, daß id) mid) ala Jung:
geielle beffer fonferviere wie Cie, — bie da alle Dei
raten wollen —
— 295 —
„Das ift eine Injurie!”
Leben!”
„Stil dod) — nicht intebredar! Ie
„te gefagt, meine verehrten Anweſenden, wenn ich
alſo allein von uns allen übrig geblieben bin, ohne Geld,
welches meine Schweſter verpugt hat — ohne ein Fled-
chen, wo ich mein Haupt niederlegen fann, denn Wieders-
hagen ijt Majorat und mein Nachfolger bewilligt mir -
nicht mal einen morjchen Pappelbaum zur Ewigkeits⸗—
„Der Mann mus ges > — .. +, in feinbdlide O:
wiege — ja, ba frage id) Sie — wie fol man mid)
unter ſolchen Umſtänden mal begraben?“
ich bitte, nicht jo mas Trauriges fagen, die Damen
fangen jdjon alle an zu weinen!”
„Dag ijt gut”, nidte Eberhard büjter, „da fie es
jpäter an meinem Hügel nicht mehr können, weil fie
felber jchon längft tot find, fo müjj en fie es pränume-
rando abmachen.” — |
„Und Ste beabfichtigen fich dann alioi in der Staniol-
fijte beerdigen zu lajjeu, Herr Rittmeiiter 2”
„Nee, Niebeland, wir beiden teilen ung darein, —
Sie kommen in die Rijte und id) in das Staniol! —
Die Sache foll nämlich folgendermaßen fingeriert mer:
den. Gtaniol und Metall werden eingefchmolzen und
ein fchöner Sarg daraus gegoffen, ein Garg, welcher
gewiljermaßen. eine gedrängte Überficht, ein Verzeichnis
all ber netten, weinjeligen, jeuchtfröhlichen und jorglojen
Stunden meines Lebens bildet! Warum jraufelt Sieg,
— 296 —
Sräulen Martina? Glauben Sie niht, Daß e8 fid)
in folh einem inhaltsfchweren Bett prächtig liegt und -
bis in bie Emwigfeit hinein träumt? — Sie finden das
vielleicht frivol? Iſt's aber nicht. — Go gut, wie man
Damen mit Schmud, in Brautkleidern oder Ballfleidern
und Herren in Uniform mit ihren Orden und Ehren-
zeichen begräbt, weil fie im Leben bejonberen Cpaf an
diefen Dingen gehabt, ebenjo fann man aud) einen
biederen, alten Landstnecht in das Gtaniol wideln,
welches ipu während feines Erdenwallens ber eingige
Zrojt gemejen —"
wid, e$ ift furchtbar rührend, nun fangen au
ſchon die Herrn an zu weinen!“ |
Es bat aud) etwas Ergreifendes, wenn ein Mann |
fid) fein Leben lang abquält und eine Buttel um die andere —
trinft, mur aus bem Grunde, um mal anftändig be `
graben werden zu fonnen.” ——
O ja — e3 gehört wohl eine ganze Anzahl Flaſchen
bons um Ihre reputierliche Berjönlichkeit gu verzinfen 2.
„Dierzehn Centner Staniol find dazu nötig! Hören
| Sies, und bleiben Sie Ihrer Sinne Meifter, — das hu
bedeutet ungefähr zmwölfmalhunderttaufend GStaniol
.fapjeln!^ Wieders fdjlug mit flüglidjer Gebärde die
— Hände zufammen: „Sie fehen, meine Herrfchaften, wie |
ungeheuer viel id) mod) zu thun habe, um folde Mafjen
zu liefern! Weld) eine Überwindung e8 mid) foftet,
‚abermals zur Djteria zu gehen, denn ber jchlechtere
Menſch in mir haßt den Wein, aber ber beſſere redet
— 207 —
mir zu, Ddiefen Widerwillen zu überwinden, um als
pflichigetrener , biedrer Mann für mein letztes Rämmer-
lein zu jorgen! — Und jo lebt denn wohl, ihr alten
Häufer —" |
. Wrlauben Sie mal! — Aber Herr Rittmeifter
4S8 befinden fid) Damen unter ung!” E
Eberhard rang bie Hände wie ein zerfnirfchter Sünder. —
Echauerlich! Wie fonnte id) vergefjen, daß = ne :
sere in gemijchter Geſellſchaft befinde!”
„Smpörend, e$ wird immer toller!”
Nefi hob drohend bie Hand: „Wenn du manierlich
bit, Gájar, dann darfit du jebr gehen, wenn bu aber
bösartig wirſt, Dann mußt bu gehen.“
Der Rilttmeiſter jenfte das Haupt, blidte diifter über
die Tafelrunde und beflamierte — den Teller mit Heiß—
wurft und Kraut, welche ihm Gomieje Frida „zum
-drittenmal nachgefüllt” joeben überreichen wollte, zurüd-
ſchiebend
Spärlich reicht man mir die Gabe
‚Mürrijch heißet man mid) gehn -
Hd, Den armen, alten naben
Will fein einziger hier verſtehn!“
unb ohne bie jubeluben Burufe, welche ibm bnr bos
allgemeine Gelächter al& Antwort fchallten, zu beachten, |
Schritt er in der Poſe eines großen Mimen „bur Die
Mitte’ ab.
Die Unterhaltung ward immer heiterer und amü-
[anter und Reſis Augen leuchteten fröhlich auf, wenn
- fie fah, mie bie jungen Herren fo galant unb ritterlich
"e 398 es
ben Hof machten unb bie Damen iid) mit glühenden Wangen
und ftrahlendem Blid fo [rijd) und decent huldigen liegen.
& gibt faum einen fympathifcheren Anblid, als
fold) einen Kreis wohlerzogener, lebensfroher junger |
Menfchen, denen man e8 anfieht, daß fie auf einem —
Meer von Wonne jdjmimmen, dak höchite Glückſeligkeit
all ihre Bulfe fchneller fchlagen läßt, und welche ben:
noch nicht mit Wort ober That den haarfeinen Gold-
faden zerreißen, welchen bie gute Gitte alg Grenze
zwilchen Fröhlichkeit und Freiheit gezogen.
So abjtofend, wie in ber Gejelligfeit jedes alzu-
freie Benehmen wirkt, ebenjo entzüdend fletdet bie echte,
wahre Serzensfreude, und [jeíbjt das häßlichſte Geſicht
... etjdjeint wie von Sonnengold vertlärt, wenn Mund und
Augen lachen, nicht, al8 ob fid) ein Weltbrand voll
Genuß und Befriedigung darin jpiegelt, Sondern als
ob ein blauer Sommerhimmel voll jubelnder Böglein
jein Bild darin malt. |
Es gibt jchöne Gefichter, E bie Freude und
das „Anüfieren” geradezu entftellt. | x
Da malt bie Seele ihre innerften Regungen in folh
ein Antlıy, Sinnenraufh und ungeftitmes Begehren,
Triumph, Genugthuung, ein fedes Herausjordern, welches
fid) immer unangenehmer fteigert, je mehr erreicht werden
fol, und all das häßliche Grinfen jener Dunberttaujenb
Teufelchen, die um jedes Haupt ſchwirren, weldes nicht
bie unjidjtbare Krone ber Sittenreinheit und Lauterkeit
des Herzens trägt! |
= 299 =
Solche s S at aud) Kronftadt foeben
wohl angeltellt, denn fein Blick haftete auf Martinas
itrabfenbem Geſichtchen, und die kindlich ehrliche Freude,
Pus jid) darauf augpragte, jchien thn zu entgiicen.
Refi beobachtete das ſonſt jo ernfte Geſicht des Oberft-
leninanté, welches ihr jo ganz und gar verwandelt deuchte,
und wie eine jébe, innige Freude burdjgudte e$ ihr Herz:
Hatte fie wahrlich das rechte Mittel gefunden, ifm bie | ^
Augen zu öffnen und den foujt fo Dann um un)
endlid) auf ben rechten Weg zu leiten?
Gefiel ibm Martina? |
wragios. Sein ganzes Bejen, = Ausdruck — RN
Augen vervicten ein Intereſſe, wie es Reſi nie zuvor
bei ihm wahrgenommen.
Wäre eg dentbar, baf biejea jo fehr viel jüngere
und in mancher Sta noch fo überaus
Mädchen ihn dauernd feſſelt?
Könnte ihm das zum Gíüd gereichen?
Wenn auf beiden Seiten die große, volle, wahre — —
Liebe fommt, gewiß, — aber nod) blüht Martina wie
eine weiße Moje an feiner Seite, gang Anmut und
Liebensmwürdigfeit, aber völlig harmlos und abnungslos, _
nicht ein einziger rofiger Shimmer Holden Ver] ſtehens
oder ſüßen Erſchauerns weht über ihr 9utlif. - |
Wie follte es auch! Sieht fie ihn nicht zum erftenmal?
9iegt ihr nicht jeder Gebante an ermjtes untere je nod)
völlig fern?
Martina ift jo beſcheiden, fo alegres anfpruchsos!
— 300 —
Der Gebanfe, daß ein Küraſſier, ein [o bedeutender, hoch⸗
angeſehener Mann wie Kronſtadt ſie mit andern Blicken,
als denen liebenswürdiger Duldjamteit könne,
fommt ihr gar nicht in den Ginn. x x
Daß fie fein Ihönes, geijtoolles Geſicht bewundert .
und auferordentlid anziehend findet, äußerte fie völlig —
naiv), al fie zum erftenmal Achats Bild bei Refi jab,
als noch fein Gedanfe daran mar, baf ber Oberftleutnant
jemals in bag Regiment verjegt werden würde. n
Wird fie aud) ernftlich für ihn erglühen fünnen? —
Welch ein jchönes, auffallend fehönes Paar, würden die °
beiden fein! Go recht wie von Gott für einander gejchaffen.
Gedanfenvoll haftet der Blid der Negimentstante auf
den Plaudernden, ein wunderliches Gefühl bebt durch ihr
Herz. Aber fie läßt ihm feine Beit, fie zu beherrichen,
fie gehört nicht zu den Menjchen, welche über Bufunjt&-
phantajtereien bie Gegenwart vergejjen.
Sie freut fid) der Thatfache, daß Kronftadt fid)
amüjiert und im Kreiſe der Jugend Deimijd) fühlt. —
Martina hat zur guten Stunde feinen Weg gefreust;
adj daß bod) all die andern Hageftolze ebenjo Denfen
möchten wie What, daß fie alle in dem Oberft bie Bu-
funfts-Bogeljcheuche erblifen, welche fie aus dem —
ihrer Junggeſellenherrlichkeit vertreibt. |
SRefi muß bei biejem Gebanfen laden. ——— =
Weld) ein gutes Werk würde Herr pon Bade be =
alternde RegimentSfommandeur ahnungslos ſtiften
Wie der Froſchkönig Klotz iſt er in den Teich sella
— 301 —-
bari das Regiment Der Hanefi ze fo feelenverguitat S
- plat}cherte.
Kun jtieben fie entjebt auseinander, und jeder fchaut — |
jorgenpoll nach rettendem Unterfchlupf aus.
Das Standesamt winkt mit liebevoll offenen Armen,
und e3 fieht lange nicht jo beängftigend und graulid)
aus wie Dag dunkle, falte, öde Lod , aus welchem der
einfame König Klog melandjolijd) heraus äugt.
AH, bab fein Wnblic doch aud) bem forglofen,
. _ pflichtvergefienen Majoratsherrn Eberhard fo recht nad-
drücklich auf die Nerven fiel!
Noch iſt es Zeit, ihn auf Wege zu geleiten, daran x
Myrtenbliiten jprojjen, denn wenn fich aud) jebt ſchon
eine Staniolichicht um fein Herz legt, jo it Diejelbe Doch
nod) dünn und zerbrechlich, und Amora Pfeil fann fie
immerhin uod) durchbrechen, — gehen aber noch etliche
Sahre in das Land, fo werden die gejammelten Kapjeln
und Hülfen zu Panzerplatten, an welchen jedes, aud)
das beftgezielte Geſchoß abprallt. Refi Hat ſchon oft
verjucht, den Bruder unter die Haube zu bringen, aber
feider vergeblich, denn welch andere Hilfstruppen Bat fie,
alg ,,@utgureden”, auf hübſche Mädchen aufnertjam
machen und den Hartgejottenen Sünder möglichit oft dem
Sereugfener ichöner Mugen auszujeßen ?
Dieſe Truppen ftanden auf ſchwachen Füßen und bag
Domerijdje Gelächter des großen, dicen Rittmeiſters, mit
welchem er jedesmal verficherte „Gib bir feine Mühe,
Refil Ich bin und bleibe eine Mifgeburt, die [att mit
einem Herzen mit zwei Magen zur Welt gefommen ijt!" —
blies fie jedesmal über den Haufen, ehe | ie nur pret in
Aktion treten konnten!”
Nun aber fchien das Schickſal, in Geftalt bes Dem
Dberit, ber bejorgten Schweiter zu Hilfe zu fommen.
Eberhard Hate das Wirtshausleben feit jeher, und
ebenjo wie Sronjtabt fih aus ber Amangsjade Heraus-
fente, ebenjo unerträglich wird aud) er die Neuerung
empfinden, welche bie Herren mit einem Kommando fatigue _
an den OF Hizierstifch in ber „goldenen Sonne” fefjelt.
Und während all diefe Gedanfen burd) den Kopf ber
Negimentstante*jchivirrten, und fie gewijjermaßen nur
mit Dalbem Obr auf das fröhliche Geplauder am Sud
hörte, wanderten ihre Blide doch aujmerfjam dur
den Heinen Saal, das burdjitrómenbe Bublifum zu beob>
achten und ifr Lager unter jdjarjer Kontrolle zu halten. x
| Plötzlich Hob fie ben Kopf und fniff bie Augen ein
wenig gujammen, um beffer fehen zu fonnen. Täufchte
fie fi? — Nein! Dort in ber Thür er ſchien Herr
von Lauda und überjchaute mit feinem griesgrämlichen
Gelicht, welches heute nod) um ein ganzes Teil ungu-
aünalidjer ausfah, und den müden, meijt halbgeichlojfenen
Augen das bunte, TR Bild, welches ſich vor ihm
entrollte |
B, Det Oberſt! — Nun, gelegener war er ber
| Regimentatante wohl niemals gefommen, als wie in bie] em
| Augenblick
Sie wandie den Kopf nad) Dorpat,
-— 303 —
Auch er pon den Oberſt bemerft und fein Blid traf
wie beichmwörend dag lächelnde Geficht Nejis, — er Ç
machte ihr ein paar haftige, faum veritändliche Zeichen
jprang auf und verſchwand mit Bligesjchnelle Hinter der —
Marfetenderfarre, um jchleunigit das Weite zu fuchen. —
Sräulein von Wieder3 aber ftand unbemerkt auf, und.
fchritt bem Geftrengen entgegen. — |
„Grüß Gott, Herr Oberft! Endlich haben wir bie
Freude! Das Lager der Guftel von Blafewig ftaud ja
ganz verwaift, fo lange der oberjte Feldherr ihm
die Ehre ſeines Beſuches angethan!”
Herr von Laudja drückte bie Hand ber Great
unb auch über fein Geſicht zog ein flüchtiges Lächeln,
wie ein matter Sonnenjtrahl über Stoppelfelder.
„Xn Shc Lager gehören luftige Menjchen, mein
gnädiges Fräulein! fchüttelte er den Kopf, „und zu denen
gehöre ich leider im Augenblid nicht. Ich habe e3 nur
als Pflicht und Dienft angejehen, mid) einmal an ber
Stätte ber Wohlthatiqfeit zu zeigen und meinen Obolus
‚beizufteuern, aber teilnehmen an all ber Fröhlichkeit?“
er jdjüttelte mißmutig bem Kopf: „Das ijt mir mal
wieder in ber zwölften Stunde verjalgen worden”.
Refi fab den Sprecher mit ihrem jo gewinnend freund-
| iden Blick an und fchüttelte eifrig den Kopf.
„Das verhüte Gott, daß Cie fid) bie Laune burd)
ein pan Wetterwolfen verderben laffen, welche ein frifcher —
Wind morgen fon wieder über alle Berge geblajen _
hat!“ flüfterte fie Heiter. „Sehen Sie, weld) ein Sorgen —— |
— 904 —
brecher dort auf ben Tischen bampft! Solh ein Glas
Punſch bringt auf ganz andere Gedanken, und barum
laffen Sie mich einmal dieje Arznei verjchreiben, verehrtefter
oe Oberft! ub
Er jab fie einen Augenblick nachdenli an. „Die.
paar Wetterwolfen” fagen Cie, — ic) nehme an, Cie
wijfen bereits, um welch ein fatales Vorfommnis es jid)
wieder eikonal handelt?”
„Das verfteht fid), Herr von Lanha“ nidte Meji
frifch, „welch eine Regimentsſorge Dürfte mir vorenthalten
werden, zumal wenn diejelbe nicht vein Dienitlicher Natur
ijt, jondern nur einen lächerlichen und abjolut an
Stadtklatich betrifft.“
Er jchüttelte bebentid) den Kopf, aber man jab e3
ifm an, daß thre rejolute, heitere Art, bie. fatale < Cache
zu behandeln, ihm wohl that. „Ra, na, fo lächerlid)
und nichtig ijt bie Angelegenheit denn hoch nicht; ich
fürchte im Gegenteil, daß fie recht viel Staub aufwirbelt,
welcher gewiſſen Xeuten tüchtig in bie Rafe fteigen wird!”
Ich bitte Sie um alles in der Welt, Herr Oberft,
die Affaire fieht viel Schlimmer aus, als wie fie üt. Rommen
Sie und laffen Cie unë bei — Glas Punſch bie Mn-
gelegenheit mal richtig beleuchten. Ich lebe nun ſchon über
vierzehn Jahre hier und fenne bie guten Maijenburger
ganz genau, fie haben ion manchmal Lärm um nichts —
geſchlagen“ Q
‚3a, Sie fennen die Leute hier! Das Babe ich aud) -
bu padt, Tante m — und Darum war id) — ehr-
20
Ye Regimentétante T,
D
Moin au. Nov.,
on
t
Re Cfdfünrutb
= 306 —
lid) geftanden — auf bem Wege zu Ihnen. Gehen Cie,
alë Sunggejelle hat man fo feinerlei Zufpruch, man fteht u
allem, wag da an einen ferantritt, rein Dienjt(id) gegen-
über, und bejpridjt man jid) mit feinem Adjutanten, fo 2
hat foi ties: Sedanfenaustaufch aud) ftets Dag fteif formelle —
militärijche Geprage, welches nun mal im Verkehr unter —
Männern, namentlich aber unter Vorgeſetzten und Unter
gebenen nie zu bermeiben it. Kann man Hd mal mit
einer unparteiiichen Berfint ichkeit ausiprechen, fo ijt es cs
eine Wohlthat — und das ift ber Vorzug, welchen die
Verheirateten ſtets vor uns haben werden — fie finden
Bufpruch, Nat und Teilnahme bei ihren Frauen, —
wenn fie nämlich fo Hug waren, feine findifchen oder
thörichten Mädchen heimzuführen.“ x
Nefi hatte ſchnell ein Heines Tiſchchen weit ab, Hinter.
bie Karre gejchoben, und zwei Stühle herzugerückt, jest
gab fie Kai Lichtenberg einen Wint, Pn au
bringen.
Der Oberſt ließ fid) milde und x E eiuen
ber Holzjchemel nicber, legte Handſchuhe und Müge neben
fid) und wandte Hd) etwas vom Licht ab, weil die Hellen
Gasflammen feinen leibenben Augen unangenehm waren.
Mefi ſchob voll liebenswürdiger Sorge die Martes
tenderfarre jchnell noch etwas vor, daß ihr breites Plan- -
tud) bie Lichter berbedte und der Kommandeur im wohl-
thuenden Dämmerlicht jap.
„Ad, dante verbindlichit, mein gnädiges Fräulein,
Diejes gedämpfte Licht ijt jehr angenchm . . . und Gie,
zs BOF —
mein lieber Graf — wag bringen Cie? — Punſch?
© jdarmant — er bujtet ja herrlich — bitte nehmen —
Sie — id) trinfe aus Wohlthätigkeit!” Er reichte Kai
ein Gelditüc, biejer bienerte und verjenfte e8 in Die
große Sammelbüchle, barm warf er Tante Refi nocd)
einen + jepimetiender: TM zu und zog mM
gum o —— cc
Refi ue Top bei t Fader Y nebst Haftig
wieder auf.
„tan jagt, er bon Gouda, ir Frauen hätten
feine Logik; das mag in den meiſten Fällen ftimmen, -
aber dafür haben wir meiftens ein febr richtiges att
gefühl, ein qut Teil Mutterwis und feine Fühlfäden,
unà mit etwas Lift unb Inſtinkt Durch bie verjchieden-
artigen Situationen hindurch zu taften.. Die Frauen —
handeln in vielen Fallen nicht fo forreft wie die Männer,
aber dafür entwirren fie verjchlungene Fäden meift um
fo leichter und es — ber Zwed jeg ale Ws |
Mittel!”
x Möchten Cie mir Doch Davon recht bald einen Beweis du
liefern” nidte Laucha bedächtig vor jid) Dim, „ich wollte
e8 mir — unb vor allen Singen dem febrectlicyen Schwatz⸗
maul, dem Dorpat wünjchen!”
Abermals grub fid eine tiefe Bornesfalte in die
Stirn des Cpredjera, Refi aber legte beide Arme auf den —
Tiſch und lächelte den alten Herrn fo recht ee: und -
ireuberaig an.
„ieber pu Oberft- — Hand aufs Herz — ift ber arme
20*
T 55
Dorpat wirklich fo fehuldig, wie à im CR Moment
den Anjchein hat?” p
Er fuhr auf. „Kennen Sie den ganzen Eadhoerhalt?”
„Sanz genau!”
„Und Cie wollen nod) fragen, ob Dorpat, welder
ung durch feine unverantwortliche Indiskretion m bie
übelfte Lage gebracht hat, ſchuldig fei?" _ |
„Sa, das will ich, Herr von Lauda!” rief Fraulein —
von Wieders voll folder Überzeugungstreue, Daß Der
Dberit fie betroffen anjtarrte, „Die Schuld trifft in Diefem —
Fall nicht Dorpat, ſondern uns ältere, vernünftigere Leute,
die dem größten aller Mipitände, bem Offizierstiich im
Wirtshaus, nod) nicht abgeholfen Haba, wie dies el:
bütte gejchehen müjjen !” oe
. .,Grauben Sie, mein -gnübiged- ‘Sprain, Cie
a me e = man jid ſchon darum bemüht
hat
3 weh. e$, Ciber bas entirafiet meine Behauptung —
nicht! Sieber, befter Herr SOberjt, benfen Sie einmal an
bre Zeutmantsjahre zurüd! Der junge Offizier muß,
id) jage, er muß irgend ein Zofal haben, wo er fid) im
Kreiſe ber Kameraden ganz ungeniert und frijd) vow der
Leber weg, ausiprechen fanm. Man verjege jid) in Die
Mage eines fold) jungen Heißſporns! — Da ijt vorher
der Geburtstag eines Kameraden gefeiert und reichlich
mit Sekt begoſſen — man bleibt noch über drei Stunden
iu fröhlichem Kreiſe beifammenſthen und raucht unb imit
tapfer weiter — He Du lieber. Tult; da unmebeln du o.
= W0 y
jchlieglich bie Sinne und, wes das pera voll ift, des -
geht ber Mund über”
„Das joll und darf aber nie. Sie Leute tollen
wijfen, wann fie aufhören müfjen zu trinten!”
„Die älteren Leute wiſſen das auch, aber Sugend x
hat feine Tugend — waren Cie mie jelber jold) ein
lebensfrohes Burſchchen, Herr Oberſt?“
Er trommelte ein wenig nervös mit den Tonus auj
—— der Tifchplatte.
„Sc fehe ſchon, bie Birimitdlanis $ tritt —
den lieben Neffen ein!“ verſuchte er zu ſcherzen, „all dieje
Gründe aber, mein gnädiges Fraulein, welche mich vielleicht
bem Sünder Dorpat gegenüber milder jtimmen, ſchaffen
die fatale Angelegenheit noch nicht aus der etl o
Was gejagt wurde, das bleibt eben gejagt, gleichviel ob —
im Weinrauſch ober nicht, Ja im Gegenteil, unfre Widers
facher werden behaupten: Zm Wein liegt Wahrheit!”
„Das fol fie aud), wir nehmen fein Wort von dem,
. X8 Dorpat fagte, zurück! RN Heft ee big
Hs und ſehr beftinunt.
Der Oberjt ſtreckte jählings Den Kopf vor. „Sa,
= m Donnerwetter — aber mie fol dann . . ."^ und Hd
== an unterbrechend fant er [der aufatmend zurück
: Allerdings s.s HW Verzeihung bitten . . . undenkbar.
Wir können din flein beigeben, ber Gffat ijt unver-
meidlich 1^
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