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Full text of "Nataly von Eschstruth. Illustrierte Romane und Novellen 2. Serie, Band 5 =Die Regimentstante 1"

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Dataly von Eſchſtruth 
Jilluftrierte 
Romane und Povellen 


Smile Serie ——— 
Fünfter Band 


Die Regimentstante — 





Tripiia 


Brrlagsbuchhandlung von Paul Tif. 


Die Regimentstante 


Roman 


Dataly von Eſchſtruth 


Mit Dluftrationen von Frik Bergen 





= Leipzig — 
200 Devlagsbuchhandlang von Paul Lif. 





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CERA 






Ihrer Po 


der Bergonin Johann Auc 


von Moctenbung- Schwerin 


geb. primetin von Sade Dama Biad 
in größler und ehrfurdisvoller Ergebenheit 


— mgrrignet. 


o Hisilel 

Hlürkfelige, mee bie Muſe Lett: 

— Hef ion. 
Gin jeorr Ari, sen idi Sireben 
Dem Reich der Wahrheit abgewinnt, : 
Gr iff ein Schritt hinein ins heitre Geifesteben! 
Jedoch, Dak mir hurt diefes Labyrinth —— 
Bur fang[am ams der Fülle näher winden, 
Pies Ireibf in uns Die ‚Kraft num Streben anf, - 
Und baf mir fie mur almen, nidi ergründen, 


Das if rin hoher unm. der winni E 
— EI ° 





> ie Kammerjungfer ftand hinter thr und ftedte ben 
Schneeglodentranz auf dem braunvoten, platt: 
gefcheitelten Haar feft, und während ihre ge 
ſchickten Finger zierlich auf den weißen Blumenfelchen hin 
und her tupften, hier jeiter andrückten und dort ein wenig 
foderten, flog der Blick immer wieder in den Epiegel, das 
Bild der jungen Gebieterin zu multern. Ach, e3 mar jo 
ganz und gar nicht nad) ihrem Gejchmad, es mar fo 
herzbetlenımend unvorteilhaft, daß Dörte gar nicht begriff, 
wo das gnübige Fräulein überhaupt Die . Herz 
nahm, auf einen Ball zu gehen! | 

Wußte man dort, wie klug, wie luftig, wie Herzens- 
gut Fräulein Reſi war? 

Nein, man faunte fie nicht, man jah fie zum eriten- 
mal bier in der Stadt, — und auf einem Ball fragt fein 
Menſch danach, wie e& tief innen in Herz und Seele eines 
jungen Mädchens ausfieht, da fommt e$ lediglich auf das 





hübiche Lärvchen an, und wem Mutter Natur den Freis 


um per. hergbefiegenben, augenbethärenben Schönheit aus- 


Dig s 


— — der tanzt, — und mer häßlich ijt, wer bei 


der großen Ausftattungsfotterie eine Niete gezogen bat, 
der bleibt figen — rettung3los fißen, denn bie paar Ml- 


mojen, welche mitleidige Herren bem Mauerblümchen in 
Form fpärlicher Crtratouren zuwerfen, rechnen nicht mit. 
Dörte wußte fo genau Befcheid damit! — —— 

Cie hatte nicht umjonft acht Jahre lang bei ber Gräfin 
Ridder gedient und mand) liebes Mal durch bie Beranda- 
thür in den Ballfaal geäugt! Wie ging e8 ba zu? Etwa 
nah Recht und Berdienit ? © Gott bewahre! 

Gre kleine Comteſſe ichwebte Daher wie ein Engelchen, 
lachend, glüditrahlend, fofettierenb mit all der Routine 
ber Gropitadterin, welche die radergroßen , naiven‘ 
| Augen moog vor bem Spiegel einftudiert, welche 
~ gemau weiß, wie fie Das Köpfchen drehen muß, um das 

: pifante, Profil. im angen Moment zur Geltung zu 

bringen! —— 0 
i Bol de eine Rot | im Tellehtenztmaer! - ~~ da liegen die 
Engelflügel noch alg Nequifite in Der Schub! ade, und 


Grafin Sidelia tobt umber als dag bitterböfefte aller 


Tenfelchen! Dreiz — viermal muß die Frifur geändert 
werden, immer wieder werden von allen Seiten Spiegel 
gehalten und die Fleine Dame muftert und prüft ohne 
Aufhören, Zornesfalten auf der Stirn, fcharfe Linien um 
das rofige Mündchen, leidenjchaftliche Scheltworte auf 
den Lippen. Wie oft Hat fie nicht. Die Puderdoje ber 
Rammerjungfer an den Kopf geworfen wenn cà bie Arme 
trog aller Wn mier recht mare fomite: Wie mand) 





i reizenden Blumenkranz hat fie voll Wut nut den Milns- 
ſchuhchen zeritampft, wenn er ihrem Ao nieht D dag 
Relief gab, welches fie erwartete ! ; 

Wieviel zornig zerfetzte Spitzentücher, wieviel Serber: 
wieviel be8 Hesens, Kommandierens und Schmahens, 
bis e8 endlich — endlich fo weit ift, bis Das Erjcheinen 
der Frau Gräfin dem granfamen Epiel ein Ende jest, — 
ibr Mahnruf unb der Cd ag Der eu mur Dem 
Kamin. 


Dörte ift daun müde und erfährt einen Augenblid n. 


auf ben Seſſel geſunken und hat bie fühlen Hände gegen 

die Stirn gepreft, wie ein flügellahmer Bogel, welder _ 
fih in einem Wirbeljturm zu Tode geflaıtert, — Gräfin 

Fidelia aber jdjmebt in ben Balljaal, — lächelnd, an- 


mutig, ganz findfiche Unſchuld und Lieblichfeit. — 


— Entzüdend hübjch ficbt fie aus, umb fie fliegt von 
ciem Arm in den andern, fle Ut umjchwärmt,  angebetet, 


ihre Händchen vermögen kaum die Maſſ e Der Ponlo 2 
» ftrüupe zu faſſen 


Und abjeits, faum bemerkt, nur re jo viel tanzend, 
Dak ihr „Schinmmeln“ nicht auffällt und. für bie Herren 


zum Vorwurf wird, ſteht ein überjchlanfes, ernites, nicht — 


allzu hübſches Mädchen, cine Nichte der Gräfin, Dan 
jeit Jahren jon im Echlofje weilt. — 

Wie mande Stunde fibt fie ſtill und omfig, fittet 
bie Scherben, ſtopft, faum fichtbar, Dic gerjebten Tafchen- 
tiicher, richt liebevoll die Blumen auf, welche die. 


wütende Kleine Soufine zertreten, amb überall, wo Fidelias — 


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Qieb[ofigfei und Heftigfeit ihre Spuren hinterlaffen, waltet 
fie fanft und milde wie ein Geift des fuum. Die Wunden x 
Deifen unter ihrer Hand, — 

Willen das die Leute im Ballfaal? — Stein, — Ex 
leben nur mas vor Augen ijt, — bier bie Schöne, und 
dort die Häßliche. 

Im Reich ber Rofe fommt Dag Wegetrant nicht zu Ruhm 
und Ehren — nud wenn e8 jelbit das befte, ebeljte Heil: 
pflänzlein und Wohlwverleih ift! x 
| Sa, Dörte hatte die Welt fennen gelernt. Sie war 


eine verarmte LehrerStochter, gebildet und freigei]tig genug, a oS 


um fid ein Urteil bilden zu können. | 
Mis Comteſſe Fidelia gebeiratet, hatte fie Das itte 
Haus verlajjen und war auf ihre quien Empfehlungen 
UH zu Fräulein Thereje von Wieders iibergefiedelt. 
Fraͤulein Nefi war eine Waife. Geit ihrem fünften. 


Lebensjahr ſtand fie allein anf der Welt, ward von einer oe — 
freundlichen alten Tante auf ihrem elterlichen Gut erzogen, < 


und hatte das große Glüd, von emer vortrefflichen Er: 
zieherin und einem geijtig bedeutenden Pfarrer unter: 
richtet zu werden. 

Sebterer war ein febr vieljeitiger, lebensfriicher alter 
Herr, welcher ehemals als Marinepfarrer die Welt burdj- 


quert und manch reichen Cdja des Wiſſens und der Erz — 


fahrung beimgebracht hatte in ote flle, Heine Dori- 
pfarre, auf welcher er, feinem eigenen Wunſche gemäß, 
den Reit feiner Tage in ee Beſchaulichkeit be- 
ichließen wollte. 3 


Es gewährte ihm. a a Freude, bie junge Nefi 
von Wieders zu einer tugen, lebhaft friichen und trefflich 
unterrichteten Dame. heran zu bilden, gleichzeitig Herz und 
Seele bei ihr pflegend, um in den beiden Wumdergärtlein ; 
aus fleißiger Saat viel edle Früchte zu ziehen. 


So reich beanlagt Nefi, fo fpiclend leicht fie auffahte u — Vi 
und lernte, fo {cher} ällig war ihr einziger B Bruder Ebers 


þar, — auf Veranla ung. des Vormundes im Ka- 
bettenforps erzogen ward unb mir feine Ferien quit bem 
elterlichen Echloß verleben durfte Das war Der einzige, 
herbe Schmerz in bem fonft jo heiteren, friedlich jttllen 
Leben Des heranwachſenden Kindes, denn bte Gejdjwifter 


.. fiebten fid) über alles, und wenn auch Refi an Jahren 


— jünger mar, jo machte jie ihr energiſches Weſen, ihr übers 


— legener Geiſt dennoch zur lady patroness des Bruders, dm 
— woelder fid) ihren Anfichten und Wunſchen fügte, wie m os 


qehorjamer Cohn feiner Sutter. | 
Eberhard war Offizier geworden und jollte e — por: 


(aufiq bleiben, ba er für Landwirtichaft weder Neigun: n Jn 


nod) Suterejje zeigte, und feine Güter im den Händen 
eines vortrefflidjen Pächters beffer aufgehoben jchienen, 
wie in feinen eigenen. Seine Bermögensverhältnifje waren 
auch jo glänzend, ba man e3 als noble Pflicht erachtete, 
den Namen Wieders in imponierender Weije im der 
Armee reprájentieren zu laffen. Als Eberhard bei einem - 
Garde-Mavallerie-Megiment eintrat, zahlte Refi fünfzehn. 
Jahre und jeitdem der Bruder zum letztenmal einen 
Sagdurlaub auf Biedershagen verlebt, war ein € Sturm: 


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wins mit t im zugleich Durch bag {tile Schloß gebrauft, 


welcher die ichönen, jeu dahren ſo trefflich beftehenden 


Verhaͤltniſſe dmi e über ben Haufen zu blaſen 
drohte. 

Eberhard verlangte in feiner poteanaiiden, aber jehr 
nachdrücklichen Weife, bab Tante Auguſte mit Refi nah 
ber Refidens überfiedeln folle. Die „Heine Maug” folle 
fid) dort weiter ausbilden, Mufif und Malerei fet im 
Rüdjtand geblieben, Kunſtgeſchichte lerne fie am beiten 
in Mufeen und Theatern, und für all bieje Kram habe 
Refi Talent und Intereffe. Auch fei es für ihn ein bez 
hagliches Gefühl, ein Heim in ber großen Stadt au haben. 
Die Refi fünnte ihm mit mand) gutem Rat beijteber, 
denn das veritehe fie beffer mie jede ‚andere - — und er. 

- finne wiederum der Emedi — wenn fie Schutz 
unb Schirm bedürfe. = : 

Boll Begeifterung griff Das junge Mädchen biefen Borz 
Schlag auf, und wenn auch bie Tante taufend Einwände 
macht, fchließlich fügte fie fid) Dod) und fiedelte mit dem 
Pflegetüchterchen nach der Refideng über, 

Es mar, al habe Refis reger Geilt nur auf den Funken 
gewartet, um in hellen Flammen aufzuſchlagen | 

Das neue, nie gelaunte Leben und Treiben, bie Fülle 
von Wiſſenſchaft, Kunft, Eleganz und Grofartigfeit waren 
dieſer Funken, und wenn Refi ſchon als Rind viel An- 
lage zur Selb itubigfeit und Energie gehabt, fo reifte ihr 
Charakter jebt mtt Rief ſengeſchwindigkeit ihren Jahren vor- 
aus und verlieh bem jungen Mädchen, als “= faum 


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achtzehn Jahre zählte, etwas jo Fertiges, fraueufait 


js Nuhiges und Sicheres, day man wohl annehmen fonnte, 
- ber bartloje, etwas linkiſch unbeholfene Qeutnant fei ber 


Sohn biejer Dame, welde mo etwas jung geheiratet | 

hatte. > 
254 (S War ve SS lich, meld) ein Ta (ent Rel 
entwidelte, den älteren Bruder zu gängeln und zu leiten. 
Nicht in herrjchjüchtiger oder unangenehmer Weije, fone | 
dern jtet$ taftooll, ftet3 im etter jo jrijchen, {ujtigen, 
fiebensmürdigen Art, daß e8 dem Leutnant gar niht 
in den Ginn fam, jid) für irgendwie beeinflußt zu ere 
achten. Sm Gegenteil — e war fo bequem, berjorgt 


au werden! Er brauchte fid nicht mit Überlegen und E 


Denfen abzumühen, er fragte einfach in feiner langjamen, 
pomabigen Weije: „Eag, Refi, wie fol ichs maden? — 
— Gag’, Refi, was fol id) ba thun? — Cag’, Refi, 


wie könnt" ich das ändern?” Und Refi fah ibn mit ——— 


ihren Hellen, grauen Augen einen Moment jchweigend am, 


.. rudte dann das Köpfchen mit ber ihr eigenen, jchnell 


p eutſchloſſenen Weiſe in den Naden und gab Bg und D : 


bündig ihre Anordnungen. — 

Stets zur SujriebenDeit, Eberhard gae tid) dir 
nie in bie Neſſeln gejebt, wenn er det Rat des Jungen 
Mädchens befolgte, und bas fejtigte Jeni Vertrauen mehr 
und mehr, jo daß es ibm bald eine Unmöglicteit un | 


= ohne Die Schweſter fertig zu werden. 


Eberhard mar ein hochaufgeſchoſſener jun get Maid, | 
bemmod Ç aber ſchwank und haltlos mie eine Sean x 


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‚welche trog ihrer ——— Wlatter und fleiſchigen 
Blüten bod) hilflos an der Grbe kriechen würde, wenn 
ber liebe Herrgott nicht ein früjtig Ctünundjen. douches 
itellte, an welchem He fich enporrichten fünnte. Und — 
jolh ein Steden war bie Refi, — der quie Gärtner 
droben Hatte cë wohl gewußt, warum er Die beiden 
 Menichenpflänzlein fo Dicht nebeneinander geftellt hatte. 
Mit kleinen Sorgen und erase begann (8, — 

aber eë blieb nicht babel. — | 
Refi febte jd mit wunderbarer Schnelligkeit in ihre 
Rolle als Schutzgeiſt hinein, Cie begann, den gropen 
Leutnant mehr und mehr „unter ihre Flügel” zu nehmen, 


jie interejfierte fidh ſchließlich nicht nur für bie Angelegen ——— 


heiten, welche er felber, freiwillig, bet ihr zur Sprache - 
brachte, jondern auch für Diejenigen, welche dim : 
wohl mehr al privater Natur eradjtete, : 
Ich muß auf den Schlingel aufpafjen”, fagte fie - 
dann wohl zu jid) jelber, „er gebraucht mehr Geld, als 
er ausgeben bar Conjt jchenite er mir ein ganzes 
Dutzend Handjchuhe, wenn es ifm eie, mid) durch 
eine Aufmertfamfeit zu überrafchen, das [ete Mal war 
es nur ein halbes Dugend, — qud) ſchloß er neulich 
jeinen Schreibtiich io ſchnell ab, als td) ihn vor etlichen 
SB dicen ie. und baà eine Papier hatte en 
sormat.... Gott im pun der Junge wird doch 
feine Schulden machen?” — | 
Abends am Kamin, als die beber Gewier einen | 
Augenblick allein jaßen, begann Refi mit dem arm- 


loſeſten Gejicht bet Welt von einem € Spieler: und Wucher- 


prozeß welcher un längſt ſich por den Schranken des — 


Gerichts abgejpielt, zu reden. Wie verurteilte fie den 
Leichtjinn, bie Chriofigfeit eines Menjchen, welcher fid) 
auf bie unedelite aller Weifen an dem Hab und Gut 
jeines Nächten bereichern möchte. — Warum jpielt ein 
Mann? — Um zu gewinnen! Um Hd auf die Kojten 
eines andern reich zu machen. Sit es nicht ein Aus: 
plündern ſchlimmſter Sorte? Was ament moderner 
Kavalier, welcher mit Hilfe von ein paar. Koͤnigen, 
Buben und Damen dem bezechten Nachbar den Geld- 
bentel leicht macht, anderes, alg ehemals ein Ritter vom — 


- €teareif, welcher mit feinen. Spießgeſellen dem ahnungs: oh 
(ofen Stamerab ein Dorf — ober dem a a 


Kaufmann den Beutel leerte — — — | — 
o a Eberhard -— piel unb pie en di ein | 
Unterjchted — 
„ewi, — jo lange ea Bn facili en Cfat ober 


Whit bleibt und ein paar Mark fojtet, ijt auc) baè 


Slartenipielen ein erlaubtes Vergnügen, — bleibt eë aber 
dabei? — Nein; und wo das Hazard mit feinen Ver- 
mögenseinfüten Begins hört die Ehrenhaftigteit auf, — 
Wenn man ein reicher Mann ij und das Gelb zum 
Megwerien Hat? Auch der größte Sad Korn läuft aus, 

wenn man ein Qod) hineimjchmeidet, und außerdem — 
find e8 nur reiche Leute, welche jpielen? Sm Gegenteil, 
die leidenſchaftlichſten Epieler find zumeiſt die, welche 
abjolut nichts gugujeben haben, jondern reich werden 


OAR i 
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LIMES 





91.9. G id itvu ttg, IW. Nom. v. Nov., Die Negimentstante T. 2 


‚wollen. Außerdem ift e8 für permigende Leute ein 
doppeltes Verbrechen, zu fpiclen und andere, weniger 


= Bemittelte durch thr Beilpiel zu verführen —^ und nun 


ſchilderte Mefi mit jolh lebhafter Beredſamkeit alles 
Elend, welches je durch das S Spiel über Familien herein⸗ 
gebrochen, daß Eberhard die Zähne im bie Lippe qrub, 
aufiprang und mit groben s un Bimmer auf und 
nieder ging. 

Refit fien fee Erregung gar nicht zu bemerfen, fie 
lehnte bem Kopf zurüd und lächelte: „Gott fei fob und 
Dant, bap in uitjerer Familie. ber Epieltenfel niemals 
Tu fallen fomute. Die Wieders waren zu gottesfürchtig 
und rechtlich dazu. Unfer feliger Water haßte das Spiel. 
Hat dir Onkel Hellmuth ſchon davon geſprochen, Hardi, 
daß Bater in feinem Teftament einen Brief hinterlegt 
hat, welchen bu bei deiner Miündigfeitserflärung aus: 
-gefünbigt befommen jollit? Es fet dag legte, liebevolle _ 


s — Mabmwort am feinen Cohn.” — Und bie Eprecherin — 
erhob hd yah, Ichlang Die Arme um den Bruder und 


. blidte ihm mit jtrablenbem Blid in das erfibte Antlig: 
„© Eberhard, wie ftolz bin ich auf dich ehrenhaften, 
braven Menſchen! Wie zuverſichtlich ſehe ich der Stunde 


entgegen, wo bu Waters Brief licit, du braudjt Hit o 


zu erröten dabei — Du fannft ftolg erhobenen Hauptes 

zum Himmel bliden und bem Toten fagen, daß du feines 

Haufes und Namens Ehre heilig gehalten . . .“ 
Eberhard jant auf einen Eefjel nieder, fein Haupt 
neigte fid) tief — tiep zur Brujt — und dann drückte 


— 


er das Geſicht gegen Ne is Echulter. „Gott gebe es, 
Nefi. U 

Die naive, Heine Strieqslift hatte ihre Wirkung nicht 
verfehlt, was ein geftrenger Oberft umfonft angejtrebt, 
hatte eim Mädchenmund durch wenige Worte erreicht. — ` 

Und Diejer erfte, mehr qeafnte, wie bewußte Erfolg | 
machte bie Schwefter immer ficherer und energijder, 
imer madjamer auf ihrem Poſten Zeigte Eberhard 
eine Anwandlung zu Leichtfinn oder zu flotter Qebens- 
art, verftand Heft eë, zu rechter Beit „den Daumen 
aufzudrüden!” Nicht pedantijch, nicht altjungferlich, 
ſondern jrijd) und fröhlich mit rechtem Wort zu rechter 
Bet. Der junge Wieder war ein leicht zu lenfender 
Charakter, und in N efi jab er das Chenbild der Mutter, 
und oft, wenn fie ifm ing Gewijjen jprach, fam es 
über ihn, als je bie weiche Hand, welche ihm zärtlich 
über das Haar — itid, die ſchlanke, fühle Nechte der 
geliebten Toten, fo, wie er fie zum letztenmal auf dem 
Haupte gefühlt, aí8 die Nrante mit brechenden Augen | 
in den Stillen des hohen Himmelbettes lag. — 

Reſi war erwachjen. ! 

Tante Auguite machte in ber Reſidenz ein Haus, 
um bie Pflegetochter ber Geſelligkeit zuzuführen. Eber— 
hards Kameraden ſtatteten ihre Bejuche ab- und ver— 
fohrten gern und viel in dem behaglichen Salon; eg 
war ein jo anbheimelndes, netted es mit den beiden 
Damen, namentlich mit Fräulein Heli. 

x Sie mar jo anders wie andere junge M ee rh 


Mi 


kameradſchaftlich, helid, vernünjtig und vergnügt, 
Gedante an lyriſche Nedensarten oder fade na 


fam feinem in den Ginn, — das jchien feltiamerweiie 


ganz ausgefchlojfen, dem das junge Mädchen bon acht⸗ 
zehn Bahren machte einen jo gereijtem, mütterlich wohl- 
wollenden Eindruck, fo recht mie cine gute, freundliche 
Tante, mit welcher man jo ganz und gar harmlos ver- 
fehren fann und muß! 
Refi war durchaus nicht hübſch, ja, eë gab eni buy 
Weine das birefte Gegenteil behaupteten. 
Ihre große, vierjchrötige Gejtalt entbehrte jedwebder 


Grazie und Anmut, ihre Bewegungen waren energiid) = 
unb furz, ihr Gang von einer gemwijjen derben Eilfertig⸗ aie 
feit, welche ihre Erzieherin manchmal mit den Worten = ^ 


gerügt hatte: „Refi, jttefele Dod) nicht fo drauf los!” — 


Die Haare lagen glatt gejcheitelt, braunrot a RN 


ohne Glang, wie von leichtem Roſt überzogen, an ber 
ſtark gewölbten Stirn, melde durch jebr jparliche, ih — 
in ihrer hellen Färbung faum martierende Drum abe — 
gegrenzt wurde. | — 
Hellfarbige, graue Augen, weder an Farbe, nod) 
Umrahmung ſchön, aber durch ben klugen, febhaften 
Bic jympathijdh, gaben dem Gejicht Ausdruck, und über 
die furze, fumpfe Naje und bie breiten Badentnochen 
30g fich em Cattel von Commerfprojjen, welcher jelbjt - 
im härtelten Winter nicht abblaßte. 
Dorte hatte anfänglich mit gerungenen Händen ge- 


fleht: „Brauchen Ste bpd ein Mittel dagegen, gnädiges __ 


a MEI E. 


Fräulein, — es "T deren gut mirfenbe, welche abfotut x oe 
unſchädlich find! Mein Gott, wenn ih an all bieo 
Salbentiegelchen und Grémebojen auf bem Toilettentijch 


ber Gomtejje Fidelia denfe! — Aber Nefi hatte mit 
{uftigem Lachen den Stopf geihüttelt: „Wie follte ih 
mob! dem lieben Gott feine jchönite Originalphyfiognomie 
verderben!” jcherzte fie: „die Sommerſproſſen gehören 
zu mir, wie Die braunen Staubfäden in den Seld) der 
Sedenroje! Wir find beide Landfinder und tragen | 
unjere Bilitenfarte tm Gelicht! Mem, Dörte, eð wäre . 
undanfbar von mir, etwas wegzuwerfen, was Mutter 
Natur mir jo befonders ſplendid gejchenft hat” — 

Die Kammerjungfer jchüttelte über jolh lachende 
Philojophte ben Kopf unb ſeufzte Hilflos wie Jung- 
women: „Wat fall id) Dabi daun?!” und mit bem | 


gleichen Gefühl beüngitigenber Natlofigfeit ftand fie auh 


jebt hinter bem Stuhl ihrer. jungen Herrin, welde fie 
zum erjten großen Ball frifiert hatte, und wagte faum, 
einen Blick auf das jo unvorteil As ite an ee : 
zu werfen. | 
puch, gnädiges — 1 mir : fatten Die Saare — 
doch ein wenig brennen follen!” rang es fid) ſchließlich über 
ihre Lippen; „der Krang fibt auf diejen glatten Scheiteln — 
jo ungeldjidt — er gefällt mir noch gar nicht recht — 
unb... ad, ba Ichlägt eó ja erft. halb fieben Uhr — 
wenn ich mich recht |pute, befommte ich ficher noch eine 
seite Srijur fertig! Einen Brennapparat befite id)... 
darf ich ihn Holen — —” und jhon wollte bie Sprecherin 


eg 


jeden Einwand ber jungen Dame durch i eunige Rin x 


ds aus bem Bimmer abjchneiden. 


Refi aber fafte lachend hinter fid) und pielt Die Ge⸗ 
trene mit euergijdjem Griff. „Du wärft eS imftande, 
Dörte, und Hieheft mich noch eine weitere halbe Stunde 
‚Statue‘ fiken! Mein, ich banfe Gott, bap die Prüfung 
überitauben ift. Es üt thöricht, dak id) überhaupt einen 
Strang auffebe, aber es ift nun einmal Gitte, daß man 
zu. einem Hofball ein ausgejchnittenes Kleid anzieht und 


durch Blumenſchmuck Die feſtliche Stimmung marfiert — ` S 


und gegen Borjchriften darf man nicht rebellieren,” Ein 
beinahe jchelmischer Blid traf das verlegene Geſicht ber 
‘Boje: „Wenn folde Befehle nun hie und ba in ber Aus- 


führung übel ausfallen — wie zum Beijpiel ber Ka — 
auf meinem Kopf und bic furgen Urmel an meinen ror : = 


Armen, fo ijt Das nicht meine Schuld, fondern bie der 
‚Hofetifette — und barum trage ich das Unvermeidliche 
amit Würde und fage: tu l'as voulou, George!" - 

ber man fann doch etwas dazu thun, um die Bore - 


-o fehriften geichmadvoll auszuführen, gnädiges Fraulein! — 


Ein wenig brennen — ein paar Löckchen — und uidt 
den vollen niana, ſondern einen graziöfen Zweig in das 
Haar gelegt . 

Reſi late cath mehr. „Nur einen fleinen Zweig 
Wie rejpeftierlich! Sch bin eine qute Patriotin und fage: 
„Ehre, wem Ehre gebührt! — Seinem König darf man 
nichts abfrapjen! — Übrige — e3 ijt ja jo ub ait 
gleichgültig, wie ich ausjche, Torte — 


— 


ta2!! — Gnadiges unes mone. und 
Jollen doch gefallen!” — | D 

Ich jol gefallen? — Wozu das? Wenn nur "bie 
andern Leute mit gefallen — 

„Glauben Sie mir, guiidiges Fräulein, wenn eine 
junge Dame recht hübſch la N fie HO ` 
boppelt.^ — | 

Hübſch ausjehen?. Rich Dörte, aus einer leder: - 
maus wird zeitlebens fein Goldjajan, und wenn fie fich 
mit noch jo viel fremden Federn ſchmückte! Das Amüſe— 
ment, welches id) auf bem Balle juche, finde id), und 
wenn mir der Teufel noch mal fo arg auf meinem Geficht 
Erbfen gedrojchen hätte!” — Refi jehaute mit ihren ver- 
gnügten Augen ohne jedwede Spur von Vitterfeit oder 
Bedauern auf ihr Spiegelbild. „Daß ich mordsgaritig 
bin, weiß ich, und daß die Menschen nicht blind jind, 
weiß ich auch, und um mir thörichte und falſche Illuſidnen 
zu machen, dazu bin ich Gott fei Dant zu vernünftig. 
Sch gehe nicht auf den Ball, um Eroberungen zu machen 
und Herzen zu bethören“ — wieder ein ‚Frisches, [uitiqes 
Lachen — „auch nicht um mit meinen ſchönen Mitſchweſtern 
zu fonfurrieren und die begehrtefte Tänzerin gu fem, — 
id gehe bin, um mid) mie die Göttin Unnahbarteit auf 
einen eitjamen Throw zu jeben und auf die ſchnurrige 
Welt voll Pracht und Herrlichfeit, Haß und Liebe, Gut 
unb $888 herab zu jehen. Nicht ich mill bie Leute ami: ` 
fieren, jondern Die Leute follen mich amüfieren — nicht | 
id) will Wohlgefallen erweden, jondern die Menjchen | 


cuc aa s 


jollen mir bie Freude zutragen, ich will nicht geben — 
jondern empfangen! Siehft bu, Dörte, menn man mit | 
jolh guten Abjichten auf einen Ball geht, muß man fih | 
amiifieren, ſelbſt mit biejem auf dem 
diden Schädel!” — 

Dörte blidte mit einem Gemifch von Nührung und 
Staunen auf die Sprecherin. Unbegreiflich! So ladt 
unb fdjergt ein Mädchen von achtzehn Jahren über ihr 


Unglüd — denn ‚Hüplichkeit ijt ein Unglüd für jedes — 
weibliche Wejen, — wie ojt hatte Gräfin Fidelia das — 


nicht ironijd) lächelnd ihrer armen Coufine perjidjert! 

Nod) einen Einwand wollte fie wagen! 

Gewiß, gnadiges Fräulein, das ift alles ſchon ganz 
qut! Aber wenn bie Herrichaften Ahnen gefallen jollen, 
— dann gehört es Dazu, paf fie redt nett und liebens- 
würdig zu Dem gnädigen 9 Franlein find, daß bie Damen 
freundliche Worte jagen und die Herren die Cour machen, 
— und das gejchicht um jo mehr, al8 man vorteilhaft _ 
ansfieht, denn bie meiften Herrichaften find bei fold 
großem Felt einander fremd, und weil fie fid) nicht gleich — 
in Herz fehen können, jo lejeu fie auerft den Freibrief, 
welcher dem Menſchen von außen leb— 

Refi dehnt bie robujteu Arme und lehnt fid) behag= 
lich gegen den Etuhl zurüd. Ich jage bir ja, Dörte, 
paf ich an feinen Menfchen irgend welche Anforderungen 

ftelle! Das bewahrt mich vor jeder Enttäufhung. Ich 
verlange fein freundliches Wort und feinen Tanz. Ih 
will mir ein friedliches Wandplabden ausjuchen und mir 


PEE w pora 000 





u 


einbilden, ich fife im Theater. Bor mir fpielt fid) eine 
große Komödie ab, teils lujtig, teils ernft, teils zum 
Lachen, teils zum Weinen, Und ich fehe zu und nide 
Beifall, wenn einer feine Molle gut jpieft. Und an dem 
Schönen, was ich jefe, freue ich mich, und das Häßliche 
nehme ich mit in ben Kauf, weil e$ ba fein muß, um 
Der Schönheit Wert zu geben. Und wenn ich das Nied- 
rige jehe, werde ich den Blick um fo entzücter auf das 
Erhabene richten, denn je tiefer mir in den Abgrund 
ehen, bejto höher deucht uns ber Berg. — Siehſt du, 
Dörte, das ijt mein Ballvergnügen, und wenn alle häß- 
lichen Mädchen mit ſolch vernünftigen Gedanfen zu Spiel 
und Tanz gingen, gab es feine jauertöpfigen Gelichter an 
den Wänden. „Nimm bi nir vir — dann Heit bi nir 
fehl!” — So; und mum zieh mir das jeitliche Fell über 
Die Ohren, i möchte bereit jein, wenn mein Bruder 
fomint! — — 

Und Refi ftanb (adend auf, ſtreifte den Friſiermantel 
von den Schultern und hob die Taille von duftiger, ge— 
ſtickter Seidengaze mit zwei Fingern empor Ihr Blick 
befam etwas Weiches, Inniges, wie er warmherzigen 
 Sptenjdjen eigen ift, wenn ein fieblicher Anblic fie erfreut. 

„Bie Schön ijt doch fo ein Balltleid, Dörte! Es 
macht mir jon auperordentlichen Spay, mich einmal jo 
anziehen zu fünnen! — Ach Dörte, wie glücklich bin id) 
bod)! Konnte Gottes Wille mid) nicht aud) als Krante, 
als Krüppel auf bie Welt fommen laffen? — Wenn id) 
drunten an bie arme unglüdlidje Portierstodjter benfe, 


Ze ua 


welthe bei ihren vierundzwanzig Jahren tagein, tagaus 
in dem Fahrituhl fiber muß und ihre gelähmten Füße 
‚nicht regen fann! Und arm ift fie auch noch dazu — 
fann ihr Elend durch nichts vergeffen machen! — Und 
ich! o, wie fann ich meine Glieder rühren, wie fann ich 
jo unendlich viel Cchönes fejen und mit vollen Zügen 
geniehen !^ Sie blieb vor ber Jungfer ftehen und legte 
thr mit ftrahlenden Augen die Hände auf bie Echultern. 
„Dörte — als id) eben vor bem Spiegel fap, und bu 
mein haͤß liches Geſicht anſahſt, da las ich in deinen 
Bügen. Du beflagteft mich aus Hergensqrund! — feine 
Urjache Dazu. Sch bin zwar nicht hübſch und reich, denn 


unjere Güter find Majorat und Eberhards Eigentum, - 


aber ich bim geſumd und von Herzen guter Dinge — und 


das ift Glück! ein großes © lid! So lange ein Menſch N 
noch feine Glieder gebrauchen und fid) neidlog am ber -— 


idjónen Welt freuen fann, fo fang ift er ein Liebling 
feines Gottes!” Dörte blictte in bie ftrahlenden Augen 
ber Sprecherin und nidte ftumm mit dem Kopf, — wahr: 
lich, Fräulein Refi war wohl beneidenswerter wie manch — 
blendend ſchönes Mädchen, welchem nichts mehr genügt 
und nichts mehr begehrensmert erjcheint, welches auf dem 
ilimmernden Goldftrom des Lebens treibt und nach den 
fühlen, friichen, Derben Wafjern des Lebens fchmachtet, 
welche aus rauhem Felſen jchaumen, und nur den er — 
quicen, welcher tapfer und zuoerfichtlich beu fteinigten — 
ai erflommen. : 
Refi ftand in dem Duftigen Balleleid und freute fid) 


— uoo 


— jemer geſchmackvollen Zartheit, und fie freute fid) über 
den jchönen Fächer, welchen Eberhard ihr heute morgen 
geſchickt, und über die Taffe Thee und die belegten Butter- 
brote, weldje Dante Augujte nod) jervieren ließ. Wie 
gelegen famen. fie ihrem Hunger! wie lieb, wie qut von 
der Tante, daran zu benten! — 

Die Freude ift bie größte Rünitlerin, fie malt da3 


 füplidite Geficht mit Farben, welche es verflären und —— 


- jdn machen, und fie legte auch ihren Zanberglanz in 
Reſis Augen und warf einen zarten, roſig roten Schleier 
über ihr Untlth, daß es trog der ungebrannten Haare 
und des unvorteilhajten Kranzes jo liebenswert drein— 
idjaute, dag bem eintretenden Bruder vor Genugthuung 
das Herz im Leibe lachte! 

Leutnant pon Wieders hatte nicht viel Schönheitsſinn, 
und an das Geficht der Sd ‚weiter hatte er jid) jeit Kindes 
beinen gewöhnt, und weil er jeine Refi liebte und pere | 


ehrte, wie ſonſt fein anderes Wefen, jo fam. ibm gar nicht u 


der Gedanke, daß eiu anderer Menjch | eine Schweiter mit x 
anderen Mugen anjehen könnte, wie er. — 

Er jprad) me jehr viel, nidte auch jest nur bebaglid 
nor fid hin und bot der | Tame den Arm. — „Un bie 
š: idee — (š ijt git" m 















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Il. 


eee Wan hat Misher jtets angenommen, das Tide 
EL, tigite Möbel in einer Damengarderobe fei ein 
Spiegel, felten jedoch erfüllt geichliffenes Glas 
weniger jeinen Bwec, mie bier, jo en e8 aud) 
flingen mag. | 
= Die Damen, melche in groper Toilette eine Ball- 
garderobe betreten, haben ſich lange genug vor dem 
Spiegel aufgehalten und find mit fid) im Haren. — 

Sn Der Regel muſtert bie Mutter Die Töchter, und. 
die Töchter mit flüchtigerem Blick bie Mama, nachdem 
Mantel und Kopfichleier abgelegt find, und dann nigen 
fie fi) mit etwas atemlojer Haft und Eile zu: „Alles in 
Ordnung!” — und winden jid) mit liebenswürdigiten 
Pardons dem Ausgang wieder zu. 

Nur Hie und da wirft eme mutter, jchmefter- und 
tochterloje Schöne emen jchnellen Bli in das Glas, zupft 
noch einmal an Stirnlöcdchen und Blumen, und wendet 
den Kopf bligjchnell wieder zur Seite, wenn neben ihr 
aufs neue eine Schleppe raufcht. 





- m 


Sn ber Ballgarderobe interejjieren fid) die Damen 
nicht mehr für ihre eigene Pracht und Herrlichkeit, die. 
ift zu Haufe genugiam ‘geprüft und anerfamut, jondern 
all ihre Aufmerkſamkeit konzentriert fid) auf die lieben 
Mitfchweitern, welche man im Saal — wo Begrüßung 
und Konverfation ihre Anfprüche ftellen — lange nicht jo 
ſcharf und genau muſtern kann, wie hier, wo die Blide 
jo bequem bin und Der hujchen fünnen, während man 
‚anjcheinend — bis jur 3 T Teilnapmlofigtett vertieft — Die 
Handſchuhe zuknöpft — 

cer qnd über bas Kapitel Nächften! icr unterrichten 
wili, beobachte in einem Ablegezimmer die Blicke, mit 


welchen eine liebe Freundin die andere heimlich und rúd- ae 
{ings nudtert. Sa, da liegt in gar manchen Mugen das 
Herz viel ffarer und durchfichtiger, als die Schinen 8 — — 


fid) träumen lajjen, und man erzählt fic) von einem Herrn, 
welcher vor der Garderobe auf bie Echweiter wartete, 
daß er durch die fid) öffnende Thür zufällig in die heilige 
Halle hinein ſchaute 

. Übiejer 3Blid war bie fleine Urjache einer großen Wir: 
fung, Denn er traf anjallig das Geficht ber bis dahin 
heißgeliebten Königin feines Herzens, und diefe mujterte 
juft Die Toilette einer vor ihr ftehenden Kommergienrat3- 
tochter. — Wieviel Neid, wieviel Mifgunft, wieviel em: 
pörende Unduldjanfeit fchillerte durch diejon einen Blid! 
Seine Schärfe zerriß all die rojiqeu Edleter vor Den 
Augen des Anbeters, und bon einer jähen, bitteren Ent: 
tauſchung beeinflußt, blieb das bindende Wort, welches 


d OR on 


ibm an biejem Abend auf den Lippen gereh, ungez 
iprodjen. 

Reſi ahnte nicht, welch einem Kreuzfeuer von Blicken 
fie ausgejebt war, ala fie mit fröhlichem Geficht den 
Pelzmantel in die Hände einer Nammerfrau gleiten Lief 
und fid) momentan niederneigte, fid) der Pelzſchuhe zu 
entledigen. Die jungen Mädchen wechſelten ironiſche 
Blicke, bie Mütter lächelten wohlzufrieden und felbitbewußt - 
ein unhörbares „hors de concours!” und nur ein paar 
febr heitere, Heine Frauen, welche jhon jest begannen, 
bie bunten Fädchen zu ipmmen, an melden fie nachher 
Die jungen und alten Falter zappeln laffen wollten, waren 
jo jehr mit fid) jelbit beichäftigt, daß fie, ohne rechts und 
links zu blicken, porübereilten. Als Refi ſich wieder auf 


richtete und — unwilltürlich mad) betaunten Gefichten 


fuchend — um fid) blickte, jah fie faum ein Ange auf 
fid) gerichtet, — ein paar junge Damen ficherten und 
prufteten vor Laden hinter ihren Fächern über einen 
ej den bie eine gemacht zu haben fchien — und welchen 
Reſi wohl auf alles andere bezogen zu haben ihien, wie 
| auj fid. 

Tante Auguſte mar in dem farbenprächtigen Gedränge, 
in diejem wogenden Meer von Seide, Sammet und Spitzen 
das einzige Inſelchen, zu welchem ſich ihr irrender Blick 
zurück rettete, und fie freute fich, als die Brokatſchleppe 
der alten Dame endlich — durch alle Klippen durchlaviert 
— auf den Purpurdecken beg Treppenhauſes raujdhte. 

Eberhard ftand, den Küraſſierhelm im Arm, bereits 


wartend neben der mächtigen Tateno, welche ihre —Ç A 


graziöſen e in er a inpet o 
babete — i 
. Gr flappte die Sporen — "pi ber. Tante en | 
mals den Arm, und feierlich jchweigend und langſam ſtie Ú 
man Die Stufen empor, — hier den jtunumen Grup elueš 
dienftthuenden Kammerherrn erwidernd, dort liebenswür⸗ 
dig ein paar fliuke Leutnantsfüße oder Jüngere Damen 
vorüberlafjend, deren thatendurflige Eile die afthmati he 
Tante Auguite überflügelte, 

Die Lafaten ftanden in prunfhafter Slime. mürbenoil 
und ſelbſtbewußt zur Seite, und Refis luftige Augen jafen 
alles und jedes, von beu mächtigen Ritterbildern am den 


Wünden bis herab zu ben mwappengewirften Teppiche. 


Der Rahmen deuchte ihr fürerjt nod unlerejjanter wie das 
Bild, und alg fie ihn genugſam gewürdigt, ließ fie auch 
bem lebterem jein Recht geſchehen Ga, ein ſchönes Bild! 
So jehon, wie es in all jeiner iiber] djmenglidjen Farben- 
pracht umb Jemen — fein Maler wiedergeben 
fann. 

Sie blieb momentan jteben und blickte über bie breiten 
Schloßtreppen iu das wundervolle Beitibül hinab. 
Drunten wogte die Menge ber Neuankonmenden, bie 
Herren in impojanten Galauniformen der Minifter, Wate 
und Gejandtichaft, Gol dtreſſen und breite Drdensbänder, 
 Offiztersimtjormen in größter Mamigjattigfeit des Ste 
und Yuslandes, und zwijchen ihnen die liebliche Farben- 
pracht Cone Sorento bon dem Sulfigen sie 





"n 
E 


* 


Die RertmentStante J 


Eihftrutb, an. Nom. u. Non, 


. 9, 


N 


— 


jugendlichſten Ballkleides big au ber Rn Sammet- 
ichleppe der Excellenz. | de 

Das wogte und gaie Puttbeamben itieg m helene 
Konverjation bie Stufen empor und taujdjte lächelnde 
Grüße von drunten nach droben und von droben nad) 
drunten — und über dem ganzen diamantgligernden 
Treiben zogen jüje Duftwogen dahin, — jenes geheim- 
nispolle Gemijd) von Ambrée und Blüten, die Narfoje 


jür junge Herzen, un welcher He fo manch jüßen, wehen, | 2 


wonnigen Traum der Liebe träumen! — 


Nefi war nicht gefommen, um zu tanzen ober ih o rm 


unter jenem midjtsjagenden Medensarten, welche fremde 
Menſchen bei unmterbrochenen Borftellumgen wechjeln, zu 
langweilen. x 

Tante Nugufte hatte gang "bordi eine alte 
-— Sugendjreundin, welche bei einer zu Bejuch weilenden 
Herzogin bie Dienjte der Etaatsdame verjab, getroffen, 


und während fie in der Galerie lab nahm, am ber 


Seite ber fo lang Entbehrten taujend Erinnerungen aufs 
zufriichen, nahm Refi den Arm des Bruders und flüfterte: 
„Ruu jduell, Hardi, bring mich auf ein recht gededtes — 
behagliches Plätzchen im Thronjal, wo id) bem Tanz zu- 
jehen fann!” 

pom!” nite Der Sürajfier, loderte ben Ellenbogen 
und verjchaffte jid) und jeter Dame mit bem höflidjiten 
und fdarmanteiten Lächeln ber Welt Blak — 

Lungs der Wände 30g fid) ein teppichbelegtes Podium x 
hin, hie und da durd) blühende Sierjtrüudje gejdjmad- 


voll deforiert, auf welchem p Die älteren Damen 
Blak genommen. — 

Sm äußerjten TBinfeldjen, halb verjtectt von Succ 
Syringene und Mandelbäumchen, fand Refi, was fie 
juchte, und während Eberhard fih mubjam zu feiner 
Negimentsfommandeuje burd)brüngte, um ihr den idul, 
digen Rejpeft zu vermelden, ja Fräulein von Wieders 
mit jeelenvergnügtem Gejicht auf ihrem verlorenen Poften 
und freute jid) unbejchreiblic; über ifr Git, Ddiejen 
brillanten ‘Blak erobert zu haben. : 

Vor ihr, zwei Stufen tiefer, drängte jid) Kopf an 
Kopf das tanzluftige Publikum, jtet8 wechjelnd — wenn 
auch langjam und mur in feinen Wirbein — weil dicht 
Daneben eine weite, durch Säulen geteilte und bogen: 
artig gewölbte Thür in einen der Nebenjale führte. — 

Wie interefjant, diejen bunten Strom an fid) vorüber 
fließen zu jeden, in all bie lachenden, verfchiedenartigen 
Gefichter zu fehen und fo vieles beobachten zu fónnen, 
was den andern entging, weil fie viel zu fehr mit fid) 
jelbjt und ihrem eigenen Amüfement befchattiqt waren. 

Dann betraten die Hohen Herrſchaften in kurzem Rund- 
gang den Saal, und Refi ward dunfelrot vor Entzücen, 
fie jo ganz nabe zu jeben und grüßen zu können 

Welch ein feierlicher, unvergeßlicher Augenblid, weld 
eine Stille plöglich nad) all bem Schwagen und Naujfchen 
und Braujen, welches wie Meeresbprandung unter Dem 
goldgemalten Plafond dahin gezogen. Und dann er- 
weitert fic) der freie, fleine Raum inmitten des Saales 

3* 


= 46 — 


nod) mehr, — Die Hertſchaften haben Platz genommen, 
um die Mufif jchmettert. in jauchzenden Weiſen los. — 
Die Vortiinger üben ihres Amtes. d ue 
Cine Prinzeß des königlichen Haujes fliegt wie eim 
veizendes roja Commermwöltchen im Arm eines Dragoners 
. bafu ber Diamanttau funfelt über die graziöfe Gejtalt 
. umb durd) bie Gejtalten der Bujdaner geht ein Reden 
unb Heben... Und dann wirbelt eS wie ein bunter 
Schnnetterlingafjwarm durcheinander, man fieht nicht 
mehr viel, nur die jid) drehenden Köpfe und Köpfchen, 
denn bie Mauer der Zuſchauer baut jid) in immer did- 
teren Kreijen auf. — ur 
Jefi fommet eS garnicht in den Zinn, daß fie eigent- 
lich recht verlaffen und einjam m ihrem Wandedcen 
fibt, bag fid) fein Menſch mit ihr unterhält, daß feiner 
der Herren Notiz von ihr nimmt, und fie wundert 
fi, ald fie in bie ärgerlichen, verdroſſenen Gejichter 
zweier jungen Damen blidt, welche ihre Tanzfarten 
muftern und nicht zufrieden mit ihrem Inhalt find. Sie 
ftreijen bie nächititehenden Herren mit recht pieljageuben 
Bliden, und alg juft em Garde-Wrtillerift begrüßend an 
fie heran tritt, wirft bie Heine Blondine jdjmollenb bie 
Lippen auf und jagt jehr laut: „Es ijt entjeblid) dieſes 


Völterjeit! Man fennt mal wieder fene Seele! — Dre © 


befannten Herren finden fid) nicht durch, und Die fremden 
laſſen fih nicht voritellen, — den ganzen eriten Tanz 


feinen Schritt gethan! Geht men bonum auf einen Bale’ = 


— Der junge Dffigier djt außer fih über fold) ein : 


himmeljchreiendes Unrecht und verfidjert haftig, daß man 
fic) drüben in der Galerie ſchon zu einem famojen, 
kleinen Kreis zujammen gefunden! „Darf ich bitten, 33a- 
roncp?^ und er bietet der Blondine den Arm und Rund 
jid) mit ijr nach ber Thür zurüd, x a 
Mit einem vernichtenden Blick auf bie —— | 
„Schlachtenbunmler‘‘ folgt bie Schweiter. 
Reſi lächelt: „sit das der Breck eines Balles? — 
Wie verjdiedenartig bod) der Geſchmack ijt” —— 
Nimm di niy vör — daun jleit die Tir fehl! - — Du 
liebe Beit, wie fann man nod) mehr des Herrlichen ver⸗ x 
langen, al$ wie Hier geboten wird! | 
Aber bie Menjchen haben ganz verlernt, fich harmlos 
und ehrlich zu freuen, jie können nur noch nörgeln und 
tadeln, — die Hige! das Gedrange! bie flauen Tänzer! — 
Die Langeweile! — 

Reſi merft nichts von alledem. ie freut: jid an 
allen, an der bunten Pracht, an ber köſtlichen Muſit, 
welche dem Herzen Flügel wadjen lüpt, an den Er: 
frijehungen, welde jerviert werden und welche ihr herrlich 
munden. 

— Dabei Bat fie foviel gu thun. 

Gin paar bejondere Lieblinge unter den jungen 
Mädchen hat fie jon erwählt, und die beobachtet fie 


Amb freut fid, wenn bie Herren ihren Gedmad gut — 


heißen und die allerliebften Dinger recht auszeichnen, — 
und unter den Taͤnzern find ihr auch jdjon verjchiedene, 
eigenartige Typen aufgefallen, ein junger Türfe, welder 


— 38 D 


mit febr erftaunten, | ‚über, Baunobe. Augen in Dice 
fremde Welt ſtarrt und die köſtliche Gelegenheit gar 
nicht genugſam ausnutzen Yann, fo viele reizende, uns 
verſchleierte Damen aus andrer Männer Harem un— 
geſtraft ſchauen und gar im Tanze umfaſſen zu können! — 
„Das Abendland gefällt mir alle Tage beſſer!“ ſteht 
deutlich auf ſeinem ſchmalen, gelben Geſicht zu leſen, 
und zwei Herren erzählen ſich vor Nefi mit lauter 
Stimme: „Ali Ben Haffan habe jüngit einen, mit acht 
Töchtern gejegneten Baron gefragt, ob er wohl fein 
Schwiegerjohn werden fómne, — worauf der alte Herr - 
mit [autem Seufzer Der Erleichterung nur Das eine 
bervorgeftoßen: ‚Wie viele wollen Sie? — Wenn Sie 
alle acht nehmen, friegen Sie bie Gouvernante gratia 
zul“ ds 

Man lacht hell auf, und Rei amien i eben}o 
gut, alg habe man ihr den Wig Direkt erzählt. — Dann 
fällt ihr Blick auf einen u lan, welcher neben » im Die 
Thür tritt. 

Borhin Stand er ihr gegenüber und fiel ihr auf, weil 
fein ernites Antlitz fo ENE) gegen all Die in pco 
Gejichter umber abftach. | 

Auch jest blickt er fo eat in Das luſtige Gewimmel 
hinein, als ſpiele die Muſik ein Requiem und als müfte —— 
mit Schlag zwölf biejer ganze Zotenreigen in Grab und 
Poder gurüdTinten. | 

Wie gut und diftinguiert er ausfieht. 

Groh im Dar ohne fraftlos zu er ſcheinen, mit 


gebräuntem, ovalem Gejicht, aus welchem große, dunfle 
Augen bliden und über belen Lippe jid) ein n egent, 
fleiner Schnurrbart fráuielt. | 

Gr if nod) jung, und Darum überraſcht ber Aus— 
bru ſeines Geſichts nod). mehr. | — 

Warum tanzt er nicht? — 

Er jcheint nicht unbefannt zu lem, denn öfters jdjon 
neigte er das Haupt in etwas fteifem und förmlichem 
Gruß, das Kinn gegen den geiticten Uniformfragen 
prüdenb und bie Haden sufammenflappend, wenn Damen — 
an ifm vorüber eilten, aber jeine ganze Art und Weile 
behielt trog aller Höflichkeit etwas Abweijendes, jo viel- 
jagend auch mand) jchönes Auge zu ihm aufblicte, Cin- 
mal redete ihn eine junge Frau an, er antwortete mit 
Ícijer, etwas verjchleierter Stimme, wie e3 jchien, mur 
gerade das Nötigſte, uno ala fie gegangen, ftand er wie 
vorher und faute auf bie lebensfrohe dieat. . motte 
er jagen: „Wie fanı man!! —“ 
| Wieder und immer wieder blickte Reji zu jv. 
liber. 

Noch nie batte ihe ein Mimani jo venei 
gefallen, wie jujt Diele. : 

Warum? — fie fragte e8 nicht, denn fie hätte doch | 
wohl feine rechte Antwort darauf gewußt; die dpürtidje 
Thatjache, daß er jchön war, fonnte einen jo ffugem 
Mädchen, wie Fräulein von Wieders, nicht genügen, und 
außer biejer fehlte vorläufig jede andere Qualifikation. 
Und dennoch! — 08 ijt ein wunderbares Gefühl um die 


ESympathie, um fol ein unbewußtes SHARON! und = 
.. Sidinterejfieren! | E 
Reſi empfand nie zuvor etwas Ähnliches, wie in diefer Ex 


| Stunde, und während die andern Menſchen im Saal ihr 
wur als amüjante Mlarionetten erjchienen, Deren Dres 
ungen und Wendungen man zuficht, mie in einem Luft- 
piel, fo fam ifr bei bent hübjchen Ulanenojfizier zum 
erjtenmal die Frage: „Wie heißt er und warum tanzt ‘ 


er nicht? Warum Me er jo ae — i in ne 


Die Welt?” — 

— Und während ihr Blick tiber nachdenflich auf ihm 
weilte, und fie im Herzen eine innige, naive Freude 
empfand, daß ifr ein Menſch jo außerordentlich qut zu — 
gefallen vermochte, jab fie Eberhards robujte Geftalt - 
neben dem Ulan auftauden. 
Der Sürajiier legte jd)meigjam wie immer bie Son | 
. auf bie Schulter des Ul fans, und drehte thn mit fröhlich 
ſchmunzelndem etwas zur Seite, um paſſieren zu 
fönnen. 

Der interejjante Unbekannte wandte jählings das 
Haupt und ftarrte in das rote, fleiſchige Gefiht Wieders’, 
und dann flog ein Schimmer von Lächeln über fein 
Geficht umb er ſprach ein paar Worte, welche ſicher 
lauteten: „Ad, Wieders! Gut, dağ id) Cie treffe!” — 

So wenigſtens deutete fid) Refi den Wusdrud feines | 
Geſichts 

bunte fie bod) hören, was fie fprechen! — Gie fibt. 
ja ziemlich nahe, aber die Muſik jpielt fo laut — ab! 





Bee 


brillant, eben jchließt fie mit früftigem Paufenjchlag, — 
unb durd; bie momentane Stille flingt bie tiefe Bier- 
bafitimme des Bruders zu dem jungen Mädchen Berüber. | 

„Meine Fuchsſtute? Thut mir leid, Berehrteiter, bor: 
geitern jdjon verfauft! War ein Kapitalgaul! Stochow 
hatte fon lange darum gehandelt — —” und dann. 
fete bie Muſik zu der dritten Quadrillentour cin, und 
Eberhard und der Ulan dienerten ſich ein t paarmal an 


. unb trennten fid). 


Der Küraſſier fteuerte bireft auf das abhi (08, 
feine Schmweiter zu erreichen, und der {chine Unbefannte 
Stand nach wie vor als fteinernes Bild am ber Säule, 

„Ra, Refel — da bin ich endlich wieder! nidte 
Eberhard, mit tiefen Seufzer fic) in das | ihmale Gdden | 
zwiſchen Diwan und Gdoeforation hinein Elemmend. „Ent: 
jegliche Schwägerei! — An allen Een und Enden nageln 
fie einen feit! — Haft dich gelangweilt?” — 

Fräulein von Wieder lachte und ihre Wangen 
glühten wie Bfingftrofen. , S, mo werde ich, e8 ift ent- 
züdend! Du glaubjt gar nicht, wie prachtvoll ich mich 
amüftere! Schade nur, daß id) jo wenig Menſchen fenne, 
bu mußt mir ein paar Namen nennen, Hardi, zum Bei: 
ipiel mer iff Jene. . . ja, mart mal. . wo Bedt fe 
denn mm... dr. . . ba drüben unter bem zweiten 
Growfeitdler, tanzt mit einem ausländiichen Offizier in 
grüner, goldgeitidter Ee een mit breitem Bandelicr .. ^ 
pom. Ruhe.. 

„Und bie Dame trägt ein Acid aus Giolbilor und 


j — 


einen. großen, {ebillernden Schmetterling i im = - fiebjt 
bu fie? — Eben macht fie einen at 
ud, bie Udall” — 

„Ada? — Und wie weiter?” | 
„Ra, Ada Sngelsburg! Tochter vom alten. Safe, 
dem Ronunandierenden Des X. Korps...” 2... 

„Die entzückend fie ijt, — bibbitbid! Ben Ww ed 
Mann wäre, Hardi, in die würde id) mich verlieben!’ 
Ein undefinierbares Sinurren neben ihr. ee 
„Nun? Findeſt bu fie nicht auch allerliebft 2“ 


„Par distance, — went fie Geſicht Xr. 1 auf fat ^ "D 


„Das Deipt das?” — — 

„Das heißt, die Allergnädigſte hat usa i in Be oe 
fichtern. Gie jtedt fie nad) Bedarf anf.” -— d s 

„And weldes zeigt fie bir?" — — — 

„Das mit ben Angelhäkchen in den an As 
Kürafiier und Majvratsherr befommt man drei Stern- 
chen in ihrer gifte” — 

„‚Abjcheulich! Werf ber liebe Gott, wenn bie Men- i 
ſchen ſchandmäulern, werden ſelbſt die Schweigſamſten uu 
beredt!!!” 

Sm... 

„Auf die Damen DÚt du ja felten qut gu ſprechen —" 

„Dho! — ich bin ein Gefühlsmenfh — aber tein 
Courmacher, das ftrengt zu verteufelt an!“ = ee 


„Darum ziehit bu weniger aufregende Selpräche mit | 
Herren por — wie zum Beifpiel mit jenem Wan dort! 


— — er bie Nora taufen?” — 


— 44 — 


„Hätte ihm fo paffen können!” Eberhard legte beide 
Hände auf jeinen Eäbelforb und game wie ein Aeneon | 
ber Naje entlang?” — | i | 

„Bie heißt er?” — 

„Der Gaul? — Kora!” — 

„Anfinn, ber Ulan!” — x | 

Leutnant pon Wieders ſchob die e. breite Unterlippe - 
nod) breiter Dor. 

„Sein Bater hieß Baron SORA) und Daruin heißt 
der Sohn aud) fol” - : 

„Er tanzt ja nicht? Barum as?” — 

Eberhardt zuckte die Achſein „Blafierter Bengel!” 

„ui, Hardt! Tanzeſt bu etwa?!” 

„Das verſteht fi! — Eben wird eim ſchneidiger 
Galopp losgelaſſen, auf den habe ich nur gewartet, um 
mal alle Hinderniffe mi Dir zu nehmen!“ | 

„Mit mir?!” | 

Refi lachte hell auf, ward aber im nüdj ten Moment - 
blutrot, denn der Ulan HR den Ropi und jah 
fie an. | 

„Na natürlid) mit dir!“ inh —— legte gelaſſen 


den Gabel ab; „Du armes Wurm ſollſt bid) Dod) nicht — 


den ganzen Abend Hier im Eckchen ſteif fiken! Komm, 
Refi — kannſt es getroft mit mir risfieren!“ — | 
Seine tiefe Stimme tlang wohl lauter, alg er dachte, 
ber Ulan verftand Wort für Wort und jchaute jah be: 
troffen auf ba8 große, häßliche Mädchen, belen ganzes 


Geficht vor Freude glühte. — Du lieber Gott! fie hatte — 


noch feinmal ben ganzen Abend getanzt, und eS war ei | 
libr bur! — — x 


Refi fühlte ben Süd ber dunklen dhiar auf (id B 


ruben, und eine jähe, namenloje Verlegenheit erfagte fie. 
Um fie aber nicht zu zeigen, lachte fie immer mehr und 
immer luftiger und jprang haſtig auf, um bon biejem 
lab fortzufommen. Sie hatte aber den einen Fuß 
während des Sitzens zurüd gejchoben und auf die Spite 
gejtellt, und der jpibe, franzöfiſche Haden ihres weißen 
Atlasſchuhes hatte ſich in dem des 
Unterkleides feſtgehakt. 

AlS fie nun fo haſtig aufſpraug, blieb der ¿sub hängen, 
unb um ihn zu befreien, mußte Reſi etwas zappeln mit 
ihm, und das verurjachte momentan eine Düpjenbe Be- 
wegung, bis der Haden frei fam, und Fräulein von 
Wieders, immer tüblid)er verlegen, den Arm des Bruders 
nahm und, immer lebhafter lachend, auf ihn einjprad), 
während fie fid) burd) bie d Mauer ber Aujchauer 
Bahn braden. 

Baron Stronjtabt aber — ihr immer noch mit 
meitaujgerijjenen Augen nah! 

Go etwas hatte er ja im ganzen Leben nod) nicht ge- 
jehen! — Du lieber- Himmel, meld) eine Freude! Welch 
ein Entzüden, weil fie einmal tanzen foll! Armes Ding! 
Den ganzen Abend geſchimmelt, unb dabei bod) jo liebens: 
würdig und guter Dinge geblieben! Und als endlich ber 
bide Kerl, der Wieders anfommt — er jchien ihr Bruder 
oder Vetter zu fein, nannte fie wenigitens „du“ — und 


ae 


"fie, gu einem armjeligen Galopp flott macht, da freut 


fid) das rührende Wurm fo diebiich, bap fie vor Berz aS 


gnügen von einem Fuß auf ben andern Düpit! — - 

Ein Gefühl von Staunen, — und SEN 
bemächtigte fid) des Ulang. = 

Nein, jo viel ehrliche freude, fo viel befcheibene Liebens- 
würdigfeit und Anjpruchslofigfeit hatte er zuvor nod) nie 
erlebt! — 

Hübjch ijt fie zwar nicht, aber . . du heilige Kümmer— 
nis! man findet e$ nod) jchlimmer, und ein häßlıches Gez 
ficht, welches fo glüdjelig lacht, ijt ihm immer nod) zehn— 
mal lieber, wie das ſchönſte Lärochen, welches von 
Arroganz und schlechter Laune verunftaltet wird. — 

Er wollte heute eigentlich nicht tanzen, aber biejem - 
braven Mädel gegenüber gebietet c8 bie Nitterlichfeit, eine 
Aus Sahne zu machen — da fann man ja leicht ein Herz 


beglüden — und wer weiß, hier idt er vieleicht durch | 


einen einzigen kurzen Tanz mehr Glücjeligfeit, wie jemals 
bei feinen Schweſtern pus die fojtbarjten Präſente pon 
— und Brillanten. | 
Refi hatte getanzt, mit ungebeurem Genuß getanzt! 
Welch ein Spaß, nun jelber einmal zwijchen all dieſen 
Augerwählten herum au wirbeln, jogar mit einem Küraſſier 
und Wajoratsherrn, welcher auf Gräfin Adas Lifte durch — 
drei Sternchen als „jehr empfehlens: und begehrenswert” 
bezeichnet ijt. Refi mar jo vergnügt, als flöge fie in den 
offenen Himmel hinein, und zwar mit ihrem Bruder, eine 
Thatjache, welche bei andern jungen Mädchen gar nicht 


e 


mitrechnet, fondern al8 motel Ichr umgnäbig „uk s 


Det” wird. 


Als fie hochaufatmend gum Te herum getanzt 3: 


hatte und mit luftblibenden Augen gu Eberhard aufjah, 
nidte ihr ber junge Offizier ſchmunzelnd zu und fagte: 
Siehſte, Altes, das Hatten mir hölliſch jorich gemadjt! 
— Und nun wollen wir verpuften!” — 

Er bot ihr beu Arm und wandte Hd nad) bem Ed⸗ 
plaͤtzchen auf bem Wandpolſter, um feine Tänzerin in ihr 
„angewärmtes Neft” zurück zu bringen. x 

Nefi aber blieb jählings ftehen und wandte den Kopf 
etwas betroffen zur Seite. | 

„Da habe ich nun jdon jo ſehr lange Beit gefeifen !“ 
jagte fie etwas unjicher, „Jühre mid) bod) einmal mad) 
dort drüben, daß ich diefe bunte Welt aud) dns bon 
der anderen Seite fennen lerne!” — 

Eberhard zudte bie Achjeln. „Alles enrama vol! 
Da mühten wir jdjon einen Nebenſaal unficher machen. 


Range Zeit ift ohnehin nicht mehr, — mod) ein wiers — 


efiger Tanz und dann wird zum Futterſchütten ges 
blaſen!“ 

QE fomm dort in Die Galerie!" — 

,Sa, halt mal, erft müjjer wir an den Diwan aurüd, 
ich habe ja meinen Sibel da abgelegt und muß wieder 

umjdjnallen !^ | | 

Refi hob den Kopf. Warum wollte fie eigentlich nicht 
wieder am Den alten Plat zurück? Es war jehr thöricht 
von ifr, — Weil der Ulan fie mit jenen bunten 


2: M s 


Augen jo erftaunt angejehen hatte? Lächerlich! Hat : 


fie ihn etwa nicht angejehen? Und Refi lachte wieder — d 


ganz vergnügt und redete fid) jelber ein, daß e8 bod) 
höchit gleichgültig fei, ob ein Menſch den andern anſähe 
oder nicht. 

Wis fie an den Diwan famen, ſtand Sore von Rron- 
{tadt vor bruni 7 und Sfi ihnen erwartungsvoll ent- 
gegen. 
Sie mußten. he an | ds vorüberjchreiten, und ber 
Ulan machte höflich, Plas, wandte Hd) zu Eberhard und 
jagte lächelnd: ot) habe ihr Schl adtid)mert in Ber- 
wahrung genommen, lieber Wieders, eë rafjelte gar zu 
friegerifch auf das Parkett herab!“ Und als der &ürajjier 
wohlbehäbig jeine. Anerkennung auéfprad), bat fein Ra- 
merad mit biebenswürdigftem Neigen feines woblirifierten 
Dru „Darf id) bitten, mich vorzustellen 2” — 

- „Sen, Verehrteiter. Liebe Schweſter, bleibe 
Sinne Meiſter —: Baron Kronitadt.”. 

x Refi lachte und Sronitabt lächelte, und nad) einet — 
malig icharmanten, ſpornklingenden Verbeugung jagte Der 


Allon ganz. iumermittelt: „Sind guädiges Fräulein bereits 


B qu biejem. Lancier ngagiett, oder darf — um t ben Bore 


E dug bitten 2^"- 


Refi ftand einen Xugenbid ipradjtos amb arete 
Ber ihönen Wann an, als habe er tiirfijch. geiprochen, 


und fie ward erit bla und dann jo rot, als habe cino 


Sonnenuntergang all j jeine Purpurlichter über ihre "Pange S 
gegoſſen | pen | 


vd os 


Eberhard nannte das nur Alpenglühen 7 — 
„zanzen? — D gewiß, jehr gern, Herr vou Rron- 
itabt, wenngleich ich Shnen ehrlich geitehe, daß ich ſehr 


wenig Übung Habe! Meine Tanzitunde auf dem Lande o 


war jebr einjeitiger Natur!” | 
Eberhard jah beinahe noch überrafchter aus, wie TU x 


Schweiter. „Samos! ſehr nett, Mronjtadt — aber id — "s 
halte e& aud) für beffer, Cie taujdjem den Lancier in 


einen Walzer um, — ich weiß nicht, ob unfer alter 
Dorffchulmeif ter bit Quadrille fo gang à à la cour eie — 
ſtudiert hat!“ | 
„Einen Walzer?” — der Wan zögerte ett wenig: 
„sch weiß wirklich nicht, mein gnädiges Fräulein, ob 
ich Das riskieren darf! Die Rundtange find mir nod) 
verboten, weil nach meiner jchweren Kontufion am Kopf 
leicht noch Schwindel eintritt, und folde Zufälligfeiten 
vor den Mugen Der höchiten Herrichaften riskieren — —” 
Sie dürfen nicht tanzen? Sie waren trant?” rief 
Refi ganz entjebt — „un Himmelswillen, feinen 
Schritt — !^ | 
Und Eberhard machte eine jähe Gejte mit ber Hand 
unb nite: „Donnerwetter ja! Ihr Sturz in Hoppe- 
garten!  9tce zum X Teufel! ba en Ste mal das 
Gej tome qut fein!” — 
,GOefürst? Mit ben pierd qeititcat 2” wiederholte 
Nefi atemlos, und m ihrem Auge ſpiegelte ſich eine 
ſolch underhohlene Angſt, bab Kronftadt in feiner ruhigen, 


etwas fürmlichen Weiſe den Kopf neigte und pon 
No. G (d firitb, I. Mom u. Nov, Tie NegimentstantelL 4 


— 50 — 
"55 Das ijt bei einem Savalleriften feine allzu große Selten- 
heit und Hat nur den einen übeln Beigejchmad, welcher 
ein ehrgeiziges Herz mehr ſchmerzt, wie eine €dramme 


x ober ein zerichlagener Knochen, Daf man nämlid) den 
Armſten für einen flechten Reiter Hält! — — 


Die Muſit ſchmetterte eine Fanfare, und der Spredjer 


D jab bie junge Dame bittend an: „Befehlen gnübigcs 
| abit. Der Tanz beginnt.” 


e 





Hp 


7 > ei fchüttelte Küchetnd à den Sopi. Aem, Baron, 
PEA id) befehle nicht! Sm Gegenteil, ich möchte die 
Vorſchriften Ihres Arztes burd) die Bitte bere 





icjärfen, fid möglichft zu jjonem! Ich dante Shier ——— 
herzlich für Ihre Aumteranten Und“ — fügte fie mt — 
ſcherzendem Ton hinzu — „werde Sie in voller 3 —— 
erfennung Ihrer guten Abficht jojort für die Cdymeiter ——— 


ber , Mora” notieren, welche Daheim in dem Fohlenjtall 
heran wächlt, und Eberhards Fuchs am Schönheit und 
guten Eigenfchaften. Ir any um etliche Pferdelängen 
ngen mel? — 

 Sroujtabt jah fie überrascht an, dann lachte er teije 
auf. „Sie wijfen von meiner unglücklichen Liebe zu der 
goldblonden Nora?“ antwortete er in berjelbeu. heiteren 
Art, „danu bitte ich unt tiles Beileid, — ich fam mit 
meinem Antrag. leider zu ]pát^ — ein beinahe fofetter - 
Blick der hören, dunklen Augen traf fie — „wie eo 
eben fold armen Burſchen geht, welche immer mehr 


eus im | Spiel - — wie in ber Liebe haben! M — 
4 


: 20m re Bue rg mit einer m 


i Geimafje und. furgem Seitenblid. - 


Refi aber ward abermals. latet: nh jab — mit 


- d Blick an, ir welchem fid bie volle, naive Ehrlich⸗ a 
feit eine. arglojen Herzens ipiegelte, deſſen Staunen jid ——— 


in der Š Frage ausdrückt: „Du liebe Beit! : — Du ichöner, 

wunderjchöner Mam ottteit fein. Gd. ME der. Sie 

haben?!” — = x 
- Aber fie faßte fd i dell und ber Schalt blitzte 


wieder aus ihren Augen. 
: Erſte Lieb, bu da vorbei, 
Schneller: wie ein Sturn im Mai! 


resitierte fie. Ich hoffe, aud) Cie verjchmerzen die T 


ichöne Nora bald, um ihrer nod) jhöneren en 
willen? — nu 





 iyattijd), gnabdiges Fräulein, Hat fie fold) nahe Bers ee 


wandte, welche ihr Ebenbild üt!" — 

o „om“ brummte eS neben ibm, und Der ftürajfier 
nahm ein Seftglag von dem Cilbertablett eines jer: 
|  biereuben Safaien: „auf der gebente id) bie nächite Früh— 


jahrsparade zu reiten! 
„Aber Wieders!!” — 


„Shine bid), Eberhard! Über Iſolde“ Hatt bu x e 


a ganz und par nicht zu beitimmen! — 
| oo! - — das wäre!’ — 3 


Ich Hab’s ſchriftlich! ye 
eufel ja! Die Akte fahre mal an, tal oss 


„Momentan wäre das jchwierig, aber du entum - uie 


CIEN D. 


Dich eines Briefes — und auch Briefe haben bindende 
Rrajt — in welchem du mir ausdvitelic) bie Dber- 
hoheit und Geredjtiame über alle weiblichen Wejen von 
Biedershagen zuerkannteft! Uber das Ewig-Männliche 
befjteltejt du bir alle Beſtimmungen vor, aber die Weiber 
tönnte id) fommanbieren, jo viel es mir Spaß mache! 


Na ja, — was haben aber bie Frauenzimmer mit 


Det. Sohlenfoppel zu hun?” — — 

„Ei! fie bewohnen Acte jogar; — ale ijt 
eure Dame — =. 
| Monſtadt lachte ſo laut aut, wie eS in dieſen Jänner 
neftattet par. ,Bvillant, mein znädiges Fräulein! Bore 
trefflich! — Gegen diefe Tide fänpfen Götter jelbjt 
vergebens! — jx 2 s 

Manke und Schlichel — Gott foll emen vor ben 
Diplomaten im Weiberrock bewahren fchüttelte Eber- 
hard voll gutmütiger Entrüftung den Kopf. „Sie jefen, 
Kronjtadt, wie fie ihrem leiblichen Bruder das Fell über 
pie Ohren zieht — und mit ber wollen Sie ub in 
Pferdehandel einlaffen ?^ So 
jd) risfiere e$, und vertraue diefen — 

Händen jo jehr, daß. i "gne jogar den a im End š: 
abfaufe!” pee x 

| „Donnerwetter) — Hör mal, Al tes, bu ümidi ı von 
jeBt ab meine Pferdegejchäfte aud) übernehmen! Sel) 
habe zu Hauje noch einen jpatlahmen, alten Schinder 
auf Gnadenbrot geftellt, — den opp ifm mit deinen 
liebenswiirdigen Händen in den Sad hinein!’ — 


oftigemsines eta i. — be s Cia: — fid 
zur Seite, um einem Kammerferrn, welcher ifm im Borz 
überjchreiten. jovial die Schulter Eopfte, mit bieberem 
Drug bie Hand zu ſchütteln/ und Kronſtadt wies auf den 
verlaffenen Wak und jdjergte: Nehmen wir bod) nod) 
einen Augenblid auf Diejent weftöftlichen Diwan Blak, 
mein guädiges Fräulein, und geftatten Sie cà nachfichtig, 
ment. id mid poll begreiflichen Sutereffes noch ein wenig 
über meine zukünftige Iſolde informieren möchte! Sit es 
ungalant, mad) dem Alter der jungen Dame zu fragen 2” 
Melt Hatte Das unbejtunmte Gefühl, ala hätten fid) 
alle Himmelsthüren ſperrangehweit vor ihr aufgethan, ſie 


wit einer ut ſtrahlenden Lichtes zu blenden und ifr 


junges Herz in den Tiefen ber Seligfeit verjinfen zu 


laſſen Wachte ſie denn wirtlich , oder war alles mur = 
ein jchöner Traum, aus welchem fie im nächiten Mugen: | 


blid Dörtes Klopfen weden mußte? — i 
Er hatte mit ihr. tangen wollen! Gr jebte fich a üH 


ihre Seite, um in heiterfter und licbeuswürdigfter Reife S 3 
zu plaudern, fo lebhaft und interejfiert; als tabe ep bie 


ſchönſte, gefeiertite Dame vor fidh, — nicht aber eine Reji 
Wieders, vor deren Epiegelbild die gute Dörte beinahe ` 
die Hände. gerungen bor Jammer und Mitleid! n | 

Und batte ſchon vorher Die beicheidene und bautbare 
Freude über ihr ganzes Geficht gelacht, fo verflärte bie 
Gd jefigfeit nunmehr ihr Autlis, Geift unb Wik jprübte 
aus ihren: Augen und geſtaltete die eig. immer 
lebhaf ter und lujtiger! = 


e Bh a 


Kronjtadt gehörte zu ben Menfchen, welche febr der — 


Anregung bedürfen, um fid zu. amüfieren. Gein ftillee, — : 


reſerviertes Weſen gab ihm Leicht einen Beigeſchmack der 
Saugtoeiligfeit, und ba bie meiften jungen Mädchen mehr 
amiifiert jein wollen, als daß fie felber amiifieren, fo hatte 
ber Ulan bislang wenig animierte Ballunterhaltungen 
fennen gelernt. Phraſenhaftes Courmacher lag nicht in 
feinem Wejen, — er „ſchwang! ſich wohl hie und da zu 
einer Artigkeit auf, aber er war zu ehrenhaft und ſtreng 
denfend, um Hoffnungen zu ermeden, welche er nicht zu 
erfüllen gedachte, oder Lediglich mit Selen zu ipielen, 
welche thm feru lagen. x 

So war ihm die harmlos vergnügte Art Reſis neu 
und fejfelte ihn, — e8 fag jo nichts in ihrer ganzen Art, 


was irgendwie lyriſchen Beigeſchmack hatte, man fprach — 


über Dinge, welche weitab von bem Gebiet jebmeber 


ſchmachtenden ober pifanten Centimentalitát lagen, und — 


pod) amiifierte er fich, voie felten zuvor. 
Eberhard ward nach feiner flüchtigen Begrüßung mit 


dem Kammerherrn pon zwei befannten Damen angeredet | 


ud hörte andächtig, mit feinem fo unverbrüchlich ernften 
Geficht, ans deffen Augen es bejto Humorvoller wetter- 
[cud)tete, zu, was man ibm zu jagen hatte. Er Dienerte 


und Elappte mit den Sporen, und die Damen plauderten 


weiter und er dachte fid) fein Teil dazu, und als die ein- 

jeitige Unterhaltung zur rechten Beit durch eine Gegen- 
ftrömung ber zum Souper ftrebenden alten Sunggefellen, 
welche nie bie Zeit erwarten fónnen, bis fid) bie Flügel 


— 56 — 


thüren öffnen und jdn zehn Minuten zu früh in 1 bereti 
Umtreis Bofto fahten — unterbrochen wurde, jtrid) der 
Küraflier leife ftöhnend mit dem Battifttuch über die Stirn 
und ſchaute fid) nach feiner Echwefter um. | 

Gi bu Echodbombenelement! — da tt ja ber Kron: 
ftadt jo nahe neben ihr, als führe er in der Gijenbabn 
und wolle nur auf halben Blab ein Kinderbillet bezahlen, 
unb redet fo eifrig auf Refi cin — und fie mict und 
(adit, daß alle Schneeglödchen in ihren Kranz Sturm 
[äuten, — und dann jdjmabt fic wieder und er lacht — 
und fo geht das ohne Unterbrechung, wie bei Müller 
und Schulße, wenn fie Weltgejchichte machen! 

Site möglich! der Sronjtabt! und er hatte ihn 
immer für einen jo blafierten, en — gez 
halten! — — 

Und Reli! — Bn solchem Sur hat er We T ja od: 


nie gejehen, — reden thut fie ja immer gern und jat — 


den Mund auf dem rechten Fled, aber heut liegt etwas 
ganz Beſonderes in ihren Augen, ein Ausdrud . 

wie... ja mie bet einem, Der eine Portion Sant Di von 
Schemelbeinen erwartet hat, und bem plötzlich — für 
basjelbe Geld — ein Viertel Gänſebraten vorgefeßt 
worden it! Eberhard fpigt nachdenklich bie vollen, roten 
Lippen, über welchen cs erit fo ganz wenig und ganz 
iemmelblond iprot, unb pfeift ganz leife, faum, daß er 
.e$ jelber Hort, etwas jchr Unmufifalijdes, welches in 


. teinerlei Aufammenhang mit jeinen Gedanken tent. 


Gr hat fid) dieje Eroberung Refis am allerlebten träu— 





— e — 


men lajem, aber fie | frente dm gan subdi fogar, 
denn er gbunte feinen. Alt chen” alles Gute und ein bis⸗ 
‚chen Vergnügen auf einem Balle ganz beſonders 

Nur bie Thatſache, bal Kronſtadt eiten fo guten und 
Refi einen fo ſchlechten Geſchmack dabei entwidelt haben, 


macht ihn gewaltig erftaunen. Seine fuge, gute, luftige 
Schweiter, wenn bie Menjchen fie auch Haflich nennen, — 


nut jedem gefallen, ber aud) nur ein einigermaßen ver- 
 wünjtiger Kerl ift, aber chat Sronjtabt, dieſer eitle, ver- 

wöhnte Schlingel, der fid) fiir gewöhnlich mir anfchmachten 
x läßt und höchitens mal mit den fehönen Angen flimpert, 
wenn eine Prinze ijn gun Tange befich! t, oder Die grau 
Negimentstonmnandeufe ibm Giogen jagt, — wie fann 
jene Refi fo oberflächlich fein und did) fo lange Beit 
i derart Feuer und Fett!” mit ihm unterhalten! —— 
— — Suuberli)! fie hat e$ aber gezwungen! Der eins 
filbige Adonis taut auf und Spricht fo mibige Sachen . 
Sanon wo nur Die Menſchen alle die ju 
nebnien i! — 

Was gibt eð mur für zwei iwilbirente Leute zu 
ihwaten? Ihm würden nicht drei Säte einfallen! 
Neulich Dat er bet ciem Diner neben einem Kleinen — 
Mädchen gejeflen, das wollte aud) unterhalten. fein, unb 
das war eine verteufelte Sache, denn ihm fiel nichts ein. 
Gr tranf in feiner bedrängten Lage ein Glas Notwein 
nach dem andern und jab feine Nachbarin freundlich > 
dabei an, und als bie Paſtetchen famen, fiel ifm. 
plößlich feine Unaufmerfjamfeit ein: Cie trinken viel- 


pe UR I 


leicht aud) ein Glas finm; mein . Fräu— 
Aen e — | | 

Dante! id) möchte Sie nicht berauben" - — - Hei 
ie freundlich gurüd. — 

Da trant er allein weiter. E 

- Als ber tote Fisch fam, zermarterte er dein him um 
eine Anipielung: ‚enger Gie, guädiges Fraulein?” — 

„Nicht nach Stockfischen!” — fie lächelte abermals 
holdfelig wie ein Engel, und er fand ihre Antwort etwas. 
merhoitebig, | denn, fo viel er . werden die mit en 
gefangen! — | 

Was nun weiter? — Cr jdentte fid) ——— ein 
und jab. wie auf Kohlen; jonjt batte er jid) nad) Der 
zweiten langen Pauſe mit idjarmantem Diener empfohlen, 
aber während des Eſſens fonnte er dod) nicht den Platz 
wechjeln! 

Das Eis erjchien in Geftalt einer Keblichen Palme, 
unter welcher eine Gruppe Gazellen lagerte. „Nun, 
gnädiges Fräulein, wie denton Sie über Afrita?” 
jhmungelte er und freute 19 toloffal über jin guten. 
Einfall, 

Sie zudte die Achſe in. Afrika habe ich in he 
Schule nicht gehabt, — wie's orai war, ee n ue 
Majern.’ — x x 

„Donnerwetter, - — ‘fatal! p — | | 

| Die Flajde Rotwein vor ihm war leer imo bie Tafel 
ward aufgehoben. | — 

Geſeguete Mahl atit, mein gnäbiges Zeil ein! D ros 


2 m 


Wohl befonmm’s, Herr von Wieders!“ und dabei 
fchiittelten fie fid) fo í. die Hände und jahen fih 
- fo recht von Herzen ausdrucsvoll an, daß man wohl 
glauben fonnte, fie hätten einen Pakt fürs ganze Leben 


gejchloffen. — uo 
| Schade, daß ifm immer fo wenig zum Spreen | — 
cinjallt, — Ipäter in ber Macht, als er im Bett lag, | 


ba famen ibm noch ein paar gute Gedanten, was er 
wohl hätte jagen tönen, aber was hilft ber Mo jtrich 
quo Ind. 

Und Sronjtabt fibt ba und ift poti ber reine 
Kettenredner geworden! 


x Freil ich, mit Nefi! diet Mit. der kommt jeder qut a | 
= don, — mit ber jd)maót er, Gberfarb ber €dweig- 


=- lame fogar das Blaue von omel herunter! | Co, A 


autem lag, = edt ub. Gott. fei gant, nun üt . 


die Quadrille zu ihren. Büren verjammelt und Die 


Flügelthuren werden na öffnen. E son e3 dem i 


Poſten fein. 2 
Der Küraffier dob jb e energij d an cin ‘paar bien um 
Ereellenzen Dorüber we tippte Melt auf den Naden. 


,Xomm fir, 3 (lies! Das Düffett für bie tangende v 


Sugend ift in der — anfgeſchl agen, wem -— 
wir durch dew Eleinen Gaal bier, — rechts burd bie - 
Vorhalle gehen, fchlängeln wir uns durch den Eingang — 
für bie Lataien bireft hinter das Büet! sch habe e3 
das [ebte Mal ausprobiert!” E — 

Heil dorem OEpürpm !” ladite - Rronjtadt aufs 


— 01 


jpringend und bot yet ben Arm: „Darf ich bitten, 
mein gnädiges Fräulein? Spr Herr Bruder zeigt den ` 
Weg, und. wir folgen: unjerm ns le — 

© „Bap der Teufel, wie er bem Vorteil auémugt i^ 
ſchmunzelte Eberhard, „na, heute. will ich Sie noch mal 
mitnehmen, alter Freund!“ unb damit ſchob er feine 
vierfchrötige Geftalt wie einen Gisbrecher durch bie fine 
und Dermogernbe Menge, bent nachfolgenden Baar Bahn 
zu ſchaffen, und fein rotes, frisches Geficht leuchtete jo 


jwöhlih wie ein Vollmond an flarem Himmel, denn —— 
eritens that es feinem eitlen Herzen wohl, daß jene 


Schweiter einen regelrechten Tiichheren gefunden hae 
was bei wenig befannten jungen Damen immer etwas 
schwierig dit, und zweitens fühlte er 9 guum doppelt 
frei und behaglich 

Er engagierte fid) prinzipiell nicht bei Biiffette, denn 
er behauptete, Nach Mitternacht für alte Weiber und 
andrer Leute Töchter Efjen zu fehleppen” — dazu ſei er 
nicht durch ben Fahneneid verpflichtet. 

Er aß gern in Ruhe und Behaglichkeit und beklagte es 
lebhaft, bab Rehrücken, Schnepfenpaſtete und Auſternaſpie 
nicht auch mit Grater und Floſſen zur Welt gekommen 
waren, Denn Der Yoeijejte Ausjpruch, den je eim hungriger 
Menſch gethan, deuchte ihm ber: deno beim Fiſch— 
ee ipridt man qut —- 

Und fo freute er ſich aud) jetzt ſeines 
Einfalls, einen Flankenangriff auf das Büffett gemacht 
zu Javr, denn D Tar — a me glängenh. 


LU WO cs 


Während bie Schar hungriger Geelen, glänzend. und 
farbenprächtig, fic) durch bie jochen geöffneten Gaal- 
thüren ergoß, und fich bald vor ber langen, reichbeſetzten = 

Mitteltajel jtaute, wie ein Bienenjchwarm, welcher in 
jurrenden und burvenden Klumpen am Korbe hängt, 
jtand Leutnant Eberhard ‚bereits mit Schweiter und 
 S&amerab. ‚hinter bem „Zijchlein bed dich”, füllte fidh 
mit aller Geelenruhe und Behaglichkeit jeinen Teller, 
„Ihwuppevoll” — rettete ihn auf ein Fenſterbrett und 
kehrte zurück, um eine zweite Auswahl zu treffen und 
mit Kennermiene die lukulliſchen Perlen 
zu piden! u 
— Gr behauptete, e3 jet — für einen Teller nicht gut, 
wenn er alleine ſei, und barum ſorgte er ihm für einen - 
 lederen Genoſſen. 

‚Wieders! — Wieders! — füllen Cie mir mal - 
flint was auf!!“ rief eine Stimme aus ber Menge, 
aber Eberhard mar taub wte eine Nuk, mwuchtete, reich 
mit des Orients Sdagen beladen, im die Senjternijche 
zurück, {hang fid) auf das Fenſterbrett und war für 


niemand — für abjolut niemand mehr gu fprehen! — — 


Refi jtand währenddejjen an Kronſtadts Seite hinter 
bem Büffett und ſorgte in ihrer mutterlichen Weiſe mehr 
für ihn, wie er für fie. “aš machte ſich jo ganz felbjte - 
Der jtáublid, bal fie euergijd) bie Teller zur Hand nahm, 
bie Speijen mit fritijchem Blid überflog und auf dies 
und jenes Gericht aufert am madte; ftonnte er e8 


ſchlecht erreichen, füllte fie ihm ſchnell auf, und juft, als —— 


boom s 


fie Eberhards Beijpiel folgen und ſich am bem freien — 
Gddjen eines jeitwärts ſtehenden Serbviertiſches häuslich 
mederlaſſen wollte, tinte die Stimme au ihr Dr: 
„Wieders! Wieders! füllen Cie mir bod) was auf!” 
Sie ſchaute empor und ſah weit zurüd hinter den 
eifrig Hantierenden Damen und Herren ein paar junge ` 


Küraffiere, ifr wohlbefannte Kameraden Eberhards ſtehen 


Sie nickte ihnen fröhlich zu, und die Herren winkten 
mit der Hand und einer von ihnen ti: „Ei, mein 


gnädiges Fräulein, endlich ſieht man Gel — Bie 


fommt denn das, daß wir Sie jebt erft finden?!” ae 

„Das fommt Daher, bap Sie immer in ber faljchen 
Ede gejucht haben!” rief Refi lachend, und alle Um: 
ftehenden lachten mit. 

‚te kommen Sie denn hinter das Büffett, mein 
gnädiges Fräulein? Haben Cie voltigiert?” p 
„Das verfteht fi! — In Freiheit drejfiert!” — 

Wieder allgemeine FroHlichfeit. — 

Fraulein von Wieders, Sie waren ein Engel, wenn 
Sie mir armem Mann ein Stüdchen Brot gäben! Bis 
wir durchdringen, find wir entiveder s ohr eo ` 
üt nichts mehr da” — | 

Ich thue e3 aud) billiger! — Was wollen Gie, di 
ober jauer?" — 

„Möglichit von allem und rect piel! !^ 

„But“, und Refi befub flint und geichmadvoll einen 
Teller und reichte ihn ſeitwärts durch einen Lakdien Den 
glüclichen Pratendenten. x 


-uo 


| „Aber rántein pon Wichers wie ‚gönnen Cie “pb: 
tib jo verziehen? - — Das weiner wir N übel! — 
Weld) ein Recht hat unfer Jüngſter 

„Er it mein Neffe!” jagte Refi mii tele ernfter 
Min. -——— | 
Ss ae bin. auch 3br Neffel!⸗ rep etm anderer. Der 
$türaj Were. „Bitte, Tante, mir. auch einen Teller!” 

„Das verfteht fich, — fofort ^ und das junge Mädchen 
waltete abermals ihres Amtes als Hermann ber Nabe. — 

„Zante! Tante Wieder3! Vergeſſen Sic etwa, daß ich © 
auch Ihr Neffe bin?” jubelte ein dritter Küraſſier, umd 

ein Bicrter ſchwenkte aufgeregt beide Arme in die Luft — 
| Auch id) war ein Süngling m lockigem Sanr! TRO 
ich bin 3hr Neffe, (Snübigite — W — x 

Nanu! Wieviel N effen hat S an, von Wieders? 
Segt it wohl bald das ganze Negiment beijammen!!” 
lachte ein Artillerie-Major in tiefem Bak, und während 
bie Teller über die Köpfe weiter gereicht wurden und die 
Stimmen lachend durcheinander Hangen, tief Leutnant 
von Lobwitz übermütig | x 

„Na natürlich! Fräulein Refi ijt unfer aller Tante, 
— fie ijt Negimentstante!” — 

Und ein allgemeiner Jubel erhob fid) und das Wort 
ward wie von einem Sturmwind erfaßt. 

„Bravo, — bravo! Negimentstante! Das ijt famos, 
das joll jchriftlich gemacht werden! An die Gläfer, meine 
‚Herren! Die Negimentstante ſoll leben, hoch! fous — 

| a ein i hinges Durcheinander! 





5 


Meg t 
tegimentötante L. 


"€ 


ite Nov, © 


Non 


Su. 


.Gid ftrutb, 


Å; 


J 


Kronftadt reichte ber jungen Dame ein volles Sl  ž 


glas, und He hob es ohne alle Priiderie, nickte den Herren 

fröhlich au und tranf e$ aus. x 

„Einverftanden. Alſo Negimentstante! Aber Ba bem | 
Neffen, welcher nicht Ordre pariert!^ | — 

„Sie follen Ihre Freude erleben, gnädigſte ante!” ae 

„Sit Regimentstante identifd) mit Grbtante?" — — ^ 

‚Schämen Sie fid, Graf! Bei joldjem feterijd)en 
Ideen werden Cie jofort aus bem Unterthanenverbande 
der allergnadigiter Tante au$ge]topen?^ 

„sräulein von Wieders, fann ich mich gegen einen 
Mobhrenfopf und zwei Rafe Mang in ipm Verband ein: 
taufen?!” — : 

„Unii ; Paſchedar! Ba aid eios mit bem 
Stürajiterfelm auf die Welt gefommen. iit, Dat feinerlei 
| Anwartſchaft darauf!” — 

x © „Aber id) werde Adoptivneffe! Gch Habe zu Hauje 
zwei gemöhnliche Zanten, bie ann ich gegen Die up 
‚mentstante ein!” — 

„Entztehen Ste ifm Die Sunmermajonaif, a | 

Tante, aus ihm Spricht Beelzebub!” — 

„Blag! Blak! — Bitte weiter gehen, ı meine Herren! " 

„Bahn frei! der Landiturm kommt! — 

»arüulem von Wieders, wo ſitzen Cie sein? Bir 
miijjen eine Heime, verwandtichaftliche (de bilden!” — 


Kronſtadt, führen Cie unjere Tante zu Th? — 


Kommen Cie doch, bitte, iu bie Bildergalerie, — gleich 
rechts an ber Thür haben mir unjere Stühle!” 


* 67 u 


Rein! im Marinefant it mehr Plg” — 
Keine Spur! bleiben Sie ruhig hier, meine Derr: 
ichaften, e8 ift gar nicht burdjaufommen I^ 
„Iſt ja aud) gar feine gemütliche Ede bei Dem Teller- 
balancieren möglich! — Dal td) jag ju, ber fleine 
Graf jongliert bereits, - — sauve qui E | 
„Dann auf Wiederjehen beim Tanzen! 
— 2 pale geftatter, gnüdigſte Tante — !^ 
E bie. Kuraſſiere hoben chevaleresf bie Gläfer, - 
um fle zu leeren un Togli an Die Lakaien ae Ho 
geben. : | | 
Kronſtadt hatte — Teller bereite geleert. 
pum bitte id) aber dringend, mein gnädiges Fräus 
(ciu, Da Sie aud) einmal an fid) denten, und nicht Hier 
bie Wohlthätigfeit bis zur Selbſtverleugnun treiben! 
Sehen Sie mal, Ihr Herr Bruder, fonunt jchon zum 


dritten Keſſeltteiben ounid! ‚Bir wollen ung ſchnell d 


ſeines Fenſterbrettes bemächtigen, denn diefe find unge: 
heuer. gejucht! - — ‚Sie on 2 9 Siren Seller. 
trage! — 0 

Und als fie biet itanden,. qub ‘Hef wie — 
vor Freude und Entzücen mit ftraffenben Augen zu ihm 
aufjah, ba fob aud) er jein Glas, neigte es galant gegen 
bie junge Dame und jagte: ao. triufe. das Wohl der 
liebens würdigſten aller Sicginentétanten, — in Der Hoff- 
wung, bap. aus berjelben einſt eine ebenjo liebensroiitbige 
grau Kommandeuſe — Die Regiments mutter werde!” 

Reſi erglühte bis auf den puer Hals herab, und 


— 


Rn 


‚Eberhard, welder jut mit e britten Teller wid m 


blickte in das Geſicht der Schmeiter. 


Bor Shred hätte er beinahe feine ganze Ladung ee Bud 


fehitttet. — Grundgittiger! uw ein Ausdruck in — 
Augen! — 

„Wahr und o — ba verge, liche 
Athen Hat Hd per(iebt!^ - ut 

Sollte eë möglich fen? Sn Kronftabt, xn Familien = 
täufcher, für welchen ſchon jo mang junges Deren hoff 
nungslos geglüht hat? — - 
— Gr tft fo erid)roden, daß ifm beinahe but Sppefit: Derz x 
geht, — aber er fieht, bap Mefi thre Liebe nicht tragiſch, 
jondern ungeheuer bergniigt auffaßt, und daß a | 
au) jo animiert mie felten ijt! — 


Es pajjieren ja manchmal Dinge zwiſchen heute und. uu 
morgen, von welchen fi unfere Schul meisheit nichts - 


träumen läßt, und Amor befommt genau folche Gaunereiz ` 


Anfälle, wie jeder brave Erdenſchlingel aud, — went | o 
er einen Froſch und einen Maitäfer, welche die Natur —. 
durch ihr Außeres abjotut. nicht für einander beitimmt — 


hat, übermütig mit einem Fädchen zufanmenbindet - 
| - inb an bielem Bauberfädhen, | 
Das fid) nicht zerreißen lügt — 
hält der liebe, {fe Schlingel fie fo bet Willen feit! 
— Uber was hilft 3? — Gin Dritter darf fid) mit feinen 
plumpen Händen nicht hinein mengen, — man muß fie 
zappeln fajjen, bis fie jelber bie Feffeln jprenqen! — 
$a aber. bie Sache vorläufig nod) jehr friedlich aus- 


ſieht und Froſch und. Maifäfer Die holde Gefangenſchaft 
. mod) als einen ſchlechten Witz von Amorchen zu belachen 
ſcheinen, ergibt ſich auch Leutnant Eberhard in feine 
neuejte Gntbedung und ift Philoſoph genug, um jid) nicht 
jeinen jchönen Ananascreme von einem Gewitter pere 
hageln zu {aj Hen, welches vorläufig nod) gar qu am 
pu steht. — | 

Es ballt fid) erft am Horizont zuſammen, und — 


Hat es noch feine Gefahr, man weiß nicht, ob's herauf u 
fommt, oder ob all das Augenbligen und Wangenflammen | 
nur eit ganz unjchädliches Wetterleuchten bleibt! Wem 


man fd) mur ein bischen. hatte jegen fönnen, wäre die 
fleine Syeujterede Höchit behaglic) gemejeu. — 

Eberhard liebt e8 jo febr bei Tisch, einer anderen 
febhajten Unterhaltung zuguhören, welche ihn amüſiert, 
ohne perſönliche Anſprüche an ihn zu Stellen. 

Sa, er ijt ihon auf ganz. nichts würdige Ideen vers —— 
fallen, um Dicjer Raffion gu fröhnen, und hat Tante — 
Wuguite jüngi ſthin ſchwer dadurch alteriert. E 
— €ie jaBen gu dreien — bie Tante, Nefi und er — 
beim Eſſen, und felt Hanterioeife wollte bte Unterhaltung 
feine rechten Blüten treiben, ben bie beiden Damen 
waren auffällig wortfarg. 


Ich möchte wiljen, was eigentlich richtig tt^, hub der 


Geninant plópfid) an, „jo, wie es früher Mode war, ober * 
wie e$ unjere aufgetlarte Beit mar o 

„Was meinit bu fiir eine Mode?” Horte bie Tante 
auf, denn fie ſchwor Stein und Bein auf die alte Zeit 


- 76. c 


unb fand fie in allen Dingen. ſehr viel beſſer, mie DIE ea 


— jebige. „Aljo was meinft du?” jragte fie 208 jah T — 


wachenden Intereſſes. 

PARU meine Den Auſtandebrocentl⸗ ae Eberhard 
fort imd Schnitt fid) cite grohe Portion Braten, „friiher 
hielt man es für wohl erzogen, einen Jicitbroden qur Dem 
Teller juri zu lajjen, welcher furgmeg. ber Arjtand‘ 
genannt wurde, und heutzutage findet man das uidit 
dic und behauptet, befagter A müſſe aur Der 
CS chüjjel legen bleiben!” Q 

„Bas aud) eutid)icben. richtig. af nickte Net. 

‚Ba as entjchieden fatih it!” betonte Tante Auguite, 
E edi jel ijt neutrales Gebiet, während das Qurüd- 
laſſen eines Keinen Reſtes auf dem. eigenen Teller eine 
n gii fe Sclbfibeherrjdung unb Maßigung ausdrücken joll !^ 
o nd würde 08 als cine € Oppofition auffallen, bab es 
bem Betreffenden nicht geſchmeck mu ze i „as 
meint bu, Hardie — 2 uen © 

Do 8 

Weun man zuvor von dem Gericht ei einen ganzen Teller 
ober deren mehrere verjpeift Hat, ijt joíd) eine Annahme 
ausgeſchl offen!” warf bie Tante ſpitz ein, mb geriet en 
in Eifer. | 

‚dan fani schlief lich auch im lebten: Saman ue 
Fliege finden!” — — Lo ee 
|. „Bheeking!! Go etwas ijt in einem jauberen Haus- 
halt abjolut ey Findeſt bu nicht auch, Eber- 
š . — nn ae 


E 


,, Stt [ee | 

„Du liebe Beit! Wie mande Fliege Babe ih m. 
Bicers hacer aus ber Suppe gefiſcht!“ | 

Mnerhört! Soll das ein Vorwurf — - eine Beleidigung 
für mich fein?” bebte Tante Auguite in ann und x 
Kampfesmut | 

,SDurdjaus nidjt! Das üt auf boni Vande, wo viele 
liegen find, oft unvermeidlich! Sie fallen hinein, während 
der Diener den Dedel von ber Terrine Debt! — Sch meine 
nur, der Reſtbrocken auf ber Schüſſel fei richtiger! — 
Nicht wahr, Hardie’ = 

Hm — 

„Und id erfläre — auf den Zeller gehört er!” 

,ka, id) ejfe num mal alles auf, was id) mir nehme — 

„Und ich faji e einen Brocen zurüd — !^ 

„So werde jede auf feine eigene Façon felig!” 

„Ein junges, nafeweifes Ding, welches dem Alter und 
dem Althergebrachten pom M wenig Hoffnung auf 
Sefigfet —! ` x 

Und jo fpißte fid) ber Streit immer mehr und mehr 
zu, beide Damen, bie erit fo ſchweigſam verharrten, weil 
jede ſchon etwas „angeärgert“ war, wurden nun defto leb- _ 
hafter, und Eberhard fab dabei, aß und tranf und tranf 
und aß, nnd über ben Zeller Derüber flogen bie Blide 
jeiner hellblauen Auglein jo pfijfig und das rote, feifte o 
Antlitz glänzte fo ftillvergnügt, bab feine ganze, wohl- 
behagliche Perfoulichfert jehr grell und erjtaunlich gegen 
die beiden or Damen abitad). 


m m 


„Rimmft bu vielleicht noch den ieftbroden 2” fragte 
Tante Augufte ironisch und blähte bie Nüftern ihrer ſpitzen 
Naſe noch weiter auf, reichte Reſi die Platte, auf welcher 
noch ein letzter, kleiner Punſchkuchen lag, herüber, und 
blickte ſie mit herausforderndſtem Blick an. . 

„Danfe; id) laffe ihn als ‚Anftand‘ auf ber Schlüſſel 
liegen!“ —  ermiberte Fräulein von Wieders energiſch, 
mn) Tante Augufte gute ſpöttiſch die Achſeln und blickte 
auf ihren Teller, wo ein halber Apfel ſehr ae 
„aufgebaut“ lag. 

er. ‚Anjtand‘ liegt aui Dent Teller — wie bet mir! 
Alles andere ift tafilos i^ — 

,Gberbarb!^ rief Mefi mit firjchrotem Kopf. „Ich 
bitte dich, enticheide! Wer hat recht?!” 

„Eberhard, ich bitte dich ebenfalls, enticheide! l^ gebot 
auch bie Pflegemutter mit dem würdigſten Ton, welcher 
ihr zu Gebote ftand, und Leutnant von Wiederg richtete 
Hid) mit wohligem Stohnen volliter Sättigung auf, wildte 
Hd) bie fleischigen Lippen mit der Cerviette und blidte 
die beiden Damen abwechſelnd jebr ernit an. Und dann 
nahm er bie Schüfjel mit dem Punſchküchlein und ſchob 


Dasfelbe jehr gelajjen in den Mund, und griff gleicher- ie 


zeit nach dem Apfel auf Tantchens Teller und en 
ihn eifrig zu jchälen. — 

Wer recht bat von euch beiden?“ dte er ‘taneub, 
und jah aus, jo Hug und fo weile und majeftätifch wie 
König Salomo, wenn er Gerichtstag hielt: „Das will 
ich end) jagen: Meine! denn ber jogenannte ‚Anjtand‘ 





ift erſtens ein gang veralteter Zopf und zweitens eit 


SProvingialisimus, jpridjt alfo in der gebildeten, neutralen ; 


Welt gar nicht mehr mit!” Und damit jchob er N 
bie Apfeljcheibe zwijchen bie weißen, fräftigen Büpne: ` 


„So, meine Damen! Cie fehen: beide ‚Aftands‘ hat d 


der Deiwel geholt, unb wo nichts it, hat der 
das Hecht verloren!” — _ 
Reji lachte Thränen vor Amüſement über bier ver: 


bluffende Wendung, und es fiel ihr plób(id) wie Schuppen 


von den Augen, warum der Schalt den Wortfrieg herauf: 


beſchworen, — er gebrauchte eben feine Unterhaltung 


bei Tiich! — Tante Augufte aber war schwer inbigniert. 
anb hat bem böfen Neffen diefe Roheit“ drei Tage 
fang nicht vergejjen, bis Eberhard am vierten mit Loy yen- 
vilets zum — cape — ee — el 

Teberia mit {fr — jo verzieh fie und fuhr 
mit, — Sa! Cus mußte ber junge Offizier gerade 
recht innig vergnügt Denfen unb blidte ganz eritaunt 
von jeinent Grémeteller auf, als Melis und Sronitabts 
Unterhaltung plöglich neben ihm verſtummle und beide 
ihre Plage verließen. 

„a, Wieder3?“ lachte der Ulan und tlopfte Eber- 
hard auf die Schulter: „Die Souperftunde Hat ans- 
geichlagen, ober UN Ste gleidh zu den Reiten Hier 
' bleiben 2? ^^. — | 

„Alle Donkernetier! — lab bid) Halten, goldne — 
Stunde! — Lafai! jchnell noch ein Abjchiedsglas!” — 








IV. 





— in Empfang 
Da Kronſtadt „leider“ auf den Tiſchwalzer per: 
sichten mußte, gejtattete er lächelnd, daß bie vier jungen 
Stüraffiere fid) in dieſes Necht teilten, und. Reſi flog von 
ciuem Arm in den andern, alg jet fie Die ſchönſte und 
meiſt begehrte Tänzerin des Balles. y 
„ei Der Sudud, was jo vier junge Dächſe leiſten 


8 Refi den Tanzſaal abermals betrat, fanden 
p neu ernannten Neffen bereits farremb an 
der Thür und nahmen ihre „Regimentstaute” — 


können!“ jchmungelte Eberhard, 1 weicher neben bem lam — 


jtchen geblieben mar, — „fie tanzen einen unglaublichen 
Etriemen zufanmen, aber die Heft dt ihnen gewachjen, 
die hält burch, und wenn das gauge Regiment antrite! 
Sin Mordsfranenzimmer! En gleich nach dem Couper 
folch ein Dauergalopp! Alle guten Geilter follen mich 
davor bewahren!“ —— 

- Glühend, atemlos vor Freude und Entzüden fehrie — 
Nefi nach jeder neuen Grtratour auf ihren Pla aurüd, —— 
und wenn fie Sroujtabt erbíifte, wie er immer nod) — 


— Rs 


eben ihrem Diwanplahe fand, ala gehöre er dahin, 


| .. bann jtieg das Blut noch eiper in ihre Wangen, und 
„em Gefühl überfam fie, jo neu, fo wunderbar, — |o 


bimmelhoch jauchzend, als fei bie ganze, grofe Belt n 
eng für ihr Kleines ‚Herz. geworden! 

Und wie blibte dieſes Feuer aus ihren Migan, wie 
fprudelte e8 im originellen Worten und Einfällen jo 
x amiifant bon ihren Lippen! Ja, die Regimentstaute! 
Die Idee mar prachtvoll, unb je mehr fie fih in ihre 
neue Würde hinein — deſto Beer kleidete ſie 
dieſelbe! — Soe — x 

„Sie haben jo chivas Beriranenenmedendes, qnabines 
Fräulein!“ ſchwärmte der fleine Graf mit begeittertem 
Aufblid Ich glaube, db fönnte Ihnen meine fämt- 
lichen Schulden beichten — bejjer wie meinem Bater! 


und fo muß e8 aud) bei einer richtigen, regelrechten 


Tante fein!” — 


yaa, etwas fo famog Kameradſchaftliches hat 


Fräulein von Wieders!“ rief ein anderer jebr animiert 


dazwiſchen „das ijt mir feit Anfang an, wo ih den ——— 


Vorzug habe, im ponje Ihrer Frau Tante zu vers. 
| m Ü | à 


ehren, aufgefallen! — Ein guter Ramerad, einen x 


bejj’ren find’ man uge 


„Bit! Clauſin! Sprechen Sie nicht auf einem Sof: x ie — 


ball fo faut von einem guten Kameraden” 

„Ranu? Warum denn das niht?” — 

„Kennen Sie nicht bie jchöne Parodie?” — 
„Parodie auf den guien Sameraben? — Famog, 


— cr 


— — Bitte, — Sie mal los! Sh iene 
für Parodien” — 

„Wer hat fie denn verfaßt? Die 1 2 — 

„Nie follft du mich befragen” Wer tennt Autoren 
pon Parodien — fie fommen fo namenlos und p (8i Hj 
wie das Mädchen aus der Fremde / 
„Quit, Clavigo! Stellen Sie fid) mal artig in Rofitur, 
Kleiner, und jagen Cie das on a 

„Hört, Hört!“ 

„Der Yocije Brutus fpricht! m x 

„Ss wo! S it ja der eee Clann — 

| diee Sie bie Kreife dichter! — Mjo? — 


- Nd) bat’ einen Kameraden, 
.. Einen bejl'ven find’ft bu nit, 
Die Trommel fchlug zum Tanzen — 
Wir drängten durd bie Echranzen — 
„Hört! hort! 1^ 
ede. [infa — 
| Im gleiden Schritt und Tritt! 


Ein [iden fam geilar = 
Gilt es ihm — oder gilt es mir? - — 
Er fühlt jid) Hingeriffen — -— 
Er liegt gu ihren Füßen, 
Als wärs ein Ctüd bon ihr! — 
„Das geht auf unjere Regimentstante!“ 
„Still bod), nicht unterbrechen!” — 
„Ah Gott, mir wird jo rührjam!! E 
Wenn Cie nicht Stimmung halten, Graf, miüjjen 
Cie raus! — Geladt foul werden, nicht geweint!” 


ds weiter!” 


| Will im pie. Sand nod) reiden — 
Umfonit — '8 ift (don zu. frat! 

— Kaum, baf ber Tang bertobet, - 

ga. war er ſchon verlobet ue 
Mein armer Stameradl a 


we roe! — mun men Sie weinen, Graj!” a 

| Relics à, jubelndes Sel üchter. = 
- ,mqrüuíeut von Wieders, maden Cie es mur um — 
alles in ber Welt nicht dieſe m guten Kameraden nah! 


Für eine Negimentstante paßt Hd) das Berloben nicht, ae 


die Hat erujtere Verpflichtung gen 
„Ei, wie follte ich mit jo (ch böfen Beijpiel voran. 
gehen! lachte Refi. „Wenn ich all meine lieben Meifen 
unter Die Haube bringen Joll, ‚bleibt für mich feine Zeit 
dazu! — Außerdem trete ich mit der Stellung g einer 
Negimentstante in den allgemeinen Wehrſtand in — 
und verwehre eS von vornherein jedem meiner Herren 
Neffen, jemals yriſche Gedichte auf mich au maden, — 


Parodien find dagegen erwuünſcht und werden r nah —— 


Quantität und Qualität honoriert — — 
„Ein Königreich für einen Regal use ` feos 
„Sch reite ihn icon — - bitte ee An, 
„Präjentiert — 4f 


„Er Tano auf feines Dames Sante — 
Und faf gelehnt auf feine Tante — —’ — 


„Raus! raus! Plagiat ift x geftohlen we | m i 


— 70 — 


„Und beinahe ebenſo altehrwürdig, wie bie Parodie 
auf Dem guten Kameraden!’ — : 
‚Matürlich! bie hat fid) auch schon am er bes 
König Nebucadnezar abgejpielt! w — 
„Eine Quadrille, meine Herrſchaften !“ — 
Kronſtadt trat ſchnell vor 
XG erneuere meine Bitte von vorhin, gnadiges 
Fraulein, und laffe mich diesmal nicht wieder in den 
Wartejaal verweilen — —“ . 
Auch dann nicht, wenn er ‚exiter &tajie ift Oe e 
Auch dann nicht! Wir bilden Hier in aller Stille, — 
fern von Madrid, unjer Garré, umb. jo, den fritifchen 
Blicen der hoben Saftgeber entrüdt, fürchte ich ſelbſt 
die phantaftiichen Blüten nicht, mit melchen Ihr Dorf: 
schuf chrer die Quadrille à la cour ausgeſchmuckt hat!” — 
„ber Ihre Gejundheit? Sd) fürchte mich vor Ihrem 
geitrengen Doktor?” — 

Wenn mein Ceibmebifus- bt wie vortrefflich mir 
bielet Gehtanz befommen ift, verichreibt er mir als befte 
Medizin täglich zwei Lancters mit Ihnen!” — 

„Lu Vas voulu, George!” — 

Gr verneigte ſich, flappte die Sporen annm und 
bot ber jungen Dame ben Arm. . 

„D'accord ^ lächelte er, und dieſes Lächeln, unb 
der Blid ber ſonſt fo ernften, dunflen Augen, welder 
in biejem Moment fier [ujtig hinter den langen Wimpern 
zu ifr aufblibte, hatte etwas Beraufchendes für Neil, 
welcher bie ganze Welt — fie felber inbegriffen — 


zu 


— verändert buai dt: bu Schöne Mann an 
ihrer Seite ihren Lebensweg gefreuzt. - | 
- €ie folgte ihm in den Hleineren Nebenſaal, wo fie) 
ſchon mehrere Carrés bildeten. l o n 
Bu ihres UÜberraſchung lier Eberhard von pe : 
anderen Cite unb führte ihnen eine große, bellblonde, - 


‚etwas lang aufgejchoff ene Tänzerin au, mit welcher er 2 


an der Quadrille teilzunehmen gedachte. — 
Mein: Bruder tanzt? Sekt nad) dem Souper? Wo 


er alle Anftvengungen, ſowohl bie der Zunge wie ber 
Beine, hakt?!” lachte Refi leije auf, unb Kronftadt : 


nicte amüfiert: „Es ijt mir nicht leicht geworden, bem 
Safar zu diejer jel bitmörderifchen Aufopferung zu bez 
megen, aber es fehlte an Baar..." 
Sajar? — Nennen Sie Eberhard (jar? !^ 
„Sennen Sie biejen Spit namen noch nicht? So hieß 
er bod) ion im Korps! — 

,GSüjarP^" — Mefi ſchüttelte ſtaunend ben Kopf, 
„nein, biefe Bezeichnung ijt mir abjolut neu; ich weiß 
mir diefelbe auch gar nicht zu erklären! Was Bat Cäjar 
für eme Bedentung?” ur 

„Die Sache iit jebr tieffinnig! Schon im Korps 
mar eS allgemein befannt, daß Ihr Herr Bruder ſehr 
phlegmatijch beanlagt war und bejonderen Wert auf 
Effen und Trinken legte! Er fonnte {on Damals 
Abnormes in biejer Beziehung leiften, und man erzählte 
fid eine niedlidje, Heine. Geſchichte pon ihm. Er war 
mit einem anderen Kadetten in eine befreundete Familie 





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tante | 


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Die Nez 


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Woo. Cimitruth, ML Rom. u, Now 


x und kurz ehe man fid) zu Tiſch jebte, Magte 
Die Hausfrau, eine Witwe, daß ihre neue Köchin nicht 
traudjieren tünne, ob wohl einer der beiden „Herren 
Seleftaner‘ dieje wichtige Amt nachher bei Tiſch über: 
nehmen wolle? — Der Freund verwahrte fih energisch 
dagegen, Eberhard aber jagt voll Seelenruhe: Probieren — 
geht über jtudieren, gnädige Frau! Peffer, fchlecht ges 
ſchnittene Stücke, als gar feine — 

Über diefe am unb für fid) treffliche und praftifche | 
Anficht ward er f algemein belobt, und die Familie [ste ; 


fid gu Zijd. — 


Shon damals war während des Eſſens alles andere — 


für Ihren Herrn Bruder tot, und fo jah er auch diesmal 
nicht rechts, noch finfS, fondern widmete fid) gang und 
gar feinem Teller, ‚welchen die liebenswürdige Galt: 
geberin perjón(id) überhoch erft mit Fiſch und dann mit 
Paſtete gefüllt hatte, und ihn durch den Diener den 
beiden Güjten porjeben ließ. 
Der Braten erjchten, und auf einen W Wink ber Haus: 

frau jeßte ber Diener bie große, — Ente 
vor Herrn Eberhard nieder 

Dieſer hatte Jud) gerade ein wenig nach der Paſtete 
verpuſtet und ftarrte jelig verklärt in fein Rotweinglas, 
als plötzlich die Ente vor ihm niedergeſetzt wird 

Ein ſonniges Lächeln fliegt über ſein Antlitz, er 
nickt und dienert fein ftereotypes Verbindlichſten Dank!, 
greift zu Meſſer und Gabel und fabelt auf den delifaten 

Vogel los Der Diener fteht harrend hinter ihm, die — 


Hausfrau und der andere Celeftaner blicden wohl. —. 
gefällig zu. no 
Plötzlich aber — o Skagen zerlegt Eberhard dag — 
Bruitfleijch klein — ganz klein, greift nad) der € Sauce, 
füllt fid auf — unb führt bie Gabel zum Mund! — | 

Laſſen Sie mich das Etillleben am Tische übergeben. 
Auf einen Wink der humorvollen Dame des Haujes 
jtörte niemand Diejes zärtliche téte-à-téte, und Eberhard 
aß die Ente mit Stumpf und Stiel auf — —“ 

„Srundgütiger!! diefes Stillleben ijt ſchon mehr ein 
SrefBfo'gemülbel!/ fehlug Refi bie Hände zufammen, 
und beide lachten jchallend auf — ds Blamage, als 
ev’3 gewahr wurde — —!“ 

„Er bat nie Selbftinordgedanfen darüber ander, 
Sondern nur mit vorwurfsvollem Kopffchütteln die Hauss | 
frau angelächelt: ‚Sa, bu lieber Gott, gnädige Frau, 
wer fann fich benfen, daß folch ein gebratener Spatz 
für uns drei al Braten gilt!!! — 

„Und um diejer Gejchichte willen heißt er. Güj ar? qd) 
perjtebe noch immer nicht!” — 

„And liegt dod) jo nahe! Der aniar Kaiſer 
Vitellius aß auch zum Schluß eines Gaſtmahls für ſeine 
Perſon einen gebratenen Pfau, welcher mit Schnepfen 


und Wachteln gefüllt war, dieweil ſeine Umgebung 


ftaunend zuſah — und rief: ‚Heil unſerm Güjar!* — 
Nun, und in diejen flaffijchen Ruf brad) ein jeder im 
Korps aus, welcher dieſe Gejchichte hörte! Da nante. 


man ihren Bruder anfänglich Cäjar Vitellius, wel er 
6* 


aber den legten Namen — eine zu “befpettiediche Anz 
ſpielung auffaßte und ganz jurdjtbar emen jeden. pere 
faute, ber ihn jo titulierte, blieb e8 bei bem ‚Cäfar‘ 
allein, und dagegen hatte er nichts einzuwenden, denn 
ein jchlaues Huhn war er jeit je, und jagte Hd, daß 
jedermann wohl juerft an quitus Güjar denfen 
Werde!‘ — 

 Sionftabt. medias (b mit einem Lächeln und 
neigte fein wohlfrifiertes Haupt fer tief; Cäsar redivivus 
ſtand vor ihnen iub jtellte Refi jee germ vor; 
„Mig Elenor Swiſtly!“ 

„Aha! Die Nichte des ameritanifhen Botidafters 
flijterte Kronſtadt jeiner Nachbarin. zu, als fid) das Baar 
nad) ftummer SSerbeugung auf | jeinen Blot aurudgegogen, 
und der Tanz begonnen hatte. x 
& „Eine Amerifanerm? — Bie T er gerabe au 
dieſer Tänzerin ? wunderte fid Fraulein von Wieders. — 

Auch Kronftadt gudte ftaunend bie Achſeln 

Wohl ein Spiel des Bufalls; bie Herren driicfen fid) 
wenigjtens im allgemeinen gerade bor biejer Tänzerin 
gern, denn fie jpricht fein Wort deutſch!⸗ 

Nur allzubald follten beide merten, daß es abfotut 
fein Spiel des Bujalle, foudern raffinlerteſte muse) 
Des Herrn Leutnants gemejen. — 

Miz Elenor wandte fid) mit liebenswiirdigitem 
Lächeln an ihren Kavalier, we ther febr nad)bentlid) 
geradeaus jtarrte. 

„Of what are you thinking, baron?“ 


DRE Us 


Wichers flappte Die Eporen zuſammen und machte 


einen [charmanten Diener. 


„Bedaure, meine Gnddiaite, id) ſpreche nicht engliſch!⸗ 

„Vous parley‘ Français?! TN terte ne u 
etwas verlegen. — = 
„Noch viel weniger! — du tout, du tout!” ga: 
ficherte | Eberhard mit jeinen treuberzigften Augen und 
jah aus, als ob er fid) vor Herzeleid über ſolches Te 
geſchick das Leben nehmen wolle. 

„O — und id nir Deitich I^ iüttelte Miß Elenor 
lig ich das Köpfchen, was den Sürajler zu einer 
ſchmerzlich bedauernden Geſte veranlaßte. 

-i febte Die Muſik ein, Vip Swiſtly tauchte kerzen⸗ 
gerade, in ftcifer, tiefer Berbeugung hinab, und Eber- 


. Barba. hellblondes Haupt ſchoß eifrig, in wahrhaft Din: 


gebendem Kompliment vornitber, und dann lächelten fich 
beide freundlich an und. tanzten. fill und andächtig, ohne 
nochmaligen Verſuch einer —— 
ihre Tour ab. | 

Eberhard aber blinzofte ine Gditocfte: ohio. a, 
wb wa tun einer chaine anglaise ffüjterte er ifr jehr 
eufgluft zu: „Das. habe ich gut gefingert; das lange 
Amerika dit Die bequemite Tänzerin, ote Gott erjchaffen 


Bat! Sch jpreche nicht englifch, fie nicht deutich, wir 


amiifieren uns großartig in MEE 


Und wenn man in dad — frifchrote 
Geſicht des jungen Offiziers jab, welcher diesmal mit 
volliter, größter Berechtigung jchweigen fomute, und 


POR 86 ER 


Daneben Die flante Blondine erblidte, welche jeden 
 Amnigen Blid ihres Tänzer, hold errötend, mit liebe 
fidem Lächeln beantwortete, jo mußte man wirflich 
überzeugt fein, Daf es beiden giant bei 
Tange behagtel — ` 

„Mit ber tange id) jebt immer!” ih ja junge 
Cäſar enthufiaftiih, ala er nah Schluß ber Quadrille 
jane Dame zu den Shren aurüdgeleitet hatte, und nun 


au Refi wicderfehrte: „Schade, daß ich fie ei zu Ende = 


des Balles cntbedte!^ — 
Ra, na, Wieders! Geien Sie ‘porfichtig, wenn Cie 
. fid) biejen Winter über, auf gegenfeitiges, unverbrüdj | 
| . liches Schweigen, mit ibr eintanzen, mirb aus dieſem 
Lied ohne Worte am Ende nod) ein Brauthor!!” — 
—Ç ‚Eberhard lächelte wohlgefällig: „Das wollen wir 
noch nicht io ſchroff dahin Stellen! Häusliche Scenen 

wären wenigſtens au8geidjojjen, und die Gardinen- 
predigten würde ich nicht verjtehen! — Nun aber, Reit, 
mill. ic) mich an das fchwere Werf begeben und unjere 
Tante austlingeln laſſen! Haſt du noch eine Ahnung, 
in welchem Winkel wir fie verloren hatten?! — 

Ausklingeln ift altmodiſch! Nehmen Gie einen 
Trompeter! Bm zoologischen Garten werden bie verz 
[orenem Söhne aud) ausgeblajen!” — 

„Das ge Ichteht aud) auf bem Ererzierplag!! Haba, 
eilen Sie Hd, Güjar, Die Canbubr bieje8 Feſtes ftreut 
bereit3 bie legten Körnlein!” — 


Sa, bie legten Körnlein rannen t Haltlos dahin, und c 


ee ay IS Re 


bald ftanb Tante Auguſte und Refi, in die Mäntel 

gefüllt, in ber groben Borhalle unb harrten des 
Wagens. | 
Die Riira ſiere ihrer jungen Regimentstante | 
 ba8 Geleit gegeben, auch Rronftadt ftaub noch neben 
ihr, und des Ladens und Scherzens war fein Ende. 
Die neue Ernennung der „Regimentstante” war schnell 
befannt geworden. 

Andere Kameraden Cherhards brängten. fid) beglück⸗ 
wünſchend herzu und verlangten, daß ber fo wichtige, 


ſcharmante Zuwachs des Regiments im nächſten Militär- 


wochenblatt befannt gemacht werden müffe. Neji firablte 
por Entzüden und Amüſement, und mer ifr in bas über- 
glüclihe Geficht jab, hatte feine Freude paran. 

— Den Mantelfragen Hoch emporgeſchlagen ftand Eber- 
hard an ihrer Ceite und fah aus, wie ein Rater im 
Sonnenschein, 

Er hörte zu, ohne fid) felber an der Unterhaltung 
zu beteiligen, nur Die und ba jtreute er eines jeiner 
trocfenen Witzworte 

Ein junger dpa hatte (id) ber Negimentstante 
vorjtellen laffen und legte beſchwörend bie weißen, wohl- 
gepflegten Hände auf die Bruft. „Ste dürfen nicht jo 
erflufiv fein und nur dieje jchwere Kavallerie hier unter 
Shre Broteftion nehmen, mein gnädiges Fräulein! rief 
er mit einem tiefen Bld aus feinen großen, etwas | 


ſchmachtenden Blauaugen. „IH habe nie im Leben eine _ = 
Tante bejeffen — und wünjche fie mir bod) fo brennend!” 


— 88 — 


wa, Fräulein von. Wieders, dann Hilft es nichts, - x 
Cie müjjen den fchönen Adolph wohl oder übel in die 
Reihe ber Neffen einrangieren” — —— x 

„ee — das ijt abjolut unmöglich!” pa Cher- A 
- Barb plößl id) mit ſchalkhaften Auglein aus feinem hohen 
Belztragen heraus. 

„Unmöglih? — Wiefo dase” — 

„Der S(rmjie heißt Adolph?” — N: 

„Allerdings; — i das ein Hindernis?” | x 

| Mil: ob | 

„Bico | x 

Meine Schweſter i manchmal jo jehr zeritreut unD 
veripricht fid) leicht! — Nun denten Cie mal an, wenn 
fie plößlih vor ber Front — ober im Balljaal rufen 
wollte: ‚Lieber Neffe Adolph! und fie veripradje fid) 
anb rief: ‚Mein lieber Affe Nedolph !1*^ — 

 Schallendes Gelächter. 
PC | — au! — Salou!” — 

„Raus mit ihm H — 

‚Der Wagen für ‚Ham Leutnant von Mieders!! — 
Hane bie Stimme des ausrufenden Dieners von — 


b Portal herauf. 


Balencial” 

. ute Stadt, gnábigite Tante! — 
„Empfehlen uns zu Gnaden!” — 

ee ge kommt! la meine Herren!“ 


„Ra, bas iit Sor Gta, Gajar! — Yb wi 





„Wenn du nod eine Tante Haft — ° 

Und willft nad) Haufe fligen — 

Und ber Wagen wird verpaßt, 

Dann bleibjt du eben figen! 
ertónte eine Stimme von der Treppe herab. 

„Das war wieder Glaujin! — Bereits bte zweite Anz 
leihe bei den liegenden DBlätten!! — mant di in 
Strafe!” — x 

Refi wandte nod) einmal be Den Kopf si winkte 
lachend dde 

„Nenn du nod) einen Neffen haft 

Der Berfe thut ftiebigen — 

Wohl dir! — er fann als {pater Gaft — 
Hat aud den Wagen er verpakt — 


Sm .... Grünen Heinrich‘ ſitzen!!“ — 
„Bravo, gnädiges Fräulein! — Hurra, famos 
gegeben! — Hahaha! Sau ats ee im Grünen 
peur — 


„er ift der ‚Grüne Heinrich! 2” fragte e eine Same 
bom Land ihren Nachbar. 

„Der ‚Grüne Heinridy‘ heißt im Berliner S Sargon der 
ominöſe Wagen, in a Die Verbrecher transportiert 
werden! 

„Ausgezeichnet! 
„Auf Wiederjehen, gnädigite Tante!” — 

Dörte fuhr jchlaftrunfen von der Chaijelonque empor, 
als fie den Wagen, welcher ihre Herrichaften von dem 


... $ojbal heimbrachte, vor bem Hauje halten hörte. 


MONS AT Ne hs 
I M 4 ` 
CU gehen. 
( "i Ñ n As N 9* | à ‘ de A 
I Pss , ' (à 


codd — 
Fräulein Refi hatte or amar anbef oe, zu a zu 


„Es it nicht nötig, Dörte, ‘bak T a mich wartejt!” 
jagte fie, „ich bitte Tante Augufte, mir die Taille auf 
zubafen, und mit allem anderen werde id) dann felber 
fertig!” 

Aber was hätte bie desse anale eher giljan, alg 
mie fidh zur Ruhe begeben, ehe nicht ihre junge Herrin — 
wohlverforgt in den meipen Kien lad! = — 
Dazu mar fie bei Gräfin, Fidelia in zu {trenger 
Schule gewejen. Sa damals, wenn bie Damen Nacht für 
Macht erjt um zwei ober bui Uhr von den Feften Heim- 
fchrten, war fie oft tobmiübe gewefen, und hätte fu 
gerne niedergelegt, aber jebt, bet Fräulein Refi, welche 
jo wenig große Bälle mitmacht, Da üt ja ihr Dienft über: 
haupt feine Anftrengung! 

gür ihre jebige Dame thut fie alles gern, mas fie 
bei ber Gräfin nur aus Gehorfam geleitet. Sie fennt 
ja Fräulein von Wieders fert MindeSbeinen an! 

Shr Vater war damals Dorficdhullehrer in Wieders- 
Dagen, und Refi umd Dörte ſpielten mand) glüdliche 
Stunde in dem herrlichen Part zufammen, bis ber frante 
Lehrer ftarb und jeine Witwe mit ben Kindern in ihre 
Heimat zurüdzog. 

Wie vieles lag amijden dem Einit an Seht! Und 
doch hatte Refi die Jugendgeſpielin mit derſelben Güte 
und Serzlichkeit aufgenommen, wie in dem elter- 
lichen Schloßparf. : 


SOM 


Auf Dörtes Bunih ebron 3e aud) das vers 
trauliche „Du“ in ber Anrede, und Dörte verficherte, Da3 
erwede in ihr ein jo N heimatliches Gefühl ber Buz 
gehorigfett! — — 

Went Gräfin Fidelia zu Entel und Zang fuhr, hatte 
Dörte fid) wenig gejorgt, ob fie fid) amüfieren werde 
oder nicht, heute aber begleiteten ihre Gedanfen bie liebe 
Herrin unentwegt durch bie langen Stunden hindurch, und 
Dabei feufgte die Getreue jo tief unb ſchmerzlich, als ob 
it getjtiges Auge nur bie traurigjten und trojtojejten 
‚Bilder jübe. x x 

Shr erfter Ball! — 

Ad, und mie froh und glüdlich fuhr fie hin, und wie 
unvorteilhaft jah fie aus, wie wird ihre große, derbe 
Gejtalt trog der jchönen Toilette, wie wird ihr armes, 
häßliches Geficht fo übel abftechen gegen alf die anderen 
Elfengeſtalten, welchen Mutter Natur die Sottesgabe der 
Schönheit und Anmut in die Wiege gelegt! 

- Armes Fräul ein Refi! wie mag fie fich fo tödlich 
langweilen! Wieviel Bitterfeit: wird der Kelch der Freude 
pir fie bergen! — 


Dörte fieht fie jdjon in Gebanten heimfehren, tbe 25 Ç 
abgefpannt, mit jenem ins Herz jdjneidenden Ausdruck 


in den Zügen, wie ihn das Herzeleid eingräbt. 
Arme Reji! — : 
Und nun hält ber Wagen, ein paar laute, helle 
Abichiedsworte mit dem Bruder, und dann ftürmt eg die 
Treppe empor. x x 


Sie jdeint aufgeregt, vielleicht in hohem Grade em- 
pört und erzürnt über bie unireundliche Menge — — 

Sept — die Thür fliegt auf und a pa bebt 
in banger Erwartung! 

Aber was it Da8? — ` ie. 

Lachend, glühend, atemlga bor — tritt Fränlein 
Heli ein, lächelnd, hod befriedigt folgt bie Tante 
Auguite. 

= „Armes Dörtchen! armeg, gutes Dörtchen, bu bijt 
nod) wach?!” — jubelte bie junge Dame, ihre Augen 
itrahfen wie verflärt, und ber Schnerglodentrang hängt 
{chief auj ber Seite, wie ein fedes Cerevis, jo recht zer: 
tanzt und zerzanft das exit fo glatte Haar —! Das Kleid 


ſieht ebenfalls aus, als fönne e3 bon hen p jiten 


Galopps erzählen — — 

ud, gnädiges Fräulein — liebes Fräulein Refi — 
war eà jdjón? — ftotterte bie Jungfer ganz perpler vor 
Überrafchung, a Neji breitete die Arme weit aus, als 
wolle fie Millionen umjchlingen und einen Kuh der ganzen — 
Welt geben! — und fie wiederholt jauchzend: - | 

„Schön? Nur Hon? — Ah, Dörte — für fo uie 
Gluͤck und — iſt noch gar kein Wort erfunden! — 





4 in falter, dämmrig-graner Wintertag war e8. 

; Der Schnee fiel als ffeime, fürnige Çiz- 
-. füddjen auf bie hartgefrorenen Straßen und 
heron bie Tannen und Lebensbäume in dem Vorgarten, 
Daß fie ausjahen wie (eere, 129 Uber suderte Ronz 
bitormare.. 

Reji fak auf ihrem befaal iden Seulierpläschen, Hinter 
ben warmen Plüſchvorhängen, welche jedem Zuglüftchen 
webhrten, und fa mit felig vertrduniten Mugen in die - 
tile Billenftrage hinaus, als zögen dort all ihre herr- 
lichen Erlebniffe ber vergangenen Nacht als lichte, deut! liche 
Bilder noch einmal an ihr vorüber. 

Hinter Nefi in dem fleinen Salon fnifterte and fladerte 
das Feuer im Kamin, mit all jenen jo unbejchreibl ich 
gemütlichen und trauten Gerdujden, wie je ichon des 





Kindes Ohr geheimnisvoll entzüden , wenn — zs = 

oder Kinderfrau von den Prugelmännchen und Kuier — = 
fünfchen erzählen, ben (ujtiger, Heinen Gunomen im feuerz | e 
farbenen Wamslein, welche im Ofen ihr Wejen treiben = 
Bald werfen fie medijd) bie Hellen, jprüfenben Gunfer =~ 


ci xS LSU 


durch ba8 Kamingitter, ober fie fauchen und zifchen, um 
ängftliche Leute und Babys zu erjd)reden, oder fie jummen 
und fingen leije Liedchen, bei welchen Großpäterchen im 
Sorgenftuhl jo prächtig einjchläft, ja eë fommt auch vor, 
dah fie najemei$ auf ben diden Holzkloben herumflettern, 
fef ihre Rauchfähnlein jchwingen und mit glühheißen 
Händchen nach allem hafchen, was fid) zu nah an ben 
Ofen wagt. Dann fengt und brennt e8 plößlich, bie 
pfel, welche zum Braten in die Röhre gelegt find, zifchen 
unb brodeln und fehreien faut auf vor Angft, denn ihre -— 
ichönen, roten Wangen find fchon ganz ſchwarz gebrannt, 
und Prubelmännchen unb Kniſterkneischen figen mit ihren 
ipibem, roten Hütchen vor dem Ofenloch und jchneiden | 
Grimaffen und lachen die vergepliche, alte Muhme aus: 
„Ei, warum paßt du nicht beffer auf!” Die Flammen 
rauschen, der Wind fährt fanfend durch den Schornftein, 
und ber Sudud jchlüpft aus feinem geichnißten Uhr- 
häuschen, unter eifrigen Dienerchen ein fleines Se (bft 
geſpräch halten». 
RKuckuck! Ruud!” 

Wie nedijd) er's ruft und wie eilig er wieder Davon 
hufdt, gerade wie ein Kind, wenn es Verſtecken fpielt; 
aber das große, gang in ihre Gebanfen verjunfene 
Mädchen am Fenfter Bat gar femen Blid für den 
Schelm, fie ftü&t den Kopf in die Hand und ftarrt in das 
Schneetreiben hinaus und lächelt fo felig, als ob der Himmel 
nicht voll Schneewolken, jondern eitel Baßgeigen hinge. 

Ml das Mittagefien, zu welchem Eberhard ,,dienjt- 


— 6 — 


licher Verhinderung” wegen nicht erfchien, unter Den heiter- 
jten Sejprächen und Nückerinnerungen an den Hofball ein- 
genommen war, hob Tante Auguſte plöglich das alden: 


— tuch an die Lippen und begann ungeheuer herzlich zu gähnen. 


„Nun fommt bie Müdigkeit nach!” fagte fie; „Dies. 


= lange, ungewohnte Nachhwächtern ift bod) für alte Leute 

ein merhvürdiges Vergnügen, e3 hinterläßt Blei in den 
Gliedern. Gch lege mich jet eine ganze Weile aufs Ohr, 
Neschen, und du wirft dich in dein Bimmer zurückziehen 


umb desgleichen thun. Unjinn, feine Widerrede, ind! .— 
Du halt ja nichts zu verfäumen, und bei diejem grimmen | — 
Wetter. liegt ſich's jo gut auf Dent Bärenfell, gum Träumen 
und Sinnen !” . i 

Dies [ebtere gab den Kusfchlag. 

Sa, Träumen und Sinnen! — -— 

Was thate Refi heute lieber alg das! 3 

Cie half zupor Der Plegenutter, 25 [fid auf der 
Chaijelongue bequem zu machen, ſchlang ihr die weich⸗ 


floctige Dede um die Füße, ſchob ihr dag feidene Daunen: 


fijfen, den ſogenannten Wonnepummel, unter den Kopf, ! 
rüdte nod) das leine, runde Marmortijdjden, auf welchen 
unter blühender Azalee ein Romanbueh lag, näher hinzu 
und füßte liebevoll bie fa altige SUR mner Dem eleganten 
Cpibenauijat. 

 ,9um fehmelze das Blei de aus, ‘Tantehen!” 
ſcherzte fie, „und Dole alles Verjäumte der vergangenen 
Nacht nad; ich bin auch ein Muſter von Artigkeit und 
mich in mein Schlafzimmer zurüd!” | 





el. 


tstant 


N ımen 


Reg 


1e 


4 


‚Rom. u. Noy., 


Sil 


p.Gidftrutb, 


Jb. 


— = 


Thue e8, mein Liebling, und jag’, bitte, den Leuten — 
in der Küche, Dah ich nicht geftört fein will! | 
Die Tante jchlief, und bie neuernannte Regiments: — 


tante legte den Stopf qud) in die Kiffen und träumte. 


Aber fie that es mit offenen Mugen und lächelte dabei 
amb atmete jo tief und wohlig, al8 ob es die glüdjeligiten 
Bilder feien, welche diefe Träume fpiegelten. 

Und der Schnee fiel dichter draußen, unb die Schatten 
im Bimmer vertieften fidh — Da ſanken ganz unbemuft 
qud) bie Augenlider fdjwerer herab, und bie Natur 
forderte ihr Redt. x 

Reſi ſchlief ein. 

Nach kurzer Seit ſchrak fie empor. 

Hatte fie wirklich geſchlafen? Wie thöricht! Welde 
Zeitverſchwendung! — Der Traumgott iſt felten fo rüd- 
ſichtsvoll, ſein buntes Schirmchen juſt mit den Bildern 
zu bemalen, welche die Menſchen gern ſehen möchten, | 
und aud) por Reſis gejchloffenen Augen hatte er zwar 
recht jchöne, aber bod) unendlich gleichgültige Gemälde 
entrollt, welche nicht bie minbejte Ähnl ichfeit mit einem 
Ballfaal, geichweige mit zwei dunfeln, ‚herzlichen, emp. . 
ſchönen Männeraugen hatten. — x 


| Ürgerlich fprang das junge Mädchen. auf, alättete 11007 3 
das Haar und eilte auf leiſen Sohlen in = aes AN 


Boudoir auri. 

Ein Blid auf bie Sududsufr — bof ie feine 
lange iela gehalten, aber Die tiefen, regelmäßigen 
Atemzüge der Tante, welche im Nebenjalon rubte, bes 


— 99 — 


wiejen ihr, bap en une dort Sere Geſchafte 

machte. 

co See fete T Stet auj ha Seniterplab mieber "e 
{haute auf die wointerliche Straße hinaus. Über fie jab 


weder bie Drofchfen, welche fajt lautlos über die weiche - 


Schneedecke rollten, mod) bie eiligen Paſſanten, welche 
fchattenhaft an dem Gartengitter vorüberglitten, fie faf 
nur einen, einen einzigen, Mchat von Kronitadt, und um 
fein ihönes Bild ranftem fid) die Frühlingsblüten, und 
warme, goldige Somnenftrahlen verflärten es. 

Wenn die Welt aud) da draußen im fchweren hamme 
falten Winters ſchlaf (ag, in Dem Herzen des jungen Menſchen⸗ 
kindes war es Maienzeit, glückſelige, wonnige, ſonnige 
Maienzeit geworden, jener erſte Liebes leng voll Nachti- 
- gallenjubel und Feiergloden, voll Blumenduft und funfeln- 
der Sterne, wie er nur einmal im Leben die Geele bez 
zaubert, im bem ſüßen Traum einer erften, jungen Liebe! 

Und Reſi liebte! 

Cie fragte nicht, ob e3 Thorheit jet, ob fie wieder 
geliebt werde, ob a te wohl Hoff meg habe, glüklih zu —. 
werden! P 
. Cie mar e ia ‘ton! hre ganze Seele war voll | 
Licht, voll überftrömenden Dantes, voll vounfehlojer ou 
friebenfeit! ° x c. 

Sie legte fid) feine Nechenfchaft über ihr Empfinden 
ab, fie flügelte und erwog nicht, fie genog den Augen⸗ 
blick und flüſterte aud) ibm mit bebenden Lippen“ au 


„Berweile dod, bu bijt jo ihn QI 
Es 


— 100 — 


Im Nebenzimmer ward leife eine Thür geöffnet. Ein 


Säbel Hirrte, und Tante Auguſtens verichlafene Stimme = : 


iprach: „Mch, bu bijt 8, Eberhard! Wie kommſt bu. 
denn, ohne zu flingeln, herein?” | | 

„Habe bod) meinen Grüder, Tante! Störe ih?” 

„Hm .. na, nun bin id) wach! Qeg ab, mein Junge!” 

„Bilt du allein Tante?” flüfterte ber junge — 
haftig „mo ijt Refi?” 

„Die liegt nod) in ihrem Schlafzimmer ch ipta! 

„Sehr qut! Sch möchte bid) gern mal einen Augen⸗ 
blick allein iprechen!” — Und das junge Mädchen hörte, 
wie der Sprecher die Thür mod) einmal öffnete und 

Paletot unb Sibel auf einen Stuhl im Entree legte. 
Allein wollte er bie Tante: fprechen ? Was bedeutet 
das? Weihnachten iſt bod) vorüber, und jonitige Heim= 

f lichfciten —? 

Na warte! lachte Refi in Gebanten, horchen ijt amar 
nicht Schön, aber ruhig an jeinem Platz verharren, iſt 
auch feine Sünde! Was Tante Auguſte wiſſen darf, das 
darf id) erit recht erfahren! Ja, wenn es irgend etwas 
Kriminelles ift, jo muß id) e8 jogar wijfen! x 


Eberhard war wieder im den Salon getreten, uan ` 


- Baronin Quintach jap vor Intereſſe und xis Tnt 
gerade auf dem Diwan. 

„Sejeimnijfe, Eberhard ? rief fie ibm mit gebämpfter 
Stimme entgegen! „Um Gottes milen, doch nichts 
Sehlimmes ?^ 

‚rd WO, erjchrid v nur nicht, bie Cade üt ganz Barm: 


— 101 — 


lo — aber — id) habe mit bie Gejchichte heute den 


ganzen Morgen im Reithaus überlegt, und ich will nicht, | x 


bab unjere Refi womiglic) bei ber Cade HOMES 

Unſere Refi — reinfallt? — Sd) verſtehe nicht . 

Der Küraſſier ließ ne fraftvoll in einen Sei 
nieber. 

negt bu, Tante... ba war po aejtern der 
Ulan .. Kronftadt — hübjcher Kerl — Bait ihn bod) auch 
gejehen — na aljo! — der fat unjrer Nefi bie Cour 
gemacht, flerte fid) ben Halben Abend bet uns am, was 
jouit durchaus nicht jeine Art ijt, denn er gilt für reid: 
lich arrogant und blafiert — tangte auch mit Refi — 
na, war wirtlid) ganz famos. Mich freute e8; Denn 
gerade einen Menjchen wie Sronjtabt, um den fidh bie 
Damen reihen, an der Geite meiner Schweſter zu jehen, 
papte mir. — Und ber Refi paBte die Sache erft recht. 
— Heiliges Linksſchwenkt! Wie war mein Altes in einem 
Vergnügen, jo fidel habe ich fie noch nie gejehen! — 
Und weißt bu, fo manchmal fam e8 mir vor . ber 
Kuckuck ja! als ob fie Feuer fingel — Ein Wunder 
wäre e8 nicht, denn Kronſtadt ijt verflixt hübich . 
Halt ihn ja gej jehen! — Weißt du, Tante, auch bei bes 
Verlieben dachte id) mir nichts Schlimmes, gejterm abend. 
Warum nicht? In Alter, Namen, Stellung würde Achat 
ausgezeichnet für die Nefi paffen, und fie für ihn, a = 
dachte ich: ‚man tan“ —— 

„Nun, umb? - — und jest 2” — Torjdjte Tante auguſte sx 
ängftlich. © 


c ch = 


„Heute morgen im Roeihaus mbe natürlich ber 
gejtrige Abend bejprochen. och fiand dabei und hörte zu. 
Da fragte plößlich Bresfow, ber wegen Familientraner 
biejen Winter nichts mitmadt, ob e8 Denn wahr fei, daß 
Kronftadt fid) jo auffällig benommen habe? Die wenigit 
ſchöne, junge Dame, welche im Eaale vorhanden gewejen, 
habe er fid) ausgefucht und ihr für feine fteifleinenen Berz 


— s büttnijj e morbémábig die Cour gemacht. — Es foll eine 
- fejwerreiche Coufine gemejeu fein, Verwandte vom Bots 


fchafter — na, und Sivonjtabt ſäße big über bie Ohren in ` 
Schulden umb jude nad) einer Millionenfrau, auf Außer— 
(ichfeiten fame es nicht am babei! — Na, weißt du, id) 
dente, ich falle auf den 9tüden! Solch eine Gemeinheit, 
wenn das wahr wäre, wenn Sironjtabt wirklich in der 


lemme fäße und eine reihe Frau juhte — —“ —- 
„Aber Refi ift doch feine Millionärin, im Gegenteil] 
— (Cpüter allerdings, wenn fie mich beerbt — —" 


„sit bas etwa befannt hier? Man fennt Die Re- 
venüen, welche id) beziche, unb font. baburd) vielleicht 
auf faljde Schlüffe! Dag 4 Dietrich: hagen früher nicht 
Majorat war, weiß man, daß Großbater eg dazu machte, 


weiß man nicht, Denn Papa war ſein einziges Kind und 


bie Majoratsfrage fam offiziell nie in Erwägung — 
Leicht möglich aljo, bag man dentt, ein reicher Bruder 
muß auch eine reiche Schweiter haben! Daß aber mein 
gutes Altes mal wegen des Geldes geheiratet werden 
jollte, das gebe ix iet zu, Tante, rag ijt fie mir viel 
zu Lieb ^^ x 


— 103 — 


„Sie hat ja eim gang nettes Vermögen, aber reich ift 

fie nicht, alfo fann fie feiner aus Berechnung heimführen !“ 

Eberhard rüdte feinen Seffel näher zu bem Diwan, 
amb feine Stimme flang beinahe etwas angjtvoll. 

„Das ijt aud) ein Gottesglüd, aber . . . trobbent 
quält mid) bie Sache! Sieh mal, Refi hat nur das 
gejehen, mwas vor Augen mar, und hat dem Schein qez 
glaubt! Sch bin überzeugt, daß fie fid) in Kronftadt 
verliebt hat, und wenn Achat nun plößlich erjabrt, daf 
Refi arm ijt, wenn er fid) zurüdzieht und auf bem nächiten 
Ball einer anderen, reicheren den Hof macht, und mein armes 
Altes nimmt fid das gu Herzen und geht womöglich an 
ſolch einer unig lic ichen Liebe zu Grunde — —U 

Reſi hatte mit weit aufgeriſſenen Augen gelauſcht. Die 
Hinde gegen die Bruſt gepreßt, mit fehnellen, unregel⸗ 
mäßigen Atemzügen jtarrte fie in das T Dümmerlicht, und 
es war plót(id) alles falt und dunfel um fie er öde 
und einfam, voll Winterfroft und Winterweh! cem 

Wo war der lichte Tag voll Jauchzen und fti ingen, 
voll Blütenduft und Schalmeienklang geblieben? 

Während fie nod) in bie blendende Sonne des Glüdes 
{haute und im feliger Weltvergeffenheit alles um fid) her 
vergaß, waren heimlich und unbemerkt hinter ihr Die 
düſteren Wolfen emporgeftiegen, amb mum warfen fie jäh- 
linga ihre grauen Schatten über die Sonne und bie 
Träume, über den Glauber und die Hoffnung einer eriten 
Liebe, e3 ward Nacht. (Sin unbejchreiblich u Gefuhl 
prep Reſis Herz oe 


eet AA v 


Ein Bittern und Schluchzen rang in ihrer Bruft und 
vermochte dennoch nicht über das. thie willensitarfe 
Madden zu fiegen. 

Nur ein paar heiße, glühendheiße Tropfen {tieqen in - 
Die Augen empor unb rollten vin über Die sees. 
Wangen. | 

Das mar Herzblut, daran berblutete ie erite a = 
ſicherlich auch ihre einzige Liebe. : 
Hatte fie an Verloben und Heiraten gedacht? Bahr- x 
lich nicht. p 

— ere Bejdjeibenfeit, ihr flarer, — inn 
hatten die Sterne des Himmels nicht begehrt, fie freute 
fid) harmlos und ohne alle jelbjtjüchtigen Nebengedanfen 
der einzigen, lieben, glückſeligen Thatſache, Dap er, ber 
Herrlichſte von allen, welcher ihr Herz jo heiß und 
ſtürmiſch ſchlagen ließ, welcher eS Himmelhod) jauchzen 
machte, daß er be8 armen, häßlichen Wegefrauts achtete 
und eg nicht verjchmähte, für Pie Stunden pern Ritter 
zu jeim. x 

Seine Freundlichkeit allein patte seta. fie zu $e 
glücken, fein jchönes, ideales Bild hatte fie begeiftert, - 
und mit feinem Gebantem hatte fie ein „Mehr” von 
ihm erwartet oder gefordert, ach, fie war fid) ihres 
Gefühls wohl jelber taum tlar geworden, fie liebte ihn, | 
ohne eS zu willen! | 

Und num zerriſſen all bie rojigen Schleier, und fie 
blidte entjebt auf ein Berrbild, welches all ihrem 
ihwärmerifchen Entzüden Hohn jprach, bie Wirklichkeit. 


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= 108 — 


Ad, wie weh that ihr das Herz, alg ftürbe eS in 
dieſem YAugenblic eines taufendfachen Todes! — Wie 
müde, wie fterbensmüde ward fie plób(id), als müſſe fie 
das Haupt zum Schlaf niederlegen, fieben Schuh unter 
ber Erde, tief brunten, wo einzig und allein das Blümlein 
der Rube für gebrochene Herzen wächſt! 

Und doch finft ihre fraftvolle Geftalt nicht matt und 
morjd) zufammen, unter dem Keulenſchlag, welcher fie 
getroffen, bas Mark ift zu friich unb zu gejund, eg 
widerfteht und beugt fid) nur momentan, ohne zu ger- 
 jdellen. Miinutenlang weber bie Todesſchauer gemordeter 


pu Sugend durd Herz und Geele. 


Reſi preßt bie Hände gegen das Angeficht und fümpit 
ihn durch, ben erjten jchweren, bittern Kampf des Lebens, 
unb bann hebt fie bas Haupt, ‚atmet tief auf und lächelt; 
ein herzzerreißendes Lächeln, | 

‚Man jagt, er fude eine reiche Frau! Man | fag ^ 
. Was fagt bie Welt midi alles! Sunen, Berz 
Dächtigungen, Gemeimheiten. : 

Man fagt! — S e$ banum Wahrheit? — D nein, 
taujenbmal nen! — Gie hat im feine ernften, flaren 
Augen geldjaut, in denen wohnt fein Falſch und feine 
Verfiellung, fie hat in feinem Antlit gelejen, und da 
ftand gejchrieben von Edelſinn und NRitterlichfeit! — 


.  3Sem fol fie mehr glauben, ihnen oder ber Belt? — 0 

Da gibt'á wohl feine Bweifel! 
Nein! Bei Gott im Himmel, die Welt fann unb. oe 
bat ibe mit biejem „Man jagt” viel genommen, b o 


e 1 a 


reinfte, füßelte Glück, welches eim junges Menjchenherz 
‚empfinden fann, eines aber foll jie ihr nun und nimmere 


mehr nehmen, den Glauben an ihn, an jeine ſtolze Ux 


Redlichkeit! x 

Die Yreundlichfeit, welche er ihr —— ak ihr, 

ihr allein und nicht ihren vermuteten Reichtiimern! 
— Um fo herber empfindet fie die Qual diefer Stunde. 
Nun weiß fie e8 felbjt, daß fie ifm licht, mehr liebt, 
als Worte es fagen fönnen, und fie gehört zu jenen 
armen Menichenblümlein, ‚welche nie wieder maienfriſche 
Gnojpen treiben, wenn ein Reif in der Frühlingsnacht 
ihre erſte Blütenpracht qu Tode fror, Wie ſollte fie 
aber einen Mann, den fie liebt, unglücklich madeu? —— 

Eberhards Worte haben ihr bewiejen, wie ober- 
flächlich, mie fatih und r Die Welt urteilt und 
verurteilt. 

Eine häpliche Frau fann ihrer Meinung nach nie | 
aus Liebe, jonbern nur aus Berechnung gewählt werden, 
und welch ein Vorwurf fönnte wohl einen ebelbenfenben 
Mann verlegender treffen als ber, die heiligiten Gefühle 
unter die Füße getreten zu haben! 

Kronftadt wird nie daran denten, um fie zu werben, | 
ue er e8 aber, jo würde Refi mum unb nimmermehr -— 
die Seine werden fünnen, Denn, wenn fie aud) jest nod) 
Mis reich ijt, jo tann ber Tod ber Tante, an melden 
fie wahrlich zuvor nie gedacht, fie über Nacht zur Erbin — 
machen, unb eine häßliche Frau mit viel Gelb ijt ftets 
der Roftfleden auf bem blanten Schild des Gatten, welcher 


— 108 — 


mehr und mehr um fid irifit, je neidiſcher und mif- 


— bie Welt ihr Gift perjprigt! 


it fat fid noch nie ernjt(id) mit. Heiratsgedanfen 

in dud Stunde aber vegan fie bie — 
für immer. 

Einen Mann, den fie liebt, fana fie um feiner ielbit 

willen nicht freien, und einen, den He nicht (iebt, würde 

fie erjt recht nicht nehmen. | 


Sie fat doch fonft jo ruhig und heiter über bien ai 


Punkt gedacht, und mwenn fie fid) in bem Spiegel jab, 
oft voll Selbſtironie geſcherzt „Benn büplid) und bbſe 
ſtets dasſelbe wäre, hingft bu dod) wohl längjt am 
Galgen, Refi! I” — Und mit einem Mal bringen fie ein 
paar Worte des Staunens, bap einer der fchöniten 
Offiziere ber Garnijon der menigit jchönen Tänzerin den 
Hof gemacht habe, jo ganz außer Faſſung? 

Wie nürrijd) ijt fie bod! — „Ob ich dich liebe, 
was geht's bid) an?“ — Sie liebte ja fo jelbitlos, fo 
beicheiden, jo ohne jede Anforderung, wie Das Beilchen - 
im Moos, welches fdon a i wenn ein Sonnen: 
jtrabl es trifft. x 

Kopf bod), Refi! Der Kampf it quigetümpHt: und 
die jühen Träume zerrinnen, eğ heipt mit Haren, wachen 
Augen um fich ſchauen! 

„Rimm bi nip vir — Dann fleit 1 te nip fehl!” — —— 
Haft bu deinen Wahlſpruch vergeij en? D ja bis jebt —. 
immer jo gut damit gejabren! ts E 

Das junge Mädchen trockuet energiſch bie Augen | 


— 109 — 


unb firetcht über die Stirn Gie ift nicht unglücklich 


und will fid) auch feine Ceutimentalitáteu einbilden! 


Sie will dag Leben nehmen, wie e8 mm einmal ijt, 
und micht feine ichwargen, jondern feine lichten Seiten 


hervorſuchen Die finden fid) immer, wenn man mur 


amit Hellen Süden um fid) faut and jid nicht von- 
jedem Sturm zu Boden werfen läßt. 


„Sa aber, mein lieber Junge, was Toll id) bei der ` 
ganzen Gade thun?” Klingt Tante Quintadhs Stimme 
nebenan beinahe weinerlich. „Ad, die arme Refi thut 


mit jo ſchrecklich leid, folh eine Derbe Erfahrung fränft 


junge Herzen jo bitter! Das arme, arme Kind! — 


Wie fann man e8 wohl verhüten, daß fie nicht un: 
glücklich wird 2 x 


„das ijt eben Deine Sache,  Santdjen 1“ jeupgte der 


Junge Dffizter. „Ihr rauen verjteht das viel beffer 


alg unjereins! Du mußt eben dafür jorgen, daß fie fid) 


nichts in den Kopf febt, unb wenn bu merfit, daß fie 


fd Slufionen macht, mußt bu fie gefchictt ablenken, 
was man jo jagt, fie ein bißchen beeinflujjen.” 
„Aber um alles in ber Welt, Eberhard, id) bin bod) 


; ui fein Diplomat!” wehrte fid) die alte Dame jo entjebt, daß 


pu Refi unwillkürlich Lächeln mußte, 


n x Ra, wenn DU eS nicht famtit, bann Hilft eë eben 


as | nichts, Dann muß ich dafür jorgen, daß Kronjtadt nicht 
wieder mit ihr gufammentrifft! 3n unjerem Regiment 


läßt fid) das wohl fon fingern, wenn aber ber Menſch 
bie unglüdjelige Idee Hat, hier bei euch anzutreten, und 


— 110 — 


. dann eingeladen werden muk, Ban ja, Tante, dann 
fiber wir in der Patihe drin, und wer dann unjer |-— 


armes NS vor einer agli ‚Liebe aes 
fol — —“ = 

„Das will ich bir fagen, Barhi! ie thang poli. eine 
Stimme aus der Nebenthür, „das wird fider und 
bejtimmt das arme Alte jelber thun! Biel einfacher und 
viel beffer, als mie ihr lieben ogie roben angue omer 
ihent!” — 

Der Küraifier fehneltte — noch nie ‘atte man bet 
jeinem Phlegma eine folh jchnelle Bewegung gejehen — 


nad) ber Sprecherin herum, und fein rundes, vole —— 


wangiges Antlit farbte fid) vor — wie ein (Sbamer —— 
Käſe x 

„le Wetter! — Sie hat’3 gehört! Z : 

„Gott jet Dank! ein Zeichen, daß ich noch nicht taub 
bin!” lachte Refi, und wenn diejes Laden aud) nod 
etwas nervös und gemaltjam flang, fo wirfte der Ans 
blid des verdubten Verfchwörerpaares doch jo erheiternd 
auf ihren humorvollen Ginn, daß jchnell aud) bie 
lebten Spuren des furzen, herben € — pert) cht 
wurden. 

Alſo ihr zerbrecht euch die Köpfe, wie ihr mich vor 
einem gebrochenen Herzen bewahren fount?” fuhr Refi 
ſchnell fort. „Ohr guten Menjchen! wie Dante id) e8 euch, 
wenn e8 auch recht unnötige Sorgen waren, die ihr euch 
gemacht! Soviel Köpfe, joviel Sinne; und joviel Herzen, 
foviel verjchiedenartiges Lieben auf ber Welt! Ich werde 


— 


an ber meinen nicht zu Grunde gehen, denn fie gewährt 
mir ja alles, was ich von ihr verlange.” — 

„Bog taufend! Hat er etwa . . .” 

,Cid) wohl gar erklärt?” Reſi jchüttelte den Stopr, 
und durch ihr Lächeln jchlich ſich unwillkürlich doch wieder 
ein leiſer Hauch der Wehmut. „Nein, Hardi, in dieſem 
Falle blieb er ſeiner Sinne doch noch Meiſter, obwohl 
meine Schönheit ihn von Rechts wer egm vi bie ne hätte 
zwingen miijjen i^ 

„Aber nuu mal a beifeite, As) Du T Deine 
Liebe gemähre alles —" 

„hut fle auch!“ 

„Du liebe Zeit, aber was denn ?^ : 

Da trat das junge Mädchen neben ihn, legte ihre 
Hände auf feine Schulter und blickte am gar wunderfam 
in die Augen. 

„Ein Sdeal!” fagte fie leije und wih. „Und bag 
ift das befte und dauerndfte Glüd, welches | einem háp- 
Lichen Mädchen zuteil werden fann.” - : 

Siu ..., mie perjtebit bu das?” flang e3 Heder | 
bon Sheiharhe Zippen, er atmete jchwer auf, und in 
feinem treuen, ehrlichen Geficht kämpfte die mit 
dem Kummer. 

Nefi blickte wie träumend ing Leere, sk ichlanten, 
weißen Hände erbebten unmerklich — 

. ,&m Sdeal, welches ich mir ibaie, gehört mir!” 
fagte fie fo mild und heimlich, als flüjtere fie mit einem 
Kind. „Sc fann e8 ausjtatten mit all den Vorzügen, 


EES oes 


welche id) an bem Manne liebe und bavundere, ich fam = = = 
am ibn auslöfchen, was mich ermüchtern und verdrießen = aS 


würde! Mein Sdeal lebt mit mir in meiner Welt, fein 
Auge fieht es, fein Ohr hört von ihm, feine giftige Zunge 
fann es jtechen, feine Ilubulbjamteit ber Menjchen vermag 
e zu ſchwärzen und zu beſudeln, keine Lebensverhältniſſe 
entreißen es mir! — Blütenbefrängt und jonnenperfíürt 
jteht eë auf dem Altar meines Herzens, ein liches, heiliges 
Bild, welchem meine Phantafie Leben einhancht, welches 
mich anfieht mit den Blicken, wie id) fie mir wünſche, 
welches nur Worte zu mir jprid)t, bie meine Liebe et 
jebut! Mein deal ijt mein (Süd, mein wolkenlo oſes, 
flecken loſes Gd! Und wenn ich einen Mann liebe, fo 
jei es auch fold ein Gnadenbild, Dem weber Welt wos 
Beit etwas anhaben können!” 
Eberhards Haupt war tief zur Bruit gejunten. itn 


DS “bu glaubjt wirtlich, Neit, folh ein wejenlojer Traum 
Ha fünne auch auf bie Dauer beglücken?“ E 


Gin ſchwaͤrmeriſcher Gang [cud)tete ang ihren Qon. 
„Bem nicht er, was jonjt auf der Welt? Wie oft hört 
man nicht, ber fühe Traum des Glüde8 fet nad) den 
Flitterwochen ausgeträumt! ine Braut liebt in ihrem 
Bräutigam aud) nur ein Ideal, jo wie ich ba8 meine 
liebe. Als Frau liebt fie den Menſchen mit all feinen 
Schwächen und Fehlern, der Mann, welcher aus feiner 
idealen Höhe plößlich Dernieberiteigt imb von welchem 
die Alltäglichfeit fo mandhe Blüte abitreift, mit welcher 
ihre Liebe ihn ehedem früngte. — Wieviel bittere Ent: 


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Mio. & id ftvutb, IA. Mom vu Nov, 


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te Negimeitstante E: 





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tänichungen, nie sevtritmmerte Slufionen baigi oft ds 
S bie Ehe mit fidt Da find nur wenige, welche auf ihrem sos 
brautlich idealen Standpunkt verharren, welche m ibren 


Herzen das ſüße Glück ber Flitterwochen durch ein ganzes 
Leben tragen, und thuen. fie e3 auch, fo brauft bod) von 
außen fer jo mand) Hohe Woge an ihr Lebensichifflein, — 
und der Sturm und Kampf ums Dajein blaͤſt ſo manche 
Staubwolke gegen fie, daß aud) bae ſtrahlendſte Bild 


— getrübt wird. — Sieh bid) um in der Welt, mie wenig [EE 
wahrhaft glückliche Ehen; wie wenige, die mit all ihren 


| hoben, großen Erwartungen die Verwirkl lichung ims = | 


Ideals gefunden haben, „dein manch ein Herz flingt N 


thönern, das wir von Gold geglaubt!“ — Und ſiehſt 
du, Hardi, darum will ich zu jenen Weltweijen gehören, 
die fid) auf fein Hazardipiel einlaffen, joubern fid) ein 
bejcheidenes Glück aus eigner Kraft fihern! Sch werde 
niemals heiraten, jondern eine ewige Braut bleiben, 
meinem deal angelobt und ihn getreu in Crwigfeit!” — 

„Aber Refi, jedes weibliche Weſen ſehnt fid) bod) 
nad) einem Wirfungsfreis, einer Thatigfcit! — Dein 
Kultus des. Idealen wird Dich Der Welt entjremden und 
Dich unbefriedigt lajjen!^ 

Das junge Mädchen hob mit — Lacheln ben 
Kopf. Sede Spur von Schwärmerei war aus ihrem 
heitern Antlitz verſchwunden 

Glaube das ja nicht! Meine Liebe wird ale ftilles, 
mein ganzes Sein und Weſen erleuchtendes Flammchen 
auf dem Altar meines Herzens brennen, ohne mich zu 


= 345 ee 


einftcbferiid)em Gößendienft und Nichtsthun; sit verdammen. 
Ginen Wir fungSfreis findet jedes Mädchen, me [ches ernft- 
lich danach jucht, und anc) id) werde mich mütíid) zu 
machen fuchen! Dap mich jemand liebe, das kann id) 


leider Gottes. nicht erzwingen, daß mich aber die Menſchen _ 


gern haben und mir freamdfich geſinnt find, das fann 
Ach burd) guten Willen erreichen, und das Ht mir jest 
ſchon vortrefflich. geglückt! Sit es nicht eine Freude für 
mid), daß deine Kameraden mid) zu ihrer Regimentstante 
gemacht haben?” —— 

3 „Das. war ein Wig, ein Scherz!” 

„Und warum follte aus bent Scherz nicht der ein— 
mal Ernſt werden‘ ve Refi. (achte Fröhlich auf: Ich glaube 
Eberhard D, id) habe cin ganz beſonderes Talent dazu, 
junge Lente gu bemuttern, und wenn die Stellung einer 
Hegimentstante richtig, amd vernünftig aufgefaßt wird, 
jo follte ich a daB f man viel Gutes in ihr wirken 
könnte!“ | 

Leutnant vow 1 Wichers hatte jid en. & ſtand 


neben ber Schwefter und legte den linfen Arm um fie, — 2 
während er mit ber sa Dano gare ihre ae 


Hopite.- > 


QS. biit ein Batentfeanengimmer, Refi -mD ii 


den Nagel immer auf ben Kopf!” ‘Adjnuunselte er, „und 
was bu da vorhin von bem Ideal Doziert haft, das 
leuchtet mir ganz vorzüglich ein! — Gp eine jtille Liebe 
im. Herzen, auf Dauerbrand eingerichtet, muß eine wirt- 


lich praftijche Sache Fu nod) viel PEINE und o | 
gr š 


Eq — 


licher al eine amerifanijche Frau, mit ber man ſich mor 
anfen fann; Denn Geſichter fdjneiden und Thüren flagen ——— | 
unb Rechnungen präfentieren, fann mam ſchließlich aud, — — 


ohne bentjd) zu fprechen, mährend jolh ein bereibigteo 
Ideal auf Lebenszeit nie aus ſeinem Glorienſchein heraus: 
fonımt. — amos, wird gemacht, — bu bíeibt ewige 
Braut — id ein ewiger Bräutigam, und bis dahin haben 
wir beide unfern Wirkungstreis, ich brille Jiefruten, und 
bu füfrft mir den Haushalt! Topp; » Sache ijt ab: 
gemacht!” — x 

Jefi lachte über das ganze Geficht, abet fie Hob ben 
Finger und drohte Dem Sprecher fchalthait zu. „Cäfarchen 
‚bu wollteft ohne Kaiferin bleiben? Du wollteft als 
ullis Hageltolz bie Altjungfernlaunen deiner Schweſter 
ertragen und das Schulgeld für den Majoratserben 
jparen? Den? am ben Vogt von Tenneberg, beu Minne 
nie befangen! — und nimm bi um Gotteswillen nix vör, 
dann fleit bi wir fegt ee 

„Nefi, auf Wort! — Hier . Dant drauf! Morgen 
fange ich an und Tod nad) einem 1 Gegenftand für ewige 
Bräntigamsliebe!” - 


‘Das junge Mädchen idi ug mit einem t undefinierbaren — 


Ausdruck in ihrem heiteren Geficht ein: „Gut, e8 gilt! — 
— Mun habe ich deinen etdlichen gouby, und wehe 
dem, ponn fahnenflüchtig wird! 











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Wya eutnant von Kronftadt Hatte feinen Beſuch im 
X x Haufe der Frau von Quintach abgejtattet, Hatte 
^" per erjten formellen Einladung mit Vergnügen 
Folge geleif tet unb mar Dan öfters freundſchaftlich zum 
Thee erfchienen, fid) furz vorher anſagend und in fo 
harmlos behaglicher Weije verfehrend, wie eë anerfannter- 
weije mur im Salon von Fräulein Refi möglich war. 
Woran eg lag, dak fich gerade bie jüngeren Offiziere 
jo außerordentlich wohl in der Gefellichaft ber jungen 
Dame fühlten, wußte niemand jo vecht zu erklären. 

Œs mar eben alles in allem die große, aufrichtige 
und von Herzen kommende Liebenswürdigkeit Reſis, ihr 
feines Verſtändnis für all die kleinen Paſſionen und 
Liebhabereien ber jungen Herren, welche fie im täglichen 
Verkehr mit dem Bruder Diejem abgelaufcht Hatte, ihr 
ſelbſtloſes Eingehen auf Münfche und Pläne, zu deren 
Verwirllichung bie Herren der Hilfe von Damenhand 
bedurften. Wie ungentert und frijch von ber Leber weg 
fonnte man an dem Dheettich ber beiden Damen über 
dienstliche und gejellichaftliche Angelegenheiten reden! 





Nefi hatte fid) cbenjo taftvoll als verjchiviegen er- 
wieſen, bie Regimentstante vereinigte alle Eigenſchaften 
eines guten Kameraden in fic, and trog ihrer Jugend 


hatte fie ein gereiftes und geſundes Urteil, — maus v 


junger Sauſewind bald ſchaͤen lcu | 
Wie mand) guten Nat erteilte fie: in "rcroidelten: und 

ernften Angelegenheiten, welch ein ficheres, obwohl nur 

iitinftiues. ‚Gefühl tich fie je (oft mi (itàrijd)e Dinge beur- 

teilen, für ‚weiche Damen für gewöhnlich mur ein jefr 

| geringes oder gar fein Verjtändnis bejiben. 

| Und niemals hatte einer ihrer „Negimentsneffen“ bei 


biejem 2 Bericht den fatalem. DBeigejchmad, gej jehulmeiftert — 


Ober. bevormundet. zu werden! Aud darin entmidelte — 


Refi cine wahre Kunſt, dem meiſt jo auffallend aus: 


x gebritetten Se jamuq ager: Herren Rechnung zu 


tragen. 
-. 8a mar e$ — ich zu verwundern, wenn bie 


oed Romaanin Gberfarbs. fid) außerordentlich in ben Salon 


ihrer Negimentstante hingezogen fühlten, in welchen. ber 
allgemein beliebte Gäfar | jo jeelendergnitgt und gaftfrei 
den Hausherren fpicite ini feine Schweiter mit oleh Ale 
ct pulfe licher” Tanteumiene Die Honneurs machte, x 

Baronin Onintach flatterte als mbejriebenet Blatt 
bud bie. behagliche Runde, fie mar zu wenig anregend, 
um zu amitfieren, unb. bod) zu comm il faut und gütig, 
um gu genieren, fie füllte ihren Plab ( aus und fiand 
niemand int Wege. : 


Sa lebte. fiH Refi mehr unb ‘ache in Die Würde -— 


c ee 


einer wirklichen Negimentstante hinein, und ba fie nie 
jchr jugenblid) ausjah und auch durchaus nicht bean- 
ipritchte, dafür gehal ten zu werden, jo fam e3 niemand 
in den Sim, ihr bie Cour zu machen, oder gar Heirats- 
gedanken in den Salon der Negimentstante gu tragen, 
und gerade durch dics völlige Hintenanfeser ihrer Perſön⸗ 
lichfeit, für welche fie in beicheidenfter und anfpruchg- 
lojefter Weije nie die geringite Aufmerkſamkeit Heraus- 
forderte, erhöhte N weh bet ihren Giüjten das angenehme 
Gefühl ‚völliger Harmloſigkeit Und am harmloſeſten 
pon allen genoß Kronftadt - die behagliche Anregung dieſes 
Verkehrs. 

Er zeigte und bewies in allen Dingen, bab er Reji 


außerordentlich gut leiden mochte, Daf er fie ichäßte und — 


berehrte wie elite Schweiter, rede man ; Füdfattélos 
vertrauen famm. — 

Da gewann Das junge M ädehen en Shite in 
fein Herz, welcher den Glanz ihres Ideals nicht trithte, — 
jondern ibm iut Gegenteil erhöhte. s | 

Adhat Stronjtadt gehörte zu den ftillen, ver ichloffenen 
Naturen, welche fid) ſchwer einem anderen Meni chen an- 
ichliegen, haben fic aber einmal Sn geja Bt, E it 
cë ein volles und unerjchütterliches. c crt 

Selten hatte er wohl einem Fremd Menſchen ſo viel 
bon jemen innerſten Sein offenbart, wie Refi Wieders, 


und dennoch mußte aud) jie gar manches noch zwiſchen _ 
bot Beil en leſen, um den Schluſſel au jeinem viel zu x 
ernſten und peſſimiſtiſchen Weſen au ‚Anden, eei mit 


a 


feiner Se und infi jo gar nicht im  Ginflang 
ſtand 

Achat hatte eine traurige Jugend verlebt 

Die Schatten einer Konvenienzehe war in feine Rinder- 
jahre gefallen und hatte bem lieben, goldenen Gonnen- 
jchein feliger Kindheit mid) zu bu Sud fommen 
lajjen. 

Gerade diefe erften und glüctichften Sehensiahre aber 
— fimb e8, welche dem Wejen eines Menjchen ihren Stempel 
aufdrüden! Wer in dem liebesmarmen, friedlichen Neft- 
chen, welches Elternjorge und Ehierneintract erbaut, aufs 
gewachſen ijt, den geleitet dieſes wonnige Heimatsgefühl 
durch das ganze Leben. Mögen fpäter aud) nod) foviel 
Stürme erbraujen und Wetter aufziehen, jenen Frühlings: — 


morgen voll Licht und Glanz vermögen fie nie zu berz : : 
dunfeln, ber ftrahlt mit all feinen Erinnerungen durch — 


das ganze Leben, wie ein Segensgruß, deſſen u und 
‚Heil unvergänglich üt. | 
Und wiederum jene, welche in jungen Sahıen jo falt 
und fieblos gebettet lagen, welche nie den Liebesquell 
inniger Gemeinjchaft zwiichen Kind umb Eltern raufchen 
hörten, jenen fann das Leben in jpäterer Beit nod) jo 
jtrahlend lächeln, fie werden jolchen Glückes nie voll und 
ganz froh werden, Denn auf ihre jungen Seelen ijt ein 
Reif gefallen, den ſchmilzt ielbit it die heißefte Sonne ber 
Erdenfreude nicht fort, ber hinterläßt zeitlebens cin frojtiges | 
Gefühl der Ode und Lecre, wie ein Baum aud) im Hod- 
jommer feine Blüten treibt, wenn jeine Lebenskeime des 





Lichtes und der Wärme entbehrten,. wenn ber Froſt i 


nicht sur Entwicelung gelangen ließ, 


Und jolh ein grauer Nebel lag auch über Achats 
Kindheit, bie Hand hatte gefehlt, welche a Liebe 
und Vertrauen it das. Junge Herz geſaͤet 

Vereinſamt wuchs et heran, obwohl er s 
bejak. Waren jene fremden, kaltherzigen Mädchen, welche 
ſtets mit ber Mutter reijtem und den Familienzwiſt aud) 
auf ihn, der „um feindlichen ager bei Papa” verbleiben 
muhte, übertrugen, waren fie wirtlich eines giis und c 
Blutes mit ifm, feine Schweiten? | 

Auf ber Hochzeit ber. al teften tanzte er — - auf Des 


| fehl des Waters, um por der I Welt feinen Anſtoß er o : 


, regem — und nad) drei. Jahren hörte er alle die Einzelz 


ul heiten i einer unglücklichen Ehe, welche mit ber Scheidung 
endete x 


,3) Die Weiber, Die Weiber jind an allem. ſchuld!“ 
rief ſein Pater niit bitterem Lächeln und klopfte den Sohn 
auf Die | Schultern. „augen auf, Achat! renn nicht 
taub und blind in das Elend ber Ehe hinein! — 63 
prüfe, was fid) ewig bindet, ob fid) das Herz zum Herzen 
findet!!! — Qa, auch in feinem Eiternhaufe ‚war Der 
Wahn jo turg und die Neue fo lang geweien. 

storuite es eritaunen, bab Mchat Stron{taot, der ichöne, 
viel umſchwärmte Mann, den Frauen gegenüber miß— 
tranijch wurde? Er war jehon von Natur etwas [dmer- 
blütig beanlagt, und die ewigen, Nageuden Zweifel, welche 
an feinem Herzen fraßen, lichen eim vorurteilstojes Be 


= 123. m 


obachten und Rennenlernen ber pnm Damen gu 
Autant 
Sieb. haben! — Du liebe db wie doles er es ieilig 


bringen, ein Mädchen licb zu haben! Enh er doch hinter 2 s 


jedem Rojengefichtlein. Die Schlange: lauern, deuchte ihm 


bod) jedes zärtliche Lächeln, jedes warme Aufleuchten. der ‘ 


Augen mur Schlinge und Leimente, em aries Opfer zu 
— Unglück einzufangen! | 


och fatte er nie eine tiefere Neigung empfunden, und. i 


weil er fid) den Frauen gefliffentlich fernhielt und. ihnen 
gerade nur fobiel Zeit und Höflichfert opferte, wie es die — 


geſellſchaftlichen Pflichten vorſchrieben, mangelte ihm auch 
die Gelegenheit, giinjtigere Erfahrung zu machen. Sein : = 
Herz blieb falt und unberührt, und mur im Salon Reis = 
faute eë auf, eine un bewußte Sehun jt nach Bde. ` 
jejfenem, nach einer gemütlich en, trauten. Haus ‚lichkeit, mad). iu | 

vertrauter Ausſprache überfam ibm, uud jo ſchloß er ſich 


mehr und mehr dem kleinen Kreis der Regimentstante 
an und genoß die seltenen Stunden. jolchen 9 Behagens in 
Dantbarer Freude, Der Gedanfe aber, in Neji mehr — 
finden zu fóunen, als eine treue Schweiter, einen guten 


Samerab, Der fam ifm ebenfowenig wie bem anderen = 
Herren, dem nichts fag in der Art ber jungen Dome, ; 
was lyriſche Empfindungen hätte weden fünnen. Sab . 


fie jelber jede 3 Möglichkeit einer Verlobung weit von fidh 
mies, lag flar auf ber Hand, und daS war jo natitr- 
lich, e& pafte fo zu ihr! - — Wer hätte jid dieſes Mäd- 
chen als Braut denten könn! Nicht etwa, weil fie zu 


— 124 — 


häßlich dazu gewefen , Got on Wie ſchnell bere 


gaB man in bem amüfanten, anregenden Verkehr It Dr 


das wenig Dübjd Außere, welches ja — wie alles 
Schöne oder Häßliche, aud) mur Geſchmacksſache war! 
— Mein, e8 [ag ein gemijje8 Etwas in ihrem Weſen, 
welches man mit dem profanen Ausdruck „altjüngferlich“ 
hätte benennen fünnen, wenn e3 nicht eben ganz das 
Gegenteil davon wäre, ein Zug größter Sungherzigfeit 
und Rindlichfeit, welcher fein Antereffe nicht auf eine ein- 
aige Lerjon fonzentrieren fann, fondern für alle ba ift 
und für alle lebt, wur gemeinfane Sdeen verjofgenb und 
jid dem Wohl des Ganzen widmend. 

Heft war eben nicht zur Gattin und Hausfrau, Ton: 
dern zur Negimentstante geboren, das bewies fie von 
Fahr zu Jahr deutlicher, je mehr fidh ihr Wirkungskreis 
vergrößerte, je mehr fie fic) in ihre menjchenfreundfiche 
Molle als guter, freundlicher, helfender (eiit. hineinlebte. 

Und Jahr um Jahr verging; Nefi faf in ihrem 
frauenfajten | Capothütchen immer älter und tantenhafter 
aus, und Achat Sronjtabt jap ihr mandy lange Stunde 
gegenüber, trug all feine Freuden und Sorgen bertraueng- 
voll zu ber bejten und einzigen Freundin, welche er be- 
jah, und Refi behandelte ihn mit derjelben herzlichen 

und teilnehmenden epee eet, wie alle ihre andern 

Regimentsneffen 

Ihr Antlit blieb fo oleihmäßin b beiten und bergniigt, 
ober ernjt und befümmert, je nachdem es galt, Freud 
ober Leid zu teilen, und ihre Augen bickten fo ungetrübt 


see ADE — 


in das ſchöne Gefidht bes Ulang, dağ Kronftadt nie 
und nimmer ahnen fonnte, Weiden funzen, leibeujdjaft: 
(iden Cturm er einjt über biejes jo ruhige und ver: 
nünftige Madchen heraufbeſ chworen, welch ein Gefühl 
inniger, unausiprechlicher Liebe e3 war, welches tief verz 
borgen in ihr glühte, mie es jem Bildnis war, welches 
fie al3 Sdeal in ihrem Herzen mit ewigen Miyrtenblüten 
franate. — — — 

Eberhard hatte manchen Walzer und manche Quadrille 
mit Miß Glenor getanzt und fid) ungeheuer behaglich an 
der Seite einer Tänzerin gefühlt, PEE in beiten 
Willen nicht zu unterhalten war. 

Er jdjmieg fich fo recht von Herzen. aus qub. in 
jeine ganze Liebenswürdigfeit [ediglich in fein Lächeln, 
welches von der Amerikanerin ebenfo innig und gefühl- 
voll erwidert wurde. 

Diefe ,ftumme Liebe fiel natürlich mit der : Beit auf, 
und damit begannen erft recht bie guten Tage für den 
Erbherrn von Wiedershagen. 

Da der idjmeigjame Berehrer erfichttich das Wohl: 
wollen der amerikanischen Familie erwerlte, fo verging 
taum mod) cine Woche, ohne daß ber junge Difigier zum 
Diner ober Empfang in das Botichaftshotel geladen — 
wurde und regelmäßig Mig Elenor gu Tiſch d führen 
matte. 

War fie ſchon eine angenehme Tänzerin für ibm, fo 
erwies fie fid) als Tijchnachbarin als geradezu anbetungs- 
würdig, denn da fie fich nicht mit ihrem Kavalier unter: 


= 126 cs 


halten fomite, ougentriccte jie all ibre Picbenemirbigfei | 


auf Heine Auferlichfeiten, als ba find: ſtets volle Wein c gu 


| gläfer und wohlgefüllte Teller. = 
Mit meld) bezaubernden Lächeln winti fie — in ihrer 


|... Cigenfehaft als Nichte bcà Haufes — den D Dienern, dem 


. Sere Leutnant, welcher ber Schweigſamkeit wegen fehneller 
effen fonnte als die anderen unterhaltungsgeplagten — i 
Menſchen, noch einmal zu präſentieren, wie aller 


liebſt fofettierte fie mit ihren brilfantg! igernden, mageren 
und langen Händen, wenn fie bie Konfektſchalen vor 
ihrem Tiſchherrn auf bie Tafel píagierte unb ifm - 
immer wieder anbot mit dent leiſen, imelgenben n „please!”, 
welchen er. nicht widerſtehen fonnte! 

Er lächelte Dann qud) eim „o — — please! — 
ſeht gnädig — merci, assez!” — und tlappte dann unter 
dem Stuhl mit den Sporen, und Miß Clenor ichälte 
graziög eine Drange, Pfirſich oder Birne nach der andern 
und fegte fie auf jeinen Teller, dieweil fid) ibr Blick mit 
ben ſeinen begegnete und fie Bor Entzüden errdtete, wenn 
er englisch iprad) und mebreremals nad) einander „please, A 
please” oder „thank yon!“ fagte. 

MU ber Hoſgeſellſchaft intercifierte mon fid lebhaft 
für Diejes originelle Paar, und all bie Tamen, welde 
nicht jelber Töchter zu berbeiraten Hatter, machten fid) 
ein Vergnügen. daraus, ‘Gott Amor bei jener delifaten 
Arbeit zu hel jen. p : x . 

Sp regnete e8 plößlich — > pon allen 
Gefen und Enden über den entzücten Küraffier, und zwar 


oe m — 


zu lauter ſolchen Diners, wo font die guai ac pole = 
bis zu den —— reichten ae 

— Bu einem richtigen Excellenzeſſen in den Sejanbifejafts- = 
treijem. fonunt ein junger, jterbi icher Leutnant höchſt ſelten, 


und wenn er. zehnmal jeidenes Rockfu ter. trägt! Und — 


befamtlid bie Epigendiners ant liebebollſten bon bei Kichen- 


-= fchefs ausgearbeitet werden, jo mar cë den Gájar längit febr — : 


jchmerzlich, bap er ſtets nur zu ben Empfängen ober Bällen 

gewünſcht ward, wofür er ſo herzlich wenig übrig hatte! 

seht aß er jo oft mit dem großen vü Hel, daß fem 

Tiſchplatz daheim gans berwaifte und jein C übelqurt 

— um etliche Löcher. weilergeſchnallt werden. mußte. | 
AUnd wem verdantte er all Diejes (| (üd? 


Miß Elenor, Der. lieben, netten, famoſen Miß Elenor, — 


Inbegriff aller angenehmen Weiblichkeit. 


Wenn ein großer Hergenstenner behauptet hat, dieſer b 


flopfende Muskel habe mit lyriſchen Empfindungen durch 
aus nichts gemein, fondern Der Direftc, jchnurgerade Weg 
der Liebe gehe durch den Magen, jo war Leutnant von 
Wieders der iprechendite Beweis für diefen Cab. 


a, er ftand wirklich im Begriff, fid) in Miß — — 
zu verlieben, einesteils, weil fie nicht deutſch prad, - | 
was ihm ein großer Vorteil fihien, ber jede häusliche — 
Scene, welche ex allen Bejchreibungen nad) hate, in be MO 
Keime erftidte, und zweitens, weil fie entfchieden Sinn mu 


jür einen guten Tiſch hatte. 


> Sa, et liebte: jie und hätte He pileni dud gadai 2 — 


ment er oy den Rn Vorwand ju Jenter Bg. — 


— 138 — 


Gewiſſensentlaſtung gehabt hätte, daß fie ja eine Liebes- 
erfldrung in feinen beimatlichen Lauten gar nicht vers 
ſtehen würde und barum der Berftändigung ua 
| Heirat unmöglich EL ——— 
. @p mar ber. Winter. vergangen, mb al bie erften 
Lerchen ſchwirrten, zerrann die Geſelligkeit der Großſtadt 
wie ſchillernde Seifenblafen, die in nichts zerftieben, wenn 
ein friſcher Luftzug daherfährt und fie Takt. 
Auch bie Damen der amerifaniichen Botjchaft reiiten 


ab, um eine Frühjahrsjaifon in London mitzumachen, —— 
und als Miß Elenor ihrem ftummen Berehrer zum lebten: — 


mal die Hand drüdte und in feme Augen jab, welche 
ungeheuer kummervoll dreinichauten, da lächelte fie plöß- 
lich ganz geheimnisvoll, neigte fich ganz naf zu ifm hin 
und flüfterte: „Muf Uiederfehen!“, was Eberhard i in Diejem 
Augenblick ehrlich entzückte, wenngleich es es breit unb 
gar nicht melobijd) Hang. | 

Gleichviel! — Er machte großen Qrm mit jeinen 
Sporen, flappte fie wieder und wieder zufammen und 
lächelte: „Oanz. famos! — Auf Wiederfehen, men 
gnädiges Fräul ein — im nächften Winter!“ x x 

Oh! oh! ina siio ind lächelte Mig Elenor mit 
ber geheimnisvoll dramatifchen Steigerung einer Lady 
Macbeth und fah Dabei aus, als dächte fie: „Wenn du 
ahnteſt, was id) für bid) thie!” — —— 

Aber Eberhard ahnte nichts, und jo fchieden fie. 

Nefi hatte jhon heimlich triumphiert, daß das verz 
ſchworene Cölibat des Bruders wohl demnächft mit einem 





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b. éfdifitrutb, SIL. Kor 


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— 130 = 


Polterabend enden werde, um jo überrafchter war fie, 
als das ſchweigſame LiebeSpaar fid) trennte, ohne in ber 
Sprache der Sterne oder Blumen das bindende Wort 
gerunden zu haben. 
yas, WO werde id) denn!” ſchmunzelte Eberhard, yd 

wäre ja ganz gegen alle Verabredung. Als ein — 
Braͤutigam kann ich doch nicht freien, und wenn Hold— 
Amerika mein Ideal bleiben ſoll, wie darf ich es dann 


zu Glucking, meinem Hauskreuz, erniedrigen! — — Nein, 
heiraten thue ich nicht, trog aller Liebe — aber fobald 
als möglich nehme id Urlaub und reife nah Karls⸗ 


bad!” 
Das that er, und Karlsbad machte wicher gut, was 
— Glenor mit all ihren Diners gejünbigt hatte. 


Das Manbver jorgte auch dafür, bap ner emige =< 


Bräutigam nicht viel aus dem Sattel fam, was im Verein 
mit kümmerlichen, märtiihen Banernquartieren dazu Del: 
trug, bab Cäſars unglücliche Liebe nicht mit Herzver- 
fettung endete ; und als bie erften Gchneeflocen wehten 
und bie Vifitenequipagen alë Herolde der beginnenden 
neuen Gaijon über das Pflajter donnerten, jah Leutnant 
von Wieder wirklich jo flant und „‚ätherifch” aus, als 
habe er fid) nach der abwejenden Dauerbraut halb zu 
Tode gejehnt. 

(St war ber erite, welcher feine Karte in ber großen 
Alabafterjchale ber amerifanijden Botſchaft niederlegte, 
unb es währte aud) faum acht Tage, fo lag, als Revanche, 
die elegante, lithographierte Einladung, auf welcher ſich 


„Monsieur et madame bie Ehre geben”, auf Eberhards 
Schreibtiſch, von Hun umgehend mit Hocherfreuter Sujage 
beantwortet. 

Die conventionellen Verpflichtungen waren fomit aufs 
befte erledigt, und der junge Küraſſier ſchwelgte fo ehr- 
fid) im der Vorfreude fonumember Genüffe, dak Refi ihn 
mit ganz eigenartigem Lächeln entließ, als der Bruder 
fid) verabjchicdete, um Toilette für das ,, Misterdinner" zu 
machen. 

Sie träumte fdjou von allen möglichen Überrafchungen, 
welche ber fommende Tag wohl für fie bringen könne, 
und war barum im höchſten Grade überrafcht, ja direkt 
erfehroden, als nad) zehn Uhr plöglich bie Flurflingel in 
rajenbe Bewegung gejebt ward und wenige 9(ugenblide jpater 
| chupa in ben ftillen, behaglichen, Heinen Salon ftitrmte. 

Sein rundes, rotmangiges Geſicht ist s; verz 
ändert aus. 

Entichieden farblofer als. ionit ~ mi einem fuz- 
brud bumpfer Verzweiflung und den fichtbaren Spuren 
eines dorhergegangenen ungeheuern Schreckens 

Die blauen Augen ftarrten noch mit ganz verftörtem 
Blid in das angftnolle Geficht ber Schweiter, und der 
maſſive Körper jauf wie Blei in den nächſten Seſſel, daß 
alle Sprungfedern ächzten 

So recht wie eim „geichlagener Mann” jab er aus, 


wie er bie Arme fchlaff herniederjinfen und das Haupt — 


mit bem hellblonden, furggejdorenen „plc“ - — unend— 
lich Häglich auf bie Drill gangar fie. 
g* 


AQ, Reſi! — Refi — - unt er; oe eine bere 
flirte Überrafchung!“ nn 

„üm alles in ber Welt, was ift pit? | 

„Alles ijt aus, alles! l. 

„Was ijt aus? — Sond! — Wngftige mid) nicht!” 
Aber Refi lachte doch ſchon bei den legten Worten, denn 
dem ganzen Wejen des Bruders jab fie e8 an, daß er 
im Galgenhumor cinen Kummer erheichelte, Bi fein 
thatjächlicher Schicjalsjchlag war. 

Daß ihr Bruder einem foldjen ganz anders, wie ein 
junger Nordlanprieje, gegenüberjtand, wußte fie aus 
mancherlei Erfahrungen. 

„Die ſchönen Diners, die jchönen Tänze! — ad) 


meine Ruh’ ijt hin — — Herz ijt ſchwer — meine 


ſchönen, friedlich- tien Bagel" x 
Menſch — bu Hajt Did) verlobt! 

„Der Ehelofigfeit — ja! — ber ewigen Liebe — 
aber mit Der ijt'ó aus! — für immer aus! — für immer 
aus, meine Liebe ijt vorbei, für alle Emigfeit mein Sdeal 
geritbrt." 

„Senn id) nicht wüßte, daß eS unmöglich ware, 
würde id) jagen, bu haft dich mit Mik Elenor gegantt!^ 

Da jprang er auf mie ein gereigter Löwe und grub 
bie wohlgepflegten Singernägel i in pem bellbionben Plüſch. 

Nicht möglich! Adh, das ijt’ ja eben, dieſe Sn- 
fame! Und ſiehſt bu — meines Hauſes ſtiller Frieden 
iſt zerftört auf munerbar — —“ 

Take un lap mal bas Detlamieren und jage, was [os itt 


ecd ws 


Da jauf er wie gebrochen auf ben Ceffel zurüd: 
„Sie hat Deutich gelernt!” — fprach er bump. 

Refi brach in ein fallende Gelächter aus. — 

„Das ijt allerdings + Das i grrobrgt 
rücjichtslos !^ 

„Nicht wahr, das ijt e8? Und dente bie mie heim⸗ 
titckifch fie mir den Schreck auf den leeren Magen bel: 
bringt! Grit — bei ber Begrüßung, da lächelt unb 


ſchweigt fie mod) ganz mie fonft, Dat aber ſchon jo etwas —— 


Strahlendes im Geſicht, und Botſchafters desgleichen, fie — 
jehen mich affe jo gerührt unb herginnig teilnehmend an, 


- . baj ich [don dachte, ich Hätte mir irgendwo eine Naht — 
2 -— — anfgeplagt! — — Und num gehts gu Tiſch, und id) mill — 
~ gerade gum Löffel fafjen umb mache der Elenor einen 
: — .- Diener fage ,please" — als fie mid) pliblic) anlacht 


“und wie ein Wafferfall lostlüderte: ‚So! — eigentlich 
jagte He: ‚au: — aber jo was Unäfthetiiches mag ich 
gar nicht wiederholen! — alfo fie fagte: ,Sau, meine 
liebe Herr van lliber8 — nau Cie follen haben bejjere 
Vergniegen! Bishär mir aben gejprecht für gar nid) — 
aber naun id) Duabe gelernt Sie zu Liebe das Deitiche 
Sprachen, unb naun uir werben haulen alles nach und 
rüben bie ganzen Dinner mu — gu id) verjtehe jede 
Hort 1 

Weißt bu, Refi — id Dente, mid foll gleich einer 
aus bem Boologiden Garten frifieren! Und mein Ge- 
ſicht hat wohl dementſprechend ausgejehen, denn bie Mif; 
lachte laut auf und freute fich, wie uondervoll® ihre 


— 134 — 


0 Überrafchung geglüct fet! Ach, Nefi — uud mun hättet — 
Dut hören follen, wie das Geplapper logging! - d habe — 
noch nie ein Frauenzimmer fennen gelernt, welches foviel — 
fpricht und ſoviel geantwortet haben will! Von Effen — 
und Trinfen gar feine Rede mehr, mit all dev früheren Au 


merffamteit, mit doppelt Servieren erft recht Eifig! Sie 
ärgert fich, wenn id) effe, anftatt ihr den Hof zu machen!” 
Refi lag in der Sofaede unb lachte Thränen, bis [ie 
jah, dak e8 bem fchwergeprüften Eberhard bod) Fer 
babet zu Mut war, als fie dachte. 
,9unt wird fie und bie anderen erwarten, dap ich i 
—Deirate!^ ftöhnte er. 
,Sberfarb — liebft bu fie? 1^ 
Gr jubr entjebt empor. ,,Gott bemabre mid! Eo- 
(ange fie fchwieg unb mich effen lick, ba liebte ich fie 
als Sbeal, jebt, wo fle mid) zu Tode hungrig repet, grengt 
mein Gefühl an Ingrimm unb Haß!“ 
„Wehe, dreimal wehe!” 
ej — rette mich!” 
gern, auch ohne Auſpruch auf Die Medaille zu 


s machen. Seg dich hin unb reiche einen längeren Urlaub 


für Stalien ein, deine Geſundheit ift ſtark au gegriffen!” 
Eberhard nifte. „Das wäre ein Cedante! Man 
geht zur Not ein Jahr à la suite” | 
you fiehft bir Land und Sie an, iuh menm bu 
— Beimfommit, ift Mig Elenor hoffentlich anderweit ver- 
geben. Nun fie deutſch jpricht, wird e3 nicht an Freiern 
fehlen.” — Ce 


Cherhard reichte ber Schweſter tiefaufatmend die 
Hand. „Schön gejagt, Nefi, du bijt ein WMordsmadel ^ 
Leutnant von Wieders ging ein Jahr à la suite, 
und als dag Jahr abgelaufen war, erhielt er feine Neu- 


einrangierung in ein anderes Küraffierregiment in der _ 


Proving. Er hatte eS zuvor gewußt und ging gern in 


die behagliche, fleine Garnijon, denn der Trubel der Ñx 


Reſidenz mit ihren ungeheuren Anfprüchen an bie ges 
felligen Talente der jungen Difiziere Hatte ihn nie fo 
recht gugejagt. | 

Nefi ward em wenig bla, als fie die Verjebung - 
erfuhr and der Bruder energisch darauf beftand, Tante 
Quinta) und Refi follten ihm folgen und ihm eine 
- figene, ‚gemütliche Häuslichfeit gründen. Das Gafthans- 


leben haſſe er, er fet ein geborener Haushammel unb —— 
verlange jeine Behaglichkeit. Cie nidte. G3 mar gut —— 
fo. Da hieß eS jcheiden, unb Kronftadt ftaub zum lebten —— 


mal vor Refi und drüdte ihr die san Sie lächelte 
ihm zu. 
Auf Wiederfehen!” und er. jeujate mit pibenn 
Blid, „ja id) tomme Ihnen nad)! 
Die Sürajfiere aber beklagten ben Abſchied der a 
mentstante aufs Ditterjte. 








A it Tanggegogeuen Tönen verhallte das Retraite: 
am und Die Küraſſiere, welche in weißer 
Drelljacke plaudernd in den Straßen herum— 
aditibo oder auf den breiten grüngeſtrichenen Bänken 
vor bem Düulern gejeifen, bie Pfeife rauchend oder mit 
den ſchmucken Bürgertöchtern idjarmierenb, ſchüttelten hier 
und Dorf zum „Gute Nacht“ die Hände und zogen fich 
in ihre Quartiere zurück x 

Dort trug ein galanter Jünger des Wars noch flint 
bie ſchwexen Waffereimer vom Brummen nad) ber Thür 
jenes Echabes, bier jpielte emer jchnell noch fein Etüd- 
‚chen auf der Harmonita herunter, jener framte eifrig fein 
Putzzeng zufanmen, nod) zum legtenmal für Diefen Tag 
auf Echmirgel, Blau» und Bimſtein fehimpfend, und 
Diefer DeDute fid) gähnend und jang den alten. Reim zu 
...bem Signal, welches noch einmal mie cin melodijches 
d: Ede aus jerneren Straßen herüber] Ihallte: 





— Gin Seder geh in fein Quartier 
Und jdjieb den Riegel vor ble MU 
Arara! Trara! rara! — 


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— 438 — 


Und dann ibam. bie Colbatc&fa aus bem Nahınen 
bes Heinftadtifchen Bildes, e8 ward Stiller auf ben Straßen 
und dem fauggeltredten Marltplatz mit dem altertümlichen 
Stündehaus, den verjchiedenen Kürien und dem Dom, 
welcher, von zwei ftattlidjen Türmen gekrönt, feine Front 
nad) dem Blak, welchen er auch den Namen gab, vor: 
ſchob, während fid) feine weitläufigen Baulichfeiten bem 
alten Schloß anreihten, in deffen verlaffenen Galen und 
ehemaligen Bruntgemächern das Landgericht. feinen Sit 
gefunden hatte. x 

Malerifch, auf partartig Eemalbieker Anhöhe gelegen, 
präjentierte fid) ber. ‚herrliche, uralte Schloßbau mit all 
feinen Türmen und Türmen unvergleichlich ſchön und 
intereſſant, während. d Jeinen Füßen mit. ſchdumend 
hellen Waſſern ein Fuh vorüberftrömte, ben © Schloßberg 
mit feinem grau verwitterten Gemäuer fpiegelnd wie ein 
Märchenbild, bis bie Wellen Ichäumend ein breites Wehr 
| herabjtürzten unb in fraufen Strudeln weiterfchoffen durch 
blumige Wiefen und üppige gib, weithin durch flaches 
Land. 

Maiſenburg hatte teine fandjchaftlichen Neize, außer 
feinem Schloß und Dom auch feine Sehensiwiirdigfeiten, | 
. aber e8 war eine jaubere, hübiche Stadt, juft auf ber 
Scheide zwifchen Groß und Kleinſtadt ftehend, mit vieler: 
fei altfränfiichem Beiwerk und lÜberbleibfel aus einer 
geit, wo nod) der Bopf im Wappen bon Krähwinkel 
baumelte, andererfeit3 durch das flotte Ravallerieregiment 
und dag Landgericht poliert 1 amb zugeſtutzt, und friſch 


— HR 


emporblühend und fid) ausbefnenb, je mehr penfiouicrte — 
- Generäle und Stabsoffiziere, Gerichtsräte und Domberren 
fid) in feinen Mauern zur Ruhe fester. — 

Bu dem Bau einer Kaſerne hatte fid) Maifenburg 
aber immer nod) nicht aufgejchwungen, und da nur etliche 
Schwadronen m einem alten Kloſterbau untergebracht 
werden fonnten, mußte der Neft ber Mannfchaften Bürger: 


quartiere beziehen, was bem Straßenleben, namentlich — 


dem abendlichen, diejes Stadtviertels einen ungewohnt 
ſpießbürgerlichen, wenn auch gei Sharatter 
verlieh. 

Und 5 ftanb aud) jebt bo Mond am Himmel und 
blickte friedlich auf bie ftillen Gaſſen Bernieber, wo Eleine, 
hellgeftrichene Kachwerfhäufer, unterbrochen von laufchigen 
Gartchen und großen Hojthoren, fid) aneinanderreihten, 
bis plöglich ein moderner, Bodjtódiger Bau bie Linie 
unterbrach, immer öfter und aufdringlicher wiederfehrend, 
je mehr man jid) bem Centrum der Stadt näherte, wo 
bie Straßen eng und winflig wurden, wo Schaufeniter, 
hinter welchen recht rejpeftabfe Dinge pruntten, ihren 
Glanz auf bie ſchmalen Zrottoirs warfen, und die 
Paffanten jid) zufammendräugten, daß den Vätern Der 
Stadt vor Genugthuung die ‚Herzen. jchwellten unb fie 
tiefer und anDdachisvoller atmeten, weil hier underfennbar 
Großſtadtluft wehte — 

In der Nähe des Schloßgartens und nach dem Bahn— 
hof zu wuchſen die Villen aus der Erde, und das ae 
iellfchaftliche Leben trieb von Winter zu Winter üppigere 


— 


Blüten, p hab dem —— gen einzigen Lohndiener fehon 
eine ftattliche Bahl von Konkurrenten erwachſen war 
So war M aijenburg ein Gemiſch von Alt und Modern, 


von Groß und Klein geworden, mit Gasbeleuchtung, - 


| &ommertfeater, Scheibenfchiegen, Bregeljungen und hol: 
prigem PBflafter, dort mit Delifategladen und bie grüne 
Gartenbänten vor ber Hausthir, mit jdmabenben Magden 
am Brunnen und eleganten Squipagen, mit Bürgern, 
welche abends, das Seberfüppd)en auf dem Sr, ihr 


Pfeifchen vor bem Haufe Ichmauchten, unb bligblanfen - — 


Kiüraffteroffizieren and ſchönen Modedamen zu Roß und 
zu Fuß! — 

Auf dem Trottoir raſſelte ein Säbel. 

Cine marfige, etwas zur Fülle neigenbe Seftalt im 
— Offizierspaletot ſchritt eilig durch ben frühdänmerigen, 
 fübl en Herbitabend und öffnete die rundgewölbte, alter- 
tümliche Hausthiir einer Der langgeitredten, vielfenftrigen 
Kurien am Domplag, welche als geräumige und bequeme 
Familienvohnungen febr gern. gemiethet wurden. 

Außerlich wie innerlich machten fie den Eindruck alt- 
hervihattticher Haujer, nicht mit modernem Confort aus- 
geltattet, aber durch wahre Granitmauern und mächtig 
große, wohnliche Zimmer und Sale pir allen Tn 
Luxus entichädigend. | 

Cine große Hangelampe brannte in bem geroilbter 
Hausflur und warf ihr Licht in das Antlitz des foeben 
eintretenden Offiziers Eberhard von Wieders. — 

Das runde, frifchrote Geficht war älter geworden und 


ee dul e 


eim fleiner, noch immer bürjtiger Schnurrbart bedte die ° 
— Sippe, dennoch ja ber Rittmeiſter erjter Kaffe bem | 
o blutjungen Leutnant von ehemals immer a ee 
CORB. —Ñ 
Gr hatte Hd vortreffl ij Bleiben — — mb | 
| Phlegma find qute Mittel gegen das Altwerden, nur die 
Figur verriet die Jahre, welde mit vielen Diners pn 
Coupers über fie hingezogen waren. | x 
Aber auch dafür gab es ein Karlsbad und s diſſingen, 
und Herr von Wieders fonnte mit voller Zuf friedenheit 
deren gute Wirkung bejtätigen, denn wenn er auch das 
Doppeltinn und bie 199 Pfund nit ableugnen fonnte, - 


jo war von einem Majorsbäuchlein doch noch feine Rede, = = > | 
obwohl ber Rittmeiſter nah, jebr nahe ihon c m diee — 


Würde herangerücdt war. — 


Seine Größe und Breitfchultrigfeit Derteugen (id Me e 


veoh mit einer gewiffen Fülle, und bie Uniform that 


ebenfalls das Ihre, den Cäsar redivivus zu einer redt 2 ` 
anjefuliden, angenehmen und vielbegelyrten Erſche mg 


zu machen! 

OU, Die Uniform! x 

Etlichentale, wenn Sonnenhiße und Grerzierplatftaub 
gar zu grob gefommen waren, hatte Herr von Wieder —— 
Den ingrimmigen Entſchluß gefaßt, die ganze glänzende 
Herrlichkeit mm endlich an den Nagel au hängen und zu 
fehen, ie Majeltät und feine glorreiche Armee wohl 
ohne den Nittmeijter von Wieders fertig werden würden. 
Wozu hatte er fein miuhjam ererbtes Gut mit allen 


— 142 — 


Rebeniien, wenn er e8 fid) nicht im Schatten ber büterz 
tichet Schlogmauern wohl fein laffen folte? — 

Aber!! — Ba, wenn fein Blid dann auf den Säbel 
— den lieben, treuen Gabel — und den Rod und Helm 
— und last not least auf die Refi fiel, — dann fpribte 
er bie Feder, welche er bereits zum Abſchiedsgeſuch eim- 
‚getaucht hatte, energijch wieder aus, ftand auf, verjenkte die 
Hände pfeifend in bie Hofenta] mes und jagte jid) fehr 
entjchieden und febr richtig: „Nein — ich darf e3 weder 
Majeltät — noch mir, noch ber Reji anthun! — 

Mich fónnte das Regiment ja zur Not entbehren, 
denn ein Nittmeifter ijt fein unicum, fondern fann er- 
fegt werden, — dag ‚wie‘ ijt in biejem alle allerdings 
eine andere rage! — Uber bie Refi tann das Regiment 
nicht entbehren, denn eine Negimentstante ijt und bleibt 
eine Abnormität, welche nie wieder zu finden ift, menig- 
— nicht mit ſolch Iüperben Qualitäten, wie unjere 

Refi fie bat! — 

Habe neulich erit Die Conduite ae welche fud ; 

Offizierkorps ihr ausgeftellt hat, — großartig, einfach 
groBartig! — Die ,Gejfreiten‘tndpje haben fie ihr jhon 
längſt verliehen, gum Zeichen, dak das ganze Regiment 
fie feierlich{t ‚gefreit‘ und fid) mit ber geliebten Tante 
für ewige Zeiten in Luft und Leid verbunden habe, — | 
na — und went fie erft bie fünfundzwanzig Dienf itjabre 
boll hat, geben fie ifr ficherlid) aud) das Sienftfreus! - 
Lang ijf$ ja nicht mehr bis dahin, alfo muß ich ion 
um ber Refi willen aushalten, denn mein brave? Altes 


as S 


berdient eS, beforiert au werden, fie hat e3 fid) wirklich 
| a im Dienſt fürs Vaterland ſauer werden laſſen! 
Du Grundgütiger! Wenn ich bedenfe, was das 


foriche Srauenzimmer nicht alles für Gutes geitijtet hat!” c. 
— Faktiſch, ich tenne nun fon vier tüchtige, hervor — 
ragende Difiziere, welche dem Paterland- us erhalten — — 


wären, wenn die Refi nicht gemejen wäre! ; 

-S hieß e8: Die leichtfinnigen Bengels gehen dod 
um bie Cele! Bei denen ift Hopfen und Malz verloren! 
— Und fie wären auch jamtlich an Bagatellen geicheitert 
und pflanzten jest wohl im Staate Nebrasfa Ririh- 
bäume, wenn bie madere, pflichtgetreue 
nicht den Daumen aufgedrückt hatte! — 

Und wie berítebt fie das! — Hat fie alle am. 
Bandel, Die jungen Schlingels, ohne daß fie e mur 
merfen! 

na, bie bier Dat fie bor bem gebrochenen Hals bez 
wart, und nun füllen fie ihre Stellungen aus wie das 
Donnerwetter, der Grunding fogar in ben Generaljtab 
gefommen! — Und die armen Eltern vor Herzeleid und 
das Regiment vor einem Ser und viel Ärger behütet 
— und dem Raijer vier famoje, blaue Jungens er- 
halten! — | 

Biere! Eigentlich muğ ich mich als fünften rechnen, 
denn daß id) noch Für's Vaterland ſchwitze, das ijt im 
Grunde genommen aud) nur Reſis Berbienjt - — weil fie 
gurebet, zu bleiben! 

Und recht bat fie, — recht wie immer. 34 verftafe 


= eem 


nichts von Landwirtſchaft, ich würde thatenlos auf ber 


Vater Sofa figen und die Hände in den Cdjop legen. DR 


— Wen fein Oberft mit einem Anfchnauzer dahinter 
fibt, arbeitet ja der Menſch nicht, — und Refi fagt, 
ohne bie viele förperliche Bewegung würde mir das een 


nicht mehr jchmeden, — na — und Davor ſoll mid) Gott a 


bewahren —! ‚Was ift dad Leben ohne Bratenduft? 
— Sd) werf e$ Din, wenn fein Gehalt entichwunden!“ 
= me Ja, fie hat recht, bie Refi, jo eine fene Attacke 
reiten, macht. Appetit, — und in Wiedershagen habe ich 
nidjt8 au attadieren! — Ergo — id thue meinem Raijer | 
DaS Herzeleid nod) nicht an, bie dritte Esfadron als 
vaterloje Waiſe im Stich zu lajjen; id) bleibe,“ x 
— Und er war geblieben, wohlgemut, gut gelaunt 
und vergnügt, wenn er ſatt war, — und weltſchmerzlich 
elegifch, wenn dag verdeiwelte Ererzieren mit jeiner Früh— 
{tiidsitunbde farambolierte! — Er war geblieben, mit Gott 
für König und Vaterland! — is aur felbigen Stunde, — 
wo er eben Daftiger und ungebulbiger wie je, — ja et= 
ſichtlich aufgeregt die Kurie betrat, um jübelflirvend bie 
breite, gebräunte Holztteppe nach dem Salon feiner : 
Schweſter emporzuſtürmen — 


Die Klingel der Hausthür hatte den Diener Berbeie 0 ue 
gerufen, — Eberhard warf ifm ben Raletot zu, hing — 


den Gabel am ein Kletderre und trat ein, 

Moja Schleier dämpiten das Licht ber Tifchlampe, - 
deren jd)fanie Glode mie eine phantaftifche Blüte aus 
der broncenen Blatierfrone einer Palme jtieg. 





10 


Die Negimentöstantel. 


WV. v.Gidftrutb, 30. Rom. u. Nop, 


= dddg n 


Refi fa mit geneigtem Haupt und ftudierte eifrig ein 
befchriebenes Heft, welches vor ihr auf ber golömarkierten 
Ebenholzplatte lag. Elegant, behaglich bis zur Zraulidjz 
feit war ‘Der Salon mit feinen zierlih geihmadvollen 
Möbeln, feinen weichen Teppichen, Portieren, Degen, 
Kiffen und laufchigen Plaubderedichen, mit ben ſchönen 
Gemälden und gold- und Eryftallgligernden Armleuchtern, 
SBoftamenten und Schauftücen an den Wänden, auf Kon: 
folen, auf Tiſchchen und Ctagéren. . 

Blumen dufteten, Uhren tidten, Vögel flatterten im 
Käfig, und über allem lag ein jo warmer, garter Hauch, 
als ob nur lichte, fröhliche Geifter burdj dieje Räume 
ichwebten, ala ob nur ber feine Ginn einer fiebenswerten 
unb edlen Franenfeele hier waltete! — 

— Und wie ihre Umgebung, jo bie Eigentümerin felbjt. 
Die lange Reihe von Jahren war an Refi nicht ganz 
fo [purío8 vorübergegangen, wie an dem Bruder. Sie 
hatte ftet3 älter ausgefchen als wie fie war, jebt trat 
Diejer Zug noch fchärfer hervor, — erhöht burd) bie 
etwas altmodijche Friſur mit den gewellten Scheiteln und 
dem dicken Zopf, welcher das Oberhaupt und den oU 
kopf ſchier turbanartig umgab. 
| Die Figur mar nod) voller geworden, etwas untere 


etzt und frauenhaft impofant, tadellos gefleidet, gumeijt 


in fchwerjeidene Stoffe dunkler Farbe, ſtahlgrau, braun, 
rejeda= ober pflaumjarbig mit feujden, weißen Cpiben 
am Hals und Händen, und Schmuditüden, welche foftbar 
und ehrwürdig, aber durchaus nicht modern waren. 


— 147 — 


Cine meibijde Gegnerin behauptete, Fraulein von 
Wieder putriere etwas, um möglichit tantenfaft drein- 
zuſchauen und durch ein vertrauenerwedendes Mugere ihre 
bod) etwas originelle Stellung als Regimentstante zu 
unterftügen. Gie hatte Refi nicht zuvor gefannt und gez 
hörte zu den engherzigen und mißgünftigen Naturen, 
welche der Eigenart ihrer Mitmenfchen nie gerecht werden, 
jondern diejelbe auch in ihrer ae loan 
anfeinden und läjtern! 

Nichts war Refis Charakter — alè Schein; jo 
ehrlich, fo gradaus und aufrichtig wie fie dachte und 
empfand, gab fie fic) auch, und wenn fie jebroebe Kuuſt 
verjchmähte, ihrem äußeren Menjchen durch fofette 
Mittelchen zu Hilfe zu fommen, fo gejchah e3 nur, weil 
fie viel zu anjpruchslos, zu befcheiden und vernünftig 
war, um fid ber Reihe jener alternden Damen einzus 
fügen, welche durch frampfhaftes Jugendlichjein ſich 
lächerlich machen unb Die 7 Spottt Der — 
herausfordern. | 

Refi hatte ala junges Mädchen feine een 
gemacht, fic) und andere über ihre Haplidfert zu 
täufchen, wieviel. weniger jebt, mp fie fid) ihrer Jahre fo 
voll bewußt war, wo fein felbtfüchtiger Gebanfe an 
[prijdje Eroberungen mehr in ihr lebte, wo fie jo. glüd- 
~ lid, jo von Herzen banfbar war für bie reizende, bez 
friedigende Stellung, welche fie einnahm, für ihren Wire 
fungSfrets, für all bie ehrliche, warme ` amb 


Freundſchaft, eps ibr en würdel = 
10% pue 


— 48 


Und diefe glüdjelige Zufriedenheit, Nächitenliebe und 
Herzensgüte leuchteten aus ihren Augen und verflärten 
das Geficht mit einer Milde und jdjaltfaftem Heiterkeit, 
daß eS fein Wunder mar, wenn ihr bie pergen LEE 
unb bet ihr blieben. — — 

Cie war jo fehr in ihre Qettüre — daß fie 
erft. aufſchaute, als ſich die hinter dem Rittmeiſter 
ſchloß — 

Sie ſtreckte ihm lächelnd die Hand entgegen. 

| „Shon zurück, Cäjarchen? So außergewöhnlich 
früh? — Sit der Oberſt franf, daß ifr in ber ‚Sonne‘ 
ſchon Feierabend machen durftet?!“ — 

Wieders zuckte verſchmißt bie Achſeln — „Sch gelte 


> ja zeitwweife für ‚halb verheiratet‘, weil bu mir hilfſt 
ein Haus zu machen, Darum darf ic) mid) manchmal | 
< eim bischen früher brüden, mie bie anderen Schladt- - 


| opiat E : 
„Und was trieb Dich 6 beim? — oder Sehn⸗ 
ſucht?“ — ſcherzte ſein Gegenüber. | 
Eberhard jab aus wie ein Menjch, welcher etwas 
ganz Geheimnisvolles im Schilde führt, aber nod) damit 
hinter dem Berge halt, um die Vorfreude deito länger 
und behaglicher auskoſten zu fünnen. 
. Er nahm in einem Gejjel zur Seite der Schwerter 
Blak umb rieb fich bie Hände, 
„Hm — das möchteft bu wohl mijjeu! — Vielleicht 
war e3 Neugierde, zu willen, was für eine jeltjame Qef- ` 
türe Du hier im Manujeript durchſchmökerſt!“ x 


= 149 — 


Refi legte bie Hand auf das Heft. „Wenn du 
verſchwiegen bijt, unb den betreffenden Autor nicht umn 
glücklich machen willit, fage id) e8 bir vielleicht!” — 

,Sonnuermetter! Refi, id) bin doch eiu ditate 
Kerl! — Sind’s lyrijde Ergüſſe?“ — | 

„Das weniger! Sieh her — und bleibe deiner 
Sinne Meister, — die Winterarbeit unjeres na 
Babys!“ — 

Potz Blig! Niebelanbs Winterarbeit? — - Rel — 
wie kommſt du Dazu?!” — | 
s Sräulein pon Wieders sielidecte mit bei Ungen, „Ita, 

Cäjar, bu jagit ja, bap bu ein anjtändiger Charakter 
bijt und deine Zeutnants nicht reinlappit! — Ajo höre! 
Geftern bei Werners jd)üitete mir der fleine Niebeland, 
unfer jüngiter Leutnant, fein ſchwer bedrängtes Herz aus! 
Gr muß eine Winterarbeit liefern und . . . na fieh mal, 
der Kleine ift ein prächtiger, lieber, eleganter Menjch, 
aber ein Schriftgelehrter ijt er gerade nicht, und bie Haus- 
lefverergiehung hängt ifm nod) in allen Eden und Enden 
an! — Nun hangt und bangt er in fchwebender Pein, — 
ob fein Schriftſtück hier aud) all den fchauerlich ſchweren 
Anforderungen der Orthographie unb Anterpunftion ge- 
recht geworden, und weil e8 ifm peinlich ift, fid) ben 
älteren Kameraden anzuvertrauen und er Doch anderer: 
jeit auch die Sritif der Vorgejegten fürchtet, flüchtete er 
fid) zu dem Madden für Alles, der Regimentstante — 
und bat mich, ganz à discrétion — das Opus doch eine 
mal burdjju(ejeu! — ——— 


xui t50 = 


Eberhard lachte laut auf! . „Das ift ja einen Thaler 
wert! Wozu dod) jo eine Negimentstante alles niite 


it! — Na, Herr Reftor — wie viel Bide haben Cie —— 


denn dem Kleinen ſchon rot angejtridjen? I” 


„a — Gottlob — die Cade tjt recht sine. a6 
tellend! Ein paar Mommas hat er gejpart, aber jouit 


ijt er auf bem beiten Wege, fid) nod) al8 homme de 
lettres auszubilden! Das Gefühl der Unficherheit ijt 
größer geivejen mie bie Unficherheit felbft, — du liebe 


— . Beit, [old) ein junges Buürſchchen, welches bisher bei jedem 


Schreibebrief den Gouverneur neben ſich hatte! — für 
ihn iſt die Regimentstante wirklich noch unentbehrlich ! | — 
„Und bod) hört er [don im den nächſten Tagen auf, 
ber Süngjte zu fein! — Der Slapperitord) aus bem | 
Militärkabinett ichleppt: uns {con wieder ein ſtrategiſches 
Widelfind ran!“ 
Ah — neuer Zuwachs? — Das ift ja nett. Wie 
heißt bas Baby?” — 
„Ein Graf Lichtenberg ! Wird direkt aus der Rinder- 
tube von Groß-Lichterfelde. importiert! ia 
„Bie? Kai Lichtenberg? — Der Neffe ber Gräfin 
. Sofern, mit welder ich vor zwei Jahren in Gajtei 
zufammentraf? Das freut mich ja gang bejonders! Und 
Niebeland hat mim ſchon einen ‚Hintermann! ame, 
wie wird er jtolz jem!” — 
Eberhards Blick ſtreifte von unten herauf das heitere 
Geſicht ber Schweiter. Gs p gie ein — um ſeine 


vollen Lippen. 


wes 151 — 


„Es gibt noch mehr Veränderungen in unjerm Regi- 
ment!” fagte er madjbrüdlid). „Der Obert hat birette : 
telegraphifche Nachrichten befommen — | 

„5! — Grunert hat ein Regiment befommen?!“ 
Refi blidte fehr lebhaft und freudig erregt auf. 

Der Nittmeifter nidte. „Die Hufaren in M.! Nettes 
Regiment, freut fid) folojjal! — Mber für uns Bech! 
Von den paar wenigen verheirateten Kameraden, bie mir 
haben, wird einer nun noch megverjebt!^ - 

„Ei — der Nachfolger ijt vielleicht auch verheiratet? 
Als (Ftat&müfiger font er Ja jdon ermadjene Töchter 
mitbringen!“ 

Eberhard jchüttelte jchmungelnd den Kopf. „Nein, 
wieder ein Junggejclle! Die Ernennung ijt and ihon 
heraus!” = vus 

Refi schlug lachend Die Hände zufammen. „Wieder 
ein Unverheirateter! Ei bu liebe Beit, das ijt ja eim 
wahres Verhängnis! Bor adt Wochen einen Jung- 
gejellen zum Dberft — nun wieder einen ſolchen als 
Etatsmäßigen — ja, ba fann man es der Welt nicht 
übelnehmen, wenn fie euch das Regiment der Dane 
nennt! — Wer fonımt denn her?” — 

„Rate mal!“ 

35°... . Raten? — Die Ranglifte durdhraten? 
Du bijt nicht recht geicheit!” — 

Bielleicht fommft du bod) daranf! — Es ijt ein ehe- 
maliger jebr guter Befannter von unë aus ber Refideng  — 

Fräulein von Wieders richtete fic) langjam auf. 


1459 a 


Sore Augen öffneten Nic) weit und ” Lippen bebten — 
unmerflic. 
„Solte eB... aber nein... : 
(Sberfarb hatte fie Rope ee er fprang plöß: 
lid) auf und legte lachend den Arm um fie: „Ewige 
Braut — dein Jdeal tritt an!“ rief er übermüttg. 
,Sronitabt ijt als Ginjdjub ins Regiment gefommen! — 
Und fiebit bu, mie ich ba8 eben an unjerem Tiſch in ber 
‚Sonne‘ hörte, da hielt e$ mid) nicht länger, jelbjt 
auf bie Ungnade des Oberft Hin, melcher ja, wie du 
weißt, bis in bie Puppen bei Tiſche figt — mußte id) 
heim und dir diefe famoje Ten berichten! Na, Altes, 
freuft bu bid?" — 

Einen Augenblid wechjelten Nöte und Dläffe auf Relig 
Angeficht, aber fie hatte e8 im Leben gelernt, fid) zu bez 
Derrjdjen und verfiel nicht in den lächerlichen und alt- 
jungferliden Fehler, bei ber Heinjten Uberrajdung ober 
Erregung Herzträmpfe zu befommen! | 

Sie freute fid) von Herzen und befannte bieje Freude 
auch ehrlich und unummunden. Einen alten Freund wieder: 
zuſehen ift ftet3 eine frohe und bealüdenbe Thatjache, und 
wenn Diejer Freund in ihrem Herzen auch unverändert die 
Stellung eines Ideals einnahm und als erite und einzige 
Liebe darin herrſchte, jo war doch biejcá Gefühl fo ge- 
flart und geläutert und [o bar aller Sentimentalitäten, 
dag Refi ohne Heuchelei wohl auh von fih behaupten 
fonnte: Ich tann ibn en fommen und ruhig gehen 
ſehen!“ — 


— {53 — 


Sa, mit rubigem Herzen, ohne falſche Jllufionen und 
thörichte Hoffnungen, aber froh und beglückt, heiter und 
guter Dinge, jo wie bie ehrbar alte Negimenistante bic 
Hände zum Willfommen entgegenjtredt! — 

Und jo jprad) fie ihre Freude aus und Eberhard zog — 
Ihmunzelnd eine Depejche aus der Tafche und hielt fie 
ihr hin: „Da hat er jid) gleich auf unjere alten Bezie- 
hungen berufen und bittet mid), Quartier für ihn gu 
machen! Weißt du, Neji, mir ijt ein guter Gedante gez 
fommen. Die Junggejellemvohnungen mit Stallung für 
3—4 Pferde find jest verteufelt tnapp hier geworden! 
Grunert3 ganze Billa fann der Ginjieblerfreb8 unmöglich 
gebrauchen, und eine andere hübjche und pajjenbe Woh- 
nung ijt momentan weder für Geld mod) für gute Worte 
zu haben. Da dadjte ich, Kronjtadt befommt meine 
jebige Wohnung in ber Unteraltenburg — und td) ziehe 
hierher zu euch im den Erfer oben. Unten die beiden 
Zimmer redjtà vom Flur benußeft bu ja dod nur als 
Bindfadenftuben, da fann id) mein Arbeitzzelt und Rauch⸗ 
fabinett aufichlagen, und oben das große Erferzimmer 
wird aí8 meine Schlafitube frifiert! Wozu drei Logier⸗ 
räume, eë fommt ja doch fein Menſch; höchſtens mal 
eine durchreifende Goujine, na — unb für bie reichen 
zwei Bimmer mit vier Betten aud) aus! — Pierdejtall — 
und Wagenremife ijt ba und wird ja bod) nicht von 
euch benugt — aljo — ich folage vor, wir helfen dem 
Kronftadt auf dieje Meile unter Dah in sad. Tante 
Auguste Hat ficher nichts dagegen! Die hörrs ja gar 


— 151 — 


nicht, wenn mein. Scherasmin mal die — — m 
amphi” — = 
Refi war ganz — und p geier iib — 
für bie Neuerung, ja fie nahm es als ganz felbitverjtänd- — 
lid) an, daß ihr als vereidigter Negimentstante bie Ber- 
pflichtung zufalle, Rronftadt beim Umzug behilfl ich zu 
fein und ihm die neue Wohnung fier einzurichten. „Sa, 
das thu bu, Altes!“ — midte Eberhard. „Bir. ewig 
Männliches verjtehen ja von dergleichen Dingen dod) 
nicht, und du haft die Gejchichte famos 'rau8! — 
Niebeland ſchwärmt ja in allen Tonarten, wie prattijd) 
und reizend Du ihm fein Neft ausgepolftert hättejt, und 
wie neulich feine Mutter mal hier war, fonnte fie bir 
ja aud) gar nicht genug des Dantes jagen! — Mjo id) 
Schreibe Sronjtabt, um den Umzugszauber brauche er 
fid bier gar nicht zu fiimmern, bu würdeft ibm | ion 
feine — fteben a fejtnageln, hättejt fon Übung 
~ E 
Refi jüttelte immer wieder finnend den Kopf. „M3 
Etatsmäßiger fonunt er her? — Sa, mie ift das nur 
möglich? — Go febr viel älter wie bu war er bod gar 
niht! — 

Der Nittmeifter auctte die 9[djelu. „Sa, bie Merle 
mit ben echauffierten Waden haben eS immer ein bischen 
eiliger wie unjereing” — — 

„Kerle mit echauffierten Baden? Refi rip erjtaunt 
bie Augen auf, 

Sa ja — das find bie Generaljtäbler mit ihren 


himbeerfarbenen Beinen! — Sehen He etwa nicht aus, ala 
ob fie ihre Unterthanen hölliſch ſtrapaziert hätten mit 
all bent Slettern und Springen? — — Na, und Kron⸗ 
ftadt hat ja auh lange genug in ber großen Dude gee a 
arbeitet ^^ — Ir) 

Fräulein von Wieders lachte ſchallend cuf: PED 
haft ein unglaubliches Mundwerk, Cäfar, und deine 
bilderreiche Sprache get in das Genre des ganz Wro- 
Dernen!” — 

„Dan muß mit ber Beit fortjchreiten! Und Tante 
Auguſte? — Wo ftedt fie eigentlich?” — ——  — 

Refi jeufzte. „Sie blieb in ihrem Zimmer und flagt 
wieder jehr. Mir deucht, ihr Ohrenleiden nimmt von 
Tag zu Tag zu, faum, daß fie noch veriteht, wenn man 
ihr bie Worte mit aller Kraft der Lungen in das Ohr 
ichreit! Und bod) verlangt fie immer Unterhaltung und 
ihimpft, wenn die Menjchen fie nicht befuchen! Wer 
mag aber noch jebt gu ihr fommen, um fih Heijer zu 
idreien und obendrein ihre ſchlechte Laune zu ertragen? 
Die beiden Fräulein von Tauberts waren mod) die- 
jenigen, welche am meijten famen, aber feit fie das lebte. 
Mal die Armen jo fehr franfte —" x 

,— Rranfte? Ich wollte Schon immer — was 

an fid bie alten Gchachteln gar nicht mehr bliden 
fallen?!" — 

„Du fenn{t den Vorfall wohl gar nit?” — 

„eine Ahnung! — Schieß mal los!“ — Und die 
Hände in die Tafchen feines Beinkleides perjeuft, man: 


I0 DM 67 


derte ber pes mit großen u im Saon qw 


.— und nieder. 


Refi lehnte fich in ihren Gefjel — a datte, 
„Man hat der armen bo Unrecht gapan, jie war 
diesmal unjuldig — —— | 

„Ra, na 11^ — ee 

„Wirklich, fie war ebl ber bie Tauberts laffen fid) 
leider nicht davon überzeugen! Du weikt ja, wie miß- 
trauiſch und leicht verlegt die jechs alten Schwejtern find — — 

„Seh alte, unverheiratete Echweitern, welche zu- 
jammen in einem Häuschen wohnen —! Heiliges Linfs- 
ichwenft, man hat recht, bieje8 E Tauberts den 
Taubenſchlag zu nenneu!!“ 

„Da fie meiſt als halbes Dutzend in ben Damen-, 
faffees erjchienen, glojficrte man ein wenig über Diefe | 
Maffenauflage, was ihnen zu Ohren fam, und fie verz 
anfafte, febr ungern und ingrimmig nur mag zu gone 
auf einmal auszugehn!“ 

„Genügt aud) vollfommen!” — | ae 

Ferner find bie Schweitern Tauberts jebe mager und 
recht alt, welch erjteres ihnen jtet8 — und welch legteres 
ihnen jon at Jahren ein créve-coeur gemejen! — 
Verzeih! dieje langatmige Worrede, jie ijf aber zum Berz 
ſtändnis ber Situation notwendig. — 

Süngft nun hatte Tante Augufte bem Buttermann aus _ 
Biendorf Auftrag gegeben, ihr junge Tauben zu bejorgen, — 
bie fie befanntlich jebr liebt, und bie fie fid) zu Frikaſſee 
und Baftete zubereiten laffen wollte. 


— 17 = 


Tage darauf erjcheinen zwei Schweftern Tauberts 
zum Beſuch, und da Johann gerade i im Garten arbeitete, 
läuft Sette hinauf und meldet febr eilig in ihrer fächfijchen 

Sprache etwas jchiver verjtändlih: Gnädige oror — 
Fräulein bom Tauberts find dal! — 

Zante Auguste ift juft mit ihren Gedanken etwas 
brouilliert und denft wohl auch an ihre beitellten Tauben, 
und ſchwerhörig, mie fie eben iſt, verſteht ſie, die Tauben 
ſind dal” — 

„õm“ — nite fie, „wie viele find’3 ihrer denn?” 

‚ra, man blos ame — 

„Sp? Nur zwei? Dann jagen Sie mal — das wäre 
mir biel zu wenig — auf ein halbes Dugend hätte ich 
geredjnet!^ — | 

Sette ftarrt fie verbis an. ye Stau Bas 
ronn — —” 

‚a — find fie denn enigttens i jung und fett? — 
fragt bie Tante, mit ber Hand am Ohr. - 

Keel” jchüttelt Jette erjtaunt ben Kopf. „Man recht 
alt und mager!” — > T 

,Co?" ruft die Tanke zornig: „Dann gehen Cie 
mal fofort him und fagen Gie: Erſtens wären mir 
zwei viel zu wenig, ich hätte ein Halbes Dugend er- 
wartet, und zweitens wären fie mir zu alt und zu 
mager —!” — 

„Hahahaha — — und das SFrauenzimmer beftellt’s 2^ 

„Ei verfteht fij! — Diefe Antwort deuchte Jette ja 
bei aller Eigenartigfeit äußerſt jpaßhaft, und fie richtete 


fie wortgetren aus. — — Der Kanonenfchlag, mit wel- 


chem die Hausthür hinter Fräulein von Tauberts guz — 


ichmetterte, war bie erite Runde, welche mir bon dem 
Unglüf ward!” — 
„Und was nun?” 

„Run lacht ganz Viaijenburg, dab man e& bis Leipzig 
hört, und im Taubenfchlag flattert e3 aus und ein von 
händeringenden Condolenz-Pifiten, — id) als erfte der 
Neidtragenden, — aber leider vergeblich, Tauberts glauben 
nicht an ein Mig verftandnis, jondern jchildern Tantes 
Grobheit fchon feit Wochen al3 unerträglich!” 

„OD web, — na, ba ijt'8 das befte, wir lachen mit, 
Refi, unb nun will id) ber Baronin meine Aufwartung 


machen, id) werde ihr hoffentlich jung und ue) genug | 


jem!“ — 





VIII. 


Ae ine große Feuersbrunſt hatte ein in ber Nähe 
( pon Maijenburg liegendes Dorf eingeäfchert ; 
die Not war groß und Hilfe dringend geboten, 
und jo hatte fich denn in Maijenburg ein Komitee gez 
bildet, welches beſchloß, in den fehr geeigneten Räumen 





des Schloßgartenpavillons, in welchem ftets derartige — 


MWohlthätigkeitsfeite abgehalten wurden, einen Bazar zu 
arrangieren, deſſen Erlös den armen Abgebrannten zu 
gute fommen jollte. Gelbjtverjtandlic) mußte die viel- 
beanjpruchte Regimentstante auch bei diejer Veranitaltung 
bejonders thätig fein, und Eberhard jchüttelte Den Kopf 
und brunmte: „Es wird ja zu viel, Refi! Du raderit 
bid) mal wieder ab, al8 ob du für zehn Pferde arbeiten - 
müßtelt. Gott fei Dank, daß du pia Knochen und 
joldje Nerven hajt!” — 

Refi lachte mit ſtrahlenden Augen und band ſich die 
Bänder ihres würdigen Capothutes unter dem Kinn. 

„Bott fei Dank, wenn e8 etwas zu thun gibt! Des 
Menjchen Leben ijt wahrlich nur fhón, wenn es vol 


— 160 — 


Mühe und Arbeit gemejen ijt, und wie felten Babe ich 
Gelegenheit, im wahren Sinne beg Wortes die Hände 

zu rühren! Deine Güte und Generofität, Hardi, hat mir _ 
alles jo bequem gemacht, daß id) mir meine Bewegung 
- [hon außerhalb des Hauſes machen muß! Alſo jebt 
gebt'8 flinf noch mal in die Küche, um nad) dem Rechten 
zu fehen, obwohl eë ja bei Anna nicht nötig ift, — wenn 
aber Sronjtabt zum erftenmal heute bei uns iBt, fol e3 
ihm auch jd)meden. Dann heift’s marſch, marjd) — hurra“ 


— mad ber Unteraltenburg — ber erfte Möbelwagen fol a 


fon um adt Uhr dort fein. Sch fage, ber erfte — ` 
wie viel nachkommen, ahne ich nicht, aber Kronitadt feint 
jein Neft recht anjehnlich mit Möbeln und petit riens | 
 gejpidt zu haben. —" = 
x „Ratürlih! Hat ja dazumal den — Orient aus 
getauft — na, und wenn fo ein armer, einjamer Kerl 
nicht mal ſein gemütliches Heim hatte! Verfügt ja nicht 
 jeber über eine ſolche Schmeiter pie id!” — _ 
— —. Rlapp hat er eing mit bem oe Wildlederhandſchuh 
por den Mund. 

„Und dann Konferenz im Pavillon — Vorbeſichtigung 
— und dann zu Gollnoms — —" 

„Sollnows? — Mami, was willft du denn da?“ 

„Die Damen haben leider auf die Lite ‚verhindert 
gejchrieben, und e3 wäre bod) ewig jdjabe, wenn bie 
teigende Martina, eines wnjerer hübfcheften Mädchen, als 
Verkäufern fehlen folte. Ich hatte mir ſchon etwas 
jo Nettes für fie muegebacyt, fie follie als UM pon 





MegimentStante I 11 


Die 


Jtom. i. 9tov., 


30. 


, 


Ny. Eid firuts 


= 188 5 xx 


Rairo Gigaretten verfaufen, — glaubft bu nicht auch, dab fih —— 
ihr Geſichtchen grade im Koftüm entzüdend machen müßte?” 

„Das jhon! Aber du liebe Beit, folh ein Koſtüm! 
Bedenke, eë ijt eine befannte Sache, daß der Landgerichts⸗ 
rat in ſehr beſchränkten Verhältniſſen lebt!“ a 

„Ah was! Ein alter ZTyrann, ein falthergiger (gift = 
it ec!” rief Refi erzürnt und fnöpfte fichier heftig ihren 
Handjchuh zu, „Der feinen armen Damen fein Vergnügen 
gönnt! (Glaube mir, ich Babe längft hinter die Couliſſen 
gejdaut und weiß, mie die Armften unter diefem enge 
hergigen Pedanten leiden müfjen! Und barum will id | 
den armen Dingern zu Hilfe fommen. Sit e8 nur die 
Koftümfrage, ei, fo werde id) ſchon durch dies oder jenes 
helfen können! Gott fei Lob und Dank, daß ber liebe 
Gott mir einen jo berzensguten — edlen — generdjen 
Bruder gegeben hat, welder... .” 

„a — Altes — nun aber ftopp —“ und Diesmal 


flappte des Rittmeiſters weißer Militärhandfchuh auf ihren — 


Mund; dann umarmten fie fid) beide lachend, und Eber- 
hard fíopite ifr zärtlich den Rüden: „Nur zu, Refi! 
&' ijt brav, dak bu dich der Mädels annimmit, und wenn 
ihr zu dem Orientalijden was hübſch Geſticktes braucht, 
bann fannft bu meinetiwegen meine alten Schabraden 
verwenden, — ober meine Schoitachierten aus der Zeit 
meiner furzen Gajtrolle alg Hujar —" 

„Aber Cajar!! — Schäme bid! — Apropos — der 


fleine Lichtenberg ijt eingetroffen, ves wahr? Was 


macht er fiir einen Ginbrud ?^ 


— 108 — 


Der Nittmeifter zog eine Grimaffe. Grüner Laffe, 
nod) gum Plagen vollgefüllt mit bem hohen Celbftbemufte 
fein des Geleftanerá, mit dem ganzen unreifen Hochgefühl 
eines Knaben, we (cher ſich plötzlich als Mann fühlt! 
Recht eingebildet, jelbftzufrieden und ungeheuer elegant, 
man merit, bab id eine überzärtliche Mana und ſechs 
bejorgte Tanten abgemüht haben, dem jungen Sam 
Grajen den Kopf voll Marotten zu feben!” 

„Ei bu ewige Kümmernis, da ijt ja eine fchöne Ron- 
Duite! Na, dann fann ja bie Negimentstante auf recht 
viel gefegnete Thätigfeit gefaßt fein! — Nun aber Gott 


befohlen, Hardi! e8 ijt bie höchſte Beit!” — Und bie — 


Sprecherin ffopfte bem Bruder noch einmal mütterlich herz- 
lich bie fleiſchige Wange und verlich mit ihrem fchnellen, 
rejoluten Eitt bas MP 
Y 

Durd ben. € . über deſſen Bäume und 
Sträucher ber Winter” jeine ersten Neifjchleier gehaucht, 
ichlenderten drei junge Küraſſieroffiziere 

Dem einen Derjelben, emem blutjungen, hochaufge | 
ſchoſſenen Bürſchchen mit bartlofem Milchgeſicht, welches 
troß des Monocles am breiten, fehwarzen Band und der 
ungeheuer arroganten tiene, welche er aufgeſetzt, abfotut 


nicht älter als achtzehn — höchjtens neunzehn Sabre erz 


jcheinen wollte, biejem einen jab man es Icon qup zehn 
Cdyitt weit an, Dak feine Equipierung fo neu — fo 
nagelneu nod) war, daß man berechtigt war, nud den 


Neihfäden im Paletot zu juchen. | 
Ift 


s= 1061 — 


Cr hatte bie Hände nachläffig in bi Baletottafchen 
perjenft, und muijterte mit halb zugefniffenen Augen die 
Anlagen und den in Kleiner Entfernung auftauchenden 
Pavillon mit einem fo geringſchätzigen, ja mitleidigen Aus- 
 brud, daß feinen beiden nur wenig älteren Begleitern bie 
Nöte der Verlegenheit in das raube Kriegerantlit ſchoß — 

„Scheint ja ein verzweifelt odes Neft au fein!” näfelte 
Graf Lichtenberg und jeine Gelichtsmusfulatur arbeitete 
wie im Veitstang, um das ungewohnte Monocle zu balauz 
cieren. „Ein infames Pech, daß id) mit zwei Fürften 
und einem Prinzen von Geblüt für bie Garde-Ravallerie 
fonfurrieren mußte, hatte fonft, troh ber Überfüllung, befte 


a Chancen dort angutommen. %h ... und das ift ber bez 
ue rithmte Pavillon — wo der Bazar abgehalten werden joll? 


a - ſieht einem SGuterſchuppen verzweifelt 


ähnlich 3 
| „od — finden Sie Graf? Xm Allerdings ein jebr MUS 
altes Gebäude — aber innen recht nett . . . und gerade — 


für ben Zwed geeignet! — Der Kronprinz hat während - 
des Kaiſermanövers jogar einmal da logiert —“ 
„Glaube e8 Ihnen, Niebeland, in der Not frißt ber 
Deiwel Fliegen! Wh... und jonit? Wie habt ihr e8 
jonft hier? — Bißchen was Suterejjantes für Herz und 


Geele? — $übjde Weiber . . was?” 


„Und ob!” 

Die jungen Herren gerieten wahrhaft in Eifer, als fie 
bie Sterne von Maiſenburg und Umgegend nambajt 

madten. „Biel gute Gejellfchaft, ſcharmanter S'anbper- 


— 165 — 


febr — — apropos — haben Sie ſchon Shre Vifiten qez 
fahren und find Gie viel angenommen, Grape s 
„Angenommen? — Wh — jollte mir fehlen, mich 


Haus für Haus melden zu — die 


Karten abgeworfen!“ 
„Auch bei Tante Thereje?” tiefen die beiden Begleiter 


ss gang entfebt unb mie aus einem Munde. 


„Zante Therefe? Wer ijt Tante Thereſe? hüftelte 
Graf Lichtenberg und warf den Kopf bor Gelbitbewußtjein 
derart in den Naden, Daß es Hm bequem gane in Die 
Nafe regnen fonnen. | 

Nun — Fraulein von Wieders! Unjere Regiments- 
tante! Die Schweſter vom Mittmeijter!” — 

„So — ah! .. . Mt oder jung?” 

Miebeland blickte Hochbetroffen zu feinem Ramerad 
Howald hinüber. 

„Ra — mie alt fie ijt, wiffen wir gerade nicht, aber 
jung ijt fie feinesfall3 — o im Gegenteil — 

Ihr perjönliches Bech!" ipottete Lichtenberg, „und 
wie nennen Sie bie alte Dame? MegimentStante? Was 
heißt das gu 

„Bas das feiBt?^ rief Niebeland paile, „daß 
fie das befte, vortreiflichite Wejen unter Gottes Sonne 
ift, daß fie fid) riefig verdient um das Regiment — rejp. 
um das Dffizierforps macht! Alles ſchwärmt für fie, und 
mit vollem Recht! Du liebe Beit, wie ftände eë um gar 
manches, wenn Tante Reſi nicht mare! = befte Kamez x 
rab ijt fie, auverlajjig, verjdjwiegen —^ | 


— 100 — 


Lichtenberg lachte mit heller, dünner Stimme auf und 
blinzelte den Sprecher ironijd) an. „Um alles in der 
Welt, Herr? Sie find ja ganz Grtaje! Glaube fattiid 
Sie haben fid) im bie Alte verliebt!” 

 Stiebelanb war verdugt und verlegen. yo) — baz 
von ijt gar feine Rede... aber wir haben fie alle gern 


ud Am Sie e unjere Negimentstante fennen 


lernen —" 

SR, Nicbeland hat recht!” nidte Howald, fid) energiſch 
-aufraffend, „die Wieders ijt eine vortrefflide Perſon — 
und wenn Sie ſie erft fennen lernen —“ 

„Gott bewahre mich davor!” 


,"Bie? — Sie wollten...0 Sie haben ihr bo — 


idjon einem Bejuch gemacht?” 


„Denkt gar fein Pferd dran! Bei alten Schachteln = = 


mache id) pringipiell feine Befuche Y" 
Seine beiden Begleiter wechjelten einen Vli, in — | 
bereit3 ein Funken der Gereigtheit alimunte. | 
„Das möchte ich SDmen nicht raten!" fagte Niebe⸗ 
(and ploͤtzlich ſehr kühl unb förmlich, „Sie tommen zu 
Wieders’ Esſskadron — und im Haufe feines Vorgeſetzten 
feinen Beſuch zu machen, wäre bod) eine... einjad) 
ie, 2 
Qichtenberg rig momentan bie Augen auf, „on? 
Cie führt bem Bruder den Haushalt? Wh . . . das ijt 
freilich etwas anderes, natürlich, dann muß id) ta Karten 
abwerfen!“ — 
„hun Sie das niht, Graf! — bemerfte Howald 


— 167 — 


troden, „e8 möchte fich übel an nen rächen, denn mer 
eo mit Tante Thereje vericherzt —’ 

„Haha! — Sauber Sie, id) fürchte mich vor einer 
alten Jungfer?” 

Nein — das glaube ich nicht, —^ Niebeland mufterte 
den neuen Kameraden von oben bis unten, feine anfang- 
fide Schüchternheit war verflogen, der Celeftaner mit 
dem Monocle imponierte ihm abjolut nicht, „aber ich 
glaube, daß e für einen jungen Offizier und Neuling 
recht fatal fein dürfte, bie ganze öffentliche Meinung der 
Gejellidaft unb de3 Regiments gegen fid) zu haben!“ 

Lichtenberg lachte abermals. „Was ber Taujend! 
So jtehen Sie alle unter dem Pantoffel biejer Alten? 
ÑH — wäre das erjte Mal, bag ich einem Weihe — 
nod) dazu einem alten und häßlichen, den minbeiten Çin- 
Hub über mid) emrüumie! Sch mache feine Ausnahme — 
mit ihr, jondern werfe bei ihr. qud Karten ab, mie bi — — 
allen. — — nae 

„Dann wundern Sie ſich nicht, wenn Cie bei — 
Karlenſpiel gewaltig verlieren!” — Howald flappte mit. 
faltem Gruß die Haden gujammen. „Ste wollten mid) 
begleiten, im Ständehaus bei dem Präſidenten vorzu— 
jprechen, Niebeland!” wandte er Hd) am den jungen 
Kürafjier, „wir find aur Stelle. Pardon Graf — eine 
Beiprechung wegen des Bazars —" 

Auf Wiederjehen Herr Graf!” — und nach kurzem, 
formellem Gruß befand jid Sai von Lichtenberg zu ——— 
jeinem nicht geringen Erjtaunen allem. Er flemmte ge ` 


— 168 — 


ärgert bie Unterlippe 3mijdjen bie Zähne. „Sch glaube 


wahrhaftig, die beiden befamen falte Füße, weil ich niht 


in ihre Lobpojaune über das alte Frauenzimmer ein- 
ſtimmte“, mebitierte er im Weiterjchreiten, „Lächerlich! 
ſcheinen ja angenehme Zuftände hier! Ein ganzes Regi- 
ment — eine ganze Gefellichaft läßt fic) von einer alten 
Jungfer tyrannijieren. — Das follte mir einfallen! Und 
bod)... fatal, febr fatal, daß Wieder$ gerade mein 
Nittmeiiter ijt! Da ware e8 doch am Ende ffüger, man 
fügte fi! — Snfam! ganz infam! Gich wie ein Dummer 
Sunge fommandieren laffen! Und ich thue e3 bod) nicht, 
fällt mir nicht im Traume ein, wegen folch einer alten 
Schachtel perjönlich bie Treppe zu fpringen! Aber halt 
— mir fällt etwas en! — D, , ausgezeichnet, bas wäre 
ein Gebanfel^ — und der junge Graf lachte jo trium 

pbierend, daß bas Monocle in hohem Bogen über bie 
Naje weajprang. „Heute abend ijt ja großes Felt bei 
irgend einem penfionierten General — ba wird ja wohl 
bie Allerweltstante auch fein! Ga, richtig, id entſinne 
mid) — ber Rittmeifter jagte mir ja, er würde mich gern 
bitten, den Thee bei ihm zu trinfen, leider wären feine 
Schweiter und er aber heute abend verjagt? Das jtimmt 
ja brillant zu meinem Plan. Und Kai von Lichtenberg 
bob den Kopf noch jelbjtbewußter wie zuvor und jchritt 
ſtolz auf jeiner Stegesbahn dahin, — und weil er nun 
patentierter €eutnant mar und fid) feinerlei Borjchriften 
mehr machen ließ, fondem al8 gemadjter Mann das 
that, was er wollte, jah er auch nicht die große Schnee- 


— 169 — 


wafferlade, welche die Conne perfibermei]e gerade da 


x  eujgetaut Hatte, wo Graf Kai hintreten wollte. 


Und er trat — und das Waffer ipribte ihm um die 
Dhren und gab dem HRGSNEUEN . einen fatalen 
Denfzettel. 

Sold) Heines Warnungsfignal gibt bie meije Vor- 
fehung oftmals Menfchentindern, welche die Nafe zu hod 
tragen, aber Rai von Lichtenberg reagierte nicht auf 
jolde Vermahnung, fondern ftolperte — jedweden 
Nutzen 

Da es außerdem begann dämmerig zu nba — 
obwohl bie Domuhr erft halb fünf Uhr gejichlagen — 
lenkte ber jünglte Kürajfier feine Schritte nad) Haufe, 
denn er brannte vor Begierde, der lächerlich geichul- 
meifterten Gejellihaft von Maiſenburg anjcheinend den 
Willen zu thun, und Fräulein von Wieders perjönlich 
eine WnirittSvifite abzuftatten, und heimlich ber alten 
Mamfell bod) ein Schnippchen zu ſchlagen, und zu thun, 
was ifm beliebte. 

Ser neue Buriche de3 jungen Grater war ein flinter, 
— Kerl, ein Rheinländer, weldje ja alle recht 
brauchbare Menschen find, wenn e8 gilt, einen feinen 
Karnevalfcherz auszuführen, und als folchen faßte Aloys 
Fuchs aud) bem Höchit eigenartigen Befehl auf, welchen 
fein Leutnant ihm foeben zu geben gerubte, und welchen 
er, laut feiner Verfiherung — ganz vorzüglich begriff. 

Rai Lichtenberg jchärfte feinem Knappen folgendes ein: 
„Du beftellft für 1/8 Uhr einen Wagen, ziehft bir meinen 


Li DN sux 


t Paletot über, fegt meine Mütze auf und nimmt hier 


meine Vifitenfartentajche in bie Hand, — und dam . 
fteigft Du in bem Wagen und befiehlft zur Wohnung von 
Fräulein von Wieders. Dort angefommen, fteigjt du 
aus, flingelft und fragft den Diener, ob das gmübige 
Fräulein gu Sprechen fei. Er wird dir antworten: ‚De: 
Daure jehr, die Gnübige macht Toilette‘ oder ‚Die Gnadige 
ijt nicht zu Haufe‘ Darauf gibit bu zwei Karten ab 
und ſagſt: Beſtellen Sie den Damen mein aufrichtigjtes 
Bedauern, und ich hätte mir erlauben wollen, perjin- 
{ich meine Aufwartung zu machen! — Beritanden, 


Kerl? — Berjönlid fagft du recht mit — d = — 


„Be ebl, Herr Grapl^ — pee 
„Bon; nun wiederhole, was bu gu. jagen Haft!“ pe 
Und Moys wiederholte es tadellos. : 


„Befehl, Herr Graf — wenn das grädige Fräulein o 


nun aber bod) zu Saul fe ift?” x 
„Sie ijt nicht zu Haufe!” verwies. der junge Gen 
etwas jcharf und nngnábig, und Aloys war entlajfen. 
Gr ging, pfiff fid) vergügt ein fleines Lied und be . 
ftellte den Wagen. — Wem hätte fold) ein UE mehr 
Spaß gemacht, wie Aloys Fuchs! Schade mur, daß ber. 


Leutnant ihm aufs 3 jtrengite verboten hatte, über die Ans p. 


gelegenheit zu reden. : 


‘ 
Reſi Hanb an bem Feniter und faute leuchtenden 
. Auges bem Bruder und Kronjtadt nach, welche durch ben 
Dammernden Abend dem Gaſthof zur Sonne entgegen- 


— 1 — 


(dritter, — ungern genug, aber dennoch gehorjam dem 
gejtrengen Dberit, welcher nicht gern allein bet ber 
Gigarre faf, jonbern die älteren Kameraden gemifler - 
maen „dienjtlich” zu feiner Unterhaltung heranzog. 

Man Hatte biejen Zwang von vornherein unangenehm 
empfunden, aber das Unbehagen fteigerte fid) von Tag 
zu Tag, je mehr der alternde Herr feine einjame, troft- 
(oje Häuslichteit floh und in dem Hotelzimmer (rjat 
für jehlendes Familienleben fute. — 

Wieders und Kronitadt liebten den Aufenthalt im 
Wirtshaus abjolut nicht und trennten fid) defto fchwerer 
von bem fo reizend behaglichen Kaffeetiich im Salon ber 
NegimentStante, wo nad) bem Mittageſſen der Waſſer⸗ 
keſſel ſo gemütlich über ber Spiritusflamme fang und 
der Mokka ſo beſonders gut ſchmeckte, weil heitere Gez 
ſpräche und liebe Ritcerinnerungen thn würzten! Bum 
eritenmal nach langen Jahren jahen fid) Refi und Kron- 
Habt wieder, unb mwenn aud) das Herz des gealterten 
Mädchens hoch aufſchlug und mod) ebenjo begeijtert und 
glücjelig bem deal entgegenbebte, wie ehemals, fo 
lächelte ihn ihr Antlitz doch ebenjo ruhig und friedlich 
an, wie tm jener Stunde, wo er ihr zum legten Abjchied _ 
bie Hand gereicht, und ihr peg bor Pa und veid zu. 
brechen drobte! 

Und heute ahnte er ebenjowenig wie opu was 
feine fchmeiterliche Freundin für ihn empfand. Mit 
welchen Gefühlen blickte Refi zum erjtenmal wieder in das 
{chine Antlig, welches ijr Traum bei Tag und Nacht war! 


— 172 — 


Fand fie e8 wieder, wie fie e3 einft verlaffen hatte? 
ie fchön war e8 nod) immer; ja — wieviel inter- 
^ effanter und bedeutender erjchien e3 ifr jebt, mo Gr- 
fahrung und Wedel des Lebens es ee unb 
gereift hatten. 

Schmal, bijtinguiert, pon jener leichten Bla, rie fie 
angejtrengte Bureauarbett mitbringt, fah das Geſicht mit 
bem fleinen, duntlen Schnurrbart und den großen, leude 
tend dunflen Augen immer nod) auffallend jung aus, 
nur an den Schläfen mijchte fid ba8 Haar mit feinen 
Cilberjübem, und die ernite, nachdenfliche Falte zwiſchen 
den Brauen hatte fid) vertieft. 

Auch bie Geftalt war ſchlank und elaſtiſch geblieben, 
eher zur Magerfeit wie zur Fülle meigenb, und Refis 
deal litt in feiner Weife durch bieje8 Wiederfehen, um 
Gegenteil, eë vervollfommnete fich, weil e3 bem anjprudj& 
volleren Gejchmad ihrer Fahre mehr entiprach, mie das 
Bild des jungen, jchönen Leutnants, belen Antlitz ehe- 
mala nod) ein unbejchriebenes Blatt geweien. — 

Wie weggewiſcht war die Zeit, welche zwilchen ehe- 
mala unb heute lag. 

Bol warmbergigfter Dankbarkeit erfannte Rronjtadt 
alle Hilfe und Fürforge ber hochverehrten Tante an, ja, 
er geſtand freimütig, Dak er e8 faum anders erwartet 
habe, und daß er nad) Maiſenburg abgereijt fet mit dem 
Gefühl eines einfamen Wanderers, welcher endlich wieder 
heimatliche Lichter vor fid) erjtrahlen fieht. — 

Die fchöne, vergangene Beit werde nun, fo Gott will, 


wieder aufleben, und mit ber trübfeligen Verlaſſenheit 
habe e8 heute ſchon aufgehört, wo fic) das liebjte und 
gaſtlichſte aller Häufer ihm neu geöffnet. rs 

Gr gedachte jenes Hojballes, wo zum erftenmal im 
Scherz das Wort: „Negimentstante!” gefallen war, und. 
amtierte und freute fid), wie aus biejem Scherz ein jo | 
ichöner und jegensreicher Ernſt geworden fet! = 

„Damals, als Sie die Reſidenz verließen, Fraulein 
Refi, hatte id) geradezu ſelbſtmörderiſche Anwandlungen !” 
lächelte er. Sie glauben gar nicht wie vereinfamt ich mir 
vorfam; Shr Haus war mir jo unentbehrlich geworden, 
und jeljamermeijle fand Hd aud) in der ganzen, riefen- 
großen Stadt fein zweites, wo wir verwaiften Neffen uns 
jo mollig fühl ten, wie ehemals bet buen! — Aus Ber- 
zweiflung begann id) zu arbeiten und bereitete mich für Die 
Kriegsafademie vor — na, und e3 glückte, e ward ein- 
berufen — fam fogar in ben General} tab —" 

„Sieft bu, Neil, fon ‘wieder einer, ber eigentlich 
nur durch dein Verdienit groß geworden ijt!” ſchmunzelte 
Eberhard, und jeine Schweſter nidte mit ſtrahlenden Augen: 
„Da fiebt man’s mal wieder, was aud) bie geringſten Ur- 
jachen für bedeutende Wirkungen haben fbumen!^ — ——— 

Oa, e8 mar cin ſchönes, ungetrübtes Wiederfehen, 
und alg Nefi am Senter ftand - und den Herren nad 
blickte, Deuchte es ihr, ber ganze Himmel fei eine einzig 
große, leuchtende Sonne, — und bod) hing er voll dider, 
grauer © Schneewolfen uib ber Abend brad) unabänderlic | 
herein! — | 


Minuten waren vergangen, — da ward die Thür 
geöffnet und der Diener meldete mit fragender Stimme: — — 
Fräulein Martina ran —  bejeblen. gnädiges 
Fräulein?” — 


Reſi wandte jid haftig um. ea — bag ift ier 
ſchön — ich laffe bitten, näher zu treten !” 

- Leichte Schritte fangen auf bem Flur und im nádyiten 

Augenblick jtanb eine fchlanfe, gragibje Mädchengeitalt — 


zwijchen den Portieren, welcher Nefi mit ausgeftredten — 


Händen, in ihrer jo gewinnend liebensmwürdigen Weile - x 
entgegeneilte. | — x — 

„Meine liebe Martina, wie freunbíid) von Ihnen, 
heute abend mod) zu fommen!” 

„Wir haben fo febr bedauert, gnädiges Fräulein, 
Sie heute vormittag bei uns verfehlt zu Haben, und 
wollte id) doh nicht ermangeln, Shnen dies zu verz 
dern!" — x 

Mit —— rehbraunen Augen, in welchen 
das Lampenlicht goldene Reflexe wedte, blickte Die 
Sprecherin zu Reſi auf, und ihr feines, — 
Geſichtchen mit ben friſch überhauchten Wangen und dem 
feinen, ſtolz gezeichneten Mund ſah ſo bezaubernd unter 
Dem weißen Gazeſchleier aus, daß Reſi voll EI 
einen Kuß auf bie Schöne Stirn brüdte.- 2 

„regen Sie ab, liebes Herz! trinfen Gie noch eiue 
Taſſe Kaffee mit mir, und dann erzähle id) Ihnen, was 
ich heut bei Ihrer Mutter wollte!” - 

„Störe id) Sie nicht, liebe Tante Refi? Cobiel id) 


uc des ee 


weiß, ift heute das Felt bei Erections Salben, und OG os 


Dürfen Ste bod) nicht fehlen!” - — 
Reſi wies auf ein Billet, welches neben b Shonen = 
vafe auf bem jeitwärts ftehenden Marmortiichchen lag . 
und nur ein paar Zeilen mit Bleiftif‘ gejchrieben enthielt. 
„Denten Sie doch, in ber legten Stunde alles ab- — 
gejagt! Eine Depejche hat das ganz plößliche Ableben 


der Mutter von Frau von Saldern gemeldet, und figen — 


fie jest jhon auf ber Eijenbahn, auitatt ihre Gälte —— 
empfangen zu fonnen. Es thut mir gar zu leid, daß es 
ſolch traurige Veranlaſſung gt — 

Während fie fprach, hatte Reji stein Befuch bie ie x 
einfache, aber fleidjame Jade abgenommen, Martina 
löſte felber das Hütchen pon bem bujtig gewellten Haar, 
und wenige Minuten jpüter jaßen beide Damen im eif⸗ 
rigen Gefpräch gujammen. 

„Sie glauben, daß Sie vielleicht verreijen müjjen, 
und barum den Bazar nicht mitmachen können?” fragte 
Fräulein von Wieders und blickte fo tief und forjdend 
in bie Augen ihres Gegenüber, dak Martina heiß er- 
tötete. Einer Augenblid kämpften Stolz und Scham: 
gefühl einen heißen Kampf mit ihrem aufrichtigen Herzen, 
Die feinen Lippen, welche fid) jonjt jo Herb und ſpröde 
ichloffen, wenn eà galt, vor ber Welt ibr Elend zu perz 
bergen, bebten feije, und plößlich ſchlang Martina bie 
Arme um Refi Hals und Drüdte Das Antlitz gegen ihre 
Schulter. 

„Nein — Cie mijen ja bod) Beſcheid, unb nei, 


code 


gerade Shnen, Tante Refi, tann ich feine Unwahrheit 
lagen! — Ad, wie gerne wären wir bei bem Feſt zu— 
gegen! Käthe weint fid) por Kummer jdjon die Augen 
aus! Aber Vater erlaubt es ja nicht! Er jagt, unjere 
Toilette fofte ihn jdjon mehr wie genng, für Koſtüme 
und Derartige Narretei habe er fein Geld übrig — und 


Sie mijfn ja, Zante Refi — mit Bitten dürfen — 
wir ihm gar nicht sommen, — er ijt ja fo furchtbar 
ſtreng —^- 


„And wenn Sie bie Koftüme nun geliehen jg da. 
liebftes Herzchen — bann?" | 
Martina fchaute mit großen Augen auf. A, bas. 
wäre herrlich! — Aber wir fennen fo wenig Menjen 


hier . und bie Damen, welche uns näher ftehen, bes ——— 


Dürfen ber Koſtüme, welche fie bejigen, felber — —^" —— 
„Das woher ijt meine Sache! Wenn ihm das Fejt — 
feine Koften berurjacht, würde e8 Shr Vater Dann er- 
lauben?” ——— | | 
so qu. 10 hoffe wenigtten’ — ftammelte Fraulein 
Gollnow bunfefrot vor Freude und Verlegenheit, ihr font — 
jo unnabbarer, jpröder Stolz ſchmolz vor ber geliebten 
Fräulein Refi dahin, mie Schatten vor ber Comi: 
„Er befümmert fic) ja joni gar nicht um uns — und 
wenn wir fein Geld zu fordern brauchen —” 
„prächtig! Co wäre die Sache abgemadt, und Sie ver: 
faufen als Agypterin Cigaretten und Käthe als Sdwedin | 
bie Schwefelhölzchen dazu; das wird für Cie beide jehr - 
paffend und Dübjd) fein! Alles, was dazu gehört, be 


— 


ctm a LET en 


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4 


12 


stante I. 


Regiment 


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x. 9tov., 


p Cid ru th, SU. Rom. 


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f o x. c Mf, 
Z ` Z 
——— — 





— 178 — 


forge id), unb wenn eS zur —— geht, bitte id Sie 
beide zu mir her!” — 

G8 lag nicht in Martinag Wefen, viele Worte zu 
machen, fie war {till und zurüdhaltend, wie bie meilten 
 zartfühlenden Menjchen, auf welchen traurige Verhält- 
nijfe laften, aber in ihren wunderbar fchönen Augen 
ipiegelte fid) ihr Empfinden defto reicher und rüdhalt- 
lojer, und Nefi verjtand e8 fo gut, in fold) thränen- 
glänzendem Blick zu lejen. | 

Die Furdt vor rauhen Worten trieb Martina bald 
wieder heim; fie hatte den Theetifch zu beforgen, und 
wehe ihr, wenn nicht alles zur vollen Buf un Dee 
tyrannifden Hausherrn ausfiel! — 

.  Wefi geleitete fie pie ‚Treppe hinab, — Arm in oem 
ftanden fie nod) einen Augenblick und. namen Abſchied, 
dann ſchloß ſich die Thür hinter der Tochter des Land- 


gerichtsrats und Reſi blieb ſinnend vor einem der großen — T 


Flurſchränke ftehen. 


Sie hatte ja Beit jest, fie wollte jojort alle Sachen es 


zulammenfuchen, welche für die Stoitüme verwendbar 
waren, ja, fogar ihr Heiligtum, Den echt feidenen Kopj- 
ſhawl und Halsfchmud, welchen Kronſtadt ihr ehemals 
aus Kairo mitgebracht, wollte fie leihen, um ihren 
Liebling Martina zu jchmüden! Für He, das arme, 


jreudloje Rind, brachte fie dies Dpfer, — für andere ^. 


wohl nicht. Und jie öffnete den Erant und begann 
zu framen, 





IX 5 


EP Pahrend Refi juft im Begriff ftand, an bem 
großen Echlüffelbund nach dem  pafjenden 
oe Cchlüffel für bie Sdhublade des Schrankes zu 
juchen, trat Johann aus dem rechtsjeitigen Parterre- 
zimmer, dem behaglichen Nauchjalon Eberhards, aus 
welchen er die Campen zum Nachfüllen geholt batte, 
und juft in demfelben Moment rollte ein Wagen 
vor bie Hausthür und ſchnelle Schritte |praigen die 
Treppe empor. 

sohann stellte feine beiden dampet Hint nicber Mb 
rib Die Hausthür auf, und in dem unbeſtimmten Dämmer⸗ 
jchein erſchien eur Offizier im Helm und SBaletot. — 

„Sit Das gnábige Fräulein gu Iprechen? Ich wollte 
mir perjönlich — verjtehen Sie wohl? — perjönlicd) das 
Vergnügen machen unb fie bejudjen!^ jagte eine Stimme 
jo eilig und fröhlich, aber aud) fo penfumartig einge- 
lernt, daß Reſi erjtaunt hinter ihrer sch nen 
idjaute. | 





{2* | 


— 180 a 


Sohann nahm bie bargebotene Karte nidjt an, on: p 
bern jagte nach leichtem Raͤuſpern mit verlegenem Car 
blick nach feiner Herrin Pe ue gute find a 


Co 
,38a8 . . was? zu prehen? mieberholte e Befuch 
jo erichrocen unb jab fih jo ängſtlich mad) ber Haus- 


: hür um, alg wollte er bie Flucht ergreifen. Schon war 
-o Mefi vorgetreten und lächelte bem jungen Offizier verz 
s Dindlich gu. Durch, die grün- roten Scheiben der Flurlaterne 
erfannte fie ihn nicht genau, fondern jaf mur in unbe- 
| jtimnuten Umriſſen ein junges Geſicht zn fe wahr 
bet eutfet amjtarrte. 


x ,, Graf Lichtenberg Qu — midte Sul ein von Wieders 


d a ihrer. ungeniert freundlichen Weije, „wie freue ich mich, 


Sie zu defen. und Ihren Befuh, welchen ich beinahe 


u. fehl t hätte, nun doch gu empfangen! Holen Sie fchnell 
Licht, Johann, der Herr Graf tritt wohl einen Augenblick 
pe hier in das Zimmer des ‚Herrn Nittmeifters !” 


Der Diener jaufte mit jeinen Lampen davon, Reſi aber 
öffnete die Thür zu Eberhards Bimmer und bat mit eim- 


 labenber Gicite: „Bitte, treten Cie näher, Graf, und ge- 
- ftatten Sie, bak id) Sie der Einfachheit halber im Salon 
- meineg Bruders empfange!” = 


Der Graf ftand ftare und iteif wie aus nn gez 
ſchnitzt, bie ginger am der Hof ennaht und den Blick fo 


feſt und ſtier auf die Sprecherin ‚gerichtet, wie ein qez 
wöhnlicher Soldat, wenn er vor dem s Bosgejepten hamun x 


steht! 


— 181 — 


Seltiam! — Co hatte fie fid ihn gar nicht vorge(tellt. 


,"Dute, fominen Ste bod), Graf! | wiederholte fie noch 
einmal dringlicher, als der Junge PIRE. teine Wien: 


machte, zu jolgen. : m 
Qd) nee . . . ad) nee — Dag ot ja bod) nidy — — 
ftammelte eë endlich ſchier angitwofl unter bem ‘Helm hervor. — 

Melt aber lachte: „Ste ftören wirklich nicht, Graf, - 
und ich freue mich fo jehr, von Shnen über sire Arge- 
horigen zu hören.” 

Da jtolperte Rai von Sihrenberg ent le id vertegel E 
über bie Schwelle. = = 
Mein Gott! Sohann Hat Ihnen den Paletot in ber 
Gile nicht abgenommen — bitte legen Sie ab, fieber en 
— darf ich behilflich fein?” — 

Wie von jüfem Entjeßen gepactt, frallte be minder 
lige, junge Mann ben Paletot mit beiden Händen über 
ber Bruft gujammen. — „Nee — mee — um alles nid) . . 
das ijt ja alles gegen bie Vorfehrift... ih... id... ^ 

Refi lachte unwillfürlich auf. „WVorfehrift? — Lieber 


Graf, wenn Sie auch nicht die erfte Garnitur zum Vifiten- — 


fahren angelegt haben, fo nehme ich ba wirklich nicht übel! 
Mein Gott, id) bin ja fo gut wie ein Samerab von Ihnen! 
Bor der Negimentstante un Sie EUM x jo 
üugitíid) zu jeu" — 

. Q*ajjen Se man [ieber find! 9 Mich idudert nántlid, 


e8 ift fo falt heute!” — ftammelte Sai Lichtenberg, und 


jeine Sprache, ied ganze Art und Weije war > ube: 
jchreiblich fomijd) . | cx : 


"Sum, dann neben. Sie Plog! H — Reſi voll un— 
verivüftlicher Güte zu, und ibe Beſuch ſetzte ſich ſo un— 
beholfen und linkiſch, wie fie noch nie etwas geſehen hatte, 
born — gang vorn auf die Rante des Seffels, mah 
in das dämmerigſte Edichen hinein. 
Nun erzählen Sie mir mal — wie geht es Demi 
Ihrer lieben Mutter?” begann Fräulein von Wieders, 
wie man bei einem Kind die Unterhaltung eröffnet. 
„Meine Mutter?” — ihr Gegenüber macht ein Ge- 
rüujd) mit ber Nafe, wie einer, ber jid) das Schnupftuch 
erſparen will — ‚ma — die... ja fie hat fidj ba 
einen Gack Kartoffeln auf den Fuh aejdjmifen . , .7 
„Spre Mutter?! — Mein Gott, — wie fommt fie 
beum Dazu?” M 
S weef auch nid) genau .. . aber was meine Tante 
i8 — bie jchrieb, daß fie dermis von der Diele nad) dem 
- eller gewollt hat — —' 
x "Sore Mutter?” — wie eim Aufſchrei Hang’s und 
— Graf Sai rutjchte immer unruhiger Hin und Der auf dem 

Seſſel, und wijdte fic) mit dem Nodärmel den Angit- 
ichweiß von ber Stirn. 

„Seit wann geht Ihre Fran Mutter mg Keller und 
Küche? Qd) jab fie zulegt bei Hofe . 

„Das war wohl nod) in der alien Wirtichaft — 
murmelte ber Küraſſter ſchwer atmenb, das feine Barfim, 
welches von der vornehmen Dame herüber webte, madte 
ihn ganz fdjwindlig und bie Angit — wie dies alles 
werden folle — und was fein Leutnant jagen würde, 


veas js as 


ſchnürte ihm bie Kehle zufammen — ,jebt . . . ach nee 
. . bet ber jebigen mijerablichten Stadtwohnung .. . 
da haben je gar feenen eigenen Hof nid) mehr. . .” 
= Refi jtarrte den Sprecher wortlos an. Dies war 
- Graf Lichtenberg? — Hatte jid) Eberhard einen ſchlechten 
Wis gemacht und ihn juft im MARQUE von allem, was 


oe mar, geichildert? 


Doer... oder... nein — e8 war ja gar nicht 
möglich, nicht auszudenten — — ° 

Indem öffnete fid) Die Thür und ber Lichtſchein ber 
Lampen, welche Johann brachte, fiel grel auf bie felt- 
fame Zeutnantögeitalt. 

Refis ſcharfer Blick überilog fie — das in dieſem 
Moment völlig fonfternierte, ftupide Gefidjt, Die ver- 
arbeiteten, blauroten Hände, welche mit gefpreizten Fingern 
frampfhaft bie Knie umfrallten und last not least bie 
Beinkleider und unbeſchreiblichen Schmierftiefeln, welde 
unter Dem Baletot gum Vorſchein tamen — — Refi 
mupte genug. — — 

Eine Sekunde war fie iprachlog und wußte nicht. 
‚recht, jollte fie empört jein, oder (id aber fold) unerhörte 
Farce amiifieren? — ——— 

Graf Kai Lichtenberg war — fein Burie! —. 
Aber fie faßte fid) ſchnell und fand fid) mit ber Gewandt- 
heit ber Dame von Welt in ihre feltfame Situation. - 


‚Sie erhob fidj, und Moys Fuchs fchnellte ebenfalls —— 


empor und ſtand gewohnheitsgemäß wieder ftramm. 
„Sie find zu Wagen Hier, Herr Graf!” fagte Reſi 


— 184 — 


voll unveränderten Ernftes, „und ich will Sie nicht länger 
aufhalten. Habe mich jehr über Ihren Beſuch gefreut. 
Adieu!“ x | | 

„Adieu, — leben Cie wohl meine Dame! Gehor- 
famjt Befehl!” — ftotterte Moys mit dem Gefühl eines 


Raters, welcher in fremder Speifefammer jammerlid) — 
durchgebläut worden unb nun endlich eine rettende Thür 


fid) öffnen fieht — in fopilojer Haft drängte er an dem 
erſtaunten Sohann vorüber, flappte noch einmal in ber 
Thür. dienftlich die Haden gujammen und ftürzte daun 
mit wilden Sätzen burd) den Hausflur dem Wagen ent 
gegen. — 

„Daß du die Motten — i du. e odusllioner 
Himmel- Bombenclement ^ — jtöhnte er auf und fletterte 
in bie Drojchle — „Über jo was — fo ein verdammtiger 
Reinfall — Gott foll mich bewahren — ich bin wie 
gerädert an allen Sinochen..... Dunnerhagelblig und 
Knall — da foll bod) aleidj!^ — 

Und der jouft fo muntere, fede Aloys Fuchs rollte 
bie Augen noch immer jo entjeßt umber, als ob das | 


gnäpige Fräulein hinter dem Wagen herliefe und ihn 


nod) einmal zuricnötigte! Cin fo fdjauderhaftes Ende 
feiner fidelen Spazierfahrt hatte er ſich denn doch nicht 
vermutet und ehe er noch ein zweites Wal für ſeinen 
Leutnant Viſiten macht — lieber bod) Ddefertieren! — 

Potſakrament! — er hatte mod) nie im Leben mit 

einer vornehmen Dame gejprodjen — und bie eben 
jab jo hoheitsvoll aus und hatte jo etwas wie ber 





u 


Herr Oberft in ihrem Wejen, bei dem man aud) nie weiß, 


wo die Freundlichkeit aufhört und die mofante Nieder — 


trat anfängt — daß bem armen n Aloys vor Befangenheit 
ber Herzichlag ftodte! — 

Und ber feine Duft — und bas robie Jna — 
und daß fie immer „Herr Graf” zu ibm jagte — und 
ihn wirklich und wahrhaftig für den Leutnant äftimierte 
— ja, während er auf dem Marterroft von Plüfchjeifel 
jap, batte ihn das alles geradezu betrunfen. gemacht, er 
hätte e$ felber nicht geglaubt, bab. ihm das Herz derart 
in bie Hofen rutiden fünne — und jebt, mo er fid) 
allmählich erholte, und feine angeborene, freche Munter 
feit wieder Oberwafjer befam, da begriff er fid) felber - 
nicht in jeinem thörichten „Sammel ko 

Sebt, wo die Gefahr überjtanden unb der Rater jid) 
glücklich wieder purd) die Thür durchgeklemmt hatte, jaf 
er fofort wieder im Bewußtſein feines Wertes auf dem 
2 

Das beiloje Scimpfen, mit pedem er fid) zuerſt 
bag bedrangte Herz erleichtert Hatte, verjtummte, und 
aus allen niederdrüdenden Nebeln erhob fid) eine bejto 
- ftraffenbere Sonne, das SBerujtjein, für zehn Minuten 
ein wirklicher und wahrhajtiger Graf geweſen gu fem! — 

Wie tau ſchend und nobel mußte er Dod) jene Molle 
gejpielt haben, wie jchneidig hatte er wohl ausgejehen, 
daß bie Gnadige egal dabei ‚blieb. und. ihn Herr Gra] 
nanntel — 

Was er eigentlich geredet hatte, wußte er nicht mehr, 


— 187 — 


aber feine Phantafie und bie frijd) erwachten Lebens- 


geijter arbeiteten befto frajtiger und bald war Aloys x 


Fuchs felt überzeugt, daß er fid) tadellos benommen und 
jenen Leutnant vollftändig erjebt Habe! 

Das Hochgefühl ſchwellte feine Bruſt, unb wie ber 
Menſch nun einmal dazu neigt, nach itberftandener Gefahr 
in — mit Derjelben zu fpteler, wie Die Sabe mit 
ber Maus, jo fonnte fid) auch ber biedere Offigiers- 
burjche in ee Erinnerung an fein Abentener und war 
mie ein Epab, welcher vom fichern Birnbaum aus die . 

Vogelſcheuche verfpottet, welche ihm im erſten Augenblick == 
bod) in eilige Flucht gejagt! 

Eo gereichte e8 auch Herrn Moys zu bejonberem 
Vergnügen, in feinem Herzen über Fraulein von Wieders 
zu ulfen, welcher er ein fo großes X für ein ll gemacht, 
welche er jo völlig Hinter das Licht geführt und ein 
— Cchnippchen gejchlagen hatte! 

Mit funfelnden Nuglein erwartete er feinen suh x 
um ihm gehörig vorzurenommieren, wie famos er fic) aus 


der Schlinge gezogen und zu wieviel ungauslöſchlichen 


Dank Graf Lichtenberg feinem Doppelganger verpflichtet fet. 
Graf Kar fam jpát nad) Haufe, ingrimmig auf bie 
empörenden Buftände in dtefem Negiment petternb! | 
Bis nad ein Uhr hatte ber Oberft heute wieder 
geleffen und feine Offiziere an jid gefejlelt, fie zu töd- 
licher Langeweile verdammend! Das fonnte ja recht 
erfriichend werden, wenu das fo Abend für Abend beiz 
bleiben folte! Die andern Herren ftöhnten und ſchimpften 


auch ihon in en Tonarten db — ſich an 


ben einzigen Rettungsanter, Die Gefelligfeit, welche biejem 


unertráglidjen Wirtshausſitzen wohl ein Ende machen werde. 
So erſchien ber jüngjte Leutnant recht übellaunig 
endlich in feiner Wohnung und war überrajcht, Aloys 
Fuchs feiner farrenb, nod) vorzufinden 


Mit aller Lebhaftigkeit und Gewaͤndtheit, welche den oa 


Armſten bei feinem Debüt fo täglich im Stich gelaffen, - 
- fehilderte er fen Abenteuer bei Fraulein bom Wieders, 


renommierte und jehnitt gewaltig auf, und fonnte gar o 
nicht fatt werden zu verfichern, das gnadige Fraulein jei 


voliftandiq getäufcht worden und abme — on 
eigentlich empfangen. | 

Graf Kai war anfänglich febr betbabt — cm 
aud) ein wenig erjd)redt | über Dieje unvorhergelehene 
Wendung ber Dinge, aber jein Knappe wußte fein Un- 
behagen bald gu zeritreuen, und wenn ber junge Offizier 
den teden, jo munter. ichwadronierenden Burjchen anjah, - 
jo mußte er fid) eingeitefen, daß Aloys Fuchs wohl ganz 
geeignet jet, bie Rolle eines Leutnants zu jpielen. 

Er ließ fid) alles ausführlich erzählen, und da e8 
der Nheinländer mit der Wahrheit nicht allzu genau nahm, 
fo wiegte fic) auch Graf Kai bald in abjoluter Eicherheit 
und bog fid vor Lachen über biejen fapitalen Scherz. 
Nun, da alles jo gut abgelaufen war, fonnte er fich gar 
nichts Beſſeres wünſchen, als wie der alten Schachtel 


— eid) einen Schabernack gejpielt zu haben, denn jein 


Selbſtbewußtſein mar groß und mit ber Halsſtarrigkeit 


¿AAY XS 


= (OO 


eines Knaben verrannte er fich in bie Oppofition gegen 
Du. Berjönlichteit, welche er gar nicht fauute.- p 
© Wem er fie aber mum tennen lernte? Würde ihr = 


der Unterjchieb amijen Dum und nicht bod 
auffallen? x 

Aloys Fuchs paihere, dies jet. — Das 
gnädige Fraulein habe ihn nur im Dämmerlicht gefehen, 
und er jet aud) ſchlau genug. geweten, hg 1o in Den 
Schatten zu fever. 2 

Graf Lichtenberg belobte ihn jehr, ient ihm b Dreb o 
Mark und höhmte im Herzen unendlich über diefe Horn- 
dumme, alte Schraube, welcher man mit t dol groben 
Geſchütz anfahren fönnte. — 

Acht Tage waren persone 

Stolz und felbjtgufrieden Schritt Kat von Lichtenberg 


Daher und lüdjelte nur ſchweigſam und ironifeh, menn —— 


in feiner Gegenwart von der Regimentstante geredet, ihr 


! eon und ihre Hergensgitte, ibr Scharfblid und ifr. | 


Verftändnis für das Eeim und Weſen eines Offigiers 
gerühmt ward. em Herz hatte anfangs doch etwas 
beflommen gefdlagen, als er am Morgen nad) ber 
ominöfen Bilite en Bier Wreders unter Pie 
Augen trat. | 

Sun — fid. ja zeigen, ob bas _geiftbotte Icharf- 
bliefende” Fraulein Refi Qunte gerochen hatte, denn daf 
fie in diefem Fall in wildem Zorn: und Rachegefühl fofort 
pen Bruder Meldung vun t haben, würde, mar ſelbſt⸗ 


z 100 eee 


"ll | m; — joíd) eine arrogante, verwöhnte alte Schachtel 
N ln) mar jeiner Anficht nach ſtets rachjüchtig und Handalluftig 
| "und hätte e8 alg Wonne erachtet, einem jungen pinn, 


welcher ihre geheiligte Perſon nicht genügend refpet 
tierte, fo empfindlich wie möglich zu faden. Aber 
fiehe dal — uic 

Der Nittmeifter war zwar nicht gerade liebenamrbiner 
‚wie fonft — er hatte den Grafen von Anfang an mit 
etwas grimmigeironifcher Grobheit behandelt — aber er 
markierte auch fein ,,Geladenfein’ oder eine befondere 
Wut, ein paar Kleine Anfchnauzer abgerechnet. 

Sa, als ber Dienft vorüber war, nidte er ihm fogar 
huldvoll zu und jagte: „That mir leid, Lichtenberg, bap 
id) geitern. abend nicht zu Haufe war, als Sie meiner 
Schweiter Ihren Kratzfuß machten!” — 

Kai berneigte fid) febr tief und eryoiberte in bebauernbem 
Ton etwas Unverftändliches, — aber innerlich ftarb er. 
‚beinahe vor Lachen, denn num hatte er ja den direkten 


Beweis, bag bie teure Negimentstante wirklich. Düpiert de 


| worden war. Darum lachte er nod) ſarkaſtiſcher als 
Niebeland und Howald e$ ablehuten, mit ihm zu früh- 


 ftüden, weil fie im Vorüberreiten Tante Refi ins Fenſter 


gerufen hatten, daß fie um zwölf Uhr um eine Mubieng 
büten! VES 
— Den jungen Dffizieren entging das ——— Lacheln 
nicht, und ihre Abneigung gegen Graj Kai Lo an, wie 
ein ae nach Gewitterregen. 

Sie machten unter fid) aud) fein Hehl aus biefer Anti 


= Ul — 


pathte, denn fie wußten, bag fie mit ` nicht allein x 
| ftanbdett. 


Der jüngite ` hatte eine fatale Gsefchiclichteit 


an den Tag gelegt, fid) durch fnabenfaite Arroganz und 


abfprechende Urteile über Maiſenburg und feine Geſellſchaft 
und Einrichtungen ſchon in kürzeſter Zeit ſehr unbeliebt zu 
machen, und wenn er feine Vereinfamung im Kameraden- 
freije vorerft noch nicht recht erfannte, fo war wohl nur 
feme Blafiertheit daran ſchuld, mittelft der er fich einbilbete, 


er jet e8, welcher fich in allzugroßer Bornehmbeit vorerſt v 


nod) rar made. 

So zog er es aud) jebt vor, in feiner Wohnung allein 
zu frühjtuden, denn Die beforgte Mama hatte ibm aus 
einem renommierten Delikategeichäft ber Nefidenz ein — 
höchſt appetitliches Frühſtückskörbchen zufenden laffen, auf 
deffen Inneres fid) Der Graf — in biejer Beziehung fonnte 
er Lichterfelde nod) nicht ganz verleugnen — {don während 
des ganzen Fußererzierens innigſt gefreut hatte. Und 
nun jap er vor dem jrübjtüdstijd), welchen Aloys Fuchs 
mehr. eifrig Tote zierlich gedeckt hatte, und packte ſeine 
Herrlichkeiten aus. 


Obenauf ein Brief von 1 Mama, — ben legte er bore 


(äufig beifeite, denn wo der Hunger anfängt, da Hören 
zärtliche Gefühle auf — unb vertiefte fid) ſchmunzelnd in 
Die materielle Seite ber Sendung, welche ibm mit aller 
hand PRaftetennäpfchen, Biichjen, Würften und Flafhen |—— 
entgegen lächelte. — 

Solch ein Frühſtückskorb ijt ein patentierter Sorgen 


— 192 — 


brecher, und e8 war —— bap Rai 
feine Eorgen an Diefem falten Wintervormittag hatte, 
— die Welt lag al angenehmer Erdenkloß zu feinen Füßen, 
unb der jüngfte Leutnant ftrampelte auf ihr herum, wie 
es ibm — und nicht andern Lenten beliebte, und ſolch 
ein Hochgefühl üt fid) zumeift [don felbjt genug und 
bedarf weder der Gaujeleberpaftete nod) eines Likörs 

Dermody verjchmähte fie Kat nicht, im Gegenteil, Hu 
feinen vier Wänden brauchte er nd feine najerümprenbe 
Burüdhaltung aufzuerlegen, und jo aß er, — mehr, immer 
mehr — bis er febr fatt war, und dann warf er fic, 
ungeachtet der Epornftiefel aufs Cofa, entgümbete eine 
Cigarette und griff feir ſelbſtzufrieden non bent mütters | 
lichen Brief. 

Cd)on nach wenigen Minuten verdüfterte fid). fein 
Angeſicht, und die alte Lehre bewahrheitete fi, Dak man 
Brice pels erit nad) dem Eſſen d Lus €eine Mutter 


EM unter anderem: x 
Ms Dein febter. Brief fam, mein [er ‘war 
gerade Ontel Humbert hier, und weil id) fo fehr über 


Deine Echilderung der myitifizierten, alten Meqiment3tante 
gelacht hatte, las id) biejen Paſſus Deines Schreibens 
aud) Onfel vor! — D hätte id) e3 nie gethan! Geit 
biejer Stunde ift eë um meine Rube geichehen, denn Du 
madjt Dir ja feinen Begriff, wie Ontel außer fid) war! 
Mas ich für einen luitigem Streich hielt, tabelte er mit 
den Schärfiten Ansdrüden, war empört über fold) ein 
Benehmen gegen eine Date, welches bei einem Offizier 





ree: 


t$tante 1 


gimen 


Me 


Die 


u. Too, 


< 


i itrutd, ot. Nom 


9t. v. € 


= dM — 


doppelt fcharf verurteilt würde! Deine Jugend jet da . 
feine Entjchuldigung — und wenn die Sache herausfäme, — 
wenn Fraulein von Wieders ben wahren Sachverhalt noh — 
erjübre, würde fie zweifellos bem Oberſt Mitteilung machen, 
und der dumme Streich könne Dir dann Leicht den Kragen 
foften. — Schaden würde e3 Dir auf jeden Fall ungeheuer, 
— Deinen Kler in der &onbuite hätteft Du weg! — — 
Ach Kai, welch eine Todesangit foltert mich nun! Dent’, 
wenn die Wieders fid rächt, fannft Du den Wb} died 
befommen, und was foll dann werden? — Du haft nicht 
bie Mittel, um von Deinen Nenten leben zu können, und 
um einen andern Beruf ergreifen zu fünnen, dazu fehlen 
bie Vorfenntniffe — und wohl aud) die Paſſion, nod- 
mals die Echulbanf zu drüden! (58 ijt entjeglih! — 

Wenn Dein Burfche nun plaudert? — Von ber 
Wieders fann man feinen derartigen Edelmut erwarten, 
daß fie Did) font, denn Du haft fie zu febr nichtachtend 
behandelt, und das ift in ben Mugen älterer Damen die 
ſchwerſte Beleidigung. Bch fenne fie ja perjönlich, aber 
nur flüchtig — febr flüchtig, — erinnere mich ihrer als 
recht häßlich — und fold)’ hapliche, alte Jungfern find 


mmeiſt verbittert und intolerant! — Sieber Kat - — geli 
. .e8 ber Oberft erführe — — "^. 


Mit einem Laut höchfter Wut fnüulte Der Rejer den 
Brie} zufammen und fprang von dem Sofa auf, um mit 
jehr erregten Schritten im Zimmer auf und ab gu gehen. 

Das hatte gerade noch gefehlt! — Das war ja eine 
nette Perjpettive, welche ihm da eröffnet ward! - 


An bicje Auslegung hatte er mod) gar nicht gedacht — 
eine derartige Auffaſſung war n nod) ger nora in den 
Ginn gefommert. 

Der Ontel war verrüdt! — 
— Wegen folch eines alten Frauengimmers einem Graf 
Lichtenberg den Abjchied . . . oder was im die Konduite 
e. D — fold ein Gedante ijt ja, um aus ber Haut 
M fahren! 

bor. 3 joviel er auch innerlich auf ben Ontel 

ichimpfte, ; er mußte ſich bod) ſchließlich zugeftehen, daß 


derſelbe einer der bedeutendften und korrekteſten Offi- D 


alere a Armee, unD dap m Tren Jap und gerecht 
ift! — x 


- Sm wird e3 plößlich zu M ut, wie ben Heiter, welder — 
erfährt, daß er über bem Dee pues it, — ibm. zc 


grauft ea plößlich. a. 

Sa — was Dann — wenn Se WBieders Die Sadie 
erfährt? — Auf Schonung darf er nicht N — bei 
ihr am wenigjten! 

Was dann? 

Kal beißt bie Zähne auf jammen und pm ben Ropi 
jah in den Naden. 

Bah, wie foll fie es bom: er jahren? — Aloys ift Der 
einzige, welcher um bie Sache weiß — und daf er ie gen 
wird, foll binfori jeine größte Sorge fein. | 

- Noh ijt Polen nicht verloren! Hahaha! Und bange 
machen gilt nicht! Die Gefahr erhöht den Reiz — und 
Die R eginari wird Die s arrikatur fem, über welche 

| 13* | 


— 196 — 


jette Rinder und Enfel einst noch lachen werden, menu. 
er feine Memoiren erzählt und des Schwanfs gedentt, 
wie er die Alte büpierte! Er lacht kurz umd hart auf — 
und mitten in fein Gelächter klappt eine Thür. 

Aloys Fuchs fteht auf der Schwelle. — — 

te Herr Graf — eine Einladung” — 

Kai greift nah bem fteifen Kartonpapier und fein . 
— Geficht fieht plößlich febr verdugt aus. 


„Nittmeifter von Wieders nebjt Schweſter geben Hó 


bie Ehre, Herr Sentnant Graf Lichtenberg zu Donnerstag, 
‚den 12. b. Mts., um Drei Uhr, zum Mittageſſen im kleinſten 
Kreiſe einzuladen.” | 
Donnerwetter ! | 
Donnerstag — das ijt erft in drei Tagen — und 
anderweitig berjagt ijt er noch nicht — und eine jonjtige 
Ausrede fann man in Ddiefem fleinen Neft, wo einer 


Dem andern in die Fenſter gudt, = machen. Bas : 


tun? — 
| Wieders aft fein Nittmeifter, — er uil cinia fin, 
— er muk e3! — x 
Und warum aud) nicht? Einmal mu er ja | pr 
- -Süegimentétamte dod) gegeniiberftehen, — da Hilft fein 
.. Maulfpiben, eë muß gepfiffen fein. — Beigt Diele Ein— 
- [adung nicht am deutlichjten, pap W Wieders völlig abnungs- 
los find? — 
Warum alfo fol er nicht aud) gang harmlos und 
| ahnungslos zu ihnen gehen? | 
Ajo — u ben mn a veingebiffen! 


— Ar o 


Rat wendet fid) um: Betelen Sie eine {chine ae o- 
prehlung, und id) würde bie Ehre haben und kommen? — a 
Der Burjche gringt febr ungeniert über das gange 


Geficht, und ſein Leutnant will juft zornig auffahren - 
und fich folde Unverjhämtheit verbitten, als ifm noch 
rechtzeitig einfällt, daß Aloys Fuchs um feinen Preig 
der Welt beleidigt werden Darf. Fatal! — Ein ſcheuß— 


x liches Gefühl, von dem guten Villen eines folchen Kerls 


— absubdngen, — aber was a H, — mitgegangen, mit- 
- gehangen. 

Und Aloys Fuchs hätte nicht ber geriebene snp 
fein müſſen, gu welchen Mutter Natur im gemacht, 
menm er wicht bie Situation voll ss und maie 
nübt hätte. 

Wehe der Dame, welde ihre Jungfer zur dod 
macht! Rehe bem Herrn, welcher feinen Diener Wits 
wijjer von Geheimniffen werden (apt, welcher ifm D Dinge | 
anvertraut, bie ſonſt feines Menſchen Qr er fahren 
darf, fie haben fid rettungs(o3 in die Hände ihrer 
ärgiten Feinde geliefert, fie haben fid) der Niedrigfeit, | 
Habgier und Gemeinheit als Sklaven verjchrieben, fie — 
haben fich und ihre Ehre, ihre Mittel und ihre Stellung 


preisgegeben! Auch, Rai Lichtenberg follte mit Sngeimm a 
ſchon allzubald die Erfahrung machen, Daß e8 ein übel —— 


Ding für einen Herrn ijt, von feinem Burjchen abzuhängeın. 

Der joni dienfteifrige, gehorfame Moys war feit 
einigen Tagen fidjtbar nachläjfig und nichts weniger mehr 
wie aufmerffam. 


— 198 — 


Die Caden waren Schlecht: gepubt, Herr Wloys nicht 


zur Stelle, wenn gettimgelt ward, — das Zimmer blieb | x 


trog ber fremiblidjen Mahnung auch am anderen Morgen 
wieder unaufgeräumt, und als ber Graf jchließlich mit 


einem Donnermetter losfuhr, da ſchillerte es wunderlich 


in ben Mugen des Rheinländers und er bemerkte nadh 
wenig Minuten fo leicht hin: „Glauben wohl der Herr 
Graf, daß der Droſchkenkutſcher neulich gemerkt hat, wen 
er fuhr? — Na, wenn er was jchwäßen ſollte, fo leugne 
id) alles rundweg ab, c8 liegt bod) ſchließlich an mir, 
ob id) jo was de ober nicht, und das thue ich ſchon 
| queri" — an 
Lichtenberg grub die Zähne im die Lippen, er fuiridjte 

in ohnmächtiger Wut und jagte fid), daß er der größte 
Eſel unter Gottes | Sonne gewefen, ben verwünjchten Streich 


auszuführen, — aber e3 war gefchehen, unb die Greig- 
nijje — diesmal ihre Schatten nicht voraus, ied 
E 


Als er am nächften Bormittag bon bem Dienſt Heim- 
lbi bemerfte er, bab Herr Aloys febr ungeniert aus 
dem en Delifateptorb gefrühftütckt hatte. Die Liför- 
flafche war halb leer, bie Truffelle berwurſt von welcher 
er geftern mur ein Heines Stüdchen zur Probe abge- 
ichnitten, war big auf die Hälfte verkleinert, und von der - 
Sänfeleberpaftete fehlte das vocat ‘Yas er Darin ge 
laſſen, gänzlich 

Das hieß die Frechheit weit getrieben . 

Kai tobte innerlich, verwünjchte ben Schranf, an 


= 199 o 


meldjem der Schlüſſel fehlte und jagte fid), bap feine Ci- 
garren Schon jeit Tagen rapide abgenommen. Das waren 
ja fchauderhafte Zuftände! Und dies alles mit anjehen 


und doch ſtillſchweigen müſſen, ſolch eim Arger war m 
 . bie Dauer einfach unerträglich! D 


Es fribbelte ifm in den Fingern, mal mit dem eijernen 


Beſen bagmijdje gu fahren und ein Wort deutſch mit 


bem imfamen Merl zu reden, und er würde es auch ſicher 
gethan haben, wenn — ja wemi dieſes unjelige wenn!“ 
nicht wäre! 

Seit er den Brief ſeiner Mutter erhal ten, febte er in 
ſtändiger Aufregung. 
— . Se unbehaglicher ér fid) unter bem Drud fühlte, defto 
mehr wuha feine Sorge, Fräulein von Wieders möchte 
bon jener Perfiflage erfahren, und je mehr dieſes Bangen 
ſich ſeiner bemächtigte, deſto hilflojer ſah er ſich in die 
Hände feines Burſchen gegeben. Durch den Dro} ſchken⸗ 
“futher hatte Aloys eim Mittel zur Verfügung, feinem 


| - Serm aufs empfindlichite zu Schaden, falls er zur Mache 


gereizt würde, ohne jid) jelber im mindeften bloBauiteden. 
Und Aloys Fuchs war raffiniert genug, biejen Vorteil aus: 
zunuben. 
Es waren böje Tage und Nächte, we (che in juge — 
Offizier burdjfebte, ein Fegefeuer, in welchem ein qut 
Teil feines hohen Selbftbewußtjeins verſchwand, und als 
der Donnerstag fam, da fühlte er fid) von all dem Ärger 
unb den unterdrücten Zornesausbrüchen, jowie bom Diejent 
Hangen und Bangen in [djmebenber Pein, ganz jammer- 


— 200 — 


voll, und wäre er nicht Rai von Lichtenberg geivefen, |. 
bejjen Arroganz noch immer größer war wie jeine &elbit- 
erkenntnis, fo wäre er wohl alg gerfuirjd)ter Sünder vor 
Der Negimentstante erjchienen. — 
Das that er aber nicht, fondern — vorerjt nod; : 
alen Grol und alle Verantwortung auf fich zu laden, 
er rief all feinen Männerſtolz und alles Sel bjtberuftiein 
zu Hilfe, um fid) daraus einen Harniſch zu panzern, m 
welchem er trogig und fampfesmutig vor unbe- 
fannten Feindin erjcheinen wollte. — > 3 
Der Wagen fuhr vor, und diesmal war e3 dei echte 
Graf, welcher mit umwölkter Stirn und zurüdgeworfenem 


Haupt hineinfprang und mit najelnder Stimme abermal8 —— 


befahl: 
„gu Fräul ein von Biever L 











abgelegt, noch einmal etwas umjtändlich das 
leicht gebrannte Haar mit zwei Bürjtchen vor 
dem Spiegel glatt gejtrichen und war dann mit unnab- 
barer Miene an Johann, welcher die Salonthür auirig, 
borübergeichritten, dus Boudoir der Negimentstante zu 
- betreten. | 
E3 war leer, und bee junge Riirajfier rümpfte don | 





y: Lichtenberg hatte aut dem geräumigen Flur 


Die Naje, bab „vie arrogante Perjon” ihn antiſcham 


brieren lieh. 


Nach wenigen Augenblicken erſchien Johann abermals 


und verneigte fich jo tief und re jpeftuoll , dap n nan jein 
Geſicht faum ſehen fonnte. 

„der Herr Rittmeifter laffen vielmafs um 
gung bitten, eine dienſtliche Angelegenheit berief ihn zum 
Herrn Ober. Herr Graf möchte gütigft verzeihen und 
mit dem gnädigen aranan am das Miitta pee eit 
nehmen! pe 


— 203 — 


Stai fnnrrte etwas Unverftändliches, was verzweifelte — 
Uhulichfeit mit dem Stoßfeufzer „Hols ber Teufel” - 
hatte, und Johann fügte feiner Rede nod) Hinzu: „Wenn 
irgend möglich, hofft ber Herr Nittmeifter, — gn 

Kaffee wieder hier zu fein.” | 

Out, dante Ihnen.” — 

Und Johann verfchwand. 

„Bo bleibt denn bie alte Schachtel waige, wenn 
ber Herr Bruder dienjtlich verhindert ift, feine Gäjte zu 
empfangen?” groflte ber Sürajfier und ſtreifte mit ärger: — 


idem Blick bie — Eleganz, welche ihn umgab. 


SS ut einfach bodenlos, einen bier ee lafjen wi 
die Zrumpf Sieben!” en 
. Gr warf fih in einen Seffel, daß 03 fractte, jet - 
aber im nächften Moment wieder empor, denn jchwere 
Schritte, welche ein leifes Beben und Klirren im Salon 
verurfachten, näherten fid) im Nebengemach, die Portiere 
ward zurücgefchlagen, und Graf Lichtenberg anb der 
Negimentstante gegenüber. 

Cr flappte bte Sporen zufammen und neigte das Haupt i 
in jebr formellem, etwas fteifen rupe. p 


„Gnädiges Fräulein waren jo gütig zu geftatten — D 


und dann fdjaute er mit falt forjdendem Blid auf feine - 
zeindin. | 

Grundgiitiger, weld) ein Monjtrum!! Und bom ber 
himmeln und jchwärmen feine Kameraden in allen Ton: 
arten, — von der läßt fid) ein ganzes R Negiment — eine 
ganze, vornchme Geſellſchaft gängeln? 


E tai jah eine der. vide, alte Dame vor fid) 


tehen, mit unbejchreibl id) ordinärem Geficht, welches ind — 
Blausrote fpiel ie vornehmlich bie Nafe, welche entweder — 


erfroren mar, ober pon mane) . pean — x 
räteriſche Dinge berichtete. 
, Gine mächtige, ſchwarze C'openbaute, feauberhat 
. geſchmacklos mit lila Veilchenſträußen unb jalatgrünem 
Band garniert, ſchwankte auf bent breiten Scheitel, und 
das Schwarze Ceibenfletb fpannte jo eng um bie dicken 
Hüften und den vortretenden Magen, daß dem anſpruchs 
vollen Grajen ganz ſchlimm und weh bei bem 3(mblid . 
wurde. Cine altmobijdpe, dreiedige Cpibenbatbe, eiue 
riefenhafte, gewöhn liche Brofdje aus gefchnistent, weihen - 
Elfenbein und eine dicke: lifrfette, welche ihr maſſives 
Medaillon wie einen PVerpendifel über den Bauch ber 
Be eſtherin ſchaukel te, markierten die au — welche 
einen Grafen zu Iſch erwartete = ——— i 
„Ra, ba find Sie ja! begrüßte ihn bie te mit = 


einen Ausdruck in dem fetten Geſicht, welchen Rai von — : 
Lichtenberg nur als hochf t bimmbreijt^ bezeichnen fonnte. oo 
„Haben wohl Hunger, was? Na, mir fnurrt Der Magen - = 
aud) jdjon; fommen Sie mit, Wir werden a mas - 


bekommen! — 

Der jüngfte Leutnant ftorrte die Corsica morlos an. 
Welch ein jchauerliches Weib — und weld eine Sprache 
— und mie fie baftanb! (š fehlte nur noch, daß fie die 
Arme in die Seite jtemmte und ein Waſchfaß por fid) nahm! | | 


Na, dağ bie teure Regiment3tante fein Bild der — 


—- o 2050 9 


Schönheit mar, hatte er ja von allen Geiten gehört, — 
aber jo — nein, ſo hatte e fie fich bod) nicht vorgeftellt! — . 

Die Alte matichelte ungeniert bor ihm ber nach dem E- 
zimmer, und Die Eleganz ber Salons, welche fie pajfterten, 
und die antite Pracht des Speifef aales TIONEN 
abjotut nicht mit der greulichen Befigerin. 

- Graf Kai hatte fid) zwar vorgenommen, Lichterfelder — 
Sralloorie nicht mehr zu gebrauchen, aber in dieſem 
Augenblick fonnte er es nicht vermeiden, fich im tiefften — 


Innern unaufhörlich zu wiederhohlen: „En Sjanet bod St 


ijt Dies Weib — der reine Schauerbock!“ | 

Johann ftand mit tief ernſter Miene harrend bereit. | 

,C0; ba find wir, — nu tragen Sie mal auf!” nidte 
ibm bie Tante zu und — ihm im Vorüberſchreiten einen 
jovialen, kleinen Slaps gegen den Arm, „eben Sie fid), 
junger Mann, — und tüchtig zugelangt — ich bin nicht 
für bie Schenierlichteit“, fügte fie gegen Rai gewandt hinzu, 
und nahm puftend, und fid) ungeniert das Kleid am Halfe 
etwas [oderub, bem Gaft gegenüber Blab. | 

,Wüllen Cie ifm ordentlich Suppe auf, Johann, fo 
junges Blut haut frájtig ein! — Na, na — laffen Sie 
man”, wehrte fie mit entjeglich unfeinem Lachen, als Rat 
eine erjchrodene Bewegung nad) dem Büffet machte: „ich 
efje auch meine Portion runter, und Sie werden fid) bod) 
wohl nicht von einem Weibsbild beſchämen lajjen! Go; — 
bm =: . qut, die Bouillon — aber. noin bißchen heeße, 
puſten Gie mar!“ — 

Kai hatte das Gefühl, al 3 füße er bis an die fini 


— 206 — 


im falten Waffer. Er hatte fih wahrlich feme idealen - 


Borftellungen von der alten Schachtel gemacht — aber — 


dies überjtieg Denn Doch alle Begriffe. Daß fold) ein 
Frauenzimmer einen Burjden von einem Küraffieroffizier 
nicht unterfcheiden fonnte, munberte ihn nun wahrlich 
nicht mehr. 

Und jid) folh einem Belen gegenüber nodj zuſammen— 
nehmen und den Artigen jpielen müffen! — 

„Snädiges Fräulein tennen meine Mama und Tante 
Dyhern perfönlic), wie id) burd) Ihren Herrn Bruder 
hörte?” — begann er voll ungeheurer Selbſtüberwindung 
bie Unterhaltung, und Fräulein von Wieders grungte 
nur fopfnidend und löffelte jehr eifrig drauf los. — 
yom ... fo gewiffermaßen — aber... bas ijt jebt 
alles Rehentache. Beim Effen fol man nicht viel reden, 
foudern fauen, das prebige ich bei uns am Tijche — —“ 
fie unterbrach fid) plöglich, weil Sohann huftete, und blickte 
auf. „Sertig — e3 fann weiter gehen! — Daß mir 
Sette aber nicht etwa den Bud serbroctelt! Cx V ent 
gibt3 nümlid) den €adj$, Herr Leutnant — und wenn 
ber nicht tadellos angerichtet ijt, — dann fieht er gleich 
aus, als hätten fid) bie Hunde brum gebifien! — Wie 
meinen Sie? 

Bei dem „Herrn Leutnant” war es Kai falt über den 
Rüden gelaufen, — - mud das noch! eë ward ja immer 
bejjer! x . 

Sr jtammelte wie aeiitesabmefenb etwas don Dem 
Herrn Bruder, welcher bienjtlid) verhindert fei — aber 


— 307 os 


Fräulein von Wieders hatte ihre ganze Aufmerkſamkeit 
auf den Fiſch fongentriert und nidte nur gerjtreut: „Hin, 
ber Rittmeiſter ift von Hans gegangen ... So! nun 
mal ran mit Ihrem Teller — hier fibt ber fetteite Happen, 
ben follen Sie man haben!” x 
Nein, e8 war nicht möglich, fid) mit diefem Franenz 
zimmer zu unterhalten, e3 ging einfach über die Kräfte 
Des femjtem und eleganteiten aller Kavallerieoffiziere! 
Und jebt — Rai ftarrt die Gaftgeberin an, als fet 
ihr bänders und veilchenummmogtes Haupt das Original 


ber Meduja — jet nimmt fie ihr Meffer zur Hand — 


und jabelt ungeniert auf den Fijc cin! — Haarfträubend! — 
— Kat von Lichtenberg möchte eigentlich ſchallend auf 
IE Lachen, aber bie Kehle ift ihm wie zugefchnürt. 
: ‚Ma - — jdmedt'8?" grinjt ibm bie Alte ermutigend 
an, und ber Graf greift zufammenjchredend gu der Gabel, 
— ,J8o fommen Cie denn eigentlich her?” informiert 
fic) Fräulein von Wieders mit vollen Baden fauenb, und 
Das ift mur eine jehr jeichte Redensart, ein pour parler, 
denn fie weiß genau Bejchetd. Und wie empörend ordinär 
ihre Sprache mit dem bäuerlichen, breiten Ton T — 
Gar nicht zu fajjen! — = 
Aber Kai macht eine Heine Berbeugung und inet 
fich eine Antwort ab. „Mus Berlin, meine Gnäpdigite! 
Cie fennen eS bod) auch? — Oder waren Gie längere 
Seit nicht in unſrer Metropole 2 
„Re — in neuejter Seit nidh.” — 
wer bie Stadt hat fid wunderbar perünbertl 


— ABS c 


Dieje Kunft — diefe Cebensmürbigfeiten — würde es 
Sie nicht interejfieren Das neue Herds ndeor ainor — 
Die herrlichen Denkmäler zu fehen — “ x ne 

Die Negimentstante legte bie Fauft derb neben ſich 
auf den Tilh. Sn dieſer Fauſt Halt fie die Gabel, aufs 
recht, in der Art wie der Soldat fein Gewehr prüjentiert, 
und anf bie Gabel ift ein Stüd Kartoffel aufgefpießt, 
von welchem bie geie Eierſauee wie Behmutszähren 
abtropit. — 

Kai ſchwindelt e geradezu bei biefem Anblid, aber 
fein Gegenüber lacht gemütlich: „3 woher denn! Das 
ijt mir alles ganz fchnuppe; aber was ich jhon mal fehen 
möchte — das ijt jo eine große Markthalle — wo mer - 


alles fo hübſch app is und a gleidh neben a 


ame bat — — —" 


Sie nerjtummt, denn pinter ibr i in der Thür rau} idt 


eë von feidenen Gewändern, eine hohe, impojante Frauen⸗ 
geſtalt ſteht auf ber Schwelle und gibt ihr ſowohl, wie 


Johann einen kurzen Wink Dieſer hat juft bie Teller 


gewechſelt, er tritt zur Thür, und bie bide Regiments- 
tante erhebt jid) eifrig mit febr zufriedenem Geſicht, macht 


dem verduhten Grafen eine linfijde Berbeugung unb — 


watjchelt, jo jchnell eë ihre Korpulenz geftattet, davon, 
Dinter Johann ber, um durch die Seitenthür zu ver— 
ſchwinden 

Was jol dies? Was bedeutet diea? — Wer iſt die 
fremde Dame? — 

Rat a aufgejprungen und ftarrt ioe wie en mou 


| 7 mr — a 


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14 


Efhftrutb, I. Rom. u. Nov, Die Negimentstante L. 


T. 


N, 


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fidget an, und weil dieje lepte halbe Stunde zu viel — 
des Unfaßlichen und Überrafchenden gebracht, legt er die 


Hand gegen die Stirn, als molle er fid) vergewiſſern, 
daß er nicht träume. 

Die fremde Dame aber tritt — als fie allein find 
— mit leijem, luftigem Aufladen ihm entgegen, blidt thn 
Ichalfhaft an und fragt: „Nun Graf, find Sie zufrieden 
mit mir? Bin ich gut genug auf Ihre Gutentionen ein: 
gegangen ?" x | x 
Meine Gnübige, id... id) weiß nicht...” jtammelt 
Rai Lichtenberg faffungato3, flappt abermals die Haden 
zufammen und nennt feinen Namen. | 

„Und id) bin Thereje von Wieders!“ lächelt j ſein — 
über mit leichter Kopfneigung. „Wir lernen uns auf Um: 
wegen fennen, Graf — | 

„Sie, meine Gnädige? — Cie . . . Fraulein von 
Wieders? Und jene andere Same? . . .“ 

Der junge Offizier fieht plüblid) aus, als fei er einer 
Ohnmacht nahe, Reſi aber lacht abermals und erwidert 
ſehr fröhlich und harmlos: „Jene andere? Das mar 
meine Ridin Anna, lieber Graf! Sch Hoffe, daß 1d) 
in Shrem Sinne handelte, indem id) annahm, dak Gie 
unjern Verkehr vorerft burd) bie SDienftboten regeln wollten! 
Sie liegen Ihren Burjchen bet mir Vifite machen, barum 
hielt id) e3 dementjprechend für richtig, Sie von meiner . 
Köchin empfangen šu laffen! D ich habe Sinn für Humor, - 


Graf Lichtenberg — und wenn meine Regimentsneffen — 


einen fleinen Karnevalsſcherz infcenieren wollen, jo finden 


— 211 — 


fie mich. ftets bereit, heiter unb guter unge t ein⸗ 
zugehen! | 

Wie Schuppen mar e8 von den ‘Shiner be. jungen 
$ürajfier8 gefallen, und nun anb er da, abwechjelnd 
blaß und rot, mit dem einzigen, unklaren, verzweifelten 
Wunſch: ad) bap fid) bod) bie Erde öffnen wollte — mid) 
zu verichlingen! Welch eine namenloje Blamage! Welch 
ein grümdlicher Reinfall —! Und dabei diefe herzensguten, 
ladjenben Augen, welche auf ihn gerichtet find — diefe 
weiche, liebenswürdige Stimme, welche feinen jcharfen 
Klang zu tennen fcheint, welche feme Flegelet voll Laune 
und Humor zum Karnevalsſcherz jtempelt und fie in geift- 
volliter, wißigjter Weije pariert. — 

Ach Kai von Lichtenberg hat das Gefühl, ala mühe : 
er in dieſem Augenblick Hein — fo klein wie nod nie 
vorher, ala weiche der Berg von Hodmut und Selbjt- 
bewußtſein jahlings unter feinen Füßen weg, um ihn herab- 
ftürgem zu laſſen in den Abgrund Elaftertiefer Neue und 
Zerfnirfhung. Und fein Haupt fintt auf bie Bruft, und 
fliegende Schamesglut bedt jene Stirn — und er ftammelt 
 leije und jd)meratmenb: , 3d) dante Ihnen für dieje Lef- 
tion, mein gnädiges Fräulein — ich habe fie verdient!” 
Da ſtreckt fie ihm beide Hände und drüdt 
Die feinen gar herzlich. 

Was jagen Ste von Sektion, lieber Graf! Dieſes 
Wort fteht nicht in meinem Lerifon! Ebenfowenig, wie 
Cie mich franfen wollten, ebenjomenig wollte id) Sie be- 
feidigen, — wir haben ein launiges Spiel gejpielt und 

14* 


c 312 _ 


gefunden, daß wir uns im biejer Kunſt gewachſen find! 


» Und nun wollen mir uns gu Tisch jeben und unfer origi- — 
nelles Kennenlernen feiern! Zum Karneval gehört Sette — — 


ftimmung! Darum laffen Sie uns. darauf anjtoßen, bag 
Burfche und Köchin die beiten Bindemittel für eine gute 
und dauernde Freundfchaft fein möchten! Bitte, Ihren 
Arm, lieber Graf!” ns x 

Und Graf Kai nahm zum zweitenmale am Eßtiſch 
Blog, aber unter gänzlich veränderten Berhältnifien, und 
mie angenehm und wohlthuend dieſelben ibm jetzt er- 
ſchienen, läßt ſich gar nicht beſchreiben 

Tante Thereſe hätte fid) gar feiner qaem 


Folie bedienen fonnen, als ihrer. Köchin Anna, denn mad) — — 


diejer unförmigen Maidine, ‚welche dem jungen Herrn erz 
ſchienen mar, wie eine bide Cidymartenmagenurit, welche 
in ihrer Mitte den Einfchnitt des Bindfadens quasi als 
Taille aufweift, deuchte ihm die itattliche, elegante Er- 
ſcheinung ber Regimentstante nod) bedeutend impoſanter, 
unb ihr lachendes, geiſtvoll kebenswürdiges Geficht fand 
er geradezu jd)ón, gegen Frau Annas fupferfarbige Plage 
mit Der Warze auf Der Naje. he 

Wie hatte man Tante Therefe überhaupt häßlich nennen | 
fönnen? — Rein Friedensengel lächelt den Menfdjen be- 
Tufigenber und tröftender in bie Seele, wie fie, — und 
wenn Graf Kai bedenkt, Daß fie feine Farce fofort Durch: 
ichaut hat, baf fie aber fo übermenjchlich edel und wobl- 
wollend gemejen, fein Wort an maßgebender Stelle darüber © 


verlauten zu lafjen, ja dann überfonunt den jungen Offizier — 


— 213 — 


ein Gefühl wahrer Begeifterung, und was in feinen 
Kräften ſteht, fid) ah und angenehm zu MAE, — 
gefchieht. ae 
Die Unterhaltung ift lebhaft und iberan geiter, Fräu⸗ 
lein von Wieders verſteht es, jid) ben Intereſſen und dem 
Geſchmack ihrer Gäſte anzupaſſen, und ſo findet ſie auch 
ſchnell die ita heraus, an welcher ifr wi 
iterblid) U RE 
Sie iui ibm bie hochintereffanten Nennen, nee — 
alljährlich in der Nähe von Matjenburg abgehalten werden, 
fie jpricht mit fo viel Berftändnis von jdjónen Pferden und — 


allen Greigniffen auf Surf umb Barfett, bag Kai fein — 


junger, im Grunde des Herzens brennend lebensfroher 
und fportlich gefärbter Neiteroffizier fein müßte, um ihr 
nicht mit vollen Segeln auf dieje Gebiete > folgen, wo- 
hin fie jo gejchieft jteuert. 

Cie ijt auch gar nicht engherzig und fchlagt feine 
Drei Kreuze vor dem & otalijator, wie andere wiirdevolle, 
philiſtröſe Tanten, im Gegenteil, ſie erzählt ſehr harmlos 
und vergnügt, daß fie jid) jedesmtal ſelber bet ben Wetten 


beteiligt und ſchon manch unerfahrenem Kameraden mit — 


gutem Rat zu ſchönem Gewinn verholfen bat. Du _ 
Cie ijt ſtolz darauf, daß ihre Regimentsneffen faum — 


noch ohne Tante Nefi den Totalifator beehren, — aber | S 


fie verjchweigt e3 bem interejfiertem Zuhörer, dak e8 bas 
bei ihr Hauptbeftreben ijt, bie. jungen Offiziere von zu 
hohen und unvernünftigen Einſätzen abzuhalten, bap fie 
auch Hier im geheimen ihren vortrefflichen Einfluß übt 


— 214 — 


unb ben bookmakers jdjon mandjes Dpfer aus bem 
Zähnen gerijjen Hat. 3 

Shre Schiiglinge ahnen das nicht, — follen es auch 
nicht ahnen, fondern im vollen Vertrauen auf bie jchnei= 
bige, gut famerabjdjajtlide Tante darauf jchwören, daß 
Refi aus lauter Paffion und perjünlichem Vergnügen 
„mitthut” und nicht allein Bapt, wo alle andern lieben. 

Und auch Kat Lichtenberg ijf völlig überzeugt, daß 
Tante Therefe die famojeite und verjtändnisvollite aller 
Damen fei, welde ihm je begegneten, daß mam ein ver- 
nünftige3 Wort mit ihr reden fann, ohne jofort mit Bor- 
wiirfen überhäuft und abgefanzelt zu werden. 

Leben unb leben laffen! — Gie weiß, was die Jugend 
fordert und wird Diejen Forderungen gerecht. Dak fie 
mit ber Zeit einen reichen Schag an Erfahrung jammelte 
und ihren jungen Freunden Durch mand) guten Wink 
nügen fann, ift jehr beareiflich, und felbitverjtändlich 
nimmt man folh guten Rat am, — man wäre ja ein 
Narr, eë nicht zu thun, — denn Tante Refi will ja nicht 
moralifieren und fchulmeiftern, jondern lediglich einen 
guten, fameradichaftlihen Dienjt erwetjen. 

Kai wird fo zutraulich, wie er es faum feiner Mutter, 
jeinen andern Verwandten gegenüber ift. 

Avene behandeln ihn mehr oder minder bod) noch als 
„Knaben, alè „unjern lieben Kleinen‘, welcher immer 
nod) gegängelt und erzogen werden muß, während bie 
Wieders ihm volle Genugthuung miberjabren läßt und- 
es ihm mehr mie einmal zeigt, Daß fie auch auf feine 


— 215 — 


Anfichten Wert legt und feinen Willen al den eines ſelb⸗ 
ftindigen Mannes rejpettiert. Und das war jeine Mhil- 
lesverſe. p | 
Hier jaß bie Wunde, an welcher er frantte. = 
Er war zu lange gewaltjam in den Sinderjchuhen | 
gehalten worden. | 

Wis Kadett galt er noh nicht für voll, im Haufe 
jeimer Mutter blieb er unverändert das Süden, von 
welchem fein zus) begreifen will, bas e8 iltigge giz 
worden. - 

. Das erzeugt eine Sehnfucht nach Celbitüubigleit, welche 
bei manchen jungen Leuten geradezu franfhaft wird, — und 
fommt dann endlich bie Stunde, wo fie als Studenten oder 
junge Offiziere gang plötzlich und beinahe ohne jeden Über- 
gang in die Welt treten, dann bemächtigt fidh ber fo 
lange in die Kinderftube Verbannten eine wahre Sucht, 
Durd) übertriebenes Selbitbewußtjein der Mitwelt 8t ime 
ponieren, 

Die Angit, aud) — nad nicht tir oll erachtet 
zu werden, zeitigt Dann bie Klarrifaturen von jungen Leuten, 
welche blafiert, arrogant, abjprechend und umleidlich 
ericheinen, ohne es im Grunde ihres Herzens zu fein. 

Neji hatte gerade in diejer Beziehnug ſchon mandhe 
Erfahrung gemacht, und fie verurteilte eine Erziehung, 
welche allzuſchroff bie Rehte des Heranwachjenden Menjchen 
beichneidet, und fie beklagte bie Betroffenen, welche durch 
fremde Schuld auf jolche jchiefe Bahn gedrängt werden. 

Sie a e3 ma wieder an Kai Lichtenberg, mie völlig 


29 — 


er fein Wejen änderte, als er fah, dah bie Würde feiner 
Perjoulichfert hier völlig rejpeftiert wurde. x 

Auch im RKreije ber Rameraden hatte er ein gewiſſes 
Mißtrauen noh nicht überwunden, denn e8 finden fid) 
jtet3 jpottlujtige, oder germ nedende Glemente, welche Die 
„Süngften“ immer mod) ein wenig am bie Longe nehmen 
wollen unb fid) zu einer gewiljen „Erziehung“ berechtigt 
fühlen 

Su manchen Fällen, wo ein Elternhaus fehlte, ober 
perfönliche Anlagen dazu Veranlaſſung geben, ijt Dies wohl 
ganz bienlid) und oft fogar notwendig, aber aud) hier — 


ijt e8 „der Ton, welder die Muſitk“ macht, und Derjelbe — — 
fann Dirett aum Mißklang werden, wird er an unredjter — 


Stelle laut. Refis Augen leuchteten bor Freude und 
Eifer, als fie bemerkte, wie richtig Der a war, nee 
fie eingejchlagen. 5 
Der Saulus verwandelte jid) vor ipren Sich zum 
Paulus, und je öfter die ichäumenden. Gläſer gujammen- 
langem, um jo ehrlicher und aufrichtiger ward das Wohl- 
gefallen, welches die beiden Tifchgenoffen aneinander 
nahmen. 
. Kai Lichtenberg war noch jung, und die Jugend ift 
in all ihren Gefühlen hitzig, unberechenbar, von einem 
Extrem in das andere verfallend. Gie ijt nicht lau, fie 
ift entweder heiß oder falt, unb ber junge Graf, welcher 
erit fo falt, fo. etjesfalt feiner Gegnerin gegenüber jtanb, 
entflanımte jest mehr und mehr bis zur lobernben 
Begeijterung. Auch bei den Männern ift es oft nur ein 


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— 38 = 

fleiner Schritt, welcher zwiſchen Dankbarkeit und Liebe 
liegt, und Rat war jeiner Gaftgeberin über alles dankbar! — 
Stein Wunder, wenn er mun durch rofige Brillen fah 
unb bie Gejpenjter, weldje er fih zuvor felber herauf- 
phantafierte, wie Nebel vor bem Connenjdjetm gerjtoben. 

Sie tranfen den Kaffee im laufchigen Salon, und der 
KRüraffier lachte Thränen bei der humorvollen Befdhreibung, — 
welche Tante Refi von dem vifitemachenden Moya entwarf. 
Dann aber überfam ihn nod) einmal das alte Angft- 


| | gefühl. 


Er jtrid) mit leicht bebenber Hand die Gigarette an 
bem emaillierten Aſchenbecher ab und blickte bie Sprecherin 
qnit einem Stoßjeufzer an. 

„Sa, mein gnädiges Fraulein — — “ 

„Zante, wenn ich bitten darf!“ 

Er füfte ritterlich ihre Hand und fah fie beinahe 
zärtlich an: „Tante, gütigfte gnädigjte Tante! Ja, Gie 
nehmen meinen unbedachten Streich jo unendlich freundlich 
und humoriſtiſch auf, wie aber, wenn Shr Herr Bruder — 


oder gar ber Oberft davon erfährt? Sch fürchte, dann 


heißt e& aud) bet mir: ¿bie Thränen und die Seufzer — 
Die fommen hinten nad)!” x 
Refi Ichüttelte eifrig den Kopf. „Gott behüte, wie 
jollen fie davon hören? — Durch bie Dienftboten? Das 
wäre allerdings eine Möglichkeit, und ich habe diefelbe 


bedacht, ehe id) revanche pour Paris gab! — Wir müffen — 


da eine fleme Notliige machen, Graf; ber Smed heiligt 
bie Mittel. Ajo hören Cie! Gbenjo gut, mie ich Ihre — 


— 219 = 


Mutter und Tante von früher her fenne, ebenjogut finnte 
ih auch Sie jhon vor Jahren einmal gejehen haben. 
Kun — merfen Sie auf! — haben wir mit Ihrer Frau 
Mama eine Wette gemacht, ob wir unë wohl nad) folh 
langer Beit wiedererfennen würden, und um diefe Wette 
zum Austrag zu bringen, ſetzten Cie bie Komödie Der 
Srrungen in Scene! Sch burdjjdjaute dtejelbe und fügte 
ihr einen zweiten Alt zu, — und jo entitand bie luftige 
Karnevalsgejchichte, über welche wir beide uns großartig 
amüjiert haben! Emperjtanden 2?“ 

„Und ob ich einverfianden bin!” rief Kai mit bligenden 
Augen. „Sönigin von Saba! Dieje Götteridee ijt die 
Rettungsmedaille wert! 

„Gute Sreundjchaft ijt fie wert, und id) denke, Graf, 
die halten wir aud) fortan!“ 

„Bern Sie mid) biejer Auszeichnung für wert palten, 
gnübigite Tante, jchlagen Sie mid) Damit für ewige Beit 
zu Shrem Ritter!” 

— 9n dieſem Augenblid fam Eberhard zurüd und Refi 
legte mit bebeutjamem Lächeln den Moffalöffel, welchen 
fie lachend zum Nitterjchlag erhoben, nieder. 

„Sp, min erzählen wir ihm bie Wette.” 

Und fie erzählten beide, jo übermütig und launig, 
buf ber. Kittmeifter fic) in einen Gefjel warf und fo 
Schallend auflachte, bag Refi ver ficherte: „Das hört felbit 
Zante umtad) oben!” x 

Und als jid) der Graf voll Teilnahme nad) der -— 
alten Dame erfundigte, entjdjulbigte Refi deren Nicht 


erjdjeinen mit ber ; immer ftir werdenden Taubheit = 


— derſelben 


Noch ein Weil (chen ios Geplauders, und Dann 
griff Kat nad) Säbel unb Müte und ſchied ebenjo ungern 


von feiner neugewonnenen Negimentstante, als wie er au 


ihr gefommen war. — 

Eberhard forderte feine Eskadronsſtütze“ auf, — 
joviel und ungeniert in feinem Haufe zu verfehren wie 
die andern Kameraden, und Lichtenberg füßte Fraulein 
von Wieders jehr ausdrudsnol die Hand und dantte 
verbindlichjt für diefe gütige Erlaubnis, allerdings fügte 
er warnend Hinzu, er fürchte, e3 werde dem Rittmeiſter 
ergehen wie dem Zauberlehrling, welcher aud) die Geijter, 
Die er feichtfinnig gerufen, nicht. wieder [o8 werden fonnte. 

„Darauf lajjen mire anfommen, was, Altes?” — 
ſchmunzelte Wieders, und Refi fang mit Locris nur 
Kai verftändlichem Nugenblinzeln: 

„Und mil das Gräfchen ein Tänzchen wohl wagen — 
mag ers mur jagen - = d foiele ihm aue ee 

So nahm man unter Lachen und Scherzen Abjchied, 
und als der Kürajlier gegangen, jagte Eberhard über- 
rajd)t zu feiner Schmeiter: „Seltjam, der Eleine Kerl 
war heute wie ausgewechſelt, jo luftig und natürlich 
beſcheiden, wie ich ihn mod) nie gejeben! Ich glaube, 
Refi, er macht iid) bod) noch! 

ooo Worauf Fräulein von Wieders mit ganz eigenartigem ` 
unb zuverfichtlichem Lächeln zur Antwort nidte: ,Glaubs — — 
. obl; er macht jid) ganz gewiß!” — — — — 


— 221 — 


Während deffen eilte Kai im Eturmfchritt und ohne 
rechts und {inf zu blicken, feiner Wohnung zu. 

Der Wind warf ihm bie feinen Hageljchauer më 
Gejidt, und die Baume des Schloßgartens raufchten und 5 


ächzten über jeinem Haupt; e3 mar falt und unwirtlich, b 
und der junge Herr hätte zu anderer Beit wohl i ingeimmig —— 


über das infame Wetter in diejem Heinen Neft geſchimpft, 
heute aber ftrablte fcin ganzes Antlitz wie lauter Wonne 
und Wobhlbehagen, und er grüßte ein paar itramm itehende | 
$ürajfiere fo huldvoll, als fei er minbejtens am — 
Tage fommandierender General geworden. 

Und er hatte bod) nur die Würde eines Regiments- | 


neffen erreicht! Aber bieje deuchte ihm momentan foit — 
barer wie ein. Erellenzentitel, denn. fie fef fein pes : 


wieder fo. leicht umb jorgenlos in der Bruft Ichlagen, 1 
welcher e8 heute morgen noch alg Bleiklümpchen — 
hatte. : | 
Tante Refi hatte ibm viel — ſehr viel Gutes und 
Hochherziges heute eriiefen, das bejte von allem aber 
war bie unbeſchreiblich ſchöne Thatjache, Daß fie auch die 
unertragliche Machtitellung des Herrn Moys Fuchs für 
erige Beiten gebrochen — Und dieſe "Popular beta 
er thr miel = = — 

Wie eine — Bombe lechzte Rai geradezu 
nad). bent Augenblid einmal fosplaben zu dürfen, um all 
den angejammelten Groll und Ürger non fid) geben zu fünnen. 

Und ber Funke lag bereits in der Luft um Andete 
ſchon an dem nämlichen Abend — 


Rein Feuer mehr im Dien, eine e Hunbdetite, und Herr 
Aloys den ganzen Nachmittag aufer bem Haufe gewejen! 
Da brad) das Gewitter los — unb Moys Fuchs 
jtand iprachlos vor Überrajchung unter dem $ageljidauer. — 

„Noh eine Frechheit, Kerl, und du fliegt in bie 
Gdwabron urid" — — 

Das verdiente Rade! Der Küraffier wollte gerade 
anheben zu erzählen, daß ber Drojchkentutjcher — — 
Da fuhr ihm fein Herr mächtig über den Mund. „Laß 
ihm machen was er will; id) habe heute meine Wette 
gewonnen — nun brauche ich feine Diskretion mehr!“ 

Der Rheinlander fuidte zujammen wie ein Tajchen- 
meijer und 30g aufs höchſte Bene die oe ein, — - 

das hatte er nicht vermutet. 

Kai aber atmete tief auf und jdjwor fid zu: „Ginz 
mal, — aber nie wieder!” — 








XI. 


(aber ante Refi fi Hatte ihre j jungen Bilegebefohlenen eigen 

Se händig gejchmüdt. | 

Cie jtand vor Martina und ordnete mit 
liebevoller Gorgjalt die weihen, goldgefticten Falten des 
orientalijden Ceibenjfaw8 um das reizende Köpfchen, 
und ganz unmerklich ging ein leifes Beben durch ihre ſonſt 
jo ruhig energijd)e Hand. 

Diefer Shawl war ein Geſchenk Rronjtadts, melches 
er ihr einjt — vor langen Jahren, nad) einer Unientretfe, 
auf den Geburtetagstijd) gelegt hatte! 





Wie ein Heiligtum hatte fie ihn gebütet, er lag mob 


verwahrt amilden duftenden Beilchentiffen in ihrer Rom- 
mode, Dann und wann herausgenommen, um mit ürt- 
lichem Liebfojen geftreichelt zu werden. 

Angeiegt hatte fie ihn nur einmal bei einem Reina: 
ball, zu welchem Achat die Einladung hatte ergehen laffen; 
— fie trug das köftliche Gewebe aber nicht, feiner Pez 
{timmung nad), um den Kopf gewunden, jondern hatte 
es um die Schulter gelegt, Denn eS deuchte ihr geradezu 


— 224 


barbariich, fo udi Edjinfeit Direft al8 Umrahmung für 
thr häßliches Geſicht zu wahlen. 

Und dann fürchtete fie ftets, es zu verlieren ober bag 
e8 bei großen seiten verdorben werden fünnte, und jo 
Dütete fie e3 während ber langem Jahre poll ängftlicher 


- Gorge in ihrem Kleinodienfchrein bis auf den heutigen. 


Tag, wo ihr gutes, menjchenfreundliches Herz bas große, 
adj ger fo große Opfer brachte, e8 zu dem Stojtüm eines 
fremden Mädchens beizufteuern! | 
Sept, ba fie vor bemjelben ſtand, und Martinas reizen- 
des Gejicht aus den weichen, glänzenden Seidenfalten her- 
vorlächelte, bereute fie ihren Opfermut aud) keineswegs. 
Sie war viel zu grundehrlich, zu brav und ſelbſtlos, 
um fid) nicht aud) an fremder Schönheit unb frembem 
Glück erfreuen zu fünnen, und Die jammetbraunen Reh 
augen ihrer Schutzbefohlenen itraflten jo glücjelig zu 
ijr empor, und das zarte Oval des Gefichtchens hob 


— fid) fo entzücdend von bem golddurchwirkten Hintergrund 


ab, daß Refi fih lachelnd eingejtand: „Segt, erft jest tjt 
ber Shawl an feinem richtigen Pla!” — 
= Kronftadt ifr wohl wieder erfennt? — 

Er foll e3 thun! — Gie jelber wird ihn darauf aufs ` 
merfiam machen, damit auch er fid noch nad langen 
Jahren feiner Gabe freut, welche heut einem jungen 
Menſchenkind jo vortreffliche Dienſte ermeift. 

„Martina — bu fiehft einfach beraufchend aus!” 
jubelte Die jüngere Schweiter Käthe, deren frijches, hel- 


blond umlocktes Gefichtchen aus einer ſchwediſchen Haube 


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— 226 — 


heraus lachte: „Wie ein Bild von eid! Wie eine Miarden- 
geftalt! Dieje vielen, herrlichen Goldmünzen auf Brust und 
Armen — wo haben Sie bie nur alle aufgetrieben, Tante 
Neschen? Wenn fie echt wären, würde ich glauben, Sie 
hätten über Nacht bei Mr. Vanderbilt eingebrochen! ^^ — 

„Wer weiß, ob ich es nicht bei dem Qalif von Bagdad 
gethan habe?” ſcherzte Fräulein von Wiederd. „Zwar 
find ja diefe jchönen Behange nicht ganz am Plas bei 
unjerer fleinen Hgypterin hier, das ganze Koftüm ift ja 
etwas pbantaltijd) ausgefallen und ſchwaänkt zwiſchen 
Türkei und Ngypten, — aber gerade das gibt ihm einen 


bejonderen Reig, und ich dente, unjer Publitum wird nicht 


allzu eifrig Nationalfoftüme jtubiert haben, um bie Echt- 


heit Martinas und ihrer Cigaretten anzuzmweifeln! — Gp, 


mein Herz, Sie find fir und fertig, und angeſichts Ihrer 
würde ich e3 feinem Eroberer verdenfen, wenn er Ge- 
liifte auf Agypten veripüren folte!” 

.. Cie job das junge Mädchen lachend por den hohen 
Wanbdjpiegel, welcher bie farbenprächtige, jchlanf-graziöfe 
Geftalt, um welche fic) die fchimmernden Brofatftoffe 
Ichmiegten, in ihrer vollen, eigenartigen Anmut wieder- 
gab, dann wandte fie fid) nod) einmal mit prüfendem 
Blid zu ber drallen Schwedin im roten Röckchen, welche 
ihr nicht minder zu gefallen fien. ‚Nun, wenn Sie 
nicht bie Schwefelhölzchen à Stüd für 50 Pfennig verz 
faufen, dann haben unjere jungen Herren feine Mugen 
im Kopf! Famos, Kinder! Ih bin wirklich fehr zu: 
frieden mit euh! — Was werden eure Eltern fagen!” 


— 227 — 


Käthe ſchob die Unterlippe vor. „Ach, es ift fo fraglich, 
ob. bie fommen werden! — Water ift ja jo jer ba: 
gegen, ſchimpfte jon den. ganzen Morgen, fold) ein 
infamer Trödel fet nur basu da, den Leuten das Geld 
aus dem Beutel zu holen! Seine Verhaltnifje erlaubten 
e$ ibm nicht, für eie Tafje ln eine Mart zu 
geben !^ | : 

‚Nun, dann —— Hoffentlich Sire liebe Mama!” 
tröftete Refi teilnehmend; Martinas herb gejchlofjene 
Lippen Sprachen nod viel beredter zu Ihr, wie Käthes 
Derbe Klage, und außerdem wußte fie, wie unendlich 
idymer eS der überjtrenge Bater jeinen Töchtern auch dies- 
mal gemacht hatte, eim Felt zu bejuchen, obwohl er nicht 
das miudefte Opfer dazu zu bringen hatte! - 


Er verurteilte eS prinzipiell, bab weibliche Wejen ſich 


amüſierten. 

Er jab in der Frau mur das Laſttier, dazu ge Ichaffen, 
von früh bis jpát unermüdlich fleißig und thätig zu fein, 
fd im Dienjt für den Mann aufzuopfern und feinen 
anderen Horizont zu fennen, als bie engen bier Mauern — 
des Haujes. x 

Gr jelber hatte eine gar luftige und antifante Sugend : 
hinter fid), er hatte das ‚„Borrecht” des Mannes, „fih — 
auszutoben”, vollauf in feinen Studentenjahren genofjen- 
und gedachte oft voll Ingrimm jener unglüdjeligen Stunde, 
in welcher er jo hirnverbrannt gewejen, feine goldene 
Freiheit zu opfern, um fid in das Chejoch zu jpannen. 


Bon da an nannte er jein Leben ein unwürdiges und 
152 E 


"uc. 998 o 


elendes, denn er hatte arbeiten und een mie, um 
feine Familie zu ernähren. | 

Dennoch fand fich für ihn ſtets nod) bas nötige Geld, 
um eine Erholungsreife im Sommer madjen zu fonnen — 
„damit er nicht vollends zujammenbräche unter feinem 
Elend!” — aud) bejud)te er Abend für Abend bie Bier: 
ftube und hielt e3 für durchaus richtig, bag er fid) ein 
teures, warmes Abendbrot bejtellte, biemeil Frau aun 
Kinder daheim Kartoffeln oder Euppe apen. — 

Ununterbrodjen hegte feine falte, Deralofe Stimme bie 
beflagenswerte Frau: „Du mußt jparen, Hedwig! — 
Du mußt dich befjer einrichten! — D weld) ein Unglüd 
für einen Mann, ein Weib zu haben, welches nichts von 
der Wirtſchaft perjtebt !^ 

Die blaffe, ftille Frau aber jaf ſcheu und ſchatten haft 
tagaus, tagein und kochte und nähte, ſtopfte und flickte, 
jo ſparſam und trefflich, wie keine zweite, und es ward 
geſpart in dem Hauſe, aber nur bei Weib und Kind, für 
den Hausherrn ſelber exiſtierte dieſes Wort nicht. 

Seine Unduldſamkeit mißgönnte den Töchtern ſelbſt 

bie harmloſeſten, kleinen Freuden, weil er jid) durd bie: 
ſelben in ſeiner Bequemlichkeit geſtört glaubte, und hätte 
Fräulein von Wieders ihn nicht perſönlich auf der Straße 
angelprodjen und feme Erlaubnis erbeten, wer weiß, ob 
Die jungen Mädchen Jebt fo glüdjelig ihrem de cs 
zugelacht hätten! 

Der Landgerichtgrat war immer nog eim ioter 
Maun, groß, Ichlanf, brünett, mit klaſſiſchen Geſichts⸗ 


$ügen, welche allerdings etwas allzu Kaltes, Steinernes 
hatten, wenn man ihn jah, — jobald er aber mit fremden 
Damen jprach, belebte fid) das jtarre Antlik, eine gewilfe 
Verbindlichkeit drückte fid) darin aus, — die eitle Sucht, 
noch immer zu gefallen und einen guten Eindrud zu machen. 

Bor der Welt fien er ber rückſichtsvollſte Gatte 
und Bater und fofettierte gern mit ben Opfern, welche 
er den Seinen brachte! — Man glaubte fie ihm aber 
nicht mehr. | 

‚Mama? Ach du lieber Gott — wenn fie nur den 
Mut haben wollte und fid) herausmagen !“ fagte Käthe 
lebhaft weiter. „Nacht wahr, Tante Refi — fie braucht 
Dod) gar nichts zu faujen? ES genügt Dod), wenn fie 
ihr Entree bezahlt, nun, und ich hoffe, Dagegen wird Bater 
nichts einwenden! Wie würde fie fid) freuen, uns zu 
jehen! Gar zu gern hätte fie — hierher begleitet, 
aber gerade jetzt kann ſie ſchlecht abkommen daheim, weil 
die Buben aus der Schule kommen und beſorgt ſein 
müſſen, und Papa verlangt aud), bag fie zu Haufe iit, 
wenn er nicht auf dem Bureau arbeitet! Aber nachher — 
wenn er in den Klub geht — dann . . ad) Gott, wie 
hoffen wir, daß fie dann nod) in den Pavillon fommt! 
hr thut eim bißchen Freude fo not, gar, gar jo not!” — 

Käthe legte gutraulid) die Arme um die Regiments- 
tante und blickte ihr mit bem treuherzigen Rinderaugen 
ehrlich ins Gefidjt, — Martina aber ward blutrot, bif 
bie Zähne wie in bitterer Scham zufammen und vanbi 
fid) ab. 


= 380 — 


„Martina mag nie über all unfere Not daheim reden!” 


feufzte Käthe, „als ob es eine Schande wäre, dap Bater. — — — 
jo ftreng ift! Du lieber Gott — er muß e3 ja wohl 


fein, wenn man fein Gelb hat, fo heißt es energifd) 

rechnen! Wher amjere Ültefte ba ijt fo entpfindlid), — 

fo ſpröde und ftolj daß fie am liebitem eine Mauer um 
unjer Haus baute, jebem fremden Blid zu wehren!” 

x Refi ſtrich freundlich über die heißen Wangen der 
Sprecherin, dann trat fie neben. Martina, hob das tief 
geneigte Haupt und N ir "m bie Brawengiltquaben 
Augen. 

Spröbe amb tol! ja, baë mar fie, jelbjtquäterija Ç in 
ihrer tiefen Verfchloffenheit. — ` . 

Golde Menichen, meldje all ihr geib allein tragen 
wollen, welche es nicht über fid) vermögen, fid an ein 
treues Herz zu flüchten, um es teilnehmen zu laſſen an 
Luſt und Leid — folche Menichen gehen gar ſchweren Weg. 
Arme, liebreigende Martina, — du wandelft mit Herb 
geſchloſſenen Lippen über Dorn und Stein, und e8 fojtet 
bid) vielleicht nur ein Elagendes Wort, den Entichluß, eine 

bargebotene Hand zu erjajlen, um a blumigem Pfade 

ſchreiten zu können! 
Das Mitleid ift Schon bei mandjem Mann zur Braut- 
bitterin geworden und Dat bie Liebe in feinem Herzen 
gemedt, — Martina aber verjchmähte e3, jid) beflagen 
zu laffen, fie will die Liebe ihres Gatten mdi ale Whnofen 
empfangen, fie will geben, aber nicht nehmen! — 

Der Landgerichtsrat Gollnow nennt feine Tochter | 


einen fehtvierigen Charakter, ein Mädel, ang welchem fein 
Menſch Klug werden fönne! Aber Refi Wieders wird 
wohl ug aus ihr, fie fieft in ben Augen, biejen feujdjen, 
heilig reinen Mädchenaugen, in welchen Thränen ftummer 
Dual leuchten, all die unausgefprochenen Worte, welchen 
ein ſpröder s es ey an eines Menjchen Ohr zu 
klingen. | — 

„Spre Mama wird ganz beftimmt heute abend fommen, 
Martina!” lächelte bie RegimentStante geheimnisvoll: 
„Geben Sie einmal acht, menn Ihre Cigaretten aus- 
verfauft find, fommt eine Botenjrau und bringt neue! — 
Und nun Kopf hoch und luſtige Gefichter gemacht, Kinder! 
Ein geitrenger Bater iit das Beite, was ein Mädchen 


haben fann! Um fo galanter fommt ihr Dagegen der a 


Bräntigam, um jo nachgiebiger ber Ehemann vor! — 
Profit, darauf wollen wir gleich anftoßen! Dörte bringt 
ung eben ben Thee — und ein warmer Slud ijt bei 
diejer Malte recht notwendig!” — | | 

Käthe lachte hell auf und Martina brüdte lächelnd 
die Hand der Sprecherin an die Lippen, — Dörte aber 
lebte ihr Tablett mit Thee und belegten Brötchen haftig 
nieder und ſchlug bie Hände gujammen. 

„Ei du liebe Zeit, gnädiges Fraulein; der Wagen 
muß jeden Augenblick fommen, und Sie quum nod) met 
Toilette gemacht?” — 

„Die Beite, Teuerfte hat ja immer an ung herum 
gepugt!” rief Martina mit ihrer weichen, feelenvollen 
Stimme, melde jedes ihrer Worte doppelt inhaltreich 


a 232 — 


machte, — p Rate pode. ein gang iiberrafdjtes - 


Geſichtchen und ftammelte: „Ei, Tante Refi — tragen = 


Cie denn auch ein Koftüm? Davon ahnte ich ja nod) 
gar nichts!” | 

,AXvob ber vielen Corti aden fo gar nicht cim 
bißchen helle?!” nedte Fräulein von Wieder und trat 
haftig nach der Thür des Nebenzimmers: Zh brauche 
nicht viel Beit zu meiner Metamorphofe —! Bitte, 
Kinderchen, eft und trinkt, ich bin gleich wieder bei 
euch! — 

Was ift fie, Dörte? — Liebes, beſtes Dörtchen, jagen 
Sie, mas fie vorftellen wird?” — jubelte Käthe, unb 
griff mit leuchtenden Augen nach einem Lachsbrötchen; — 
Himmel, pie jchmedte das jo gut — fie hätte zwanzig 
auf einmal effen können! Dörte aber zuckte heiter und 
geheimnisvoll die Achſeln und folgte ihrer Gebieterin in 


-.. bus angrenzende Schlafgemad). 


„Martina — o fofte einmal — das jchmedt gerabegu 
fünigfij!^ jubelte Käthe mit glühenden Wangen und 
langte abermal3 zu: €o etwas habe id) noch mie 
gegefjen, und die Heinen, ſchwarzen Körnchen auf den 
geröfteten Semmeln — mag das wohl fein mag —? 
Koſten werde id) fie auch... . o, ich habe einen Hunger — 
einen Hunger, fage ich bir — ich glaube, in meinem Magen 
it ein Loch! Komiſch, Mama jagt, wenn man aufgeregt 
jet, Habe man feinen Appetit, — ich bin ſchrecklich auf- 
geregt — id) fiebere geradezu — aber jchmeden tut es 
mir bod) — und wiel! — Die liebe Tante Refi! Auch 





< 04 us 


zu effen gibt fie uns! — O — und nun koſte ich bie 
Schwarzen Semmeln — aber warum nimmft Du denn nicht, | 
Martina? Du fiehſt gar nicht erit aus und willſt bod) 
nicht ejjen?!^ 

Die ältere Schweſter lächelte mb nidte ber Kleinen 
fiebevoll zu: „Sch freue mich, bap es bir jo trefflich 
mundet, Baby, — if bu für mich mit; Durft habe ich 
wohl — und eine Taſſe Thee trinfe i qud) !^ 
Welch ein fröhliches Geſchwätz unb Gelahe! Käthe 
führte mit vollem Mündchen die Unterhaltung, und — 
Martina war für ihre Verhältniffe ſchon fehr heiter, denn 
jie antwortete und belächelte die brolligen Einfälle Der 
fleinen Cdjmebit. — 

Und faum, daß man e8 dachte, öffnete fid) die fir, 
und Tante Nefi rauichte „teifgeſtärkt“ über bie Schwelle, 
mit ſchallendem Jubel aus Räthes rotem Miündchen, und mit 
einem Laut freudigiter Überrajchung pon Martina begrüßt. 


„Ei, Tante Refi! Großartig! Bildſchön! Was ftelen 


‚Sie vor?” jtürmte Käthe ihr entgegen, die impojante 
— Srauengeitalt von allen Seiten mufternd, und Fräulein 
bon Wieders lachte, ſtemmte die Arme in die Seiten mo 
jah febr rejolut aus. 


„Rennit bu mid) nit? Gi, Lob Blitz, ich bin Jü bie š 


Guftel pon Blajewig ^^ — — jcherzte fie, „mein Marfetender- 
farren farrt im Pavillon, und id) denfe, meine Küraſſiere 
werden Wallenfteins Lager recht wacker beleben!” — 
„Brillant jehen Sie aus, hergliebe Tante Thereje!” nidte 
Martina mit ftrahlenden Mugen. „Das Roftüm ift fabel- - 


— 235 — 


haft originell und fieht wirklich fo recht aus, als fel e& in ber 
That jhon mit Wallenfteins Reitern zu Feld gezogen!” — 
Cie hatte recht, — felten wohl fah Refi fo vorteilhaft 
aus, wie an Diefem Nachmittag! — 
Die altertümliche Haube kleidete vortrefflich und jdien ae 
wie geſchaffen für das etwas grobknochige, friſche Geſicht, x 


bie furze, peləbelebte Jade, ber bäuerijhe Rod, Balb —— 


perbedt von der blütenmweißen, fteifgejtärften Shite, 
melde an der einen Seite von ber höchſt originellen, 
federnen Zahltafche emporgehalten wurde, — has ſchmucke 


—— gürtud) und der große Georgsthaler an filberner Kette — 


das alles jah jo „echt“ und fleidjam aus, und bie robujte 
Geltalt, bie energifchen Bewegungen. der Trägerin untere 
jtüßten in Dejter Weife die Wirkung des flotten Koftiims. 

Wie nett, pajjenb und humorvoll hatte die Regiment- 
tante einmal wieder ihre Rolle gewählt! 

Sie gehörte nun mal zu ihren Küraffieren; und fo, 
pie fie im täglichen Leben für Deren Wohl und Wehe 
jorgte, jo ließ fie es jid) aud) nicht in heiterem Bazaripiele | 
nehmen, ihre Fürjorge für die tapferen Reiter zu marfieren. 


Guitel von Blajewib! Boll Laune und Humor, mit — | 


Hintanjebung aller Gitelfeit verfdrperte fie ihre klaͤſſiſche | 
Rolle, idjenfte bie Becher voll und hielt Ordnung in dem 
fidelen Heerlager, welches jid) gar bald um we war 
ausgerüiteten Karren bildete. a 
Der Bubdrang des Publifums zu dem Bazar war ein 
außerodentlicher, und bie jubelnden Mufikweifen, Gelächter 
und Trubel ſchallten weit hinaus im den verjchneiten 


ORB ues 


Schloßgarten, durch deſſen bodas Ween unaufhörlic 
Alt und Sung herzuſtrömte 

Rai Lichtenberg hatte fid) and) voll firablenber Laune 
auf den Weg gemacht, und da er in der Dämmerung des 
Abends noch nicht blaſiert auszuſehen brauchte, ſo leuchteten 
ſeine Augen unverhohlen in all dem Eifer und der Freude, 
welche jedwedes Feſt ihm glücklicherweiſe noch bereitete, 
wenngleich es ja ſeine angitooll herausgekehrte Würde 
nicht litt, Dies öffentlich vor den Leuten zu befennen. 

Cein erftes Forichen und Suchen galt der Regiment- — 
tante, welche feit Dem vorgejtrigen Mittageſſen all feine 
Gedanken bejchäftigte. 

Richtig, ba fah er fie ſchon! 

Ein Kleiner Nebenjaal war febr geſchickt durch Cou- 
liffen und echte Tannen in einen fleinen Wald verwandelt; 
feitwarts hielt ber altertümliche SBlanfarren mit abfonder- 
lichem Gerät, Rupferfefjein, Maufefallen, Pferdegeſchirr 
und Selleifen behängt, — dicht davor fladerte ein offenes — 
Wachtfeuer, über welchem fidh auf eiferner Gabel der 
dampfende Keſſel fdjautcite. Darin brodelten die Heiß— 
würfte im bayrijchen Kraut, und zwei trefflich fojtiimierte, 
buttleriſche Dragoner und ein wallonifdjer Küraſſier hielten, 
malerifch gelagert, Wache dabei, derweil etliche Scharf- 
ihüßen und Arkebufiere vom Regiment Tiefenbach der 
vielbeichäftigten Guftel hilfreich zur Hand gingen. Eber- 
hard hatte fid) ben „Wachtmeijter” zur Verlkbrperung 
ausgejucht, und verjchiedene feiner Kameraden folgten feinem 
Beifpiel und erfchienen ebenfalls im Koftüm wallenfteinfcher 


Negimenter, was bem Lagerbild einen ungemein frischen 
und originellen Charafter verlieh, 

Die Überrafhung, welche man damit geplant hatte, 
mar trefflic) geglüdt, der Zudrang war jo groß, daß 
immer neue Tijche und Schemel in das Lager gejchleppt 


werden mußten, wo fid) bet Dampfendem Bund und —— 


Keſſelwurſt bald das lujtigite Leben entroidelte. 

Die Reiter und Scharffchügen durchbummelten Arm 
in Arm die Bazarräume, würfelten und tranfen, wie fich 
das für Kriegsmänner gehört, und fehrten unter Jubel — 
und Lachen gurüd, braune Ziegeunerinnen, Nürnberger 
BViirgermadel, Tyrolerinnen, Drientalinnen und Blunen- 
verfäuferinnen am Arm, um das Reich ber Guſtel von 
Blajewis immer unter unb vergnüglicher zu geftalten. — 

Lichtenberg, welcher zu jpüt von den Vorbereitungen — 
erfahren, begnügte fih, im Bauernfojtim zu erscheinen, 
„als 9toBfned)t der Gujtel", mie er jagte, und bie ging 
jofort auf feine Idee ein und rief ibm mit glühenden 
Wangen entgegen: „Ei, der Jürgen! Wo fat er fo lang 
herum jchwitifiert? — Da geh er mir flinf zur Hand und 
\chöpf die Becher em! © ijt ein guter Tag heut, bie 
Mannerleut lafjen Heller jpringen und bie Stäbtifchen | 
itrömen eh" herzu und fnaufern aud) nit! — Da jpring, - 
Jürgen — bring dem blonden Madel am Tiſch dort — 
einen Glühwein — aber unter zwanzig an sibi 
ihn nicht Her!” — 3 

Rai Lichtenberg war felig! 

Er fief und bediente und Baftete durch Die Menge, 


— m a 


ging, ip gut er e8 m auf bie — ein, welche x 
man mit ihm machte, und hatte merkwürdig wenig Sinn 
und Augen für all die reizenden, jungen Damen, welche 


in ihren originellen Koſtümen noch vorteilhafter und herze — — 


bethörender ausjahen, wie joujt. 

Kai Lichtenbergs ganzes Intereſſe fougentrierte fid) 
auf bie Negimentstante, unb wenn eg irgend anging, fo 
ftand er an ihrer Seite und faute fie verftohlen an. 

Ein Kasperletheater fünbete in einem der Nebentäle 
feine erfte Borjtellung durch ohrenzerreigendes Klingeln 
und Ausichreien an, und die Mallenfteiner warfen die 
Seberbüte juchzend in die Luft und jprangen mit ihren 
Dirnlein davon, bie furdjthare Tragödie von „Hurlie — 
uri” oder „Des oe SON ga c 

jehen. — » 

Das Publitum Ime histone neuen Anziehungepunft 
zu, und Refi fant aufatmend auf einen Echemel nieder 
und fagte: „Gott jet Dank — einen Augenblid mre: 
bie haben mir arg nötig!” 

Kai Lichtenberg 30g jid) einen Suhl an ius Cite. 

„Es ift rajeb anftrengend für Sie, Tante Mefi!” 
jagte er mit beinahe zärtlihem Klang in ber Ctimme: 
„Sie dürfen fid) nicht fo abjagen, es ſchadet Ihnen! 
Lajjen Sie mich doch, bitte, allein laufen und bedienen 
— und jeben Ste fidh beim Keſſel zur Ruh!” 

Refi lachte und flimperte feelenvergnügt mit den Münzen 
in ihrer Gelbtajdje. | 

„Hören Cie bod)! Bei jolhem Klang best man fiğ 


— 999 — 


gern ein bißchen ab! Wir haben eine brillante Einnahme! 
— Uber wag wollen Cie noch Bier? Allein Dafjen, wo 
alles andere liebt? Warum verjchmähen Sie das Sas- 
perletheater ?” — 

„sh. ziehe e8 vor, bei Ihnen zu bleiben!” — er fagte 
eS beinahe ſchwärmeriſch, unb fein Blick ſchweifte aber- 
mala — fchier bewundernd — über fie hin. x 

„Das ijt fer liebenswürdig, befter Graf, ja, es ift 
zu liebenswürdig, denu ich verlange von meinen Neffen 
niemals Nücdfichten für meine Perion, geichweige Selbit: - 
fajteiungen! Wenn Sie fid) lieber ausruhen, ift’3 etwas 
anderes, und dann flage id) vor, wir „‚pünfchen‘‘, um ung 
neu zu fraftigen! Profit, Jung Jürgen! So ein Roß— 
fuedjt bei der Guftel hat an faueres Leben!” — 

Sie hob den Becher und lachte ihm fröhlich zu, und 
Rai that eifrig Bejcheid und lächelte ſchwärmeriſch: „Daß 


ich’ für mein Leben bleiben fónnte! — Welch ein famojed 


Koftim tragen Cie, mein gnädiges Fräulein, es fteht 


Ihnen brillant — ganz brillant — das müßten Ste immer Ç vu 


anlegen —“ | 

„Nicht wahr, jolch em bißchen was Außergemöhnliches 
verfeugnet niemals feinen Reiz — ſelbſt bei einer Gujtel 
bon Blajewik nicht!” nidte fie harmlos. „Wie entzückend 
jehen bie meiften unferer jungen Damen aus, — jelbit 
bie Nüchternfte und Häßlichſte entbehrt heute abend nicht 
eines gewiſſen Zaubers — und wie hinreifend jehen erit 
bie ſchönen Madden aus! — Haben Sie un Fräulein 
Martina Gollnow geſehen p" — 


- Bollnom ? — Rein - — ber Name flingt mir aud) 
ganz unbefannt.” zu ae _ 
„Sie verkauft als 9Laypteriu onm — im erjten — 
Gaal — rechis! — Wie, bie jdjóne Martina haben Sie 
nod) nicht gejehen? — ‘Uber jofort müjjen Sie bin und c 
ihr eine bujtige Agypterin abfaujen!” | 


Rai regte fid) nicht, fondern blickte gcogiittg h in bis TAS 


Hadernben lammen. 

„Sch bitte Sie, liebe, gnädige Tante — laffen Gie 
mich hier! Sch bin uod) jo fremd, — id) würde mid) 
gar nicht zu ihr bin finden .. .“ 

„Si, jo bitten Sie Niebeland oder Howald, — bie 
bringen Cie mit Vergnügen hin! Überhaupt jollten Sie 
Hid) einen Kameraden zum Cicerone wählen und ne) 
herumführen Lafjen = 

Gai bip bie Zähne in die Lippe und tah — 
wieder ſehr abweiſend und ſehr arrogant aus. 

„Das möchte id) lieber vermeiden, mein gnädiges Frau- 
fein!” — jagte er gepreßt. 

Sefundenlang trap ibn Rejis ſcharf forjdender Blid. 
Cie neigte Hd) máfer. — x 

„Barum nicht, Graf? Liegt etwas vor zwiſchen Ihnen 
und den Herren?” — —— 

Qai gudte finfter bie Achfetn. ,Surd mein Ber: 
jdulben gewiß niht!” antwortete er jchroff. 

Das lachende Gelicht ber Negimentstante fab plößlich 
jehr ernjt aus. Ich bitte Sie als Freundin, lieber Graf, 
jprechen Sie ehrlich zu mir, was vorgefallen ijt! Wenn 





9t. o. Cf OHftruth, IL Mom. u. Nov. Die Itegimentstantel. 16 


ec wA cem 


cin Fleck friſch ift, (aft i ec fid) feicht au&mergen, — I1 c - 


altet er, fo ijt ihm nicht mehr beigufommen!” —— 


„O, mein gnädiges Fraulein — id) verfihere Ihnen, — 


e8 liegt nicht das —— vor, was Ihrer gütigen Ver⸗ 
mittelung bedürfte — 

‚Vielleicht fein offizielles Zerwürfnis! — Aber es ift 
nicht alles fo, wie e3 fein follte; ich fehe eë Ihnen an, 
Graf, — id) weiß, Daß etwas goes Ihnen und ben 
Kameraden jtebt ^. — | 

Rai drehte medjanijd) den totbebänderten —— 
zwiſchen den Händen: „Das ſtimmt allerdings, leider 
Gottes!” ſtieß er ingrimmig hervor. „Es ijt geradezu 
empörend, wie ich hier in dem Regiment aufgenommen 
werde! Unfreundlih — falt — taum, daß man mir 
Die notwendigſten Formen ber Höflichkeit erzeigt! Sch 
bin ein junger Menjch und e8 iff natürlich, bag ich mid) 
anderen Herren intimer anfchlichen möchte, aber man zeigt 
es mir |o deutlich, daß man meine Freundichaft nicht 
winjcht, Daß ich zudringlich fein müßte, mich den Herren 
nod) weiter aufzudrängen! Selbſt Niebeland und Howald, 
welche doch felber noch junge Dächje find, benehmen fich 
mir gegenüber, ala ftünden fie biz an bie uie in faltem 
Wafjer! — Š, id) Habe mir bie Sache bis jest ruhig 
angefehen — aber Die Bombe ift dicht am Plagen, und 
wenn e8 Skandal im Regiment gibt, — jo haben es he) 

bie dee jelber zugujchreiben!” x 
ji hatte den erregten, jungen Manu ruhig aue 


incus lajfen. Seht jab fie ihm freunbfid) in bie Augen 


— 243 — 


unb jdjttelte den Kopf. „Da fei Gott vor, daß es 
Bwiftigfeiten gäbe!” jagte fie fanft: „E3 würde viel Berz 
drieglichfeiten geben und Ihnen, als dem Jungſten und 

Solierteiten, am allermeiften jdjaben! Sn Ihrem eigenen 
Sntereffe, Graf — halten Sie Frieden!” 

Es fann ber SSejte nicht im Frieden leben, wenn e3 
bem bojen Nachbar nicht gefällt!” murmelte der Küraſſier 
erbittert. „Sch bin mir nicht bewußt, die Herren provoziert 
zu haben! Ich werk nicht, was id) Ihnen that.” — 

Ich weiß e8, Graf!” | 
(Sr blidte überrajd)t auf: „Sie, mein guibi ges Fräu— 
fein? Ah — ba ware ich begierig . 

Reſi reichte ihm herzlich bie Gand, Ich ‘oll e3 
Ihnen jagen? Gern. Sehen Sie, lieber Freund, es ijt 
ein übles Ding, die Wahrheit zu jagen, und id) habe 
diefem undanfbaren Geſchäft [ünaft abgejchworen, beum 
Die Menjchen find meijt viel zu bejchränft und thöricht, 
um joíde Wahrheit ertragen zu fünnen. Bet Ihnen ijt 
das etwas ganz anderes. Sch habe Sie ala einen viel 
zu Eugen, ernjt und vernünftig venfenden Mann fennen 
gelernt, um zu fürchten, daß Cie, engherzig wie bie an: 
deren, fold) ein ehrliches Ausjprechen übelnehmen fóunten! 
Od) weiß, bag man mit Ihnen alles bejprechen fann, Graf, 
ohne Gefahr zu laufen, mißverftanden zu werden!” 

Die Sprecherin Diet momentan ume, und der Blid 
ihrer forjchenden, ſchalkhaft liftigen me jenfte fic) in 
bie ihres Gegenübers. | 

Kat Lichtenberg jah buntefrot aus, d oe ae 

16* 


= 244 — 


ichmeichelt und angenehm berührt fühlte er fid) durch 
ihre Worte, x 
,Gnübiglte Tante — id) ee giur- — alles — 
alles fann ich ertragen! Aus Shrem Munde.. “V 
Sie driidte ihm herzlich bie Hand, DM er an E 
Lippen geführt hatte. Se 
‚Beil Sie willen, dafs id voll ganz zu Ihnen 


halte!” lächelte fie heiter. Mfo hören Cie, was man - 


Ihnen Hier übel nimmt! Seder Menfch bat feine Achilles: 
ferfe — bie Provingler eine ganz befonders empfindliche. 
Cie find eiferfüichtig auf die Großftädter und erblicken 
in einem jeden den Verjpötter alles deffen, was ihnen i in 
bem engen Rahmen ihrer Kleinen Berhältniffe fieb und 
teuer geworden ift. Nichts fann fie mehr verlegen, als 
ein nichtachtendes Wort, eine ironifche Bemerkung über 
Land und Leute ihrer Umgebung. So ift e3 aud) hier. 
WM die Zuftände, welche buen, bem Re efidengler, alt= 
fränkiſch unb. kraͤhwinklig porfommen, gelten Hier als 
heilige Traditionen. Kun haben Ste hier in der eriten 
Beit ganz arglos Ihre Meinung ausgejprochen, haben 
bie Stadt fein und fpießbürgerlich, bie Menfchen fang: 
meilig, bie Berhaliniffe in mandjer ao Reale 
gefunden — — —" 
„Auf Wort, gnädigftes Sräufein — baba buie id 
mir nie etwas gedacht, — Das war jo Binaeiprod)en . . . 
„Natürlich waren Cie ganz harmlos! Aber bei bem 
Argwohn der Provingler jab man bitteren Spott und 
Hohn darm — und das fünnen die Leute nun mal nicht 


— 945 — 


vertragen! Wenn einer daherfommt und fid) aufs Hohe 
Pferd jebt und alles bemitett, dann Bi man ifu 
gis end en 
QA, id banfe — Bu jabe it mig ja Feti in bie 
Neffeln geſetzt!!“ 
„Bottlob nod) nicht agidi I Sie, be — 
Niebeland und Howald gurüd! Nun ganz harmlos ge 
than! Sch beordere fie zu Ihren Fiihrern, unb dann 


thun Sie mir ben Gefallen, Graf, und himmeln und 


ſchwaͤrmen Sie von Maifenburg in allen Tonarten! - 


Finden Sie dies Fejt gropartig, bie jungen Mädchen a 
jin wie die Engel — die Herren amijant Hub 
wibig, wie fies jonft noch nie gefunden — und Cie ——— 
werden jehen, welche Wunder b eine 


tur — ` 


Rai Lichtenberg bfickte mit Hlikenden a. in “hae x pm 


fiebenswürdige Geficht ber Eprecherin. Er griff oed ben 
Runjchbecher und hob ihn begeiitert. | 
.. Q,FXd) werde eS thun, mein qnädiges Fräulein, anb ib =: 
werde damit bie Wahrheit jagen! Maijenburg ijt die 
Krone ber Provinz — aber bie edelite, herrlichite Perle, 
welche fie trägt, ift unjere Regimentstante, fie lebe quan 
— Homi! — Homi — 

Niebeland und Howald hatten bie lebten Worte ge- 
hört und traten mit höchlichſt überrajd)ten Gefichtern 
näher, Refi aber reichte auch. ihnen lachend bie bampjene — 


den Gläfer und rief: „An meine Seite, | liebe Neien da UM 


mit bie Berle fbniglid) gefaßt ee 


Au 946 — 


Subelnde Heiterkeit, — die Gläfer Hangen ftürmifch 
zufammen und zum erftenmal richteten fih bie Augen 
der beiden jungen Kameraden fehr mob(mollenb auf Rat 
Lichtenberg, welcher jo gar nicht mehr blafiert oder 
mokant ausfah. 

„Und nun heran, meine a, ierit Tante Refi, 
„führen Sie Lichtenberg feinem Verhängnis entgegen! 
Der Löwe beginnt Blut an feden!  Seigen Sie ihm mal 
. umjere Schönen Mädchen — Martina Gollnow nicht zu 
vergeſſen!“ 

| „Bravo! Famos! €p ia recht, Bidhtenbera Avanti! 
Wer gern tanzt, bem ijt leicht gepfiffen ^, und voll lachen⸗ 
der, liebenswilrdiger Heiterkeit fakten Die Küraffiere ben 
jungen Kamerad unter den Arm und zogen ihn mit fid) 
fort in das bunte Menfchengewoge. x 

Refi aber fah ihnen mit einem tiefen, erleichterten 
Aufatmen nad) und lächelte ftl vor fid) Hin: „So; den 
— Heinen Störenfried Hatten wir zahm gemacht! Wäre noch 
alles gemejem, was ba fehlte, daß wir a ins Rez 2 
giment befonmen hätten! i 


Guſtel Guſtel von Blajemib!l Da tonne dn 2 


[ujtiqe Gejellen, bie leckert's nach einer Heißwurſt!“ 
poed — ssungfer Gujtel — | eingejihentt 12 
-A&iutelbed)er Herzu!” : eU 
under. Kroat will Streit onen Weis ihm bie 

ege - — Guſtell⸗ x 
„Sein (till, Geſellen — laßts euch pon ben Dra- 

gonern bedienen, — - ba fommt unjer Feldherr all jebi 


247 = 


Und Refi fuirte itii und tier vor ber jtattlich ſchönen 
Geftalt Kronſtadts, welcher mit federummalltem Hut, in 
Heibjamer Wallenfteintracht auf fie . yan om : 


den Sl [füftete, — o 
gS Por i ua | Gott grüp' He, ftt von z 


Blaſewitz!“ 


— = 


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SUUS se 
OS N 





UNT SNK 


ON a 





SEE 


SAS 












XII. 


ron|tabt hatte jid) feinen Schemel etwas abjeits 
an bie Marfetenderfarre gerüdt und blidte nad- 

| denflich, beinahe etwas. trúbjelig i in — heiter 
pulſierende Leben hinein 

Er hielt den Punſchbecher in ber Hand, ohne zu trinten, 
und als juft ein paar [ujtige Schwabenmädels, welche 
ihren bunten Tand an den Holzitänden bereits ausverkauft 
hatten, fid) ber Guſtel von Blaſewitz alè „dienſtwillige 
Magd” angeboten hatten und nun unter Scherz und 
Neckerei die Lagergäfte bedienen halfen, ftrid) Refi auf: 
atınend über das erhitzte Geſicht und ſetzte fich auf bie 
~Rarrendeichfel nieder, um für eit paar Minuten aus: 
- zuruben. | 
„Er bu liebe Beit! Freund Sronitabt, was machen 
Sie denn für ein Geficht ?“ lachte fie, „Dichten ober trachten 
Sie? — Oder machen Sie Weltgefchichte, daß ſelbſt ber 
ſchönſte Glühwein darüber falt wird?” — 

Er jab) ite mit fone dunklen Augen voll und gerade an. 








= 490 FS 


Amien Sie bie efenifche, fatale Stimmung, Tante 
Reſi, welche einen Menſchen ganz plößlich überfällt, jo 
daß er fich inmitten des größten Menſchentrubel Š . 
unjagbar einjam porfommt?^ | 

. Wein, bie fenne ich nicht, denn ich habe, Gott dei 
Dant, feine Nerven, — und für Sie find foldje Elegien 


auch noch bedeutend verfriiht! — Es ift wunderbar, weld — 
ein Geijt ber Schwermut, ja id) möchte jagen ‚ver —— 


Unzufriedenheit‘ plöglich in bem Regiment um fid) greift! 
(dj beobachte das don feit geraumer Beit — wid 
ich fürchte — ^ Nefi jeufzte leicht auf — „ich feme 
auch die Urfache, an welcher das gejamte Offiziere | 
cauti = 

„Davon bin id) überzeugt! Was entginge Ihrem 
i gri. Bid! — Sehen Sie L ante Reſi — bie Der 
zu — 

„Aber mein Gott — warum tevoltieren Sie nicht 
dagegen? Sch bin wahrlich nicht für das Aufhegen, aber 
alles fat feine Grenzen! Der Oberft mag Ihnen dienftlich 
eine unfehlbare Perſönlichkeit fein, Deren Befehle blindlings 
erfüllt werden müjjen; aber im privaten Leben hören die 
Niückfichten auf, und fich ftunden-, ja albe Tage und 
Nächte lang am Wirtstifch feftnageln zu laffen, nur darum, 
weil e bem Oberft zu langweilig ift, allein zu Haufe zu 
hu — Das... mut, Das halte ich einfach für einen 

Mißbrauch jeder gii baide Form! — Wenn Sie 
alle — viribus unitis! — | De ſchließen, dagegen zu Oppo: 


— 251 — 


| nieren — et, id) wollte mal fehen, ob jid) dies Wirtshaus- 
itraffommando nicht abitellen liege!” | 
: Kronjtadt jdjütielte langfam den Kopf. „Das ginge 


fier an, — was fid) nicht biegen läßt, fann man zur 
Not brechen. Wher id) glaube nicht, Tante Refi, dag 
hierin allein der Grund zu bem allgemeinen Mißbehagen —— 
der älteren Kameraden ftedt; — er liegt tiefer. Bisher - 


dominierten im Regiment „ber Hagejtolge” die Jung- 
gefelfen, weldje fic) ungeheuer befagfid) und glucklich in 
ihrem freien, ledigen Zuſtand fühlten. Man neckte und 


foppte bie paar verheirateten Leutnants, baute ihnen bei —— 


jeber Gelegenheit alle Schwiegermutter⸗ und Gattinnen- 
mibe ber liegenden 3Blütter auf, und beflagte fie im 
Grunde des Herzens ichr, daß fie ihre ſchöne, goldene 
Freiheit einem Leben voll Sorge, Verantwortung, Kinder: 
geld)rel und Weiberlaunen geopfert hatten. — Seht ift 
Das plößlich anders geworden. Die ftolze Junggefellen- 
berrlichfeit Dat einen jchauerlichen Dämpfer befommen. 
Nicht allein, daß die verheirateten Kameraden uns täglich 
beweijen, daß ſie im Grunde genommen viel beſſer dran 
find wie mir — der Oberft ift ein ritterliher Mann und 
nimmt jedwede Nückficht, ſelbſt die, daß bie Verheirateten 
nicht mal abends in der Kneipe zu erfcheinen brauchen, — 
ja nod) mehr — wir Unverheirateten haben plößlich ein 
entjegliches Menetekel in Geftalt unjere8 Oberjten an bie 
Wand gefchrieben befommen. Was jo ein alter Hages 
ſtolz für ein bedauernswertes Gejchöpf ijt, führt er uns. 

tagtäglich vor Augen. Man müßte ja taub und blind - 


— 22 — 


fein, das nicht mit zu beobachten. — Weld} ein Unbehagen 
überfommt den alternden Mann in feiner ftillen, einjamen, 


öden Wohnung! Mag fie noch fo ſchön deforiert und =~ 


warm gefeiot fein — fie bleibt unwohnlich und falt, daß 
man big in das Herz hinein friert. — Eine wahre Furcht 
bor Diefer Ginjamfeit quält ben Dberft, das franthajte, 
ungeftüme Verlangen — unter Menfchen zu fein, Dod) 
fo, daß er ungeniert ijt und fein eigner Herr bleibt, wie 
e8 im Wirtshaus der Fall ijt. — Was hat er außer dem — 
Dienft noch für Interefjen? Reine. Wenn er das bißchen 


Arbeit erledigt Dat, liegt er fid) bie Ellbogen auf dem | 


(yeujterbrett round nnd wartet voll Ungeduld, bis die 
Eſſensſtunde ſchlagt Dann atmet er auf, er wird nicht 
mehr allein fein. — Und während Der Suppe hält diefes 


Gefühl der Be friedigung nod) an, — mit bem eren —— 


Gang überfommt ihn bereits bie llurube Das Effen 
nähert fic) dem Ende, — was dann? — Wieder allein 


a. 0 no — Sn einer befreundeten Familieden — 


Thee trinfen? — Wenn der Menſch altert, wird er - 
ichwerfällig, ber gefellichaftliche Verkehr ermüdet — der 
jteife Rockkragen drüdt mit ber Beit. Und fo will der 
alte Hageſtolz fid) felber, feine Ginfamteit, feine Oden pier 
Wände fo lange wie möglich fliehen — und dann bleibt 
er bet did) fiten ewig — ohne Ende — und feine 
Offiziere miljfen ibm Gefellfchaft leiften, denn fie find ja 
auch Sunggejellen, frei und Herren ihrer Zeit! — Welch 
eine Daarjtrüubeube Langeweile während Diefer emigen 
Sibungen! Geftern entfehulbigte ih mid), daß id) ein 


= s — 


neues Pferd zureiten mile, unb ftand nach bem Kaffee 
auf. Ad) ritt zwei Stunden, — ich las daheim nod) die 
Verdyſchen Erinnerungen aus bem großen Hauptquartier‘ 


zur Hälfte bur), und dann ging id) langfam dur bie — 


jtille, fchlafende Stadt nach ‚der Sonne zurüd, meine = 
vergeffene Gigarrentajdje zu Holen. — Als ih an den — 
Tiſch trat, mar'8 als fet ich gar nicht fortgewejen! Da 
ſaßen der Oberſt und feine Opfer mit müden, verglaften 
Augen — tranten, tauchten — fprachen hie und da ein 
Wort — und meine Raffeetafje ftand noch an ihrem 
Fled, und das Schwefelhölzchen, mit welchem id) meine 
Cigarre angejtedt, ag nod) juft fo, wie id) e8 hingeworfen 
hatte. Der Oberft aber fagte gerade mit einem tiefen 
Ceufger: ‚Ja, wenn man älter wird, dann laſſen bie 
Augen bei den meijten Menj iden plötzlich nàd), — bei 
Licht be8 Abends lefem ift ein übel Ding — ich mute e3 
den meinen nicht mehr zu, — und ich rate Shuen, meine 
Herren, halten Sie haus mit den Shren! So lang: 
weilige Abende find greulich, namentlich, wenn man nicht 
Rarten fpielt, wie ih, — und fold) ein Dauerjfat von 
Jahr zu Jahr — der verliert für alte Leute ſchließlich 
auch feinen Neiz! Sa, jo lange, wie man noch im Dienit 
ift, Da geht es nod) an, ba hat man feine Beſchäftigung — 
aber alè SBenfionür — na, Gott bewahre uns alle nod). 
lange davor! Profit meine Herren! 

Sch fann Ihnen gar nicht jagen, Tante Refi, wie 
mir zu Mute war! Greulich, entfeglich! Sit folh eine 
Perfpeftive hat man ja mod gar Mns L 5 


= 91 — 


Und id) glaube, bas eb a allen Renanen fol Wenn 
wir mod) vier Woden fang den Oberſt als Schreck⸗ | 
gefpenft ber Zufunft im unjerer Mitte haben — leiden 
wir entweder alle an Tieffinn ...: oder... . wir 
heiraten.” — | 
^ Refi lächelte. „Und das ift eins fo idyredtid) ole 
das andere, wenigitens für Menſchen, melde abjolut 
nicht zum paret gejhaffen find, wie gum Beifpiel 
Ste! |^ x 
Er ſchaute ee in feinen Becher. „Das glauben 
Sie alfo auch?” feufste er. „Sa, ich werde felber nicht 
recht fug aus mir. Ohne Neigung zu heiraten, Halte 
ich geradezu für ein Verbrechen, und mich verlieben? — 
Ad id) fürchte, was piden nicht lernte, lernt Hans 
nimmermehr!” — | | 
„un, das wollen wir ‘nod nicht io ſchroff Dabin 
ftellen! ‚Und He fommt Doch! Die Liebe nämlicd), welche 
für Sie vielleicht etwas ganz Tr Beglücendes falt 
—ugeuelit pate- 
„ld, bap je e$ mir jcemieren möchte! d) Habe fo 
gar fein Talent zum Suchen!“ : 
„Seluchte Liebe ijt auch nicht bie richtige, jie: muB 


ganz von jelber fommen, wie eim Blitz aus Hetterm |. e 
- Simmel, muß fofort zimden und das Herz in Flammen — 


jegen! Allerdings aus den Wolfen fallen bie jungen 
Mädchen nicht, infofern muß man ber Göttin Minne 
wenigftens entgegen gehen, bab man bie Augen aufthut 
und im Leben um fid) fieht! Haben fie Beute ſchon Um- 


— 905 — 


{hau Bier im Pavillon gehalten? Nein? Cie find eben 
erit gekommen und geben fofort neben dem Punſchkeſſel 
bor Unfer? Allerdings, wenn dann nicht bie hübjchen, 
jungen Mädchen herumpräfentiert werden, weiß ich auch 
nicht, wie und wo der efeftriiche Funfen zünden fol! Nun 
will id) Ihnen mal ein biächen Arbeit geben, welche Sie 
auf andere Gedanken bringen foll! Entfinnen Sie fid) 
noch Deg weißſeidenen Kopfſhawls, welchen Sie mir aus 
Kairo mitbrachten?“ x oo 

Gr jah fie erftaunt an. „Das ijt ein bikchen viel 
verlangt! Aber id) büdjte, er hätte ein Mujter in Gold- 
fticferet aufgewiejen ?^ — 

„Redt fo; gut gebrüllt, Löwe! Nun hören Cie! 
Dieſen Shawl habe ich heute einer jungen Dame, welche 
fih im Pavillon befindet, gelichen. Dieſe junge Dame 
ſuchen Sie, bitte, mal auf — Erkennungszeichen jener 
Shawl! — und bringen Cie Diejelbe Hierher! Sagen 
Cie ibr, @ujtel bon Blaſewitz kommandiere ſie zu einem 
Glas Punſch, einem Deimaettel mit baprijdjem 
Kraut!” 

„sh bin Wachs in Given Händen, Tante Refi! Aber 
fagen Gie mir wenigitens, weld) ein Koſtum trägt bie 
Dame? In meídjem Saal befindet fie fih? Wo unge: 
fähr ift ihr Stand? Was verkauft fie und wie heißt fie?“ 

Reſi ſtemmte mit ſchalkhaftem Geſicht die Arme in 
bie Seite. „Da fau einer an, wie bequem e8 der Herr 
gemacht haben möchte! Nein, lieber Freund, hingehen 
und herholen — bas allein ijt nicht der Zweck der Übung! 


c6  — — 


Suchen follen Cie! Euchen von er zu Sij, in jedes 
Dübide Gefichtchen hineinfehen und bei diefer Belegen — 
heit eae einmal u unter den jungen Damen 
halten — 

— Gr lachte ihallend auf, P» fftine Rlugheitt Dein 
Name ijt Weib! — Bravo, Tante Refi — die mgm 
von Gaba ilt $hre Bwillingsichweiter . . ." 

> Ryu, Freund Sn fo alt bin ich denn Doc) 
nod niht — — 

td; NE Tante Refi, Delt Seburtefehein haben Eie 
ung nod) nicht gezeigt!” flang eine nedende Stimme baz 
zwifchen, und ber unverheiratete Rittmeifter von Hunolf 
ſchob ſein gerbletes Geſicht hinter der Karre vor, gleich— 
zeitig wies er mit einem Jodler auf ein Paar geltrictter 
Babyſchuhchen, welche als Berloque an einem feiner 
Knöpfe baumelten: „Echen Sie maf, was id) eben in ber 
Würfelbude gewonnen habe! a das nidt eine Vor: 
bedeutung? — Kann ich auf dieſes — Din | 
nicht fofort heiraten p" | 


| — „Bem Cie eine finden, Die e3 mit E vistieron | 
(i cos semel, lieber Neffe —” 


Wurden Sie mid) faltifch nicht erhören, Tante Mefi” 
Faktiſch nicht! Sch darf feine Ausnahmen maden!” 
„Ewig Schade! — Wilfen Sie auch feine fiir mich? 

Co eine ganze fleine, ganze Kleine, ganze Heine Frau?” 
„Das verfteht fih! Blond oder braun 2” 

„Ra, fo ein bifchen brünett ijt pifant — unb friſch — 
und füß unb appetitlich zum Wnbeifen . . .” 





N.v. SfHftruth, IN. Rom. u. Non, Die Negimentstante I. 17 


Out, foll bejorgt werben! Hier haben Sie einft- 
weiten ein Glas Fund - — made fünfzig Prange [^ 
- Aber Guſtel!“ 


Nefi ftedte ſchnell einen Thecoffel „Mit Safe. P. 


eine Mart.” s 
Am alles im der Welt” und Hunolf tranf. bem Wein | 


fchleunigft aus. Ich jebe, jedes Zögern bringt hier 


ichwere Gefahr ....^ — 

„Suftel! Gul ſtel von Bla jemig!^ 

„Stier bin ich, komme ihon! p 

jQigeunenmupit! Heija, ber Kroat giebt mit einer 
Bande awl! Sertumpt find fie fchredlich und eine Mufit — 
machen fie — daß Gott erbarm — wer iſt's den? — ` 
Hahaha! Ein paar Neferendare! Famoſe Idee! Das 
fehlte noch zum Bazar! Nun fann der aba — 
Juvivallera! hops Deijaja!^ . 

„Und ba fommt ber Kapuziner! Er traut alle apre 
ohne Anfehen ber Perfon — wie fie ihm grade unter bie 
Hände ommen! . . .” 

„nauve qui peut! 

Ein pubelndes, lärmendes Durcheinander; langjam 
Schreitet Sironjtabt in: ben Stebenfaat hinein. Gr fol den 
weifjeidenen Kopfſhawl fuchen! x 

Wahrlich, Tante Nefi hätte e$ gar nicht gejchidter an- 
fangen können, ihm zu zwingen, ſich die Damen einmal 
gründlich anzufehen. 

Er thut eë lächelnd, und er fieht foviel ‚Hübjches, Mn- 
GES aul Daß er feine ‚Freude paran fat. | 


— 259 — 


Noch ijt er wenig befannt in ber Gefellichaft, obwohl — — 


er {chon jeit Wochen in ber Stadt weilt. Der Winter ijt ES 
in biejem Jahr fo überrafchend früh gefommen, bab er — 


die Geſellſchaftsſaiſon nod) ganz inorberetet, wie ein 
Kind in Windeln, vorfand. 

Mit dem Bazar Beute ward fie wohl ait ret et 
öffnet, unb Die Sugend jubelte darüber, Denn jonjt war 
vor Weihnachten im der Siegel recht menig los, ba Die — 
Seftoprbereitumgen alle Heit in Anfpruch nahmen. Es ge 
hörte zum guten Ton, dak Mutter und Töchter fif bis — 


zur Atemloſigkeit an Ruckenkiſſen, felbitgefnüpften Smyrnas 


und gemalten Ofenſchirmen abarbeiteten, denn je raſtloſer 

man bie Damen am fyenjter figen und nähen fah, dejto — 

mirtidjattl icher und häuslicher nannte fie Frau Sama. —— 
So waren aud) an S'roujtabt noch wenig Einladungar 


ergangen, und weil ihm die Damenwelt nod fremd war, — 


und auch er in feinem K ojtimt nicht jo schnell erfannt 
wurde, fam er ziemlich unbehelligt durch die Menge, 

Ein paarmal nur mujte er Qofe faufen und an ciner 
Würjelbude - ward er von einer ifm betannten, feinem. 
Leutnantsfrau — — bant er jem Glück 
verjuche. 
Thuen Ste e8 nicht, gnaͤdigſte ran! ad tuiniere 
Ihnen das ganze Geſchäft!“ lachte er. „So oft id) im 
“eben gejpielt oder gewürfelt habe, entwickelte ich ein folches 
Slüc, bafi bóje 5 Sungen nie Ihan Den Cepia Cede 
nannten.“ 


„‚Steicpviel! Wir vistieren es und beftell en einen 1 Laft- D 
pu Sd 


— Stee 


wagen, welcher nen bie Gewinne heimfährt. Alfo bitte, 
Herr von Kronftadt — eins... gwet... ah — dies 
mal Hat fich ber Grouplerjdreden nicht bewahrheitet!” - 
Und Achat würfelte weiter und verlor immer weiter, 
— er hatte fein Glitc wohl berufen! = 
Die Damen ficherten und nedten: „Ei, et, Herr Dberit: 
[cutuant! Unglück im Epiel bedeutet Glick in der Liebe.” 
„Das würde etwas |pát fommen!^ . 
„Aber es fommt! Es üt vielleicht [don ganz, ganz 
nahe auf dem Wege und lacht Gie mod) in Der 
Stunde an!“ 
| „Möchten Sie uh prophezeien, meine aa | 
Frau!” lächelte er chevalerest und jaf es faum, wie heiß — 
Die Blide ber Damen an feinem ſchönen Untlig hingen. 
Ich werde mid) jojort Daran begeben, e3 zu chen, 
halten Sie mir den Daumen, daß id es finde” — 
Und er jehritt nadjdenflich weiter und faute in all 
die frischen, bübjdjen Gefichter — und mufterte aufinerfjam 
alle Softüme — aber den weißjeidenen, orientalifchen 


-Shawl fand er nicht. Hatte Tante Refi ihn nur gefoppt? 


„se num, ihren Swed hat fie ja erreicht, er jiebt fidh 
Die Damen jehr genau an — allerdings hat jem Herz 


nod) nicht einmal jchneller gejdlagen. Eine laute, etwas — — 


dröhnende Herrenftimme fallt zu ihm herüber. | 
Bor einer Bheebude, wo eine jehr niedliche, junge 
Aſſeſſ orsfrau, als Chineſin koſtümiert, Duftende, feine 


Theeſchalen verabreicht, jteht ein alter General, eine wohl: 


betannte und pj genannte Perjönlichkeit aus dem Kriege 


— 96 — 


70/71, elder fo populär ijt, daß man ifm all feine 
Originalität jdon fängft nicht mehr übelnimmt. 
Er liebt e3, jehr draſtiſche, derbe Wipe zu machen, 
ungeniert, ob er jid) in Herren⸗ ober Damengeſellſchaft 
befindet, — und viele folder Scherze werden bereits von 
ibm erzählt unb ün ganzen Lande belat. — 
Sein weißbuſchiger Kopf auf dem ftarfen, geröteten 
Naden ragt über das ihn umvingenbe Bublifum. Er hält 
die Theetaſſe in der Hand, ſchlürft behagltd ihren Inhalt 
und ſchaut bie allertiebjte Li-Huang, melde jefr graziös 
vor ihm mit dem Fächer fofettiert, über den Porzellan- 
rand Dinmeg mit höchſt twohlgefälligen Biden an. — 
‚Ma, Eleenes Chinaweibchen — un’ wie ville foft' 
mich ber Troppen? fragte er — und zieht bie 
itruppigen Augenbrauen Bod) | 


„Bitte nach Belieben, Grella — aber nicht zu fnapp |” x e 


lächelt Das junge Frauchen verführerifch zu ihm auf, und 
der alte Herr zieht umständlich bie Börfe und legt ein 
Goldjtiic auf den Tifch. 
pug!” Qi-Huang tritt noch ein Slide näher 

und macht bie jchönjten Augen, welche fie auf Lager hat. 
„Und was darf ich abziehen, Grcelleng 2” x 

Da grinſte ber Alte über das ganze Gelicht. 

 „Meinetwegen alles, meine Gmübigfte, bis uff bie 
Schuhe!“ fagte er mit dröhnender Stimme, und ein 
ichallendes, unauslöfchliches Gelächter erhebt fih, dieweil 
der alte Feldherr fid) mit berid)uibtent Blu im Sreife | 
umfchaut. 3a, alle = — alle! — Dod ein 


0988 oo 


paar qam junge Madchen, elie als Picarben bie Teller | 
poll brioche zu bem Thee anbieten, ftoßen fid an und — 
wechſeln vielfagende Blide und fidern errbtend a 
ihren Schürzen. 

Auch Kronftadt mußte Lachen, und um fo überralibter | 
fiebt er plößlich in zwei große, weit aufgeriffene Mädchen — 
augen, welche wahrhaft entjebt über fo viel s eera 
Frivolität den alten General anjtarren. | 

Achat fdjaut wie gebannt in bieje8 reizende, ftolze 


Mädchengeficht, in welchem fid) in biejem Augenblid das 
gauge Herz — dag volle, wahre Denten und Empfinden, 


ohne Falih und Derftellung fpiegelt. Sie wähnt fih 


ganz unbeobachtet, weil aller Augen auf bie arme Chinefin — : x 


gerichtet find, welche voll allerliebſten Zürnens mit dem 


Fächer droht, und mit hochgeröteten Wangen fo reizend —— 


ſchmollt; daß Exeellenz mit feinem tiefen Bah begütigend a 
lacht: „Na ba ziehen Ste mal bem Goldfuchs das Fell 
nicht über bie Ohren, hu — Sie ihn uff emg 
ungedeelt!” 

Sedermann beobachtet bie drollige — nur chat 
allein jieht Das entzüdende, [pride Mädchengeficht juft 
durch eine fleine Lücke im enggedrängten Kreiſe und u 
e3 an, wie eine holde Viſion 

Wie viel Herzensreinheit, wie viel sgh Stolz, 
wie biel edles Schamgefühl drüdt fid) in biejen erjd)rodenen 
Augen, m dieſem herb zuckenden Mündchen aus! — 
| ‘Unfere jungen Damen des fin de siècle, welche Bola 
unb Tolftoi lejen und ohne Strupel bie franzöſiſchen 


— 263 — 


Sittenſtücke der Voritadttheater bejuchen, Haben e8 berfernt, 
folch eine ftumme Sprache feujcher Sitten zu reden. 

Sronjtabt Hatte im feinem Leben faft mur Gro’: 
jtädterinnen fennen gelernt, — freilich mur durch ober 
flächliches Beobachten — und wirklich gefannt Hat er 
wohl nur feine Schweitern, frühreife, durch fchlechte - 
Gouvernanten und 9iefibenaluft verdorbene, junge Seelen, 
weldje bie laxe Moral der großen Welt zu ber ihren 
gemacht, wie leider bie fo unglücklichen Ehen bewiejen! 

Sie waren e8 geweſen, welche Achat den Glauben an 
chte, heilige Werblichfett genommen, und fein Engel 
hatte bisher feinen Weg gefreust, welcher ihm das ber 
[orene Paradies von neuem erjchlojjen hatte. — 

Und jebt — plößlich ungefucht und ungeahnt taucht 
cin zartes Mädchengeficht vor ihm auf, welches mit einem 
einzigen Blick der reinen Kinderaugen all das Bollwerk 
in feinem Herzen über den Haufen ftößt, welches fchlechte 
Erfahrung und Vorurteil darin feit langen Jahren auf- 
gebaut. Welch einen tiefen, wunderjamen Cindruc fat 
Diejes flüchtige Cehen auf ihn gemadt! — | 
Gleich einem lichten Gnadenbild, welches J 
vor dem muden Erdenpilger aus den Wolfen taucht und 
haltfos in Luft und Licht zerrinnt, fo war auch das 
fiebfidje Mädchenhaupt im nächiten Augenblick hinter ber 
herzudrängenden Menge verjchwunden, und Sronftadt 


wandte fic) voll Halt zur Seite, um durch einen Keinen — 


Umweg nad) ber andern Geite ber Bude zu gelangen. 
Es glüdte ihm — und ein warmes, wunderjames 


Dou ged ue 


Gefühl ber Freude ifn, als. er nad) wenigen 


Schritten in ber freien Budengaffe ftand und bireft CM ps x : 


Das Wntlig ber Gejuchten jchaute. 

Eine Drientalin! 

Sie feint Cigaretten verfauft und ſehr gute Geſchäfte 
gemacht zu haben, denn ihr Tiſchchen iſt abgeräumt, 
nur noch ein kleines Käſtchen mit wenig — ſteht 
darauf. 

Die Schöne Ügypterin aber hat fid), wohl von. dem. 


tangen Stehen ermübet, auf eine Ecke des Tifches gelebt, ae 


die Hände im Schoß verjchlungen, bie dunflen Augen wie 
in umvilligem Schauen auf ben Menſchenknäuel gerichtet, 
welcher fid) um den General und Li-Huang gebildet hat. 
Und Kronftadt deucht es, als könne er die Gedanken der — 
weißen Mädchenftirn lejen, Gedanken, melde ba laufen: —— 
„Bie ifte möglich), daß bie junge Frau fold) einen | 

unzarten Scherz nicht übel nimmt, daß fie noch ferzen 


und lachen fann und nicht in bie Erde [ift vor Scham 


und Berlegenheit? Herr des Himmel3, wenn mir das 
paſſiert wäre!! Sch hätte eð ja gar nicht überlebt!“ 
Ein beinahe angftooller Ausdrud liegt in ihren Augen, 
alg fürchte fie, ber jd)redí(idje General könne fid) nun 
auch zu ihr wenden und fie zur Bieljdjeibe lees Bibe 
machen. . 
Wie jdn fie ut! Welch ein zauberhaft fleibfames 
Soltün — und auf ihrem Köpfchen — ber reife, gold⸗ 
gewirkte Shawl — — — 

Ein leifer Laut ber Überrafchung ringt fid) von 





— 266 — 


Kronſtadts — sein Shawl! — Gie ift bie 
Geſuchte, fie ijt bie Unbefannte, welde e er zu Tante Refi 
bringen joll! 

Sit er trunfen bon dem Punſch ber Guſtel von 
Blajewig ? 
Barum Schlägt fein Herz plbbli fo Hod) auf?  — 
Warum erfaßt e8 ihn wie jubelndes Entzüden, daß gerade — 

Dieje8 liebreizende Wefen feinen Shawl um das Haupt vA 
gelegt hat, daß gerade jie e8 ijt, bie er ſuchen die 
er zu Mefi Wieders bringen foll? | — 

Noch nie iſt ihm ein Auftrag ſo lieb geweſen, wie a 
jujt Diejer, nod) nie hat er ein jo jehnliches Berlangen 
empfunden, eine Dame fennen zu lernen, wie angejichts 
Diejer Orientalin! Sind e8 goldene Zauberfäden, welche 
fi von dem weichen Seidengemebe nach feinem Herzen 
Derüber jpinnen, einen magijchen Zuſammenhang zu bilden 
zwiſchen ihr und ihm? x | 

Sie Stimme des alten Generals flingt lauter und 
schreckt ihn jählings auf, Er fiebt, wie der originelle 
Haudegen fich zum Weiterfchreiten wendet, wie feine 
weinfeligen Fallftajfaugen ſuchend umher blicfen und 
wohlgefällig auf der feinem Cigarettenverkäuferin haften 
‚bleiben. 

Und er fieht, wie diefe, heiß erglüühend bor Schreck 
und Angſt in fid) zuſammen fehauert und wie hilfeflehend 
umberblict — jujt in fein Antlitz Auge ruht in fuge, 
es ijt, als ob fid) bieje beiden fremden Menichen jählings 


|  verjtünben, wie ein Herz und eine Seele. Shon jtebt 


eM — 


er bor ihr und bietet ijr den Arm: „Darf ich bitten 
mein gnädiges Fräulein? Tante Refi erwartet Sie!“ 

Wie erlöft leuchten bie dunklen Augen voll inniger 
Dankbarkeit zu ihm auf, fie ſchmiegt fid) haftig an feinen — 
Arm unb flüftert: „O fommen Sie fuel — — ae 
— Amb. Kron| Mabt flüchtet ale. feine weiße . —— 
Taube. rn 








EEE se se se se 





‚ber Fraulein Gollnom — wo foll es denn jo 
dalli hinjehn?“ rief ber General mit lauter ° 
Sttmme nah, — Martina aber wandte nur 
mit liebenswürdigem Lächeln den Kopf und winfte mit 
dem gierlidjen Händchen zurück x 

Alles ausverfanft, Excellenz!” — und dann drängte 
fie Haftig vorwärts, bis das Gewühl des Nebenjaals fid) 
als gewaltige, lebende Mauer zwiſchen den gefürchteten, 
alten Krieger und fie {chob. 

Kronftadt trat jeitwärts in den menjchenleeren Gang, 
welcher Hinter den Buden hindurch am den Fenftern ent: 
lang führte, und hier gab er momentan den Arm des 
jungen Mädchens frei, zog bem Federhut vom Haupt unb 
verneigte lic) chevalerest. 

„Berzeihen Sie, mein gnädiges Fräulein, wenn id) e3 
jo formlos wagte, in Shr Schickſal einzugreifen und Ste 
Ihrem greifen Verehrer zu entführen“, [üdjelte er in feiner 
Jetë mehr ernjten unb gemefjenen, wie heiteren Weife; 
„3 war jedoch in dem entjcheidenden Augenblick feine | 





— N, =. 
Gay re bree <= 
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— mM = 


Beit mehr, mich Ihnen befannt zu machen, und bitte ich. 
nachträglich um die Erlaubnis, das Verjaumte nachholen — 
zu Dürfen!” — Er fappte bie Haden zufammen und — 
neigte Das Haupt nod) tiefer: „von Kronſtadt!“ 
Martina blifte hochatmend zu ihm auf und reichte 


ifm ohne alle Prüderie herzlich die Hand entgegen: „Wie — — 


banfe ich Ihnen, daß Cie mir zu Hilfe famen! Ih 
glaube, Sie verjtanden bie ſtumme Bitte, als id) Sie 
anjab! — Nicht wahr, e3 ijt redt finbij von mir, vor 
dem berühmten, verdienſtvollen, alten Herrn davon zu 
laufen, aber er nedt jo gern — und feine Scherze marten 
mid) fo namenlos verlegen! Sch fann nicht dagegen an- 
fämpfen, jo oft id) es auch verſucht habe, — es ift jo -— 
ganz gegen meine Natur, zu lachen, wenn id) am liebiten — 
vor Scheu und Berroffenheit weinen möchte!“ 

Er fonnte den Blid gar nicht von biejem rührend 
ehrlichen, unjchuldigen und Doc jo Itofgen Sean | 
losreißen 

sth begreife Sie vollkommen, mein gnädiges Scit etit, 
und fann Shr Empfinden nur billigen! Die derben Ciferse 
Seiner Grcelleng find nicht jedermanns Gejdmad und für 
junge Mädchen find fie wohl am wenigiten berechnet! 
Wie unflug von dem alten Herrn, welcher bod) fonft ein 
jo heller Kopf ijt! Da verjcheucht er fich jelber das Wild 
und treibt eë Fremden in die Arme!” 

— Gr jdjrate, und das ſtand ifm gut und verjüngte 
ihn nod) mehr. 

Auch Martina lachte unbefangen: „So gar fremd 


waren Cie mir nicht mehr, Herr von Kronſtadt!“ wedte 
aud) jie mit ſchelmiſchem Aufblid: „Der große Zilzhut und 
das Lederfoller vermochten e8 nicht, mid) zu täufchen!” 2 
„AD... mein gnädiges Fräulein - — Sie überrajchen 
mich ! Bo Babe id Ichon je Den Vorzug gehabt, ‘bor 
Ihnen zu ftehen ?^ 
„In effigie! Auf bem Screibtife von Fräulein von 
Wieders!” — Die reizende Orientalin neigte das Köpfchen 
ein wenig zur Seite und Die weißen Zähnchen leuchteten 
durch Die gartroten Lippen: „Sie nahmen da allerdings 
feinerlet Notiz von mir — und daß Ste mich nad) Diejen 


Begegnungen yiedererfemten moam, wäre wohl au mel eS 


verlangt!” E 

„Ba Tante N ef 3. . num veriiehe ich! Und 
Cie, mein gnädiges Fräulein, find der Liebling unſerer 
Negimentstante — Fräul cin Martina Goͤllnow!“ 

„Das leptere jtümmt, — ob ich aber das Prädifat 
€iebling beanjpruchen darf, weiß ich nicht. Auf alle Faille 
ift bie gütigfte und liebenswertefte aller Tanten von jo 
viel Freundlichkeit und Nachlicht gegen mich, daß id) felber 
ben lieben Glauben Hege, fie jet mir ein wenig gut!” 

„Nach allem, was fie mir bereits von Ihren erzählte, 
fann ich Cie belen voll verfichern !” 

Als Sie mich vorhin flüchteten, thaten Gie es unter 
den Vorwand, mich zu Tante Refi Holen zu follen! 
Hatte Dies feine Richtigfeit, oder war e$ nur Die sylagge, — 
unter welcher mein Schifflein den Rriegehalen u 
joe?" > 


— 272 — 


,S8 hatte feine vollfommene Nichtigkeit! Gd mar 
ausgelchidt, Sie als allerliebiten Refruten für das Heer- 
lager ber Guftel von Blafewik angumerben!^ un 

wd, das ift herrlich! — Meine Cigaretten find ichon 
alle verfauft, bis auf diefen legten Heft”, — Martina 
hielt bas Bappfäftchen empor, welches fie bei ihrer Flucht 
noch eilig vom Zijd) gerafft, „welchen ich vielleicht bei 
den rauhen Wallenfteinern aud) nod) an ben Mann bringen | 
fann !” 

„Sch bitte, tar! un mich zu zählen! Dort werden - 
wir gerufen, — befehlen Sie zu PETE mein grapes 
Fräulein 2^ 2 

Sie ward buntelrot. di nein ... banfe tanjendmal 

ih... id) habe gar fein Gelb bei mir —“ ftammelte 
ts voll — Naivetät. | 

Er überhörte bie lebten Worte und trat mit ihr an bie 
Bude heran. $ajtig legte er einen Thaler auf den Tijd): 
„Sch babe fo viel Glück in der Liebe, Fraulein Golluow, - 
daß ich vorhin jchon eine ganze Zeitlang vergeblich 
mwürfelte. Bitte, erbarmen Cie jid) nun einmal und 
Ihütteln Sie den Becher für mih, — vielleicht erringe 
id) Dort bie Schöne Suppenfelle — oder den Vogelfafig 
— welcher mic) bejonders beglücken würde! 

„Haben Sie Vögel?” 

Rein noch nicht, aber auf den Käfig Hin fönnte = 
- mir Dann Doch jojort welde anſchaffen!“ | 

- Sie ja in fein lachendes dq empor, ud den 
DE und würfelte | 


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„dD — fchabde - — _ biesmal war's nod) HOE mit dem 
göttlich ſchönen fig. 

„Vielleicht wirds bie Suppentelle! Mut, mein abis a 
Fräulein! — 

„Wieder nichts’ — | 

„Alle gute Dinge find pra! — 

„©, weld) eine jdlechte Anwältin oben i Sie fid) in 
mir ausgejucht I^ : 
Sein ganzes Geficht ftrahlte, al8 auch gum dritten 


Mal fein befferes Rejultat erzielt ward. Gr nahm ihren —— 
Arm und führte fie, nach luſtigen Abſchiedsworten mit 


ben Wiirfelbamen, weiter 

Gr beugte ſich etwas tiefer zu ifr nieder, 

Sie haben auch Glück in der Liebe, Fräulein 
Gollnow! Ich thörichter Geſell an das vorher wiſſen 
ſollen!“ — | 

Ein feiner Haud) ber Wehmut 30g über ihr weiches 
Gelichtchen: „Ganz heimlich ftille Liebe, von der niemand 
nichts weiß, — aud) ich nicht!” Und dann lachte fie leiſe 
auf und wies auf einen Leierfaftenmann, welcher fid) mit 
einer fürchterlich gemalten „Mordgeſchichte“ in der Thür- 
efe poftiert hatte. Das Leierfaftenweib, in einem Koftim, — 
bei beffen Anblid laut Eberhards Verficherung: „fein 


Auge thränenleer blieb” — fang mit fchauerlicher Fifte- — 


jtimme ein ungeheuer fíüglidje8 Lied dazu: „Es mar 
im Sabre 1879, al8 biejer jraufe Mord jeihah!” — 
welcher männiglich fo recht vor Augen führte, wie treuz 
tole Liebe ſich auf nn Hor 


— 75 — 


der üt denn dieſes furchtbare Weib?” Flüfterte 
Martina, ganz betroffen auf die fudjfige Perrücke und 
die maraenubefíebte, faliche Naje ftarrend, {chon aber 
wandte fid) bie Betreffende mit ausgebreiteten Armen 
-gegen bie allerliebjte Drientalin und fang mit gellenden 
Tönen: „Merk dir’, du ſchöne Jungfrau hier, — verlag 
nich deinen Kavalier! — Bleib’ treu und werde fein 
Jemahl — jeujt jiebt’3 och fo’nen Mordsſkandal!“ — 

Und babet wies bie Sängerin auf Kronftadt, und 
wiederholte abermals — „ja, werde bu man feine Frau 
Semahlin!” — | 

Martina erglühte bis unter die goldbraunen Lichen, 
welche unter bem weißfeidenen Shawl hervorquollen, ber 
Oberjtleutnant aber verjebte ber Sängerin einen derben 
Klaps auf die Schulter und lachte: „Habe id) e8 nicht 
immer gejagt, Herr Major, bab Cie mod) mal beim 
Leierfaften enden? — Das fommt davon, wenn man 
alle Tage Weifbier trintt, welches bie Bitte Eligunt 
gebraut hat!“ — 

Das Zeierfaftenweib, in 1 welchem Martina mur duds 
zu allgemeiner Heiterfett einen jebr {ebensluftigen, pen- 
fionierten Major erfannte, hub ein jchredlich lamentables 
Gebettele an, erzählte von jechzehn Kleinen Kindern, bie 
alle rafenden Hunger hätten . . . 

„Bas — bie jeden gehören alle Sbnen, arme 
Frau?” — und Kronjtadt warf tie] erjchüttert ein Geld- 
itid üt bie zerlumpte Schürze — 


„Nee — merjchdendeels andern Leuten! ſchmunzelte 
files © 


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ber Herr Major — und da gerade wieder neue Menfchen 
Deranbrüngten, griff er abermals in „die Saiten feines 
Lelerkaſtens“ und begann das tragijche Lied von neuem. 

Lachend ſchritten Achat und Martina weiter. 

Schon Schalte ihnen der Jubel aus Walleniteins 
Lager entgegen, und Tante Refi Hand juft in der Mitte, 
hielt die Arme in die Seiten geftemmt und überjchaute 
wohlgefällig ihr Reidh. 

Sa fah fie ihre beiden Freunde heranfommen. Wie 
Sonnenjchein leuchtete bie Freude über ihr Geficht. 

‚Bravo, bravo, lieber Pfadfinder! — Haben Cie 
mitten im Sturm und Wogengraus bie Perle Hefijdit 2^ 
nidte fie Kronſtadt Injtig zu: „Hat mein Mittel gegen 
Motten und Grillen gut angejchlagen? Ih glaube es 
beinahe fel bit! Nun machen Sie ein ganz anderes Geſicht, 
mie vorhin, und ich garantiere ncn, es 3 foll i immer noh | 
ftrahlender werden!” 

Und dann umarmte fie Martina, zupfte voll mütter⸗ 
licher Eile und Sorge ihr Koftüm zurecht und flüfterte 
in thr Ohr: „ut verfauit ? Uno ane m pie Reſerve⸗ 
cigaretten erhalten ?^ m UT 

Boll überftrömender E "brüdie: Martina 
ihre Hände. 5 
A, id) erhielt fie! — O, Gie einzig Gute, Geliebtejte, 
wie fol id) Shnen nur danfen! Meinem Mütterchen jo 
viel Freude zu bereiten! Cie haben ihr einen Paſſe— 
partout ausgeitellt, bap fie jederzeit le Entree NUN 
: fommen tann nt 


— 277 — 


Na ja, was ijt ba für eim Berdienft babel? Ihre 
Frau Mama ijt ja jo gütig, Ihnen neue Cigaretten zu 
bringen, — ob ich das burd) ein Ladenfraulein bejorgen 
laſſe, oder eine Dame ber Wejellidaft, das ut pod) gang 
einerfeit^ | 


„Mama läßt Ahnen: einjtwetlen taujend, taujenb d 
| Dant fagen! — Unjere Koftüme fand fie geradezu blendend 


{din — hat jid) jo unbejchreiblich Darüber gefreut — und 
jo wie Sie erft wieder Zeit Haben, fommt fie zu Ihnen 
Sa, gemütlich, — zum Kaffee oder Thee, das ift 
eine treffliche Idee!“ nidte Refi mit ihrem fo unbefchreiblich 
(iebenswürdigen Ausdrud im Geficht. „Wo ijt denn 
aber Käthe? Das Kind ang me peto y und etwas 
genteben!^ 

Martina lachte: ,,Unbeforgt, Tante Refil Ste geniest 
und ftärft fich ohne aufhören! Eben Bat Frau Kommerzien- 
rat Hollmann fie mit in bie Sonbitorbube genommen, 
und zuvor hatte {don Frau on mem einen großen 
Piefferfuchenmann gebradjt — 

„Sit bod) alles nicht zum = ejfet! Schnell Becher 
Diejer Tijch ijt gerade frei geworden! Freund Kronſtadt — 
bitte, bejegen Sie fdjnell! Sch habe mit ber Beit auch 
Hunger befommen, nun wollen wir mal jelber fehen, 


ob die Deigmurit und das Kraut den Kochtünſten br ` 


Guſtel Ehre machen!“ 

What hatte zur Seite geftanden und ſchien mur auf 
dieje Aufforderung gewartet zu haben; er warf fojort 
feinen Hut auf den Tiſch, zum Beiden, dah von dem- 


— 278 — 


jelben Befiß ergriffen fei, und bot Nefi den einen, Martina | 
den anderen Arm. 

„Gut — mögen ung bie Mägde einmal bedienen!” 
ničte Refi und fanf müde auf ben Holafchemel nieder: 
„Hola! — Madel! — Sie ba, fomtejje Fridal — - 
Erbarmen Gie fidh unjerer, id) fann nicht mehr!” 

Die munteren Bauermädel ſchwirrten heran. 

„Das ijt recht, Tante Refi, mum mal ausruhen! 
Wir werden ganz gut allein fertig — und ba, die beiden 
Schwarzwälderinnen, die Töchter von dem Fabrifant 
Geißler — nicht wahr, man erfennt fie faum, fo famos 
fehen fie aus — haben fidh eben auch nod) als Schenkinnen 
angeboten!” 

„Sehr gut! Ihr junges Volk feib noch flinfer auj 
den Füßen! — Wh . . unb da fommt auch Lichtenberg 
unb Sonjorten zurüd, — Gott fet Dant, fcheint ja ein 


== Herz unb eine Geele gu fein!” — 


Die bre jungen Riirajfiere famem Arm in Arm 


~ amgezogen, alle drei fahen außerordentlich animiert und 
= mohlverföhnt aus. 


Kai trug einen ‚großer Veilchenſtrauß m "ber Hand; 


er trat fogleich mit ſchwarmeriſchſtem Geſicht neben Guſtel a 


pon Blaſewitz und nerit pon bem — en is | 
Seite Beſitz — = 
x US Uu. — min -gebeidhtet! - Melhe [^ Shnen 
am beiten von allem gefallen?” medte Refi. — ue 
Gr jab fie mit tiefem Blid an und überreichte jehr > 
ausdrudsvoll en Veilchenſtrauß i 


— 279 = 


„Immer die, welche fragt!” verjuchte er auf ihren 
Deiteren Zon einzugehen, obwohl ihm ein gebührend 


jentimentaler Grnj in biejem Augenblid se: E 


erjchienen ware. 


„Alte Achtung, dag ijt nett (obte Refi und ftopfte 2 21 
bie Veilchen mehr energijch mie (yrijd) zwiſchen die Knöpfe — .——— 


ihrer SBelgjade: „Was Cie für einen guten Gejdmad 
haben! — Zur Belohnung dürfen Sie mir auch fofort 
eine recht große an > unb eine Portion bayriſch Kraut 
holen!” — 

Kai ſtürmte davon und Refi blinzelt Niebeland zu inb i 
winkt ihn heran. 

„Ra — wie machte er fih? Wird der Lowe zahm?” — 

„nyamos! Wie ausgemechjelt!” flüfterte Der junge ^ 
Offizier eifrig: „Hut ab, quábigite Tante, wenn Sie das 
zu Wege gebracht haben! Na, er ſchwärmt aud) in 
allen Tonarten für Sie, und bae üt bie Welle b 
für unjere Ohren!“ 

„Sch hoffe, wir erziehen uns einen idi fieben und 
brauchbaren Kameraden an ihm! Aber ohne eure Hilfe 
gebt'à nicht, Kinder! Geduld und Nachjficht wird noh 
manchmal bon nöten fein, denn der Kadett qudt nod) 
gar zu oft aus dein Roller heraus! — Id jaate Ihnen 
ihon geitern den Grund für feine Arroganz und fein 


abiprechendes Wejen, und verlaffe mich darauf, lieber - 


Freund, daß Ste als älterer und vernünftigerer ftamerad — 
mit Lichtenbergs Jugend rechnen! Bitte beeinflufjen Sie — 
auch Howald in diefem Cinn! Wenn Cie beide den 


— 280 = 


Grafen weiter jo unter Die Arme nehmen, mie jochen, — | 
werden Cie fid) bem Dank bes ganzen Regiments er⸗ Ue : 


werben!” 

Niebeland, welcher höchſtens ein bis ein und ein halbes 
Sabr älter war, wie Kai, jab ungeheuer gefchmeichelt 
unb fabelhaft ehrwürdig aus. x 


vVerlaſſen Sie fid) quf uns, gnädigſte Zante!” berz 


ſicherte er ſehr eindringlich, „Sie folen ganz zufrieden 
lem! Lichtenberg üt wirtlich ein netter Meuſch, davon 
find wir bereits überzeugt, und bag. ae auch alle 
anderen bald einjehen lernen! ee 

Fräulein von Wieders driidte ihm voll warmen Cinz 
verſtändniſſes Die Hand, und Niebeland folgte im ges 
Dobenjter Stimmung bem Ruf einer meu antommenden, 
fleinen Schar, welche ſich haſtig um das noch freie Ende 
bes Tiſches reihte: 

Tante Fe” — 
Fräulein von Wieders ſchaute fid haſtig um, das 

klang ja gar zu kläglich hinter ihr 

Sie blickte in das ſonſt ſo luftige Geſicht des Üben: 
leutnants Dorpat, welches fid) ihr in dieſem Wugenblict 
recht befümmert gumandte. — x 

„Haben Sie wohl nachher e ein biß chen Zeit für Ind 
quübigite Tante ?^ 
„Die Dube id) [tet8 für Cte. Wie nishesgeleitusen 
jehen Sie aus; um alles in der Welt, ijt etwas paſſiert?“ 

Gr feufste. „Hörten Sie mod) nicht von meinem 
entjeblichen Reinfall?“ | 


IFP ug 12 — 


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sg 
—— 





„Reinfall? Sie? — Sn í ober geteligatt: z 
licher Beziehung ?” rief fie erjchrectt. x 

„Man fann wohl jagen, in beiden! Ad, Tante 
Reſi — wenn Sie mir nicht helfen, wenn Sie niht Jat 
MH bin ich rabifal verloren!” — 

„oho — jadte mit ben jungen Pferden! Sagen 
Sie nur mal mit furzen Worten, um was es fid) handelt!“ 

Dorpat Strich mit bem Battfttuch über bie Stirn, | 
welche blendend weiß gegen das gebrüunte MERE — 
abſtach 

Ich verderbe Ihnen am Ende den Appetit . (M 

„Unfinn! Sie wiſſen, bap mir unjere emule 
angelegenheiten wichtiger find, wie das Gen!” | 

„Sa, das weiß Gott! Sd Hätte ja nie den Mut, 
penu id nicht überzeugt wäre, daß jede unjerer großen 
und Heinen Sorgen zuerit vor dante Refi muB! — 
Aljo hören Sie! — Geftern bleiben wir, wie gewöhnlich, - 
wieder Schr lange mad) Tijd zufammen figen. Der Alte 
fonnte fid) mal wieder nicht nach Haufe finden! Unten am 
Ende ber Tafel jaken wir Jüngeren, etwa entfernter von 
un3 ein ud) mit Gioilijten. Wenn man jo Tag für 
Tag im Hotel ipt, wird man daa gewohnt und achtet 
Schließlich gar nicht mehr darauf — und außerdem hatten | 
wir Hunolfs Geburtstag gefeiert und dabei ein bißchen 
tiefer ins Glas gegudt! Nun haben Sie wohl {chon 
davon gehört, daß ber Oberſt fid) in feiner Bequemlich— 
feit immer mehr zum Einfiedlerfrebs ausbildet unb höchſt 
ärgerlich ijt, wenn wir ung abends ober beim Mittags: 


o 


tisch enſchuldigen s unter bem Vorwand, wir feien 
eingeladen! 
So hat er {chon sei i Abende mal Sit iol geſeſſen 
. anb war dementſprechend wütend. Vorgeſtern nahm er 
fid) denn das Dffiziersforps mal zuſammen und made - 
feinem Herzen Luft. Er fnüpfte daran an, dak Howald — 
meufid) mal im Neithaus eingefchlafen war, — in aller 
Herrgottsfruͤhe — mad) ein paar recht ftrapaziöien Tagen, — 
Sie wijfen wohl, wir hatten auf Loſchwitz beim Graf 
Bedjom vier Tage fang Hochzeit gefeiert! Na, alfo ber 
Heine Howald lehnte in ber dämmerigen Reithausecke 
und war janft entichlafen, alà der Teufel gerade ben 
Alten — weiß Gott, durch weldhen tüdiihen Zufall — 


in Die Bude hinein führt! Daran aljo fuüpit er an — — | 
ſchimpft auf die übertrieben große Gejelligfeit, unter 


welcher ber Dienft litt, — e8 ginge niht, daß feine 
Seutnanté die Nächte durd)jdwiemelten und morgens, 
anftatt voltigieren zu lajjen, in den Eden lägen unb 

Ichnarchten! Die Gefelligfeit fet zu groß hier, — man — 
habe diefelbe in ungebührender Weife ausgedehnt und. 

eine Menge Elemente hineingezogen, bie gar nicht zu uns 
gehörten, und das folle anders werden! Der Berfehr 
müßte eingejchränft werden! Wozu der riejige Civilfreis, 
das Regiment geniige fid) allein vollfommen! Na — 
unb fo in ber Tonart weiter. Willen Sie, Tante Therefe, 
ein jeder andere Kommandeur freut fih, wenn feine 
Dffiziere flott find und das Negiment ſchneidig auf bem 
SBarfett vertreten, und wenn aud) wirfli mal fold) 


A 


c MD o 


junger Dads dabei abfailt — na, ta brüdt man ein 
Auge gu und läßt ihm Zeit, fih zu gewöhnen! — — 
Aber bei unjerem Alten fpricht ja nur der Egoismus 
mit, er ärgert fih, daß wir nicht Tag für Tag anbetend | 
um ihn herum figen, er ijt halt der Typus eines gries= 
grämigen, jchrullenhaften Hageſtolzes, au welchem Hymen 
Rache nimmt! — Und nun fommt be8 Pudels Kern! | 
Alfo wir jiken wieder Stunde um Stunde zuſammen, 
haben ſchon viel getrunfen und trinfen immer nod) mehr — 
unb — wes das Herz voll ijt, be8 geht der Mund über! 
Sd) erinnere mich der Sade überhaupt faum noch, baf 
mir aber alle höchſt indigniert und aufgebracht über die 
neueſte ordre de bataille waren und fel Ditrebenb unjerem 
Herzen Luft machten, das mei ich. Da joll ich denn 
gefagt haben: ‚Na, Kinder, beim Civil wird alfo fünftig- 
hin nicht mehr verfehrt, da giebt’s ja Elemente drunter, - 
welche nicht in die Geſellſchaft paſſen“ — Und diefe 
paar Unglüctsworte, ae Reſi, ſind an dem Nehentiſch 
gehört morben!! — | ie. 

ji) bu rud — 

„ie ein Lauffeuer iſt's bereits durch das ganze Neſt 
gegangen! Das Civil nimmt die Sache als tödliche Be— 
leibiqung auf — id) bin bereits aufgefordert, diejenigen 
Clemente, welche nicht in die Geſellſchaft gehörten, nam- 
fait zu machen, ba jonjt jedermann . Inſulte ſich an— 
rechnen müßte!“ 

„Himmel — das ift ja eine nette Gace! W Feii, 
die fonjt jo Ruhige und Gejapte, blidte dem Sprecher 


.0— 3985 — 


jo beftiirgt in das Geficht, bo Dorpat Teije aufftöhnend 
den Kopf in die Hand ftüpte. = | 
0, Der Oberft tobt natüríid) . . . alle Schuld, alle 
Verantwortung wird natürlich) anf mich, den indisfreten » 


Edwiber abgeladen, — bie Wolfen ziehen fid) immer - | 


jchwärzer und bedrohlicher zuſammen — — id) wap nicht, 
was daraus werden jo!” x — 
x Refi richtete ftch plötzlich rejolut empor. ‚Was | 
daraus werden joll? — Gut fol alles werden, jo ſchnell 
mie möglich aus ber Welt geichafft mab bie — : 
heit werden —“ — 
pu fürchte, es ijt zu ipät, der Staub wirbelt jhon 
zu Dod! — Sehen Sie fid) um, — falt feiner der 
höheren Civilbeamten Jie — Die Mütter erſcheinen wohl 
den Töchtern zu Liebe — aber fie find fühl bis ans 
Herz ginan, amb s Apegiell bin Luft — mehr. wie. 
~<A | 
‚sit a Dberit bier?" 
Auch nicht.” Dorpat jenfte das Haupt nod) tiefer, es 
et € mir woh! den Senferitrif daheim!” — — a 
Refi lachte und war plößlich ganz guter aune.. 
„Ra, na, eim Etri ift unmilitäriſch ihlinmften . 
galls werden Sie por bie Kanone gebunden! Und mm _ 


mal Kopf hod! — iS’ ift nichts jo ſchlimm ‘wie man . 


e3 benft, wenn man’s erfaßt und richtig lenft!! — 
Lajjen Cie jid) nicht diejen ſchönen Tag verderben, 
jondern werfen Sie mal alle ihre Sorgen ber Tante — 
Nefi in die große Schürze hier! — Schnell ein Glas 


— 98 s 


funi! Wir wollen auf bonne chance s und | 
dann fein fo verzweifeltes Glefid)t mehr — m 
Soldat muß auf fein gutes Glück vertrauen!” (eis 

„And auf feine Regimentstante!” — 

„Auch auf bie! Sie wiffen, daß id meine Leutnant3s 
verteibige, wie eine Glucke ihre Küchlein! Alſo Profit! — 
Übermorgen gehen wir wieder Arm in Arm mit dem 
Civil fpagieren !” 

Und Fraulein von Wiebers rückte ihren Schemel 
ein wenig wetter und fchaffte am dem Aid) Plat für 
ihren Schüßling Dorpat. | 

Die Stimmung war fo überaus luftig und heiter, 
bag niemand ahnte, welch ein übler Stadtklatſch ſeine 
Wetterwolken über Maijenburg ballte, und bie niedlichen 
Gioittóc)ter, welche jo feel enbergnügt im Heerlager der ° 
Guftel verkehrten, zeigten eS am beutl ichiten, daß fie 
abjotut nicht: gewillt waren, im das u bie 


X elf, hie Waibling !^ einguftimmen. 


Man amüſierte fid) köſtlich, und die kleinen Bauber- 
geiſter des Frohjinns, welche ala feine Dampfwölfchen 
aus ben Punfehglajern emporjdweben, tanzten ihren — 
Reigen aud) um Dorpats jorgenjchwere Stirn, bis jie — 
fid) glättete und eitel Sonnenfchein darauf leuchtete. 

Martina verkaufte ihre Cigaretten aus, und Howald, 
welcher joebeu eine erhandelt hatte, reichte fie der jungen 
Dame mit jchwärmerijchem Blid gurüd. 

„Reizende Orientalin — ich zahle eine Mart extra, 
wenn Sie mir diefe Cigarette nun aud) anraudjen!“ — 


= adr. m 


Ein jäher Schatten 30g über Kronſtadts Stim, es 
war ibm, alS müßte er, jah verhindernd, bie Hand des 
Rittenden zurüdjtoßen. Martina aber lachte leije auf: 
„Sc anrauchen? Das follte etwas Schönes werden!” — 

„Sie? Haben Sie noch nie Shrem Serm Vater eine 
Cigarre oder Pfeife angeraucht 2” 

Ich?“ — Das junge Mädchen öffnete die Augen 
jo weit und entjebt, als habe ihr Gegenüber gefragt, 
ob fie ſchon mal einem Menjchen den Hals umgedreht 


habe. — „Sch?” wiederholte fie fopfichüttelnd, „ich habe | : 


nod) nie im Leben geraucht und wüßte auch gar nicht, 
wie ich dazu kommen ſollte!“ 

Ich bitte Sie; wie viele Damen gibt e8 heutzutage, 
welche rauchen” ——— Pre 

Finden Sie e8 hüſch?“ 

„Se nun, e8 fommt darauf an! Wenn fid) eine 
holde Schöne beim Jagddiner zwiſchen die Herren fegt, 
einen Kirſch nad) bem andern fippt und basu eine echte 
Havanna von diefer Dimenfion —” Howald outrierte 
mit den Handen bie Länge — „zwifchen bie Bübne ftedt, 
nein, das finde id) nicht mehr jdjón, — wenn aber eine 


Dame mit zierlichem Händchen folh fleine Cigarette hebt — | 


unb graziöfe Wöltchen bläft —^ - 

„So fteht fie am Anfang jenes Weges , melden bie 
Dame mit ber Havanna bereits hinter fid) hat!” Mar- 
tina fchüttelte mit ber ihr eigenen, etwas Herben Sprödig- 
feit das Köpfchen. „Der Gejdmad ij ja verjchieden, 
und jeder beurteilt den lieben Nächten nad) dem jeinen. 


— 288 — 


So widerwärtig wie e3 mir perfönlich fein würde, einen : 
Herrn mit Stidarbeit ober Stridftrumpf in ber Hand 


zu jeben, ebenjo unjympathiich ijt mir ber Anblid einer ee 


Dame, welche mit ange fofettiert, welche ihr nicht 
auco mmen [d | | 
„Bravo! Vortrefflich! — - Ganz meine Anficht, Fräulein 


Gollnow!” — Rronjtadt fab gang begeijtert aus unb. = 


hob Huldigend fein Glas gegen bie Sprecherin, und 
Niebeland rief lebhaft über den Tiſch herüber: „So ijt'a 
recht, mein gnädiges Fräulein, furieren Sie Howald von 
feiner Vorliebe für Sportsdamen! Go was ijt nur par 
distance hübſch! Sch tenne aud) eine Dame, bildjchin, 
vornehm — reich — aber gang und gar im Bann ber 
Neitgerte! Sie raucht, reitet, ſchießt Nehböde — tann 
beſſer fechten und junge Pferde einfahren, wie unfereinz, 
ein amitjantes, forjches Mädel, das SBerefrer hatte wie 
Sand am Meer, — aber heiraten? Nein, heiraten wollte 
fie merfwürdigerwetfe fein einziger, und mum ift fie eine 
alte Sungfer, ein rüdes Mannweib, welches man den 
jungen Mädchen als abjchredendes Beifpiel zeigt und 
ihnen fagt: ‚Wenn ihr mal heiraten wollt, macht's nicht 
wie diel!” — ee 
Martina hob das Köpfchen: „Sie wollen bod) damit 
nicht jagen, daß jede, welche bie echte Weiblichkeit Hod- 
ftellt, abjolut heiraten will 2” 
— Howald lachte: „Kräutlein, rithr’ mich nicht an!! — 
Seien Sie vorfichtig, Niebeland! Fräulein Gollnow müßte - 
eigentlich eine — und HUE eine Agypterin len... < 





Wt. p. Ciditruth, SIL Mom. u. Nov, Die Negimentetantel. 19 


— 290 — 


„Barum das?“ —— | | 
„Weil fie jo fto ift, fo fchrecklich do baf fie. 


nicht einmal zugeben will, mir armen- Männer jeien 


begehrenswert! Und dabei habe ich ihr eben erft eine 
Cigarette welche nicht mal Zug hat, für 50 Pfennige 
abgefaujt!^ — 
Alles lachte, aud) Martina imme ein, und als fie 
auffah, blicte fie bireft in Stron|tabt8 Augen. Mod) nie 
hatten ein paar Augen mit folhem Ausdrud auf ihr 
geruht. 

„Haben Ste de Liebe, der Ehe unb pen Glück 
abgeſchworen, Fräulein Martina?” fragte er leije. 

Cie ſenkte verwirrt bie dunklen Wimpern. 

„D nein‘, ſagte fie ehrlich, „ich hoffe und marte auf 
das Glück — aber ich jage ihm nicht nach!” 

„Daran thuen Sie recht. Wahres Glüd bruni 
ungeſucht — plötzlich — viel gewaltiger und unwider— 
jtehlicher, als man ahnt. — Und fold ein Sonnen: 
aufgang ijt fchön, — die ganze, ehedem fo duntle "belt 
it plöglich em Meer von Licht!” — 

Sie lächelt und fieht wieder ganz unbefangen zu ihm 
auf. „Was weiß der Blinde von der Farbe?” nedt fie. 

Seine dunklen Augen feuchten. „Wer fieht e8 bem 
Menſchen an, ob fie blind find? Wer bemerkt es, wenn 
jie jehend werden? — ‚Den Mann hats! hieß e8 von 
Sung Werner, in dem Augenblid, da ifm bie Augen 
aujgethan wurden!“ x | 





XIV. 







2, ittmeifter Eberhard — mur ab iub zu eut 
AN mal im Das Feldlager der Guſtel und erfreute 
© Wd) ber allgemeinen Heiterfeit, ohne eigentlich 
P debt daran teil zu nehmen. 
Und jebt trat er wohlbehäbig hinter bie heitere eine 
Lifdyrunde und hörte der Unterhaltung. ein Weilchen zu. 
„Herr Rittmeifter, — ein Glas Punſch gefällig 2” — 
fnixte Comtefje Frida, bie muntere fleime Sentin und 
präjentierte das berfüfrerijd) dampfende Gietrünf. — — 
Herrn von Wieders jtica ber Duft erfichtlich recht (eder 
in bie Nafe und er jah aud) bie kleine Schwäbin in bem 
roten Röckchen höchſt wohlwollend an, bennod) lehnte er 
Die Offerte unbegreiflicherweije ab. 
„Nee, Allergnadigſte, id) danke verbindfichit! Was 
nicht aus Flaſchen geichenft wird, trinfe 1d) nicht mehr!“ 
„Boho, weld) eine jeltjame Neuerung! Warum denn — 
bas, Herr Juttmeijter?^ jchallte e8 über den Aid). 
„Abe, barum ijt er aud) drüben im ber Djteria 
Stammgaft geworden und bricht einer Flaſche mad) der 
andern bem ale!" — — 
qe 19* 


25899 — 


„Na natürfid), Kinder, weil bie Dfteria in bem ganzen 
Pavillon das einzige Vofal iit, wo man auch eine xm ; 
- mit Staniolfapfel haben fann!” ae = 
Refi machte ein böjes Geficht. | 
„Aljo bas war ber Anziehungspunft! ch hoffte 


-— don, e8 fet ein viel Iyrijcherer Magnet, welcher Did) Dort 
= feffelte.” 


(s wo follte ber her. omeen! W fadjte Wieders mit 
ſchalkhaften Auglein „Die Ofteria fteht nicht im Stern- — 
bild ber Jungfrau, fondern der Gattinnen! Die einzige 
junge Dame, welche als allerliebjte Ninetta Früchte feil 
hält und aut Der Mandoline flimpert, ijt bie femme 
Dittersbad) — na, und bie jagt aus Gewohnheit immer 
nod) Onfel zu mir, denn ich könnte wohl thr Großpapa 
jein, und wenn id) damals nur gewünscht worden wäre, | 
hätte id) fie gern über bie Taufe gehalten.” - 


„Aber warum und wodurch haben es Ihnen sn 2 
gerade bie Flajchen mit Staniolfapfel angethan, Herr — 


pou Wieders ?" Haug Martinas Stimine in das allgemeine Se 
Gelächter hinein. | T 


„enn Cie e8 niht weiter fagen wollen, mene i 


Fräulein, will ich es Ihnen verraten!” 


— Ser Sprecher griff in bie Tajche und bdbbete 0 
etwas umftändlich drei rötlich fchillernde Staniolfapfeln 1 
zu Tage. Er hielt fie empor und fab fie ganz BE Aa 


U Echen Sie, Fraulein Golliow — id) fammle 
— eblen Anzeichen meiner ‚trinfenden Angelegenbeiten‘ 
und xd Habe à Haufe {hon eine o ' mit 


tien HS 2 


foldjen Dingern, fowie bem Metallplatten ber Sette 
pfropjen und Blomben alter Jahrgänge gejammelt.” 

„Ah, bravo! Mal etwas anderes wie WAnfichts- 
poftfarten! Wir wollen alle jammeln helfen, — auf 
wie viel €tüd müfjen Sie e3 bringen?” 

„Sammeln helfen? Berbindlichiten Dant meine Herr- 
schaften, ba8 fich fimmerlich von milden Gaben nähren‘ 
ijt aber bei diejem Unternehmen ausgejchloffen! Sch - 
fammle nur das Staniol oder jonftige Metall von denz 


jenigen Flaſchen welche ich er im Leben dpuegesunten Bu 


Babe... 

„Hört, hört!” 

„Beifall rechts, inks und im der Mitte!” 

„ehe, wenn fie aufgeftapelt! Wher Herr Nitt- 
meifter, folh ein Staniolberg ift ja eine himmelſchreiende 
Anklage gegen Sie! Wie wollen Sie über folh ein 
Hindernis hinweg ftolpern, wenn Gt. Petrus ben Sn: 
halt biejer omindjen Kiſte vor ber Himmelsthiir auf 
jpeichert 2” 

,Anbejorgt mein gnädiges Fräulein, ber alte Petrus 


- Hat jdjon mand) waderem Landsfnecht, als verjtänd- . 


nisinniger Schußpatron, ein Hinterpförtlen geöffnet! 


— p Außerdem fommt das mit ben Staniolfapfeln "o mal 
gang anders, al3 wie Sie fid) denfen —" 


Aha! Seht ihr wohl, der brave, gute, verfannte 
Rittmeifter wird fie fchließlich zum EM für arme 
Waiſenknaben verfaufen !^ 

Wieders zog eine leichte Grimalfe. „Sie find wohl 


= 904 


jelber ein abgebrannter Waifentnabe, Howald, daß Sie 
Propaganda für fid) maden wollen? Nee, an bie 
Waiſenknaben dachte id) noch nicht, fondern ganz allen — 
an einen andern alten, einjamen Knaben —“ 

„Heißt er Eberhard ?^ 
Topp! Diefen fehönen Namen führt er, und barum 
wird derjelbe auch jo oft von den jungen Damen aejeutat'^ — 
„ho! Der Mann redet falſch Seugnis P^ 
„Bir haben eë noch nie gehört.” " 
,Ctll bod)! Wir wollen. et mijjen, was mit den 
Kapſeln werden foll! _ 

„Ganz recht! Silentium! E per Ale 
hat das Wort!” — x | 

Wieders ſtützte ſich mit beiden Händen di bie : 
Schultern feiner Schweſter und jab genau aus, wie 
Cir Sohn Fallftaff, wenn ihm der Schalt im Naden faf! 

„Deine Herrichaften, wie Sie wiſſen, lebe id) in 
bebrüngten Berhältnifjen! Das menige, was id) be- 
fibe, verpulvert meine Schweiter Wen, wenn fie all 
ihren a en gros und en detail die Schulden 
berappt — 

,Sberbarb, bu fait einen Schwipps ! 


„Halt den Mund, Altes, bas muß id) beffer mien. _ 


Alto meine Herrjchaften, — wenn id) mal ins Gras beigen 


muB — was Sie hoffentlich alle nicht mehr erleben 
werden, — denn ich nehme an, daß id) mid) ala Jung: 
geielle beffer fonferviere wie Cie, — bie da alle Dei 


raten wollen — 


— 295 — 
„Das ift eine Injurie!” 


Leben!” 
„Stil dod) — nicht intebredar! Ie 
„te gefagt, meine verehrten Anweſenden, wenn ich 
alſo allein von uns allen übrig geblieben bin, ohne Geld, 
welches meine Schweſter verpugt hat — ohne ein Fled- 
chen, wo ich mein Haupt niederlegen fann, denn Wieders- 
hagen ijt Majorat und mein Nachfolger bewilligt mir - 
nicht mal einen morjchen Pappelbaum zur Ewigkeits⸗— 


„Der Mann mus ges > — .. +, in feinbdlide O: 


wiege — ja, ba frage id) Sie — wie fol man mid) 


unter ſolchen Umſtänden mal begraben?“ 

ich bitte, nicht jo mas Trauriges fagen, die Damen 
fangen jdjon alle an zu weinen!” 

„Dag ijt gut”, nidte Eberhard büjter, „da fie es 
jpäter an meinem Hügel nicht mehr können, weil fie 


felber jchon längft tot find, fo müjj en fie es pränume- 


rando abmachen.” — | 

„Und Ste beabfichtigen fich dann alioi in der Staniol- 
fijte beerdigen zu lajjeu, Herr Rittmeiiter 2” 

„Nee, Niebeland, wir beiden teilen ung darein, — 
Sie kommen in die Rijte und id) in das Staniol! — 
Die Sache foll nämlich folgendermaßen fingeriert mer: 
den. Gtaniol und Metall werden eingefchmolzen und 
ein fchöner Sarg daraus gegoffen, ein Garg, welcher 
gewiljermaßen. eine gedrängte Überficht, ein Verzeichnis 
all ber netten, weinjeligen, jeuchtfröhlichen und jorglojen 
Stunden meines Lebens bildet! Warum jraufelt Sieg, 


— 296 — 


Sräulen Martina? Glauben Sie niht, Daß e8 fid) 
in folh einem inhaltsfchweren Bett prächtig liegt und - 
bis in bie Emwigfeit hinein träumt? — Sie finden das 
vielleicht frivol? Iſt's aber nicht. — Go gut, wie man 
Damen mit Schmud, in Brautkleidern oder Ballfleidern 
und Herren in Uniform mit ihren Orden und Ehren- 
zeichen begräbt, weil fie im Leben bejonberen Cpaf an 
diefen Dingen gehabt, ebenjo fann man aud) einen 
biederen, alten Landstnecht in das Gtaniol wideln, 
welches ipu während feines Erdenwallens ber eingige 
Zrojt gemejen —" 

wid, e$ ift furchtbar rührend, nun fangen au 
ſchon die Herrn an zu weinen!“ | 
Es bat aud) etwas Ergreifendes, wenn ein Mann | 
fid) fein Leben lang abquält und eine Buttel um die andere — 
trinft, mur aus bem Grunde, um mal anftändig be ` 
graben werden zu fonnen.” —— 
O ja — e3 gehört wohl eine ganze Anzahl Flaſchen 
bons um Ihre reputierliche Berjönlichkeit gu verzinfen 2. 

„Dierzehn Centner Staniol find dazu nötig! Hören 


| Sies, und bleiben Sie Ihrer Sinne Meifter, — das hu 
bedeutet ungefähr zmwölfmalhunderttaufend GStaniol 


.fapjeln!^ Wieders fdjlug mit flüglidjer Gebärde die 
— Hände zufammen: „Sie fehen, meine Herrfchaften, wie | 
ungeheuer viel id) mod) zu thun habe, um folde Mafjen 
zu liefern! Weld) eine Überwindung e8 mid) foftet, 
‚abermals zur Djteria zu gehen, denn ber jchlechtere 


Menſch in mir haßt den Wein, aber ber beſſere redet 


— 207 — 


mir zu, Ddiefen Widerwillen zu überwinden, um als 

pflichigetrener , biedrer Mann für mein letztes Rämmer- 

lein zu jorgen! — Und jo lebt denn wohl, ihr alten 

Häufer —" | 

. Wrlauben Sie mal! — Aber Herr Rittmeifter 
4S8 befinden fid) Damen unter ung!” E 
Eberhard rang bie Hände wie ein zerfnirfchter Sünder. — 

Echauerlich! Wie fonnte id) vergefjen, daß = ne : 


sere in gemijchter Geſellſchaft befinde!” 


„Smpörend, e$ wird immer toller!” 

Nefi hob drohend bie Hand: „Wenn du manierlich 
bit, Gájar, dann darfit du jebr gehen, wenn bu aber 
bösartig wirſt, Dann mußt bu gehen.“ 

Der Rilttmeiſter jenfte das Haupt, blidte diifter über 

die Tafelrunde und beflamierte — den Teller mit Heiß— 
wurft und Kraut, welche ihm Gomieje Frida „zum 
-drittenmal nachgefüllt” joeben überreichen wollte, zurüd- 
ſchiebend 
Spärlich reicht man mir die Gabe 
‚Mürrijch heißet man mid) gehn - 


Hd, Den armen, alten naben 
Will fein einziger hier verſtehn!“ 


unb ohne bie jubeluben Burufe, welche ibm bnr bos 


allgemeine Gelächter al& Antwort fchallten, zu beachten, | 
Schritt er in der Poſe eines großen Mimen „bur Die 
Mitte’ ab. 

Die Unterhaltung ward immer heiterer und amü- 
[anter und Reſis Augen leuchteten fröhlich auf, wenn 
- fie fah, mie bie jungen Herren fo galant unb ritterlich 


"e 398 es 


ben Hof machten unb bie Damen iid) mit glühenden Wangen 


und ftrahlendem Blid fo [rijd) und decent huldigen liegen. 


& gibt faum einen fympathifcheren Anblid, als 
fold) einen Kreis wohlerzogener, lebensfroher junger | 
Menfchen, denen man e8 anfieht, daß fie auf einem — 
Meer von Wonne jdjmimmen, dak höchite Glückſeligkeit 
all ihre Bulfe fchneller fchlagen läßt, und welche ben: 
noch nicht mit Wort ober That den haarfeinen Gold- 
faden zerreißen, welchen bie gute Gitte alg Grenze 
zwilchen Fröhlichkeit und Freiheit gezogen. 

So abjtofend, wie in ber Gejelligfeit jedes alzu- 
freie Benehmen wirkt, ebenjo entzüdend fletdet bie echte, 
wahre Serzensfreude, und [jeíbjt das häßlichſte Geſicht 


... etjdjeint wie von Sonnengold vertlärt, wenn Mund und 


Augen lachen, nicht, al8 ob fid) ein Weltbrand voll 
Genuß und Befriedigung darin jpiegelt, Sondern als 
ob ein blauer Sommerhimmel voll jubelnder Böglein 
jein Bild darin malt. | 

Es gibt jchöne Gefichter, E bie Freude und 
das „Anüfieren” geradezu entftellt. | x 

Da malt bie Seele ihre innerften Regungen in folh 
ein Antlıy, Sinnenraufh und ungeftitmes Begehren, 
Triumph, Genugthuung, ein fedes Herausjordern, welches 
fid) immer unangenehmer fteigert, je mehr erreicht werden 
fol, und all das häßliche Grinfen jener Dunberttaujenb 
Teufelchen, die um jedes Haupt ſchwirren, weldes nicht 
bie unjidjtbare Krone ber Sittenreinheit und Lauterkeit 
des Herzens trägt! | 


= 299 = 


Solche s S at aud) Kronftadt  foeben 
wohl angeltellt, denn fein Blick haftete auf Martinas 
itrabfenbem Geſichtchen, und die kindlich ehrliche Freude, 
Pus jid) darauf augpragte, jchien thn zu entgiicen. 

Refi beobachtete das ſonſt jo ernfte Geſicht des Oberft- 
leninanté, welches ihr jo ganz und gar verwandelt deuchte, 
und wie eine jébe, innige Freude burdjgudte e$ ihr Herz: 


Hatte fie wahrlich das rechte Mittel gefunden, ifm bie | ^ 
Augen zu öffnen und den foujt fo Dann um un) 


endlid) auf ben rechten Weg zu leiten? 
Gefiel ibm Martina? | 


wragios. Sein ganzes Bejen, = Ausdruck — RN 


Augen vervicten ein Intereſſe, wie es Reſi nie zuvor 
bei ihm wahrgenommen. 

Wäre eg dentbar, baf biejea jo fehr viel jüngere 
und in mancher Sta noch fo überaus 
Mädchen ihn dauernd feſſelt? 

Könnte ihm das zum Gíüd gereichen? 


Wenn auf beiden Seiten die große, volle, wahre — — 


Liebe fommt, gewiß, — aber nod) blüht Martina wie 
eine weiße Moje an feiner Seite, gang Anmut und 
Liebensmwürdigfeit, aber völlig harmlos und abnungslos, _ 
nicht ein einziger rofiger Shimmer Holden Ver] ſtehens 
oder ſüßen Erſchauerns weht über ihr 9utlif. - | 

Wie follte es auch! Sieht fie ihn nicht zum erftenmal? 
9iegt ihr nicht jeder Gebante an ermjtes untere je nod) 
völlig fern? 

Martina ift jo beſcheiden, fo alegres anfpruchsos! 


— 300 — 


Der Gebanfe, daß ein Küraſſier, ein [o bedeutender, hoch⸗ 
angeſehener Mann wie Kronſtadt ſie mit andern Blicken, 
als denen liebenswürdiger Duldjamteit könne, 
fommt ihr gar nicht in den Ginn. x x 

Daß fie fein Ihönes,  geijtoolles Geſicht bewundert . 


und auferordentlid anziehend findet, äußerte fie völlig — 


naiv), al fie zum erftenmal Achats Bild bei Refi jab, 
als noch fein Gedanfe daran mar, baf ber Oberftleutnant 
jemals in bag Regiment verjegt werden würde. n 

Wird fie aud) ernftlich für ihn erglühen fünnen? — 
Welch ein jchönes, auffallend fehönes Paar, würden die ° 
beiden fein! Go recht wie von Gott für einander gejchaffen. 

Gedanfenvoll haftet der Blid der Negimentstante auf 
den Plaudernden, ein wunderliches Gefühl bebt durch ihr 
Herz. Aber fie läßt ihm feine Beit, fie zu beherrichen, 
fie gehört nicht zu den Menjchen, welche über Bufunjt&- 
phantajtereien bie Gegenwart vergejjen. 

Sie freut fid) der Thatfache, daß Kronftadt fid) 
amüjiert und im Kreiſe der Jugend Deimijd) fühlt. — 

Martina hat zur guten Stunde feinen Weg gefreust; 
adj daß bod) all die andern Hageftolze ebenjo Denfen 
möchten wie What, daß fie alle in dem Oberft bie Bu- 
funfts-Bogeljcheuche erblifen, welche fie aus dem — 
ihrer Junggeſellenherrlichkeit vertreibt. | 

 SRefi muß bei biejem Gebanfen laden. ——— = 

Weld) ein gutes Werk würde Herr pon Bade be = 
alternde RegimentSfommandeur ahnungslos ſtiften 

Wie der Froſchkönig Klotz iſt er in den Teich sella 


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bari das Regiment Der Hanefi ze fo feelenverguitat S 
- plat}cherte. 


Kun jtieben fie entjebt auseinander, und jeder fchaut — | 


jorgenpoll nach rettendem Unterfchlupf aus. 
Das Standesamt winkt mit liebevoll offenen Armen, 
und e3 fieht lange nicht jo beängftigend und graulid) 
aus wie Dag dunkle, falte, öde Lod , aus welchem der 
einfame König Klog melandjolijd) heraus äugt. 
AH, bab fein Wnblic doch aud) bem forglofen, 


. _ pflichtvergefienen Majoratsherrn Eberhard fo recht nad- 


drücklich auf die Nerven fiel! 

Noch iſt es Zeit, ihn auf Wege zu geleiten, daran x 
Myrtenbliiten jprojjen, denn wenn fich aud) jebt ſchon 
eine Staniolichicht um fein Herz legt, jo it Diejelbe Doch 
nod) dünn und zerbrechlich, und Amora Pfeil fann fie 
immerhin uod) durchbrechen, — gehen aber noch etliche 
Sahre in das Land, fo werden die gejammelten Kapjeln 
und Hülfen zu Panzerplatten, an welchen jedes, aud) 
das beftgezielte Geſchoß abprallt. Refi Hat ſchon oft 
verjucht, den Bruder unter die Haube zu bringen, aber 
feider vergeblich, denn welch andere Hilfstruppen Bat fie, 
alg ,,@utgureden”, auf hübſche Mädchen aufnertjam 
machen und den Hartgejottenen Sünder möglichit oft dem 
Sereugfener ichöner Mugen auszujeßen ? 

Dieſe Truppen ftanden auf ſchwachen Füßen und bag 
Domerijdje Gelächter des großen, dicen Rittmeiſters, mit 
welchem er jedesmal verficherte „Gib bir feine Mühe, 
Refil Ich bin und bleibe eine Mifgeburt, die [att mit 


einem Herzen mit zwei Magen zur Welt gefommen ijt!" — 
blies fie jedesmal über den Haufen, ehe | ie nur pret in 
Aktion treten konnten!” 
Nun aber fchien das Schickſal, in Geftalt bes Dem 
Dberit, ber bejorgten Schweiter zu Hilfe zu fommen. 
Eberhard Hate das Wirtshausleben feit jeher, und 
ebenjo wie Sronjtabt fih aus ber Amangsjade Heraus- 


fente, ebenjo unerträglich wird aud) er die Neuerung 
empfinden, welche bie Herren mit einem Kommando fatigue _ 
an den OF Hizierstifch in ber „goldenen Sonne” fefjelt. 


Und während all diefe Gedanfen burd) den Kopf ber 
Negimentstante*jchivirrten, und fie gewijjermaßen nur 
mit Dalbem Obr auf das fröhliche Geplauder am Sud 
hörte, wanderten ihre Blide doch aujmerfjam dur 
den Heinen Saal, das burdjitrómenbe Bublifum zu beob> 
achten und ifr Lager unter jdjarjer Kontrolle zu halten. x 
| Plötzlich Hob fie ben Kopf und fniff bie Augen ein 
wenig gujammen, um beffer fehen zu fonnen. Täufchte 
fie fi? — Nein! Dort in ber Thür er ſchien Herr 
von Lauda und überjchaute mit feinem griesgrämlichen 
Gelicht, welches heute nod) um ein ganzes Teil ungu- 
aünalidjer ausfah, und den müden, meijt halbgeichlojfenen 
Augen das bunte, TR Bild, welches ſich vor ihm 
entrollte | 
B, Det Oberſt! — Nun, gelegener war er ber 
| Regimentatante wohl niemals gefommen, als wie in bie] em 
| Augenblick 
Sie wandie den Kopf nad) Dorpat, 


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Auch er pon den Oberſt bemerft und fein Blid traf 
wie beichmwörend dag lächelnde Geficht Nejis, — er Ç 
machte ihr ein paar haftige, faum veritändliche Zeichen 
jprang auf und verſchwand mit Bligesjchnelle Hinter der — 
Marfetenderfarre, um jchleunigit das Weite zu fuchen. — 

Sräulein von Wieder3 aber ftand unbemerkt auf, und. 
fchritt bem Geftrengen entgegen. — | 

„Grüß Gott, Herr Oberft! Endlich haben wir bie 
Freude! Das Lager der Guftel von Blafewig ftaud ja 
ganz verwaift, fo lange der oberjte Feldherr ihm 
die Ehre ſeines Beſuches angethan!” 

Herr von Laudja drückte bie Hand ber Great 
unb auch über fein Geſicht zog ein flüchtiges Lächeln, 
wie ein matter Sonnenjtrahl über Stoppelfelder. 

„Xn Shc Lager gehören luftige Menjchen, mein 
gnädiges Fräulein! fchüttelte er den Kopf, „und zu denen 
gehöre ich leider im Augenblid nicht. Ich habe e3 nur 
als Pflicht und Dienft angejehen, mid) einmal an ber 
Stätte ber Wohlthatiqfeit zu zeigen und meinen Obolus 
‚beizufteuern, aber teilnehmen an all ber Fröhlichkeit?“ 
er jdjüttelte mißmutig bem Kopf: „Das ijt mir mal 
wieder in ber zwölften Stunde verjalgen worden”. 

Refi fab den Sprecher mit ihrem jo gewinnend freund- 


| iden Blick an und fchüttelte eifrig den Kopf. 


„Das verhüte Gott, daß Cie fid) bie Laune burd) 
ein pan Wetterwolfen verderben laffen, welche ein frifcher — 
Wind morgen fon wieder über alle Berge geblajen _ 

hat!“ flüfterte fie Heiter. „Sehen Sie, weld) ein Sorgen —— | 


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brecher dort auf ben Tischen bampft! Solh ein Glas 
Punſch bringt auf ganz andere Gedanken, und barum 
laffen Sie mich einmal dieje Arznei verjchreiben, verehrtefter 
oe Oberft! ub 

Er jab fie einen Augenblick nachdenli an. „Die. 
paar Wetterwolfen” fagen Cie, — ic) nehme an, Cie 
 wijfen bereits, um welch ein fatales Vorfommnis es jid) 
wieder eikonal handelt?” 

„Das verfteht fid), Herr von Lanha“ nidte Meji 
frifch, „welch eine Regimentsſorge Dürfte mir vorenthalten 
werden, zumal wenn diejelbe nicht vein Dienitlicher Natur 
ijt, jondern nur einen lächerlichen und abjolut an 
Stadtklatich betrifft.“ 

Er jchüttelte bebentid) den Kopf, aber man jab e3 
ifm an, daß thre rejolute, heitere Art, bie. fatale < Cache 
zu behandeln, ihm wohl that. „Ra, na, fo lächerlid) 
und nichtig ijt bie Angelegenheit denn hoch nicht; ich 
fürchte im Gegenteil, daß fie recht viel Staub aufwirbelt, 
welcher gewiſſen Xeuten tüchtig in bie Rafe fteigen wird!” 

Ich bitte Sie um alles in der Welt, Herr Oberft, 
die Affaire fieht viel Schlimmer aus, als wie fie üt. Rommen 
Sie und laffen Cie unë bei — Glas Punſch bie Mn- 
gelegenheit mal richtig beleuchten. Ich lebe nun ſchon über 
vierzehn Jahre hier und fenne bie guten Maijenburger 


ganz genau, fie haben ion manchmal Lärm um nichts — 


geſchlagen“ Q 
‚3a, Sie fennen die Leute hier! Das Babe ich aud) - 
bu padt, Tante m — und Darum war id) — ehr- 





20 


Ye Regimentétante T, 


D 


Moin au. Nov., 


on 


t 


Re Cfdfünrutb 


= 306 — 


lid) geftanden — auf bem Wege zu Ihnen. Gehen Cie, 


alë Sunggejelle hat man fo feinerlei Zufpruch, man fteht u 


allem, wag da an einen ferantritt, rein Dienjt(id) gegen- 
über, und bejpridjt man jid) mit feinem Adjutanten, fo 2 
hat foi ties: Sedanfenaustaufch aud) ftets Dag fteif formelle — 


militärijche Geprage, welches nun mal im Verkehr unter — 


Männern, namentlich aber unter Vorgeſetzten und Unter 
gebenen nie zu bermeiben it. Kann man Hd mal mit 


einer unparteiiichen Berfint ichkeit ausiprechen, fo ijt es cs 


eine Wohlthat — und das ift ber Vorzug, welchen die 
Verheirateten ſtets vor uns haben werden — fie finden 
Bufpruch, Nat und Teilnahme bei ihren Frauen, — 
wenn fie nämlich fo Hug waren, feine findifchen oder 
thörichten Mädchen heimzuführen.“ x 

Nefi hatte ſchnell ein Heines Tiſchchen weit ab, Hinter. 
bie Karre gejchoben, und zwei Stühle herzugerückt, jest 
gab fie Kai Lichtenberg einen Wint, Pn au 
bringen. 

Der Oberſt ließ fid) milde und x E eiuen 
ber Holzjchemel nicber, legte Handſchuhe und Müge neben 
fid) und wandte Hd) etwas vom Licht ab, weil die Hellen 
Gasflammen feinen leibenben Augen unangenehm waren. 

Mefi ſchob voll liebenswürdiger Sorge die Martes 
tenderfarre jchnell noch etwas vor, daß ihr breites Plan- - 
tud) bie Lichter berbedte und der Kommandeur im wohl- 
thuenden Dämmerlicht jap. 

„Ad, dante verbindlichit, mein gnädiges Fräulein, 
Diejes gedämpfte Licht ijt jehr angenchm . . . und Gie, 


zs BOF — 


mein lieber Graf — wag bringen Cie? — Punſch? 
© jdarmant — er bujtet ja herrlich — bitte nehmen — 
Sie — id) trinfe aus Wohlthätigkeit!” Er reichte Kai 
ein Gelditüc, biejer bienerte und verjenfte e8 in Die 
große Sammelbüchle, barm warf er Tante Refi nocd) 
einen + jepimetiender: TM zu und zog mM 
gum o —— cc 
Refi ue Top bei t Fader Y nebst Haftig 
wieder auf. 

„tan jagt, er bon Gouda, ir Frauen hätten 
feine Logik; das mag in den meiſten Fällen ftimmen, - 
aber dafür haben wir meiftens ein febr richtiges att 
gefühl, ein qut Teil Mutterwis und feine Fühlfäden, 
unà mit etwas Lift unb Inſtinkt Durch bie verjchieden- 


artigen Situationen hindurch zu taften.. Die Frauen — 


handeln in vielen Fallen nicht fo forreft wie die Männer, 
aber dafür entwirren fie verjchlungene Fäden meift um 
fo leichter und es — ber Zwed jeg ale Ws | 
Mittel!” 


x Möchten Cie mir Doch Davon recht bald einen Beweis du 


liefern” nidte Laucha bedächtig vor jid) Dim, „ich wollte 
e8 mir — unb vor allen Singen dem febrectlicyen Schwatz⸗ 
maul, dem Dorpat wünjchen!” 

Abermals grub fid eine tiefe Bornesfalte in die 
Stirn des Cpredjera, Refi aber legte beide Arme auf den — 
Tiſch und lächelte den alten Herrn fo recht ee: und - 
ireuberaig an. 


„ieber pu Oberft- — Hand aufs Herz — ift ber arme 
20* 


T 55 


Dorpat wirklich fo fehuldig, wie à im CR Moment 
den Anjchein hat?” p 

Er fuhr auf. „Kennen Sie den ganzen Eadhoerhalt?” 

„Sanz genau!” 

„Und Cie wollen nod) fragen, ob Dorpat, welder 
ung durch feine unverantwortliche Indiskretion m bie 
übelfte Lage gebracht hat, ſchuldig fei?" _ | 

„Sa, das will ich, Herr von Lauda!” rief Fraulein — 
von Wieders voll folder Überzeugungstreue, Daß Der 
Dberit fie betroffen anjtarrte, „Die Schuld trifft in Diefem — 
Fall nicht Dorpat, ſondern uns ältere, vernünftigere Leute, 
die dem größten aller Mipitände, bem Offizierstiich im 
Wirtshaus, nod) nicht abgeholfen Haba, wie dies el: 
 bütte gejchehen müjjen !” oe 
. .,Grauben Sie, mein -gnübiged- ‘Sprain, Cie 
a me e = man jid ſchon darum bemüht 
hat 
3 weh. e$, Ciber bas entirafiet meine Behauptung — 
nicht! Sieber, befter Herr SOberjt, benfen Sie einmal an 
bre Zeutmantsjahre zurüd! Der junge Offizier muß, 
id) jage, er muß irgend ein Zofal haben, wo er fid) im 
Kreiſe ber Kameraden ganz ungeniert und frijd) vow der 
Leber weg, ausiprechen fanm. Man verjege jid) in Die 
Mage eines fold) jungen Heißſporns! — Da ijt vorher 
der Geburtstag eines Kameraden gefeiert und reichlich 


mit Sekt begoſſen — man bleibt noch über drei Stunden 
iu fröhlichem Kreiſe beifammenſthen und raucht unb imit 
tapfer weiter — He Du lieber. Tult; da unmebeln du o. 


= W0 y 


jchlieglich bie Sinne und, wes das pera voll ift, des - 
geht ber Mund über” 

„Das joll und darf aber nie. Sie Leute tollen 
wijfen, wann fie aufhören müfjen zu trinten!” 

„Die älteren Leute wiſſen das auch, aber Sugend x 
hat feine Tugend — waren Cie mie jelber jold) ein 

lebensfrohes Burſchchen, Herr Oberſt?“ 

Er trommelte ein wenig nervös mit den Tonus auj 


—— der Tifchplatte. 


„Sc fehe ſchon, bie Birimitdlanis $ tritt — 
den lieben Neffen ein!“ verſuchte er zu ſcherzen, „all dieje 
Gründe aber, mein gnädiges Fraulein, welche mich vielleicht 
bem Sünder Dorpat gegenüber milder jtimmen, ſchaffen 
die fatale Angelegenheit noch nicht aus der etl o 
Was gejagt wurde, das bleibt eben gejagt, gleichviel ob — 
im Weinrauſch ober nicht, Ja im Gegenteil, unfre Widers 
facher werden behaupten: Zm Wein liegt Wahrheit!” 

„Das fol fie aud), wir nehmen fein Wort von dem, 
. X8 Dorpat fagte, zurück! RN Heft ee big 


Hs und ſehr beftinunt. 


Der Oberjt ſtreckte jählings Den Kopf vor. „Sa, 


= m Donnerwetter — aber mie fol dann . . ."^ und Hd 
== an unterbrechend fant er [der aufatmend zurück 
: Allerdings s.s HW Verzeihung bitten . . . undenkbar. 


Wir können din flein beigeben, ber Gffat ijt unver- 
meidlich 1^ 


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