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Full text of "Nataly von Eschstruth. Illustrierte Romane und Novellen 2. Serie, Band 6 = Die Regimentstante 2"

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NORTHWESTERN 


UNIVERSITY 
LIBRARY 


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Dataly von Efe truths 
Alluſtrierte 
Romane und Povellen 


Bmweile Serie 


Aedfier Band 


Die Kenimentstante 





Iripin 


Derlagsbudjfjanblung pon Paul PM 


Die Renimentstante 


Roman 


Nataly von Eſchſtruth 


Mit JUufğrationen von Frig Bergen 


Il 





Yrimia 
Perlagsbudjhandlung von Paul TE 


Das Recht der Überjegung wird vorbehalten. 





Ce very 
a 18 1941 






Gleiche zu "disons » conte Refi leije unb ihre - 
=> Augen glängten fo zuverſichtlich, daß Tunes 
fie devant. amaj. ——— 1 

„Sc wüßte feinen, mein gnädiges Fraulein, als ba 
gewöhnlichen, auf welchem alle folche Händel, welche Hd 
schließlich zu Ehrenfachen zufpigen, ausgetragen werden, — 





und der fann jowohl für Dorpat wie für: er thr bere 


hängnisvoll werden!” 
„Haben Sie ſchon birefte Wuferungen von jeiten TS " 
Civils, rejp. jeinen Vertretern erhalten?” — 3 
Mein, — dazu ijt das Sududsel zu friſch gelegt. 


Uber wie id) Bore, berät man feitens ber Herren, welche : 


fid) als beleidigt erachten, bie nötigen Schritte!” 


„Sie haben in der That beabfichtigt, einzelne Ber: | i — 


jönlichfeiten aus ber Geſellſchaft auszuſchließen?“ 
arrheit! Unfinn!“ polterte ber alte Herr los, „ich 
fenne ja die Menſchen faum, — wie fol ich da perſön⸗ 
lich werden! Ich Habe mich lediglich dahin geäußert, 


daß meine jungen Herren allzufehr durch bie große Ge 
jelligfeit belaftet find, — der Dienft leidet darunter!” 
‚Man würde mad) Dorpats Hering fold einer 
Verſicherung faum glauben.” 
„Darum ift es aud) jehr fraglich, ob ich fie UA 
— kann und werde“ | 
c Hir müffen in folgedeſſen jebb: —— oder 
einem Darauf Diusieleuben emu us ue ne : 
Partei zuvorkommen!“ | ee d 
„Das halte ich für unmöglich," —— 
„Bon Ihrer Seite allerdings; id) als Dame e geri A 
bie Freiheit, zu handeln.” ! 
— „Die Eleinfte Unitberlegenheit Ihrerſeits kann die 
Sache aufs unberechenbarſte verſchlinmern“ 
„Das hoffe id) ſelbſtverſtändlich zu bermeiben. ‘Nock 
eine Frage, Herr Oberft. Wenn in hiefiger Gejellichaft 
eine Familie auftauchte, welche nicht ganz einwandsfrei. 


ift, — fagen mir zum Beifpiel, der Vater fei wegen übler — 


Spielgeſchichten graviert — würden Sie Ihren Herren 
geftatten, im fold) einem Haufe zu berfefren?^ — 

auda fuhr mit gerungelter Stirn empor. „Niel 
Unter feinen Umftänden! Wie aber fommen Sie ploplid) 
auf ſolche dee?“ 

Refi lächelte fein. „Se nun — wenn fid) eine folche 
Familie Hier befande — fo ware ja das eror des 
Herrn Oberſt fehr gerechtfertigt!” | 
Sähe Nöte ftieg in das Geſicht des alien i 
gejellen. | 


sl > 


Es befindet fid) aber feine ſolche Famitie us 
ſtieß er kurz hervor 
Noch nicht — aber fie ijt vielleid in ein | 
Lauda jchob feinen Stuhl jählings näher, feine 7 
umframpfte den Arm der Sprecherin. e 


„oralen Neil - -.. ment... mom bag Pap us : 


ware. m 
Sie nidte mit heißen Wangen. „Es ijt wahr, und 
das muß uns helfen, Herr Dberft. Ganz durch Zufall 
habe ich gehört, ba ein Herr von S. — ber Name ijt 
Ihnen vielleicht aus einem Spielerprozeß erinnerticd, 
welcher ehemals durch alle Zeitungen ging, — daß bicjer 
‚Herr von ©. fid) ganz hier in ber Nähe, auf Hoffersberg, 
ankaufen will. Die Nachricht ift wohl mehr Gerücht und 


ich hoffe nicht, daß fie fid) beitätigt, gleichviel, fie muß 


jest gute Dienite thum! Nehmen wir an, Herr Oberft, 
ich hätte Ihnen nicht erft heute, joubern icon bor etlichen 
Tagen darüber gefproden, und mit dem Gedanken an 
dieje Familie, welche nicht im unjere Gejellichaft gehört, 
haben Sie fich dem Offigierstorps gegenüber geäußert! 
Laffen Cie ung, bitte, Diefen etwas jeſuitiſchen, aberjebr — 
praftifchen Weg, welcher aus dem Labyrinth heraus führt, - 
benugen! Und and) dag Weitere laffen Sie meine Sorge 


jein! 3d verjpredje 3 Ihnen, daß die Sache unterdrüdt 


cin foll — auf ganz privaten Wege arrangiert — ehe 


fie Dimenfionen annehmen funn, welche bis zur Brigade — 


und Divijion hinauf reichen! Einverftanden? Bon Herrn 
von ©. und feinen Abfichten wußten Sie burd) mi — | 


— 918 — 


feit wann? Se nun, id) müßte mich fehr irren, wenn 
ih Ihnen nicht wirklich [dou vor ani Tagen davon 
pragi” — 

Lauda war mit beinahe —— Halt aufgejtanden 
und ein paarmal mit schnellen Schritten hinter dem Plan— 
wagen auf und niedergegangen. Plohl ich blieb er vor 
Reſi ſtehen, ſah ihr lachend in die Augen, wie ein Menſch, 
welcher nach ſtürmiſcher Meerfahrt plötzlich wieder Land 
ſieht unb jagte: „Sa, Ste haben recht — id) glaube mid) 
auch zu entfinnen, daß Cie mir ihon vor adt Tagen 
davon jprachen!” und dann lachte er noch herzlicher, 
reichte ihr beide Hände entgegen und rief: „Welch ein 
Segen ijt'& bod) um fold) eine Negimentstantel 

Proſit!“ jagte Refi und hob fröhlid den Becher: 
„Nun wollen wir auf „Gut Stück” anftoßen, unb dann 
bitte ich Sie, gleich Handeln zu Dürfen; die betreffenden, 
maßgebenden Damen find Hier, und man mug das Cijen 
jchmieden, jo lange e8 heiß itt S | 

„Ganz meine Anficht. Handeln. Cie! — Mein Ber: 
trauen auf Shre diplomatijde Kunſt ift groß! — O 
Weiberlift! Sa, Shafejpeare hat recht: Wer fann ein 
Weib burdjjdjauen !^ | 


Logiſch denken wir Frauen ja niht” — nedte | 
Acibuleit bon Wieders — „aber wir wijfen uns zu 
helfen!” 


Das ſtimmt, und darauf laſſen Sie uns anſtoßen!“ 
Herr von Laucha ſtrich mit ber Hand über Die gefurchte 
Stirn: „Wie jold) eine ‚undienftliche‘ Ausſprache doch jo 


— 


wohl thut, ſie friſcht alle Lebensgeiſter wieder auf und 
dies allein iſt für mich ſchon ein großer Gewinn! Seien 


Cie bedankt dafür, Tante Refi —! Des Donnerers 


Wolfen, welche jo ſchwer über lios herabhingen, fejen 
mir [ots nicht mehr fo dunfel aus, wie zuvor! Jun, — 
Lichtenberg, — was gibt's?" — 

Kai griff nach bem Punſchbecher? „Geſtatten Herr 
Dberit, dak ich noch einmal Fülle?” 

„Das geitatte ich, lieber Graf — und bitte Sie, mir 
bie neue Auflage drüben an dem Tiſch zu jervieren. Sch 
hire ba fo viel Iuftiges Lachen, daß es mich unwider— 
ſtehlich anlodt, mit ber Jugend jung zu fein! Darf id) 
um Shren Arm bitten, mein gnädiges Fräulein? — 
Man jcheint Sie im Kreife Ihrer Getreuen gewaltig zu 
entbehren ^ 

Refi ftimmte febr eitig gu und ſchaffte „Plab für 
ben Wallenfteiner ! : 

Cie forgte dafür, daß ber Oberft neben bie Inftigite - 
unb redjeligjte ber jungen Damen gejebt wurde, ohne - 
jedoch felber an dem Tiſch Blab zu nehmen. Sie ging 
geichäftig Hin und Her und Sai Lichtenberg folgte wie 
en Schatten. 

„Aber Tante eit - — wie fonnten Sie e3 fo lange 
tate. -A-téte mit dem Alten aushalten!“ grollte ev, „als 
ob gar feine anderen Menjchen weiter auf ber Welt 
wären! | Kaum, daß id) mir einen Blab an Ihrer 
Seite erobert hatte — wurden Cie t en wieder mee 


flüchtig! 


— 320 — 


. 98 wollte buen Gelegenheit geben, fig Quo) at = 
zu 1 amtifieren I lachte fie. ~ 
„Dann bejchäftigen Sie fid, bitte, möglichft biel mit n" 
mir, jonit fann ichs nicht!” s 


Refi hörte mur mit halbem Ohr, Sie legte plöplich | 


bie Hand auf feinen Arın. ,,Thuen Eie mir ben Gefallen, — 
Graf, und vertreten Sie mid) für ein Viertel jtündchen ! | 
Sehen Sie nach dem Rechten und brauen Sie neuen 
Punſch, falla eS nötig wird —” ^ : 

,J8o wollen Cie Hin?” 

„Die Negimentstante ijt in Dienft geftellt; ber Oberſt 
Dat mir Alarm geblajen!” 

„Das ijt empörend! Wie fann er uns dag ganze 
Feſt verderben! — Wenn er mich als Mdjutant zu s 
kommandiert hätte“ — 

D biejem Falle unmöglich, bie Sache ijt diskret!“ 

Kai i machte ein undefinterbares (Seficbt, welches ungefähr — 
befagen malt: D, wenn du ahnteft, was ich für qute Ohren 


habe! —“ — Aber er neigte nur ergeben Das Haupt zur 


Bruft und jeufzte: „So kommen Sie wenigftens bald — | 
jebr bald wieder, — ich finde cà unerträglich ohne Sie!” — 

War- denn Refi blind, iid jie gar nicht merkte, ‘wie 
febr er ihr den Hof nage? — | 

Cie fagte nur: „Wenn e3 länger dauert, wie eine 
Biertelftunde, jchide ich Ihnen meine Pioen — 
und dann jah fie wieder recht zeritreut aus und huſchte 
unbemerft in den Nebenjaal. | 

Kai jah wr mit ichvärmerifchem Blid nad. 


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31. v. Gf ftru tb, IN, Mont. u, Nov. Die Regimentstante II. 921 


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Wie war e8 möglich, daß man fie häßlich genannt? — 
Dieſes geijtoolle, liebenswürdige, ‚heitere Geficht, bicje 
famoje Erſcheinung! 

Auf ihn übte fie geradezu einen Zauber aus. — 
Sehr junge Herren begeiftern fid) ja mit Vorliebe für 
reifere Damen, und Kai Lichtenberg hatte im ganzen — 
‚Leben noch fein weibliches Wejen derart imponiert, wie 
die Negimentstante. Schon in der Geſchichtsſtunde Hatte 


er ſtets bie thatkräftigen, emergiichen und Eugen rauen — 


bewundert; eine Kaiſerin Katharina begeilterte ihm gerade- 
zu, — und hätte das Schickſal Nefi von Wieders auf 
einen Szarenthron gelebt — wer weiß, ob fie nicht nod) 
größere Dinge vollbracht hätte, wie die ruffiiche Landes- 
mutter! S9 (ud) jest muß fie voll Geijt und Humor die 
Fäden entwirren, welche ein anderer Tolpatſch zufammen: 
gefnäult Dat! — | 

Wird es ihr gelingen? — G8 wäre großartig! es 
wäre anbetungswürdig —! Nicht, weil baburd) viel 
Ärger, dem Dorpat vielleicht ein gebrochener Hals und 
bem Oberft ein blauer Brief erjpart bliebe, — feit dem 
Moment, wo Kai in ber Ranglifte fteht, erachtet er 
alle Bordermänner mur als überflüjfige, das Avancement 
jtörende Gegenftände, — - fondern weil e8 beweifen würde, 
daß Graf Lichtenberg ein Menfchenfenner it und feine 
Huldigungen an feine Unwürdige verid)menbet! 

Man ruft feinen Namen, man winft ign an dag Ende 
der Tafel, wo er anjdeinend neben ein ann 
placiert werden fon] 


— 323 — 


Empörend? Was fol er mit fold) einem Kinde 
prehen? Er hatte für diefe maigriine Jugend fo gar 
nichts übrig, fie erinnert in ſo widerwärtiger Weiſe an 
die K Kinderſtube es amp. pon dieſer ſtrebt Rat ab, ſo 
weit — o, jo weit wie mur irgend möglich! 

Sage mir, mit weni Pu umgebit, Dann fage id) Dir, 
mer bu bift! — Heißt e8 nicht fo? — Gott bewahre 
ihn, daß er noch mit Badfifchen oder fehr jungen Damen 
perfehrt, eS würde feiner Mannhaftigteit und Tonrbe ae : 
Zodesitoß perfeben! — | : 

Er entjchuldigt fih fefr eilig und etwas intereffant — 
zerjtreut, Daß er Fraulein von Wieders zu vertreten habe 
und beim Bunjchbrauen befehäftigt fet! — eine gefühllofe 
Hartherzigfeit, welche dem armen a einen tiefen | 
Seufzer abamimgt. ^ | 

Heft. mar waͤhrenddeſſen durch den fouptíaal det 
alle jubelnden Zurnje nur mu fates Niden und 
Lächeln erwidernd > A 
Shr Blid irrte ſpähend amber, bis er aufleuchtend 
faftete. o Ce 

Gott fei Dank, bie Prafidentin war noc) anweſend, 
fie ftand bor ber Bude, in welcher ihre beiden Töchter — 
Bücher verfauften, und ſchien rechte Not zu haben, die — 
jelben zum Heimgeben zu beftimmen. | = 

Fraäulein von Wieders trat mit herzlichem Gruß Hera | 

Endlich finde id) Sie, meine gnädige Frau, und habe 
bie Freude, Sie zu begrüßen! — Man ift ja an 
das Feld feiner Thätigfeit jo Mega, a man 


Loop uu 


feinen Moment Bel findet, bie lieben Freunde augue | 
fuchen !” 

Die Priifidentin erwiderte: br Grup merili kühl. 
„O bitte, Fräulein von Wieders - — das babe id) weder 
erwartet, nod) verlangt!” antwortete fie ziemlich {dary 
und wandte fid, eine weitere Unterhaltung abbrechend, 
abermals an ihre Töchter. „Es ijt Beit, Kinder! Ihr 
mipt, Papa bat mur Die Erlaubnis gegeben auszu— 
perfaufen !” 

„ber hier find — brei Bücher, Mama!” 

„Die übernimmt eme andere Dame!” 

Nefi trat einen Schritt. näher. „Önädige Frau —" 
jagte ſie eije und: brinafid), ary a Sie um eine furze 
Unterredung biten > 

„Dazu iit heute wohl faum qud ei — — 

„Morgen aber ijt e8 auf jeden Sal zu jpüt! Sd). 
bitte Sie herglichft, gnädige Frau, einen Augenblick mit 
mir in ber Konditorei Blab zu nehmen, e8 it eine 
dringende und wichtige Angelegenheit, welche id) mit Ihnen 
bejprechen möchte!“ | 

„Beun Diejelbe bald erledigt ſein kann ^ gudte . 
bie Präſidentin mit einem Blid bie Achſeln, welcher deutlich 


genug jagte: „Gib dir dod) gar inne Mihe — es üt — 


ja bod) umſonſt!“ — 
Aber fie folate voll ftetfer Höflichkeit. 
Ich fehe dort Frau Regierungsrat Lechner, Frau - 
Oberlandgeridtsrat von Grauer und Frau Werner figen — 
aud) a an — mamn At 4 on mt meinem nhe n 


— .325 — 


richten und bitte Sic, meine berehrte, Bio $n, an 
ihrem Tiſch Play zu nehmen“. 

„Bie Sie wünjchen ^ 

Die genannten Damen blicten jehr eritaunt auf und 
wechjelten recht bieljageube Blide, als die Präfidentin 
und Fräulein vor Wieders, mad) ebenfo forml icher und 
fühler Begrüßung. mit lebterer — an ihrem Tiſchchen 
Flag nahmen. Wie in ſehr abweiſender Erwartung 
richteten fid) aller Augen auf bie Negimentstante, und 


man jah e8 ben erregten Mienen der Damen an, dak | 


juft das Thema des neuejten, fenfationellen Stadtflatiches 
jehr lebhaft unter ihnen erörtert war. 

Refi ging jchnurftrads auf ihr Biel los, 

„sch kehe an orem fo ganz berämberkin Weſen, 
meine Damen, daß aud) Sie unter dem Einfluß jenes 
abjcheulichen Geredes ftehen, welches, wie ehemals jener . 
omindfe Apfel in den Kreis der Götter, auch nr unfere 
friedliche und [darmante Geſellſchaft T üt! Cie 
wiljen, meine Damen, bag bie ſchonſte und edelſte Miſſion 
der Frau die ift, Frieden zu ftiften unb Frieden zu 
erhalten, und barum wende dd mid) an Cie mit ber 
Bitte, unterſtüßen Sie mich in biejem Beftreben, und - 


faffen Sie ung rauen erreichen, was die Männer auf — 


freundfchaftlichen Wege faum nod) erreichen fönnen! — 
ie haben pon Der Äußerung. gehört, welche Leumant 
Dorpat am Offizierstiſch gethan 

„Allerdings, und wir find febr gefpannt, bic Elemeniege- 
nannt gt erhalten, welchenicht in Die Gef ellſchaft gehören!” — 


— 898. — 


„Bei welchen fein Offizier perfehren fann!” 


Wo ber Oberit finjtigi das Beſuchemachen feiner a o 


prie verbieten mill!” — | 

Sehr feharf und febr feindfelig fangen bie Stimmen, 
fo gar nicht nach lieblichen Friedensharfen, aber Reſi 
blickte die Sprecherinnen mit ihren freundlichen Augen 
febr ruhig und lächelnd an und jagte fura und bündig: 


Dieſe Elemente will ich Ihnen nennen, meine Tamen” 


(UE Wäre e$ möglich? linbenfbar! ^ Wie elek — 
trifiert ſchnellten die Köpfe der kleinen Tiſchrunde empor 
und bie Augen funfelten fo überrafcht und wiffensdurftig, - 
bab Fräulein von Wieder fic) bem giel jon um ein 
ganzes Stückchen näher gerüdt fah. zs nn 

(8 liegt mm einmal in ber neibligen: latur, fid) 


für fremde Angelegenheiten zu interefficren, und eine — 


— flee. Dofis Standal mirat die —— in be 
Remmate. — — | 
Wenn man nicht jelber das rüubige Schaf it, UNS 

aus der Herde ausgemerzt werden foll, jo it ce em 
behagliches Gruſeln, bie Schitlſal € Bes ed zu 
verfolgen! ET 

Auch bie Damen an bem Konditoreitifchehen waren 
nicht gleichgültig gegen die Konduite, welche dem lieben 
Nächften ausgeftellt werden follte, unb Die überraschende 
Thatjache, daß fie auf bie brennende Frage früher Ant- 
wort erhalten follten, wie ihre Männer, welche ftarf 
bezweifelten, ob fie Diele ‘Talwar beckon erhalten 
würden, hatte etwas ungeheuer Packendes. 


— 327 — 


So wurde der Abgrund, welchen man zuerſt burd — 
deutliches Fernrücken“ pom ber Negimentstante markiert 
hatte, jhon bedeutend Heiner, denn ganz unwillkürlich 
ihob man bie Stühle näher aujammen, um beffer hören | 
zu. fünnen. i 

Wenn ich jebt völlig frei und pijen zu nen 
ipredje, meine Damen”, begann Refi feierlich, „fo muß 
ih auf Shre vollſte Diskretion rechnen fónnen, denn 
Cie wiffen felber, wie ernit bie Angelegenheit fteht. Auf 
eine offizielle Anfrage, auf eine gewiſſe Preſſion bin, 
fann unb darf der Ober{t faum den wahren Sachverhalt 
aufklären, wenn er nicht wieder neue Konflifte herauf: 
beihwören will, alfo halte ich es für meine Pflicht, mich 
an Ste und bre Intervention zu wenden, meine Damen, 
denn ich bin genau von der ganzen Sachlage unterrichtet, 
und mir, als weiblichem Wefen, verbietet feine ftrenge, 
militärische Vorjchrift den Mund! Mfo zur Sache! 
Haben Sie ehemals von bem Spielerprozeß in ber Reſidenz 
gehört, durch welchen viele ‚Herren aufs jchmerite graz 
viert wurden? (Gà wurden ſchlichte Verabſchiedungen 
erleilt und in etlichen Fällen ſogar noch ſchwerere Strafen 
verhängt, — ber Name des Hern von ©. war zu jener 
Beit in aller Mund!“ 

„© gewiß, ich entfinne mich!” rief f bie Präfidentin 
eifrig, „eS war ja ein unerhörter Sfandal; alle 
waren voll davon!” : 


„Sa, ja — mir ſchwebt e3 aud) nu io bunfel vor -— — 


hat er nicht ſitzen müſſen ?“ — 


ac AM a 


ott bewahre uns, ibi mir fier etwas erleben!” 
feufzte Frau von Brauer. 

„Dieſe Gefahr liegt näher, ala Sie en meine — 
Damen!” gudte R left mit jehr ernſter Betonung die Achſeln 
und leiſe Ausrufe und Nufbleie ber HR Aruegeng 
unterbrachen fte. | 

„Sage ich e8 nicht, daß fie heimlich i im Sub ipielen f 


rief Frau Werner brüsk — und die Negierungsrätin 


befam zwei dunkelrote Flecke auf die hagern Wangen und 
umframpfte mit ber Hand den Theelöffel —: „Hab’ ich 
mir doch längſt gedacht, bab fo etwas im Werte ift!” 
„Sie. ren; meine Damen!” jchüttelte Nefi jebr 
energijd) bem Kopf, — „Gott jet Lob unb Dank hat 
diefes after bisher nod) feine Wurzeln in Maijenburgs 
folidem Boden ſchl agen finnen. Sm Klub wird ein 
harmlofer Sfat, — in ber Sonne zeitweile ein ebenſo 
harmloſer Whiſt geſpielt, — die Einſätze ſind überhaupt 
nicht nennenswert. Aber bie Gefahr, dah Dies anders 
werben könne, liegt nahe. Denken Cie bod), meine Damen, 
daß befagter, berüchtigter Epieler, der Herr von S., beab- 
fichtigt, ſich auf Hoffersberg anzufaufen, und die hiefige 
Sejelliheft mit feiner Familie durch Befuche zu beefren! n 
‚Ein vierftimmiger Schrei ber Entrüitung. „Das 
wäre alles, was da fehlte! Das fünnten wir gerade 
brauchen! Mit fold) einer Bagage verfehren wir nicht!“ 
„Ans bier bie gefunde Luft verpeften lajien!” ks 
Anſere Männer und Söhne folh einem verberblichen = 
Einfluß ausjepen]^ — oe 





zs qp == 


„©, man ermibert diefen Beſuch gar nicht, man 
fd)neibet von vornherein jeden Verkehr ab!” AT 
„SS ware ja mod) fchöner, wenn man uns zwingen 
wollte, mit jeder hergelaufenen Gippe zu verfehren!! — 
„Ganz Shrer Unjiht war aud) ber Oberft, 
meine Damen!” jprach Nefi mit befonderem Nachdrud, 


und e8 zudte Dabei um ihre Lippen und in ihren flugen a 


Augen bligte e3, wie bei einem Jäger, welcher das Wild 
jehr flau und unenteinnbar eingefreift hat. „Als Herr : 
von Laucha bie Nachricht erhielt, erging e$ im genau 


wie Shnen, wie jedem, der fie hören wird, — er mat —— 


aufs äußerjte beforgt um feine jungen Offiziere, denn 
der Einfluß eines derart gefährlichen Spielers ijt ganz — 
unberechenbar; aud) ijt e8 bireft unjtatthaft, daß eim 

Difizier im folh einem Haufe verfehrt. — Der Oberit, 
welcher aufs jtreng|te über bie gutem Sitten wadt, 
welcher — obwohl er felber Sunggelelle ift — ſehr hohe 
Anforderungen an die Pflichten der Ehemänner ftellt, 
wollte auch den hiefigen Frauen zu Hilfe fommen, und | 
fie bor dem grenzenlojen Elend bewahren, durch ben . 
Spieltenfel an den Bettelftab gebracht zu werden! Er 
glaubte, wenn das Regiment fih von dem Verkehr mit 
einer Familie zurüdzieht, werde bie andere Gejellichaft, 
mit welcher unjer Offiziersforps bod) ftets jo trefflich 
harmonierte, ftillichweigend dieſem Beifpiel folgen! — - 


(3 woiberjtrebt dem ehrenhaften Sinn eines Mannes 


eine amilie ohne Not an den Pranger zu ftellen wnd 
zum Stadtgelpräcd zu machen, darum durften vorerft - 


usd e 


auch in diefer Angelegenheit feine Namen genannt werden. 
Wenn der Kauf von Hoffersberg wirklich perfeft werden 
folte, war e8 noch Beit genug, durch 9(ubeutung bie 
Sejellichaft zu warnen, denn gerade Leuten, mie einem 
Herrn von ©. gegenüber muß man doppelt vorfichtig 
jet, — es würde ifm ja eine teufliche freude bereiten, 
jeden bor feine Piftole zu fordern, welcher durch eine 


unvorfichtige Äußerung Beranlaffung dazu gibt. Nun —— 


erklären Cie c8 fid) wohl felbft, meine Damen, warum 


Dorpat mur von „gewiljen Elementen” fpradj! Konnte ~ p 
und durfte er am Wirkstiſch Namen nennen? — Und 


wie konnte er es überhaupt für möglich halten, daß ein 
derartiges Mißverftändnis dadurch entjtehen fonnte? — 
sch dächte, unfere Gejellichaft wäre fo tadellos und 


jcharmant, daß ſolch ein (Sebaufe von voruberein aus?⸗ 


gelehloffen fei. Wie gern unfere jungen Offiziere in Civile 
freijen verfehren, haben fie bewiefen — und ich weiß eg, 
daß etliche der Herren e& mod) eflatanter beweijen wollen 
ao Myrtengrün und veilchenblaue Seidel!” — 
Die Bräfidentin horchte hoch auf und ward ganz rot 
vor Freude bei dem Gedanfen, diefe fyrijdje, fleine Anz 
fpielung firme auf ihre Töchter gemünzt fein, und Die 
Regierungsrätin nidte febr lebhaft und rief: Der Sberſt 
it ein Ehrenmann; das hat man ja gar. nicht geahnt, 
daß er fo ftreng auf gute Gitte auch unter den Verhei— 
rateten Halt! Cold eine Fewiſſe Kontrolle ijt ja Dag 
bejte, was wir Frauen uns wünjchen können!” - 
Ich Habe gleich gu meinen Mann gejagt: es ift Un- 


— J92 — 


finn mit dem Klatſch!“ dai ñd eni Werner. poe) 
fenne ja Dorpat fo qui. — er iit per barmlofeite, befte 
Meum der Welt — — 

„And ber Oberjt wäre der lette, welcher cine Krän⸗ 
fung beabfichtigtel Das ficht man ihm bod) an, bol er 
Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle ift!” 

2D, was wird mein Mann jagen, wenn er diefe über- 
rafchenden Aufichlüffe hört! Sie erlauben doch, liebes, 
teuerſtes Fräulein von Wieders, daß wir unſeren Gatten 
dieſe e fo ganz veränderte Sachlage mitteilen?“ 

Und bie Präfidentin ftredte Refi voll intimfter Herzlich- 
feit beide Hände entgegen: „OD wie banfe ich Ihnen Shr 
Vertrauen und Ihre Dffenherzigfeit, welch eine Beruhigung 
haben Cie unà allen baburd) verjchafft!” — 

| Die Regimentstante drückte aller Hände voll warmer 
Snnigfeit: „Sch erlaube e& nicht nur, jondern id) bitte 


Sie geradezu, meine Damen, hren Herren Gatten — — 


à discrétion — Mitteilung von dem foeben Gchörten zu 
machen. Warum die Sache nicht offiziell verhandelt werz 


den fann und darf, willen Sie, — aber eg genügt, wenn : 


wore Herren bie wahre Lage ber Dinge erfahren, und 
wenn ber Herr Prafident, ber Herr Oberregierungsrat, 
Herr Werner und Herr von Brauer den jungen Herren 
erklären, „die Sache ijt abgethan, — mir erfuchen Sie, 
biejelbe nicht mehr zu erwähnen —^ ei, jo müßte e3 
bod) nicht nut rechten Dingen zugehen, wenn etliche ffan- 
dalfüchtige Köpfe nod. rebellieren wollten! Was fommt 
dabei heraus, meme Damen? - — Ein ‘Duell über das 


god e 


anbere! Der Dberfi iti in i bte Beziehung unglaublich 
icharf, er würde fraglos mit ber Piſtole vorgehen — und 
Dorpat ebenjo — und wer hätte ben Tratſch auszubaden ? 


Ihre Herren Gatten, meine Damen —! Denfen Sie, = 
welch ein ent jegliches Ung (iif, wenn Sie womöglich wegen Se 
jolch einer thorichten Geſchichte den t um | 


müßten!’ 
„Sntjeglich ^ — dp e 
„Herr des Himmels, nur fein Ung lite!” 
Duell? Ad, das überlebte id) ja nicht!” d 
Refi jiredte den Damen voll warmer Drinalichfeit 
abermals beide Hände entgegen: „Darum helfen Cie — 
mit, meine Freundinnen, das Unheil aus dem Wege zu 


räumen, efe e3 Unglück ftiften fann! Die böje Saat —. 


muß im Keim erftidt werden, und es wäre jehlimm, wenn 
der Einfluß der Frau jo jdjmad) und unbedeutend wäre, 


daß er nicht mal Frieden ftiften fonnte! Bedenken Cie, — 
was biejer Konflikt für Folgen haben würde! Eine jahre ——— 


lange Feindſchaft und Trennung Der Sefellichaft, — ge 


plante Verlobungen würden ınterbleiben, die Gejelligfet — 


würde einjeitig und langweilig, bie jungen Mädchen mire 


ben den Mangel an Langern empfinden, eS wäre en -— 


emiges fid) Befehden und Bekriegen, anitatt dağ wir wie 
bisher in fo glücklicher Harmonie lebten! — Wenn erft 
der große Riß gejchehen ift, läßt er fid) fo leicht nicht 
‘wieder zufitten, und wer leidet am meiften darunter? Die 
Unfchuldigen, — bie Jugend” — 

> ar Präfidentin fatte fid) erhoben. Sie warf refolut 


— 334 — 


Den Kopf in den Naden, und ihre Augen bligten lo edi se 


fof (offen und jelbjtbewußt, wie bei einer frau, welche i 
Bea weiß, daß fie noch bas Heft in der Hand hält! 

Sie legte ben Arm um Reſis Schultern. „Sie follen 
fid nicht in ung getäufcht haben, mein liebes, teures 
Fräulein von Wieders! Nun, wo wir Ihre Eröffnungen 
hörten, wäre e8 ja geradezu. lächerlich, wenn wir nod 
beleidigt fein wollten! Warum bem? Wir fönnen ja - 
bent Oberft und Dorpat mur aus vollftem Herzen zuſtim⸗ 
ment. Und wenn mein Mann hört, wie bie Sache liegt, fo 
garantiere ich, daß er all feinen Einfluß aufbieten wird, — 
etwaige böje Zungen gum Schweigen zu bringen!” 

„Selbfi verjtàublid), mein Maun wird das Gleiche 
(hun! Sch dente bod, fo ‚Schwer fällt aud) das Wort 
der Frau nod) in die Wagidale, um thörichte Zwiſtig⸗ 
keiten verhindern zu tónnen l^ 

„Berhindern! das ijt das rechte Wort!” nidte Refi 
Beifall, „und barum wollen mir das Eifen fd mieden, 
jo lange e8 heiß ijt! Wn das Wert, meine Damen, efe 
bie Herren anderweitige Echritte thuen können!” 
Boll ehrlichen Eifers löfte man die Heine Tijchrunde - 
auf, und maud überrafchter Blick folgte den Damen, 
als bie „schwer beleidigten Guttinen des Civils” fer 
oftenfibel mit ber Negimentstante der Küraffiere, Arm in 
3hm durd) den Eaai ſchritten, um nad) febr berzlicher 
Berabfchiedung, fehleunigit den Heimweg zu den grollen- - 
ben Gatten anzutreten. — | 

Dorpat und Hunolf ftanden gerade an ber Bude der - 


— 335 — 


Präjidententöchter und fauften voll viel Galanterie und 
Heiterfeit ein Buch eim, und Darum wollte die Mutter — 


— micht ftören, fondern blingelte Tante Refi nur vertraulich 
—. 4U „Die Süden wollen fo gern erft ausverfaufen, ich 
 -— — fafje fie noch ein Stündchen hier, — unter Ihrem gungen 


- Schuß, geliebte Tante Refi!” 
Welch ein reizendes Amt, zwei folch hersige Töchter 
hen bemuttern gu können!” lächelte Fraulein von Wicders 
liebenswiürdig, und die beiden Damen brüdtem jid) aberz — 
mals bie Hände und fieden. 

Dorpat hatte fic) an Refis Seite gepürfcht. „Seh id) 
recht im Mondenjchein?” recitierte er mit einem Gelidt, 
in welchen Hoffen und Bangen um den Sieg ftritten —: 
„So ganz d'accord mit den Feindinnen? Tante Refi — 
wie fteht’S um mih? Was jagt der Dberit? — Was 
haben Cie bei den Damen ausgerichtet ? 1” 

Reſi lachte über das ganze Geficht und nidte dem 
Schützling frohlic) zu —: „Die Witten fichen fo qut und 
icher, daß Ste Ihr ganzes Vermögen darin anlegen 
fonnen —1 Mfo Kopf hoch, — freuen Cie jid) des Lebens, 
denn noch ijt Bolen lange nicht verloren!” 

Ein wahrhaft anbetender Blick aus feinen Mugen traf 
fie. „Gott erhalte Tante Reſi!“ jang er lee nach ber 
Melodie von „Gott erhalte Frang ben. Kaifer“, — 
und jte dann nod) aus volljtem Herzen hervor: „Sa, 
Gott erhalte fie und! Was waren wir armen sterio 
ohne unjere fluge Regimentstante!!” = 





XVI. 


YET | 
hig Aberit bon Laucha me a in einer t urbain 
” E Stimmung. 

Ks Gr hatte jhon feit jud d Qux auf irgenb 
einen demonftrativen Schritt jeiten der fidh beleidigt 
geglaubten Herren ber Gejellichaft gewartet, er hatte mit 
emer gewiſſen nerpöfen Spannung dem jedesmaligen 
Erjcheinen feines Adjutanten entgegengefehen, aber e3 
ſchien, als wollte jid) fein ‚Staubwölfchen heben, als fei 
der eben noch jo drohend jchwarze Himmel wie burd) 
Hauberjpuf n glatt gefegt. 

Am Dritten Tage enblid) ertrug cr dieje rätfelhafte 
Stille nicht mehr. 

Sollte e$ wirklich möglich fein, daß Tante Nefi den 
Konflikt noch rechtzeitig gelöft und den drohenden Sturm 
beichworen hatte? — Das wäre allerdings ein fabel- 
hafter Erfolg, welcher ihm, dem Srauenverächter und 
Hageltolz am allermeilten imponieren würde! — | 

Wie brauchbar und wohlthätig hätte fid u in dieſem 
Fall bie Negimentstante abermals ermiejen, wie unent- 
behrlich machte fie fid) dem eee 








Tv. C f tru te, I. Mom. v. Non, Die-Regtmentätante IT. 22 


,998- — 


Wig und eit, und eine — Schlagfertigteit n | 


hatte er längit an ifr bewundert, ihre Menjchenfenntnis : 
und das unbezahlbare Talent, bie Leute richtig zu nehmen 
und fie da zu fajfen, wo fie fterblich find, en hutue fie 
jetzt wieder in verblüffender Beije. ~= 

Qa, die Frauen! 

Der allmächtige Schöpfer Himmels an bet Giben fat 
wohl gewußt, marum eg nicht gut wäre, daß ber Mann 
allein fci, — und ber, welcher Dagegen revoltiert, unb 
fid) einbilbet, alà Sunggefelle frei und Ansehen und 
viel een durch das Leben zu gehen, wie mit bem 
ärgerlichen Anhang von Weib und Kind, der macht am 
allerherbften und traurigsten die Erfahrung, daß e3 ein 
übel Ding ijt, fid gegen bie Weltordnung aufzulehnen, 
daß e8 wahrlich nicht gut für den Mann ift, allein 
au fein. | 

Es gibt ja wohl auch Ausnahmen von biejer Regel, 
es ſcheint wenigftens fo oft, als ob mand) ein Hagejtolz 
recht zufrieden und behaglich durch bie Welt ginge, — 
aber oft bringt nod) bie zwölfte Stunde alles mit fid, 


was er in Sugendfrijdje unb Mannesfraft fo ſpielend 


überwunden, fo lachend von fid) abgejchüttelt. 
Dann wehen die Falten Schauer ber Einſamkeit und 
Berlaffenheit durch das Herz des franfen ober Hilflojen, — 
alten Mannes, ein Weheſchrei mad) Liebe und ehrlicher, 
berzlicher Zärtlichkeit gellt durch feine Seele, ein Durit 


nach frijdem Lebenswaſſer martert ihn — unb jene — 


milden, freundlichen Huldgeftalten, welche e8 ihm einzig — 


— 390 — 


an die Lippen halten könnten — Weib unb Kind — 
ziehen wie graue Nebeigeftalten fern — fern an ihm 
vorüber. | 

Die Menjchen jehen, was vor Mugen ift — das 
Geficht eines Junggeſellen, welches er der neugierig 
forfchenden Welt zeigt, — aber in das Herz fehen fie 
nicht — und Darin jiebt e8 um fo Duníler aus, je mehr 
Der Lebenstag fid) neigt, je mehr es Abend werden will. 


Wie ſtramm und jelbjtbewußt fehritt Herr von Lauda — — 
über bie Straße, erhobenen Hauptes, mit ber Miene 
eines Mannes, welchen die Mitwelt nur beneiden fann! 


Und doch zogen jo ganz andere Gedanfen durch 
feinen Kopf, die Überzeugung, bafj e8 wahrlich nicht qut 
für den Mann ijt, allein zu fein. Er befand fid) auf 
bent Weg zu Tante Refi, er mußte einmal Nachricht ein- 
holen, wie bie Aktien deam eigentlich ftánben. | 

Und er traf fie zu Haufe, | | 

Die Winterfonne ſchien fo Hell und Far durch die — 
duftigen Spitzengardinen in ihren Salon, bie Hyazinthen 
dufteten und bie Vögel zwitſcherten im Käfig, und alles 
atmete Leben, Frohſinn und Behaglichkeit; Lauchas Salon 


war wohl noch elegauter, noch ſtilvoller eingerichtet, und 
ber Dfen beizte aud) vortrefflich, und die Comue traf > 
auch jeine Senjter — und bod... fjetiam ... ee —— 


waltete hier ein io gang anderer eilt, wie bei ihm 
Daheim. | 
Wahrlich, bie Frauen haben e lange nicht fo nötig 


zu heiraten, wie bie Männer. 
22* 


un 


Sie ſchaffen fid) ihr trautes ft, fie wijfen i p 
helfen, fie finnen liebevolle Genoffinnen um jid) haben, 


Damen aus ihren Kreijen, und feine wngebilbete, "uec 


fühllofe und habgierige Haushälterinnen, welche jid) feine 
Sfrupel daraus machen unb andi viel danad) fragen, 
ob eg in den Augen ber. Welt einen etwas eigenen Bei- 
geſchmack fat, allein{tehenden Herren bie Hausfrau zu 
erfeßen. — Herr von Laucha feufzte tief auf. „Sa, wenn 


man Schwejtern, ober jonjt eine ältere, diftinguierte Bers — 


wandte hätte, die einem den Haushalt führt, jo wie 
Wieders mit feiner Mefi! Ba, der braucht wirklich nicht 
ju freien, wer es jo gut daheim Hol... ober en... 
pab! lächerlich, er ift ja viel zu alt dazu — und außer: 
dem, er wüßte aud) jebt nod feine einzige, Die er heim— 
führen möchte —! Ez gibt da fo taujenderlet zu bes 
denfen und zu beachten - — bie (fe ijt ein Hazard — 
und mer nicht gewaltig. au[paBt, verliert rettungslos! 
Fa, fo ein Leutnant, fold ein Springinsfeld, der heiratet 
nod) forjd) darauf 08, aber wenn man erft in Die Jahre 
gekommen ijt, wo man anfängt zu überlegen - — pa wird 
Die Wahl von Tag zu Tag jchwerer! 

Etwas eilig unb erhigt trat Fräulein von Wieders 
bem Harrenden entgegen. 

„Zaujendmal bitte id um Vergebung, Herr 
Dberit, Daß id) jo unprácje zur Stelle bin! Ich 
padte aber gerade den Menagetorb für Serm. von 
und wollte mich nicht gern dabei vertreten 
laſſen 


| | ,Menagetort für Jlenbfe? Was haben Sie benn 
mit bem armen, franfen Huhn zu thuu? 0 
Reſi jah ganz erjtaunt aug —: „Jun — id mug 
pod) für ihn jorgen! (eit zehn Tagen liegt ber Ürmjte 
mit gequetichtem Fuß, — er fiebert und ſoll strenge 
Diät falten, und aus bem Gajtfaus ſchicken He ihm 
Suppen, bie man bor Pfeffer und Fleiſchextrakt nicht 
effen famm! Wie fann ich denn jo etwas dulden!“ 
„Und mm fontroflieren Sie die Hotelfüchin ?^ 
Men lachte: „Nein, Herr von Laucha — das möchte 
in undantbares Gejchäft und verlorene Liebesmühe fein. 
Num koche ich ihm ſelber, wie ſich Das für eine pflicht⸗ 
getreue Jegimentstante gehört!“ | 
Laucha verbeugte fid). „Hut ab vor — dub: 
ordentlichen Liebensmwürdigleit, mein gnädiges Fraulein! 
Nun verliert ja felbjt das „Krantfein” alle Schreden, 
wenn man weiß, daß Tante Refi über ihren Schütz⸗ 
(ingen wacht! — Ich baufe Ihnen verbindlichſt im Namen 
Des ganzen Dffizieröforps, as Sie An Seameraben 
Jo wacker pflegen!” 


„Das ift jelbjtverftänolich inb nicht T Rede wert; ce 


übrigens habe ich eine Bitte an Sie E verehrter un 
Oberſt!“ 


,^Mrpügen Sie über - meine Gnäbigfte, abea - pu 


zuvor geſtatten Sie mir noch ſchnell eine Frage, welche 
mich au Diejem Überfall in hr Boudoir getrieben hat. — 
Sautet die Antwort recht erfreulich, jo öffnet fie Ihren 
Jünger um i fo eae ThHitr und un 


li my e 


Refi z0g den Store etwas vor has Fenfter, weil — 
bas Helle Licht ihren Gaft blendete, — und Lauha 
empfand dieje Aufmerkſamkeit jer angenehm, obwohl er — 
fie nicht erwähnte, fondern eilig fortfuhr: „Seit unjerer 
letzten Ausfprache im Cchloßgartenpavillon {deinen bie 
Greigniffe in Maiſenburg fill gu ftehen. Sch warte 
jeden Tag, dak bie Bombe einschlagen fol — aber weder 
ein ferne8 Brummen noch Pfeifen meldet mir an, baf 
jolh Projeftil im feindlichen Lager abgeſchoſſen it Cie 
hatten bie große Güte und Courage, mein gnädiges 
Fräulein, bie Angelegenheit in Ihre thatkräftigen Hände — 
nehmen au wollen, und da fomme ich denn in der An- 


nahme her, daß Cie ben Gegner refognosziert haben ^ 
und über feine Pläne und Abfichten nunmehr unters T 


richtet find!” 


Refi lachte fiber bas ganze Geficht. „Im ber Hagen. | 
Welt ijt Frieden — und der Krieg wird abgeihafft” —— s 
fang fie beinahe übermütig; „Gott fei Dank, man benft — HS 
weder an böfe Pläne, nod) hat man bie Abficht, irgend: 
welche Schwierigteiten zu machen, — die ganze fatale 


Sache ijt beigelegt und ansgejtanden, und Cie werden 
diesbezüglich überhaupt nichts mehr zu hören befommen!“ 
Wie ein Aufleuchten ging e8 über tuns Taltiges 
Geſicht | 
pi, Torte! — Sit bas verbürgte fab. oder 
nur ſeuſationelle Beitungsente 2” werte 
„Berbriefte und bejiegelte Wahrheit! Hier liegt ein 
Billet ber Praſidentin, welches Sie vielleicht intereſſiert! 


— 343 — 


Der Oberſt fa8: „In aller Eile herzlichiten Gruß! 
Mein Mann ijt von allem unterrichtet und, wie ich Shnen 
borausjagte, tenerftes Fraulein von Wieders, ganz unjerer. 
Anficht, daß mad) diejer Beleuchtung der Dinge abjolut 
fein Grund vorliegt, beleidigt zu fein! Cr wird energiſch 


darauf hinmirfen, daß der ganze, thörichte Stlatich dahin 
verbannt werde, wo er hingehört, in bie Numpelfammer! — 
Auch bie anderen Herren — Brauer, Werner, Ladner 


— haben ihm völlig zugeftimmt. Allerdings würde es 
gut fein, eine freundfchaftliche Begegnung der Herren mit 
dem OffigierSforps zu veranlaffen, um die Sache end- 
gültig zu Grabe zu tragen! Wie denfen Sie darüber, 


meine Liebfte? Die Töchter fühlen ihrem teuren Pflege 


mamachen bie Hand, und mein Mann empfiehlt fich 
beften3! In aller Eile Ihre fehr an Chlotilde von 
Haun, geb. Inſelbach“ 

„Sp; na das läßt jid hören |” ſchmunzelte Lauha, 
„da wäre ja alfo wirklich alles wieder in fchönfter Ord- 
nung; und wem verdaufen wir das? Unjerer waderen 
Negimentstante! Wahrlich, mein liebes Fraulein Refi — 
Sie haben ba eine neue Charge creistt, welche allen anz 
deren Regimentern zur Nachahmung anempfohlen werden 
müßte! Gejtatten Sie, daß id) diefe fluge, gütige, ener- 
giſche Hand unferes Friedensengels kuſſe!“ | 

Mefi wehrte im ihrer frischen Urt ab. „Um alles in 
der Welt, Herr von Manda, madhen Ste nicht aus einer 
armſeligen Mücke einen Elefanten! Was id) habe und 
bin, fet im Dienjte des Regiments. Und nun zur 


s M Lu 


Tagesordnung aurüd! An den Brie Der Brijidentin 5 


ſchließt ſich allſogleich meine Bitte. Sie lot bab Hon bus 


eine freundichaftliche Begegnung münjbt?/ —. TUN 
Gang recht; was fünnte man ba uae. Haben ar 
bereits Darüber nachgedacht ?” A 
‚sa, — id) that e$. — 
ah das Nefultat ?” 
Reſi fah nachdenklich auf ibre Fingernägel nieder. 
„Das Civil hat fid) außerordentlich nachgiebig und fried- 
fertig gezeigt —” fagte fie mit Nachdruck, „es würde nun 


wohl nicht zu viel fein, wenn auch das Regiment fid) m. 


jeder Weije entgegenfonunend erwies!“ 

„Gang meine Anficht.” | : 

„Bir haben jonjt unjere Negimentsbälle erft nad) 
Weihnachten gegeben, — der frühe Winter berechtigt ung 
piejes Jahr, ſchon jet Einladungen zu einem derartigen 
Feſt ergehen zu laffen. Um diefe gütige Erlaubnis a 
id) Sie bitten, Herr Ober” _ O9 i. 

„Aber ſelbſtverſtändlich, mein gnädiges Fräul cim, Ihr 
Vorſchlag wird ohne Debatte angenommen. Die jungen 
Herren werden bód)it angenehm überrajcht in Wo ge 
denten Ste das Felt zu arrangieren ?“ 

„Bir haben leider feine Wahl, — e3 muß wie ftcts 
im Hotel ſtattfinden Und daran möchte id) alljogleich 
noch einen anderen Wunſch knüpfen.“ 

aed) bui eM o 

Ref ftübte bie — auf den Tiſch und richtete fich 
jehr refolut auf. „Wir find diesmal mit dem blauen 





— 246 Seeds e 


Auge babon gefommen, Herr Oberit, wir haben uns aber 
mals überzeugt, daß folche antidiluvianijchen Zuftände, 
wie fie bisher walteten, auf die Dauer unmöglich find. 
Das Dffiziersforpg muß fein Negimentshaus, feinen 
eigenen Mittagstifh haben, das ijt eine abjolute Not- 
menbiateit." 

Laucha audte die Achſeln bench fieht dies mehr 
eim, wie ich. Sie wifjen auch, mein gnädiges Fräulein, 
- baf schon mancher Anlauf gemacht worden ijt, biejen 

‚ Traum zu verwirklichen, aber leider ftet3 vergeblich. Die 
Nänmlichfeiten der kleinſtädtiſchen Hotels find ſehr Dez 
ſchränkt, über mehr wie einen Eßſaal verfügt fein einziges, 
und das Billardzimmer - opfern die Wirte niht. Wir 
hatten ja fchon einmal bie Abficht, in einem Zimmer ber 
erſten Etage zu efjen, aber das erwies fich als zu fein, 
denn bei unferer hohen Baht von unverheirateten Herren 
ijt unjere Tafelrunde eine recht refpeftable — 

„And ein eigenes Negimentshaus gründen?” 

„Das fojtet Geld, recht viel Geld fogar, und wir verz 
fiigen über feinen derartigen Fonds, um ein Haus zu tauz 
fen, ober zu mieten, e8 einzurichten und eine Menage in 
(jung zu bringen! Das Regiment fat ja nichts, abjolut 
nidjt$ Hier borgefunden, weder Stajerne, nod) Kafino, und 
wenn ja aud) das Offigiersforps aus meift recht vermb— 
genden Leuten befteht, jo fann id) als Kommandeur doch 
nicht dafür ftimmen, daß bie Borſe der Herren für eine 
private Allgemeimeinrichtung zu hoch belaftet wird!” 

pod) folte denfen, daß fi ein anjtändiges, wenn 


— 947 — 


auch fürs erfte noch beſcheidenes Unterfommen aud) ohne 
erhebliche Rojten beichaffen ließe —” beharrte Nefi mit 
ihrer liebenswürdigen Ruhe, „darf ich wohl einmal verz 
juchen, befter Herr von Laucha, eine Dffiziersmefje zu 
ftande zu befommen? Es läßt mir feine Nuhe, bis ich 


Wenigitens jede Möglichkeit, Abhilfe zu ſchaffen, erſchöpft : e 


weiß!” — | 

Der Sberit berneigte fid) mit einer zuftimmenden Geite. 
Ich würde Ihre Bemühungen als eine ber größten Freund- 
lichkeiten auffallen, welche je dem Regiment ermiejen find, 
und was in meinen Kräften fteht, diefelben zu unterſtützen, 
fol mit größter Bereitwilligfeit gefchehen. Sie haben uns 
ihon fo oft Proben hres fabelhaften Talentes Un- 
mögliches möglich zu machen” gegeben, verehrtejte Tante 
Mefi, Dak e8 wie Verblendung ausfieht, in diefem Fall 
Ihren Erfolg anzuzweifeln, bod) gilt e8 hier mit fo viel 
realen und klingenden Hinderniffen zu rechnen, daß Gez 
Schieflichkeit und Klugheit allein taum dagegen anfämpfen 
dürften! Smmerhin bitte id) Sie von Herzen, fid) für 
die Angelegenheit zu interejfieren, wir ftehen ja bereits 
auf dem Standpunft, all unfere Sorgen und Anliegen 
ridjidtelo8 zu unferer Tante Refi zu tragen!“ 

Hoffen wir das Befte; erreiche ich etwas, jo bitte ich 
um die Erlaubnis, weitere Nücdiprache nehmen zu dürfen. 
Und wegen deg Balled wollen wir fobald wie möglich 
eine Enticheidung treffen; es wäre gut, wenn bie Gin- 
ladungen nächiter Tage Schon ergehen könnten!“ 

Ich werde Heute bei Xijd) Das Nähere veranlaffen. 


— an 


Cie erhalten ſogleich oe eine s broma Befcheid, mein 
gnådiges Fräulein, und id) bitte Sie {don im voraus, — 
im Namen der Herren, das Arrangement bes Feſtes 


wieder etwas zu beauffichtigen, ober gang in Ihre Hände —. 


zu nehmen. Cie fommandieren fid) gwei ber Herren zu 
Ihrer perfönlichen Dienftleiltung und werden alles wieder 


ebenjo tadellos zu ftande bringen, wie all die Jahre gu —— 


vor, wo Sie bereits die Oberleitung all jolcher Veran⸗ 


ftaltungen übernommen hatten. Sch hörte bereits mit - 
viel Begeijterung und Anerfennung davon erzählen, mie > 
praktisch und elegant Gie ſtets dieſe Tanzfeſte arrangiert — 


hätten!” 

| „Eine Dame befommt jo etwas ftet& billiger heraus, 
wie ‘Derren, welche anſtandslos unb hilflos bezahlen 
miiffen, was man fordert. Wenn wir erft unfer eigenes 
Negimentshaus haben, wollen à mir don aeigen, was eine 
Harte it!” 

Refi lachte und rieb dd pergniigt die iube, fie 
lehnte ftcts jeden Dant und jede Anerkennung in ihrer 
bejcheidenen Reife ab, ohne fich dabei bem Wnftrich jener 
anjprucjsfofen Dulderweien zu geben, welche fih nur da- 
rum in den Schatten jtelfen, um eine defto grellere Be- 
leuchtung ihrer Perjönlichfeit zu erzwingen. 

Der Oberjt verabjchiedete fich. e lab jo DRM 
und animiert aus, wie felten. — t 

„So wäre denn wieder Frieden im Lande!” nidie | 
er noch einmal ſchmunzelnd vor fid) hin und atmete bei 
bem Gedanken an alle Möglicheiten, welche da gedroht 


c o MÜ OC 


Hatten, bod) recht erleichtert auf: „Rut pube ich mir 
mal ben Attentäter Dorpat unter bier Augen vornehmen 
und ihm. flar machen, was er jeiner Negimentstante alles 
zu Danten Dat. — Er foll aud) mit bem blauen Auge 
davon kommen ee ee | 

„Peccavi, Herr Oberſt! — peccavi! laſſen Cie mih 
für ihn um Nachficht bitten!” 

Laucha lachte in befter Laune, „Unbeforgt, gnädigite 
Tante, Shr Schüßling foll diesmal noch am Leben bleiben! 
Aber eine Heine Ermahnung und eimen fanften Sniff ins 
Ohr muß ber junge Herr wohl mitnehmen — jdon um 
deg Prinzips willen! — Und jomit Gott befohlen, meine 
liebe lady patroness! d) mieberfole ds einmal meinen 
verbindlichiten Dank!” — 

Säbelklirrend fritt er Die Straße ent aug; ;am 1 Martt- 
plag begegnete ifm der en man grüßte fich voll 
ausgefuchter $5 flichteit, .e8 war alles wieder im 
reinen, und Raucha vidte ub einmal lüchelnd vor fid) 
dee und Miu te in Secr: 


3m a weder Seide dicati Es 
Surüd bie fcharfe Klinge — 
Ganftmut wirkt qrójre Dinge 
TE ipemenne Gewalt!" 


O > bicie Weiber! — | 
— Dann irat er in einen Blumenladen, und wählte 
bas jchönfte Arrangement, weldyes um diefe Jahreszeit — 
aufzutreiben war, oe ee 


— De 


„Die baufbaren Regimenténefen (um geiftreichen 
Tante!” frigelte er auf eine Karte und abreffierte den : 
duftenden Gruß an Fräulein Therefe von Wieders 


* 

* — 

Achat von Kronſtadt jag in feinem behaglich warmen 
Zimmer und hielt ein neues, höchſt intereſſantes, mili- 
täriſches Werk in der Hand, in welches er ſich mit Leib 
und Seele vertiefen wollte. Er hatte jid) bie „Studien 


über Truppenführung” jdon feit a agen beſtellt und voll = 


Sehnſucht darauf gewartet, denn es gab ja nichts anderes 
mehr in der Welt, wofür fich der einjame Gieneralftábler 
intere{fierte, alg wie Die Wiſſenſchaft auf dem Gebiete, 
in welchem ſein ganzes Denken und Wirfen murzelte, 

Sso fatte er bisher geglaubt, — jo dachte er aud) — 
noch vor zwei Tagen, als er voll Ungeduld in feinem 
Bimmer auj- unb niederjchritt und wähnte, Der fange 
Winterabend tömte gar nicht zu Ende geben, wenn nicht | 
ein anregendes Buch vor ihm auf bem Tiih läge. — 

Und heute hielt er das jo jchmerzlich erwartete Werk 
in Händen, und feine Blide flogen zerjtreut und gedanfen- 
(08 über bie einzelnen Seiten, ja Ichließlich ganz Darüber 
hinweg, um draußen, in den — — Daummipfeln 
Raſt zu Halten. 

Und während er fo — in bie Winteritille blidte, 
30g ein traumhaftes Lächeln über feine jchinen Züge, 
und feine Mugen jpiegelten feine Gedanfen, denn fie 
blidten ebenjo entzücdt und verflärt, al wie vorgeitern 
abend im Lager der Gujtel von Blafewig, als er zum 


— 351 — 


erftenmal in ein Mädchenantlik b(idte, welches ihn mit — 
bem vollen Zauber weiblicher Holdfeligkeit bamute. — — 

Martina Golfuom! — p : 

Wie eine freundliche Huldgeftalt umjchwebte ifm ihr 
Bild, anfänglich zurüdgefcheucht mit all den taufend 
Waffen, bie das Herz eines älteren Sunggefellen fein — 
Leben lang gegen das Weib geführt, welches feine goldene 
Sreiheit Durch zarte Bande bedrohte, — dann aber wie 
eine übernatürlihe Macht geduldet, und ſchließlich voll 
unerklärlicher Sehnjucht gefucht und mit jedem Gedanfen 
feſtgehalten! 

Martina, dieſes junge, liebliche Geſchöpf, dieſes 
reizende Gemiſch von Jungfrau und Kind, ſtolz und | 
iprbbe in ahnungsvollem Selbjtbewußtjein des Weibes, - 
welches darauf angewieſen fein wird, fich einft durch 
eigene Kraft einen dornigen, blütenarmen Lebensweq zu — 
erfämpfen, und bod) befeelt von der unjchuldsvollen — 
Sehnjucht nad) Blumen und Sonnenschein! 

Wie felten hatte bie Freude diefe reine Stirn gefüßt, 
wie felten hatten ihre Mugen jo jtrahlend glüclich in 
pie Welt geichaut, wie neulich abend, wo fte fid) fo herrlich 
amitjierte, wo fie beim Abjchied Refis Hals umjchlungen 
und mit ihrer weichen Giodenitimme fo unbefchreiblich 
danfbare und felige Worte geifüitert — ,,ach, e8 war ja 
gar zu jdjón — fo fön, wie noch nie im Leben” 

AUnd er faite diefe leifen Worte bod) erlaufcht und 
fie tönten wie ein Echo aud) in feinem eigenen Herzen 
‚ja, fo idu, wie nod) nie im Leben!” Nun jap er — 





* 
* 


— Bg or 


und ftüßte bas Haupt in bie Hand unb trüumte in den — 
frojtigen Wintertag hinaus, — lauter liebe Märchen 
von N und Somnenjchein, von Lenzesglüd und 
Liebe.... Manchmal 30g ein enter, bebroblidger - 
Gebanfe wie eine Wetterwolfe herauf, — dann flog | 
er bie Augen, um fie wicht zu ſehen, dann wandte er - 
fid) deito jehnfüchliger der Gonne zu und lächelte, wenn : 
die grauen Nebel unter ihrem Strahl gerranmen,  —— 

Achat enſann fid), im ferner Kindheit aud) mit offenen — 
Augen Märchen geträumt zu haben. Er verſenkte jid) -— 
Dann mit aller Bhantafie und Ausſchließlichkeit in die 
Bilder, welche ihm vorjchwebten, er wies alles zurüd, 
was an bie Wirklichkeit erinnerte, er verjaut in Der Flut 
fener Gedanken, wie ein Fiſcher wonnetrunken hinab 
taucht in das Meer, wenn ihm bie Zauberglocken Vinetas 
aus der Tiefe laute. — —— 

Und jo vergaß Stronftadt auch jet nod) einmal Beit 
und Welt, um fid) in einem M ärchentraum zu verlieren, 
aus welchem ifm das Glüd mit weißen Händen wintte, 
das Glüd, welches zum erjtenmal die Geftalt eines 
WeibeS angenommen und ihm mit Martinas braunen 
Augen entgegenlächelte. : 

- Unbewuft fait legte er die „Studien“ aug bet Hand 
und erhob fi, um am das Fenſter zu treten. —— 
Das Wetter hatte nicht viel Berlodendes, grauer 
Dunft verjchmolz Himmel und Erde unb begann bereits, 
feine einzelnen, feinen Echneeftäubchen durch bie Luft zu 
ftreuen, in nicht allgulanger Zeit gibt e3 wohl ein regel- 





23 


N.v. € 
jo ftru tb, IM. Rom. uw, Nov, Die Qtegimentétante II. 


cM e 


rechte3 Schneetreiben, und pas fiebt m pom warmen 
Bimmer aus am befaglidjften am, wenigſtens für ältere 
Leute, und What von Kronſtadt hatte ſich trotz ſeines 
jugendlichen Ausſehens ſchon lange zu den „Alten“ 
gerechnet. | 

Sii er denn ganz und gar verwandelt? — 

Es zieht und [odt ihn plöglich hinaus, wie ehedem, 
mo er nod) mit flinken Knabenhänden ber Eiskbnigin 


einen Rryftallpalaft bauen wollte, — wo er bie bee | 


ſchneiten Tantenbäumchen übermütig fchüttelte und jid) 
unter Die riejelnbe und herabitäubende Echneelaft ftellte, 
voll abergläubifcher Luft jubelub: 

„Bäumlein, Bäumlein, ríttle dich, 

Wirf Gold und Silber über mih!” — 

De oo | 

| „Am Bauberbaum im Thalesgrund 
Der junge nabe wartend ftund — 
Da warf durch Ros’ und Flieder 
Das Glüd er ihm hernieder!” 


Sa, er ijt wieder ein Rind mie ehedem, es hält ihn 
nicht mehr im engen Bimmer, er will auch hinaus und 
jehen, ob nicht der Sauberbaum des Lebens das Glüd 
auf ihn herabjchütte! 

Haftig greift er nad) Mantel, Cübel de Mike und 
verläßt Das Haus. 

Wohin? — 

Wo fol er fein Gd wohl fuchen? 

Gollnows find ja von früh bis fpät im Haufe 


D-09958 Oe 


thätig, — er hörte, daß man bie Schweitern jehr felten, 
eigentlich nie zu jefen befomme. Gejelljchaften würden 
weder befucht, nod) gegeben, und um viel auf der Strafe 
herum zu promenieren, hätten Die armen, kleinen oe | 
mütterchen feine Beit. | 

Gleichviel, vielleicht treibt jebt — gerade jebt ein 
unbewußtes Cefnen aud) Martina aus bem Haufe — 
und mo wird fie dann bie Schritte hinlenten? 

Sie ijt ja jo germ mit den Fröhlichen fröhlich, fie 
wird fic) nach ber Stille Des Haujes Doppel nad l 
Menjchen und Lebeusluſt jehnen! 

Alfo wird fie gewiß nad) dem großen Gottereteidj 
hinaus gehen, mo die Mufik fpielt und die Jugend fid) 
auf Schlittſchuhen tummelt. | 

Kronftadt ſchlägt infolgedeffen aud) biejem Weg ein, 
und e3 fommt ihm gar nicht in den Sinn, daß e8 bod) 
febr jeltiam für den Ginfiebfer Achat ijt, daß er plöglich 
voll lebhafter Spannung allen promenierenden Damen 
entgegenjchaut, ob nicht unter dieſem oder jenem Schleier 
das anmutigfte Gefichtehen Hervorlachelt, welches er je 
gejehen! 

Umſonſt, — jede neue Begegnung bringt eine neue 
Enttäuſchung, und der Oberjtleutnant jtebt jchlieglich an 


dem Ufer des gewaltigen ZTeiches, welcher mehr den 


Namen eines Sees verdient, und blidt a Do 
auf das. Menſcheugewimmel hinaus. 
Wire fie Dort gu ? pen = 


Kaum mög lich. 
23* 


— 356 — 


Aber er fehreitet mechanisch bie verfchneiten Stufen 
hinab. und ſchlendert langſam die breit pefegte Bahn - 
entlang. 

Die jungen Kameraden grüßen. ihn mit heiten Bue 
rufen, Die und ba nahen befannte, ältere oder pin gere 
Damen, — aber Martina ... 

Und bod) . Dort. dup ber Bant — Diejed zier: 
[ide Köpfchen ce dem weichen Pelzkäppchen, dieſe 
ſchlicht geffeibete und doch fo vornehm elegante Geftalt — 
Kronjtadts Herz hämmert in ber Bruft. Cie ift es! 
Und er ijt fo jung geworden, jo jung — er freut fid) 
bei ihrem Anblick, wie ehemals, wenn ber en 
eritrahlte. 

‚Sie fibt auf einer Holzbant unt por ihe fniet ein 
junger Givilijt und jdeint ihr den Schlutihuh etas | 
fejter zu jchnallen. — | MUT | 

Ob auch fie fid) freuen wird, ihn wiederzufehen ? 
Ein beinahe ungeftiimes Verlangen, died zu erforichen, 
erfaßt Mchat. Leiſe fchreitet er auf dem Schnee näher 
und tritt ungejehen hinter fie. — 


>: 










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Din. u sit. ANZ 









A VII. 


er junge Herr in Civil, welder vor Martina 
> fnicte und ifr zierliches Füßchen voll erficht- 
i lichen Wohlbehagens in ber Hand hielt — Kron- 
ilabt vermutete in ihm einen Neferendar ober Affeffor — 
blifte gerade mit jebr ausdrudsvollen Augen zu dem 
jungen Mädchen empor und ihien eine fcherzende Bez 
merfung zu machen, denn er lachte babet, Daß feine 
weihen Zähne durch das blonde Ehmurbärtden blinfteit. 

Auch Fraulein Gollnow fien zu lachen; Achat 
fonnte nicht ihr Antlitz jehen, nur das zarte Oval der 
Wange, welche bie frische Winterluft mit lebhaftem Not 
gemalt hatte, aber er jah e3 ihrer Bewegung an, dağ 
fie eine heitere Antwort gab. 

Der Oberitlentnant zögerte momentan. 

Wer war jener junge Herr? — Auf dem Bazar 
hatte er iu nicht gejehen. 

Sits ein Jager, welcher fein weißes Neh umkreiſt? 

Da jteigt fie wieder am Horizont empor, Die graue 
Wolfe, weldje bie ftrahlende Sonne ſeines Märchen: 





we DE = 


traumes verdiftern will, — und Seat ſchlieht wiederun 2 
bie Augen, fie nicht zu jehen. | : 
Er ijt ein Phantajt, er glaubt nö an bie fieghafte 
Nacht des Sonnenlichtes, ; mee die Düjteren — 
niederwirft | 
Und unbeirrt: ſchreitet er weiter. | 
Warum foll ein jo ſchönes, anmutiges Wefen wie 
Martina Gollnow feine Verehter haben? Das wäre 


ja Alunatur,. Das wäre geradezu empdrend! Wenn eine — 


Roje im Garten blüht, jo Staunen fie aud) bie Menjchen 
an und bewundern ihre Schöne, — aber wur einer ijt'8, 
Dem bae Recht wird, fie zu pflücken, deſſen Bann "e 
fich in füpen Liebesjchauern neigt, ohne bie Dornen zu 
Due unb Wehr zu rufen. 

Und wer wird der Einzige fein, welchem ji; Marz 
tinas reizendes Sp voll wonneſamer SIBI du 
neigt? — : 

Der Oberjtleuinant tebe hinter ihr, jo nahe, bak bie 
Bandſchleife, welche von ifrem Kleid niederflattert und 
juft QUIDEM, Ju wie em — TOM an ihn 
ss gt. ae 
= Der  Givitft forinat wd ub Sid quit berburblidien 
Ouf ben Hut, umb Martina wendet: mit er|tauntem, 
aber ier gleichgültigem Blick das Köpfchen. — — 

Auge ruht in Auge, und mit einem leijen Saut ber 
Überrafchung itarıt fie Rronftadt an, jo hold verwirrt, 
fo erfreut, fo glüditrahlend, daß dem Oberſt leutnant alles 
Blut zum Herzen drängt. 


— 359 — 


Wie ein Jubeln und Jauchzen ach eS burd) feine 
Ecele. — Wer jener Einzige ift? — Eteht das nicht in 
ihren Mugen zu lefen? — Sa, in den Augen liegt das 
Herz, und Achat faut tief, tief hinein. Seine Sporen - 
klingen leije aujammen, er ^ grüßend bie Hand zur — 
Mütze 

„Darf ſich Der Kriegsmann aus SBallerfteins ager 
heute ohne Roller und Federhut zur Stelle melden, mein _ 
gnädiges Fraulein?” lächelt er, und er reicht ber jungen 


Dame die Hand entgegen und us die ihre m = 


feftem Drud. 

„Das peritebt fib, Herr von Rronftadt“, vite fie 
heiter, und die Nöte ihrer Wangen vertieft fih mod) - 
mehr; „es ift fo herrlich hier, daß Sie nicht fehlen dürfen!” 

Darf ich bitten, Fräulein Gollnow, mid) vorgu- | 
fiellen?” flüſtert ber junge Gioifijt mit liebenswürdigſtem 
Ausdruf in dem intelligenten Geficht, und Martina 
erfüllt feinen Wunſch fo ruhig und ficher, als fet fie in- 
mitten aller Bea ger Formen auf dem Aparte 
groß geworden. — 0 

„Beltatten eu Sen bon Sronftabt — Doftor 
Meggen-Lenzburg!” — | | 

Die Herren fchitttelten 5d die Hand. Juris oder 
Medizin?” fragte Rronjtadt heiter. 

„Das lebtere, Herr Oberftleutnant, — und dadurch 


ijt mir aud) die angenehme Pflicht geworden, ala ärzte . | 
fiche Autorität über Fraulein Gollnow zu wachen l^ c 


Sein nedenber Blid trifft bie Genannte. 


— 3060 — 


„Uber Fräulein Gollnow oder ihre Schlittſchuhe? 
Mir fchien e8 fait, als ob diefe im Augenblid mehr 
Patient gervefen wären, wie ihre Trägerin!“ 

„Sewiß; und barum ftach unb ſchnitt er auch ſofort 
auf ben Niemen ein!” ſcherzte das junge Mädchen. 
„Ohne Meſſer thun es bie Herren dos bon heut- 
zutage nicht mehr!“ 

Aber mein gnädiges Fräulein — habe. id es p Sans 
Ichon jemals an Die Kehle acjebt? 1^ 

promt Gegenteil!” lachte Stroujtabt dazwijchen, D a8 
dürfte vorgeftern viel eher von Ihrer Patientin au Ihnen 
bejorgt fein —: Am Bazar jebt bie Somlienjerle — baà 
Mefjer jedem am bie Kehle!” — 2 

Fröhliches Gelächter, nur Martina Schüttelt citis bas 
Köpfchen: DD bewahre — wenn er einmal ſtill halten 
foll, gibt eà ftets Borwände zu flüchten, Dann ijt bie 
Praxis plößlich fo riefengroß, dak man fein Stundchen 
Beit für wohlthätige Beranitaltungen findet!” | 

„Sch jagte Ihnen bod), gnübige8 Fraulein, menn 
mal ein Bazar für abgebrannte junge Doftoren beranftaltct 
werden foll, dann bin id) ber erjte, welcher fi zur 
Stelle meldet!” | 

„Als Whgebraunter ?^ 

pooridufig nod) als lichterloh Brennender !^ 

„Ei, ei^ — 

Martina überhörte bie lebten Worte, fie fuhr eifrig 
fort: „Und Sie fragen, ob Cie mir jemals jdjon das 
Meffer an bie Kehle gejebt haben? Was war Shr 





Mie. 


Überfall heute morgen anderes al8 bas? Da ftellen Sie — 
fid) vor iet — Eltern hin und erklären mit einem 
Geſicht, als hätten Sie ſchon ben Schulmeifter zum 
aa beftellt: ‚Fräulein Martina fieht jeit Wochen 
ion fo blab aus, baf ich als Arzt energijd) daranf 
dringen muß, daß fie mehr an bie jrijdjge Luft gebt! 
Tiüchtige Bewegung im Freien! Wor allen Dingen 
Schlittichuhlaufen —! — und als Vater Ihnen vorjtellte, 
was e3 alles für mid) im Haufe zu thun gäbe — und 
als id) Ihnen händeringend meinen Fenſtervorhänger 
zeigte, der bis Meihnachten fertig geftict fein fol, ba 
gucten Sie die Achjeln und erklärten: ‚Entweder — Sie 
laufen täglich Shre zwei Stunden Schlittichuhe — even- 
tuel gehen Sie zwei Stunden fpazieren — oder aber 


Sie find in einem Bierteljahr derart bleichjüchtig, daß " 


Sie überhaupt nicht mehr gehen können!‘ — — Und 
fold) eine Alternative mit bem Krankenfahrſtuhl nennen 
Sie nicht, bae Meffer an bie Keble jeben?” 
„ein; Das nemne ich nur — — und 
bſolute Pflichterf iang” - 

„Segen wen?” fragte Kronſtadt mit einem — 
ſchalkhaften Lacheln „Segen Fraulein Gollnow — ober | 
gegen den Herrn Doktor ſelber, welcher es für ſeine 
Pflicht Hielt, fid) für eine ihm ſehr angenehme Gefell- 
ſchaft auf bem Gis zu jorge?" = 

„Bravo, Herr von Stvonjtabt ,. geben Cie es ifm 
tüdtigl^ — | 
„Sh hab's ja jdn, gnädigite Turandot!” — und 





= w 


Doftor Meggen hob t hin Blid —— gen bane 
„Es liebt bie Welt, das Strahlende zu Ichmwärzen, und — 


Meggen-Lenzburg in den Staub zu ziehen! - — (Glauben — 


Cie wirklich Herr Oberjtleutnant, id) armer, geplagter 
Asculap wäre aus VBergnügungsj ucht Hierher gefommen, 
um mid) zu amüfieren ? — Wollte Gott, dem wäre jo! 
Aber nein, wenn Sie Fraulein Gollnows bösartigen 
Charakter näher fennen würden — —" 

„ho! foe 

So erichten e3 Ihnen mur begreiflih, daß id) als 
jorgjamer. Hausarzt mid) jedesmal ad oculus über- 
zeugen muß, ob man meine Anordnungen auch befolgt! - 


„Der Fenſtervorhänger mit jeinen — ae 25 


und Vergißmeinnicht - — 
„Pardon — Reiher im Schilf — d mE 
„Wtan fann eS zur Not aud) als iih baie I 
Empörend!“ 
— jdienen bent gnädigen Fräulein bir Krallen und 


Schnäßel jo tief ins Herz geichlagen zu haben, dak ih | 


mit Recht das jeibeue Zauberfädchen fürchtete, welcher 
das liebe, loje Madden jo wider Willen feithält!“ — 


„Liebes — lojes Mädchen! Herr von Sronitabt, 


ich glaube, ich muß mich unter Ihren Schuß ſtellen!“ 


„Segen klaſſiſche Citate zieht der Herr Oberjtleutnant - RR 


nicht zu Feld —! Außerdem haben wir heute die Rollen 
gewechjelt und möchte ihm pie Verfolgung ſchwer fallen, 
ſonſt gebe id) ſtolz zu Fuß und der Kürgaſſier fibt 
hod) zu Rop — in dieſem Augenblick aber bin ich be- 


— 3864 — 


ritten —“ Meogen t blickte voll L Bias auf feine Schlitt- 
ſchuhe Dernieber und reichte Martina abermals bie Hand 
entgegen, „barum sauve qui peut — wir wollen mal 
unjere Bauberfreije um den Hilf ojen Kriegsmann ziehen!“ 

Martina zögerte, wie bittend blickte fie zu Achat auf. 
‚auf en Sie gar nicht Schlittichuher” fragte fie feije. 
Wie ein leidenfchaftliches Verlangen danach, überfam 
es ihn plößlich. Früher war er ein brillanter Läufer 
gemejem, in Dem lebten Jahren, als er fidh jdn fo 

„alt“ poriam, dachte er nidi mehr an folche findlichen 
erigat. ; 

Heute aber war cà anders. Gr mar ja wieder jung 
geworden, jung an Leib und Ecele, wie durch geheime 
Baubermächte mar er neu verjüngt gleich. bem Phönix 
aus den Flammen gejtiegen, welche jein Herz jo jah — 
dDurchloderten, alS habe ein Bligjtrahl, aus heiterem 
Himmel Herwiederfahrend, gezündet. 

„Sigentlich wollte id) mir heute den jchönen Sport 
mur anjeben!^ entgegnete er lächelnd, „und. habe darum 
meine Ctabíroffe daheim im Stall gelajjen, — wenn 
e8 aber gilt, einem lojen Bogel zu folgen und feine 
Sucht zu bereiteln — er drohte dem Doktor neckend 
mit Dent Finger — P muß ich jhon das Verſäumte 
nachholen, denn als Schumann für Fräulein Martina 
muß ich auch Ffügeljchuße tragen!” 

. Das junge Mädchen jah mit ftrahlendem Blid zu 
ifm auf und brüdte wie in jáfer Stende Dem kleinen 
Muff fejter an bie Bruft. 


— 365 ci 


„©, das ift herrlich; dort in ber Bude tann man | | 
jede Art leihen! — Kommen Cie, Herr Doktor, wir — 


bringen Herrn von Kronftadt hin umb ſehen, ob er etwas — — 


Paljendes findet —" — 

„Und warten hübſch auf mid) —" 

„Gewiß! Sehr gern! D, wenn man auf beiden 
Seiten gehalten wird, läuft es fid) noch einmal fo que!” 

Alſo babe ich nicht direft meinen ſchlichten Abſchied 

belommen? lachte ber Voltor | 

Was nicht tit, kann ja noch werden!” ſcherzte hat 
in tröjtendem Tone, und Martina fügte heiter hinzu: 
„Wenn wir nod) einem zweiten Patienten von ihm be 
gegnen, fo beurlauben wir ihn zur Kontrolle” — 

„Darauf können Cie lange warten!” zudte Meggen 
voll trodnen Humors bie Ajen: „Drei und einen — 
halben Patienten habe ich; einer liegt davon im Bett, | 
Der andere ift auf Urlaub und der Dritte —" er vers 
neigte fid) tief vor ber jungen Dame — „befindet fid) 
bereits. zur Stelle!” 

„Mund der ‚halbe? — Bo fteekt der halbe?” 


„sm Bidelfiffen, der rennt uns hier nod) nii Boe Se 


den Haufen!” 


Lachend erreichte man die Heine Bretterbude, in wel a D 
der fih im langen Neihen bie €dlitidufe am ben ^ 


Bindfäden fchanfelten. 

Nehmen Sie nur nicht die furdtbaren Mafchinen 
mit den rieligen Schnäbeln!” raunte Meggen feinem 
Begleiter ins Ohr, „mit denen Dat ber Maijenburger 


se BOG m. 


Sportflub jhon zur Eiszeit em Diftancelaufen mad) bem 
Nordpol veranitaltet! Die an ber Ede dort jehen verz 
trauenermedenb aus! Sc) rate zu ihnen!” 

Und „die an der Ede” paßten und faßen zur Zu: 
friebenfeit, und Sronjtabt warf feinen Paletot ab und - 
lief probeweife ein paar fleine Runden. 

Wie jugendlich und elaftifch jah feine ſchlanke Geftalt 
aus! Belfer als mit biejen eleganten Bewegungen fonnte 
fie fich nie präjentieren. — 

Martinas Blid folgte ihm, "urb Meggen fchien ihre 
Gedanken zu erraten. „Wie famo3 er nod) ausfieht”, 
fagte er voll harmlofer Anerkennung, „tann es faftifd 
nod) mit jedem Leutnant aufnehmen! Ba, ja, jo ein paar 
Sabre im Generalftab helfen vorwärts! Wenn id) Dagegen 


den Oberſt anjehe! Du lieber Gott, — wie Vater unb — 


Sohn, wenn er mit jemem Etatsmäßigen jpagieren geht!” - 

Wie stolze Freude feudjtete e$ von ihrem reizenden 
Sefichtchen, und ihr Blid traf wärmer wie jonjt, ja 
beinahe danfbar den Sprecher. 

„Und jo liebenswürdig wie er ijt! Qd) hatte ifm 
mir ganz als Menjchenverächter und Bücherwurm vor: 
geitellt, denn ich hörte, er lebe febr gurüdgegogen nur 
jeinen militärifchen Studien” — 

„Und mun ipt. er flott umi schneidig mie ein ähn- 
rij auf dem Gottersteich herum! Da fommt er! — 
Bravo! Ausgezeichnet, Herr Oberjtleutnant, die Roffe 
Icheinen Vollblut und gehen: wie Brand! So ee mir 
alfo breijpánnig?^ — | : | 


—-— UP s 


Die Herren nahmen Martina in ihre Mitte und 
nun jaujten fie dahin auf jpiegelglatter Fläche, weiter, 
immer weiter aus dem Strom der Menichen heraus, eà 
hatte in den legten Tagen nicht gejchneit, und bie Waſſer— 
fläche lag als herrliche, endlos gedehnte Bahn bor ihnen. 
Man fcherzte und lachte, man amüfierte fid) herrlich, und 
Kronftadt hielt das weiche, Kleine Händchen in ber feinen, 
unb ein Strom von Wärme und Leben flutete von ifm 
aus und durchriefelte ihn voll wohligen Entzückens 

Ein junges Paar fam ihnen entgegen. Schon von 
weitem winkte bie fleine Frau mit dem Muff, und auch 
ber Herr machte dem Doktor eifrige Zeichen. 


„Aſſeſſor Pfleidners |” lächelte Martina und mine — 


‚heiter de 

„Meggen! Meggen! Bitte auf ein Wort!” 

Ah — dod) nod) zwei Patienten?” 

,Nattijd, die hatte ich bet ber Maffe vergeifen! 
Bitte einen Augenblid zu entjdulbigen, meine Herr- 
ichaften — ic) bin fogleich gurüd!^ Und der Doftor 
ichmwentte verbindlich den Hut, gab die Hand feiner Part- 
nerin frei und begab fid) zu Pfleidners. 

„Bitte, bitte, e8 eilt nicht jo ſehr!“ lachte Kronſtadt 
in befter Laune — „jo, — nun habe id) bie jyreube, 
Shnen allein Ritterdienit thun zu dürfen, mein gnädiges 
Fräulein!“ 


Mögen Sie den übermütigen Herrn Doktor nicht = 


leiden 2” = 
„©, im Gegenteil! Er ift ein fcjarmanter Gejel- —. 


o SOR = 


ſchafter und mir jederzeit willfommen, — aber er hat 
Shre liebenswiirdige Gejellfchaft, ehe id) fam, auch allein 
genofjen, darum freut e8 mich, num mit ihm quitt zu werden!” 

Müſſen wir eigentlich auf ihn warten?” 

„O bewahre, dazu ijf e8 viel zu fat! Wir mijjen 
vielmehr in Bewegung bleiben! Es feint aud) eine 
längere Unterredung zu werden, ze Ran nehmen 
ihn febr energisch in ihre Mitte!” 

Und es jdjiem, al3 ob Martina ſowohl wie Achat von. 


dem gleichen Wunfch befeelt feien, eine immer größere —.— 


Entfernung zwiichen fih und den jungen Arzt zu legen, 
denn wie auf Sturmesflügeln fauften jie über bie fehim- 
mernde Fläche dahin. 

Endlich fiand Martina einen Angenblic til, „um 
wieder zu Atem zu fommen!” wie fie entichuldigend fagte; 
das Schlittichuhlaufen war ihr ein recht ungewohntes 
Vergnügen, welchem fie fonft mur an Sonn: und jyeit 
tagen huldigen durfte, und deren find nicht allzuviel, 
welche eine jchöne Cisbahn aufiveijen fünnen. 

Sie jtanben in ber Nähe des Ujers. 

Das braune, fteifgefrorene Schilf fuifterte im Wind, 
ein paar Krähen ſtrichen mit melancholischem Schrei über 
die verjchneiten Stoppelfelder. 

Wie einjam, wie {till und friedlich Bier, während 
brunten, weit meg am Ende be8 Teiches, eine jubelnde 
Menichenmenge durcheinander wirbelte, und jchmetternde | 


Mufiktlänge ihre abgerifjenen onen QU hierher — 


entjanbten. 








Ny Gidfirutf, IM Rom u Nov, Die Negimentstante IT. 24 


— 370 — 


ae Einzelne Damen und Herren liefen auch hier noch, zogen 
ihre graziöfen, weiten Bogen und übten Kunititüde ein, Denen 
die Ginjamteit vorerſt vorteilhaf Mer war, wie ein großes, 


ftets auf dem Cije fehr ſchadenfroh beanlagtes Publitum — — 


„Der Doktor ift ein Prachtmenſch, daß er Ihnen 
diefe €uftfur auf dem Gottersteich verſchrieben Dat! 
brad) Kronftadt ba8 momentane Echweigen: „Sch geftehe — 


Ihnen ehrlich, daß id) faum zu hoffen wagte, Cie Bier — — 
zu treffen, und barum defto. freudiger überrajcht — a 


al8 id) Sie plöglich erblidtel^ - — 
„Dir ging es im dieſer Beziehung nicht eller a | 
3onen ^ lächelte jie harmlos; „Zante Refi hatte mir erz 
zählt, bag Sie die Gefelligfeit nicht fonderlich liebten 


und meijt daheim bei den Büchern jäßen! Sie auf dem 


Bazar zu jehen, war als Werk der Barmherzigkeit immer 
hin erflärlich, aber bier — unter einer Menjchenmenge, 
welche nichts anderes bezwedt, als wie fich jo recht herz- 
lich zu vergnügen und ,,andzutoben” — hier hatte ich 
Sie wirklich nicht erwartet!” — 

„Sie fehen, man entgeht jeinem € djidial nid)t, unb 
e& gibt aud) mod) andere Mächte als mur bie ber Wohl: - 
tbütigfeit, welche einen einjamen Junggeſellen ae in 
das jubelube Leben treiben!” 

„So finden Sie bod) Gefallen daran und find i der 
Sejelligteit nicht gar zu abhold 2" — 

Er firich den fleinen, dunflen Schmurrbart, fein. Blid 
hing wie gebannt an ihrem jüfen Geſicht Wie eine 
ſchwaͤrmeriſche € Sehnſucht überfam es ihn. 


— 371 — 


Mein Ideal des Glückes iſt die große, geräuſchvolle 
Geſelligkeit nicht ſagte er weich, „und Tante Refi, 
bie freundliche Menfchentennerin Hat recht, wenn fie mir 
eine gemijje Vorliebe für die Einjamteit nachjagt. Aber 
auch diefe hat ihre Grenzen, — denn fie artet gar leicht 
in ein Verlaſſen⸗ und Verlorenjein aus, und das ift ein 
Unglück, vor welchem mich ber liebe Herrgott bewahren 
möge! Wenn ich mir oft ausmale, wie wohl das wahre, 
echte Glück ausichauen möge, dann jefe ich ein trauliches 
Heim, in weldem ein Ehepaar, in Liebe vereint, in 
friedlicher Stille Kauft, — Eins lebt nur noch für das 
andere, — fie hoffen, wünſchen, arbeiten und erfreuen 
jid) gemeinjam, — fein Gedante, welchen das andere 
nicht auch feunt, em Herz — ein Haus — ein Gott! — 
Zu fold) einem Gluck ift bie große Welt mit ihrem lär- 
menden Getriebe unnötig, eS fet denn, daß ein Blid üt 
die Gefelligfeit das Behagen noch erhöht, welches man 
fern von ihr findet!“ p RT 
— Mit nachdentlichen, leuchtenden Augen ſchaute Mar: 
tina zu ibm empor. „Um folch ein etnjames Leben 
wahrlich als Gli zu empfinden — dazu gehört viel, 
ſehr viel große, heilige Liebe und viel gegenjeitiges Verz 
ftändnis, ein rücjichtsvolles Ineinanderaufgehen ohne 
Egoismus und Somderintereffen! — D ja, — wenn 
Menschen einer folchen Liebe fähig wären — dann fünnte 
auch eine ftille Häuslichfeit ein Git. fen!” 

„Biel große, heilige Liebe!” nidte er mit ganz wunder: 
famem Blick in ihre Augen, und unwillfiirlich umſchloß 

| | /9A* > 


seus. 


e igre tiine Hand efter, und vii perg eng had auf 
pie in banger Frage: „fan ein jo junges Mädchen 
einen alternden Mann wohl jo febr, fo über alles lieben ?^ 
Und in biejem Gedanken jepte er ‘fait wehnütig hinzu: 
„Bon feiten der Frau würde e$ wohl ftets ein gewifjer 
Opfermut fein... . nicht wahr, Fräulein Martina?” — 
Sie liefen weiter, und das junge Mädchen fenfte da3 
Rp schen febr tief und. nidte mur ftumm bejahend, ohne 
zu jprechen. Wie ent banges, beängftigendes Traumbild 
ſtieg plötzlich ibr Vaterhaus vor ihr auf, — das mar. 
auch eine Ehe, welche auf bie. Einfamteit gegründet war 
— eine Ehe, welche ein paar Wochen lang folder ein- 
tinigen Stille froh geweſen war! Und dann? Martina 
fieht bas blaſſe ; wehmütige Duidergejicht ber Mutter, 
hört Die vüdiid;tel ofen, brutalen Worte des Vaters, wel- 
cher nicht genug feine „Q Verrüctheit” beflagen fam, eine 
Ehe gefchloffen zu Haben, welche nicht genügend Mittel 
bot, um mit der Welt leben zu können, welche ihn zu 
Ginfamfeit und Burüdgegogenheit benan hat! — Wie 
ein Schauder weht e8 durch bie Scele des jungen Mäd— 
chens — ifr Blick Dujd)t unbemerft gu ihrem Begleiter — 
empor und haftet voll aufwallenden Empfindens an feinen 
jchönen, ernften Zügen, welche im biejem Augenbli jo - 
feltfam erregt ausjehen! — Martina hat nod) nicht darüber — 
nachgedacht, warum das Bild bes jchönen Min anueg fie 
jeit Dem Bazar Tag und Nacht verfolgt Dat, — marum. 
ihr junges Herz jo freudvoll und leidvoll — jo , himmel: 
bod) jauchzend und zu Tode betrübt gemejeu ijf, wenn | 


>er A7 m 


fie an ihn dachte, — warum es fo heiß erbebte, als er 
vorhin jo überrafchend neben ihr ftand, warum es hod- 
auf flopit, wenn er ihre Hand mit jaujtem Drud ume | 
ichließt, — ach, fann denn bie Liebe jo plößlih — fo 
jählings tommen, wie ein Frühlingsfturm, welcher daher- 
brauft und bie jchlafende Welt wachrüttelt, bag fie mit 
taujend Augen ihr Gli — die goldene Sonne jdjaue? — 
Wehe ihr, wenn fie ihn liebt! 

Dentt er, Der bedeutende Mann mit dem vornehmen 
Namen, ber Offigier, welcher eine glänzende Carriere vor 
fich Hat, ber menſchenſcheue sunggejelle, welder am jo. 
viel Schönheit und berücdender Anmut vorüber ging, ohne 
fein Herz zu verlieren, Denft ev wahrlich daran, fie, das 
einfache, schlichte Wegefraut zu pflücken, fie zu ber Seinen zu 
m fie emporgubeben aus Armut und Vergeſſenheit? — 

Könnte er fie wahrlich io febr, fo über alles lieben? 

Wie ein Schwindel der Giüdjeligfeit brauft e3 durch 
ihr Köpfchen, — aber der Wind jaujt ihr eifig in das 
Geficht und kühlt bie heißen Wangen, daß fie erblaffen. — 

Thorheit! Wie tommt ihr ein fo vermepener, fine 
bijder Gebante! — 

‚Er ijt freundlich unb gütig zu ibr um Tante Refis 
willen, — und das ift gut. — Bon 

.& darf nicht anders fein. 

„ur bie Herrlidjfte von Allen oft boites feine | 
ap“ — ein Wefen, welches er in Wahrheit fo über 
alles, jo namenlos lieben wird, dap e er ie in Der Ein- 
famfett mit. Hs glücklich fein faim! — _ ee 


CU NM 


Cie fd)meigen beide, — ber Wind hat jid) gedreht 
und pfeift gar zu falt über bie Schneefelder daher, — 
ba verbietet fid) bie Unterhaltung von felbjt. — 

Sie laufen Hand in Hand — bid) aneinander gez 
ſchmiegt und find bod) fo allein mit ihren Gedanten. — 

Ja, Martina gab eS zu, daß viel Opfermut dazu 
gehört, um fold) ein zurücgezogenes Leben an ber Ceite 
eines Mannes zu führen, und das ijt ganz natiirlich. 
Ein Mädchen von neunzehn Jahren fann feine andere 
Anficht haben, Welt und Leben ziehen e8 voll zauberifcher 
Gewalt in ihre reife, wie viel mehr, wenn fie jo wenig 
geboten haben, wie bisher der armen Martina. 

Es freute ihn, daß fie jo ehrlich diefe Meinung verz 
tritt und befennt, — fie heuchelt feine Anſichten, welche 
fie nicht hegt, B reiner, ehrlicher Rinderfinn kennt noch 
keine Berechnung 

Wie doppelt lieb iſt ſie ihm darum, und wie gern, 
wie herzlich gern will er ihr, gerecht werden! Eine junge, 
lebenSluftige Frau verjüngt auch den Gatten, — bemeift 
fie e8 nicht jest {djon, wo fie ihn magnetijch in das 
bunte, frohe eben zurüdzieht, welches ihm plöglich nicht 
mehr jchal und leer, jondern anregend und erfrischend 
Deucht? 

Welch eine Freude ür einen Mann, feinen Weibchen 
die bunte, herrliche Gotteswelt in all ihrer Schönheit 


zeigen zu finus — fie wird ihn lehren, das alles nod) | 


einmal mit ihren Augen gu jeben, und was er ijr an — 
Freude gibt, ftrahlt doppelt und dreifach auf ifm zurück 


Nein, Achat Kronftadt, ber vornehm und edel denfende — 
Mann, würde der lebte fein, welcher aus Egoismus ein 
junges, lebensdurſtiges Vögelchen in den Käfig fperren 
würde! — 

walt zärtlich blickte er zu ihr nieder, auf ihr ernftes, 
gemeigtes Geſichtchen, und bie frühere Freudigfett über: 
fommt ihn abermals und läßt ihn fdjergen und plaudern 
wie zubor. 

Und Martina ftreicht mit dem Muff über das Ge- 
ſichtchen, al8 wolle fie alle thörichten Gedanfen fort: - 
ſcheuchen und lächelt fröhlich zu ihrem Begleiter auf und 
genießt in vollen Zügen das Glüd, von im bemertt und 
pubs ausgezeichnet zu fein. 

Ob ich bid) liebe, was geht's bid) an? — 

* * 


* 
Refi unb Eberhard gingen auf das Gis, : 
Beide liefen viel Schlittſchuh, Fräulein von Wieders, 
weil e8 ihr thatlächlich Freude bereitete, und weil eine 
richtige Negimentstante ihre flotten Neffen überall unter 
Augen haben muß, — gibt eS bod) Fälle, ba junge - 
Leutnant? nicht nur eingetanzt — fondern aud) „en: 
gefahren” werden müffen, auf Schlittfchuhen nämlich, und 
dazu eignet fid) niemand beffer, al8 die vereidigte Rez 


gimentstante, denn bor ihr braucht jid) fein Stinnper sS 


genierem, — fie nimmt feinen Zußfall eruit, und wenn — 
fie einmal an einem unfrehvilligen Niederfigen teilnehmen — 
muß, jo weint fie fib nicht aus Verleqenheit bie Auglein 
rot, wie Die eiteln ange Dämchen und PUE 


=s 


Nefi lief alfo teils aus Pflichtgefühl, teils aus Paſſion, 
während der Rittmeiſter bie ſtramme Bewegung in friſcher 
Lujt höchſt geſund fand, weil fie feinen Appetit in gerade— 
zu entzückender Weiſe anregie, ein Verdienſt, welches 
zur Zeit der Diners gar ner hoch genug angerechnet 
werden fam. 

So wanderten denn bie Gefchwifter einträchtig und 
froh durch den grauen Wintertag, big ihnen, nahe am 
Sottersteich, auf dem Damm, Leutnant von Howald mit : 
allen Zeichen höchſter Erregung entgegenfam. 

„Biffen Sie fchon das Neuefte?!“ 

Ich babe nie viel. gewußt, ar aber weiß ich rein 
gar nichts!” 

Hunolf hat ſich gertaki Unfer siefter Snap, | ; 
und fo Hals über Kopf — Daß fein Menſch zuvor etwas ; 
geahnt hat! e "s 

„Der Nittmeifter? — Unjer Ültefter?! vae victis!” 
ftöhnte Eberhard auf und machte ein Geficht, als habe 
Howald mitgeteilt, daß ber liebe Freund joeben bei 
{ebendigem Leibe, mit Haut und Haaren von den Kanni- 
balen aufgefreilen fet. 


Hunolf verlobt?” jubelte Refi, „bravo, vortrefflich! UM 


Mit wen denn?” — —— 

Mit Fraulein Grete von Kal) — auf Biendorf - — 
er ritt ja in lebter Zeit öfters über Land — 

„Schr qut, paßt brillant! Na, id) hoffe, gutes Bei- 
fpiel verdirbt böſe Sitten! init t Du, an Das jage 
id) fettgebrudt!^ — — | 





‚878 


Der Mittmeifter soto mehna den Kopf, Howald — 


aber lachte und flüfterte geheimmisvoll: „Dieſes ift der 
erfte Streich, bod) mand) andrer folgt jogleih! Glauben 
Sie mir, grrädigite zante, Der brave Oberſt wirkt Wunder! 
Wie eine Panif ijt e& über die Hageitolje gefommen, — 
mum ftlirgt fid) alles fopfüber in bie Ehe hinein, ‚wie 
wenn der Wolf bie Herde jcjeucht!* — Wetten, daß übers 
Jahr das ganze: Regiment verheiratet ift und der Alte — 
mit den Fähnrichs alleine tafelt? — Haha! wag fo eine 

Vogelſcheuche du Weizen thut! — (elbit der munterite ir 


Spaß findet es plöglid nicht mehr gut, allein zu fein! - 


— Servus, meine Herrjdjaften, id) jtürze aufs Tele- 
grapfenamt und jpebiere eim ‚Hurra‘ nad) Biendorf!” — 

Sporentlingend hajtete er weiter, Eberhard aber faf 
ganz geſchlagen aus und jeufzte: Hunolf, der Vogt von 
Tenneberg, verlobt! — Na, Refi — nun fol es mid 
gar nicht wundern, wenn ſich der Alte zum Schluß auch 
noch ins Soc begibt! — 

„er weiß!” zudte Fräulein von | Biebers mit gang 
ſeltſamem Geficht die Achfeln: „Wo alles liebt, wird Karl 
allein nicht halfen! Und Du, mein alter Junge, mie — 
denfit Du in diefem Fall?” w 

„So wie fonft auh, — daß biefer Fall ein ſchauer⸗ ct 
lider Neinfall wäre!” —— = 

„Sp willft Du Herrn von Laucha allein: Geel | 
leijten ?^ | 

," wo werd’ id) denn!” Cberhard zwinkerte er 


ihmigt mit den Augen und legte ben Arm ber Schmeiter - : 


um 379 — 


in ben feinen: "ad vin ja {con heraus und habe ſtets 


einen Grund, mid) zu drüden! Solang id) bid) Habe, — 


mein gutes Altes, gelte ich ja immer fiir halb verheiratet, — 
Deun Die Hausvaterjorgen una Su teile ich Dod) 
mit die!” 

Refi machte ein Geficht, als wolle fie dm 60, 
alfo daher bläft ber Wind!” — aber fie zudte nur die 
Achjeln und jagte furz: „Na — ich font bod) nicht mein 
Leben ang bei dir bleiben!” i : 


Ma... namn? — Was foll das Beipen?!" : 
Reſi that ein wenig “hig fofett. Je mut — e8 
wäre doch möglich... . wenn fid) eine pajfenbe Partie 


fände — alt genug sant heiraten bin id) doch!” — 

Der Mittmeijter blieb jtehen unb jah aus, als habe 
ihn der Schlag gerührt: „Refi — du — du heiraten . . 
o, das ijt ja gar nicht möglich — das wäre gegen alle 
Verabredung — und fchämen ſollteſt du dich! Erſt 
renommierſt bu, bu wollteft eine ewige Braut bleiben — 
unb dann .. .^ SBlobfid) unterbrad) er fid) und ward 
bunfelrot vor Schred: „Herr des Himmels, dein Jdeal!! 
Der Kerl ift ja jet Hier... md ...o — Teufel 
ja — daran habe id) nod) gar nicht gedacht! — Refi — 
lag8! Sit es Sroujtabt?" 

Die Negimentstante machte eine geheimnisvolle Gefte: 
„Wo denkſt du hin! — Ganz überwundener Standpunft! — 
Sm Gegenteil — Kronſtadt wird fic) wohl aud) vers 
(oben — aber nicht mit mir!” 

Kronſtadt ein dauid m Snap — a 


2:980. — 


mer wäre denn fonft —^ unb plößlich pfiff Eberhard = 


leije durch bie Zähne und ftarrte gerade aus, wie end ooo 
bem es furchtbar zu tagen beginnt —: „Was hat Laucja joe 
in {ester Bet. fo. viel mit Nefi zu tufchel zu? Barum ^ 
macht er ihr Bifiten und ſchickt bie prachtvollf ten Blumen? — 


Wegen ber Dorpat-Affaire? Lacherlich Die ijt Bors 
wand. Reſis Freier iſt der Oberſt jel byt.” | 


„Himmel {chock bombenefement I^ flang c8 mie cin... 


Angitichrei aus tiejjter Seele heraus, — Nefi aber nickte 


ihm freundlich zu und fagte zärtlich: „Da drüben wintt — 
die Präfidentin! Berzeih’ einen Augenblick, Bälardan, — 


und geh immer voraus!” — 


3, daß ber Nittmeifter fo gar fein Menjchenfenner — 


war; Die pfiffige Phyfiogromie ber Schweſter hätte ihm 
viel ar denken geben müffen. So aber ſchritt er mit 


ganz verftörtem Geſicht mitten im den dickſten Schnee — 


hinein und hatte das. ‚Gefühl, das Ende der Belt nahe = 
mit rapider ee en | 








EFFFFEF] 





XVIH. 


(n Maiſenburg lebte ein alien Nentier Kricjelbach, | 
cines jener Originale, iue mehr und mehr in | 
ber Welt ausfterben. | 

(Sr hatte bor langen < Jahren in furger, finderlojer 
Che gelebt, hatte nad) bem Tode feiner Frau einjam 
auf feinem großen Gut gewohnt und fu nur nod) für 
deſſen Spiritusbrennereien intereſſiert, bis dieſelben ſeine 
liebevolle Fürſorge durch ungeheuere Dividenden lohnten 
und eine ſchwere Erkrankung am Scharlachfieber ihn 
nitigte, in bie Stadt überzufiden, — 

Sort mußte er länger verbleiben, al wie er gedacht 
hatte, beum ein Ohrenleiden ftellte fich als Folge des | 
Scharlachs eim, und je bedrohlichere Dimenfionen dass 





ſelbe annahm, je n bedurfte er ber ärztlichen Be P. : a 


handlung. | 


wohnen, anfänglich) in bem großen, ſchönen herrichaft- 
lichen alten Haus, welches er mod) von früheren Zeiten 
her bejaB, und jpäter, als es ifm zu unbehaglich in 


Eo blieb er schließlich für immer in Matienburg - — 


uut c 


den weiten, filen jisumen- ‘urbe, im: einer kleinen - 


Gargonwohnung am Domplag, welche. es ihm befonders u 


angethan hatte, weil er viel am Fenſter zu ſehen bekam, 
namentlich die militäriſchen Paraden, für me Ie er eine 
ungeheure Vorliebe bejak. 

Das große Haus vermietete er, bis berfhlebene 3 Bere 
drießlichfeiten mit unangenehmen Einwohnern den alten 
Conderling ergrimmten und er das jdjone Gebäude zuz 
ſchloß, um e3 lieber unverwertet ftehen zu laffen, als fih — 
über jede Echorniteinreparatur zu ärgern. Er fonnte 
fich biejen Luxus geſtatten, denn er war ein ſteinreicher 
Manm — 

Sn Maijenburg fannten ihn nur wenige Leute, und 


Die wenigen, welche mit ibm in Berührung famen, fonuten | : 


nicht genug erzählen von den Schrullen und ber gerabegu : 
göttlichen Girobfeit des altem Herm. - | 
Mit biejer Hatte er feine Freunde aus dem Haufe 
geicheucht, wie man jagte, andere behaupteten, der wunder- 
liche Millionär jei zu geizig geweſen, feinem Sfat- ober 
Schachkränzchen die erforderliche Taſſe Thee vorzufeßen. 
Thatjache war e3 jedenfalls, daß ber alte Krieſelbach 
wie ein Dads in feiner Höhle wohnte, von ununtcre 
brochenem Winterschlaf befangen und unfichtbar für j ente 
Miitmenichen, bis eim Alarmfigual ihn jählings aus feiner 
Ruhe aufichreckte. 
Dann ermadjte bie volle Paffion des Soldaten in 
ihm, er dachte zurüd an das herrlihe Jahr, welches er 
als flotter Kürajfiereinjähriger verlebte, Diefen Glanz- 


=) m 


punft feines Lebens, deffen fo fchnelles Erlöfchen er nie | 
fo ganz hatte überwinden können. Hätte nicht ber väter- 
liche Wille ihn diktatoriſch auf das Land auri beordert, 
jo madre Balthafar Striefelbah nun und nimmermehr 
aus dem bunten Rod HerauSgefommen! Alarm war jtet3 — 
feine Xeidenjchaft geweſen, und jener eleftriiche Schlag, 

welcher ihn vor fünfundvierzig Jahren durchzudt hatte, 


wenn der unbejchreibliche Slang bes Alarmjignals ertönte, —— 2 


ber flog ifm aud jebt mod) burd alle Glieder, mem oc 


ber Oberft feine Sürajjiere durch fold kleines a ce 


manöver überraſchte Cu 
Dann fiet e8 den alten Herrn nicht Saheim. Mit | 
derjelben Haft wie ehemals als Freiwilliger, warf er fi) — 
auch jebt noch in feine Kleider und trabte voll höchſter 
Erregung auf feinem alten Apfeljchimmel zum Rendezvous, 
um fid das herrliche Schauſpiel allgemeiner Aufregung 
in nächlter Mahe anzufehen und dem abrüdenden Ne 
giment ein Studien dag Geleit zu geben. 
Man hatte fid) an die ſeltſame Erſcheinung des alten 
: Herrn gewöhnt, welcher, jehr groß und mager, in dem 
phantajtijch mehenden Mantel auf dem weißen Mok anz 
galoppiert fam, wie weiland ber Feuerreiter, went bie 
(ode pom Turm gellte! — 

— Se Offigiere grüßten ihn voll Humor, mwechtelten hie . 
inb ba ein paar launige Worte mit ihm, welche ber alte. 
Krieſelbach todernft und ftreng militürijd) nahm, und bie 
Mannfchaften ulften ben grotesten Reiter an, gutmütig — 
und ftet8 in Grenzen bleibend, was ber Nentier freund: 


lich aufnahm und mit derbem Wort, fo recht famerab 

ſchaft (id) und wohl verbrüdert, beantwortete. nr 
Man erzählte fid) eine eine Anekdote von ihm, melde — 

feine Alarmpajfion daratterifierte. Der Oberſt Hatte an 


einem fchönen Commermorgen um drei Uhr das Regiment — 
zufammen geblafen, und aud) Balthafar Krieſelbach war — 


mit einem kräftigen Donnerwetter in die Kleider gefahren, - 
hatte Durch dag ganze Haus Sturm gelitutet, rajend ges 
ichimpft, daß ber Apfelfehimmel binnen fünf Minuten nod) 
nicht vor ber Thür ftand, und war dann felbjtverftänd: 
lich nüchtern davon gecilt, der Schmach zu entgehen, als 
lester am ‘Blak zu erſcheinen 

,Slapp — flapp — flapp —” Ichallten bie Pferdehufe 
durch bie ftillen Straßen, in liegender Eile jauften die 
Küraſſiere von allen Eden und Enden Herzu, und diefes — 

wilde, friegerijd) aufgeregte Bild war e$ befonders, wel- 
ches den alten Herrn entzückte, Daß ihn das Herz im 
Leibe lachte! 

Der Morgen war jo idön — fo ſonnig unb lockend, 
daß der Rentier nicht: umb konnte, das Regiment auf 
feiner Übung zu begleiten, und weil diefe Übung febr 
amüjant war, jo wohnte Herr $riejelbad) ihr von 
Y—3 bei umb. febrie gegen 9 Uhr jehr ftaubig, 
müde und hungrig mit Dem Regiment in ote Garniſon 
zurück 

Er bei itellte fich ein gutes rihi, wechſelte behag⸗ 
lich die Kleider unb ſetzte fid) gerade in ſeinem Lehnſeſſel 
zurecht, ſchmunzelnd das gebrateue Hähnchen zu tranchieren, 





— ‚986 Ev 


als er höchſt mes Du — an — p legte unb 
aufhorchte. — 

Was mar bas? | 

Diefer helle, idjmetternbe Zon, welchen er trog feiner 
Schwerhörigfeit fo deutlich vernimmt, mie Beethoven bie | 
Ctimme feiner Adelaide . . . — 

Alarm? Abermals Alarm? 

Wie follte das möglich fein! 

Meffer und Gabel fliegen klirrend auf den Teller 
jurüd, — bie ſilberne Tiſchglocke tobt! 

Schon ftürzt der Diener zur Thür herein — 

„Herr Oberamtmann — fie bajen fon wieder!” 
Mit einem wahren Schmerzensgeftöhn jpringt der alte 
Herr empor. 

„pferd vor! —" jchreit er, und dann ringt er mit 
einem Blid auf das ledere Frühltüd ganz verzweifelt die 
Hände und ftöhnt: „Das ift eine Infamie von bem 
Oberft! Nicht mal Beit zum ene läßt einem 
ber Mann!” 

Wenige Minuten fpäter trabte ber € Schimmel, hin 
indigniert wie fein Herr, dem ftajernenfof zu, und Herr 
Kriejelbach ſchnaubte ben Nittmeifter und Leutnant am: 
„gum Teufel, meine Herren — was will er beim jchon 
wieder bon uns?!“ 

Eine Frage, weldje mit ln Gelächter beant: 
portet wurde! 

Slüdlicherweife wallie ber geltrenze Kommandeur 
diesmal nicht viel, — nur jeben, ob fein Regiment jeder- 


— 387 — 


zeit femes Rufes gemürtig fet, und Krieſelbach fonnte 
nach einer halben Stunde heimfehren und des ermürmten 
Hähnchens froh werden! 

All dieje Charakterzüge“, welche man fich von dem 
ehemaligen Gutsbefiger erzählte, Hatten ihren Weg ſelbſt— 
rebeub aud) zu Tante Reſi gefunden, Denn was ware 
in Maijenburg gefchehen ober gefprochen worden, was 
den Ohren und. Augen ber jtetà auf Poſten ftehenden 
Regimentstante verborgen geblieben wäre? 

Und ber alte Rriefelbach mit all feiner Grobheit und 
Originalität hatte in ihrem Kopf einen Blan reiten laffen, 
zu deſſen Ausführung fie foeben energijch Schritt, als fie 
por der Entreethür deg Oberamtmanns ftand und bie 
Klingel 300. | 

Da Wieders bas Nachbarhaus des alten Herrn be- 
wohnten, war Tante Refi dem öffnenden Diener wohl 
befannt, dennoch ftarrte ber Getreue fie an wie eine 
Viſion, denn Damenbefuch gehörte im var Krieſelbach 
nicht zu bem täglichen Brot. 

„Sit ber Herr Oberamtmann zu preden pn 

„Sa, das fommt fo drauf an, gnädiges Fraulein! 
{totterte ber Alte völlig faſſungslos —, „jeit Sabr und 
Tag find feine Vifiten mehr zu une gefommen, — aber 
wenn Das gnädige Fräulein einen Moment warten wollen 

— id) werde fofort mal anfragen!” 

. Eine Selunde jpäter erjchallten febr fante Stimmen 
im Bimmer, denn e3 mußte tüchtig gejchrieen werden, 
wenn man fih dem alten Herrn verſtändlich maden 

pe n 


— 388 — 


wollte, welcher feinerfeits ebenfalls bie Angewohnheit aller 
Schwerhörigen befaß, feine Umgebung. mit Aufwand aller 
Lungen angubritllen. 


„Ras? Wer ift dar Cin — Bum Shot | 


Donnerwetter — fie foll fid) zum Teufel Icheeren!” 


„Das geht nicht gut, Herr DOberamtınann — e3 i 


ja bie Tante Wieders von nebenan!” — | 
wou Der Not frißt der Deiwel aud) Tanten? Was | 
ill bie jaframentijdje Weibsperfon ?” = 
„Am: Entichuldigung, — das weiß idy nr > 
„Könnte fie betteln wollen? — Ich gebe nichts, 
abjolut nichts, — ich zahle in alle Kaffen! Nächſtens 
werden überhaupt mur nod) 98aljenfinber geboren —! 
Sft ja fo bequem für die Alten, fie von fremden Leuten 
großfüttern zu laffen! He, ob = betteln will, Johann!“ 
„Nee — fo was fann ich mir gar nicht Denfen !^ 
: „a bann in drei Teufels Namen — laß fie rein! 
- Aber nicht in den Salon — bei dem S emer trampelt 
fie mir ben Teppich voll! Hierher” ——— 
— . "rit mal einen andern Rod, Herr Oberamtmann — 


für Damen gehört ſichs jo“ 


Schockbombenelement unb ſieben Sack voll lafyrner 
Gfel! Da holt man fid) in folh faltem Schniegel höchſtens 
wieder bas Neißen. Na dann her damit! — Wd bu 
Donner... ad du Glenb..." und ber alte Herr ftöhnte 
jo. beoedens, daß eft bas lachende Geſicht noch feiter 
gegen den Muff prepte, um nicht [oszuprufchten. 

- Gublid) öffnete Johann die Thür, und feindfelig von 


einem braunen Jagdhund angefnurrt, trat Fraulein von 
Wieders über bie Echwelle, in das mit Tabafsrauch 
erfüllte, je)r warme Zimmer de3 alten Originals. 
Mit jteijem Kragfuß ftand ihr Krieſelbach gegenüber, 
pie Hagere Figur ſtramm aufgerichtet, den grauen Schopf 
über der Stirn martialiſch aufgeſträubt, mit einem grimmigen 
Stirnrunzeln und nod) grimmigeren Näufpern. 
„Ste befehlen, meine Gnädige?“ d 
Nefi lächelte wie die verförperte Engelaatite, die 
dem alten Bürbeißer voll Herzlichfeit die Hand in dem 


eleganten Schwedenhandſchuh entgegen und fagte poll - 


frijeher umb natürlicher Liebenswiirdigteit: „Bor allen 
Dingen, daß Sie jid) in feiner Weile durch meinen Über- 
fall in Ihrer Gemütlichkeit ftören laffen. Ich jefe, Sie 
haben Ihr Pfeifchen geraucht und es bei meinem Eintritt 
beifeite gelegt! Warum das? Ich bin an Tabaks— 
rauch gewöhnt und finde den WAnblic eines fo prächtig 
gebrännten Meerſchaumkopfes höchſt genuitlich; alſo bitte — 
mir zu Gefallen rauchen Sie weiter, Herr Oberamtmann |” 
- Refi hatte fid) erhoben, ungeniert die lange, noch iu 
janften Rauchwölkchen früujefube Pfeife von dem Ständer 
genommen und bem altem Hexen voll N icher 
Dringlichkeit aufgendtigt. 

Diefer fnurrte und ſchmunzelte in einem Gemifch, bon 
Behagen und Miftrauen! Die Gnadige von nebenan 
{chien ein raijonnables Frauengimmer gu jm aber man 
fonnte nicht wijfen . . 

Inſtinktiv ſchob Siriefebad) feine Jodidjipe, in 


— 80 — 


— die gehäfelte Börfe fedte, feiter unter fi, in 
Dem naiven Glauben, daß ber Mammon beffer behütet 


fei, wenn man fi drauf feße, — denn nach fol einem 


guten Anfang der Viſite, RPM 165 a a (ben deſto 
übler jen! | 

Er drüdte das Kinn fteif gegen ich Blodícagen orid 
und paffte eine bide Wolfe. „Schr verbunden, mein qua- 
diges Fräulein, id) entbehre meine alte Freundin allerdings, 
denn ein Mann ohne Tabat ift wie eine Roje ohne Dujt!” 

„Borzüglicher Vergleich!” lobte Refi voll ‚Humor, 
„möchte der ‚fliegende Merkur Pod) aud alle Dornen 
und Widerhaken von ber Roje abgeitreitt haben! Mein 
beiter Herr DOberanitmann, ich fomme mit einer Anfrage! 
Cie Haben in Der Burgſtraße ein altherrichaftliches Haus 
ftehen, welches zur Beit unbewohnt it; würden Cie 
eventuell geneigt fein, e8 wieder zu vermieten?” — ———— 

Was zu thn?! 

Die Regimentstante wiederholte die legten Worte nod 
einmal mit ſchmetterndem Organ, und Balthajar Kriefel- 
bach jab fie mit beinahe jchadenfroh funfelnden Äuglein 
über bie Tabatswolten Derüber am ums fag won {ferzen 
gerader wie zuvor. 

„Bebaure . . . mie wieder . . . bin des ewigen Argers 
mit rüdjichtäiojen Mietern a wüſten Rangen müde! 

„Es handelt fid) um feine Familie, welche einziehen 
möchte”, lächelte Refi fdjarmant, ,,jondern um das Ihnen 
ſo befreundete Küraſſierregiment, welches ein Pope | 
Lokal zu einem Regimentshaus ſucht!“ 


— 891 — 


„Mir befreundete Regiment?” ftieß Rriejelbach in- 
grimmig hervor und paffte jo furchtbar los, wie der Vejun, 
wenn er febr bbje wird. „Keiner ber Rerls ift mir mehr 
befreundet, feiner! — Und das ift eine Schande, meine 
Gnädige!” 

Aber wie ijt bas möglich, verehrtefter Herr? Wenn 
man Ste jo treulich bei jebem Alarm mit dem Regiment — 
‚mitreiten fieht.” - 

Er nahm Die Pfeife aus dem Mund unb polterte in — 
feiner derben Art los. C3 jchien, als fei e8 ihm geradezu 
eine Wohlthat, all den lange gehegten Zorn einmal mit 
vollen Schalen ausfchütten zu können. „Sa, jal — - 
mitreiten! — Hm, ich allerdings, ich halte treulich zu 
ben Waffenbrüdern, fcheue nicht Wind und Wetter, um zu 
den Übungen heraus zu reiten, ziehe hierher in dieje 
Wohnung, um alle Paraden, zur Not vom Bett aus, 
jeben zu fónnen, — und bie Herren Difiziere? — Seit 
zehn Fahren hat feiner mehr meine Schwelle betreten, 
weil ihnen der taube, alte Mann zu langweilig geworden 
üt, weil fie bet all ihren jaframentichen Vergnügungen 
feine Beit und Luft mehr haben, mit einem einjamen 
Strüppel Schach zu fpielen! — Oder ijt e3 etwa anders, 


De? — Früher, ja, ba war e8 noch qute Zeit, da hatte — 
id) meinen Freundestreis, wadere, alte Gejellen, die zu mir — 


hielten! Da Stand noch der Major von Hagen beim 
Regiment, der Reßweyl — Grelling — und La Ferrière —! 
da lebte noch der alte Grimfch und Hägglingen wohnte 
noch hier, — o da war fein Mangel an Gefellichaftern 


= Bpa oi 


und Schachpartien, da war mein | berbammies Kanonen: 
ohr noch nicht ſo pernagelt, wie heutzutage! — Aber - 
jebt? Alles vorbei! —  Gejtorben — verdorben — in 


alle vier Winde zerſtreut, und was neu berfommt, findet 
den Weg nicht mehr zu bem flapprigen Snvaliden! — —— 


Krieſelbach atinete tie} auf und blidte forjdjeno in das — 

friſche Geficht feines Gegenüber. Der Ausdrud in dem: 
felben ſchien ibm angenchm zu berühren, denn in Refis 
Antlitz fpiegelte fid) eine warme, ehrliche Teil nahme. 
Sie nickte ihm herzlich zu— 

„Dag fann nur ſeinen Grund Darin haben, daß fein 
Menih ahut, daß Sie Temor win} den, beiter Herr 
Oberanmtmann!^ .———— : 

Er qualmte wieder i jchitttelte nur wehmütig den 
Kopf. „Die Gefunden wollen nichts von franten Leuten 
willen, — elt Sebrecden, wie Das meine, macht einen 
Menfchen zum Paria unter jenen Benofient - — Wenn 


aud) mal einer fommt — jo hat's bod) feinen Beſtand 


mehr, — fie bleiben gar jchnell wieder weg. — Und id) 
iptele jo leidenſchaftlich gern Schach — fo für mein eben 
gern. Sodann, Der Sununtopi, lernt e$ troß aller Mühe 
mht — und went einer wie cin Nachtwadter mit ben 
Figuren auf dem Brett herum rätſcht, bann foll der 
Satan das ganze Vergnügen holen!” — Der Spreder | 
machte eine wegwerjende Gejie, — 30g das Geficht wieder 
in grimme Falten und fügte ohne weitere Vermittelung 
hinzu: „Nein, — die Riirajfiere befommen ment Haug 
nicht!” nn o | um 





* 94 6 


„Schade darum, aber. / (ebitccbenb- ehre id) Ihren — 
Willen, mein berebrter Herr Siejelbad)! Sprechen wir 
nicht mehr davon! — Uber ich empfinde ein fo großes, 
herzliches Mitgefühl. mit Ihrer Vereinfamung, und muß 
Ihnen geftehen, id) bin geradezu empört, daß man einen — 
jo liebenswärdigen Herrn wie Sie, derart vernachläſſigen 
fann! Bon den aftiven Offizieren jefe ich ab, denn feit 
etlichen Jahren ſtellt ber Dienft und die Gejelligfeit fo 
ungeheure Anjprüche an bie Herren, bap fie effetti. 
feine ruhige Stunde mehr zu ihrer Erholung finden, 
und außerdem ift das Schadhipiel leider, — ich jage 
leider! — jer aus der Mode gefommen, fein Menih 
ſpielt es mehr gut, gejchweige meifterlich! Uber bie 


älteren Leute, bie verftehen fih doch noch alle darauf, — 


und e3 gibt bod) fo viele betagte Herren hier” ... — 
Kriefelbach machte eine heftige Bewegung. 

„Dieje Krautfchneider! — Wenn fie nicht gewinnen, 
brutal — und menn fie gewinnen — beleidigend! Und 
babet Abend für Abend wollen fie Hier bei mir fißen 
und fid) traftieren laffen — bah... ich Habe fie bad 
durchſchaut, bte Schmarotzer!“ — y efi ſchien Die legten - 


Worte überhört zu haben, Gie hob jählings den Kopf a | 
und machte ein Geficht, als habe fie ein großer, heme ——— — 


licher Gedanke erleuchtet. | p 
„Mein beiter ‚Herr Kriejelbach! Sch nehme den 

lebhajtejten Anteil an Ihnen und bin wirklich entrüftet 
iiber die lieblofe Art, mit welder man ihnen das Leben 
verbittert Mber Sie jollen um ber abjcheulichen Egoiſten 


— 05 = 


willen nicht Ihr Schachvergnügen entbefren! Sch helfe 
Shen, ich weiß Nat! — Gleidh und gleich gefellt jid) 
gern, und Niemand ijt toleranter gegen einander wie 
Leidensgenoffen! Sehen Sie, bei uns hier nebenan 
wohnt eine fcharnante alte Dame, bie Baronin Ouin- 
tach, meine Tante, welche leider noch viel ſchwerhöriger 
it, mie Ciel Dieſelbe ſpielt ebenfalls quit größter Paf- 
ſion ſowohl Schach, wie auch Kartenſpiele, und nun 
will ich Ihnen einen Vorſchlag machen! Sie haben 
die große Licbenswitrdigfeit, fo oft fie wollen — am —— 
(ebitem jeden Abend zu Ihrer Leidensgefährtin Derüber : 
zu fommen, — als Herr müğten Cie jchon dieje Rüde 
ſicht üben und die alte Dame, welche ſehr zart ift, auf 
juchen! G8 find ja nur em paar Schritte, Cie 
gehen bireft. über den Hof umb finden zu jeder Beit bie 
Thür offen. — Dann find auch Sie dem Wetter faum 
ausgejeßt! Das wird jehr gemütlich und nett werden, 
Tante freut fic) unendlich über ihren Partner, und 
Sie fünnen jo oft und viel jpielen wie Sie wollen, ohne 
von brutalen, gewinnſüchtigen Herren abhängig zu fein! — — 
Wie gefällt Ihnen dieje Idee, mein verebrter Herr 
Nachbar: 2” — Der Rentier hatte die Pfeife ſinken laſſen 
und lauſchte mit offenem Munde. 

Wie ein verflärendes Leuchten ang e8 über XT perso 
wittertes, ageres Gefid)t, er flappte ein paar mal mit 
dem fall iden Gebiß, 30q bie Brauen Bod) und richtete 
ſich ſtramm empor. „Om... dad wire!” — : 

„Richt wahr, eine ae be! — D wie wird bie 


— 896 — 


Baronin fid) freuen! — ad bari ihr bod) em eben. 
Bejuch gleich für heute abend anmelden?” — 

„Öm... wein die Dame einverftanden wäre . 

„Das garantiere ich!“ — 

Was thin Sie?’ — 

„sch garantiere e8 !^ 

„So, jo; und id) foll herüber tommen! — Im Braten: 
rot — fe? — Muß Umstände machen?” | 

„Keine Spur! — Im bequemen, gemütlichen Haus- 
rod, mit dem Pfeifchen, ganz jo, wie Cie e$ gewohnt 
find! Tante Duimtach ijt eine febr vernünftige Frau, 
welche jid) aud) nicht gern geniert —! Wunder Cie 
nd nicht, wenn fie im Dior genrod erſcheint! Nein — 
nur feine Umftände und Formalitäten! Das ijt bei 
täglichem Verkehr von vornherein ausgejchloffen !“ 

Kriefelbach fehmungelte. Er fuhr mit den gefpreigten 
Fingern durch das graue Haar. v 

„Sr; — $m .. E jin, — Hat ie etit Shade 
brer" . 

„Zpielen Sie oem oli dem Ihren?“ | 

„tan üt fo an ein befanntes Ding gewöhnt .“ 

„ber wen Die Dame lieber — — | 

„oO, feme Gedanken! Sie würde ſicher ein neues 
angeſchafff haben, unb da wäre e8 ja Doppelt nett, wenn 
Cie das Ihre mitbrächten 1“ | 

„Bin jo frei, meine Önädige — bin jo frei! 
Hm... eine brillante Sbee ... Habe zwar noch nie - 

mit — gripiet — aber in Der Not frißt 
der Deuwel | 


cx 


— 397 o 


„Auch Tanten! — Gang gewiß! Es wird febr nett 


werden! Alſo heute abend um ſieben Uhr — Ja? Paßt 5. 


es Ihnen, Herr Oberamtmann?“ 

Gr dienerte mit elegantem raping. „Habe die Ehre.. 
mann fagen Sie?! — - 

„Um fieben Uhr!“ 
„Schön, — lieben Uhr — werde sit vein id 
tüjje bte Hand, meine Gnädige!“ | 

ll auf Wiederfehn! — Kein, nein — bleiben Sie 
Dübjd im warmen Bimmer — auf bem Flur ift e8 
Talt... feine Umftände! . . Und den Thee trinfen Cie, 
bitte, Be Frau von Cuiintad ^ — Ehe der alte Herr 
in der altmodifchen Beije zur Thür Gaffieren founte, — 
hatte fie Refi ſchon erreicht und war r mde und grüßend | 
verſchwunden — 

Rapitahmeih - — —— Franio | 


— Hm — aber erit mal abwarten, was Die Baronin — 
für eine Sorte ift, — noh nicht zu früh gefreut — 


hm — abwarten! Aber. ber Oberamtmann rieb jid) 
dabei bod) die Hände wie einer, der re recht von Herzen 
vergnügt ijt. — | 

Am Abend fam er. — 

Frau von Quintach empfing ihn voll imgefeuter 


Freude. „Endlich fann id) mal wieder Shad fpielen” — 


Wie warm, wie behaglich in dem jchönen Salon! Und 
wie famos fpielte bie Alte, — gut, aber nicht jo qut 
wie er, — er gewann am meijten, und bod) nahm es 
die Baronin nicht frimum. du | 


ome = 


‚Mein Mann gewann iab öfter! fagte fie —: 
„Ah, gerade das Verlieren erinnert mich fo an einjt!^ 
Und nun fervierte ber Diener Thee mit einer febr 
großen Rumflaſche — und belegte Brödchen, jo belifat 
und Leder, wie fie der alte Herr über alles liebte, und 
bie Baronin nötigte ganz nach der guten, alten Gitte, 
daß mam oft, febr oft gulangen fonnte — — ad) das 
perg ward einem weit babel _ 

Der alte Krieſelbach ftrahlte bor iti! ee | 
. Und bie Negimentstante ftand mit feinem Lächeln 
wijchen ben Portieren und nidte zufrieden vor fid) Din. - 
Die beiden Alten aber jchrieen fid) fo fröhlih an, daß 
man e8 drei Häufer weit hörtel — — d 


av 





XIX. 





A efi und Eberhard faßen beim Frühſtück 
2 Der Nittmeifter war fehr verändert, was 
PNAS bem jdarf prüfenden Blick der Schweiter 
nicht entging. | | 

Er that jehr leidend, ſtöhnte viel und hatte einen unz 
geheuer kläglichen Ausdrud tm Geſicht, wenn fid) feine 
hellblauen, ſonſt fo verjchmigten Nuglein auf Fräulein 
von Wieders hefteten. 

Bon dem ehemalig ftets jo guten Humor feine Spur 
mehr, und wäre der Appetit nicht noch unverändert vor ——— 
trefflich geweien, fo hätte Refi wirklich Grund gehabt, — 
fid) um den armen, geängftigten Bruder zu jorge. ——— 

Davon fchien fie aber vorläufig nod) weit entfernt, 
denn fie fab ebenfo herzerquidend froh und heiter aus, 
pie joujt, und jchien bie erjtaunliche Etimmung Cäſars, 
welche jo tief, fo febr tief unter Null qejunfen war, gar 
nicht zu bemerfen. | 

Cie arrangierte febr eifrig eine ausgeſucht ledere 
Srühjtücdsplatte für Tante Augufte, und wenn des Nitt- 
meilters Züge fid) aud) momentan beim Anblid von Gänſe— 


— TR — 


feberpajtete und Qacha oufelkten, do fragt er Dod) mit 
ber diiftern Miene eines Hamlet, welcher über bie Miyiterien 
von Sein und Nichtfein grübelt: - „Barum gibt e8 Denn 
feit den lebten drei Tagen jp auffallend opulente Frühe 
itia, Refi? — Du übertriffit dich ja jelbjt. — Iſt dies — 
alles Schon Henfersmahlzeit für mich ? | x 
Sie überhörte bie letzte Anſpielung auf ihre baldige | 


Berheiratung und lachte ihm jdjalffaft zu. „Das gejdiebt —— 


um Tante Augufte willen! Du eit ja, daß ich einen 
Padt mit ihr geichloffen habe! Wenn fie im Schad mit — 
dem alten Sriejelbach tüchtig verloren hat und doch nett 
und licbenswürdig gegen ihn blieb, gibt e& am anderen 
Tag bejondere Traftamente! Ein „Shah der Königin“ 
bedeutet eine halbe gebratene Schnepfe, — eme Portion 
Pijtagien-Cis ober eine bito Ganjeleberpaftete u. f. w. — 
und wenn fie das Kunftitück fertig gebracht Dat, adt 
Tage lang dem braven Krieſelbach ohne jedwede Grob— 
heit zu begegnen, gibt es als beſondere Gratifikation ein 
Dutzend Auftern! — Bei Tante Angufte Führen dic 
diplomatischen Wege einzig nod) durd) den Magen, will 
man etwas erreichen, ° muB man das Menu danad) ein- 
richten! Das feheint jo in ber Famili ie zu liegen!” — 
„Und allem Auſchein nach willit bu viet erreichen, 
Nefi, ebenjo bei dem Oberamtmann, — denn fonft könnte — 
ich mir's gar nicht erklären, wie du plöß lich auf die Idee 
fommft, den alten Barbeißer zu Tantchens is | 
träger zu machen!” | 
„Ganz junge und ganz alte. Rinder muB man 1 auf : 


— 0401 — 


die gleiche Weiſe beichäftigen, — man [apt fie zuſammen 
fptelen! Du glaubjt nicht, welch eine Wohlthat eg für 
mich ijt, bie grillenfängerifche, alte Frau zu beſchäftigen!“ 


Die Sprecherin hatte fih abgewandt, Eberhard fab doe 


nicht das jchalfhafte Lachen in ihren Augen. s 

„sa, ja“, jeufzte er, „Das glaube ich wohl! Ras : 
foll aber erft werden, wenn du heirateft, Altes, id) allein. 
fann doch bei Gott nicht für ben Damm oben 
forgen!” 

„Eolit bu dud nicht Säfarchen! Wenn Deine Frau 
fie nicht itbernebnten will, | chleppe ich fie als altes Inventar- 
ſtück mit mir!” 

‚Meine rau ächzte Eberhard, d Eng ja 
furchtbar!” 

Findeſt Du? ad meine, e8 follte mum vd wie 
Mufif in deine Ohren tönen!” Sie ſchellte und Händigte 
dem Diener das Tablett für Paronin Ouintach ein, 
dann fette fie fid) jählings neben den Bruder und nahin 


feine Hand zwijchen die ihren: „Eberhard — fei einmal — 


vernünftig! WUberlege e8 dir, dab du als Majoratsherr 
die Verpflichtung haft, zu heiraten! Bedenfe, unjer 
lieber Bater würde fid) ja im Grabe umdrehen, wenn 
Wiedershagen an die Nebenlinie fiele! Darum hat er nicht — 


mit Ginjag aller Kräfte und alles Fleißes gearbeitet, dus 


Gut jchuldenfrei zu erhalten, um e3 an gewiſſermaßen 
doch fremde Menſchen übergehen zu ſehen!““ m 
„enn mir nun aber feina von all den Frauenzimmern 


gefällt!” ftöhnte ber Nittmeifter, „mir grauft es bei pent T 
WR. v. Ef Hftruih, Sil. Rom. u, Nov. Die Regimentstante JI 26 


— 402 — 


Gedanken, ewig an fold) ein Tauniges, Hinbifches, ober: 
flächliches Geſchöpf gebunden au fein!” | | 

„Solh eine Frau folljt bu ja aud) gar nicht haber, 
ba fei Gott vor! Wir wollen uns jest mal umjehen —“ 

Dieſe jungen Gir fe find gräplid; und ¢ eine alte mag 
ich ebenfowenig —' 

EEs gibt nod) eine goldene Melina - de 

Uo, wor! 

„Hier liegt Der Wntwortsbrief von Solia: fie fagt 
zu unb trifft übermorgen mit ihrer Gefellichaftsdame bei 
uns ein! Meiner 9(njidjt nad) ware fie eine außer: 
ordentlich pafjende Partie für bij! Schöne, vornehme, 
reiche, unabhängige junge Witwe — — " 

„Das mag aud) ein gutes Kaliber fein! Couſine 
Selicia, edle Frau von und zu Segenstorff, mit zehn: 
taufend Mark Revenuen, ohne Anhang, — wie mag bie 
pom SFreiern umlagert fein! — Golch ein arrogantes — 


Trauenzimmer wird gerade auf mid) bien, alten Kerl an 
gewartet haben! und wenn fie mich nimmt, fo gefdjieht — 


e mur um Wiedershagen willen, und darum würde mid) | 
ihr Sawort faum erfreuen fünnen, denn = zeigt mir, wie 
berechnend bie liebe Hulünftige iſt 

Anſinn Caſar! Weld ein ora — Gin 
Prachtmenfch bijt bu, und alle Damen ſchwärmen für 
bid! Nun bitte ich dich um Gotteswillen, rede dir nicht 
bon vornherein folde Vorurteile ein! Warte ab, wie fie 
ij — und gefällt fie dir nicht, gui, jo. .. laß fie fahren — 
dahin!” nn 


eid ei, 


„Mit dem Expreßzug big ing Rictier! and! — Wh, 
Refi — wenn e8 doc einmal einem weiblichen Weſen 
gelingen wollte, auf mich Ginbrud zu maden! — Wie 
und wo ijt ganz egal; — nur einmal möchte ich die | 
Empfindung haben: ‚Donmerwetter, das ijt ein famojes 
Mädel; bie gefällt mir! — Mber ich fürchte, biejer — 
Wunſch wird zeitlebens ein frommer bleiben! Du bit . 
bisher Das einzige Frauenzimmer, welches mir importiert, 
Refi, aber weißt du, heiraten möchte ich bid) auch nicht, 
du bift mir zu jorjd) — und wenn ich fchon als Bruder 
mitjamt einem ganzen Regiment nach deiner Pfeife tanzen 
muB — wie follte das erft alg Ehemann werden, weler 
bekanntlich ber Nächſte Dazu ijt, untergebuttert zu werden!” 

Fraulein von Wieders lachte. „Diele Gefahr liegt 
allerdings verzweifelt nahe, und eS wird mein eifrigftes 
Beitreben fein, Dich bor der Eontrifugalmafchine zu be: 
wahren! An bie erfte Befte verhandle ich bid) QUUM 
nicht, Cäjarchen, fondern am bie Belte allen — und 
wenn’s aud) bie zweite wäre! — Gut fochen muĝ jie 
finnen, oder bod) wenigſtens Sinn bafüc und gaftrono: 
mijdes Verftändnis haben! Hun mild, — und be- 
jheiden muß fie aud) fein — 


„Und nicht jo kindiſch a(bern — mit Launen, Giger ae 


finn und in Ohnmacht fallen . . .“ ud 
„Das fehlte gerade noch! Sch tine ja jo ziemlich 

deinen Geſchmack, und id) denfe und hoffe, bafj Conſine 

elicia ihm in allen Dingen entjprechen. wird oo 


Der Rittmeiſter trank ſeufzend ſein Glas qué und 
- 26* CE. 


EEE C $4 


pu i un 


erhob fib: „Die frohe Botfihaft Br is OBL. bod m 


ad), mir fehlt ber Glauben!” recitierte er jdjmermütig, = 
klopfte ber Schwefter zärtlich auf die Schulter und fab 


aus, wie einer, bem bie Stunde feiner Cyefution anges — 
meldet ift. „3n drei Tagen kommt fie fdjon? — Ach, 
Deiliger Florian, wende dich ab von biejem Haufe, bae 


mit nod) rechtzeitig im ber Kogierftube opu ue 


brechen fann!” 

„Sol einen fündhaften Wunſch wird Gantt Florian 
 fidyer ftrafen und ein großes Feuer angiinden, aber nicht 
unter bem adj, fondern tief unten im Herzen eines 
perjtodten Sunggejellen, welchen jid) Amorchen ficher 


nur jo lange zurüdgeftellt Dat, um ihn als Sechzehn⸗ 


ender mit deito größerem Triumph zur Strede zu bringen!” 
„Du wollteſt ja wifjen, Refi, was bu mir zu Weih⸗ 
nachten verehren jolljt — jebt jallt mir etwas Praftijches 
em: einen fugelficheren Banger! — id möchte, ‚Herrn 
Amor gar zu gern eine lange Naje machen! p 
,Gut; bu befonmujt iju.” — ee 
Der Diener trat ein und überreichte. Fräulein d von 
Wieders einen oo Beilchen] ſtrauß mit einem Heinen 
Billet. | 2c 
Eberhard ward ganz. blag. . 
„Bon mou, Refi? Bom Obert” - 
Läaächelnd öffnete fie das Briefden und der Nittmeifter 
blickte ihr aufgeregt über bie Schulter. | 
 ,Awrje! — Ein Gedicht! — Donnerwetter! bas mb | 
ja immer beffer — dreh’ mal um — wer tft ber freche... 


c d, 


db — Rai Sijtenberg und Eberhard atmete Bod). uj. 
„Der Bengel ift vertüdt, total perridi y. abe Gott jet 
Dan, jehr unge jährlich!“ 
TUM aute die Achſeln und ſang voll puri. = 
Dod leider ijt bem Damen pum = 
Der: ngſte Leutnant lieber . 
^... €djvanun drüber! Echwanm britberl 
dio, Caſar! Grüß mir Kat Lichtenberg!” 
Und fie ftellte bie Veilchen wohlgemut ins Wafer. 

Die große, jchmwärmerifche Verehrung ihres jüngiten 
— amüfierte fie föniglich, denn fie jah in Der- 
felben nur bie Betätigung ber Thatfache, daß es jehr 
leicht it, fid aus einem Widerſacher einen Freund M: 
Ichaffen, - — wenn mans nur verficht, e CTUM ane : 
PU | a : — 

* 
* 

Der. ed mar gekommen und Der Spiel iid in 
Tante, Augujtes Bimmer ftand nahe dem gellfuifternden : 
Kamin. pu 

Bequeme Eefiet, herrlich Duftender E melher 
— der Kälte wegen, mit dem Thee wechſelte, eine 
mild gedämpfte Lampe und auf dem Nebentiſch ein höchſt 
appetitlich arangiertes Abendbrot, das waren wieder Die 
erften, ungeheuer behaglichen Eindrucke, welche den Dber- 


amtmann empfingen, als er ſehr präciſe, ſchon euas por 2 


fieben Uhr, zur Schachnartie erfchien. 
Er trug feinen braunen Hausrod bon fer ‘alter: : 
würdigen Schnitt, welcher Frau von Quintach zu bem 


cela n 


Dod) entzückten und gerührten Ausruf veranlaßt Jatte; 
Ganz denfelben trug ehemals mein Mann!” — eine 


Aufinerffamteit des feligen Barons, welche ber alte Striefel- = 


bach geradezu als Ovation empfand! 
Die Tabatspfeife ftrebte neugierig aus der Taſche 
‚hervor, und mur ber [efr Hohe, fteifgejtärfte Kragen und 


bito Manfchetten zeigten an, daß ber Nentier fic) bei 


aller Gemütlichteit bod) des vollen Bn wer por Damen — 
bewußt mar. : 


Das faltige, jonit martialifd blickende Seficht, — [o 


bem ftruppigen, weißen Echnangbart, blickte ganz verz 
ändert, yip unb vergnügt in bie Welt, und ein 
allerlicbfter, flenter Strauß in fteifer Papiermanjchette, 
welchen ber Bejucher feierlich im der Hand trug, bewies 
cå, daß bie Leute unrecht Hatten, den reichen Krieſelbach 
| einen Geizhalz zu nennen. Das war ev nicht. : 


Gr gehörte unr zu jener Sorte wuntderlicher Menſchen, = 


elite bor Verzweiflung die Hände ringen, wenn fie ein 
Streichholz oder ent Yutterbrot abgeben jollen und bei 


folder Verſchwendung den Bettelſtab bereits zwiichen den — 


Fingern fühlen, andererſeits aber große Summen bercit 
willig Hingeben, ober bie generöfeften Stiftungen machen, 
ohne mit einer Wimper zu zucken 

Der Oberamtmann ärgerte fich, wenn feine lieben 
Bekannten ihn als reichen Mann ausnußgen wollten, wenn 
ſie bei ihm naſſauerten und nicht Daran dachten, durch 
bie fletuíte ieu 4 pher Oxatieiing ihren em 
abzujtatten. 


- DT oe 


ES verdroß ben alten Herrn, bafi alles, was er that 
und gab, nur wie feine ,,berdanunte Pflicht und Schuldig- 
feit” aufgefaßt und bireft beanjprucht wurde, obwohl ihm 
weder feine Stellung, noch fein Name irgend welche Wer- 
binlichteiten auferlegten oder ihn zur ‚offiziellen Perſön⸗ 
lichkeit machten. 

Die gaſtliche unb ſelbſtloſe Art unb Weife, wie er 
im Wieders ſchen Haufe aufgenommen ward, that bem 
einſamen, verbitterten Mann unendlich wohl, und der 
Genuß, einmal wieder jo recht mit voller Paſſion dem 
Schach Bulbigen zu können, beraufchte ihn geradezu. 

Frau von Quintad) hatte fid) als eine ebenfo liebens- 
würdige, wie jpielei[rige Dame entpuppt, e8 herrichte 
zwijchen den beiden Leidensgenofjen eine geradezu Himm- 
liſche Eintracht, denn jeder erblidte in dem andern einen 
Wohfthäter, bie tödliche Langeweile zu kürzen. — 

Tante Auguſte fand fo viel Gefallen an ihrem alt- 
ritterlichen, paffionierten Partner, daß e8 ber fünjt(idjen 
und mwohljchmedenden Mittel Melis, ihre Grobheit im 
Baume zu halten, auf bie Dauer faum bedurft hätte, 
Die Galanterie be8 alten Herrn Schmeichelte ihr, 
feine Berficherungen, noch nie eine jo edle, gütige Spiel- 
partnerin gefunden zu haben, wie fie, reigtem ihre Eitel- 
feit, dieſe Begeifterung dores neuen Freundes nach Kräften 
zu erhalten 

Eo lächelte ihr blafjes, ſpitzes Gefichtchen auch jebt 
jo holdielig voie bor fünfzig Jahren, alS der Oberamt: . 
mann ihr mit feierlichem Kratzfuß entgegentrat und feine 


a ee 


Blumen überreichte, ihr dabei bie Verficherung feiner 


dienftwilligen, gehorſamſten und uueebehaglichlien Devoe p n 


tion in das Obr freind. 

Frau von Quintad mar entgüdt und nahin fid) vor, 
ben feharmanten Berehrer zum Lohn gleich ein paarmal 
nacheinander gewinnen zu laffen, und Refi, welche hinter 
der Portiere ftand, ftrahlte beinahe mod) intenjiver wie 
die Tante und rüjtete wohlgemut zum Angriff. 

"mer fachte voran — immer jadjte voran! 

Daß ber Herr Oberamtmann nachfommen fann:” 

Bald waren die beiden Gegner im eifrigften Chad: 
turnier begriffen, und e8 währte nicht lange, jo dröhnte 
die Stimme des Oberamtmanns wie Pojaunenflang 
triumphierend durch bie Stille: „Hohe! Dae war un- 
vorjid)tig gezogen! — Hier: ‚den Singer drauf — wir 
nehmen ifn!’ — Ex est! ... matt, meine ll 
ſchachmatt!“ 

Tante Quintach rang —— etwas bie Hinde 
und verficherte, gegen folch einen Meijterjpieler könne fie 
beim beften Willen nicht auffommen! Cine Artigfeit, 
welche den ritterlichen, alten Herrn nun wieder feinerjeits — 
zu den kühnſten Elogen hinriß, welche felbjt der verbürgten — 
Thatiache gedachten, dak Unglück im one bod) mur 
Glick in der Liebe bedeuten fünne! _ 

Tantes Auguftes harte Stimme liong battiber u 
munterftem Gelächter, und obwohl fie ihr Gegenüber 
einen unverbefferlichen Spötter nannte, welcher ſelbſt ihr 
graues Haar nicht ſchone, zupfte fie bod) recht fofett an 


1 
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p 410. — 


ihrem hohen Eyibentopfpuß herum in rod, mit zierlich 


abgeſpreitztem kleinem Finger, an dem Blumenftrauß, EG 


ebenfo graziös mit demfelben Bantierenb, pie wetland — 
grau Frieb-Blumauer, wenn fie als Frau Marthe Wit 
Mephiſto im Garten promenierte! a 

Diefer Augenblit deuchte Fraulein von ee gm = 


Vorgehen geeignet. 


Cie trat haſtig, gang wie von magai s eim, umb bez 


n | = grüfte den lieben Herrn Nachbar mit der ihr eigenen, 
jo gewinnenden Freundlichkeit. — 


Der Oberamtmann tauchte. mit es Seficht 


aus feinen Sabatswolfen auf, unb man Jog eB Im an, — 
daß er fid) ehrlich freute, bie Saum all T großen 


Glückes wiederzujehen. 
„Endlich, mein gnädiges Fräulein! So lange haben 


Cie uns Ihre liebenswürdige Gegenwart vorenthalten” — — 


tief er mit ununterbrochenen Berbeugungen, welche aug- 
jahen, al3 habe der liebe Herrgott dem alten Rriefelbach 
nur ein einziges Gelenk in der Nähe des Kreuzes verz 
lichen — „da haben Sie mid alten Kerl fo weich unb 
warm hier ms Neſt gelebt, mir für bte huldvollſte Goönnerin 
george. — — diesmal ein Kraki ng. gegen: Tante Au- 
gufie, welche zwar nicht recht verftanden hatte, aber eine 
Artigfeit vermutete und. darum allen Sticbreig in ihren 
Zügen aufblühen liek — „und bleiben dennoch Tag für 
ag fern, daß e3 mir nicht mal möglich ift, Ihnen zu 
danken, meine Guddige!” 

„Sie fehen daraus, mie wenig ich auf D Dant gerechnet 


habe, mein befter Herr Krieſelbach!“ nite ihm Refi herze 
lid) zu und lieg fid) ſehr müde in einen Seſſel fallen. 
„òh hörte, dağ man hier im Salon Heiter unb. guter 
Dinge fei, und das mar eine. große Freude Tar mich, au 
welcher id) par distance teilnahm!” - 
„Par distance, das ijt e8 eben!” und der Nentier | 
paffte eine mächtige Wolfe. „Wir hätten uns ficher noch 
wohler gefühlt, wenn das guädige Fräulein fich das 
Schachſpiel mal in der Nähe angefehen hätte!“ 
Refi jeufzte: „Wie fam ich arme, gepfagte Perſon 
wohl zu joid) einem friedlichen Stündchen fommen! Cie 
glauben ja gar nicht, beſter Herr Oberamtmann, wie ih 
in den legten Tagen ganz Maifenburg abgel aufen habe, 
um ein pajjendes Negimentshaus zu finden! Ich habe 
den Auftrag, ein folches zu bejorgen, nun mal übers 
nommen, und da Hilft alles nichts, ich muß mir bie Lunge 
aus dem Leibe laufen, e$ zu beſorgen!“ | 
„Hm... Soumermetter . .^ ber alte Herr 30g bie bujchigen 
Brauen jer hoch, uud haben Sie nun was gefunden ?^ 
Nefi ſchüttelte troftlos den Kopf: ,9tod) immer nicht, 


überall ijt ein Hafen dabei, — ich fürchte aud), ich werde 


nod) Sehr viel Laft und Mühe haben ...^ 
„a zum Teufel — bitte gehorjamft um Gufidubi- » 
gung, menn ich geflucht habe — gum Schoebomben- — 


element — Io nehmen Gie doch meinen alten Bunputim e 


in ber Burgfiraße . . . ficht ja bod) leer .. . unb... — 
fm . . . ware nod) beffer, wenn Sie fid abfeben olen, 5 
wo bas Haus nun mal ba iſt!“ 3 


— 419 — 


Nefi marlierte koloſſales Entzüden: „Sie wollten? | 


Sie wollten wirtih? — D, Sie herrlicher, gütigiter - | 
aller Manner, — das hatte ich mir ja gar nicht mn n 


fajjen, nachdem Cie mir neulich rundweg ertlártem . 
Kriefelbach faf eim wenig verlegen aus und nad ; 
eine wegwerfende Handbewegung. Renlich! - — pab. 
lächerlich ... war ja nur um des Prinzips willen ... 
hatte ja ae gar nicht bie Ehre, das gnädige Fräulein 
näher zu kennen . . ift ja jebt ganz was andere! — 
Alſo Sie nehmen das Haus und damit bafta” — 


Er ſchob bie Shachfiguren auf dem Brett zufammn 


und fuchte feine Berleqenheit hinter einer möglichit mar- — 


ttalifchen Miene zu verfteden. Refi aber fafte feine ii kan 


und Pu fie in größter Grfennt(icbfeit. 
O, welch einen Liebesdienft erweiſen Sie mir be 
buh, un teuerſter Herr Oberamtmann! Ich bin felig, 
nun bie Gorge [o8 zu fein! Aber Da wir mal bei der 
Cahe fmd, wollen wir bod) gleich auch bie gejchäftliche 
C eite berühren! Wie Hoch würde fidh bie Micte des — 
Hanſes mit Garten und € Stallungen belaufen 2^ | 
a rührte etwas nervös in ber Pfeife, 
Du... Gabe: Immer‘: taufendzweihundert Mark 
crete ponnn —" fuurrte. er, „°S find biele und große 
Räume, auch ein Saal, der leicht noch vergrößert werden 
fami oos a 
„ber fin biß chen baufällig durch bas lange: Leer: 
iteben? —^" — 
„Om. .. muß daran reparieren laffen, — oe follen 


ee BIA m - 


alles in tabeffofem Zuſtand erhalten, — fchon um ber 
Küraffiere willen... . aus Rameradichaft ... und darum 
mag bie Miethe e auf neunhundert Mart herunter⸗ 
Geben... ^ 


Refis Jubel unterbrad) ihn. Gie — fi fo une 
geheuer und feierte den alten Serm mit jo viel begeifterten —— 


Worten al höchſt generdfen Mann — als Wohlthäter : 
des Regiments! — und rau von Quintach ftünmte mit 


ſchmetterndem Organ bei, — daß ber alte Herr ſchmun-⸗ 


zelte und fich behaglich fühlte, wie ber Mater im Sonnen- : 


ihein, aber teils aus Bejdheidenheit, teila aus Rührung — 


die jchöne Scene abfürzte, indem er heftig an dem Shad- 
brett rüttelte und bürbeipig rief: „Ad was — ift ja 
gar nicht der Rede wert! Su bie Erhranfen, Frau 
Baronin! Das Turnier beginnt! Run holen Gie fich die 
Königin mal zurück!“ 

Ich werde bem Offigierforps Ihre jo jebr gütige 
Offerte morgen jofort unterbreiten und fage Ihnen dann 
gleich morgen abend Beicheid, bejter Herr Krieſelbach! 
Aber fagen Sie — ift Ihnen fieben Uhr nicht zu pät? 
würden Cie nicht lieber ion früher fommen ...^ 

„Hm — gern, — jeher gern! — wenn man im - 
beiten Spiel ijt, fommt einem jedesmal die Nacht über den = 


Hals, — und ba gehören alte Leute ing Bett. Sch ſpreche p woes 
mur pon mir, — nicht etwa bon der guibigiten Frau m 


yo, Sie Shmeidler!” 
„Bortrefflich! Mjo kommen Cie morgen reiben, io 
bald wie Sie Bes und Vus haben — B 


— AtA 


„Mir find Cie jtets willfommen, lieber Freund!” 
So werde ich mein ‚Herz meine Ube fein laſſen!“ 
Wie fharmant gejagt! Ach ja — unfere gute, alte | 

Beit, ba waren die Männer nod) ritterlich! . . -~ 


Mefi trat burd) bie Portiere in beu Nebenſalon zurück 


Sie lächelte ſehr zufrieden. 
Einen Schritt näher, — am Biel. iid niht, — aber 
aud) daS mirb erreicht werden. 
Und Tante Refi fehritt gurüd in bie erfte Etage, 100 
im Ehzimmer fünf Gebede aufgelegt waren. 
Sie ftarrte geradeaus und jenfte momentan bag 
Haupt in Die Hand. | 
Blaß und alt jab das eben noch fo lachende, frijde 


^ Geficht plößlich aus; wie feine Schmerzenslinien fentte 


es fid) mn bie Mundwintel, und die Lippen fchloffen fih 
feſt und herb, wie bei einem Menichen, deffen Ceele in 
einem Kampf ringt, bon Ran ar Welt nichts ahnen 

joll und darf. | 

Heute morgen hatte nes einen fango Brief von Rron- 
itabt erhalten. E 

Er war „Meine liebe, vertraute — uber 
jchrieben, und fein Snhalt redjtjertigte dieſe Anrede. 
Bekenntniſſe einer jchönen Seele! 

Ein Sehufuchtsjeufzer nach Glück und. iebe, — ein 
zaghaftes Andenten, wie es um ihn beftellt fei. Er 
liebt! Gr liebt Martina Gollnow, — aber bie Bweij el, 
ob er, ber alternde Mann, imſtande fei, dies junge Herz - 
in wahrer Liebe zu gewinnen, martern ihn, unb der 


— 415 — 


Jéunjd zu forfden unb zu erproben, füllt feine Seele 
mit zehrender Glut, | 

Gr möchte fie noch näher fennen bout — nod fo . 
manchen Blick in ihr Geelenleben thun — aber wic 
bas? Auf feinen Bejuch in ihrem Clternhaufe erfolgt 
feine Einladung, in anderen Salons trifft er fie nicht, 
und feit mit dem geftrigen Tage Tauwetter und Regen 
eingetreten ift, hat er aud) feine N mnt, fie 
auf dem Eije zu jehen. 

Das Barometer behauptet — , das milde 
Wetter fel nicht von Bejtand, aber wer garantiert das? 
Und feine Ungeduld ift fo groß, — franfhaft geradezu. — 
Wenn ein Menfch, der fein Leben lang gejund gewefen, 
einmal ernftlic franf wird, jo geht es meilt auf Leben 
und Tod, — unb auch Ahat Kronjtadt, den das Fieber 
der Liebe fo fpät erft erfaßt, fühlt, daß es ihm Hers D 
unb Ecele in verzehrende Gluten taucht. v 

„Helfen Cie, Tante Refi! Liebe, teure Freundin, die 
für alle Rat und That hat — helfen Sie auch mir!” — 

Der Brief hatte in der frajtooll energijden Hand 


ber Lejerin gefchwanft. Wie grauer Schleier legte e$ fih — 


über ihre flaren Augen, und das Herz lag fo ftill und 
ſchwer in ihrer Brujt, als fet es zu pee am um 
weiter zu fchlagen. — | 

So mar e8 alfo wirklich ditam: [0 mar e$ 
Wahrheit geworden! — Nicht überraichend, — fie felber 
hatte ja die erjten feinen Fädchen zwifchen den beiden 
angejponnen, fie felber Hatte den Funken angeblafen, daß 


— 416 — 


er zur Flamme ward. Weil fie überzeugt mar, bap er — 


glücklich werden würde. a 
Hatte fie Damals nicht gebebt und bie fatten Hände 
voll namenlojen Wehes gegen das Herz gepreßt? Nein! — 
Sie mar mutig unb ſtark gemejert, — bie Blige flammten 
noch fo fern — fo fern am Horizont, daß mam fie voll 
Freude beobachtet, wie ein ſchönes Feuerwerk, welches 
fein Gefühl der Gefahr auffommen läßt. 
Jam zudte ber. Wetterſtrahl jah auf fie nieder, j umb 


bie Donner rollten ihr zu Düupten, umd ihr Herz war Bx 
ſchwach und elend, wie ein jedes Weiberherz, wenn e$ .— 


jein Glück endgültig in Trümmer brechen ficht. 

Gr liebt — er liebt eine andere! 

‚Hatte fie es nicht lange Sabre erwartet? 

ET eim Herz — und ware e$ aud) das rejigniertefte 
und ftärtjte, möchte ganz von ber Hoffnung lajjen2 So 
lange noh ein grünes Blättchen am Baume leuchtet, 
glaubt man mod) wicht, daß ber Winter gekommen fet, — 
Nun fant es melt und tot in den Staub, und über all 
Das Stille, geduldige Dorjen wallte bae pene Bahrtuch 
von Eis und Schnee. 

Eine furze, ftille Stunde der Einamlet - — en (eter, 
ſchwerer Rampf — und die Jugend, welche nnt immer 
im Herzen des alternden Mädchens gewohnt, nahm Ab- 
jdied für immerdar. — | 

Und als fle gegangen, ward es jüll, — ruhig und 
wunjchlos jtf, wie an einem Herbſttag, wo auch noch 
die Sonne lacht, aber ohne bie Kraft noch eine Ernte 


M € tá! Py mts Nm u 


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$1.9. Gió trutb, 3i. Mdm. u: Nov, Die Regiment 


EHE. o 


zu reifen, mur mit een, milden nega die Stoppet = 
felder vergoldend. - o 
Wie ehemals, vor fangen Sube in ber Jicfibens, e 


als fie fid) fraftooll und energi[d) von bem Schlag empor⸗ 
rajfte, welcher fie burd) Eberhards Worte momentan > oe 
Boden gejchmettert, Hob Refi aud) diesmal das es . 


und überwand bie Anfechtung. 





„Liebe, vertraute Freundin!“ wehe ihr, wenn fie pice T a 


eae heili igi jte Buverficht täufchen wollte. — 


„eur Die Herrlichſte bon allen 
Goll beglüden jeine Wahl — 
Und ich will bie Hohe fequen, 
Gegnen viele taufenbmall^ 


Konnte man ein jchöneres, paſſenderes Paar mom = 
pie Martina und Adhat? oe 


Gewiß nicht! Und was auf Gottes weiter Welt = 


fonnte wohl Refi nod) mebr beglüden, als ben Geliebten 
glüdfid) zu fehen? — 

Was wird ifr genommen Durch die bac? 

Nichts! — Das, was fie liebt — ihr Ideal, bleibt 
ihr eigen für Beit und Cwigfeit, und bie Myrte, welche 
He al3 „ewige Braut” voll unfichtbarer Schönheit im 


Haare trägt, bie melft und mechjelt und verwandelt ſich ; 


nicht, — weder in Eilber, nod in Gold, = fie grünt 
und blüht für immerbar. — m 

Und Refi hob lächelnd das bleiche Antlitz und fchrieb 
an Martina die Bitte, im Verein mit Käthchen heute - 
abend den Thee bet ihr zu trinken! | 


49 — 


Das Briefen be8 jungen Mädchens, welches. die — 


dankerfüllte Zuſage brachte, packte fie ein und. jandte eg 


mit ein paar herzlichen, wo treuen Worten an a 


Stronjtadt wetter. - pm 
Der Tag mit feinem Safits und Traba — 
He ut Anfpruch und ‘fpendete feinen S8aljam, ihr 


frifcher, humorvoller Cnm, welcher nie auf Rollen E 


einjchlief, fpann weiter an Dem feinen Netden, 


welches fie um den alten Krieſelbach gezogen, und als 


die Pflicht gethan — fie Quas und partes, 
ihre Güfte. 

. Da war es Abend — und ftt Mo einjam — und 
bie Blumen bujteten fo geheinnisvoll und voll weher 
Süße... das machte mid. — 

Mody Mandl jchauerte das Hersweh durch Nefi hin, — 
fie prepte bie Hinde ‘por das Antlitz und betete. „Gib 
mir Kraft, Herr! — mad) mich ftarf, dap ich nicht zur — 
Verräterin an mir fe (ber werbel o e 

Und fie war ftarf. 

CDL Antlib. lächelte und ihr Mund berate iius 
ihre Mugen jafem, wie er die andere liebte! — | 

Eberhard ließ jid) im [eten Augenblid entfchuldigen, 
er mitije Dem Oberſt Geſellſchaft leiften, dafür. erichien 
Kat Lichtenberg überrajchend und überreichte: Tante Refi 
mit gürtlicbem SS eine Rofe; er follte bei Tiſch das 
fübide, luftige Käthchen unterhalten, — vergeblich, — 
er hatte nur Augen und Ohren für die Birtin, und 
während Martina und Seronftadt fid) febr gemeſſen unb — 


— 420 — 


feierlich unterhielten, midi er „einer madonna Theresa” 
fo ungeniert und auffällig den Hof, daß ein harmlojer | 
Bufchauer wohl im Zweifel gemejen wäre, wer von dieſer 
Tafelrumde am unheilbarften bon Gott Amors vel 
nn i — E : 








Hp ittmeijter pon Wieders rüftete Hd) unter jämmer— 
x lichftem Weh- und Ach-Geftöhn, um bie liebe, ; 
"- perhdngnisvolle Coufine Felicia von ber Bahn 
abaa 
Das gelinde Wetter hatte nur einen Tag lang augedauert 
und dann noch einer grimmeren Kälte, wie zuvor, Blab 
gemacht, darum fappte Eberhard ben Nodfragen hod) 
und verſchmähte es nicht, in bem geichloffenen Wagen, 
welcher die junge Witwe vom Bahuhor nad) ber Wieders ſchen 
Wohnung befördern follte, Pag zu nehmen. N 
wedesmal, wenn er in das Coupé cinjtteg, empfand 
er e3 recht jchmerzlich, daß er bod) ein recht wohl 
a Kerl jet und mit der Zeit recht bequem würde 
Ter Cib deuchte ihm ‚nicht weich genug gepolſtert, 
mar zu ſchmal und eng — furzum, eS [dien ibm recht. 
an ber But, einen fomfortabeln Sandaner anzujchaffen, 
denn bie Jahre, während welcher er mit Neji befaglid) - 
Raum im biejem Coupé hatte, wenn fie zu Spiel und 
Tang fuhren, waren verraufcht, und ein Mann, welcher | 





— 422 — 


an ber Majorsede angelangt ift, fann vor allen 2 [oU 
jeine Bequemlichkeit beanjpruchen. | | 
So rollte Herr bon Wieders — das Bets bon n bangen 


Sorgen erfüllt, einer Confine entgegen, im welcher er das 1 | 
Sdhreclichfte, was einem älteren Sunggejellen vorjchmeben ne 
fann, erbliden mußte, — cine Heiratsfandidatin, ein — 


unheimlich, - unberechenbar bösartiges - Wejen, welches — 
pelypenartig bie Fangarme nad ihm ausſtreckt, ein Un: 


eheuner Dazu erſchaffen, all dem ftillzufeiedenen. Oli 


ſeines beſchaul ichen Hage] to jones: cin Ende voll Deed | 
zu bereiten! | | 
Freiheit, die ich weine) — 
die Freiheit, welche er meinte, blahn nicht bei 


bie Couſine 


Shwerſallig, mit dide, etterte 
er aus dem Wagen heraus und ug die I ee gu bent 
Bahnhofsgebäude empor. — 

Der eiſige Windzug, welcher tun ie Halle vi, 
das Tifen und ürmen, das ſchrille Glodenfignal hez 
rührten | eine alterierten Nerven noch viel amjympathijher. 
wie ſonſt i und dag cingi qe Gefühl der. Genngthuung, — 
welches ‚momentan feine Heldenbruft jchwellte, war das, 
fid) glüdl id erweiſe nicht übermäßig beeilt zu Haben, 
Warten brauchte er mum wenigitens nicht, denn ſchon 
ſauſte ber € Schnellzug mit feinen beiden impertinent gl oßenden 


Feueraugen auf den Perron, und Eberhard iprad) eim — 


lebtes Ctopgebet und jtürzte fid) nach ber Mee wo : 
er bie erfte Klaſſe vermutete, : 


— 423 — 


Es ſtiegen nicht viele Baflagiere berjelben in Maiſen— 

burg aus; eine Hobe, ſchlanke Frauengeftalt fprang leicht: 
füßig das hohe Zrittbrett herab und jtellte goug eine 
Menge Handgepäd nieder. 
Der Xatermenjdjem fiel auf ihr Gef Hd, und Su 
von Wieders jtarrte fie ganz betroffen am, — fo nett 
hatte er bie fleine Felicia, das arrogante Prinzeßchen, 
ja gar nicht in der Erinnerung! Diejes freundlich milde — 
Geficht, mit dem Ausdruck großer Beicheidenheit unb — 
Herzensgüte .... alle Donner, das ijt ja eine angenehme 
Überrafchung! | 

‚Meine quübigfte Coujine Selica“ id er, Die 
Sporen zuſammenklappend und mit ſchnellem Schritt 
neben der jungen Dame jtehend, um ihre Hand zu ere 
greifen und fie höflich an die Lippen zu ziehen: „Es 
freut mich ganz bejonders, Cie als lieber Gajt bei uns 
willfommen heißen zu können! | 

Die Fremde ftarrte ihn aufs höchſte betroffen an, 
und ihr lächelndes Geficht ward jebr rot. | 

„Pardon, Herr Nittmeifter — die geai Baronin 
ift noch nicht ausgeſtiegen — 1^ 

Und gleichzeitig ertinte eine fcharfe, fernije Gimni 
von droben aus bem Coupé: ‚Selch eine Taktloſig⸗ 
feit, Wilhelmine, fold einen Srrtum zu provocieren! — 
Hier — nehmen Sie — Maidrolle und Hutfdhadhtel!” 
und mit einer unbefchteiblich megrerjenben Gefte ſchob 
fie bie Gegenftände ber Gefellfchafterin zu, — dann - 
wandte fie fid) mit Huldvollem Lächeln an den febr 


— 424 — 


verdutzt auffepauenben üttmeifer amb quise in Di 
Hand in. dem juchtenduftenden. Handſchuh fo gnábig : 
entgegen, wie eine Fürſtin, welche ihren Vaſſallen zur 
Huldigung zuläßt. — 

„Sie juden mich, Better Sbecharh? - — Me voilä! 
Bitte, helfen Sie mir die Stufen herab, — vorfidtig! 
der Schnee macht fie jo glatt und ich habe Leila im Arm!” 

Herr von Wieders fafjte zu, als habe er eine Glas- 
puppe zu gängeln, ftotterte ein paar faudermweljche Dinge 
und ftarrte dann [pradjfos auf einen fleinen, weißen 
Eeidenfpis, welder im linfen Arm feiner Herrin ruhte 
und mit ſchrillem, feindfeligem Organ auf ihn los kläffte | 

Frau von Jegenstorff hatte ben Perron erreicht. 

„Still, Leila, mem Herzchen, nicht unartig fein, dies 
it ja Better Eberhard, ‚welchen wir beiuchen wollen, 
my darling!” und damit beſchwichtigte und tatfdjelte fie 
den feinem Soter in folh fimbijd) ajfeftierter Weife, bak - 
bem Nittmeifter abermals bie Worte ber Begrüßung, — 
welche er fid) abringen wollte, im Halje ftefen blieben. 

— Die Goufine in dem köſtlichen, jeidenraujchenden Bel- 
mantel ließ ihm aud) — Zeit dazu | 
coo Idauberte. Welch eine Kälte, welch ein fuvdjt- 
barer Wind; und in dem Waggon war eine fo Dorrenbe 
Hise! Bitte, lieber Better — Schnell zum Wagen, jonit 
holen Leila und ich und ben Tod!“ — und fid mit 
hochmütiger Kopfbewegung am bie Begleiterin endend, 
rief fie über bie ar „Sch fahre mit dem Herrn 
Rittmeiſter borquà; — - forgen Sie für das Gepack und 


er "PET 


"e itm 





— 


tourer Sie mit demfelben in einer Drofäte na, 
Wilhelmine!” 
„Darf id) bitten, gnädigſte Souiine, mich der Dame 
betannt gu machen ?^ 7 
„Dier? — jet? mon Dieu, wozu bie Umſtände — 
Das hat ja Beit, bejter Better! Ich friere, id) möchte 
io jchnell wie möglich zu bem Wagen!” 

Eberhard verneigte fid) haſtig gegen bie Gejellichafterin 
unb bot ber Baronin den (irm. „Last not least — wie 
Sie befehlen, Frau Couſine!“ fagte er troden, und führte 
Die elegante, Kleine Witwe zu dem Coupe. | 

Gr half ihr eimjteigen und folgte dann jelber, uad? 
dem er bem Diener befohlen, für das Gepäd der Baronin | 
zu jorgen und eine Droſchke für das Fraulein zu nehmen. 

„So, nun find wir gleich daheim, verehrte Frau 
Felicia |^ jagte er mit einer Stimme, welche mehr wie 
ein Aufjtöhnen Hang, und wollte an der Seite Der Coufine 


im Rückſitz Platz nehmen, gut feiner Überrajchung hatte — 


Dieje jedoch ben idjmalen, fleinen Borderfiß, ein une 
gepolftertes Holzbänfchen, niedergetlappt und ſchob ihn 
mit jehr weichen, aber qud jehr energijchen Daun 
auf dasſelbe hin, 


Werzeihen Sie, Betterden!” jagte fie mit miben, utes 


etwas leibenbem Ton — „und jeben Sie fid) mir, bitte, 
gegenüber! Leilachen ijt e8 jo gewohnt, neben mir zu 
liegen, fie femmt es nicht anders, wenn wir ausfahren — 
und Heute ijt fie jo wie fo jhon von ber Reife jo jefr — 
nervös, das füße, fleine Geſchöpf! Still bod, men —— 


cam 


Herzchen — mein Liebling! ‘Richt fo biel bellen, dad 
ftrengt bid) ja fo an —! Still, jill . . dafir.. ein 
Disfuitchen! So; min jchlaf jin!” — Und fid | chr 
ermattet. an den Nittmeifter wendend, melcher faſſungs— 
{og auf das Holzbankchen medergeſunken war, und bem 
die Ohren gellten bei dem unverſchämten Gekläff des kleinen 
Köters fuhr fie fort: „Wie mit einem kleinen Kind muß 
man mit folkhem Tierchen verkehren! D, und es hat 
auch reich lich den Verftand eines Kindes, — Leila weiß 
jojort, wer ifr wohl will und fie ficbt!. Ste glauben 
gar nicht, beiter Wetter, wie man Das allerlicbite, fleine 
Ding zu ‚Haufe verwöhnt, feiner der. Herren fommt zu. 


mir, ohne eine Näfcheret für Tarling! Alle find entzuckt 
von ihr! Mon Dieu, weld). ein jurchtbares Pilaf ter, daß 
ijt ja eine Tortur! old ffeime Städte find mir di Ss 
Grenet! Haber Sic eigentlich ein ite hendes Theater hier?” ——— 
„Bedane, nicht aufwarten zu fönnen“, ftieß Der Mitte — 
meijter. durch bie Zähne hervor. Wut und Sugrimim Ses 
ſchnurten ihm bie Kehl € gujammen, 8 fochte in ihm, bei = 


bem Gedanfen, daß er, ber in zwei Jahren Major war — 
um eines elenben Köters willen auf dieſem Marterbankchen — 
ſitzen muBte, während der infame lifer fich’S auf dem 
Polſter bequem machte. | | 
- Da fing ja nett anl 
Na — einmal ift er mit ber teuern — 9e | 
fahren, — dag erfte, aber qud) das lebte Mall : 
„Rein Theater? — Ich bitte Gie, um alles, wie 
haften Sie das aus? Da muß man ja aan 


— 498 — 


bor. Sangeet — Girfus  giebt'à ee aud) 
nicht — 
| ‚Nee - — jeder verfchreibt fid) feinen Glow dir eigene 
Roften und Gefahr!” jtie der Rittmeiſter voll teufliſcher 
Ironie heraus — aber Felicias Arroganz hörte mur 
einen: flachen Galgenhumor Sarmi. Sie lachte mehr 
hörlich wie herzlich. | . 

Sa, ja — die Mifere des. Krähminfels! Mit ben 
Modemagazinen und Stonbitoreiem wird c8 wohl ebenjo 
traurig beitellt fein! Wie hält Thereſe bas nur ang, jo 
ahr für Safr in fold) einem Net — Cie miiffen fih 
folofjal anftrengen, lieber Vetter, um fie zu eutichädigen, — 
denn. ohne das wäre e8 bod undenkbar, eiie Frau zu 
folch einem Martyrium zu verdammen!’ 
Das mar nicht ohne Ab fibt. gejagt, und Eberhard 
merkte diefe Abficht und ward mod) verſtimmter 

„òm Gegenteil, Frau Coujine. Sie fajjen bie Sache - 
faljd) auf: Es ijt wohl in erſter Linie Pflicht und 
Schuldigkeit der Frauen, den Männern em Gril an: 
genehm und behag lich zu machen. Wir entbehren Hier 
genau jo viel wie bie Damen und haben nod) unſeren 
jchweren Dienft zu thum, während jid) die meiſten 


Damen — meine Schweſter ausgenommen — nur damit -— 


befchäftigen, dem lieben Gott die Tage zu ftehlen I^ 
Das Köpfchen in dem eleganten, pertjchillernden 
Gapot hütchen fuhr ebenfo biffig empor, rie zuvor das- 
jenige ber lieben Leila: „Aber Eberhard! das Hingt ja 
entjeglich ungalant!” es 


= 


‚Das thut Die Wahrheit n meiſt eis, — mas mich aber 
niri abhalten foll, fie ftets zu fagen!” : 
Einen Augenblic herrjchte Stille, bie ſchöne Sonfine 
{chien äußerſt überrafcht, und ihre: Augen flimmerten 
durch den Gazeſchleier, wenn ein Caternenjdjet fie traf, 
Sie hatte bisher bie Marime gehabt, die Männer, 
welche eventuell als zweite Gatten in Frage famen, von 
vornherein „zu erziehen“ und fie auf bem Standpuntt 
zu ſtellen, welchen ſie ihnen einräumen wollte, | 
Diejenigen Herren, welche der reichen Witwe Huldigten, 
liegen. jid) das. gefallen, aber der Majoratsherr von 


Wiedershagen war allen Anschein nad) Dod) wicht |o UM 


leicht zu nehmen, wie [te gedacht. 3 
WiederShagen! Eeit fie vor adt Tagen bie Bilder = 
des Echlofies gejehen n, Deuchte ihr t Dejjen 2 Befiker bod) * 
recht. begehrenswert. - 
Alſo bie Taftif etwas gout — der zn 
gibt mad). ER 
Und darum Tabte Felicia qud) Hell auf aub legte i 
anmutig ihr auf den weißen Miil itärhaudfehuf 
DeS Letters. — 3 
„Sa, Sie find ein ust. Eberhard; arab unb 
ehrlich, immer wahr heraus, wie man es eben leider 
nicht mehr oft findet! Das üt Idarmant! Und wenn | 
mam jo. ‚viel. guctevitige 9tebensarteu zu hören befommt 
amb mito jo viel Schmeicheleien traftiert wird, wie ich, 


dann thut ſolch ein aber biederes — jeg. | me 


me Qi 


„So werde ich nicht ermangeln, Ihnen recht oft 
folche Wohlthat zu erweiſen!“ antwortete er troden und 
überlegte, bei welcher Gelegenheit er dem verhaßten 
Hundevieh ben erften Tritt verfeben fonne, — gleich— 
zeitig öffnete er den Wagenſchlag und. jprang zur Erde, 

Man war daheim. angelangt unb a faut dem. 
lieben Befuch Dajtig entgegen. 

Die Begrüßung erftickte in Leilas wimba Gebelfer, 
und Eberhard beobachtete mit ungeheuer vieljagenbem 
Blick bie (ächerlichen Umftände, welche mit dem ‚Heinen 
Scheufal gemacht wurden. 

„Heft Dit. warme Mil dj im Haufe, - fiebfte Gferde? : 
Sie nimmt zum Abendbrot etwas Sehe in Milch und 
feingehackten Edhinten! — Wegen ihres Bettchens be— 
ſprechen wir uns nachher, — die Kiffen führe ich bei 
mir, jchöne, hellblau jeidene Kißchen, nicht wahr, meine 
fife Shagi? Anders jijlüft mein Heiner Lieblin: g nicht ! 

Much Refi fchien etwas betroffen, ifr Blick huſchte 
beinahe angſtvoll nad) dem Bruder, welcher regungslos, 
wie ber Koloß von Rhodos, neben ben Damen auje 
gebaut ftand. _ | 

Rommſt bu denn allein, Felicia? Du meldetft nir 
bod) aud) eine Geſellſchafterin an?“ 

Das vollwangige Geſicht der jungen Witwe nahm 
etwas jehr Abweiſendes ON. d, Das BEE von 
pibtird, — fie fommt mit bem Gepäck i : 

„stäulein von Dipfird) 2!“ = : | 

Felicia ſtreifte den Handſchuh ab. „30, ja! wundert | 


— 431 — 


Cie das jo, lieber Vetter?” zuckte fie gleichgültig. bie 


Schultern. „Eine Generalstodjter — bie alte Geſchichte 


von ber Dffizieramijere! Solange Der Bater lebt, wird -— 


drauf losgewirtſchaftet und in Saus und Braus gelebt, — 


und wenn dann Gehalt unb Penſion wegfallen, nagt 
man am Hungertuch! Dann follen bie Töchter Stellen 
annehmen und fich bei anderen Leuten ihr Brot ſuchen! 
Gelernt hat aber folh ein Damehen nichts, und leiften 
fann fie aud) M barum hüten fid) bie Hausfrauen, 
folch ein verwöhntes Fräulein zu engagieren! Sch natür- 
lid), in meiner grenjenlojen Gutmütigfeit, Babe mich 
breit ſchlagen faljen, ſolch eine Generals göhre zu nehmen, — 
aus Barmherzigleit, lediglich aus Opfermut und Gr- 
barmen, denn — du ‚lieber (ott, man hat: bod) aud). 
feine Sieligion und mag fo ein Wurm nicht verhungern 
laffen! Aber Freude erlebe ich nicht am diefer edlen 
That; eS ſteckt zu febr in ſolchen Mädchen drin, dağ 
fie ‚au‘ Dame find! — Der Dünfel der alten Generals- 
herrlichfeit bleibt: Haben Sie e8 nicht felber beobachtet, 
Eberhard? Läßt fid) die Pe EN eon von Ihnen 
bie Hand füffen!” - 

karan war fie fatti angudi 

yan Sbren Augen, ‚lieber Vetter! Waa weih ein 
Darmíojer Mann von folh Kleinen, geſchickten Siniffen! 
Aber wie bem aud) jet — ich bitte euch dringend, Kinder, 
pon vornherein dem Fräulein den richtigen Standpuntt 
anzuweiſen! Gie ift Gefellichafterin, — voilà tout. Ob — 
Fraulein ‚von‘ ... oder Fräulein ohne pont — ob 


= 432. — 


Generals: oder Schuſterstochter — mwas eine dienende. 


Stellung beffeidet, ift — Magd! unb barum bitte ih — — 


ochmals dringend, verwöhnt die Mamfell nicht, e3 fiben 
ihr gerade nod) genug Mucken im Soie, und ich, Er 
unter Denjelben zu leiden!” — | s 
er a jagte Eberhard und fuuchte pains i in Refis ! 
Seficht zu fehen, — fie hatte fih abgewandt und ime | 
ftruierte Dörte, der Frau Baronin im Srembenginimer oe 
beim Ablegen behilflich zu fein. 
„Momentan nehme ich bie Dienfte einer Sumgfer. | 
ind einmal in Anfpruch“, nidte Felicia quábig, „wenn 
Wilhelmine ba ijt, bejorgt diefe meine Toilette!’ 

Und fie raujdte erhobenen Haupies bie Treppe zu 
dem zweiten Stock empor, überzeugt, fid das Himmel- 
reich verdient zu haben, weil fie eine verwaiite General& 
tochter — als Wagd in ihr Haus genommen. 

Der Nittmeifter war einer der gutmütigiten Menfchen, 
welche man fid) denfen fonnte, aber die zwanzig Minuten 
auf dem M arterrojt des Tomaten, ungepo! (fterten Coupé- | 
bänfchens, welche er als höflicher Mann und Gaſtgeber | 
über fid) ergehen fafjen mußte, dieweil ber infame Köter 
fich auf dem Polſter des Fonds herumflegelte qub ihn, 
bem Befiber des Wagens, mod) mit ber empörendjten | 
Summbreijtigfeit anfläffte — dieje zwanzig Minuten 


hatten auch bet ibm bie Milch ber bus Pune — 


art im gährend Drachengift verwandelt. 
— Gájar war wütend. 


KENN ERS EDEN 0 M om = — 


Pirr ps Sits Fe —— 


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Rn. ECldfiruth, 82 


— 434 — 


den erem, beiten Stuhl unb muchtete mit langen 
Schritten in dem geräumigen Hausflur auf und nieder, 
dieweil ber glutatmende, amerikanische Dien feine grellen 
Lichter durch bie Blaneigfosfodtur über fein Drauendes 
Antli warf. 

Wie ein Hohngelächter ging eS durch bie Ceele des 
Ichwergefränften Rittmeiſters erfter Klafe. 

Diejes Frauenzimmer jollte er heiraten! Dtefe gez 
zierte, alberne SBerjon, welche fid) auipubt wie ein Pau, 
welche mit ihrem mibrigeu. Hundevieh icharmiert und 
tätfchelt wie mit einem leibhaftigen Baby, welche für die 
infame Tole ben Rüdfig im Magen beanfprudt und bas 
Kläffefel in blaujeidene Kiffen bettet — welche eine 
Seneralstochter in arroganter Eelbjtüberhebung als Magd 
behandelt — bie — die follte er heiraten? | 

Lieber am einem Rafiermejfer in den Himmel flettern! 

Und mit weld) unverjchämter Unverfrorenheit fie ihm 
bon bornherein begreiflid) machen wollte, daß e3 ein unz 
erhörtes Opfer für eine Dame fet, nach einem folen | 
Krähwinkel zu heiraten! Cin Opfer, welches ber Hod- 
beqliidte Gatte nur durch fnierutídjenbe8 Sklaventum 
quitt machen fonnte! — 

Frau Felicia ſchien jid ihres Erfolges ungeheuer 
ficher gu fein. 

Cie war überzeugt, daß e8 nur ihres glorreichen Er- 
ſcheinens auf der Bildfläche bedürfe, um den verfafferten 
Rittmeiſter einer Keinen Garnijon, wie einen Schatten vor 
der Sonne, zu ihren Füßen zufammenjchrumpfen zu jehen. 


Z2 agg c 


Cie follte fid) gewaltig irren! SE 

Wenn bisher mod) fein Mann den Mut gefunden, — 
der reihen Witwe ben Sirieg zu erklären, Eberhard 
von Wiebers fand ihn, und biejer Gedanke, Dem arro- 
ganten Frauenzimmer mal gründl ih Heimgulenchten, et 
füllte ibn mit ungeheurer Genugthuung 

Gin Wagen raſſelte heran und hielt vor ber Haus⸗ 
thür, und in den Augen des Rittmeiſters wetterleuchtete 
ein Gemisch von Schadenfreude und Oppofition. : 
. Er eite fporenflirrend zur Hausthür uud rif höchſt 
eigenhändig den Wagenfchlag ber Drojehfe auf. 

„Habe den Vorzug, Sie zu begrüßen, mein gnädigftes - 
Fräulein! fagte er mit verbindlichiter und reſpektvollſter 


SEAN, darf ich — bag Gepüd — . 


sohann! 


Gr bot bem jungen Mädchen den Arm, welches einen no 


Augenblick anys P eei, sögerte, benjelben ane 
zunehmen. — 

- PBejtet. Dank, Herr ittmeifter — gejtatten Sie, 
bitte, daß ich dieje Handfoffer mitnchme, fie find mir 
pon — Baronin fo ſtreng auf die Scele gebunden!” 

„Nun, ich denfe, mir vertrauen Sie biejelben [ou 
an!” lächelte Eberhard, nahm mit rufigem, aber fejtem 
Griff die beiden Koffer aus den Händen der jungen 
Dame, bie Griffe im jeter Mechten zu vereinen, — 
dann bot er den [infen Arm PEME, uud zwar recht 
biftatorijd) ait. : 


„Darf id) bitten — es di perteujelt talt 
28* 


— 436 — 


Wilhelmine fprang erjchroden aus bem Wagen, legte — 
ihre Hand leicht auf den dargebotenen Arm und eilte an 
der Eeite des Hausherren bie Treppe empor. 

„Um alles in der Welt, Cie find bei diejem Wetter 
ohne S&opibebedung und Paletot“, rief fie mit ihrer 
weichen, mefobijdem Stimme, „wie durften Sie fid) da 
um meinetwillen auf bie Straße begeben, Herr Nitt- 
meifter !^ : 

Gr lachte und machte in bem. warmen Hausflur halt. 

Ich batte es redt eilig, Sie alg lieben Gaft in 


das Haus zu holen, Fräulein von Higfirh! Confine .— 


Felicia fror ja auf dem Bahnhof derart zum Eiszapfen, 
daß fie nicht mehr die Kraft fand, mid) Ihnen vorzus - 


stellen. Sch möchte das Verſäumte nun felber nachholen, — 


obwohl e& faum noch nötig ijt, einen Namen zu nennen — - 
wir tennen uns bereits!" —— 


Er reichte ihr bie Hand und ſchüttelte unb drüdte _ 


fie ihr fo herzlich und bieder, als fei das jchlanfe, blajje 
Mädchen nicht bie blutarme Gejelljdajfterin, jonbern bie 
reiche, umworbene Witwe in höchjteigener Berjon! 
Wilhelmine hatte den Schleier zurücdgejchlagen, über 
ihr Geficht, mit dem fo Deiterem und bejcheidenen Aus- 
bri, flog ein lebhaftes Not. | 
„Bie lichenswürdig Sie mid) aufnehmen, Herr 
von Wieders!” fagte fie mit banfbar leuchtenden Augen, 
‚hold ein freundliches Wort Des Willfommens thut jo 
wohl in ber Fremde” — - | 
„Möchten Sie fid) bei uns wohl tübfen, à wie in der 





— 4388 — 


Heimat! So viel id) weiß, ift Ihre eine ſüd— 
Deutjche ?" 
Cie nite. „Wir find am ber Donau daheim! 
ue Herr Bater ftand eine Beit lang i in. Straßburg?” 
Sie jah erſtaunt auf „Dod nicht, — er hat viele 
Garnijonen fennen gelernt, aber gerade Straßburg? — 
nein, id) wüßte uidit einmal, daß ein Namensvetter zeit: 
weile dorthin verfeblagen worden wäre!” 

„So irre id ma wohl. a Herr fier mat 

Sufanterift 2^ Dus 

Jud) dad. nit, par bon Wieder. Er it bei Der 
Artillerie groß geworden und ae E das Re— 
giment in Neu⸗Grüſch““ 

Ah richtig, daher! Seht entſinne ich mich! So viel 
mir namlich vorſchwebt, hatte ich ben Vorzug, Ihren 
Herrn Bater perfönfich zu fennen, — e3 muß während 
des Manöver gewejen jem, als id) bei den Huſaren in 
D. jtand. Bir müjjeu da mal nachforjchen, mein gnädiges 
Fräulein — aber Sie ſcheinen müde unb mwünjchen ift 
Zimmer anisufuchen 

Wilhelmine hatte während Der Unterhaltung eine 
ängftliche Unruhe nicht verbergen fönnen, Shr Bue flog 
wiederholt nad). ber Treppe und fie neigte Hd, Die 
Handtaschen zu erfa ifjen. Mit Hehendem BI id jab. i in 
Eberhards Numen. ———— 

„O nein, müde bin id) nicht, aber i tas sic, 
daß Frau Baronin mich vermißt. Cie liebt e8 durchaus 
nicht, wenn ich mich unterwegs aufhalte, und darum 


wu dd. ec 


bitte id) zu verzeihen, wenn id) mid) ibr jo tou ic 


möglich aur Verfügung stelle I^ | 
„Wie Sie befehlen, mein guädiges Fräulein! Johann! 
Die Koffer kommen nad) oben!” — Und fid) abermals 
zu Fräulein pou Hitzkirch wendend, bot Eberhard wiederum 
galant den Arm und nahm bie Handtajchen an fic). 
„Sie gejtattem, daß ich ben Weg zeige!” 
Fräulein pon Hisfich ward abermals dunfelrot. 
Sie zögerte und blidte lächelnd zu bem Rittmeifter auf. 
„Sch danke Ihnen verbindlich{t für Shre jo große 
Güte, Herr von Wieders, und bitte Sie injtünbigit, mich 
nicht allzuſehr durch biejelbe zu verwöhnen, Frau 
Baronin liebt es durchaus nicht, wenn ich Höflichkeiten 
annehme, welche mir nicht zufommen —^ — = 
„Das ijt Anfichtsfpahe — : 
Cie blidte zu ifm auf, fo rührend ehrlich und 
pinu Daß er ihren Arm frei gab. | 
Sie verftehen mid) wohl, — auch ohne Worte, Herr 
von Wieders, und find gütig genug, mir ee N 
fetten zu erjparen i^ 
Er verneigte fid) tief und réfpetibult: „od reipeftiere 
Ihre Befehle, mein gnädiges Fräulein, peu mir 
diejelben unbegreiflich erjcheinen !^ 
Sie lächelte ihm freundlich zu, nahm haftig paa ant- 
gepád und eilte leichtfüßig bie braunen, flachen Holzſtufen 
der altmodiſchen Wendeltreppe empor. 


Eberhard aber trat jeitwärts tm fein dünne und = 


warf fid) in einen Seſſel. 


— 4410 — 


Wut und Ingrimm fchnürten ifm bie Kehle zuſammen, 
und in ber fo umvürdig behandelten Tochter [p 
Kameraden fühl te auch er ſich beleidigt 

Er trat an den —— ie 309 eine ältere 
Nanaglıfte hervor. 


Hitzkirch ikia . . Hier, dics tnie er Tei, qun 


fo — nod) ein boar Sahrgänge zurüd — aba, da haben 
wir ja etliche Garnijonen, Das genügt zur Information“. 


. Eberhard hatte nie im Leben einen Oberft von Hike _ 


fird) fennen gelernt, aber ba8 machte ifm fein Kopf- 
zerbrechen, in ber Augen der Tochter unb ber Frau 
Couſine fannte er ifn, — umd ber wadere Minchhaufen 
wird ihm beijtehen, bap er mit bolljter Überzeugungs: — 


treue lügt! — Ware ja eine Günde und Schande, wenn i u 
er leiden wollte, daß died nette, liebe Mädel ‚hier m N i 
feinem Haus wie eine Untergebene behandelt wird! Was 


für ein freundliches, qutes Geſichtchen fie hat! Gleich 
auf bem erjten Blid gefiel fie ifm, und wenn fie mit ihren 
ängſtlichen Augen fo flehend aufſchaut wie ein Vögelchen, 
deffen Herz man in ber Hand Elopfen fühlt — — Armes, 
Heines Ding! Na wart nur, ich wils deiner Donna 
Felicia fchon heimzahlen! | 








XXI. 


f 77 De bie Gäſte die Fremdenzimmer verließen, um 
Nx fid zum jpäten Mittagbrot in dag Eßzimmer 
zu begeben, fand Eberhard Beit, — Schweſter 
das übervolle Herz auszujchütten, 

Die welterſchütternde Thatſache, bap. er, der wohl⸗ 
beleibte Rittmeiſter erſter Klaſſe unb Eigentümer des 





Coupés, um eines infamen Schofhundes willen zwanzig 


Minuten auf dem Vretterbänfchen hatte aushalten müffen, — 

verfehlte ihre ungeheure Wirfung auch auf Refi nicht. 
Cie uidte nur, fichtlich entrüftet und höchft einver— 

ſtanden, als Die Schal e be8 Bornes bei dem Bruder über 


fochte und jtimmte ihm bei: Ihr lächerliches Gethue —— 


mit bem Hund hat mid) aud) von vornherein verdrofjen! 
Es ijt cine Günde und Schande, wenn einem Tiere all 
bie Wartung und übertriebene Pflege zuteil wird, bie -— 
taujenb armen Menfchenfinderchen mangelt! Wenn ifr 
liebebedürftiges Herz einen Gegenftand braucht, alle 
Härtlichfeit zu bethätigen, jo könnte fie wohl leicht ein 
armes, verlafjenes Kindchen in Pflege nehmen, aber das 
iſt ju unbequem und verpflichtet zu ioirflid) err tem 


— 443 — 


Samaritertum, welches bet dem fofetten us mit einem | 
Hund ausgefchloffen ift. — — : 
Cela n’engage à rien! — Wenn man eines Seiden: 
ſpitzes überdrüffig wird, wirft man ihn beiſeite!“ Und 
Refi legte mit Detrübtem Geſicht beide Hände auf die 
Schultern des Rittmeifters und feufzte: Ich habe Felicia 
nur wenige Minuten erft gejehen, aber fie genügten, um 
mir Die Gewißheit zu geben, daß fie feine pafjende Frau 


für dich ijt! — Um biejer Niete willen wollen wir aber — 


die Hoffnung auf den Haupttreffer noch [auge nicht auf: 
geben, Gájardjeu! Die paar Tage ihrer Anweſenheit ; 
wollen wir bie fchöne Witwe mit Ergebung de o 

dente, nach bem Ball reift fie weiter!” 


„Dag gebe Gott!” nidte Herr bon Wieders mit jehr me 


berguiigtem Gefidjt; Reſis Worte Hatten eine wahre 


Gentnerlaft von feinem Herzen gewälzt, er fühlte fidh wieder — 


fo fret und wohl wie zuvor, und das gab an all ‚feine 
gute Laune wieder: 

Was an mir liegt, foll geichehen, ihren ebon Befuch 
abaufürgen!^ lachte er. — „Und bie elende Tole reijt 
aud) nicht ohne Denfgcttel ab! — Weißt du, Nefi, ich fühle 
plößfich wicder jo etwas vom Quartaner in mir, — bie 
unbändige Luft, mein Mütchen zu kühlen!! — Aber 
fil — id) höre bas Organ, weldjes fo melodifch milde - 
flingen fol und bod) jo viel von einer tinenden Echelle 
an fih Bat! Namentlich gegen bie jdjóne, weiche Mlt- 
ftimme ber armen Hitzkirch hat das Timbre der Baronin 
etwas, wag einen geradezu nervös macht! — Natürlich, 


Le dd | 


fie Iodt wieder bie Beſtie, welche anjdeinend nicht ganz 
mit unjerer Ealon-Einrichtung einverjtanden ijt!” 

Man ging Frau von Segenstorff entgegen, welche 
gerade den teuren Liebling von dem Teppich eupoena gn 
unb aürtlid) an den vollen Bufen driictte. 

„Das arme Gejd)bpidjen!^ rief fie ihren Gaftgebern 
mit beinahe anflagendem Ton entgegen: „Es ijt fo 
idredlid) nervös! Die fremde Umgebung regt bie Feine 
€cifa fo auf, und wie ber Sudud eben aus der Uhr hier 
ſchlüpfte und Die fiebente Stunde rief, ward fie ganz - 
rajend vor Überrafchung und Ärger! — Ihr glaubt gar 
nicht, was für ſchwache Nerven das fife Ding hat, — 
jeder Laut, jedes fleinfte Geräujch ftrt fie, namentlich 
des Nachts! Wenn eine Rage miant, oder ein Hund in 
der Ferne belit — fofort ijt fie ba! Ich habe zu Haufe — 
glücflicherweife ein grabesjtilles Schlafzimmer, und bei 
Todesitrafe darf feiner ber Dienftboten in der Nähe ein 
Geráujd) dulden ober gat verurjadjen! — Darum reife 
ich fo ungern mit bem Liebling, weil er fo verwöhnt ijt! — 
Sag, liebe Therefe — unjer Fremdenzimmer hier ijt bod) 
hoffentlich jehr ſtill? Conft fann ıch dir nicht dafür 
ftehen, daß ich bleiben fann!” jl 

"d werde jede Störung im Haufe fernhalten! 
verficherte Fräulein von Wieders mit undefinierbarem 
Ausdrud im Gelicht.. m% habe nod) nie Klage gehört, 
daß es laut fei!” ie 

„Nee — e ijt wie in ber Kirche da oben!” fügte der. 
Nittmeifter Hinzu. Ich Ichlafe ja auf demjelben Flur 


— 45 — 


und habe nod) nie einen Laut gehört. Allerdings ſchlafe 
ich auch wie ein Sack — aber wenn pur vürm ware, | 
Daun hörte id) es doch.” 

Er jprad) in feiner ruhigen, idum Weife, aber in 
feinen Augen flimmerte und glimmerte e8 plößlich fo 
übermütig und grauenhaft, wie ehemals, al3 bie Quarta 
ihn einen ihrer ärgften Echlingel nannte. | 
„Kommt Sräulein bon Hitzkirch nod) nicht?” fragte 
xs | Ich möchte gern anrichten laſſen!“ 

Die junge Witwe zog das feine Niiinddjen mod) 
fleiner und leitete einen idealen Augenaufichlag. „Was 
ich euch bitten wollte” — jagte fie vertraulich, und trat 
jo nahe, bap ber ſüße Zuberofenduft, welcher ihre elegante 
Erfcheinung ummogte, fajt aufdringlich zu Eberhard empor- 
quoll — „lapt bie Mamjell Unverjchamt oben in ihrem 
Bimmer effen! Erftens verdient fie bie fleine Lektion — 
wegen ihres prätentiöjen Auftretens auf dem Bahnhof, 
und zweitens find wir ſowohl, wie fie, bedeutend ungenierter, 
Sc) jagte ihr bereits, daß es hier im Haufe fo Sitte fei — 

„Da haben Ste aber etwas ganz Entgegengeichtes 
gejagt, verchrtejte Frau Coujine!” jchnitt ihr der Nittmeilter 
febr ruhig, aber auch felr emergijd) das Wort ab! „Ich 
faunte den alten Dibfird) febr qut, war ein lieber, all- 
perehrter Kamerad, ein vornehmer, vortrefflicher Mann, 
dem 1d) manche Liebenswürdigkeit danfe! Da müßte id). 
ja ein ganz arroganter und erbärmlicher Wicht fein, 
wenn ich feine Tochter von meinem Tiſch ausfchlieken 
wollte” — ee 


— 446 — 


Frau Felicia warf fid) in einen Ceffel, daß bie 
ſchweren Seidenfalten aufraufchten. Sn ihren Augen 
funfelte e8, aber fie zwang ſich n einem leicht ironijchen 
Lächeln. 

Mein Gott, wie anpfinblich, lieber Better! Es üt ja 
möglich, daß ber Bater ein vornehmer, metier Mann 
war, aber für das Gemejene gibt der Jude nichts! Die 
Tochter ijt ein bettelarmes Mädchen, welches fremder 
Leute Brot ipt, und id) dachte, man handelte vernünftiger 
und chrijtlicher, wenn man folh em beflagenswertes 
Geſchöpf ſogleich in die Schranken verweiſt, welche ihm 
nun einmal vom Leben gezogen find. Sie ift burd) 
ihre pefuniüre Milage aus ber vornehmen Welt auz- 


gejchieden, unb wird fie wohl aud) nie wieder ala A ee 


betreten — —“ i 
„Und ern ae Sie is hab bleibt ein rule 
pon Dibfird) — 
,Aitel ohne Mittel? — Bah! 


„Und wenn fie heute oder morgen einen reichen, - 


vornehmen Mann heiratet — ^ 
‚Mit nichts? Go thöricht und ideal denfen bie 
Männer nicht mehr” —— 

Warum nicht? Unfer reicher, vornehmer Dberit jucht 
zum “Beifviel eine rau, und fieht Dabei abjolut nicht auf 
Vermögen, — gejeßt den Tall, Fraulein Wilhelmine 
gejalit ihm, unb er heiratet jie — dann ift fie eine ber 
eriten Damen der Geſellſchaft — und gejegt den Fall — 
Sie, verehrte Goujine, heiraten einen Leutnant in dem: 


— 447 — 


ethen — — dann würden Cie genötigt jdi Der 
ehemaligen Gejellid)atterin überall den Vortritt zu laffen, 
und gegen fie die Molle einer Null zu fpielen!” . 

Felicia war ganz blaß geworden, felbit Vater bas 
dicen Puder jpielten grünliche Schatten in ihrem Geficht, 
unb die fpige, Kleine Naje ward nod) jpiber, und der 
Ausdruck ihres DR PNE berate fid gum 
(Srid)reden. | 

- Ste warf Wd) brist quid amb tot grell auf. 
,8üderl — —- 

Eberhard jab febr bilis unb bie: aus. „Warum 
lächerlich? Wollen Sie jede Heirat jo fdjroff von fid) 
zurücdweifen? — Warum jollten Sie bei Ihrer Jugend 
und Schönheit nicht noch einen zweiten Mann befommen ? — 
Sie jagen bod) jelber, daß das Geld eine Macht ift und 
bie Männerherzen bethirt! — Ma aljo!!^ 

Refi bip fih auf Die Lippe, — Felicia fal aus, als 
habe fie der Schlag gerührt, fie ſchnappte förmlich mad) 
Luft, aber fie beherrichte fid) und blidte Refi mit matten 
Lächeln an. — „Er ijt ein Original, fabelhaft amüjant — 
aber geradezu verblüffend — man muß fid) erft an feinen 
föjtlichen Humor gewöhnen! — Wher Scherz beijeite! — 
Sm Vertrauen gejagt lieber Vetter, — id) beabfichtige 
der Perſon oben zu kündigen ES würde zu wett führen, 
euch alles zu erzählen — aber das fann id) m aller 
Kürze jagen: fie ijt ein folettes, freches Gejchöpf, das 
jid) nicht geichämt hat, heimlich mit einem Herrn, welcher 
viel in meinem Haufe verfehrte, ein Techtelmechtel angu- 


— 448 — 


fangen. Aus Barmberzigfeit habe id) fie nicht fofort vor 
bie Thür gelebt, joubern will den gefeßlichen Kündigungs— 
termin abwarten, denn fold) einem Frauenzimmer nod) 
für eit SBierteljafr ben Lohn hinwerfen — das fällt mir = 
nicht im Traume ein!“ — E 

„Benn fie fid) thatjächlich ungebührlich benabnt, fati 
Cie das nicht nötig!” 

Felicia gudte die Achfeln. „Beweife! 3Bemene! — 
Der leichtfertige Monfieur hielt es natürlich mit ihr und 
erflärte mir, daß er in aller Form um Fraulein von 
Hitzlirch geworben und ſich einen Korb geholt habe! 
Was fol man da thun? — O, ihr glaubt’s nicht, in 
welchen Toiletten und mit welcher Srijur das Wefen bei 
mir antrat! Die erjtem Monate duldete id) das, dann | 
aber fob ich einen Miegel vor. Cie foll fid) fleiden 
und frifieren, wie e8 ihr gufommt! Denn es fällt ja 
ſchließlich ein fchlechtes Licht dadurch auf mich, die nichts 
höher hält, wie Moral und gute Sitte! Bum Beiſpiel 
diefe flajfijjem Statuen in ihrer jchamlofen Nadtheit 
würde id) nie in meinem Salon aufitellen — liebe Therefe, 
ich begreiſe nicht, wie bu es fannjt! — Man fann ja 
in Gegenwart von Herren fawn wagen, Die Huger auf: 
guidlagen!” 

— "A. fee m folder Meifterwerfen mur Schönheit 
und nicht Gemeinheit!“ entgegnete Refi ohne jede Gereigt- 
heit. „Der Gedanke daran liegt mir abjolut fern!“ 

„Beil bem Reinen alles rein ift!” midte Eberhard, 
unb ſetzte bie Klingel jtürmijd) im Bewegung. „Gehen 





9t. v. EfH truth, IN. Mom, u Nov., Die Megimentstante TI. 29 


— 450. — 


Cic binant: Johann, und melden Cie Fraulein von Hih- 
tire, wir liceu das gnübige Fräulein zu Tiſch bitten.” 

„Aber eur Hie Felicia empor. „Nach meinen — 
Eröffnungen?! — 

„Fräulein Wilhelmine ahnt von denjelben nichts, 
und Die Welt feunt fie mod) weniger; id) hatte ihr gegen- 
über feinen Grund, mich wegen meiner Flegelei zu ent- 
Ichuldigen. Fräulein von Ditfird) ijt die Tochter meines 
Kameraden und Saft in meinem Haufe, Beitimmen Sie 
in bem Shren, verehrte Goujine, wie es Ihnen beliebt, 
aber gejtatten Cie aud), ba] id) in dem meinen das 
thue und laffe, was id) für recht cradjte!^ 

Wie ein unmerfliches Beben ging es durch die for- 
pulente Gefialt ber feinem Witwe, fie wollte bie Lippen 
öffnen, um voll namenlofer Sereiztheit zu entgeguen — 
da fic ijr Blick auf das große, herrlihe Ölgemälde an 


— ber Wand — das Schloß vou Wiedershagen! 


Fürſtlich! Ein wahrhaft fürjtlicher Vefis! 
Cic big jähl ings bie Zähne gujammen, und jdjtudte 


ump mürgte Den Ärger hinab, 


„Bie Sie wollen, Eberhard! Mein Gott — id 
bin die €ebte, welche der Perjon etwas in den Weg 
legt!” — Daun aber trat jie zu Mefi und lehnte fid) 
voll theatraliichen Schmerzes an die Hohe Gejtalt ber 
Coupe. 

„Es ijt furchtbar, was fie mir fon für Mtera- 
tionen gejchaffen!” — flüterte fie. „Wo fie hinkommt, 
 briugt fie Unfrieden mit! Halte nur die Augen offen, 


Thee, Sih fie ihre Nege nicht auch nach deinem 
‚Bruder wirft, er fdeint ja eim unglaublich ſenſibeler 
Charakter! ge 

„Das liegt im der Natur ber Sache! lächelte Reſi 
liebenswürdig „Die Manner werfen ſich ja gar au. 
gern zu Beichüßern auf!” — : 

In bielem Augenbi (id öffnete Hd Die Thür, und 
Wilhelmine trat eim, — fie faf fer freudig überrajcht 
aus, und ohne ben unkleidfamen Hut und Mantel nod) 
viel jünger unb hübjcher. - x 

Eberhard trat ihr freundlich entgegen und fdjüttelte 
ijr bie Hand, und aud Refi begrüßte bas junge 
Mädchen voll warmer Herzlichkeit; Felicia aber hatte 
Hid) abgemandt und blätterte in einem Album, während 
Seila wie eine Kleine Giftfröte nad) des Nittmeifters 
Sporen ſchoß und die DAS flingenden wütend anz 
belferte. 

Ach einen Tritt iud rückwärts! Aber ber Küraffier 
bezwang fid und dachte: „Warte nur — es bleibt bir 
nichts geldenft!^ — 


Bei Tiſch gereichte e3 Frau Felicia zur beſonderen 
Genugthuung, Wilhelmine möglichit geringichäßig zube 


handeln. Sie mußte den Hund füttern wie ein fleines — 


Kind, mukte aufjpringen und ein vergeſſenes Tajchentuch ee 


holen und wurde von ihrer Dame mit wahrhaft vers 
nichtenden Bliden angejtarrt, als fie es wagte, fich an 
ber Unterhaltung zu beteiligen. | 


Bon dem Augenblick richtete Eberhard das Wort 
| 99* ; 


— ADL — 


beinahe noch mehr an Fräulein bon Spb. pie an 
bie Confine, und er erzählte mit wahrer Vegeifterung | 
von Wilhelminens fdjarmantem Vater, wie er bei ber 
Parade durch Majeſtät ausgezeichnet fei, wie er ficher 
noch mal ein Korps befommen Hätte, wenn feine Er- 
franfung ihn nicht allzu früh vom ae der Ehre ab: | 
berufen hätte. = 


Mit ftrahlenden Augen, aus welden cine unans- - 


iprechliche Dankbarkeit | leudjtete, ſchaute das junge | 


Mädchen gu bem Sprecher auf, und die Freude fürbte —— 


ihre Wangen, bie jehlaute Geftalt wuchs aufatmend 
empor, wie cine Bhane unter erquickendem Tau, nadz 
dem fie lange in jengender Glut geſchmachtet I 

Gang wunvillfintich flog Eberhards Baud zwiſchen n 


ben ‚beiden Damen vergleichend hin und Ber. Frau v 


Felicia fah aus, wie bie genaue Kopie jener modernen 
Luſtſpielwitwen, wie fie lyriſch, ſchmachtend und mit _ 
allen Requiſiten, welche Erfolg germeront, über bie 
Breiter ſchweben 
Schr üppig, dabei äuferft one. pain bon 
fojtbarften Stoffen und Spitzen umraujcht, lyriſch— 
fofett mit Der , nbereufteu^ Nawetät, welche jo gern 
einen Stic) ins Pitante annimmt, wnnatiirlich und 
gemacht tr jeder Gefte, und beredjnenb mit jedem 
Wort, — das vollwangige Buppengelicht jtarf gepudert, 
bie Augenbrauen nachgezogen, — das mattfarbige Haar 
wie duftigen Crêpe in bie Etirn gelegt, und mit allem 
Naffinement friſiert, — wenig, aber fojtbaren Schmuck, 


— 453 — 


bie Hinde in vornehmen Nichtsthim gepflegt, — wd 
bas alles mit einer Wolfe zarten Duftes umgeben, — 
welcher nie feinen Reiz auf Méannernerven verliert, — 
— - das war elicia, bie künstlich gemodelte und wohl- 
eni ubiette, reiche Witwe auf Freiersfüßen. no 

Und ihr gegenüber in dem fehl ichten, grauen Voll 
Heidchen, mit weißem K iappfragem, und febr einfach 
gejcheiteften, dunfelblonden Haaren, mit ‚Händen, pie 
troh rer ſchönen, eleganten Form die Spuren der 


Arbeit nicht verbergen founten, — frifch, natürlich, bee t 


scheiden md angenchm, trog ihrer fünfundzwanzig Jahre — 
jolider und gejebter in ihrem Weſen, wie bie kindiſch 


quigepubte Witwe, — wnd über ber ganzen, ſchlanken, b i 
elajtiichen Gejtalt ein Hauch echt vornehmer Würde ud 
mädchenhafter Anmut, — das war die Sejelljepafterin, — 
welche Ciferfucht und Egoismus nicht mur zur Magd — 


erniedrigen, ſondern Jogar m gemeinſter Weiſe perz 
Dachtigen wollten. | 

Eberhard fühlte. plößlich febr. viel Sympathie für 
Die junge Dame, und je mom er ftd) mit thr unterhielt, 
Dejto dringlicher regte fich m ihm ber Wuih, Der 
armen Tochter } jeiuea Kameraden au Hilfe zu kommen 

Er war plörlich beiter Lanne, heiter bis zum Ueber 
mut, und je geärgerter Frau Felicia dreinſchaute Dejto - 
bergnitgter ward er. — 

Wiihreud drunten im Calon ber Sturm im (ale 


Wajjer tobte, war es einte Treppe höher deffo jridlider 


und ſti loergnügter. 


we 


Der Sberamtmann war ae einen Gagel{chouer 
von Eis und Schnee über den Hof geſtampft und er⸗ 
ſchien bereits um 6 Uhr bet Frau von Duintad), mit 
einer fo herzlichen Freude begrüßt, daß dem einjamen, - 
alten Herrn gang weih und warm um das Herz ward. — 

Gr rieb fih mit leuchtenden Augen bie erjtarrten | 
Hände warm und fonnte feiner alten Freundin gar — 
nicht grufelig genug ausmalen, was für ein Hundes 
wetter draußen fet! Der ESchneefturm! Die Kälte! 
Und trogdem mar er joeben in Bódjteigener Perjon bei 
bem Konditor Sperl gemejen, diefen füßen, tlemen Gru 
für bie hochverehrte Gönnerin auszuwählen! — Und 


dabei 30g er bie elegante Bonbonnière im fnifternden D. 
Ceibenpapler aus ber geräumigen Nodtafche und über. —— 
reichte fie mit ber Hand auf bem Herzen und einer nie — — 
beuge, wie fie bie gute, alte Zeit in ihrer Höchiten 


Blüte der Galanterie faum zu fehen befommen hatte! 

rau von Quintach fnirte dementſprechend, fo ge- 
jühlvoll und anmutig, wie e3 Die verderbte und 
realiftifehe Jugend von heutzutage gar nicht mehr ahnt, 
und bann jihrieen fie fid) eine wahre Muſterkarte von 
Artigfeiten in bie Ohren, tranfeu auf gegenjeitiges Wohl — 
ein recht heißes Tähden Thee und febten fich mit ge 
hobeniten Gefühlen am Schachbrett nieder, ganz Wohl: 
behagen, ganz Freude und gegemjeitiges Entzüden. 

Es war jelbitverjtändlich, daß Herr Sriejelbad), ber 
generöje Spender ber fojtlidjen Bonbonniere, glänzend 
gewann, obwohl e8 den Anjchein hatte, als ob Frau 


von Quintach mit Aufgebot allen Raffinements — mit 
dent Ffaltblütigen Mute der Verzweiflung für ihre 
Königin kämpfte! | : 

Das brachte den alten Herrn in bie nötige Hibe, 
wd feit Jubel, alS der Sieg endlich bod) erjtritien, war 
Dejto jtitrmifcher und bejeligender. — 

Und dicje {chine Kunſtpauſe hatte Refi wiederum ab- 
gewartet, um fih für furze Beit aus ber ſchwůlen 
Atmojphäre des Salons hinwegzuſtehlen, und Herrn 
Krieſelbach voll gewohnter Innigkeit gu begrüßen! — 

Der alte Herr ſchwenkte ihe mit luſtfunkelnden 
Iuglein bie eroberte Königin entgegen, 

„Du fefrít zur rechten Stunde, o Waudrer bei una 
ein!” fang er mit raufem Bag und dienerte ſchier ang- 
gelaffen: „Mein guädiges Fraulein, es wird bald ver- 
dächtig mit der Frau Baronin, — fie hat heute wieder 
gar fein Glüd im Spiel!“ 

Und nach einem fröhlichen Hin und Her der Be 
grüßung fuif er das eine Muge zuſammen und zwinferte 
Mefi verfchmigt an. „Eie fommen wegen des Hauſes, 
meine Gnädige?“ 

Fräulein von Wieders jeuiste ders dip and sies 
choliſch „Leider, — leider. ja.” os 

Reider? — Was ber ganl — Um Vergebung, 
wenn ich fluche, meine Damen, — wollen bie Herren 
etwa das Haus niht haben?! —" 

Nefi ließ fehr ffügfid) den Kopf hängen. - 

Ich will Shuen gang offen und ehrlich geftchen, 


— 456 — 


mein befter Herr Oberamtmann, wie bie Sache fett c ren 
Sowohl id), wie das ganze Offizierforps hegen eine "n = 
hohe, Freundfchaftliche Verehrung für Ste, daß ae Cie 


nicht mit Redensarten abfpeifen wollen! | 

„Sm, hm!” brummte der Alte mn Ich 
bitte febr darum.” | 

Und die Repimenteignte erzählte: mit hers bemveqtigen - 
Worten, welche. gar manche verjtedte Eloge für den 
Herrn Rentier enthielten, rte fer unangenehm und 
peinlich e für bie Offigiere fei, am ber Wirtstafel effen — 
zu müſſen, was fon alles für Fatalitäten daraus er— 
wachſen ſeien , und wie leider bie pefuniären Mittel des 
Regiments. 10 gar nicht ausreichen, um auf etc gene . 
eine Reffource zu errichten.“ 

„Aud bei Shrem Haus ift bie Miete — a ^od; 
mein lieber, verehrter Herr Nachbar! ſchloß Refi voll 
Wehmut, „und ba ein Hleineres und billigeres Haus zur - 
Zeit nicht aufzutreiben ift, jo mußten wir mit febr ſchwerem 
Herzen vorläufig überhaupt darauf verzichten, das Ne - 
gimentshaus einzurichten. Wir Hoffen, daß die Witwe 
des Generals von Wächter, welcher ja ehemals auch dem 
Regiment angehörte, ihr Haus bem Dffiziersforns teftas 
mentarijd). vermat, — fie würde dadurch zu einer Wohl- 
thäterin, deren Namen Hoch in Ehren gehalten würde, 
jo lange wie noch ein d über das TUR er 
von Maifenburg rajjelt !^ es 

Der Oberamtmann hatte — sachs Gu 
feinen verwitterten ougm arbeitete unb Dee B, = n * 





— 458 — 


309 bie bujdjigen Augenbrauen Dod) und paffte fo eifrig, — 
daß bie beiben Damen fchier wie Englein aus den Wolfen 
tauchten. „So, — fo!” ftieß er endlich hervor, „it mir - 
ſehr lieb, daß Cie mir das alles anvertraut Haben, meine 
()nübige. Aber Pog Downer und Hagel — id bitte 
um Vergebung, wenn ich fluche, meine Damen — was 
bie Frau von Wächter fann, daz faun ber alte Rriefel- 
bach erft recht, und zum Teufel noch ein — Pardon, 
wenn ich wieder fluchte — id) dachte, id) wäre nod) 
näher dazu! Hat die alte Wächtern jemals eine Übung 
mitgeritten? Iſt fie jemal beim Alarm zur Stelle 
gemejem, wie ij? — — Ga? War fie baa?" 

„Rein — das tamı ich beſchwören!“ verficherte Refi 
todernit. ue 
‚a, allo! Dann hat mein Hans aud) das Vor- 
recht! Und wenn einer gum Wohlthäter des Regiments 
wird, dann bin ich das! — Wohlverftanden? — He? — 
Die Wächtern fann uod) zwanzig Jahre leben, ich aber 


trete meinen alten Rumpelfajten fofort ab, — nehmt - 


ihn in Gottes Namen — habe ja dod nichts davon 


wie Reparaturkoſten und Ärger! — Hören Cie, Tante 


Refi? — Zu Erb — zu Lehn — gejdjenft — wie Sie 
wollen, ijf mir ganz ein Deiwel —! Und nun weiter, 
Frau Bacon — (ie. ziehen!!” | 


Weiterjpielen? In biejem Augenbli€? Da Ts = = | 
er bie Rechnung ohne bie Wirtin gemacht! Die Negiments- 


tante jprang auf und fchlang voll ungeftümen Subels, 
und ohne alle Prüderie die Arme um den alten Mann, - 


— 459 — 


und Tante Duintach, welche nicht recht verstanden Hatte 
und nicht wußte, was [o8 war, vermutete, e8 fei wohl 
der Geburtstag ihres Ritters, barum fprang fie voll eijer- 
füchtigen Cifer auch auf und hing fid) mit taufend immigen 
Slüd- und Segenswünſchen an die andere Seite des alten 
Herrn. | 

Alle Wetter! So qut hatte bera lange nicht gehabt! | 
Er ward bunfelrot vor Freude und Verlegenheit und 
hätte jo gern Die ticfften Bücklinge gemacht, aber er 
fürchtete, Dabei gegen eine der Damen anzurennen, und 
fo begnügte er fi, ſchmunzelnd nach Quit zu ſchnappen 
und mit dem rechten Fuß mad) Hinten auszufragen, was 
zu Grofpaters Heiten auch ein Zeichen von Devotion 
War. —- 

Endlich [cate fich Der Eturm. 

Frau von Ouintach je: „Wir müjju Torte 
haben! Sch jchenfe ibm den Kaffeebeutel, welchen ich 
gerade fertig geltrictt habe!” Und fie flatterte ab, ſchnell 
nod) eine Heine Feier für das teure Geburtstagstind zu 
improvifieren, Refi aber fchmiedete das Eijen völlig, fo 
lange e8 heiß war und jchmeichelte dem Rentier das 
Beriprechen ab, eine Fear Schentungsurfunde aus: 
zuftellen. 

„Sollen Sie haben, follen eir haben, meine Gnädige!“ 
lachte der Alte wohlgefällig, und Fräulein von Wieders 


veritand e8, ihm plaufibel zu machen, wie richtig, cdel x 
unb pernünjtig er Dadurch handle. „Sie haben weder — 


Kinder, mod) nahe Verwandte, mein t lieber Herr Ober⸗ | 


— 460 — 


amtmann, was können Cie befferes tomm, als Ddtefes — 
patriotifche Werk, welches Ihrem Namen für alle Beiten 
ein chrendes Denkmal jebt? — An die eine Wandjeite 
des Caaícé wird das Bild des Kaijers aufgehängt, auf 


bie. andere müſſen Sie das Ihre stiften, unter weldjes — 


eine Tafel: angebracht wird, darauf noch die fpäteiten — 
Sefchlechter den Namen des gütigen Ctifters dieſes 
Nregimentshanfes lejen fünnen! Iſt das nicht fchöner, als 
wie das Haus verfallen — oder jpäter unter den Hammer — 
fonımen zu laffen? — D meld) ein Hurra wird das geben, 
wenn wir Ihr füritliches Geſchenk ein weihen, lieber Here 
Striefelbad! Das Hod) auf jeute un und pant s 
Dese auf Sie — : 
Der alte ğer ladu te über Dad ganze Geſicht, aber e er 
— eine abwehrende Handbewegung. „Darum iue — 
i's ja nicht — Gott bewahre — follen mich alten Kerl 
in Ruhe laſſen! Nur ber Wächtern will ichs vidt gönnen, 
baf fie zur Wohlthaterin wird, — will fie ärgern und 
ijr ben Nang ablaufen! — Bertranen ermedt Vertrauen, 
mein gnädiges Fraulein, darum will ich Ihnen aud) mal 
ehrlich bie Wahrheit fagen: Ach fann das hochnafige, 


alte Weib in den Tod nicht leiden! Bor zwanzig Sabre, — 


als ihr Mann noch Bier in Garnijon ftand, fpielte ich — 
oft Sfat mit ihm, er verlor und verlor — mnd ſchließlich 
ſtekte er bis über die Ohren bei mir in Schulden, bis an 
zwölf gute Groſchen hatte es fic) angejammelt. Dann 
ftarb er bod) fo pliglich am Hitzſchlag, und wie ſechs 
Woden um waren, begegne id) der Alten. Auerft war 


4 ou 


fie ganz Schmerz, aber dann tröftete fie fid) plótlid) und 
nahm etwas Heroifdjes am. ‚Mein Mann fat aut legten 
Statabend jeiue Handiniiffdjen bei Ihnen vergefjen — id) 
hoffe, Sie find ein ehrlicher Maun, Sricjelbad), und erftatten 


es > qued, was übrigens längſt hätte gejchehen föunen! - > 


Ihr Xon und Blid erboften mid), id) wurde falſch 
vit einem halben Jahr hat Ihr Gatte aud) zwölf qute 
Groſchen bei mir vergejien — zu bezahlen nämlich! 
entgegnete ich ironijh. „sch hoffe, meine Gnädige, Cie 

erjtatten biejelben auch zurüd — was übrigens [igit 
er gejchehen fonnen —— 
. Jam Hatten Sie aber bie  Genezatin schen Hen 
Wie Schießpulver ging fie in bie Luft und fing an mich 
jchlecht zu machen, und raijonnierte: Gch fet ein Filz! 
cin Geigtvagen! Und ifr Maun Hätte überhaupt: feine 
Schulden bei mir, und wenn er welche hätte, fo ware es 
höchitens em halber Gulden! Sd) jet aber ein Hals- 
abjchneider, Revolutivnär, ber gar nicht wüßte, was er 
einem Offizier unb SRaterlanbébetteibiger. ichuldig mare. 
Das wolle ein Patriot jei, ber bei den Witwen und 
Waijen Gelder eimtriebe — — - 

Wo haben Cie déem bie Warjen? drie id) mun 
auch wütend. ‚Sie haben in Ihrem ganzen Leben nichts 
anderes gehabt, wie eine clude Stabe!’ — —— 

‚Und Sie Herr Krieſelbach? Was haben Cie denn eigent- 
lich gehabt? Einen Teckel und ein Pudel Mops Terrier— 
Miſchvieh!!“ funkelte fie mid) an wie Gijt und Galle, 
— und damit war der Bruch zwiſchen uns endgültig. 


— on d A02 Ern ee 


Sie zeterte durch bie ganze Stadt; id) fet ein gemeiner 
Geizhals, ein Demofrat, welcher feine Stamerabidjait halten 
fönne und nicht zwölf qute Grofchen für einen Offizier 
übrig habe, und was dergleichen mehr mar und mir bie - 
Schwindfucht an den Hals ärgerte. 
- Nun aber ijt die Beit der Rade gefommen. Hat 
fic) das wohl jo ausgedacht, ala qute Patriotin dazu- 
jtehen, weil fie mal ijr Haus weggibt, wenn fie tot ijt 
und e3 nicht mehr gebraucht! Will fid) noch einen Namen 
machen!! — Haha — Der alte Krieſelbach kommt ihr 
aber zuvor und übertrumpft fie noch, und jdjenuft fein 
Haus bei Lebzeiten — und... unb... ja mae id) 
jagen wollte, Tante Neji — ich laſſe ihnen den alten 
Kaften erft wieder ein bißchen zurecht machen — und die 
Wand rausnehmen — dak ber Gaal größer wird‘, — 
und der Cpredjer lächelte grimmig vor fih bim und 
ichnalgte mit der Bunge! „Wird fie das nicht ärgern, 


das Budel-Mops-Terrier-Mifchvieh haben, — denn Sie 
miiffen willen, Gnädigite, daß mein Flipps pon der 
reinften und ebeljten Abftanmung war, ein Vollblut: 
terrier, fo wahr wie id) hier auf dem Stuhl fige! — 


Aber ber Frau war nicht? heilig, nichtS — darum nannte — — 
fie mich auch einen Nevolutionär! Ob fies aud) ferner — 


noch jagen wird? — Morgen befommen Sie die Shen- 
fungsurfunde zum Regimentshaus!“ — 





XXII. 


[L^ 5 war elf Uhr geworden. 
x Man hatte fid) redlich gelangweilt, und dag - 
drüdte fid) am deutlichiten in Dem hochmütigen 
Geſicht Felicias aus, welche ihre Entrüftung faum hatte 
bemeiftern fönnen, al3 beide Wieders die Gefellichafterin 
Wilhelmine ebenjo liebenswürdig wie dringend aufgefordert 
hatten, in den Salons zu verweilen. 

Das junge Mädchen hatte ängstlich fragend und recht 
betroffen auf ihre firenge Herrin geblict, Frau von Jegens⸗ 
torff drehte ihr jedoch ofteufibel ben Rüden und beichränfte 
fid) darauf, ihre tiefe Mißbilligung durch ftarres Schweigen 
auszudrüden. — * 

Eberhard aber erflarte febr beitimmt und heiter: 
Ich freue mich ja fo febr, einmal bie Tochter meines 
lieben, verehrten Freundes im Haufe zu haben, daß ich 
Cie dringend bitte, uns ein jedes Stündchen Ihrer freien 
Beit zum Plaudern zu fhenfen! — 

„Dein Bruder mad) ja bie Perfon ganz verrüdt 
burd) feine Höflichkeit, liebe Thereſe!“ ftieß Felicia zifchend 





durch bie Zähne, als Refi ben Arm um fie legte und fie 
neben jid) auf ein Sofa niebergog. Wie ſoll ich ihr die 


Arroganz, welche fie fid) jebt inis Am wieder 1 


austreiben pu 


„Aber id) bitte ju delia, yas nennſt du Bere ue i 
wöhnung? Eine Geſellſchafterin, eine Dame aus a o 
Familie, auch wenn fie nicht von Adel wäre — gehört —— 


ftetS zu Der Familie in den Salon! Das ift ber ganzen — 
Welt Sitte, und hier. feine ich verfchiedene, jehr reizende - 
Geſellſchafts damen, welche voll jtändig in der Gefellfchaft 
verfehren! Du behandelit aber Fraulein von Hisfird) 
ausnahmsweiſe fireng, u wie eine Dame, mami m | 
eine Dienerin.” | Dx 

— „Reil fie e$ aud) ift. Zwiſchen bezahlten Perfo onen 
gibt e3 für mid) feinen ued ſchied!“ fbr Die döne 
Witwe jehr ſchroff auf. „Dies ijt mein Standpunft, auf 
welchem ich jest und immer ftehen werde!” 

Eberhard war an das Klavier getreten. „Sind Cie 
mufifalijd), gnädigfte Goujtne? Epielen oder fingen Sie? 
Ich liebe Muſik über alles — namentlih Gejang —! 
Thun Sie mir bet Salle, amb jdbenten Cie uns ein 
Led _ ee = 
Belicia rümpfte bi Naje. echt, fieber Better, ub = 
habe c8 gottlob nie nötig — nud) mit fold) brot: — 
lojen Künften abzugeben! Wenn ih Muſik hören will, 
fommandtere ich mir. jemand an den F lügel | 

Ah — ficher Fraulein Wilhelmine! Nicht wahr, 
Sie fingen, meine Gnábiajte 2” = = 





Ji. v. € [i ficuth, SIL Mom. u. Nov, Die Jiegimentótante IL. 30 


moe 


Say — 8 Ternen um meines Berujes willen!” 
antwortete Das junge Mädchen leiſe und bejcheiden. | 

Felicias Augen jdjllerten. „Sch habe Mligräne bon 
der Reife! rich fie beinahe heftig, und ein. brofenber 
Sti flammte gu Fräulein bom Hibfird hinüber. ee 
hard aber öffnete gelaffen das Iuftrumet. —— E 

Mir zuliebe geftatten Sie jdn ein feines Lied, 
teuerſte Coufine!” bat er. „Bedenken Sie, wie felten 
ich bie Freude Habe, Mufif zu hören, und wie ent- 
zückend e8 die Frauen fleibet, Märtyrerinnen ihrer 
Liebenswürdigkeit zu fein!” — | 

Wieder fiel der Blid ber. Ahnen. Witroe auf das 
Gemälde von Schloß Wiedershagen; fie frampfte voll 
jäher Sel bjtüberminbung bie Hände zuſammen und lehnte 
den Kopf mit mübem Lächeln zurüd, „Wenn e3 Ihnen 
Freude bereiten fann, fid) auf Soften anderer zu 
amiifieren, lieber Getter... Ihnen au Gefallen - — nur 
darum erdulde id) es!“ — | 

Gr tüfte galant bie fleine Hand, melde fie ihm 
entgegenbot, während Nefi imig große SEINE bon 
der Gtagére nahm. 


„Dante jehr, gnübiges Fräulein!“ wehrte Wilhelmine (x 
heiter ab. „Mein ea Repertoir rege m 


pne mit. herum. id 
Noch einmal * Felicia mit biſſigem si empor. | 
„Keine Giebeslieber, Fräulein! Sie wiffen, baf id) diefe unz 
moralischen und unpafjenden Terte affe! —Cingen Cie 
das Ave Maria — ober bie Kantate aus dem Gíias!^ 


— 4p s 


„Anmoraliiche Terte! Donnerwetter — Fräulein 
von Hitzkirch wird bod) feine Yvette-Couplet fingen 2 

Wilhelmine ward dunkelrot. „Sch finge nur Su- 
bert, Schumann — Qajfen und ein paar Sachen von 
Nubinftein! ftotterte fie entjebt. Der Nittmeilter lachte 
Ichallend auf. „Na, bie Unmoral läßt fich tragen! Wo 
ſteckt dieſelbe nach Ihrer Anficht, liebe Couſine?“ 
3 d finde eS unwürdig und jchamlos, wenn. eime 
Dame fich in Herrengejellichaft hinſtellt und von Liebe 
und ſüßem Sehnen klagt und ſeufzt!“ 
— 9m — Sie mögen recht haben, — Seder ſteht fo 
mas nicht gut zu Gefiht!” — Herr von Wieders 
ichnaubte fich fraftvoll bie Ntale. „ao Das Ave Maria, 
gnädiges Fräulein!” 

it weicher, voller Al titimme begann Fräulein bon 
Higtird, ruhig, ohne fi) zu zieren, yol M e > 
ftändnifjes und warmer Herglichteit. | d 

Kaum aber, dap fie ein paar Worte gejungen, fuhr | 
Xeila, welche ani bem Schoß ihrer Herrin ruhte, wie 
eine Unfinnige auf und kläffte und BEE wie anı 
Spies. v 
Felicia lachte ibri sd unb iu ddr falten Angen 
bligte e8 wie bosfajter Triumph. Eberhards fcharfem 
Blick aber war e nicht entgangen, bafi. die fang ge 
bogenen Nagel ber jchönen Witwe das abjcheuliche, feine 
Vieh zu dieſer Demonftration veranlaßten. 

Einen Augenblid war er bíeid) vor Wut und Ärger, 


Dont lehnte er am ruhig an | bas Klavier und fagte: 
i BOT uS 


— 468 = 


„Singen Sie trobbem, Fräul ein BilGeinine, ih bor —— 
jeden Ton!” 
Sie fang bas Lied zu Ende, und ber Nittmeijter 
war begeijtert. „Sebt Bat Ihre Kunſt die Feuerprobe 
abgelegt!” rief er, und füfte bie Hand des heiß er- 
glühenden, jungen Mädchens, „Wenn ein Lied trot ber 
widerwärtigften Etörung derart zu Herzen geht, wie das 

Ihre joeben, Dann muß es meiſterlich gefungen ſein“ 

Felicia lachte noch einmal ſpöttiſch auf. „Du lieber 
Gott, wie anſpruchslos feid ihr hier!“ zuckte fie Die 
Achſeln, dann tröftete und jchmeichelte fie am dem 
wittenden Hunde herum. „Er ift nervös und überreizt! 
Meine jüße, Kleine Leila mug zur Ruh! Komm, jag 
ber Zante gute Nacht, mein Liebling, wir gehen jest 
ſchlafen!“ | 
: Wirklichꝰ muß Baby fon zu Bett?” hößnte der 
Nittmeif ter mit ganz wunberlichem Gelidjteausbrud. — 
„Nun — dann wünjche ich eine recht ausgiebige Nacht- 
ruhe, Damit Das liche Tier Og. etwas menschen 
freundlicher at^ 

Man trennte fih; Frau Felicia reichte bem Vetter 
nur ganz bon fern bie Fingerſpitzen, welche er flegel- 
Daftermeije nicht an bie Lippen 30g, imb raufchte mit 
ber Miene einer bitterböfen Frau Königin, ben tlüffen- 
Den Soter im Arm, bie Treppe empor. . 

Wilhelmine. folgte mit gejenftem Haupt, bleich und 
beflommen, und Eberhard big bei biejem Anbli die 
Zähne zufammen. — 


— 4060 — 


Es war Still m, 

Der Vollmond Stand an dem flaren Winterhimmel, | 
an welchem bie Sterne flimmerten. und junfelren, wie — 
Chriſtlich ter am Weihnachtsbaum. 

Der Nittmeijter hatte fih, zur Ermak Tet 
Schweſ ter, aud) ſehr bald zuruickgezogen und fein Schlaf- 
zimmer im oberen Stog betreten. — 

Neben denijelben befand Tid) noch eine geräumige 
Garderobe, in einem Seitenflügel des Haufes gelegen, 
welcher mit dem Logierzimmer, in welchem Frau Felicia 
Daujte, und Die fithe Leila im blaufeidenen Kiffen 
Ichlunmerte, eine ſcharfe Cde bildete, 

Die Fenjter der Garderobe lagen denjenigen der 
Fremdenſtube, in gleicher Höhe, frag gegenüber. Eber- 
hard jebte fid) eine Pelsmiige auf, legte einen warmen | 
Mantel um und öffnete das Garderobenfeniter. 

Er lehnte fid) hinaus und bite hinüber. 

Das Licht war bei Frau von Gegenstor|f bereits 


gelöfcht, e$ herrichte tiefe Stille, Gund und Hertin lagen | 


wohl in jügem Traum. 

Der Mittmeifter lachte [eie por fid) bin, und feine 
Auglein leuchteten ſo rachedurſtig und übermütig, als jet 
m dieſem Augenblid der geitpunft gefommen, mo der 

Ourartaner mit feinen lofen Streichen noc) einmal in ihm 
aufleben jollte. | 

Warte, Frau Felicia! Für das Sitzbänkchen und 
das boshafte Kneifen während des Gejanges jollj bu 
mum deinen Lohn haben, und bu follft juft mit dem gez 


— 470 — 


firaft werden, was bu zur Plage deiner Mitmenſchen in 

fündhaftem. Spiel an Kindes Statt aufgenommen Naft. 
: ,Qrrtr . | dip t ein ei fer, Scharf Énurrenber | 
Laut aus bea — Munde, ame wie ei puis, 
went er gereizt Wird. 

Und nod) einmal, fauter, fige mn wit” ting’ 
hinterher. 

Richtig, — es verfängt. Ginter bent Seniter des 
Fremdenzimmers Ern es haee sli. IU us 
Hb. 

Und dann die eife, müde Stimme ber Pilegemana: 
„Still, Lcila! — mih bid) 17 — 

„Wu — win heult der Nittmeilter nun mit 
meijterlicher Verve auf, und hinter bem Fenſter on 
das helle Organ des feinen Schofföters: Diffiifffifffiff 

Leila! Rubel” 

Jawohl Rufe bu mir! Mit wahrhaft teufliſchem 
Lächeln bellt der Nittmeifter den Mond an, immer 
lauter und heftiger und Schließlich Klingt es aus ſeinem 
Munde, als ob ei Sunde fich auf Tod und Leben 
beißen und ranjen. 

Das mar fen Saupthmniftüd, bamit hatte er fon 
oft bie Leute amiifiert, daß jeine PVirtuofität im Nadz 
ahmen von Hundegefläff ihm aber jemals fo gute 
Dienfte leiften würde, wie t poen, hatte er Sich niemals 
träumen laffen. 

Wie eine Raſende tobt Qeila hinter bem frentter. 
Ihr ſchrilles Organ dringt durch Mark und Bein und 


AT E 


Fran Felicia zündet eim Schwefelhols an und ruft und 
beſchwichtigt den erboften Riebling. Leila ift aber wirklich 
nervös, — die kneifenden Finger, welche fie zuvor int 
Schläfhen auf bem Schoß geftört und jo fehr in Auf — 
ruhr gebracht haben, fünnen jest ftreicheln jo viel fie 
wollen, — der bijjige, fleine Soter rtagiert auf keinerlei 
Guip. | 
Eine fleine Weile reizt ber Nittmeifter feinen Wider: — 
facher noch bis zum äußerften, dann berftummt er. ae 
ne Leila bellte noch eine Viertelftunde weiter, erft 
‘lite und aufgeregt, dann furz abgerijfen, Schließlich — 
nur noch wie ein leijes Echo im Traume. 
Das Licht berlöjcht. 


"baba tritt in das Bimmer ae nnd [adt nd 
retbt fid) triumphierend die Hände, und dann wirft "m. nn 
fich in feinem behaglich warnen Schlafzimmer auf bas —— 


Sopha und nimmt ein Buch zur Hand. 

Eine Stunde lieft er, — dann macht er abermals 
Toilette und ſhreitet je pu nach gan denſter der 
Garderobe. 

„So, nun wollen wir wieder ein bißchen beiten gehn! 
jagt er in fröhlichem — öffnet leiſe und lehnt 
fih hinaus. 

Grrrr gerrr . .." Das graufame Spiel ennt 
pon neuem, und mad) wenigen Augenblicken durchtobt 
Leila abermals im höchiten Disfant das jtille Schlaf— 
gemach. zo : 

„Leila, bijf bu verrückt? Das ijt ja unerträglich!” 


— 472 — 


ſchreit bie ſchöne Witwe zornig, für eine zweite geſtörte 
Nachtruhe reicht ihre Zärtlichkeit nicht aus, und ritſch, 
ul. zündet ein Streichholz. 

„Wilhelmine! Wilhelmine!” 

Sawohl — Fräulein von Hiblirch ſchläft nebenan, 
eine Thür verbindet die Zimmer leider nicht, und bei der 
Kälte aus bem Bett fteiqen, um das Bimmer aufzuichließen 
und der Gefelljchafterin zu ffoptem — das bringt eine 
jo verwöhnte und bequeme Dame nicht über jid. 

„Bau — wauwau — wauwau — M — 

Leila ſpringt auf das Fenfterbrett = rennt t fidi bei⸗ 
nahe den Schädel au der Scheibe ein, — und Frau 
Felicia ſchleudert in Höchfter on bie Morgenfänächen, 
nad) dem Liebling. 

Das wird ja eine herrliche ac werden. Und jede 
Aufregung fadet der forpulenten, Kleinen Dame und 
macht ify einen fchlechten Teint! — 

. ,Xeila — infames Bich — jest nehme id) bie Waffer- 
fanne!! das klingt gar nicht fo füß und lieblid) flötend 
wie im Ealon, wenn das Herzchen beruhigt werden mug. 

Eberhard lauſcht mit wahrer OR BERPOD TIONEN. 
So hat er fid) lange nicht amüſiert! 

Immer noch ein bißchen weiter bellen! Er ſcheint 
es im Hundejargon glücklich getroffen zu haben, und . 
fein Wau und mu — und juhl — muß wohl ſchauder⸗ 
hafte Beleidigungen in der Hundeſprache enthalten, denn 
Leila fennt fid) gar nicht mehr vor Wut. 





ec cdd oce o 


Vielleicht ift auch ber arrogante, hochvornehme Schoß 
hund, welcher im Wagen nur im Fond fibt, Höchlichft 
beleidigt, daß ein anderer Blebejer zu bellen wagt, wenn 
er Schlafen will. 

Dem Rittmeifter gellen {chon bon weiten bie Ohren 
bei bem Gefläff, wie mag e8 erft Frau Felicia auf bie — 
Nerven gehen! — — Kmi auch für dieſes 
Mal Schluß. | 

Herr von Wiebers zieht. fi. in jeie G'emádjer jid n. 


und vertieft fi), ungeheuer fröhlich, in feine Lektüre, —— 
während Leila noch ein bifchen weiter zetert und daun 


abermals zu recht unrubigem Schlummer in bie blau- 
fetdenen Kiſſen zurückſinkt | 

Eberhard fiebt mad) ber Uhr. Eine halbe Ctunde 
will er ihnen großmütig Beit laffen, — dann aber geht 
er von neuem an das Werk der Nahe! Was fragt er 
nach einer durchwachten Nacht? Haha, er hat morgen 
am Tag wenig Dienft, und wenn man ihn im Reithaus 
wähnt, liegt er hier oben auf dem Ohr und ſchlaft! 

Wenn er einmal haft, dann gründlich und wenn er 
Rache geſchworen hat, dann nimmt er fie auch, | 
— Gr braucht mur an das befüimmerte, angftvolle Ge- 
fichtehen Wilhelmines zu denfen — ana flammt ber 
gerechte, heilige Zorn noch mächtiger in ihm auf, ala 
wie bei Der ee an Das martervolle Sib: 
bünfdjen !^ 

Und er bellt weiter — bie ganze Ras hindurch, 
in ſchönen, regelmäßigen Zwiſchenpauſen, und Leila be- 


— ALD — 


kommt ſchier Krämpfe vor Wut und Gift und Galle, -— 
und bie liebliche, junge Witwe ſchäumt ſchl ießlich und 


zerreißt mit roher Hand alle Bande der Zärtl ichkeit, 
Dede He bis dato mit ihrem Liebling berfnupften. =... 
Kuiſſch, fatih — flitjd) tatih —! hört Eberhard Ue 


ihre Hand der Gerechtigkeit walten, Leila friegt Die v. 


erften Hiebe im Reben, und weil ihre Herrin im Hap | 
ebenfo mafíos ift wie in der Liebe, jo Haut fie fejte 
zu, — das hört man an bem Gequietjd) des Herzchens, 
an bem Rumpeln und Wolter, als ginge die wilde 
Jagd burd) bie Stube! 

,Ciebite wohl, Leila — das ift für meine altatferté | 


Hoje! fürs Cipbáutden — und dafür, daß du der | 


guten Wilhelmine bei Tiſch nach ber Hand bijfeit! LE 
ſchmunzelt Herr von Wieders voll höchſter Genugthuung — 
„Warte mur, in einer halben Stunde brags — 
eine Portion!” - 

Und Leila befam fie, — und an Felicia meinte ; 
vor Wut und Grimm und verfluchte den Tag und die 
Stunde, in welcher fie das liebe Herzchen, bicje Solan, ge 
vont Bosheit an ihren Bujen genommen! "s 

Und Herr von Wieders, der joujt jo jeelens ule, 
menjdjemireunblide Wenn, war gum Mephiſto ges 
worden, — welcher fein Ohr an folchen Klängen weidet - 
und Fröhlich dazu lächelt: mab id) bod) meine Freude 
bran!" — - 


„Sa, des Rittmeifters Rachſucht ging fo weit, dap — 


er meditierte: „Wie ihade, daß Leila jest nicht den 


zc ud 


CpieB wenden und auh mal feine teure Herrin berz 
hauen fam! Schaden würde e8 nichts, und um ber 


armen Wilhelmine willen ‚hätte M es reichlich gers — 


dient!” | 
Sp verging bie lange, schreckliche Binternacht! Der 
Nittmeifter vertrieb fid) bie Beit abwechjelnd mit Leſen 
und Beller, und Frau ponen teilte p aa ame : 
Pri geln und Toben! = | | 
Endlich, um  fieben. Uhr, als ber graue Morgen 
SERRE ward's ſtill — 
bom c - ONS die Schöne Witwe sum Rae 
erjcjien, jah fie gum Fürchten aue, — fo übernädtigt - 
blaß, verärgert und geladen wie cine Bombe, welde 
nur emes zündenden Funkens harrt, um losyupfaben. _ 
Und fie platte, al Nefi fid) frijeh und fröhlih mit 
einem Deiterm „guten Morgen” nad) tran SENSN er⸗ 
kundigte! — x 
Da hagelte e& Weh md Ad! Welch ein Lamen-. 
tieren, welch ein übertriebenes Klagen über den entjeße 
lichen, grauenhaften Lärm! Nicht einen Angenblid Ruhe! 
fein Auge geichloffen — und Leila nube- an der Bolle . 
wut vor Nervofität! | | 
deſi rif erjtaunt bie Augen auf und ſchlug die 
Hände gujammen. So 
. ,oundegebell? — bier im Hof? Wie foll das 
möglich fein? Sch Habe mod) nie einen Laut gehört, 
unb ſchlief bod) jahrelang nach dem Hof hinaus! Das 
muß in einem der Hintergärten gemejen fein, Johann 


— ATT — 


fot fich fofort erfundigen und für Beute nacht Rube 
jhaffen! Sch bin ja außer mir, liebe Felicia!!! — | 

„Sa, noch eine derartige Nacht — dann bin ich zu 
Ende mit meinen Kräften, — bann reife ich ab! ftöhnte 
bie Baronin fehr imbigniert. „So gern ich den Ball 
mitgemacht hatte — habe mir fogar eine Totette von 
Gerjon dazu bejtellt — aber bieje ns und 
Alteration . . ." 

„Und Cie find gewiß auch fehe geftört worden, liebes 
Fräulein von Hitzkirch?“ wandte fid) Refi teilmehmend 
zu dem jchmeigfamen, jungen Mädchen. 

„Ach nein, gnädiges Fräulein, — meine Fenſter 
liegen ja mach ber andern Seite, und die Mauern hier 
im Haufe find fo bif, daß man Leilas Bellen faum 
hörte, ich war auch fo kobınibe, bag id) mie eine Marz 
motte fchlief!” 

Das ärgerte Frau von Jegenstorff nun Doppelt, und 
fie konnte eine ſpöttiſch-biſſige Bemerkung nicht unter: 
drücken, ver[tununte aber, als Herr von Wieder eintrat. 

Auch er jah jo eritauut und entrüftet aus, wie das 
verfirperte qute Gewiſſen, als Die {chine Guim ihm jehr 
wehleidig von ber jurchtbaren Nacht erzählte. 

„Das find Die verdammten Nöter aus dem Bürger: 
garten gemejen! Na, das foll bald abgejtellt werden, ich 
gehe nachher felber hin und forge dafür, daß fie heute nacht - 
eingejperrt werden! Zu fatal! Sonſt hort man N 
Laut, und gerade heute nacht, mo Sie hier find . 
es iſt infam! Gräßlich dera 14 


— 478  — 


Und dann fragte er audj uad) Wilhelminens Schlaf, 
unb es zog wie Sonnenfdjein innigfter Befriedigung über 
fein Geficht, als er hörte, dağ derjelbe jo gut gemejen. 

Der Tag verging temid fangwetlig, — 

Eberhard war von früh bis jpät im Dienft, wie er 
fagte, und fonnte erft um 6 Uhr zum Effen wieder zu 
Haufe fein, aber er hatte einen Schlitten beftellt und bat 
Refi, bod) mit der Coufine nach dem Tannenichlag Hinaus 
zu fahren, mo er dienjtlich bejchäftigt fei! | 

Das per]prad) man und e erfüllte Frau Felicia mit 
Genugthuung, daß der Schlitten nur zwei Plätze aufwies, 

— jo war e$ ſelbſtverſtändlich daß ſie W Wilhelmine be⸗ 
"e fonnte, zu Haufe zu bleiben. us 

tan fuhr um zwei Uhr ab, — eine Stunde fang big 
zum Ererzierplat und dem Tannen ichlag, durch. Schnee 
geftöber und Kälte, und fuchte vergeblich nad) dem Herrn 
Rittmeifter, bis bie Wache am Pulverhaus Austunft gab: 
e8 hätte allerdings eine Winterübung heute às ſollen, 
doch wäre fie abbeſtellt worden. 

Selicia ärgerte fic) jchlagrührend, denn fie war zu 
eitel gemejen, fid) dem Regiment in einer amtíeibfanten 
Kapuge zu zeigen, und [ror mm Stein und m m der 
bittern Kälte | : 

Welche me giweiligfeit! Wieder cine Stande Wirk 
fahrt mit ber alten Jungfer, welche von lauter Dingen 
{prach, melche die verwöhnte Couſine abſolut nicht inter⸗ 

deter | 

Und als fie nach Haufe lamen — fie trout ‘tren 


we e 


Ohren nicht — e8 fommt fie an, als folle fie ber Schlag 
rühren! — tönt Mufif und Gejang aus dem Salon — 
und richtig, da liegt Herr von Wieders ftrahlend vor 
Wohlbehagen im Seffel, und bie fchamlofe, breijte Berjon, 
bie Hitzkirch, ſitzt am Clavier und ſchmachtet ihn mit 
rührendſten Liebesliedern am. 

Hier im warmen, bebnglichen Salon amiifieren fie 
fich, während Felicia jid) beinahe Nafe und vor ers 
jriert, und fid) zum Sterben langweilt! — 

Sie möchte mit den Füßen trampeln und Drein- 
{lagen vor Wut, wie fie e8 zu Haufe macht, wenn 
man wagt, bie Gejtrenge zu ärgern, aber Eberhard 
fommt ihr fo harmlos vergnügt entgegen, wie ein Un- 
ichuldsengel und fagt: „Warum find Cie eine Viertel- 
itunbe zu früh gefahren! Sch bin wie ein Blutvergießer 
mad) Haufe geitürzt, um den Schlitten noch zu erreichen 
und den abbeitellten Dienft zu melden, und finde bie 
Vögel bereits ausgeflogen! Na, da ſaß id) den ganzen 
Nachmittag und langweilte mich, bis id) endlich Fräulein 
von $ibfird) zu Hilfe rufen ließ! Donnerwetter, wie 
famog Dat fie gejungen! großartig! Cogar Tante 
Augufte hat e3 gehört und ift begeiftert |^ 

Selicta Hatte Hd) gerade mit einer wütenden und ge- 
harniſchten Philippifa an Wilhelmine wenden wollen, 
wie unfittlic) und entpürewb unpafjend e3 für eim Mäd— 
chen fet, mit einem. jungen Herrn allein zu mulizieren, 
al bei Eberhards legten Worten ihr Bli auf Frau von 
anal) fiel, weiche joeben aus einer Sofaecte aan 


— 480 — 


Das Wort blieb ihr in der. Keble fled, unb ber 
Nittmeifter, welcher ihr Mienenipiel beobachtet hatte, fab - 
mo, n alg wolle er an innerem Gelächter erſticken 


Perfide! Man hatte fie entwaffnet, — hatte bie taube, 


alte Frau al8 Gardedame dahin gelebt . . . lächerlich! 
Als ob Frau von Jegenstorff von wäre, das nicht 
zu durchſchauen! | 

Der Herr Mittmeijter ijt eim ebenjo niedrig unb ges 
wöhnlich denfender Maun, wie alle andern Männer 
aud)! Gr wirbt um bie Herrin und fängt mit der Ge- 


felljchafterin ein Techtelmechtel an —! Gah — wenn - 


er nur irem werben ae aber jem Benehmen iit 
derart. 

SIUS ubt genug, da fich neulich erit en Sreier von. 
der reichen Witwe abwandte, um fein Herz ber Mamſell 
Habenichts gu Füßen gu legen? — Cte gab ifm einen 
Siorb, bie arrogante Perjon, weil fie wohl nicht abnte, 
daß ber arme Leutnant einen fteinreichen Erbonfel im 
Hintergrunde hatte. — Und mum? Coll Felicia noch ein⸗ 


mal bie Schmach, bie Demiütiguug erleben, daß en o 


Mann, auf bem fie gerechnet, mit dem Gejellicants sfräu⸗ 
lein kokettiert und fie wie bie Trumpfſieben figen läht?! — 

- Nod heutigen Tages oder jpütejten8 morgen muß bie 
Perjon zum Haufe hinaus! Bum Ball bleibt fie feines- 


falls fier ... D, e8 wird jid) ein Vorwand finden lajien, 


ihr den Stuhl vor bie Thür zu ſehen 


Und bie empörte Couſine kommandiert Wilhelmine PR 


gni harter Stimme, ihr beim Ausfleiden behilflich zu jem - B 


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— 482 — 


und ſchwenkt auf ben hohen Haden Ug um, den Seien 


zu berlajjen. 


„pat fie wirklich ſchön geſungen, ober roolltef wi fe 


deine Feindin nur ärgern?” — flüfterte Nefi mit Heime. | 
lichen Lachen. _ 
Da wird der Bruder ganz Efftafe. „Entzücend ges 
jungen! GroBartig! Überhaupt ein gar zu liebes, verz 
jtändiges Mädchen! Höre Refi — e3 wäre eine Sünde, 
wenn wir das arme Wurm unter ber Fuchtel diefes Gift- 
pi(ae8 lieben! Es ijt ja haarfträubend, wie fie behandelt 
wird! Das dulde ich nicht länger! Schon aus Kamerad— 
ſchaft zum Vater nicht! Das Mädel jammert mid, — 
das Ejjen ſchmeckt mir gar nicht mehr, feit id) feben muß, 
wie fie gejchurigelt wird! Das verdirbt meinen Appetit! — 
por du, Refi? Du keunſt ja ſo viele Damen, bie ifre 
Gefellfchajterinnen nett und lieb behandeln, age Der 
Wilhelmine bod) eine andere Stelle!” — — — 

Reſi hatte erjtaunt zugehört. 

Sie nidte einverjianden und ruhig vor - fid) hin, als 
aber ber R ittmeijter ganz aufgeregt verficherte, pae Eſſen 
jchmece ihm nicht mehr, ba rip fie plbtlid) bie Augen 
weit auf und ftarrte ihn an, als jüfe fie ihn in ihrem 
Leben zum eritenmale. | 

Ihm ſchmeckt's nicht mehr? — Shin, bu nichta auf 
der Welt bisher um feinen gefegneten Appetit bringen 
fonnte, der jede Aufregung, jeden Ärger, jeden Schrei 
faltblütig abjchüttelte und feine doppelte Portion mit demz 
jelben Behagen af, als j jet ifm das Erfreulichſte und 


= we 


Angenehmſte paffiert, was man fid benfen fann — im 
ſchmeckt es plößlich nicht mehr? ? — 

Einen Augenblid jtaub Refi ſprachlos, dann on es 
wie ein Aufblitzen durch ihr Auge, und fie nickte fury. 
yom... fann geichehn, will’s mir mal überlegen, aber 
e3 hält — ſehr ſchwer, eine qute Stelle zu finden, 
— gequält wird fo eie arme Generalstochter überall! 


Solch ein verwaiftes Vögelchen fällt jedesmal in die Fänge — 


Des Habichts! Und dabei jeufzte fie tief auf und ihr 
iiri Blick beobachtete den Bruder. | 

Dieſer ftiefelte mit Niefenfchritten im Solon auf und 
ab. Die Zornesfalte zwiſchen feinen Branen vertiefte fich. 
„Das wäre nod) beffer ... das müßte ja mit dem Teufel 
augen, — jud) nur ial] Wielleicht findet ji Dod) 
was! . 
„Hoffen wir; felbjtredend gebe id) mir alle Mühe, 
Wilhelmine ijt nämlich ein liebes, herziges Mädchen, ein 


ganz hervorragend vortrefflicher Charakter! Wie erträgt — 


fie alle Quälereien! — Der reine Engel ift fiel" Und 
Damit verließ Refi in jehr gehobener Stimmung das 
Zunmer. ee 


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GEE el Sa SASS VS 


VANS 1808 [SISOS 


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N | aiae AONI und hoffte, ent wenig Er Werbe 
en Frau Felicias Laune etwas RUN, aber fle 
urte fidh. — Lt 

Graf} Mat erichien mit einem Kofenftrauf, welchen 
er Fräulein von Wieders mit cinem derart ſchwärmer— 
iſchen Geſicht überreichte, daß bie jchöne Witwe vor 
lauter Überrajchung vergaß, Das Mündchen s 
ichließen. nn : 
Der junge Dj ifizier hatte auch für feinen andern Pien- 
schen ein Wort oder einen Blick übrig, jondern chmachtete 
Die Negimentstanfe an, moie der verlichtelte Toggenburg, 
und wenn das and) geradezu lächerlich war, verdroß es 
bie eitle Wiſwe Dod) Eberhard outrierte feine Höflich- 
feiten fitr Die pauvere Generalstochter geradezu und glaubte 
Tid) mur, wo Frau von Jegenstorff bie langweiligen Neifee 
bejchreibungen des Herrn von Howald anhören mußte, | 
berechtigt, der albernen Perſon geradeswegs ben Hof zu 


co 


machen, eine Wahrnehmung, rele 5 Frau id Nerven = 
direft mordete! | | 

Sie blieb einfilbig, übellaunig und Flagte bu schlechten 
Nacht wegen über Migräne, 

„ĝa — was war das heute vadit?" jragte Kai 
Lichtenberg plöß (ich. „sch Habe noch nie des Radts Hier 
Hunde bellen hören, bei Ihrem Haufe, und Beute nacht 
biffen fid) die Köter geradezu in Ihrem Hof!” 

‚as Suufud — wie haben Cie dem das gehört? 
Cie wohnen ja eine halbe Stunde entfernt von hier?” 

Howald lachte heil auf. „Mum Haben Sie Ihre 
Seufterparaben felber verraten, Kai!’ 

,utnjterparaben? Gi, fief mal an — hat er hier in 
Der Mahe etwas Liebes wohnen?” medte Tante Refi un: 
gehener harmlos. —— s 

„Etwas ſehr Liebes V^ flüſterte der fife Soumont a 
uut tiefem Blid in ihre Augen. 


„Das ift ja grofartig! Run aber mal a. — | 
mein lieber Eafabren Sam! — Ban a o D 


ſchmunzelnd 

„olen am fester — aber: am dertten, Ser Nitt- 
meiſter!“ audte Howald mit verfchmigten Augenzwinlern 
Die Achſeln | | 

Boh Wetter! Sch habe bod) feine Tochter zu ver: 
geben?” — | 

„Das nicht — aber eime...” | 

„Howald! id bitte! 1 fuhr stai aa und evrütcte 
bs ein t junges Mädchen. 


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Refi lachte und le foren jüngſten Regimentsneffen 
wohlwollend zu. „Recht jo, Graf! Hüten Ste das zärt- 
(ide Geheimnis vor biejew fühllofen Eeelen! Wenns 
mal jemand anvertraut werden muß, fo [affer Sie e8 bie 
Tante Refi fein, die hilft Ihnen? ——— 


„Das foll ein Wort fein!’ rief der Graf feurig, ih — 


hob ſein Glas, Howald aber jeufate; „Ach, wenn Cie 

ahnten, gnädiges Fräulein, wie manche Nacht er vor dem 
Haufe jener Herzenskaiſerin Poften fteht! Bei dem jebigen 
Wetter wirklich rührend!” — 

Felicia warf eine Mappe, welche eine Anzahl Stiche 
von der Dresdner Gallerie enthielt, brüst aus ber Hand. 
. QOeüll'8 Ihnen nicht, Frau Coufine? Sind bie 
Bilder ebcujo wie die armen Statuen und die Lieder von 
Schumann zu Haffiich und: frivol gehalten?” — 

Wie feiner Spott. flang’s burch Eberhards Etimme, 
und Frau von Gegenstor}f lehnte den Kopf zuriick und 
liep die Wimpern tief über bie Augen ſinken „Zu viel 
Anitandsgefühl dürfte bei einer Dame wohl ftes fym- 
pathifdjer berühren, wie zu wenig!” erwiderte fie jcharf 
— und dann erhob fie fic) unb machte Wilhelmine, 
welche joeben auf Bitten ber perm an t ben Flügel treten 
wollte, ein Zeichen, we 
Mein Koph schmerz wird ee ich bedauere 
febr, aber e3 ift beffer, id) begebe mich zur Ruhe” 

“Und fie gingen. 

Der Sittmeijter. wollte ili aus feinem Ankleidezimmer 
en beqinmeien Hausrock holen. Er ſchritt leife an dem 


o ABI 


Logierzimmer ber fchönen Coufine vorüber. Da hörte er 
ihre jdjarfe, ihm fo fatale Stimme in heftigften Bornes- 
ausbrüchen gellen; bie arme Wilhelmine ward einmal 
wieder moralisch mißhandelt. 

Eberhards Grimm erwachte auf's neue. 

„Eigentlich wollte ich Beute nacht Gnade vor Necht 
ergehen und euch jchlafen laffen”, grollte er, „aber ih — 
lebe, bie Lektion hat noch nicht genug gewirft. — Für 
all bie boshajten Worte joeben wird heute nacht wieder 
gebelt!” — 

Und fo gefchah e8, und Frau Felicia und Leila 
tobten fic) ebenjo erjolglos ab, wie in der vergangenen 
Stadt. — : 

Aun werden wir fie heute Bof Hentlich los!” freute 
fid) ber böfe Rittmeifter, ale er fid) gegen Morgen nod) 
ein Stündchen hinlegte. „Schade, daß auh Wilhelmine 
geht, — aber — je nun — die Neji wird fon für fie 
jorgen.” 

Und im. Hochge} ii geföttigter Rache ehtiej er ein. 

9((8 ber Burſche um jedjà Uhr an bie Thüre ffopite, 
rieb fid) Herr von Wieders bod) recht verjehlafen und 
müde bie Augen. 

„Donnerwetter — meine mufifalijche Leiſtung hat mich 
bod) etwas matt gemacht!“ dachte er, ,bu mußt heute 
deine Übergießung ſchon recht falt nehmen, damit bie 
Lebensgeiſter etwas aufgefriſcht werden“ 

‘Und er fuhr in feine roten Saffianſchlappen und 
ſchlittete, ſowie er bem Bett entſtiegen war, zu bem 


— ABS) ce 


Eimer, welchen der Burfche neben bie große Badewanne 
geitelft hatte, und welchen der Herr Nittmeifter fid) jeden 
Morgen über den Kopf zu gießen beliebte, 
Er tauchte bie Finger in das Wafer. 
ESchafsdamel! je er wieder warmes gugegoffen!” 
grollte er. „Infam... und der $ tert ijt fdjon wieder in. 


den Stall hinunter, und aus dem Ten] ier rufen bar ih — 


jet nicht, ſonſt töre id) Das ganze Haus im Schlafl” 
Was tfi? — 
Alles ift totenitill, alles liegt in tiefer Ruh. 2 
Eberhard öffnet bie Thür ein wenig und ſchaut auf 
den Flur. 0 | 
 - Sie feine Lampe brennt auf dem Eckliſch — fie bez 
leuchtet gerade ben gelben Hahn ber Wafferleitung. 


Kein Laut, — alles dunfel fonft — dumfel und 
bitterfalt. — Die Hausbewohner liegen noch in inen 
Schlaf. 


pos was!” benft Der Mittmeijter, „du Nolit dir felber 
einen Eimer falten Wafers an Der Leitung, eo. finb ja 
nur zwei Schritt!” und damit öffnet cr bie Thür und 
iii — nur m Saffianjlippers md ue Sinnen ge | 
t ibet, mit bent Eimer hinaus : 

En eiliger Windftoß Fährt ihm entgegen, ae beets Dm 
haftig ftrebt Der oSürelfier in Civil” ber Waſſ creitung — 
entgegen. : 

Da — ein Schlag — ein radh inter ibm — jeine 
Schlafitubenthür fliegt fdjmetternd zu. „Alle Donner!” 
dentt Eberhard, „ich hatte nach dem legten Bellen ver- 


— — — 


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geffen, das Zeniter in der Garderobe zu jdjfiehem, und 
der Dummkopf von einem Burſchen ließ mal wieder alle 
Thüren unten auf!” — 

Fluggs füllt er ben Eimer und eilt nach Dem warmen 
Bimmer zurück, denn wenn man fo aus bem Bette Hers 
aus in Zugluft und zehn Grad Kälte tritt, ijt'8 nicht 
gerade, al ob man im Auguſt zur Mittagsſtunde 
ſpazieren geht. 

Gr tajtet nad) ber Thürklinke und ſteht plötzlich wie 
gelähmt vor Schrecken. | : 

„Schodmillionen und Bombenelement!!” — ringt e3 
fid) von feinen Lippen, u 

Sn der alten Kurie cab e3 nämlich mod) recht alt- 
mobijde Einrichtungen, und eine Derfelben waren bie 
Drüderjchlöffer an den Zhüren, welde ja manchmal 
recht nett find, aber audj zum Fluch eines unglücjeligen 
Hausbewohners werden fünnen, wie der Herr Rittmeiſter 
joeben mit Haarjtriubendem Entfegen erfahren mußte! 

Die Thiire bejaß feine Klinte, jonberm war mur durch 
einen Drücker zu öffnen, und Eberhard hatte bem feinen 
in der Eile auf dem Tisch drinnen liegen laffen. - 

O bu heilige Kümmerniz!! das war ja eine nette 
Überraschung. 

Zitternd vor Kälte fteht Herr von Wicders vor ber 
iet und umerbittlich verfchloffenen Thür, — fein Givi 
beiteht nach wie vor in Slipper und jenem einen, not- 
wendigen Kleidungsftüc, welches bie Menjchen zu afler- 
unterjt anzuziehen gewohnt find. 


— 4901 — 


„Dag ijt ber Lohn ber böjen That!” zieht e8 wie 
ein furchtbares Nichtivort durch feine Seele, und ber 
Nittmeifter fraut fid) verlegen Hinter dem Ohr und beutt: 
„Samiel hilf! was nun?” Und weil er jo jdjauderhajt 
friert, denft er an das nächitliegende, — Dort Hinten 
auf dem langen Korridor fchlafen des Hanjes dienit- 
bare Gleijter und Tante Quinta. — Die taube, alte 
Frau hört ihn nicht, aber Dörte, bie aud) fon wohi- 
betagte, wird er weden, damit fie ifm ihren Drüder 
heraußsreiche. 

(Selagt, gethan. 

Gr jchlittet den Gang hinab und pocht ir uera 
bei Der Jungfer ai. 

Bas it denn (08?” f(ingt e3 verſchlafen — 
„Schnell mal aufmachen“, rujt Eberhard imo ae | 
bor Soll — 

Und die Thüre öffnet fid) ein wenig — ein grefler 


Lichtſtrahl fällt auf bie geſpenſtiſch weiße Geftalt des — 


Nachtwandlers . 

„Wile guten Geilter ^ kreifcht die Alte wie wahns 
finnig vor Schreck auf — und frah fliegt ihre T tout 
dem armen Wieders vor ber Nafe zu. 

Der Schrei ijt durch das ganze Haus gegellt. 


FJeſſes was ift denn P” ruft eine Frauenſtimme hinter x = 


der Nebenthür, — fie öffnet fid) ein ganz flein wenig, 
— Annas verfchlafene Augen gloßen heraus, ſtarren auf 
das Entjegliche, was ba zähneklappernd fteht — und... 
frietjd] — judj! — eim nod) viel maré- und beindurd)- 


— 492 — 


— Schrei. Deni zubor, und wie ein anoun- 
fuk fuallt auch dieje Thüre ins Schloß. 
„Seid ihr denn verrückt, ihr Ganjer Euren Drücker 
will ich! Werft mal den Brüder heraus!” fchreit Cher- 
hard, halb tot vor Kälte. Und da öffnet fid) auch Tante 
Ouintahs Thür — und aberntals ein Schreckensſchrei 
und Krad — und mm — Gott erbarm’ jid ... auh 
die Schöne Witwe fl appt ait pen Thürſch chloß, und Sti | 

Wilhelmine... 
Noch ein WAuffehret fjódler Hide: Ümpjnug.- 
Silfe! Hilfe — ich fterbe! shoking! — iD es ijt 
empörend!” zetert Frau Felicia und jouer auch ihre 
Tour wieder zu. | 

Eberhard drückt fich in Den Shuto und befiehlt feine = 
Ceele Gott, — gunt Eiszapfen jur er a mittlerweile = 
ausgebildet. 

„Einen Srüder! Bitte einen Drücker!” donnert er. 
Da öffnet fid) Wilhelminens Thür. Cin weißer Arm 
ſchiebt ſich durch die Ritze und wirft eine große, mart 
wattierte Eteppdecke auf den Flur. 

„Bitte, Drapteren Ste fid) ein wenig, Herr Nittmeilter !^ 
fagte fie febr ruhig — „und dann treten Cie möglichit 
hinter jenen Schrant — id) begreife Ihre Situation und 


hole einen Driicfer von bem Bnéptged Fraulein meine 


Shir bejigt leider feinen.‘ 
Wie ein Bhitvergieher ſtürzt ſich Eberhard auf die 
rettende Decke und wickelt ſich zähneflappernd hinein. 
Gott fet Lob und Danf — das ijt warm! Das 


j 
| 
| 





— 404 — 


ijt bie größte Wohlthat, bie ihm je ein Menſch er de 
wiejen. i 
„Fräulein Wilhelmine — Sie find ein Engel!” ruft 
er begeiftert, und weil ihm fein Humor jefbjt „auf Cis” 
nicht im Ctid) läßt, fügt er Fröhlich Hinzu: „Das heißt, 
bem Koſtüm nach bin ich nod) berechtigter zu biejem 
Prädikat!“ 
Und dann macht “er fid) fo ſchlauk wie möglich und 
flemmt fid) in bie Lücke zwiſchen den zwei großen 
Cdrünfen. —— i 

Sm nächſten Moment fauft eine Schlanfe, bermunmte Ge- 
ftat mit „Mugen linfs” an ibm vorüber, bie Treppe hinab. 

Alle Thüren werden wieder flott in den Angeln, 
Tante Quintachs Kopf, in einer meipem, gerujchelten 
Nachthaube, zu welcher Notfäppchens Großmutter das 
Modell geliefert, erjcheint. „Sit er weg?!” jchreit fie — 
überlaut, und da niemand antwortet, zieht fie ſich 
jchimpfend wieder zurück. 

Dörte unb Anna äugen nur mal verſtohlen, unb bei 
Baronin Jegenstorff wird ſehr ojtenfibel bie Thür ab- 


geſchloſſen — ein — zweimal, Schade, daß fij ber — 
ui üſſel nicht zwanzigmal io laut kreiſchend drehen fann, 


Gin paar Minuten vergehen. eo j 

Eberhard fühlt fid) in feiner Dede höchſt mollig, ib 
wenn er aud) Das Gefühl hat, als ftünde er noch mit 
den Füßen auf bem Gotteräteich, fo wird ihm e3 bod) 
plößlic) jo warm — p 1 warm, nein — geradezu heiß 
ums Herz! 


ze dg 


Wilhelmine! — herrliches, fhiges, verftändiges, liches 
Geſchöpf! Wie turmeshoch überraaft bu in deiner fchlichten 
Güte und Entfchloffenheit die ganze Lammerherde jener 
andern Frauenzimmer, welche ihn hätten zu Stein und 
Bein frieren laffen und weiter nichts konnten, als ſchreien 
wie am Spieß! 

Noch nie hat ſein Herz einem weiblichen Weſen ſo 
ſtürmiſch entgegen geſchlagen, wie ber armen General- 
tochter, über welche rau Felicia jo geringſchätzig die Naſe 
rümpfte! Noch nie hat er jo mit vollſter Ubergengung 
fich wieder und wieder gejagt: „Welch ein famojes Mädel! 
Welch ein Prachtmädel! Die gefällt mir!” — 

Und dabei entjinnt er fid) plößlih — daß er + jüngft 
noch zu Nefi gejagt: „Sa, wenn ih mal fo eine fände, 
Die mid) zu folchem Enthufiasmus DiureiBt !^ 

Ale Wetter ... Eberhard ... alter Bunge... du 
wirſt doch uidit!» — 

Er midelt fid) nod) felter in lait geiteppten Rurvur: 
mantel und lacht feije vor fid) Hin. 

„And pb id) werde! — Damit ijt ja bie ganze Ge 
ichichte ausgeftanden !“ 

Sn Diefem Augenblid jtürmte Nefi die Treppe 
hinauf und öffnete, prujtend vor Lachen, bie Thüre des 
verlorenen Paradieſes! 

In San Felicias Bimmer entwidelte fid) ein jehr 
haſtiges Treiben. 

8 polterte, ſchnurrte, voetterte, und gwifdendurd 


— 498 — 


quietſchte und kläffte Leila, und wenn Frau von Jegens— 
torffs jchrille Stimme einen Augenblick jchwieg, hörte man 
Withelmines leije8 Weinen. 

Dörte ſchlüpfte eilfertig in das Bimmer Reſis, welche 
noch bei der Toilette war, und meldete, die Frau Baronin 
habe Hals über Kopf gepadi unb [dide joeben Sohann 
nad) einer Droſchke fort. 

Fräulein von Wieders 40g die Brauen zusammen. 
„Sie wird abreijen wollen — laffen wir fie gewähren!” 

„Dem Gejellichaftzfräulein ift foeben gefiindigt wor- 
den!” fuhr bie Jungfer erregt fort. „Weil das qute 
Fräulein die einzige war, bie von uns allen bei Verjtand 
geblieben und dem Herrn Nittmeifter zu Hilfe fam! Das 
wäre eine jdamloje Gemeinheit gewejen, hat bie qnübige 
rau gejagt und Fraulein Wilhelmine Knal und Fall 
vor bie Thür gejebt! Im einer Stunde joff fie das — 
Haus verlaffen haben, und nun fist das. arme Gejchöpf 
und weiß nicht wohl und weint fid) bie Augen aug!” 

Refi war ganz bla georden. „Dt fie allein in 
ihrem Bimmer?” -oo 

„sa, fie hat der Paronin bie Sachen aepadt und ijt 
nun wieder in ihrer Stube, denn bie Gnadige fchrie fie 
an: ‚ihre unlautere Perſönlichkeit perpejte die Luft! Sie 
jolle ihr aus den Mugen gehn!“ 

Fräulein von Wieders big bie Zähne zulammen. 
„Sehen Sie fofort hin, und jagen Cie Fräulein von 
Hitzkirch einen herzlichen Gruß von mir, und fie möchte 
die große Güte Haben unb einmal zu mir herunter 


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JG v. & io ftrutb, SIL Mom. n. Nov, Die Negintentstaute IL. 32 


L8 


fommen, — in mein Feines Boudoir, Dörte! — Wir x 
wollen ungeftört fein!” — | 
Su bemjelben Augenblick rumpelte bie Droſchke vor ba 
Haus. Johann fehleppte ben Stoffer Dergu, und dann fangen 
die harten Hadenjchuhe ber ſchönen Witwe auf ber Treppe. - 
(pie? jo ganz ohne Abſchied?“ dachte Refi unb — 
ichaute erwartungsvoll nach ber Thür. 

Aber diefe öffnete fid) nicht, Frau von Jegenstorff 
ſchied polnisch. 

Als das Rollen des Wagens verklang, brachte Sohann 
mit fehr zufriedenem Geficht einen Brief. — 

Nefi las die flüchtig mit Bleiftift gefrigelten Beilen: 
„Bie ich höre, liebe Therefe, bijt Du mod) nicht aufge- 
itanden, und möchte id) Dich nicht jtören. Jd) bebauere 
lebhaft, Dich mit meiner Abreife überrafchen zu miiffen, 
e8 haben fid) heute nacht jedoch derart haarfträubende, 
unmoraliichde Dinge in Deinem Haufe zugetragen, daß es 


mir unmöglich ijt, eine Stunde länger zu bleiben. Du -— 


weißt, wie ftreng ich über Sitte unb Anftand denfe; ih 
würde jterben vor Scham, jollte ich Deinem Bruder jebt 
unter bie Augen treten. Gch denfe zu feufch, zu rein und 
ideal, um mich über fole SBorfommnijje hinwegſetzen zu 
Iónnen, und id) wahre aud) meine Frauenwürde, indem 
ich bie fittenlofe Berfon, bie Sibfird), fofort entlafjen 
habe! Ich dulde feinen Gifthauch im meiner Nähe! — 
Leb wohl, liebe Therefe! Herzlichen Dank für Deine 
Gafttreundjchaft! Deine jer erregte | 
Ss Felicia. 


P. S. Sollte meine SBalltoilete pon Gerfon ame 
fommen, fende A zuruch ich werde ſehen, daß 
wiedernimmt.“ 

Die Leſerin tide Zeilen wußte zuerft nicht, ob fie 
lachen oder fid) ärgern folte; fie entjchloß fid) zu erfterem 
und legte das originelle Schriftſtück haftig aus der Hand, 
um ber foeben eintretenden Wilhelmine voll groper Herz: 
lichfeit entgegen zu geben. 

Fraulein von Hibficch trug Mantel und Hut, und 
ihr liebes, freundliches Geſichtchen blickte rot berweint 
unter fien Schleier hervor. — | 

„Ad, gnädiges Fränlein s fibtudate fie, unb 30g 
Refis Hand voll unaugjprechlicer Dankbarkeit an die 
Tippen. „Wie beglüden Sie mich durd die gütige Er- 


laubnis, Ihnen Lebewohl jagen zu dürfen! Nach Frau - | 


pon Segenstorff Anjchuldigungen fam ich mir felber jo 
verworfen vor, daß id) glaubte, fein anjtändiger sa 
wolle mehr etwas von mir wijfen! 


Fräulein von Wieders lachte Dell auf und nahm voll | 


ruhiger Entichiedeuheit dem jungen Mädchen den Hut ab. 

„sch rechne mich jebr gu bem anjtandigen Menjchen, 
wo aber Ihre ungeheuere Verſchuldung ſtecken foll, meine 
liebe Wilhelmine, das fann ich nicht einmal burd das 
Ichärfite Vergrößerungsglas entbeden, unb veil überhaupt 
nichts vorliegt, was Tadel verdient, fondern im Gegen: 
teil Abr entichloffenes und umfichtiges Handeln meinen 
armen, ‚ausgejperrten Gájar vor einem tüchtigen Schnupfen 
bewahrt hat, fo haben wir Ihnen nur von ganzem Herzen 


- BOG os 


au danten, unb Cie unſerer vollen Eympathie zu bers 


fihern! Segen Cie fid) mal hier zu mir, mein armes, . 


liebes Herz, und laffen Cie das Vergangene thränenlos 


vergefjen fein! — Ihre Siellung war feine m — 


daß Sie ihr nachtrauern müjlen.” 


Wilhelmine drüdte Das Taſchentuch gegen die fiber: c |. 


ftrömenden Augen. „Ach cà war bod) immerhin eine 
Stellung, eim Unterfommen, und das bedeutet für eine 
Waije, welche auf Gottes wetter Welt fein Heim mehr 
hat, doch alles! Nun bin id) wie ein Vogel, oeie Neſt 
ber Blig getroffen!” 
he was für Abfichten Dat ber liebe, Eleine Vogel 
wo gebenft er Hinguflattern 2^ 
Wilhelmine verjdjlang ratlos bie Hände, Noch wei} 
ich’S nicht; e8 fam alles fo plößlich, jo ganz unerwartet —! 
Aber eg wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, alg 
bei meinem ehemaligen Vormund anzuklopfen xr 
Wo wohnt ber, Teuerfte 2” 
— Stuttgart, guadiges Fräulein ^ 
Nefi fehlug die Hände zujammen: „Alle guten Geifter, 
folch eine endloje Meije! Nein, da möchte ih Ihnen denn 
doch erjt mal einen andern Borichlag machen, der wohl 
praftijcher ijt! Geben Sie, liebe Wilhelmine, id) fude 
idon lange mad) einer lieben Genof fut, melde mid) auf 
dem großen Feld meiner Thätigfeit ein wenig unterftügt! 
Meine Pflichten als Regimentstante wachſen mir über 
den Kopf, = will ich ihnen voll gerecht werden, fanı 
— mich beim beſten Widen nicht mehr viel um ben 


Haushalt befümmern, und bod) muß berjelbe, um Tante 
Duintachs und meines Bruders willen, recht forgjam gez 
leitet werden. Würden Cie diefes Mnt übernehmen, mein 
liebes Fräulein von Hitzkirch! Nicht im Sinne der obli- 
gaten ‚Stüße‘, jondern als unjere liebe Freundin, als 
Saft unjere8 Hanjes, welcher fid) auch den gefelligen 
Verpflichtungen unterziehen muß. Das, was man jonit 
Gehalt nennt, heißt bet uns ein fleimes Tafchengeld, 
welches ich Suen in danfbarer Erkenntlichkeit anbiete, 
von welchem aber niemand zu wijjen braucht, — Gie 
find unjer Befuch und gelten auch als folder! Was 
jagen Sie dazu, liches Herz, wollen ve bei ung 
bleiben?” - 

Mit großen, beinahe ftarren Augen blickte , Wilhelmine 
die Sprecherin an, — ein Leuchten zog über ihr Antlik, 
eine tiefe, purpurne Nöte — und dann glitt fie an Refi 
nieder, brüdte ijr Geficht auf deren Hände und meinte, 
als folle ihr das Herz brechen, — Diesmal aber waren 
e8 Grünen unausiprechlicher Gflückjeligkeit! — — 

Die Wortieren teilten fi, — Eberhards erregtes 
Gefibt lugte in das Ammer, und von Fräulein von 
Sibfird) ungefehen, nidte er der Schweſter lebhaft mit 
ftrablenden Augen zu, unb jeine Geften jahen aus, als 
wolle er zuftimmen und loben: „Das haft bu famos 
genes Altes! M 

“Wilhelmine blieb, und mit ihr 30g ein neuer Geift in 
bem Wiedersſchen Haufe ein, ein Geift des ftrahlendften 


Frohſinns, welcher fid) vor alfen Dünen! in Der = 
be8 Hausherrn fund fuh — | a 
So verguitgt war Herr von Wieder lange nicht à ge 
yoejen, voie joeben, alg er pfeifend den oberen Hum entz 
lang jdritt. — | 
grau Felicias Zimmer ward aufgeräumt, und plöß- 
tih erſchien Dörte und hielt ein Bud) in ber Hand. 
Ach Herr Rittmeifter, — diefes Buch war Hinter das 
Bett ber Frau Baronin gerutſcht und ijt in ber Eile 
vergeſſen worden; bie gnübige Frau las madjt8 darin.” 
Eberhard fchlug bie Blatter auf und ftarrte aufs 
höchite betroffen Darauf nieder „La terre, von Bolal^ 
und Hier lag eim Bettel, auf welchem bie ſchöne, keuſche 
Witwe die Bücher notiert hatte, weldje fie das nächſte 
Mal aus der geibbibtiotfet beziehen wollte, — — Donners 
wetter, ba8 war ja eine nette Blütenlefell Was ef an 
jchlüpfrigen und lichtfcheuen Erzeugniſſen ber. gitteratur 
gab, leijtete - der jo überanftändigen, fittenreinen Fran 
über Macht Geſellſchaft! Eberhard lachte ſchallend auf. 
Dieſe Entdeckung war ja einen Thaler wert! Wieder 
eine neue Illuſtration zu ber alten Thatſache, daß gar 
manches ſchneeweiße Lammfellchen eine Wölfin birgt. 
Der Nittmeifter brachte feinen Fund im vollften 
Triumph zu Refi, und verficherte ihr, den Scherz, biejes 
Buch an Frau Felicia mit ein paar Randgloffen nadz 
zufenden, könne er fic) um feinen der Welt ver: 
jagen. 
„Und heute abend fingen Sie he zu Ehren nur ime 


— 503 — 


moralische Lieder, Fraulein Wilhelmine, lauter Schu: — 
mannjche Liebesgejängel rief er bem jungen Mädchen 
zu, welches lächelnd und rofig im fauberen, weißen 
Schürzchen juft ein reines Tijchgeded auf den Eßtiſch legte. 

Sein Blid Haftete auf ijr. — — — 

Wie hatte fie fid) während biejer zwei Tage fchon 
perändert! Cie blühte ja wie eine Rofe, welche aus 
bumpfer Kellerluft plöblich in das helle, warme Sonnen: 
licht geftellt wird. Und wie gut ihr dies Hausmütterliche 
Wejen fteht! Sie ift überhaupt jo gang anders, wie 
andere Mädchen, jo vernünftig und gejebt, — fo erit, 
wie eine, bie jon des Lebens volle Schwere ertragen, 
und doch wieder fo Dergerquidenb heiter und fiebenaroitre - 
dig, wie ein Menſchenkind, welches in allem Kreuz und 
Leid nicht verlernt hat, zu hoffen, zu glauben und zu 
lieben. | v 

Wie freute fie fid) auf den Ball, den erften, welchen 
fe in ihrem Leben bejuchen wird! | 
— Senn Eberhard in ihr glückjeliges Geficht fieht, dann 
Freut er jid) plößlich aud) auf ben Ball, und zwar ebenjo 
wie fie, alS ob'8 aud) fein erjter wär! — 

Der erfte jedenfalls, auf welchen er gerne geht. 

Das Ballfleid von Gerjon fam, aber eS ward nicht 
zurückgejchickt, fondern von Refi bezahlt und dabehalten. 

Abends mußte es Wilhelmine anprobieren. Sie wehrte 
fid) ganz erjchredt. „Diejes foftbare Kleid? — Ih 
foll eine Toilette tragen, wie fie bie Baronin für fid) 
beitellte?” — | 


— 604 — 


„Sie ift derart jugendlich gehalten, daß Cie eS ſchon 
riöfieren fünnen, Cie eitles Mädel!” fcherzte Fräulein 
von Wieders und war fo haftig und gejchäftig, als ob 
für fie etwas ganz Befonderes von biejem Kleide abe 
Dinge. Weiße Seide — duftiger Crêpe und große 
Sträuße b(aprotlid)er Orchideen — eS fonnte gar nichts 
Stleidfameres für das brüuette, zart überhauchte Gelicht 
Wilhelmines geben! Noch ein paar feine Abänderungen, 


welche Dörte mit Kennerblick ausführt, und Refi ret — 


jid mit ſchalkhaftem Lächel n bie Hände, 


- Sofann bringt einen Brief. „An Fräulein Minta — 


von Hitzkirch!“ left Refi und fie fragt erjtaunt na? 
— heifen Sie Minka ? !^ : 

‚5 von meinen Vormund bie Antwort T meine 
Mitteilungen!” — ruft. das junge Mädchen und fügt 
lächelnd hinzu: „Minta! ja, fo urbe mein Name daheim 
abgefürzt und ein wenig idealifiert, — meine Angehörigen 
und Freunde namen mich fo. rau von Jegenstorff 
fand dieſe Verſion aber zu fofett und taufte mich wieder 
auf meinen pollen, ichlichteren Namen um!” 

„Minta! — Minta!” latte Nefi jo Dell. auf, daß 
if e ‘Edhugbejohlene fie gang betroffen anjah: ,,Das ijt 
ja veigend! Bon jebt ab darf fein Menſch Sie wieder. 
anders nennen, alg Minfa! D, das ijt ja ein Haupt- 
(der! — ni dabei eilte Tante Refi voll jäher Haft 
Hinaus .... nebenan rafchelt unb y franu fie in den Due 
tungen ... was hat fie nur?! | - 

“Mints hat feine Beit, "urüber aaoi. Sie 





— 9s. 


ftarrt wie gebannt auf the Spiegelbild. auf dieſes 
Itrahlende, zauberhaft herrliche! mu 

Hat fie, das arme Ajchenbrödel, denn aud) unter 
bem Zauberbaum geftanden? — - 


Und jah erfchredt fchlingt fie bie Hände Wes an E 
Ach Gott — was würde Frau Felicia fagen, wüßte fie, - — 


daß bie arme Wilhelmine ihr fójtlid) Balltleid trägt! 








XXIV. 





NX Flöten von dem Orehefter herab, und Achat 
eda von Kronftadt verbengte fih vor Martina 
Gollnow und lächelte: „Der Walzer, welchen Sie bie 
Güte hatten, mir zu opfern, gnädiges Fräulein I^ | 
„gu opfern?” Site lachte melodifch auf, und ein 
leuchtender Blid traf fein Auge, „umgekehrt dürfte e8 zu- 
treffender fein!” 

Inwiefern da3?” 

Sie jah ein flein wenig verlegen aus. „Die Welt 
dat 4. 

„©, bie Welt jagt viel, was fie nidjt verantworten 
fann. Und was jagt He in diefem Fall?” —— 

„Daß ein gemilfer Herr von Kronftadt — ich will 
ihn nicht anjeben — fehr ungern tanzt und jid) wirklich 
und wahrlich für bie gute Gade opfert, wenn er bem 
Herrenmangel abhilft und bie jungen Damen engagiert!” 
Wie reizend ifr ber Schelm in dem jonjt fo erniten 
Sefichtchen ftand, wie unbejchreiblich anmutig das rojige 
Florkleid ihre ſchlanke Geltalt umwehte! 


Ih dachte, bie Welt habe einen richtigeren Blick! 
Eine junge Dame zum Tanz zu führen, ift für uns 
Herren ftet3 eine bejondere Freude, wenn man aber als 
alter Mann dazu verurteilt ijt, meift nur nach der „Ans — 
ciennetät“ zu wählen, jo ijt allerdings zeitweile ein Opfers 
mut nötig, den a nicht pete und parum JENNA 
werde!” 

Ich bin febr gefpannt, mie. . Det ati pur tangen 
wird! lächelte fie. — t | 
„Darf ich bitten!“ Sein Yrm mae 4 je, fefter, 
leidenſchaftlicher, als wie fie es je empfunden, d dann 
flogen fie nach den miegenben Klängen dahin, wie von 

Flügeln ber Glücjeligfeit getragen. 

Martinas Herz erbebte in nie getanntem Entzüden. 
Es war, als ob ber feine Luftzug, welcher ihre duftigen 
Löckchen in die Stirn wehte, einen Funken in ihrem Innern 
anblies, daß er zu himmelhoher Flamme aufloderte. Es 
liegt ein unerklärlich geheimer Sauber im Tanz! 

Er zwingt zuſammen, was fid) ſonſt fern fteht, er 
bindet und fettet, was fich flieht, er jagt das Blut ſchneller 
und heißer durch die Adern, daß nicht nur die Wangen 

glühen, jondern auch Das Herz heiß wird in unbewußtem 
| 
Martina hatte jouit cine fo grobe Kluft zwiſchen jid 
und dem Geliebten erblidt, Stellung — Alter — Riffen 
und Vermögen deuchten ihr Hinderniffe, welche fi ewig 
den Weg zu feinem Herzen verjperrien, und nun plößlic, 
waren diejelben verſchwunden, — fie lag in jeinem Arm! 





— 510 — 


Cie mar ifm fo nah — ad) fo nah — und er mar jo 
jung und jo anſpruchslos, wie jeder andere Tänzer auch! 
Und er liebte fie, — dag fühlte und empfand fie, das 
ging plößlich mie ein gitternder Jubelſchrei urs. ihre 
Geele. | 
wa, er liebte fie! — Würde er jonjt mit le tanzen? 
Würde er fie jonjt jo leiden} ichaftlich umfchließen, würden 
feine Augen jo glückſtrahlend — mit jo wunderbar bez 
vedtem Blick die ihren fuchen? 

Ach, er fiebt nicht nur jo jung und ds Gon a aus — 
er ij es auch! — in feinem Herzen mait und blüht e$, 
und feine Empfindungen find fein hohles Echo von lang 
perballtem, einit genofjenem Glick, fie find heilige Wahr- 
Heit, — gewedt durch bie zauberijche Me gerne gegen: 
feitiqer Liebe! 

Wie ein jeliger Staujd) Dea Glüdes überfommt e8 das 
junge Mädchen, bie Wogen des Tanzes jpülen alles Hin- 


weg, was ifr daa Herz zuvor jo ſchwer und hoffnungslos — 


gemacht, — er liebt fie! er liebt fie wahrlich! — jebt, 
in biejem Augenblid, glaubt fie an das holde Wunder! 

Und diefer Glaube leuchtet aus ihren Hugen, als fie 
zu ihm aujblidt. 
. Auge ruht in Auge, — eine ae, aber So lp 
verftändliche Sprache jauchzender, ticfiuniger iebeafeliafeit! | 

Da wagt er eS und brüdt ihre Hand, — zaghaft 
und jdjeu guerit, Dann heftiger und burdjbebt von jüer 
Leidenſchaft | 

Und ihm dünkt e$, als ob bie kleinen, weichen $ Finger: 


— $11 — 


chen fid) fefter im feine Rechte fehmiegten, und über das — 
gejenfte Gefichtchen ergießt fid) heiße Glut. — S 
Das ijt feine Erregung des Tanzes allein, das ijt 


die Flagge ber Liebe, welche ihren leuchtenden Purpur —— 


auf dag Antlig ber Pferlgetroffenen pflanzt! | 

Achat will fpredjen — aber fein jtürmijder Herz: 
{lag labmt feine Zunge. ' 

Sie jtehen ftil, — Kronjtadt möchte bie Geliebte fo 
gern fern ab aug dem Gewühl in ein ftilles, einjames 
Gdden flüchten, umjonit, das ijt heute nicht zu finden. 

Ste ftehen hochatmend in dem Schwarm lachender, 
ichwahender Menichen, fie fürchten bie Augen der Späher, 
darum wagen fie faum, bie Blide zu einander zu erheben. 

Und plößlich treffen fie fid doch, und beide ver- 
ſtehen lid. 

„Zangen! laffen Sie uns wieder ameni bittet er 
mit halb eritidter Stimme, und fie nidt mit einem Aus- 
Druc in dem ſüßen Gelicht, welcher me alles Blut zum 
Herzen treibt. 

Und wieder hält fie ſein Arm — Diesmal mod) fühner, 
noch feiter — und feine Hand umjchließt die ihre gez 
waltiger noch Denn zuvor — und ihre Augen fpredjen, — 
taujend jüß jtammelnde Liebesworte — — o jeltqer Tanz! 
möchtet du nie ein Ende nehmen! — Und bod) verz 
ſtummen jählings bie Geigen und Flöten, und ein paar 
junge Damen und Herren umringen Martina mit jebr 
wichtigen und eiligen Mitteilungen über das Tiicharranges 
ment. Man jtebt in großem Kreis und muß plaudern. 


— 912. 


‚Wer führt Sie zu ii, Tinen Martina?” trag 
Uhat und blidt Dabei zu Boden. 

„Doktor Meggen!“ antwortet fie [eije —: "Ba fommt 
er Schon! — Und mo fißen Sie?” — wie eine leije Bitte 
flingt e& durch ihre Stimme: adj, laß e8 in unjerer — 
Nähe fein! | 
Er faltet die Brauen. „Die Stabsoffigiere find am 
Excellenztiſch placiert!” flüſtert er ſeufzend, „ich muß 
die Oberlandgerichtsrätin führen! Ad, Fräul ein Mar— 
tina — fünnte ich bod) Beute mal den ‚Oberft! von 
meinem Titel ftreichen und nur wieder Leutnant fein!” 
| Martina fam nur dure einen Blick ‚antworten, 
Meggen jtebt fihon Hinter ihr. — E | 

„Darf ich bitten, Fraulein Gollnom!“ iagt er heiter 
ihr ben Arm bietend — „wir wollen Pi übe belegen |” 

„Segt Schon?” wundert fie fid). : 

ele wiljen, daß auf Wunſch des Alters das Souper 
fier zu Laude febr früh gelegt ijt! Und das ijt febr 
qut. Wenn abgegejjen ift, empfiehlt fich das große 
Publikum, welches nicht tanzt, und wir befommen Raum — 
zu emem Galopp!” 

Achat fann jest nicht über gleichgültige Dinge jcherzen 
und plaudern, er verneigt fic) fur; = Auf Wieder— 
jehen, mein gnädiges Fraulein!” unb geht 

„Das iſt famos, daß der Oberſtleutnant nod) tanzt“, — 
jagt Meggen, „wir hatten gar nicht auf ihn gerechnet, - 
beun er foll ja ganz und gar Hausunfe fein! — Schade, 
er fiebt noch jo brillant aus und fcheint nod) ganz flott 


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33 


Die Regimentstante II. 


Nov. 


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feinen Walzer zu tanzen! ad fete nur, e8 mar eine * 5 


Eintagsfliege! Cie haben ihn zu ciuem Ausnahmewaßer = 


begeiftert, Fräulein Martina, wie fie ihn damals mur die 
Schlittſchuhe lotten!” 

„D uein — er tanzt fer gern — er wi gewiß 
heute abend noch ehr viel tanzen!” ftößt das junge 


Mädchen mit bebenden Lippen hervor, e8 wird ihr plög- — 


(id) wieder jo weh ums Herz, ala habe jemand mit 
rather Hand all die rofigen Schleier zerriffen, welche 
während des feligften aller Lange vor ihren Augen 
geweht — A Oe 
Die jungen Damen fiecen bie Köpfe zufammen ind 
fihern und lachen — und ber Name „Lichtenberg“ 
flingt jo vernehmlich dazwiſchen, daß Refi voll Intereſſe 
näher tritt. 
„a3 hat denn ber kleine Graf pecciert? Warum 
lacht ihr denn fo, Kinder?” oe 
„AH, Sante Refi — eS ijt zu furchtbar tomijd) !^ 
pruftet Käthe Gollnow auf, und Komteſſe grida Hängt 
jih an den Arm der Negimentstante und flüftert in 
ijr Ohr: „Es ift eigentlich zu toll! So was will Graf 
und Leutnant ks — und qreibt Pol acie ; 
hahaha! . . ^ : 
Und abernals ein halan Gelächter | 
Poſtkarten? — was denn für Karten? erzählt doch 


„Natürlich! Tante Refi muß alles wijfen!” jagt — 
Fräulein t bon Daur energiſch, während die anderen pets T 


= 


legene Blicke wechſeln —: „Reig mal her, Marthden! 
e8 if ja gar zu | Paßhaft! I" | 

Und Marthchen entwickelt aus ihrem Kleid eine Poft- | 
farte und erzählt; „Wir hatten den Graf vorgeftern zum 
Abendbrot eingeladen, aber der Weg bis zu unjerer Villa 
mar ihm wohl zu weit unb ba jdjreibt er diefe Antwort! 
— Na, bie Eltern waren ftarr — und wir andern 
ladjten uns halb tot!“ | | 

Refi fab auf bie entjeblich aeichmierte, höchſt 
ungelenfe Schrift unb las mit ftarren Augen: „Werder 
» Herr! teile eier Wohlgeporen mit, das leiter perz — 
Dinterb zu fomm. Mit K Stomppel ement Graf bon — | 
berg.“ | | 

„Mm alles in b Welt!” fd rie Nefi ganz fett 


auf — „mas bedeutet das? — Kai tann fid) doch feinen 


schlechten Wi qemadjt haben?! — Bitte, laſſen Sie mir 
die Karte mal für zehn Minuten, Marthchen, Sie bez 
fommen Diejelbe ficher wieder.” 

„Zante Refi! Sagen Sie bod) bem Grafen auch, daß 
er nun lange genug in der Ede qeftanden hätte! Er 
hat noch mit niemand anderem getanzt, alà wie mit 
Ihnen!“ ſchmollte Frida. „Und Leutnant von Bar jteht 
aud) am Ofen und rührt jid) nicht!" 

„Hm —^ nidte Nefi mit Feldherrnbli: „ich Habe 
bid jebt fo viel zu thun gehabt — werde nun aber mal 
ein bigehen aufpafjen!” — — — 

Einen Augenblid jpäter ftaud fie vor Rai und vinti 


ipn etwas abſeits 
33* 


— 516 — 


Gr ward ganz rot bor Entzüden und haftete, ihrem 
Befehl au entfprehen. = 
„Endlich! endlich haben Sie — Beit fiir mich 1” 
jeufgte er, und fein Blid weilte zärtlich auf ihrer jchönen 
Seftalt, welche in bem leuchtend gelben Atlas noch ftattlicher 
denn ſonſt, für Rais Gejchmad geradezu majejtütijd) ausſah. 
Cie lächelte und reichte ihm die Karte Hin. „Wann 
haben Sie denn bieje8 Meifterftüd verfaßt, Graf, bireft 
nach dem Liebesmahl? Oder hatten Sie zuvor Le Bourget 
M | 
Der junge ftiiaffier dere zuerft ganz verſtändnis— 
(08 auf die Karte. „Pfui — weld) ein gemeines Gr: 
terieur —! und dann gute er plößlich auf: ~ ſteht 
ja mein Name! 
Mg d -- [een Gie nur! G8 ift Sore Abfage am 
Excellenz Walters!” | c: : UR 
“Rai jab genauer hin und flammende Nöte jtieg d 


jm Geficht. „Das ift eine Iufamie — eine wigs: 


mürbige Per lage = | 
„Sie haben die Karte nicht gefchrieben?® = 
„Zante Refil” — wie ein Schrei ber Empörung Hang 
3: „ich Habe meinen Burſchen mit miünblider Abfage 
eine weil ich jehr eilig an jenem Tage war!” 

Ah — Herrn loys Fuchs?” 

„ewik! — er wird e8 beftätigen! denn wer fid ere 
[aubt hat, diefe nichts wůrdige, ſchauderhafte Karte unter 
meinem Namen zu verfaffen — o, id) werde ihn i 
id) werbe Rechenſchaft fordern!“ 


— 517 — 


„Bit! nicht fo taut. Ich glaube, ich weiß, wer fie 


gejchrieben hat —" 
Sie wijfen? —' 
E Q9, — Herr Aloys Fuchs!” oS 

Kai taumelte beinahe 3urüd, Refi aber lachte Hell 
auf: „Sch gehe jede Wette ein! dem Echlingel war ber 
Weg bei dem fehl echten Wetter zu weit, da Dat er gez 
dacht: „3, bu haft ja fchon mal mit gutem Erfolg ben 
Graf geipielt — Schreiben wir!“ 

„Zante Refi — wenn e8 wahr wäre —" 

„S0 o wir eine nene Wnefdote für die Chronik 

der Herren Ojfisiersburfdjen! Bitte mur ruhig Blut. 


Es ijt ja gut, daß bie Sache aufgeflärt wird. Und 


nun ftürzen Cie fid) mal zu Fräulein Marthen and... 
tanzen Sie mit ihr, — da läßt fich bie Geſchichte jehr d 
humoriftiich als Geiprächsthema verwenden —“ Ne. 

(Ot. des Dunes — wijfen ſchon m» Men jhen 
Darum?” 


Alle jungen Damen. Sie müſſen me id kann, XE 


wenn Cie einer böjen $itif zuvorkommen wollen!” 

Kai jah aus wie eine Bombe, welche im nächſten 
Augenblick plagen will. Infam — ich wollte doch mit 
feiner anderen tanzen, ala wie mit Ihnen“ a er 
amijden Wut und Schwärmeret. | 

„Anfinn — Cie tanzen jo entzüdend, Graf, e3 wäre 
Elude, wenn Sie die jungen Mädchen um dieſen Genuß 
bringen wollten!“ 

Das verfehlte feine Wirkung nicht, und Graf Rai 


— 518 — 


begab fid) geradeswegs zu Fraulein Marthchen, um ihr — 
poll bumpjem Pathos zu verfichern, daß er bem Thäter, - 
welcher gewagt habe, feinen. Namen M wider. ou 
finden wiſſen werde! — m | 

Refi ſchaͤute inzwiſchen nach Germ pon Bar aug. 

Gr Ichnte am Djen und af mit vielem Behagen eine 
Portion Eis. | | 

Das Tanzen liebte er nicht feb. 

Mefi trat zu ibm heran und nidte ihm freundlich au. 
„Sollen Sie mir helfen, eine Wette a gewinnen, er 
pon Bare” 

„it hochgradigem Gutgüden, gnäbiafte Tante!” 

Refi hatte fehr laut gejprochen, alles poro: auf 
und drängte näher. | 

| „Scharnant! Taufend Dank im voraus! Denten 
Gie, einer ud Rameraben behauptete, Sie wären uns 
veränderlich . ; 

„on meinen Gefühlen? das sien | 

„Diesmal Pegog eS fid auf Ihre Art — Ihre Perjin- 
lichfeit.” . 

„ab — und Cie beftritten das? aber Tante!“ 

„Sa, id) bejtritt c8, und will ben Beweis lief ern, Ihre 
Hilfe haben Sie mir ja zugeſagtt⸗ 

„Darth. bon 

„Sh will beweifen, daß Sie binnen gm Minuten 
Drei ganz verjd)tebeme Wefen fein finnen — 

„Bravo! — bitte, losſchießen!“ 

Donner ... ba bin id) bod) gelpaunt!^ 


tf 


i SI x 


Reſi lachte —— „Aal. Cie find c eiu Bir- —! 

„Bolblutbärl” — 

Ad 2. Sn biejem Nugenblid —^ Refi wies ahi den 
Zeller in ber Hand des jungen Herrin — „ein Eisbär —' 

„urra! famog —" 

And nun helfen Sie zu Nr. 3 und engagieren Cie 
fo ſchnell wie möglich, damit Cie aud) zu der Hauptfache 
für heute abend, zum — Tanzbär werden!” 

Schallendes Gelächter, allgemeiner Jubel. 

Der Negimentsneffe lachte mit, machte gute Miene 
gum böjen Spiel und ſtürzte fid) auf Tod und Leben in 
bie Reihe ber Dangenden. : 

Herr von Laucha applaudierte am meiften. „Hut ab, 
meine Guadigite, — Cie haben eine Art und Weife, die 
jungen Leute zu nehmen — ganz magnifique! —” Und 
er blickte mit einem Gemifch von Bewunderung und N adhe 
denti lichkeit ber ftattlichen Geſtalt nach, welche, ſtets umringt 
und ausgezeichnet, ber Mittelpunkt des Feſtes war, ohne 
e3 im mindeften zu erftreben! — | 

Eberhard war wie ausgemwechjelt. 

Gr, ber jonit jo Phlegmatiſche, Schwerfällige, dent 
das Tanzen ein Greuel war, ſchwenkte fid) wie ein 

Wafferfall. | ipe 

Mo fid) die Paare am dnd. unb didjteften drehten, nu 
war bie mächtige Geftalt des Nittmeifters ficher mitten 
darunter, und wenn er aud) redt oft bei Fräulein von 
Sibfird) um eine Ertratour bat, fo vernachläjfigte er bie 
anderen Damen barum bod) nicht, jondern engagierte 


— 520 


fonber Wahl und Anjehen der Perjon bie ea ah 
bie Häßlichen, die Alten und bie 3 gungen, bie Mütter und : 
bie Töchter. : | 

Das war eine allgemeine bardan | welche mit 
viel Subel begrüßt wurde, am meiften aber entgiictte e3 — 
Schweiter Mell. iue 
Cie flopite bem wackeren Tänzer intis auf bie A 
Echulter. | is 

So lajfe id) e$ mir aalen, Gajardjen - — - fo ifte e$ 
mal nett!” | 

Gr jdjmungelte und — das erhitzte Beficht. ER 

pod) war ein furchtbares Kamel, Refi, daß id) nicht 
immer fo getanzt habe —— 

‚Barum denn das?“ 

Da neigt er fid) näher. „sch fage dir”, flüftert er 
itrahlend, ‚was das für cinen Appetit macht — na! den 
Preis für mein Couvert ichinde ich heut doppelt heraus!” 
.. Gre fieht bitter enttäufcht ans. Schäm pid)! |^ jagt 
fie turg und geht weiter, bireft zu einer Gruppe Luftiger 
Negimentsneffen, welche fie mit Glajerflang begrüßen. 

Sie winlt fie alle ganz nah — tujchelt — flüftert und 
bittet — und Daun ein allgemeines, folojjal vergnügtes 
Lachen, Anſtoßen und Berfihern: „Das wird gemad)t! 
Verlaffen Sie fid) auf uns, Tante Mefi!” 

Minfa Higtird) fah febr reizend in der ſchönen Toilette 
aus und tanzte auch recht flott, da fie aber fremd war, 
wie ftet3 in fleineren Städten ein wenig Herrenmangel 
herrjcht, und eine Blütenlefe bildjchöner Damen die zarte, 





KEINER 





— 522 — 


befcheidene Anmut Wilhelmines doch ein wenig in Schatten 
ftellte, fo fonnte Eberhard zu feiner ungeheuren Befrie— 
digung nicht einen einzigen Herrn entdecken, welcher ernſtlich 
Sturm auf das Herzchen der Fremden gelaufen hätte. 

Das ſchien plöglich, ganz plößlich anders zu werben. 
Seit nämlich bie überrafchende Nachricht: Major von 
Walded vom Mitrajjierregiment habe fid) mit feiner Coufine 
Ella verlobt, und Dorpat fchiene heute abend nod) bei 
der jüngften Präfidententochter anflopfen zu wollen, fid) | 
verbreitete, ba war e8, al8 ob bie ſämtlichen Herren rappel⸗ 
köpfig geworden wären. 

Howald hatte gerade mit Minka —— getanzt und 
ihr ganz unverſchämt verliebte Augen gemacht, wobei ihn 
die Nähe des Rittmeiſters nicht im mindeſten zu genieren 
ſchien, als plößlich Niebeland neben Eberhard trat und 
ihn fo techt vertraulich anja. 

„Sagen Sie nur, weld) eine entzüdende, junge Dame 
führt Tante Nefi heute abend aus? Nicht wahr — 
Hitzkirch Heigt fie? — ich verjtand e3 nicht genau. Cin 
ganz hervorragend reigendes Mädchen, — ich bin völlig 
weg! ganz hin von ihr! Diele Augen! So recht bie ver- 
förperte Herzensgiite! Bitte, befter Herr Rittmeifter, er- 
zählen > mir Dod) ein an etwas Näheres von 
Dr. us 
Eberhard blikte beu Frager itinbislig bon der Ceite 
an. „Sie ijt Waife und hat feinen gebogenen Heller!” - 
ſchnauzte er ifn an. 

yO, das ift ja aud) ganz Nebenfachel” ſchwärmte 


— 023 — 


Niebeland. „Sie wiffen, Herr Rittmeiſter, id Grane = 
gottlob nicht auf eine Mitgift zu fehen —" — — 


„a — zum Teufel — haben etwa jee Heiratz⸗ : iu 


gedanfen ? !^ 


„Sung gefrett hat nie gereut! aber —” und be 


Sprecher ſeufzte — auf — „ih fürchte, 
komme zu jpät — | Ex 
„So? — zu pit?" Der Nittmeifter Dordjte Hoch 
md etwas freudig überrajdjt auf —: „Smd Cie ab: 
gefallen, alter Freund ?^ RS 
„Das wohl nicht — aber Howald! Ich glaube, er 
hat mehr Chancen — und dann 3itenbfe unb Bär — 
fie jind ja alle rein des Teufels plößlich ... ba chen 
Sie nur, Herr Nittmeifter — wie die Fliegen nad dem 

Buder ihmärmen fie um das entsiicende Weſen!“ 
Eberhard mar ganz blak vor Enttäufchung geworden. 
Mit wiitendem Geficht Schnellte er herum. — | 
. Nichtig, ba belagern die Kerls bie Kleine Wilhelmine 
und fagen Elogen und berbrefen die Augen, dah das 
arme Wurm ganz verlegen wird! 
„Berde mir mal etue Grtratour ...” 


Jawohl, Proft Mahlzeit! Che er hinfommt, Bat —— 


Nengfe jhon jehr gefühlvoll gedienert, und dahin ſchwebt ue 
fie mit ihm im Tanz! > 
Donnerwetter! — 

- 8üiebefanb Hat fid) unbemerkt entfernt. 

© zucte zu berrdterijd) um feine Mimdwintel. — ———— 
= Und ftatt feiner jtcht ploglich Bär neben Herm 


bon Wieders und [treibt polls for}e) fet Smurt | 
bärtchen. u 
„Die reine Berlobungsepidemie, Dr Rittmeifter!” 


(acht er, „und wahrlich, beim Anblid all biejer fügen c 
Blüten und Anöspehen nur. begreiflich! Pog Wetter — — 


was iit da gum Beiſpiel wieder fiir ein Fraulein bon 
Dibfird) aufgetaucht! Die ift ja geradezu zum Verlieben! 
Na — eS haben auch jhon etliche Herzen ernftlich F euer 
gefangen, und ich bin überzeugt, bei einem endet es 
ſicher mit dem goldnen Jing!” | d 

Eberhard fuhr ganz giftig herum. „Fangen Sie aud) d 
jon an? Blödſinn! fol fid) nur jeder folche Flaujen — 
aus bem Kopf fchlagen! Die Meine benft gar nicht an 
Haratin!” Di 
„Haha — fie wird jhon! Ware ja eine Schlappe — 
fürs Negiment, wenn wir diefe jungfräuliche Fejtung — 


zum Schluß nicht doch nehmen würden! Au revoir, - 


Herr Nittmeifter — muß mid) god mal wieder bei ihr 
in Erinnerung bringen!” — 
„Halt da! bieje Tour gehört bereite mir!” irie 
Güjar beinahe grob, und ſchwenkte den jungen Offizier 
am den Schultern: herum, um im nádjten Moment vor 
Fräulein von. Sibfird) zu ftehen: „Seht fommt unfere 
Gytratour, Fräulein Minka!“ jagte er recht biftatorijd) 


und legte ihren Arm in den jeinen, „Bitte foal” — — 
Und er tangate fie üt die fernſte Saalecke und pflanzte fih 


wie eine Schildwache neben ihr auf. „Es; nun jolfem 
die Kerle erjt mal warten lernen!’ ſchmunzelte er grim- 


4 B8 ee 


mig, und in feinen Augen bligte plóblid) etwas auf, was 
nod) nie ein Menjch zuvor Darin Sail, bie 
Eiferfucht! 

Und forie jid) einer ber — budi bie Dan: Ä 
heran pirjd)te, was mit ‚geradezu haarfträubender Yez 
harrlichkeit gejd)af, fo midte er feiner Tänzerin haftig zu 
und fagte: „Da drüben bei ben Fenſtern ijt'8 ein bißchen 
fübler, wir wollen mal wieder — und Tüditete 
fie in Die andere Ede. 

Während bes Tanzes war fold ein - Sa iden. pielen” 
wohl möglich, aber nun fihwieg bie Muſik, unb er 
mußte e8 voll bittern Bornes gejchehen fajjen, bab das 
verliebte Wleeblatt fofort wieder das junge Mädchen 
blodierte. Howald fing fogar in unerhörter Frechheit an, 
ein allgemeines Rendezvous auf bem Gottersteich zu verz 
abreden, und dabei machte er Augen, als ob er fid) foz 
fort der Erwählten zu Füßen ftürzen wollte. 

Und Minta amüjerte dieje große Verehrung wohl, 
aber man jaf) e3 bem armen Kind am, wie ungewohnt 
ihr dies alles war, und wie e8 ihr fraglos großen Gin: 
Drud machte, denn ihre Augen leuchteten wie berflürt. — 

Eberhard überfam e8 plößlic) wie eine entfeßliche 
Unrube und Gorge. „Diejes Kinderherz nimmt das 
alles für bare Münze... Nefi muß ihr mal die Augen 
öffnen, was jold) ein Sourmachen bei ruta ber 
jagen will!“ oe 

Und er jtürgte zur Schweiter. 2 N 

Nefi hörte ws jebr ruhig an. „Sorge bid) nicht, 


— 526 — 


Cäfarchen,” lächelte fie beruhigend, „Howald hat mir . 


aud) fon fein Herz ausgejchüttet! Cr meint e wirtlich 
ernft mit bem Berloben. Gr iſt ja reich und unabhängig, —— 


und Premier ift er auch, alol nuen mir uns = Sa tens 
freuen 1^ 

„Benn er die Wilhelmine itl gu Sony antfegt ftarven 
fie feine blauen Yuglein an, — 

„un gewiß! (G8 mare Ja ein — Glück für das 
arme Mädchen! Sol fie ihr Leben lang fremdes Brot 
eſſen? — © ijt unjere heilige Prid, Howalds Bewer- 
bung zu unterftüßen l^ 

„Sp, jo! — hm ... das wäre!” polterte ber Nitt- 
meifter, „auch mod) unterftüen? — sm Gegenteil — 
zum Haus werfe id) ihn hinaus!“ 

Refi jah empört aus. „Und mit meldjem Recht? 
Rannft du dem armen, lieben Mädchen etwas oin 
bieten ?^ 

Da fubr er mit morati S Fingern durch fein B Blond- 
haar und jab furchtbar verlegen aus. ,Unfinn!” — 
brummte er — „na — Dann... Dann... id) werde 
nid) nad) etwas 3Bejjerem umjehen!” Cprach’s und 
ichwenfte furz um. 

Refi lachte verjdjmibt vor fid) Din. „Wie er fih 
wehrt gegen fein cigencs Herz! und Dabei ijt e8 ifm 
{don völlig über ben Kopf gemadjjen!^ — — — — — 

Man tanzte ben Cotillon. Martina lehnte müde 
und blag an ihrem Etuhl. Es mar ihr jo weh ums 
Herz, als habe fie etwas Schönes, Zauberſchönes 


— 597 EAD. 


geträumt und jet ploplich a arte] dae aute 
gewadht. | 

Kronſtadt hatte den ganzen Abend feinen Schritt mehr. 
getanzt, — als fie einmal nad) ifm fragte, hieß eà, er 
jäke bei den alten Herren im Spielzimmer. Ja, der ige 
wunderholde Walzer war nur eine Eintagsfliege gewefen. 

Er war vergejjen, fobald bie lebten Klänge verraufcht 
und verflungen waren, — mit ihnen entfloh jenes marme 
Fühlen und Empfinden, welches jein Herz für Kurze Minuten 
hatte aufichlagen laffen. 

Man tanzte feine Touren, eS wurden nur Blumen 
unb Schleifen verteilt, und Doktor Meggen war ber. 
erite, weicher Fräulein Sollow jeine Huldigung bar- 
brachte 

Sie tangte, — mibe, ſchwer, gleichgültig. “Und als 
fie gurüd au ihrem Blak fam und den Blid hob, fdjaute - 
fie in Achats innig fragende Mugen. Alles Blut flutete 
in ihre Wangen, — ber freudige Schreck, das ganze Ent- 
zücfen malte fid) auf ihrem Wntlig. Mit bebender Hand 
nahm fie den Strauß, welchen er ihr entgegen reichte. 

Und wieder flog fie in feinem Arm dahin, wieder 
fühlte fie bem zärtlichen Drud feiner Hand, und es über- 
fam fie wie ein Some wie em iri ojeg mn und 
Bagar. — 

weiter mur unfchlof er Sie. 

Martina —^ flültert er, ,e8 war fein ftiller Augen— 
bhid, feine Minute des Unbeobachtetieins! Sch fonnte 
Shnen nicht jagen, was mir Herz und Seele erfüllt! Darf 


cM o : 


ich morgen in Shr Eternhaus fomen, wollen Sie nid 
Dort hören?” 
Sie nidte ftumm. Cie fonnte nicht — 
Dieſer jähe Wechſel und Wandel betäubte fie. 
„Martina!“ flüfterte er, wie in leiſem Auffauchzen. 

Die Muſik erſtickte den Ausdruck ſeiner Stimme, fie 
fühlte mur feinen ungeſtumen Handedruc und blickte wie 
im Traum zu thm auf. 

Wieder ruhte Auge in Muge — aber e8 deuchte 
Martina, als fehaue er jebt trog allen Glückes viel 
ruhiger, viel ernjter — viel älter Drein wie vorhin. — 
Sie afnte nicht, was Adhat jah, dak aller Augen auf 
fie gerichtet waren, denn e3 fiel auf, daß Herr von 
Srouitabt am ganzen Abend nur zweimal getanzt hatte, — 
mit Fräulein Gollnow, mit welcher er bereits auf dem | 
Gottersteich Schlittſchuh gelaufen! 

Sollte er das füßelte Geheimnis hrer — don 
jebt aller Welt preisgeben? — | 

Um alles nicht! Martina dachte wohl ebenjo, Denn 
ihr Wejen dünfte ihm jcheuer und befangener wie vorhin. 

Er führte fie zu ihrem Platz zurüd, an welchem 
Meggen noch wartete und ibn mit feltjam forſchenden 
Augen anjah. „Auf Wiederjehen, mein gnädiges Fräus —— 
lcin!” jagte er furz und fürmlich und war im nüdjten 
Augenblick verfchtvunden. 

Martina hatte nichts beobachtet unb gefehen wie ihn, 
welcher ihr die ganze Welt bedeutete, unb mitten in aller 
bräutlichen Olüdjeligkeit ſchrie ihr Herz auf wie in bitterer 


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9t. 9. Cidftruth, GIL Nom.u. Nov, Die Regunentstante I 34 


un 


Dual: „er fiebt bid) nicht! Ach, wie eft unb fb — 
wie anders als vorhin! — Herr Gott im Himmel, was 
bedeutet das? Warum will er fommen und werben? - 
Ach, feine Liebe ijt nur a Foum m p 
nuch Freien — parum? — s | — 


T Bor | 3 3 





XXV. 


ie wenigen Nachtitunden, welche nach dem Ball 
uod) geblieben waren, verbrachte Martina in 
Y fieberhafter Erregung. | : 

“Whe ein wirrer Traum deuchte ihr alles, was fie in 
jenen feligen, kurzen Minuten während des Tanzes mit 
Achat erlebt hatte, | 

Ginen Augenblid hatte fie das, was fie, adj fo un- 
befchreiblich gern glauben wollte, au) wahrlich geglaubt 
— daß er fie liebte! | 

Da leud)iete e3 aus feinen Augen, jprach aus dem 
jugendfriſchen, leidenjchaftlichen Drud feiner Hand, fang 
wie wonnige Gewißheit durch jeine erregte Stimme — 
und Martina vergaß alles, was fie fid) voll klügelnder 
Vernunft fo oft ion in Gedanken flar gemacht, und 
gab fid) ganz und voll dem Augenblick und ſeinem 
Glück hin! 

Und dann klang ein haßlches bitteres Wort an ihr. 
Dr — ,,Cintagsfliege!” — und dag jurrte und jummte - 





durch ifr aufgeregtes Köpfchen, und fie Jah nicht mehr — 


den denen, galeone Mann in heißem, jugendlichen 
94 * : 


= 532 pud 


Liebeswerben, fie jab den fillen, refervierten Offizier, 


ben Träger bon Titel und Namen, den Streber, welcher j 


fein anderes Intereffe mehr fannte, wie feine Carriere. 
Cie fah, wie förmlich und furg er fid) verneigte und 
Abſchied nahm, und um bieje8 Sehens willen vergaß fie 
zu hören, — auf bie Worte, welche er mit vor Aufregung 
bebenden Lippen ihr zugeflüftert. Das Gejpenft banger 
Srocifel umfreijte fie und ließ nicht mehr ab von ihr. 
Wie liebte fie ifn! Wie hatte er ihr ganzes Herz 
io zaubermächtig zu eigen genommen, unb Doc) ift Diefes 
Herz ftofs voie faum ein anderes Mädchenherz, es will 


nicht mur lieben — e will qud) geb und inbrünjtig — 


begehrt jein. 

(ine Gintagsfliege! Bar feine Neigung am nichts 
anderes? — vt 

Galt ia der a mit db: nicht mehr, wie eine furze 
Berftreuung? War fein Liebeswerben nichts anderes, als 
wie eim flüchtiges Stofettieren mit Gefühlen, welche ihm 
jouit fo fern liegen? Ad, wie viele Herren machen in 
gewiſſenloſer Weife die Cour unb denten nicht mehr an 
ihre Worte, wenn ein furzer Ballabend pront ijt! 

Ach What Sronitabt? — — 

Martina preßt aufſch luchzend dag Antlib i in de Kiffen. 
„Mein, nem!“ jchreit ihr Herz in brennenden Qualen auf, 
; "i ift der befte, der edelſte der Männer, er jpielt nicht 
mit Mädchenherzen — ich glaube an ihn, ie an meinen 
Gott — wie an mich ſelbſt!“ 

Und dod)... Dag bleiche Gefpenft mit ber bilenbes 


— 533 — 


fügen ſchwirrt Daher und — ſeine Kreiſe enger und 
enger um das arme, gequälte Rind. | 

Was fol fie thun? 

Goll fie Vater und Mutter Jagen, daß er heute 
formen will? . 

Und wenn er dann nicht tont? 

Martina erſchaudert und friert bis in ifr Totis, 
ſprödes Herz hinein, 

Cold) eine Schmach ertrüge fe nicht. Sie wird 
ſchweigen und abwarten. QM 

Glaubt fie felber an fein Kommen? 

E3 jurrt wd jummt vor ihren Ohren: Eintagsfliege! 

Mit hartem Finger klopft der Vater an die Thür. |. 
Käthe ſchrickt mit roſigen Wangen aus dem Schlaf entpor 
unb Mn mit traͤumeriſchen Lächeln bie Arme. 

Bleich, erit, mit üben Mugen rite m Martina 

empor. | | 

Sie jchweigt, fie weigert fid) nicht, als si Dberland- 
gerichtsrat fie mit zu vielen, langweiligen Beſorgungen 
in die Stadt ſchickt 


Sie wundert fid) aud) faum, ala bei ihrer Deimfebr — 


eine fremde, ſeltſame Aufregung das Haus beherricht. 
Die, Mutter eilt ihr Schon auf ber Treppe entgegen, - 
über Das ganze bleiche, vertiimmerte Geficht lachend und 
Itrablend. 
Martina! ein Freier war hier!” (tit fie bebend 
vor Erregung hervor. „O Kind, Kind, warum haft du 
mir fein Wort von fo piel Glück gejagt?!” 


ee 534 — 


juuge Mädchen preBt bie Arme um die Ichmächtige 
Gieitalt der Sprecherin umd drückt das Antlitz gegen igre 
Wange — 

Ar war ba? er war wirflich da?” Mehr fann fie 
nicht Jagen, ein wonnevoller Schauer durchriejelt fie plg- 
lich, es ift, als ob blendendes Sonnenlicht durd) bie Fünfter: 
nis bride und alle Gejpenfter verfcheuchte. | 

„Bu Tiſch kommt er wieder! ach, ich muß ja in aller 
(ife ein Eleineg Diner herrichten!“ jubelte die Landge- 
rid)terütim mit brennend roten Flecken auf den Wangen, 
und dann fchricdt fie nervös zufammen. „Baters Thüre 
geht! — er ruft nad) Dir!” 

Müůtterchen — fragft du denn gar nicht, ob ich ihn 
dud lieb habe?” jchluchzt Martina. | 

Da lächelt die alte Dame und fchüttelt wie verflärt 
das Haupt. „Das weiß id) ja! ©, wie verändert marit 
bu in biejem lebten Tagen! — Muttteraugen bliden | 
ichar], da bedarf e3 feiner Frage! Wher darüber nadh- 
Der — in ftiller Stunde, — jet ſchnell, fchnell zum 
Bater — er ruft abermals!“ .- 

. Mit geſenkten Augen ftand Martina bor bem Sit: 
gerichtSrat. : 

Herr Gollnow ging mit stoßen Schritten in feinem — 
Arbeitszimmer auf und nieder. Su jehr nüchternen, kalt 
geichäftlichem Ton hatte er feiner Alleſten foeben mite 
geteilt, daß ber Oberjtleutnant von Kronftadt um ihre 
Hand angehalten und fein Jawort erhalten habe. — 

Es iſt für deine Eltern eine große Beruhigung, bid) 


is > 


fo vortrefflich verforgt zu wilfen, denn in ber Regel find 
jo bettelarme Mädchen, wie ihr, nicht jonderlich begehrt. 
Hier liegt ber Fall anders. Wenn du heiratet, jo danfjt - 
du eS allein meiner vortrefflichen, nur zu jeDr von euch 
verfanuten Erziehung gsmethode. Putzaffen undvergnügungss 
füchtige Salondämchen fünnen die Männer, die älteren 
und vernünftigen wenigitens, nicht gebrauchen, aber Mäd- 
chen, bie jo zur Häuslichfeit und Anſpruchsloſigkeit er- 
zogen find, wie ihr, bie garantieren wenigſtens eine gez 


ordnete und behagliche Häuslichkeit. — Und aus diefem 


Grunde ijt Kronftadts Wahl auf dich gefallen, Martina. 
Gr ijt fein Springinsfeld mehr und legt vor allen Dingen 
Wert auf feine Behaglichkeit und Bequemlichfeit, und 
dieje folljt bu ibm in feiner Haͤusl ichfeit jchaffen. Bon 
(yrifdjen Firlefanzereien ift feine Rede, — du haft feine 
Zärtlichkeit von Deinem Bräutigam zu erwarten, wie von 
einem Fähnrid). Du wirft bid) nut ber pollen Ruhe 
unb Würde in bie Stellung finden, welche dein Gatte 
dir Schon bei fo jungen Jahren gibt. Und ich verlange 
von dir, Martina, bei meinem vollen väterlichen Zorn, 
daß bu bid) biejer Auszeichnung wert ermeijejt. Der - 
Oberitleutuant fol fid) in meiner Tochter nicht perfaujt —— 
haben. Bon bem Nugenblid am, wo du dich ihm an- 
gelobt, haft bu mit ber Jugend abgejchloffen. Thörichte 
Schrullen, wie fie jonjt in Mädchenherzen fpufen, von 
Schmachten und Seufzen und Liebes) ſchwüren, bie mir 
fogleich über Bord. Du follft einem älteren und diftin — 
guierten Mann fein Heim verwalten, jolljt feine Hause | 


— 5930. er 


frau fein, voilà tout. — Und dafür Haft bu ifm auf 
ben tien zu banfen. Nicht jeder ift fo felbftlos, ein 
armes Mädchen zu freien. Alſo nochmals, id) — 
daß du Herrn von Kronftadt nie und nimmer Anlaß zu 
der geringiten. Klage giu, — dein Vaterhaus it Dir 
von Stunde deiner Verheiratung ab für jede Rückkehr 
geſchloſſen Und nun ziche did) um, — zu Tiſch er 
warten wir deinen Verlobten.” : 
 — Regungslos ftand Martina. Ihr 9(nifi& mar bleich 
wie ber Tod, ihre Augen ftarr und ausdrudzlos. = 
And dies alles haſt du mit dem Herrn Oberfte — 
feutnant bejprodjen?^ fragte fie mit heijerer Stimme —— 

„Da wir über deine Mitgift nicht lange zu ver- 
handeln hatten, blieb Beit für andere Dinge!” lächelte 
der Gerichtsrat ironisch, fein faltes, herglojes Geſicht hatte 
jelbjt in dieſer Stunde feinen Schimmer von Weichheit 
oder Herzlichfeit, rauf, ſchroff en brutal sang jedes | 
temer Worte. | : 

- Schweigend wandte fid). Martina aur Ihir. 

Cie manfte in ifr Summer, fant vor ihrem Bett 
nieder und prefte das 9[utlip im die un Ihr Herz 
ſchrie auf wie ut Zones] id)mergen. qusc | — 

Allo borum! barum! una. 

Seine Hausfrau — feine Biester und Köchin, 
jeine Geliebte nie! ar 

D, welch ein jelbjtiofer Mann, der fid) bie Armut — 
und Hilflojigfeit eines Mädchens zu nuge mac)t, um | 
befjen Herz unter die Füße zu treten! ie 


— 537 — 


Arm! ja, id) bin arm — und bod) muß ich ibm 
mehr geben, alg wie er mir jemals abzahlen fann. 
Meine Jugend — mein Glück — mein panes Hoffen, 
Glauben und Wünjchen ! 

Seine Augen logen — feine Worte logen, — Cin- 
tag3flieqen, welche blenden, welche mit ihren fehillernden 
Flügeln die brutale Wahrheit perbeden ponten, big Der 
ſchöne Wahn von jefbjt zerreiĝt! 

Eine namenloſe Bitterkeit erfüllte Martinag Herz. 

Voll troftlofer Verzweiflung jab fie in die. Zukunft. 
Sie, bie fid jo oft in ftolzem, jungirüulid) feujchem 
Herzen gelobt — nur aus Liebe und nur um heifer 
Liebe willen zu freien, — fie wird erhandelt und Wegge⸗ 
geben wie eine Ware, deren Art nicht Hod) im Preiſe jteht. — 

Trob, leidenſchaſtlicher Stolz büumen fid) in ibr auj, 
und dazwiſchen went ihre verratene, heilige Qiebe binge 
Thränen. 

Man ruft fie. — Coll man fie jo finden, fie, die 


benceidenswerte, glückliche Braut eines Mannes von Namen 


und Stellung? — 

Martina richtet fid) hoch auf, 

Die Würfel find gefallen. Man befiehlt, und fie ge: 
bordi Sie verläßt thr Waterhaus mit all feinem Leid 
und Wek und feiner Tyrannei, um in dem Haufe eines 
anderen Herrn und. Gebieters bie Sflaventetten weiter - 
au ſchleppen | 

Dazu dd) müdt fie a Wozu noch dicje Komöbie? | 
Wer ‚jagt es denn, ob fie biejelbe wirklich bis zum Schluß⸗ 


— 58 — 


aft durchführen fam? — Ah, ſchon jest möchte fie 
gellend auffchreien —: fort, fort! in bie weite Welt 
Hinein! — Der Sturm reißt zu Grunde, was bie Un- 
barmberzigfeit entrourgelt! — — 
Da öffnet fih die Thür. Die Oberlandgerichtsrätin 
und Käthe eilen herein, ein Strauß köſtlicher No] en 
leuchtet in ber Mutter Hinde. " 
„Martina — Liebling — fich, was et. TE Tidit Y^ 
rujt bie alte Dame mit — Stimme, amb Thränen 
ſtürzen aus ihren Augen: „© Herrgott des Himmels, 
daß ich noch jo viel Glück erlebe! Ad, das wiegt mein 
ganzes armjelige8 Leben anf! Martina — Gott ſegne 
bid) für diefe Stunde, Die bu deiner Mutter jdjentit 
Das junge Mädchen erbebt bis zum Herzensgrund. 
Ihre Mutter! — Nein, an deren Glüd hatte fie nod) 
nicht gedacht! m 
Sünde wäre e3, Der Armen uh dieſen einzigen, 
Hellen Sonnenſchein zu verdültern! Gebe Gott ihr Kraft, 


bie felige Täuſchung zu erhalten — die Augen ber — 


Mutter gu verjdjleiern, daß fie jest nicht ſcharf und weit 
blicten, bis in Die tiefe, grau ehe Seele ores c armen - 
Kindes 

Und Martina lächelt mit Blaffen Wangen und — 
das Antlitz tief in bie duftigen Rofen. 

Mathes Jubel tönt ihr wie Mißklang in ben Ohren, 
aber fie lächelt — — und vor ihren Augen ilimmert em 
gago — — du ae o 


x 


— 539 — 


Die Verlobung des Dberjtleutnant von &ronftabt mit 
Fräulein Martina Gollnow erregte in Maijendurg das 
gebührende Aufjehen. 

Allgemein nahm man die überrajchende Nachricht mit 
piel Freude auf, denn man hatte bie Töchter des Dber- 
landgerichtsrats Met8 aufrichtig bedauert und ginnte e8 
Martina von Herzen, dağ fie unter fot glücklichen Um- 
Händen ihr Elternhaus verlaffen fonnte. 

Nur Doktor Meggen-Lenzburg war jefr löslich ab: 
gereijt, unb Frau Fama mar geſchwätzig unb inbiéfret 
genug, dieje ?(breije mit Martinag Verlobung in Ber- 
bindung zu bringen. 

Der junge Arzt hatte eine tiefe, ehrliche Neigung für 
das liebreigenoe, junge Mädchen gefaßt, und man wollte 
jogar wiffen, daß feine Eltern in einer benachbarten Kreis- 
ftabt bereits febr offen und ehrlich, wie über eine abgemachte 
Sache, von ben Abfichten des Sohnes gefprochen hatten. 

Fräulein von Wieder war bie erfte, welche ihren 
Glückwunſch bet Gollnows abjtattete, fie traf nur Die 
Brautmutter zu Haufe, mete in u PH wahrhaft 
aufzuleben fien. — 


— Adat Kronitadt hatte ein fee "anges Schreiben d is xe 
die Süegimentétante und Freundin gerichtet, melde er 
wiederum bei feinem Bejuch verfehlt hatte, im meldm er. — 


über feine Verlobung jchrieb unb jid) ohne jeden Rückhalt 
über dies und jenes ausſprach, vor allen Dingen über 


den zufünftigen Schwiegervater, welcher ihm bei feiner — 


Werbung durchaus nicht ſympathiſch erjdienen war. 


. So vergingen etliche Tage, ohne daß Nefi das jung 
verlobte Baar zu jehen befommen hätte, und fie freute 
fid) diefer Heinen rift, welche ihr Zeit ließ, die legten 
Thränen, welche fie einem lieben, fife rn 
nachweinte, trodnen zu laffen. | | 
Auch das tapferjte und ftärfite Herz hat Stunden der 
Schwäche und Anfechtung zu überwinden, und wenn Refi, — 
„Die ewige Braut“, aud feit vielen, langen Jahren auf - 
jedes Glüd an ber Seite des Geliebten verzichtet hatte, 
jo galt e8 bod) immer nod) den legten, jchweren ampf, 
bieje$ geopferte Glick im Belig einer andern Mus- 
erwählteren zu jehen. 

Das freundliche Geſchick fam bem braven , waderen 
Mädchen dabei zu Hilfe. | 

Es jorgte dafür, daß Refi feine Zeit zum Grübeln 
und Sinnen fand, daß all ihr Intereſſe durch eine That 
fache gefeffelt wurde, welche ihre heißeſten und N os 
nn zu erfüllen jchien. — 

Eberhard war verliebt! bis über die Ohren i in Minta 
$ibtird) verliebt, und das führte eine Wandlung in bem - 
ganzen Weſen md © Sein des Rittmeiſters herbei, welche 


jeden amüſiert hätte, auch wenn er nicht fo viel G Sinn fir : 


Humor gehabt hätte, wie bie RegimentStante. — ds 
Güjar, ber ehedem jo phlegmatische Mann, welcher 
fid) durch nichts aus bem fcelijdjen Gleichgewicht und um 
den guten Appetit bringen ließ, er aß und tranf faum 
noch, weil nie gefannte Qualen der Eiferfucht fein Inneres 
berzehrien. Der entjegliche Howald, welcher immer un: 


enc Mee 


berbliimter und rabiater bie Cour machte, welcher ehedem 
fein fo woblgelittener Freund gewejen, war zu feinem 
beitgehaßten Feind geworden, und bod) jah bei ihm das 
Junggeſellentum jo 3&h und feitgewurzelt, daß er e$ nod) 
immer nicht über fich vermochte, all diefem Hangen und 
Bangen durd ein erlöfendes Wort eim Ende zu bereiten. 

Refi fpann ihre Kleine Intrigue defto eifriger aus, unb 
ihre heimlich Vertrauten, die braven Negimentsneffen, 
ftürmten hier Das Haus, um Fräulein pon Hitzkirch ihre 
Hul bigungen Dargubringen. 

— Eberhards wütendes Geficht, feine plögliche, unbes — 

greiflihe Bärbeißigfeit und ſchlechte Laune jchien fein 
Menſch zu bemerfen, und bas mon ihn vollends in den 
Harnijeh. | 

Und während | feine Sartnäigfeit ji jeden Hollbreit 
Boden. abfänıpfen ließ, während er im lebten Kampf mit 
jeinem eigenen, liebelodernden Herzen lag, arbeitete Nefi 
ben Blan für das neue Negimentshaus aus, mit welchem 
fie das Offigiersforps überraichen wollte. 

Der alte &riejelbad) liek mit vollfter Generofität unb 
Halt das alte Haus friich herrichten, und Mefi falfulierte 
folgendermaßen: Da fehr viel Räume, aud) bie nötigen 
Stallungen zu Gebote ftanden, jollte Dag Parterre zu 
drei Sentnantswohnungen eingerichtet werden. Won der 
Darang gewonnenen Miete wurden allmählich bie nötigen 
Bimmereinrihtungen für bie obere tage Das eigentliche 
Kaſino, beitritten. — 

Aus bem Beftand pau Heiner Strafkaſſen, 


o pr 


welche fonft durch ein Liebesmahl quitt gemacht wurden, 


jollten diesmal ein Buffet, enmia und Stronleuchter v 


bejchafft werden. 

Seder ber Offiziere itellt T einen gefdjnibten Ep: 
zimmerftuhl, ein filbernes Beſteck und Glas felber. 

Das Tafelfervice wollte der Oberſt zum  Gejdjenf 
machen, wie er fid) jon früher geäußert hatte, und Die 
Kücheneinrichtung übernahmen bie Damen des Regiment. 

Küche und Speijefaal wären jomit notdürftig aus- 
geftattet, und eine Nauchzimmereinrichtung ftiftete Fräulein 
von Wieders, — fie hatte in Wiedershagen genug ererbte 
Möbel stehen, welche fie ja Dod) nicht benußte, 

Vorläufig mußten die Herren für das Eſſen diefelben 
Preije bezahlen, wie im Hotel, und ba Refi bie Menage 
unter ihre perjóntidje Zeitung unb Stontrolle nehmen 
wollte, fo war e bet ihrer praftiſchen Art zu wirtichaften, 
wohl fider, daß ein rejpettabler Überſch juh erzielt wurde, 
welcher der Musfiattung des. Jic gimentghaujes e ich 
zu gute fommen jollte. : 

Der bejcheidene Anfang war joi, bas war bie 
Hauptlache, und Refi freute fich mie ein Kind auf bie 
Stunde, wo fie ihr geliebtes Offiziersforps in das eigene 
Haus einziehen jab, wo jahrelang gehegte, erjehute und 
nie erreichte Wünfche in Erfüllung gehen follten. 

Die Feder flog über das Papier, Nefi jaß umb bez 
rechnete juft wieder an der Hand des Gerjontatalogs eine 
Dienerlivree, welche Stiebelanb für feinen Burjchen ans 
ichaffen wollte, und welche nach Nefis Anficht in Maifen- 


— 543  — 


burg viel gu teuer und wenig chic angefertigt wurde, — 
— alg Johann eintrat und Herm von ee 
meldete. 

Einen Augenblic zitterte bie Heder i in ihrer — dann 
hob -fie kurz und freudig ben Kopf. | 

„Ich laffe bitten!” unb im nüdjten Angenblid tired 
fie dem eintretenden Bräutigam voll jubelnder Herzlichfeit 
beide Hände entgegen — - aber das in erjtarb ihr auf 
der Lippe. 

Herr des Simmel, deb jo ein glidtraiender, jung 
Verlobter us?! — 

Kronitadt drücdte ihre Sande voll nerobler Aufregung, 
feine umfchatteten, übernächtigten Augen — ihr glange 
[08 entgegen. 

Müde fie er fid auf einen Seſſel nieder. 

„Bas ift geſchehen 9^ jtammelte Reſi entjett. 

Er winfte fie neben fich und fri mit ber Hand 
ihweratmend über bie Etir. 

„SH muß mich ausfprechen!. ich muß eine treue Seele 
haben, bie mid) veriteht, ber id) rüchaltlos alles jagen 
fam — —” 

Kronſtadt! — 

Gr lächelte wehmütig: „Sch glaube, Fräulein Nefi, ich N 
habe jehr unverantwortlich gehandelt, egoiftiich, unüber⸗ 
leat, wie ein Phantaſt, welcher den Jahren unb Verhält: 
nijfeu nicht Mechnung trägt. Ich habe die Jugend per 
träumet — ich habe das Glüd perjüumet, ich habe bie 
Liebe vericherzt! — und das rüdjt ich!” — 


Ss — 


,Wronitabt, und has jagen Sie - — ere — dem die | 
liebtiit Braut geworden — 


Er hob die nervös zuckende Hand. „Meine Braut j p 


{tieB er ſchmerzlich hervor — „jo heißt fie, aber. — e 
ijt es mhte — (d 
„Barmberziger Gott, wie foll id) das veritefjen 2” ae 
„Hören Cie mich!” flüfterte er letje. „Sie wiſſen, 
wie plötzlich, wie allgewaltig bie Liebe über mid) fam. 
Martina hatte e8 mir wie durch Baubergewalten an- 
gethan, ich dachte nur noch an fie — an mein Gli — 
und das machte mich blind und taub. Ich glaubte aus 
ihren lieben, ftrablenben Rinderaugen ein tiefes, inniges 
Gefühl für mid) zu (cien, weil id e3 eben Darit lejen 
wollte! $d mar eiu (Faotit, id wollte nichts anderes 
fehen, als das, was mid) beglüdte. — Sch verlobte mich 
mit Martina. — Über meine Unterredung mit dem Vater 
fchrieb ich Ihnen, fie war mir fehr widerwärtig, ‘Denn 
Der geichäftlic) fühle Ton des Oberlandgeridjtsrats, welcher 
ber Tochter gar fein Mecht einräumt, über ihr Schickſal 
felber zu bejtimmen, verlegte mich geradezu. 
, Unter Berlobungs Be ſſen lag unter dem Bann dieſes 
Brautvaters. 
Martina bleich, verde mit verweinten ange, : 
faum, daß fie mich anzuſehen wagte. 
wd) lechzte nad) einer Stunde des Alleinfeins mit ihr, 
ich hoffte, dann meines pm gen Glückes Feo) werden au 
können. 
Aber aud) unter vier Augen blieb Martina io jt, 


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— 546 — 


jeu — jo fühl — ach, daß e mid) bis in das tiefe, 
heiße Herz hinein fror. Sie vermeidet e8 fichtlih, mit 
mir allein zu fein, — fie ijt jo gang und gar verändert — 
— und ba — endlich, nad) vergeblichem Forſchen und 
Deuten find mir endlich die Augen aufgegangen . . .^ 
Refi Hob wie befchiwörend die Hände, fein Blut- 
tropfen färbte ihr Antlik, Mchat aber fuhr mit jtodenber 
Stimme fort: „Sie liebt mid) nicht, fie liebt Doktor - 


Meggen! Ach, jebt erft wird e8 mir flar, marum id) bie — | 
beiden jtet8 zufammen fah! Martina hat in mir nie mehr 
erblickt, al& einen wohlwollenden Freund; der Gedanke, nn iu 
daß ber alternde Mann mehr für fie empfinden fóune, 


ift ijr nie gefommen. Sch aber habe mit felbftfüchtiger — 


Hand, graufam und unerbittlich bie beiden jungen Herzen ——— 
auseinander gerijjen, — ber Vater hat, ohne bie Tochter | 


zu fragen, ihre Hand vergeben — und das jpiegelte jid) 
in Martina verweinten Augen! D Fräulein Therefe — 
welch eine namenlofe Qual fajit jolh ein Ginjejen! — — 
3d habe bie ganze, lange Nacht in verzweifeltem Kampf 
gerungen — ich glaubte eS nicht au ertragen — und bod) 
faun und darf id) als Ehrenmann nicht apace aamen, 
id) muß mein Lich freigeben — ich muß . 

Gr biß mie in wilden Schmerz bie Bühne lame 
Dann job er das Haupt. „Ich fann e8 ihr nicht jagen 
— Dazu fehlt mir die Kraft — id) habe es ihr gejchrieben. 
Hier ift der Brief. d) bin bereit, mid) jedem Wunſch 
Martinag zu fügen, um ihr idjimere Stunden mit bem 
Vater gu erjparen, — ich will alle Schuld auf mich nehmen. 


— §47 — 


Und nun bitte id) Cie, liebe, teure Freundin, legen Gie 
bicjen legten Gruf in Martinas Hand. Sd reife mit bem 
Nachtzug ab, — robin, weiß id) nod) nicht, — nur fort 
— fort — dahin, wo das Vergefjen wohnt! — - ‚Helfen 
Sie Martina, daß fie glücklich wird, dies ijt der emgige 
Wunſch, welchen id) Ihnen auf bie Geele binde. — Und 
mun —^ er erhob fich, — Refi fağte jählings feinen: Arm, 
fie jah jehr ernft, jehr ruhig und zuperfichtlich aus, wenn 


aud) ihr Antlitz mod) immer bis in die Lippen Hmm c x 


farblos war. : 

„Halt, Freund Aranit — Gie pida Ber- 
mutungen aus, alg wären e3 Thatjachen! Welche Bes 
weije haben Sie Hir biejelben? — Meine! Gch tenne 
Martina länger und beffer wie Sie, und id) glaube alles 
andere eber, als daß fie den Doktor liebt. Ehe Eie voll 
Gropmut und Edelſinn ein Opfer bringen wollen, verz 


fichern Gie fid) erit, ob e3 thatjächlich von ao verlangt m 


ius c 
„Bie würde es Martina wagen, ber despotijden. 
Wille des Vaters zu opponieren ?^ 
„Das wollen wir jeen. Auf jeden Sall gejtatten gi 
daß ich zuvor mit Shrer Braut Nücdjprache nehme, che 
ich Dicjen Brief abgebe. Sie find feit jeher eine mif- 
trauiiche, zweifeljücdhtige Natur gemejen, lieber Freund, 
Sie jehen i im Hellen Sonnenlicht Gejpenfter! Wenn Ihnen 
Martina ravoni peut, fo fann bag einen anderen 
Grund haben — 


oan — Erbarmen Cie fich, Refi — welchen? 1 
35 


— 548 — 


fn feinen glanzlofen Mugen leuchtete e& auf, wie ein 
Strahl ber Hoffuung, — er prete ihre Hand an feine 
Lippen. „Ach, Dag Cie recht haben, daß Cie mir dag 
Leben wiedergeben könnten! rief er leidenſchaftlich 

Sie lächelte. „DO ihr verliebten Meuſchen — mas für 
unberechenbare, felbftquälerijche Kinder feid ihr bod)! — 
Kommen Sie, lieber Freund, jeben Sie fid) hierher unter 
Die Plütenziweige und nehmen Sie diejen Band Gedichte. 
Martina üt. heute vormittag in ber Nähſchule drüben, ich 
werde fie einmal zu mir heriiber bitten lajfen I^ 

Achat Iprang auf, flammende Nöte ftieg in fein schönes 
Antlig. „Sch faun fie jegt nicht jehen — et -— mit 
all diejen Qualen im Herzen . . ^ 

Das follen Eie aud) gar nicht. Nur ihre Stimme 


jollen Cie hören, — ich empfange fie im Nebenzimmer.” — 


Und Refi drückte dem erregien Mann das Buch im bie 
Hand und fchritt zur Thür. 

Noch einmal Hob etwas Fremdes, Schillerndes, Un- 
heimliches in ihrem Herzen fein Haupt. „Ihörin! Nimm 
den Brief, gieb ihn ab! Dann ijt bas Verlöbnis aus, 
und ber Liebfte gehört bir für alle Ewigfeit .. .“ 

Mefi atmete ſchwer auf. Boll fel. wies fie die Ber- 
fuchung von fid. Feft entichloffen, burd) ihr Glüd 
fremdes Glück zu an, hob fie libel mb unb ſieges⸗ 
freudig Das Haupt, — ber Kampf in ihrem Herzen war 
ausgefämpft, und alles andere mußte gut werden, — 
dazu folle Gott ihr helfen! — — — — 

"Horta! Endlich, endlich jefe ich Cie! Treibt e3 


— B4. — 


Sie denn gar nicht im meine Arme, mid am all Ihrem 
Gluͤck teilnehmen zu laffen?!” 

Das junge Mädchen neigte das bleiche Sefichtehen 
noch tiefer zur Bruft. „Verzeigen Sie, liebſte Tante Refi... 
ich ... ich wäre wohl gefommen .. ..” 

Wenn ich mich meiner verweinten Augen nicht gez 
jchämt hätte!“ fuhr Refi energijd) fort: „Um alles in der 
Delt — wie jehen Ste ang, Kind?!” 

Thranen ftürzten aus den Augen der Braut, fie schlug 
bie Hände vor das Antlig. „OD, vergeben Sie mir — 
ich bin gewiß recht fubijd) ... aber das alles fam fo 
plößlich — und das machte mid) nervös —” "ur 

Fräulein von Wicders fakte bie Hände und zog fie 
herab, mit feftem Blid jdjaute fie in die Augen des jungen 
Mädchens. 

„Das Glic macht nicht nervös, Martina! — Sie — 
täufchen mich nicht, ich fehe es ‚Ihnen an, Sie feiden 

Ein tiefes Auffenfzen, aber uod) wehrte fich ihr ver- 
ſchloſſener Sinn gegen die Wohlthat einer Ausſprache 

, vll ich Ihnen jagen, was Sie unglücklich macht?“ 

üt erſchrockenem Blid fah fie auf, Refi aber fuhr 
unbeirrt fort: va Verlöbnis mit Kronftadt, welches 
Shnen gegen. Ihren N Rillen mH ERO RN ward; Sie 
lieben Doktor Meggen!” 

Martina taumelte einen Schritt aat bruni 

3, folh eine unerhörte Lüge zu jagen?” rief fie, und 
je erit fo blafjes — flammte auf in dunkler 
Glut. 


== 5a — 


„Die Welt wagt es udi fag eg ^ 

„Mit welch einem Recht? Welch eine Beranlaffung 
gab ich dazu?!” — und pliglid) wie in jüber Angſt 
verzweifelnd und die Arme um Reſi ſchlingend, ſchluchzte 
Martina qualvoll auf: „© Herrgott des Himmels, auch 
das noch! Bin ich nicht ſchon elend genug? Darf man 
jelbjt das Lauterfte und Heiligfte in mir läftern, meine 


Liebe zu Achat, bie nie durch einen Gedanken, nie durch 


ein Wort im Gine jenes andern entweiht wurde? O Tante 
Mefi — wie darf man mir Gefühle andichten, die ich nie 
unb nimmer empfunden habe? Wenn Mchat e3 erführe - 
— went er gar an mir zweifelt, — o Herr. des Him- 
mels, ich überlebte es ja nicht — und bod)... adj, wer 
weis — eS wäre ibm. vielleicht ganz gleid) gültig!” i 
„Martina, welch ein unverzeihliches. Wort! — Und 
ras reden Cie von elend genug fein‘? Wenn bie Welt 


Hd. Marden erdichtete, fo gaben Cie burd) Ihr veränz — 


dertes Wefe und Ausjehen die Veranlaffung dazu! Dag 
etwas zwiſchen Sie unb Ihren Bräutigam getreten ift, 
ſieht man flar und deutlich, ift es nicht Meggett — 
wer oder was ift e$ fonft?” | Er 

tartiua drückte ihr Geſichtchen nod) icft er gegen jicfis | 


Säulter. „Ach, ich bin eine Schlechte Komddiantin, ih — 


gab mir ja alle Mühe, mir nichts merfen zu laffen, fdjon 
um. Mütterchens willen wollte id's geduldig tragen —^ 
Bas, Martina, was? Wenn id) nidt auch an 
Ihnen zweifeln joli, - — 10. jagen Cie mir jebt bie Wahr: 
pute - eem 


=. DOE m 


Ginen Augenblid bebte und erfdhiitterte die ſchlanke : 
Mädchengeftalt wie in jchwerem Kampf, dann plóplid) - 


brad) bie lang verhaltene Seiben spate mit 1 um fo uiid 
Gewalt hervor. 

„Daß er mich nicht fiebt, Tante Reji flang e8 wie 
ein halb erjtidter. Auffchrei von ihren Lippen, „daß er 
nichts von Zärtlichkeit, nichts von Innigfeit für mid) eme 
pfindet! Daß er mid) nur heiratet, um eime Pylegerin, 
eine Wirtjchafterin an mir, bem armen, anjpruchelofen 
Mädchen zu haben, daß er mich mit Blicken und Hände: 
drüden belogen hat, mid) — die im treuefter heiligſter 
Liebe ihr Dergblut für ihn geben würde!” | 

Reſi wollte bic Sprecherin neben fid) auf das Sofa 
ziehen, aber Martina fant an ihr nieder und prefte ihr 
thränenüberftrömtes Antlig in ihre Rleiderfalten. | 

Die Portiere regte fi, Uchat wollte in größter Er- 
regung auf bie Geliebte zuftürmen, ein jchneller, angitnl 
warnender Wink Refis hielt ihn zurück. a 

„Und wie kommen Sie dazu, Martina, folh — 
liche, geradezu unbegreifliche Kälte und Liebloſigkeit von 
Ihrem Verlobten anzunehmen? Hat n — — 
dazu Veranlaſſung gegeben?“ 

Martina ſchüttelte aufgeregt das Köpfchen, — von 
ihren Lippen flutete eine Beichte, all ijr Hangen und 
Bangen, Sorgen und Wähnen, ihr beſcheidenes, demütiges 
Zweifeln an ber Möglichkeit, daß ein Mann mie Achat 
juft ihr, der Armen, Schlichten, ſeine Liebe jehenten 
‚werde! Und dann fam bie ug Stunde — die 


cuc pg o 


graufamen, ſchroffen a a p ME uu : 
gemacht. — —— a 
Wieder madjte Kronftadt eine jähe, wetting Seen, 
aber Refis Bli hielt ihn abermals zurüd. 
„And Sie glauben, Martina, Kronftadt habe fich 
Ihrem Vater gegenüber in biejem Einne geäußert?” — 
„Muß id) e8 nicht? Ach, untereinander jpred)en die 
Männer wohl offener und ehrlicher, wie zu uns!” | 
„Und wenn ich Sie von dem Gegenteil überzeuge?” - 


„Das können Sie nicht, Tante Nefil Bei all Ihrer 


Liebe, — dieje namenlofe Wohlthat können Sie mir nicht ) 
erweilen! Wenn Adhat e8 mir jebt verlichert, daß fein 
derartiges Wort gefallen ijt zwilchen ibm und Papa — 
fo glaube ich eS vielleicht, weil mein armes, wehes Herz 
nach Troft lechzt — aber fo ganz überzeugen... o Tante 
Refi — ich fürchte, dies wird für ewige Reit per {arte 
Dorn an den roten Mofen meiner Liebe bleiben!” — 

Fräulein von Wieders hatte einen Brief aus ber 
Kleidertaſche gezogen. „Nun - — do lefn €ie einmal! 
Dieſe Zeilen find ſogleich nad ber Unterredang mit Ihrem 
Bater niebergefchrieben |” 

lberrojd)t nahm bie junge Braut bag Schreiben 
Achats, — ihre thränenmüden Augen hafteten darauf 
amb überflogen den Subalt, und dann pliblic) bebte ihre 
~ Hand, eine leifer, unartifulierter Laut rang fid) bon ihren 


nn = Lippen — ,, Das... das... hat er gejchrieben ? Dies ift 


: = feine wahre Meinung — . bie ... D Apat! — tat!" 
- Mit ftrahlendem Lächeln wintte Reſi bem Oberft- 





— POE o 


leutnant, unb Rronftadt jtürmte herzu und fehlang die — 
Arme um die gitternbe,. fnieende Geftalt der Geliebten. 
„Run jagen Ste ihn jelbit, mein Liebling, Shre Ant- 
mort auf dieje Zeilen, welde ſchwarz auf weiß bewieſen 
haben, wie grundverſchiedener Meinung Shr Vater und — 
Shr Bräutigam waren!” flüfterte Refi, nicte beiden nod) - 


einmal zu und war im nádjten Augenblid, wie ein guter, — 


lichter Friedensengel, entſchwunden | 

Martina aber lehnte wie betüubt am der Bruf des — 
Geliebten, flang bie Arme feiter und fefter um ihn und 
lächelte unter Thränen unaussprechlichen Glückes zu ifm auf. 

Da rufte wieder Auge in Auge, wie im jenem feligen — 
Augenblif des Tanzes — ihre Lippen fanden fid im 
heißem, jauchzendem Kup jugendfrifcheiter Liebe, und das 
Geſpenſt mit den jchillernden Flügeln verblaßte und zer: 
rann wie Nebel an der Sonne, — hie Eintagsfliege bon 
Weh unb Herzeleid erftarb in dem itrahlenden Gang 
eines Siebes[emge8, durch welchen die heiligen Gloden- 
flange der Ewigfeit und Umvergänglichteit läuteten. 


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GINN 


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AXVI, 


AID, ittmeifter von Wieders fam vom Dienft nad) Haufe 
x und mar jer jchlechter Laune. 

Gein Premier Howald war ps — 
“anoustleh tic geworden. 

Nicht allein, dak ber Menih Wb in jebem freien 
Augenblick wie dis fette an ihn hängte und mit ben 
gefithlvoll verrenkteften Augen alle Vorzüge und Anmut 
der Heinen Minka pries, ja, er hatte heute fogar bie unz 
erhörte Frechheit gehabt, zu jagen: „Zange halte ich. Die - 





Ungewißheit nicht mehr aus, Herr Nittmeifter! Ich bim EAE 


ganz bernarrt in das ſüße Mädel, und bei nächiter Ge- 
legenheit lege ich ijr Herz und Hand zu Füßen! Auf 
Ihre gütige Fürfprache darf = doch wohl rechnen, Herr 
Nittmeijter 21^ — ; 
— tuf feine Kürfprache! — Der Menfch ſchien rein toll 
geworden! 

Wenn Reſi wirflich fo verrüdt ift und ihren Oberit 
heiratet, wer fol bann feinen Haushalt führen, wenn 
nicht Mina — — — | 


— 506 — 


Allerdings hatte Refi neulich erflärt, das ginge e ridi: 
erſtens fei Wilhelmine noch zu jung dazu, und zweitens — 
werde fie unmöglich zeitlebens Hausdame bleiben wollen, - 
wenn fie Frau von Howald werden fünne. | 

Sa, das Heiraten! Weiß ber Teufel, Daß immer 
geheiratet fein muß! 

Was ijt in den legten vier Wochen aus dem feucht: - 
fröhlichen Hageftolzregiment geworden! Der Oberit hat 
als „böjer Mann” die Getrenen gejchredt, bie Baden auf: 
geblajen und die aejamte Schar der älteren Sunggejellen | 
in das Ehejoch hineingepuftet eben ift auch Dorpats 
Verlobung mit Der Präfidententochter erplodiert, unb — 
Wieders allein ift als „eiferner SBeftanb^ an ber Seite des 
Dberften gurviicégeblieben, welcher neroöfer und einjamteits- | 
Scheuer ijt, mie je zuvor! — 2 

: Angenehme Ansfichten für ift, nun allein als Sinden: = 
bod und Bl ipableiter. für Die ober pi Langeweile ber: 
halten zu müffen! Gräßl e 
Und dabei begegnete ifm eben eine ganze Schar neu- 
aebadener Bräutigams, jtrablend und übermütig Tote 
Fähnriche, und GHimolf breitete die Arme mad) ihm aus 
und recitierte: „Wo Ru liebt, will Eberhard allem br 2 
halfen?!” — 7 

Infam — ganz aion, — er Yah ja gar nicht, im 


Gegenteil — er .... Ga, wenn er Minta fieht, meum — 
fie fingt, wenn fie ihn mit ihren janften Augen Jo bergig DD 


anblickt — 
Der Nittmeifter warf die Handjchuhe auf ben Tije, 


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fuhr mit Den gefpreibten Fingern burd) das par und 
trat an den Schreibtifch. 

Was war das? | 

Da lag eine Zeitung neben ber andern, und iebe war 
an einer Stelle jehr bid und rot angeitrichen! Ein ~ 
Hundefopf — und daneben fett gebrudt: ajar und 
WMinfal” — 
Donnerwetter ! Den lest Wig jar fid) pit Reſi 
geleijtet. Dx | : 

Gr lacht bergniigt bor ie Bin und. ftaret auf Die 
Beitung. „Cäjar und Minka“ ijt zwar mur eine Hundes 
offerte aus Bahna, aber immerhin, e fieht ganz ſpaßhaft 
aus, wie bie beiden Namen jo nebeneinander ftebeu, ala 
gehörten fie zujammen! 

Güjar und Minta! — famog! e eine Be 
fobungsangeige! | 

pm.. ſo ühel nicht! — Da ſteht es wieder — und 
ba wieder, - — wie nett es ausfieht! Cäfar und Minta! 

Wirklich, das klingt ganz wie felbj itveritánblid), * dab Die 
beiden ein Baar find, — und ber jchöne Reonberger- 
Hundefopf, welcher Darüber fchwebt, ber fieht ihn gerade 
fo an, als wolle er jagen: „Du fannit ja auch bellen — halt 
pu Dir deine Eheliebjte aud) jo hübſch erbellt wie idh?” — 
Eberhard lacht faut auf. Donner ja! Das Hat 
er wirklich gethan! Hätte er niht gebellt, wäre das — 
Garderobefeniter nicht aufgeblieben, hätte feine Zugluft 
entſtehen tunen, und die Schlafzimmerthür ware mit — 
hinter dem Rittmeiſter zůgeſchnappt | ae 


As BE 


Das aber war die fleine Urjache zu der großen 
Wirfung, dak die liebe, einzig vernünftige Minfa ihn 
vor dem Tode des Erfrierens rettete und Darüber ihre 
Stellung verlor. Nun blieb fie bei ihnen und... fie 
foll und muß für immer Bier bleiben, du liebe Beit, was 

follte denn aus ihm werden, wenn fie qinge!! 
| Cäſar und Minta! — Da feta. — Er fann fid) 
gar nicht fatt ſehen daran. 

Celtiam, daß ihm der Gedanke an fol eine et 
Bujammengehirigfeit nicht längjt gefommen ijt! Wo 
alles liebt, fann Karl allein nicht halfen! Und Heli 
jagt’3 ja alle Tage, — er muß heiraten! — 

Da ijt gar fein Grund mehr, daß er fih länger 
Jpertt, er Hat ja nun em Mädchen gefunden, bie ihn zu 
dem Ausruf: „O bu Herrlichfte von allen!” begeiftert hat! 

Und dann die ewige Aufregung mit Gopal, — das . 
mug ein Ende nehmen! 

Er geht ja zu Grunde dabei! Kein Eſſen imeri ihm 
mehr, jelbjt Frifaffee von Huhn hat er neulich abend Mapp 
getoftet, weil ihm über Howalds Hofmachen die Galle ins 
Blut trat .. das muß ja einen Menſchen ruinieren, und 
darum N. 
 Güjar und Minfa!! — Er nidt den Zeitungen bei- 
nahe zärtlich zu. „Wartet nur, es foll bald nod) hübjcher 
daftehn!” und damit fapt er ‚einen Rieſenentſchluß und 
ſchreitet nach dem Salon. 

Sn Nefis Boudoir hört er ein jo fonderbares Flüſtern. 
Nanu? — Etwa ber Oberſt? — Alle Wetter! ! 


(me Een 


Und at ben Fußſpihen chleicht er nile unb: ängt is 
Durch bie Portiere 

Martina und Kronſtadt! Arm in Arm! Segen, | 
füffend — wie amet Turteltauben!! - 3 


Donner ja, das ſieht bod) recht appetiterregend aus! is 


Dem Laujcher läuft das Waſſer im Munde gujamnren, 
und er fongentriert fid) fo eilig mie möglich rückwärts 

Wo ijt Minta?! 

Da flappert ctas in bem Epzimmer! Wichtig, (le 
fniet por dem Büffet und nimmt Kryitallteller heraus. 
- »mNtüuleim Minta! Pit! Kommen Sie mal inel, 
aber furchtbar feije ^ — unb er faßt — das junge Mädchen 
ift jo überrafcht, daß fie gar nicht darauf achtet — ihre 
Hand und zieht fie fehr erregt mit ungeheuer wichtigem . 
Geſicht durch den Salon nad) Refis Boudoir. — 

„Ait... dub Dem Fußſpitzen!“ haucht er, pen Finget 
an die Stoner legend, und dann ftredt er ben Stop} bor, 
Minta muß desgleichen thun, und beide ſchauen auf das 
zärtlich küſſende Brautpaar. : 

Fräulein von Hißkirch ſchrickt höchlichſt Heiraten zurück 


und flieht, aufs äußerte verlegen, über beu Teppich nad) c 
bem Eßzimmer aurüd, Cherhard folgt mit ſeligen 
Schmunzeln und fchaut ber Heißergluhenden 2. Gut es oe D 


geht in das abgewandte Gelichtchen. — 
Hübſ i, Fräulen Minka! Nicht wahr?” _ 
„Aber Herr von Wieders!” und ſie will an ihm 
vorüber aur Thür. 
Er jtredt den Aen bor. ,,€8fadron halt! — Erft cine 





36 


It. 3». 


cs BB89 o 


Frage! — Fraulein Minta — möchten Sie aud) mal fo 
alg Brautpaar bafien? ^ — — 

„Aber ... aber — id) bitte, loffen Sie mid) . 

.. ,SStabron halt! — Rod) eine Frage, denn diefe iu 
haben Sie laut und deutlich mit ja‘ beantwortet! Fräu— 
fein Minka“ — und er faßt jählings ihre Hände, „möchten 
Cie lieber jo mit Howald oder mit mir bajiBen ? !^ 

„Herr bon Wicders!! Wie ein erfticter Aufjchrei 
fang e$, bet Sprecher aber ſchlang jauchzend den Arın 
um fie und 30g fie ſtürmiſch an bie Bruft. — 

‚jo mit mir! — Dacht id) mir's bod) — joujt hätte 
ich nämlich nie fo was Verfängliches gefragt! — Alſo 
mit mir! — Gott fet Lob und Danf — mm find wir 
auch verlobt, Herzensſchatz!“ und der Rittmeifter bewies 
das fofort durch einen wahren Wirbelfturm von Küffen 
— auf Mund — Wangen — Stirn — Naden — gleich» 
viel, wos hintraf! Gr mar ja nun verlobt, und hatte 
das Recht zu füjfen! — 

Und Minfa fand fid in das Unvermeidliche, denn fie 
war wirklich ein vernünftiges Mädchen, und weil fie- bie 
Verlobung nicht rückgängig machen fonnte und wollte — 
Denn fie war dem lieben, herzensguten, braven Gájar vom 
erjten 9higenblid an gar zu gut gemejen! — [o füfte fie 
ihn wieder — und bald ja& jowohl im Boudoir, wie im 
erfien ber Salons je ein zärtliches Liebespaar, von denen 
man auf den erjten Blick wahrlich nicht fagen fonte, 

welches das glücklichere von beiden mar! 


— — — ——— — — — — Merge —— —⸗ —— — ap —— -e 


— 563 — 


Herr von Wiederd trug tm Haufe meift Civil, und 
al er foeben freubejtrahlend, wahrhaft bertlart, feiner 
Schwelter Refi entgegentrat — Minfa war pel ihrem 
Nahen entjlohen — warf Refi nur einen fehnellen, kurzen 
Bf auf den anna deg Bruders und lächelte ganz 
jouberbar. . : 

„Refi! ve 

„Befehl, Herr Nittmeifter!“ 

Was ijt gejdjehen, Refi? Rate mall’ 
„Du haft bid) verlobt!” — 
 „Donnerwetter!” Der Frager jah febr. perbubt- aus, 
diefe prompte Bedienung fatte er nicht erwartet. „Hm 
— Dag [timmt. Aber nun rate erft mal mit wem?! 

„Mit oo Minka von a [4 | 

Zetel ja ... bas — das... woher weißt Du bag 
ihon? — — | 

Ich fehe e81^ lahte bie Negimentstante hell auf. 


Du fiebit e3? Wor” und — ſtrich fic) une 


willtürlich über den Mund. ; 
— "Sein, nod) it: er nicht jfuflefig* ati” fms Td 
— „Uber ba — bein friſch gewaſchenes, ebebem fo pue 
weißes Rlatthemd — das verrät alles!” — 

Betroffen ftarrte der Nittmeifter an fid) neben, auf 
das weiße Blätthemd, welches ganz merfmirbige königs— 
blaue Ctreifen und Flecke aufwies... | 

„Bog Blig unb Sinall! Minka Dat abgerürbt!^ ſtieß 
er furz hervor, und Mefi jchlang, laut aufjubelnd, bie 


Arme um den a(üdl ichen Bräutigam. — „sa, das blaue 
38 o 


Belvettleid muß Deine Gerzichfte ; jest diris — bas — 
koſtet zu viel Wajde!” und dann füfte fie das rotleuchtende a 


Geficht des Bruders, und ihre Freude und ihr Entzüden 
über bicje Hel denthat Cafars faunte feine Grenzen. 
aun eilten [ie beide zu ber zukünf tigen rau Nitt- 


meifter . . . mb... Minka war wirklich ein ver- — 


nünftiges Mädchen - — fie hatte das indisfrete Velvet- 
kleid jchon abgelegt und fih in ihr beites, ſchönſtes Sonn— 
tagStoftiim gehüllt — denn folh ein Sonntag an Freude | 
und ©lüdjeligfeit hatte ihr zeitlebens noch nicht ge- 
lächelt! — 

Welch ein ftlirmifcher Jubel, als am müdjten Tage 
Das gejamte Dffiziersforps mit Gattinnen und Bräuten — 
fid) in bem gaftlichen Haufe des Rittmeifters oon Wicders — 
verjanmelte und amet jehr erfreuliche Überraf Ihungen über 
fich ergehen laffen mußte! — — 

Die erjie war Die Verlobung des SRittmeifters mir 
Fräulein von Hitzkirch, welche er ſelber proflamierte, und 
wobei er bewies, bag fein vielgerühmtes, gutes Herz im 
Grunde ein pechrabenjchwarzes war, denn bicjer Blick 
von Triumph, Echadenfreude und Radjjucht, welcher da: 
bei den unglüdlichen Howald traf, bewies, wie reif er 
für die Hölle war! - 

Er empfand nicht einmal Mitleid, als bem armen 
Premier fihtlih ganz ſchwach vor Kummer wurde — - 
Nefi verjchwand nach furzer Seit mit ibm im Epzimmer, 
wo fie ihm ficher einen Cognac verabreichte — denn 





— 566 — 


Minta war fo unklug, ein euſſchieden eeue? Ge 


ficht zu machen, und das genügte für bie rajende Cifer: _ 


fucht des Neuverlobten, um den Nivalen mad) wie vor 
tödlich zu halfen! N 

Der Oberit gratulierte zwar recht brad. aber er 
fab bod) aus, wie emer, dem bie legte Butter vom Brot — 
genommen wird, und dieje nachdenklich trübfelige Miene 
behielt er auch während des ganzen Abends bei, faum 
daß bie zweite Überrafchung, und das waren Melis Er- 
öffnungen betreffé Des neuen EN, ut. moments 
tan etwas — v 

Ein &turm von 5 Beifall, Dant,  Gutgüden ih Bers 
ehrung erbraufte von allen Ceite über die geniale Negi: — 
mentstante, Die einzige, unentbehrliche, welche Dinge er- 
möglicht, an deren jede andere Kunſt Scheitert, — und 
während der müde, von ben Wimpern verfchleierte Blick des 
Herrn bou Lauda immer länger und ſinnender auf ihr haftet, — 
wie cin Menſch forgjam und ganz genau einen Gegenftand — 
prüft t und muftert, ehe er fid) zum Kauf entichließt, flammte — 
aus ai Lichtenbergs jungen Augen die Begeijterung defto 
rüchaltlojer und impulfiver! 

Sede geijtreiche That oder Bemerkung der ehedem jo 
bitter angefeindeten Negimentstante fand im ihm einen 
geradezu jtürmifchen Berehrer und Colporteur, und während 
er Don Haus zu Haus bie Bonmots und Echlagfertig- 
feiten, bie guten Thaten und hilfreichen Leiftungen Nefis 
trug, fab er aus, als fet Tante Refis Ruhm aud) ber 
feine, als gehe alles, was fie betraf, in erfter Linie ihn, 


— 567 — . 


ihren glühenditen Verehrer an. Wie itrahlte er voll Stolz, 
ala er Reſis neuftes Bonmot erzählte, welchem Niebeland 
einen jo famojen Epiguamen verdanfte. Man übte zu 
Hunoljs Polterabend ein Theaterftü ein, welches Nefi — 
felbjtredend redigierte. Niebeland, welcher von Natur 
etwas peinlich und umjtändlich beanlagt war, fand alles — — 
„nicht zart — nicht fein — nicht chic — nicht paſſeud“ 
genug, bis ber Regimentstante endlich die Geduld rif 
und fie ausrief: „Willen Cie was? Wir wollen Sie 
umtaufen, Nicbeland! Weil Cie jo furchtbar penibel find, 
jolen Sie fünftig Herr von ‚Benibelland‘ Beton!" 
Ein famofer Wig! — Man jubelte vor Lachen und Niebe— 
land hatte fein ett! — | 

Man amiifierte fid) allgemein ſehr iiber dieje un: 
umwundene und wirklich ehrliche Begeifterung Deg 
jungen Offiziers, und Fraulein von Wieders nahm 
jeine Huldigungen jehr wen und me ae 
Humor auf. 

„Eine Negimentstante muß ihren Reifen in allen 
Dingen uiiglicy fein!” lachte fie — „aud als Übungs- 
flamme! Wie joll ber fleine Graf das Courmachen lernen, 
ment er fid) nicht auf gang neutralem und ungefährlichen 
Noden etwas einüben famm? Für gewöhnlich müjjew Die 
jungen Frauen herhalten, aber das ijt am fin de sièele 
itet3 Durch bem fatalen Beigefchmad bedroht, welchen bie 
franzöfijche Litteratur dem Hausfreund beigemijcht hat; 
aud find bie Ehemänner niht immer einverftanden daz 
mit. — Rem aber ber jüngſte Leutnant einer alten 


— POS — 


Jungfer den Hof macht, ſo kann das höchſtens einen feinen 
Stich ins Komiſche erhalten.” — 

- Sedenfalls nahm Refi die Sache febr harmlos und — 
luftig, ber Graf aber bejto ernfter und feierlicher auf, 
und ber erjte, fichtbare Vorteil ermuchs ihm aus feiner — 
Yarnferaigen. Verehrung, indem fie ihm die Sympathien 
ber Geſellſchaft, welche ihm anfänglich fo fehr gefehlt, - 
Delo reicher eintrug 

Ein Herz, weldes für Tante Refi ſchlug, fand ftets 
einen warmen Wiederhall bei Groß und Klein, denn bie — 
Negimentstante hatte c& verstanden, fid) bie Buneigung 
ber ganzen Garnifon zu erwerben. — — 

Das neue Offiziersfafino war feierlich mit allen Otten 
unb Echenkungsurfunden dem Regiment übergeben, und — 
ba ber alte Kriejelbach eine bejoubere , Anfeierung“ durch 
ein Liebesmahl — borerſt mod) in der „goldenen Sonne“ 
— abgelehnt, und jiġ als einzigen Freundichaftsbeweis 
einen flotten, Keinen Frühjahrsalarm beim Oberſt beſtellt 
hatte, ſo beſchloß man, der allgemeinen am ichfeit in 
anderer Weife Ausdruck zu geben. 

Man bejdjlog dem generöjen Stifter des neuen Regi⸗— 
mentshauſes ein Ständchen zu bringen, an we (ches fid 
‘eine feierliche Anſprache des Oberſten anjchliegen follte! 

Da Herr Krieſelbach allabendlich bei der Baronin 
Quintach Schach ſpielte, ſo ſchlug man gleich zwei Fliegen 
mit einer Klappe, wenn man die Mufif vor bem Wicders- 
iden Haufe fpielen fie, und Tante Nefi fand dieje Über- 
tajdung für den alten Herrn ausgezeichnet. - 





— 59 — 


Cie erinnerte jedoch am feine Schwerhörigfeit und 
bat, baà Programm dementfprechend einzurichten, und der 
Rapellmeifter freute fi, daß feine jchönen Trompeten zur 
Geltung famen und ließ mit einem Potpourri a aus Lohen⸗ 
grin beginnen. | 


Die Fanfaren des erſten Aktes jeßten — ein = 
— und der Oberamtmann, welcher gerade einen jdjmies — 


rigen Zug zu erledigen hatte, hob plötzlich oe 
bas finnende Haupt. — 

„Ranu — was ift das? — Hören Sie he, meine 
Gnädige — ein Signal?! I” fchrie er fein Gegenüber au. 
Frau pon Quinta öffnete erid)redt den Mund — 
und richtig — tateratata — ba Ingenio und flang | 
es abermals. 2 

Simmelſchockbombenelement! Alarm! Alarm bei 
diefer Malte!” frie ber alte Herr und fprang fo ho) 
empor, daß fein Stuhl Dintenüber fchlug. „Der Oberit 
ijt nicht recht gejdeit! Gm Frühjahr meinte ich!” — 
Und wie ein Unfinniger ftürzte er nach dem Stuhl, auf 
welchen jein Mantel lag. — 

Gr wary ifi um — er fapte bie Mize — Chad) 
und Baronin waren vergeffen — der fünigliche Dienft 
gmg vor — inb Dui — fnallt die Thür Hinter ihm, 
und der Oberanitmann ftürmt wie das wilde Wetter bie 
Hintertreppe hinab, ee in den Stall zu einem 
Schimmel. — 

Fran von Suiniad jatte T Wort von Alarm ver- 
ftanden, fie hörte nur die green Trompetentöne und jah 


e— 54A. — 


bie rajeube Flucht des alten Freundes — das fonnte nur 
eins bedeuten — Feuer! — G8 blies Feuer! Ach und 
gerade davor üngitigte fie fid) jo ungeheuer! Darüber 
verlor fie jo völlig den Kopf! — Wie von ber Tarantel 
geftochen, ſchnellte fie empor, zeterte mit gellendem Organ 
„euer! Feuer! Feuer!” und ftiirgte, Halb ohnmächtig vor 
Schred, nad) ihrem Schlafzimmer, um mit gitternden Hän— 
den zu retten, was fid) ihr juft barbot — — ane zum 
Fenſter Hinaus - — bas ijt ber fürzefte Weg . 


er wagt’s für (ja von Brabant?” _ Mane: d 


heldenhaft gewaltig unter bem Fenlter — die Thür zu 
dem Salon öffnete fih, mit unendlich feier! idem Geficht 
schritt ber kurzſichtige Oberſt, gefolgt von ſeinen Offizieren 
unb Familie Wieders, bem feinem Tiſch igi, auf 
welchem Die pebini: Lampe brannte. — 

Und er rüujperte fid) — perneigte ſich nas doch, ha 
— was ift Das? — — — 

Die ichwungvolle Anfprade bleibt ihm in ber Kehle 
iterfen, Das Neft ift ausgeflogen! : a 

Gleichzeitig ein furchtbarer Lärm auf dev Straße, ein _ 
Klirren — Boltern — Kreijen — und. die Muſik bricht 
jählingg ab — eim wildes Durcheinander . 

. Droben aus bem Fenſter der Baronin aber hagelt e3 
auf bie entjebten Trompeter herab — Hutjchachteln, Waſch— 
fervice, Käften und Flajchen, Hauben und Vaſen, Rüde 
und Betten, und dagwijden jhrillt die Stimme ber halb 
zu Tode geängftigten alten Dame: „Feuer! Feuer! Hilfe!“ 
— Da gab es drunten — on blaje ein anderer 


— 512. — 


— dachten bie bombardierten Spielleute, und flüchteten 
in wilder Haft auseinander — und a(8 das Bublifum — 
johlend und juchzend zur Seite drängte, da öffnete fih 

frachend das Hofthor des Nachbarhaufes, und der alte 


Schimmel jaujfe mit natternden Hufen heraus — mitten — 


in den Wirrwarr hinein! Wie eine geſpenſtiſche Erjcheinung 
Ding der alte Striejelbad), vom Mantel umflattert, im 
Sattel, bas Hausfäüppihen kühn im Naden, — denn da 
er in Hof und Stall feine Menjchenfeele gefunden, hatte 
er in höchiter Bedrängnis den Schimmel felber gejattelt 


und feine Seit mehr gefunden, an die eigene Toilette à "n 


Denten. — 
Hurra — Depp, hepp! — baumte das wadere Streit: 


rob auf, und bie Menge ftob Ereijchend auseinander — ——— 
und aus bem Fenſter droben prafjelte eine Partie alter — 


Eounen: und Negenfchirme auf Roh und Reiter nieder .... 
Das war das Ende vom Ständchen, welches man dem 
Sentier Krieſelbach hatte bringen wollen, und von welchem 
die ganze Stadt mod) wochenlang voll unbändiger Heiter- 
fcit gelprochen hat! — 
Der Frühling fam, und bei Blütenduft, Nachtigallen: 
fang und Mondjcein erjprog bie Myrte für all die vielen 
Kränzlein, unter Deren geichen Das Küraſſierregiment zur 
Beit itai. 
AH die Hageftolze wurden junge Ehemänner, und allen | 
lachte das Glück aus den Augen! — 
Achat Kronitadt hatte feine We artina eimgefithrt unb 


‚eröffnete bie Neihe aller derer, welche bas Wunderland — 
Stalien anlocdte, die Flitterwochen in der paradiejiichen — 


Schöne einer Isola bella zu verleben. 

Auch Eberhard, und Minfa waren getraut worden, 
unb zur Bódjften Genugthuung des noch immer raſend 
eiferſüchtigen Rittmeiſters Hatte Herr von Howald die - 
Einladung aus bem fehr wenig stichhaltigen Grund ab- 
gelehnt, daß er am Abend desjelben Tages cine län gere 
Reiſe antreten müjje. on 

Infolgedeſſen ſchmeckte Herrn von Wieders das opu- 
lente Hodhgeitsdiner Doppelt gut, und in rofigfter, himmel- 
jtürmendfter Laune fuhr er mit der geliebten Minta zur 
Bahn; diesmal faf, er mit der Herzliebiten auf bem 3tüd- 
fib, was er feit Leilas Heiten ftets mit else Pinus: | 
thuung empfand. : 

Das viele Rantoffelmerfen unb Abfehiebnehmen Hatte 
jehr aufgehalten, ber Bug braufte bereits in den Bahn- 
hof, als das junge Baar eintraf, und da e8 ein Grprege 
zug war, welcher nur alle paar Etunden mal anhält, 
jo jhob Eberhard feine Frau in das erjte befte Coupé 
und fprang nad. Das $anbgepüd und eine Anzahl 
Bouquet murder nadhgeworfen, und ber Zug Je fid) 
wieder in Bewegung. : 

Eine einzelne junge Dame ja — in der 
Wocenede und ftarrte nur ben Rittmeister aufs höchſte 
befremdet an, — und als der Schaffner am Fenſter aufs 
tauchte, rief er hadit entrüftet: „Mein Herr — dies ijt 
Damencoupe!” 


— 54 — 


Wigemeine Betroffenheit. 
Da bie Holde Schöne in ber Bagenede aber ee 
nicht® gegen bie Anweſenheit des jungen Herrn einzu⸗ 


wenden hatte, erlaubte der Schaffner, daß Herr uj 


Wieders bis zur nächiten Station mitfithre. 


„Dann aber bitte id), fofort umgufteigen! Ein a Se x 
befebter Wagen ift heute nicht ba, ber Bug ift ftarfbejebt —  — 


während ber Nachtfahrt, — Die Herr] haften mitten 
‚Nichtraucher‘ nehmen!” 

Und man fuhr eine Stunde lang, bis her Bug aber: 
mals zwei fnappe Minuten Aufenthalt Hatte. 

Eberhard tobte bereits in feinem Sunern! 88 war | 
ein Blödfinn gewefen, daß fie bie Nacht hindurch fahren | 
wollten! — Das hatte er fih gar nicht überlegt, daß 
ber Zug fo bejebt fein fünne, und faltlächelnd mur anz 
genommen, für Gájar und infa fet jedergeit ein Salon: 
wagen zur Alleinherrfdaft zu haben! — | 

Unt nun faß fo ein junges, nengieriges Frauenzimmer 
in der Ecke und beobachtete jede Miene und Bewegung! 
— Und dabei ſoll ber Menſch jung verfeiratet fein! — 
Wenn das Nichtrauchercoupe aud) bejebt war, fonnte das 


ja eine nette Nacht werden, |o recht nad) pem — 


eines jungen Ehemannes! — | 
Herr von Wieders febte fid enighens ganz nahe 
neben feine Gattin, um ihr Händchen mit all der Glut 
zu brüden, weldje in feinem Herzen [oberte. | 
posit fahren mur bis F. Das ijt die zweitnächfte 
Station — leider vier Stunden noch — aber da fteigen 


(UNA = 


pir auf alle salle aug und geben in das Hotel!” 
flüfterte er. | 

Und die nächfte Station fam. Ausſteigen, mein Herr! 
Sofort Wagen wechſeln — hichfte Eile!” — fdjrie ber 
Schaffner, und das junge Cepin iun. nad) „Nicht: 
raucher”, 

Eberhard hebt Minfa hinein u inb Denkt, 
der Echlag jolle ihn rühren — da fibt tiens unb allein 
in ber Ge ... Howald! - . 

„ein, nicht bier, anderes Coupé!” fchreit der Nitt- 
meilter wütend, aber bie Schaffner drängen: „Alles andere 
beſetzt! Blak nehmen!” — 

,JUnjer Handgepäck!“ ruft Minka erfchroden. „Es 
blieb im andern Wagen!“ — Und weil ſich in der einen 
Handtaſche Schmuck und Geld befindet, raſt Eberhard 
zurück, es zu holen. 

Er flettert nod) einmal in ben joeben verlafjenen 
Wagen und reißt bie einzelnen Gepächtüde aus bem 
Neb. — Der en fat fid a — er gt und 
zertt . 

"Darf ich helfen, mein Herr?” Diet bie Dame — 
und gleichzeitig fdjmettert der Schaffner bie offene Thür 
zu — „Sertig — weiter!” und die Gignalpfeife ſchrillt 
— und Eberhard tobt wie ein Nafender am enter: 
„Halt! halt! — Sd muß nod) umsteigen!” 

„gu jpüt, mein Herr! — Auf nächſter Station in 
Drei Stunden!” kliugt es zurück — der Zug ruckt an und 
ſauſt in ber nächſten Minute weiter. 


— 576 = 


„Minta! fchreit Eberhard aus oa Fenfter — 


Eberhard!“ Hallt ein windverwehtes Scho vom Nicht: — 


raudjercoupé herüber — und darn ſinkt ber junge — 
mann mie vernichtet in bie Bolfter nieder —— 
Minka allein — allein mit Howald! — Und er alesi E 
mit einer fremden Dame! Und das drei ı ge} ichlas gene - 
Stunden fang — und das auf ber Hochzeitsreiſe! — umn 
das bei ber Eiferjucht! — Ein reizendes enfin seul!! | 
€ oll man ba nicht bie lachende und weinende Bere 
zweiflung befommen?! 5 
Armer Eberhard! — 


— —— — — — — u ——— — puse 


Noch heutigen Tages beffeibet Fraulein Refi ihren 
fo baufbaren, pflichtenreiden Boften als TSE 
Late — 

Cie hat das Offizierskaſino eingerichtet und mit Energie 
und Umficht jahrelang die Leitung desjelben geführt, 

Herr von Laucha fap Abend für Abend allein, und 
Das ertrug er nicht länger; — er legte den Paradeangug 
ait imb ging zu Fräulein von Wieders, um ihr Bu und | 
Hand zu Süßen zu legen. a = 

Aber die Antwort, welche er erhielt, ae nur einen. 
— Rat Lichtenberg. | | 

Tante Refi, die ewige — erklärte mit iren io 
freunblichen, herzgewinnenden Lächeln, daß. fie bem Regi⸗ 
ment Treue an und Mee vd. mee 





T 
i 


LJ 
$ 


AN Mom us Ror, Die Negimentetante H 


No Cibfiruthb. 


Ec RTL. 


Cie fühle fid) durchaus glücklich und zufrieden in ihrer 
Stellung und wolle biejelbe unter feinen i mit 
einer anderen bertaujdjer. nn 

Aber fie forgte trotzdem für den einſamen, unbe— 
friedigten Manun. 

Sie made eine Berjönlichfeit er. welche in 
jeder Beziehung geeignet war, dem SOberjt den Haushalt 
zu führen. 2 

Eine betagte Profejjorenwitwe, trog ihrer grauen 
Haare noch rüjtig, geijtoo und anregend, und dabei bie 
Eleganz der Calonbame mit dem mütterlich forgenden — 
Wohlwollen der quien Hausfrau vereinigend, ſchuf Herrn 
von Lauda eine Häuslichfeit, in welder ihm nichts zu 
feinem Behagen fehlte, — an Außer! ichfeiten wenigjtens. 

Er jah auch jehr glücklich und febr zufrieden aus, — 
abends aber, wenn er am offenen Fenſter jaf, und der 
Rinderjubel alee hellem Bogelgezwiticher von der Straße 
zu ihm heraufichallte, — dann ftitbte er das Haupt plötz— 
lich Schwer auf die Hand, und ein Zug von ftillem, fchmerze 
fidei Sehnen und Trauern grub t in Das emite, dienſt⸗ 
ſtrenge Angeficht. — == 

Dann zog eS wie eim [cije8, traumbaftes Echo durch 
feine Seele: — Sch Babe bie Jugend verträumet und 
habe das Glück verſäumet . . und habe bie Liebe nerz 
ſcherzt 

Rat Cichtenberg hat Sar für Sur bie Schleppe ber 
Regimentstante mit gleicher Begeifterung getragen, unb. 


— 579 — 


feine Neigung zu ihr ift immer inniger geworden. Gr 
hat fid) mit bem Starrfinn der Jugend in fein deal 
poernarrt” — und da geiftreiche Frauen ſtets ihren Reig 
und ihre Anziehungskraft für bie Männer behalten, fo 
ward Refi in feinen Augen nicht alt, fondern er allein 
wuchs und reifte zu ihr heran. 

Sp waren Jahre vergangen, und da der treue Toggen— 
burg noch immer feine Anjtalten machte, bie Herzens- 
faijerin Refi um einer anderen willen zu entthrouen, fo 
ward e3 ber Negimentstante doch eim wenig bedenklich. 

Sie nahm fih den Neffen vor und las ihn bie Lez 
viten. Es fei die höchſte Zeit, daß die „Übungsflamme“ 
nun ausgebrannt habe; er möge feine nipar nun mal 
ins Praktifche überjegen! 

Seine Antwort war ein regelrechter Heiratsantrag. 

Kein Auslachen, fein Zürnen half. 

Kai behauptete, ſchon mand) ein junger Mann habe 
eine Doppelt jo alte i geheiratet und ia jehr en 
geworden. 

Da foll — man jagt’ 3 — Tanie Xi zu einem jebr 
draſtiſchen Mittel gegriffen Haben. 

Sie febte fid) jo recht ins helle Licht ihm u 
und jab ihn mit recht fchadenfrofem Lächeln an. 

„Sie find eben Oberleutnant geworden, Graf, — ich bin — 
cine Fünfzigerin, — an welcher Sie bisher nur das fahen, 
was vor Augen war! Nun fdjauen Sie mal her!” — 
und [angjam hob Nefi die Hand, nejtelte einen Augen- 
bli an ihrem mächtigen Zopf und legte denfelben im 

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— 580. — 


nidjten Moment feierlichft vor den defen cie auf | 
bie Marmortijchplatte nieder. 
Herr be8 Himmels, wie fah fie plik i qui; als fie | 
derart die Toilette gewechjelt hatte! — - 
Der Kopf mit bem breiten, [efr breiten Scheitel 
und dem fpärlichen Rattenſchwänzchen im bem Naden. 
91a — wie gefällt Ihnen die Frau Oberleutnant?” 
fofettierte bie Negimentstante voll boshafter Grazie — 
und Graf Rai fchlug ganz blak bor Schreden die Hand 
bor das ?[nt(i unb fprang empor. — „Piui, Tante Refi 
— bas war perfide!” — und dann griff er zu Säbel 
unb Miike und fdjritt, Schwer qefrünft, zur Thür. 
„So; der ware furiert!” — dachte Fraulein von 
Wieders und lachte, wie eben nur jemand lachen fann, 
ber jo wenig eitel ift, wie fie. „Nun wird er fich wohl 
eine andere ausjuchen!” — Aber fie irrte, Rai Lichten- 
berg grollte nicht lange, im Gegenteil, er fonnte gar 
nicht begeiftert genug bie geijtvolle Eigenart der. Regiments: 
tante loben, welche fo ganz anders fei, wie andere Damen, 
— und gerade das imponiere ihm! — : 
Und jo its bis auf den hentigen Tag geblieben. 
Von heiraten hat er allerdings nicht wieder geiprochen, 
aber er Dulbigt ihr nad) wie vor voll toggenburgiicher 
Treue unb ijf bis zur Stunde unvermählt geblieben. 
Baronin von Iegenstorff hat bei einem Bantfrach ihr 
ganzes Vermögen verloren; Eberhard fchrieb ifr einen 
teilnahmspollen Brief und bot ihr die Stellung einer 
Gejellfchafterin bei feiner Frau an! Das Schreiben gez 


—BBNL = 


langte, m etliche Stüde zerriffen, au ihn zurück, — und 
das war bie Strafe für feine Bosheit. Frau Felicia aber 
heiratete in ihrer Verzweiflung einen reichen Kornmakler, 


welcher ihr dieſen Opfermut mit r viel Undank ges - 


lohnt haben ſoll — | 
Sronitabt8 find bie a til idjten Menfchen unter Der 


Sonne geworden, und Eberhards ültelter Sohn ipt fehs — 


Schinfenftullen und ein halbes Dugend hartgefochte Eier 
zum Frühſtück, und fein ſtolzer Vater jchüttelt ftaunend 
den Kopf und fragt immer wieder: „Wo der Bengel nur 
den Appetit her hat?! — Sicher ein Erbteil von bir, 
Ik ital — ig fast dieje und ‚lächelt recht eigen 
tiimlich. : 

Tante Refi hat viel zu thun, fid) am all dem (iid, 
: welches unter ihren ſchir menden Händen erblühte, zu freuen 
— umd fie thut e8 auch, fo viel fie nur Zeit dazu findet, 
denn noch immer ift bie lie Reginentstante wacker 
auf dem often, tauft, verlobt, verheiratet und begräbt 
die Menfchen, arrangiert die ſchönſten Wolterabende, 
dichtet je nach Bedarf ernite oder heitere Berfe, fontrolliert 
bie Menage des Negimentshaufes und entwirrt, verjöhnt, 
trennt und führt gujanumen — überwacht, tadelt, lobt 
und ergibt — und ijt überall am Plate, wo Hilfe jed- 
weder Art mot thut. Man fürchtete, bie Kommandeuſe 
oder andere Damen be8 Regiments möchten thr mit ber 
Beit diefe Stellung ftreitig machen; durchaus nicht, — 
e3 finden fid) nicht leicht Hausfrauen, welche jo viel Beit, 
Rajfion und Dpfermut befigen, wie Tante Refi. — Sie 


üt und bleibt Die Unentbehrliche, Algelichte, Vielverehrte, 


unb wer ihr in bie ladenden Augen und in das frohe, —— 


zufriedene Geſicht fiebt, welches trog feiner Runzeln fo 
jung und lebensfroh ‚ausfieht, ber fagt fo recht mit voll- 
fter Überzeugung: „Wie ift fie glücklich“ — 

Und das ijt fie aud)! — 6s fei gejagt, n zur E 
und andern Um Dei ne — 












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