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Full text of "Dithmarscher Geschichte : nach Quellen und Urkunden"

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Dithmarfcher Gefchichte. 


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K. Nehlſen 


Privatlehrer und Citterat in Hamburg, 





Mit einem Vollbild, einer Karte des alten Ditymarfcen und einer Wappentafel. 


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Bamburg. 
Derlagsanftalt und Druderei A.-G. (vorm. J. F. Richter). 


Gen 6904.22 


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Drud der Derlagsanjtalt und Druderei A.:8. (vorn. J. 5. Richter) in Hamburg. 


Vorworfk. 


Die älteren Werke über dithmarſcher Geſchichte, auf welche 
Claus Harms ſieht, wenn er ſagt: „Schreibet Dithmarſcher, 
wie unſere Vorfahren gethan, unſers theuren Candes Geſchichten. 
Man lieſt doch nichts lieber, als ſeines Volkes Geſchichte. Da 
ſaßen vor mehreren Jahrhunderten, ſammelten und ſchrieben in 
Dithmarſchen: Johann Ruſſe aus Lunden, Hans Dethleff tho 
Windbarge, Johann Blohm in Thalingburen, Hinrich 
Sedorf zu Kunden, Carſten Schröder, Johann Erp in 
Hemme, der Boldfchmidt zu Cunden und viele Under. In 
das, was noch von ihnen vorhanden ift, vertieft ſich immer gern, 
wer es zur Hand hat”, — diefe find kaum nody über das Bereich 
der Bibliotheken hinaus verbreitet und nur Wenigen zugänglich. 
Cetzteres gilt auch von fpäteren Bearbeitungen bis auf Bolten. 
Dahlmanns Ausgabe des Neocorus aus der Urfchrift ift, wie 
es jchon der Sprache wegen nicht anders fein fonnte, von vorn- 
herein auf einen engen Hreis beſchränkt geblieben, und auch in 
Kolfterfher Ausgabe hat Dahlmanns Arbeit über dith⸗ 
marſcher Geſchichte in weitere Kreife feinen Eingang finden 
?önnen. Lleuere Bearbeitungen, wenn auch in der einen oder 
anderen Beziehung ſchätzbar, entbehren einestheils der Ueber⸗ 
fihtlichfeit und des JZufammenhanges in der Anordnung und 
damit der Kesbarfeit, und bieten anderentheils anftatt objeftiver 
Wahrheit mannigfady bloße Konjeftur nach rein fubjeftiver 


VI Dormwort. 


Leigung der Auffafjung und Tendenz der Darftellung, fo daß 
es auch bei fonft ſchätzbaren Autoren oftmals fcheint, als ob 
wenig oder nichts darauf anfomme, ob die Spezialgefchichte mehr 
oder weniger objektiv dargeftellt werde, wenn fie nur einer 
herrfchenden politifchen Zeitrichtung dienftbar gemacht oder einer 
gangbaren Auffafiungsweife auf anderem Gebiete anbequemt 
wird. Die Objektivität und Wahrheit der Geſchichte fteht aber 
höher, als jede Zeitrichtung und alle Tendenz. Es gilt hier 
nicht, zu erfinden, fondern nur zu erklären, zu zeigen und zu finden, 
und wie eine Gefchichte Griechenlands und Roms nur aus alt- 
griechifchen und römischen Schriftftellern als Quellen entnommen 
werden Pann, fo kann auch eine dithmarfcher Geſchichte nirgends 
anders hbergenommen werden, als aus altdithmarfcher Annalen 
und Urkunden. Daher gilt es aud) nicht, allgemeine Betrachtungen 
vom Standpunkte moderner doftrinärer Auffafjung in die Spezial: 
geihichte hineinzutragen — d. h., die Dergangenheit aus der 
Gegenwart begreifen wollen, während diefe in jener wurzelt und 
ohne diefelbe gar nicht in ihrem Wefen begriffen werden kann — 
es gilt vielmehr, des Wortes eingeden? zu fein: Erforfchen wir 
das Alte mit Luſt und Kiebe, fo wird uns das Neue in feinem 
Werthe von felbft aufgehen; fammle man den Reichthum des 
Alten in fidh, fo wird man auch im Neuen Fein leerer Schwäßer 
fein. — Sehlt es bei älteren Autoren vor Bolten durchgehends an 
der Kritit in Benußung der Quellen zur Geſchichte, jo fehlt es bei 
Bolten und denjenigen Autoren nady ihm, die für weitere Kreife 
gefhrieben haben, theils an Dertrautheit mit der altfächftichen 
Sprache der Urkunden, theils an Dertrautheit mit der Kandes- 
kunde, ohne welche manches in den Urkunden dunkel bleiben 
muß. Daher haben fie vieles theils nicht in der gehörigen 
Derbindung, theils nicht in der gehörigen Unterfcheidung und 
vieles ganz falſch vorgeftellt und überdies mandyes aus Hon- 
jetturen und Anmerkungen neuerer Skriptoren für wahr an 
genommen, dem die Urkunden der Geichichte widerfprechen. 


Dormwort. . vi 


Hurz: es mangelt in den noch verbreiteten Werfen über dith- 
marfcher Geſchichte theils an GBründlichkeit der Forfhung und 
quellenmäßiger Darftellung, Objektivität und hiftorifcher Be- 
gründung, theils an Publicität und Kesbarkeit. Soldyen Mangel, 
mit Hans Dethleff zu reden, in etwas zu erfegen, dazu foll 
die vorliegende Arbeit beitragen. — Sind hierin die vornehmften 
Gründe angedeutet, welche diefe Arbeit veranlaßt haben, fo audı 
die Hauptgefichtspunkte, aus welchen diefelbe angefehen und auf- 
gefaßt fein will, 


- 


Druckfehler⸗Verzeichniß..................... ... ............... XIX 
Don den Quellen zur Geſchichte ....................... ......... xxI 
Geſchichte felbft. 

Erfter Abſchnitt: Bis 1227.......................... nenne ...... N 
Zweiter Abfchnitt: Bis 1447................................... 70 
Dritter Abſchnitt: Bis 1559: ha. 230 
Dierter Abfchnitt: Bis auf unfere Zeit ........................ 507 
Erſter Abfchnitt. 

Erfte Abtheilung: Das altfähflfhe Dithmarfhen. Dithmarfcden zur 
Seit Karls des Großen und der Karolinger, bis-Mitte des 10. Jahr- 
hunderts. 

Hweite Abtheilung: Dithmarfdhen unter den Grafen von Stade bis 
zum Ende der Herrſchaft diefer Grafen — 1145. 

Dritte Abtheilung: Dithmarfchen theils unter bremifcher, theils anderer 
Berrfdyaft, bis zur Schlacht bei Bornhöved, welche dem Derhältnig 
zu Bremen Stetigfeit ‘giebt — 1227. 

Erfte Abtheilung. 
Bis Mitte des 10. Jahrhunderts. 
Zlame: des Kanes ............................................. 1 
Das alte Infeldithmarfchen ..................................... 4 


Dithmarfifches Heidenthum: Religion, Kultusftätten, Opfertifche, heilige 
Bäume ꝛc.; Sitten und Kebensweife, Orte aus heidnifcher Zeit... 7 

Anfang der Sacfenkriege, Unterwerfung unter Karl den Großen, 
Befehrung zum Chriftenthum. Der dithmarſcher Ban. Castellum 
Hubuoki 

Dithmarfchen unter dem Bisthum Bremen und dem Ersfift Bamburg. 

Derhältnig zur Grafſchaft beider Geftade — utriusque ripae ......... 21 


X Inhalt. 


Seite 
Sweite Abtheilung. 
Bis 1145. 

Beinrich der Kahle. Heinri der Bunte. — Einfall der Xormannen, 
Schladt bei Stade und im Blindesmoor ........................ 25 
Steäfried.der. Zleltere.. un... era . 26 

Cüder Udo, die Grafen Lippold, Dedo und Etheler der Weiße. Ida 
Don Schwaben. Edlbert aus. nie 28 
Udo II. Einfall der Slaven in Hordelbingen ..................... 30 
Beinrih L, der Kange. XZüder Udo III. Schlacht bei Smilow........ 33 
Audolph I. Beinrih IL Udo IV. Sriedrich von Stade. ..........- 35 
Rudolph II. Serflörung der Böckelnburg.......................... 37 


Dritte Abtheilung. 
Bis 1227. 


Bartwig, Domherr zu Magdeburg, letter Graf von Stade. Erzbifchof 
Adalbero. Berzog Heinrich der Löwe. Dithmarfchen unter Heinrich 
dem Löwen. Reinhold, Graf von Dithmarfdhen. Die Stellerburg.. 42 

Dithmarfhen fommt wieder an Bremen. Aufftand der Dithmarfcher. Abfall 
vom Bremer Erzftift und Anfhluß an das Bisthum Scyleswig....... 48 

Dithmarfchen als £ehn von Bremen bei dem Grafen Adolph II. von 
Holſtein. Dithmarfhen unter König Knut VI. von Dänemarf. 
Schad von Weftenfee, Graf von Dithmarfhen. König Waldemar II. 
Dithmarfhen dem dänifchen Reiche einverleib. Die Burg £in. 
Jurisdiltion des Hamburger Dompropften über Xordelbingen...... 51 

Waldemar gefangen. Erzbifhof Gerhard U. und Graf Adolph IV. 
von Holftein. Waldemars Derzidt, Einfall in Dithmarfchen und 
Bolftein. Schladt bei Bornhöved.............................. 62 


Zweiter Abfchnitt. 
Don 1227 bis 1442. 
Erfte Abtheilung: Bis zur Schlacht gegen Gerhard den Großen von 
Bolftein bei Oldenwöhrden — 1319. 
Zweite Abtheilung: Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 
— Schladht am Oswaldusabend 1404. 
Dritte Abtheilung: Don der Schlaht am Oswaldusabend bis zur Auf- 
zeichnung des Landrehts — 1447. 


Inhalt. 


Erſte Abtheilung. 
Don 1227 bis 1319. 


Wiederherftellung der Ordnung im Lande. Derhältnig zum Bremer 
Eifer 
Streil mil Hamburg: 222.4... eines 
Bändnig mit dem Grafen Gerhard II. von Holſtein................ 
Der Haſenkrieg. Austreibung der milites, des Adels. Stellung der 
milites in der Volksgemeinde .................................. 
Derbündung holfleinifcher Adliger mit den Dithmarfdern gegen die 
holfteinifchen Grafen. Schlacht bei Ueterfen. Streit mit Hamburg. 
Bündnig der Dithmarfher mit dem Könige Erich Menved von 
Dänemart. Waffenftillftandsvertrag mit Gerhard dem Großen von 
Bolftein. Hartwig Reventlow. Kampf gegen Gerhard den Großen 
bei Bramftedt. Ueberfall der Dithmarfcher an der Bünteneran.. 
Gerhards des Großen Einfall in Diikmesfeien; Schlacht bei Olden- 
WORTEN. ee nee nes 
Stiftung des Klofters Mergenowe. Wiederherftellung der Kirche zn 
Oldenwõhrden.......... .................................... 
Friedensvertrag mit Gerhard dem Großen ........................ 


Sweite Abtheilung. 
Don 1319 bis Anfang des 15. Jahrhunderts. 


Johann Grand. Erzbifhof Burkhard. Derweigerung des Willkomms. 
Dertrag mit den holfteinifchen Brafen Heinrich dem Eifernen und 
Elansz Sins anne 

Ernenerter Dertrag mit den Brafen Beinrih und Llaus............ 

Bändel mit dem Bifhof Nikolaus von Schleswig. SFortfchreitende 
innere Entwidelung: Märkte, Handelsverträge mit den Hanfeftädten, 
Regelung des Strandrehts .................................... 

Fehden mit den Holfteinern. Treffen bei Tipperslo. Dertrag mit den 
holfteinifchen Grafen Claus.......................... ......... 

Fehde und Vertrag mit den Hamburgern.......................... 

Einfall des Herzogs Erich von Sachſen⸗Cauenburg in Dithmarſchen. 
Streit mit dem holſteiniſchen Grafen und Lehnsherzog Gerhard VI. 
und feinem Bruder, dem Grafen Albrecht von Holſtein. Einfall 
des Herzogs Gerhard und des Grafen Albreit in Dithmarfcen. 
Erbauung der Marienburg. Plünderungszug. Sturz des Grafen 
Albrecht in der Horderhamme. ................................ 


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XII Inhalt. 


Seite 
Dritte Abtheilung. 
Don 140% bis 1447. 

Dergebliher Derfudy einer £riedensvermittelung von feiten der Städte. 
Belagerung der Marienburg — Rolf Boykenſon................. 120 

Berhards VI. Zug nad der Hamme. Das Hammgebiet; Horder- und 
Süderhamme. Schlaht am Oswaldusabend..................... 121 
$riedensvertrag mit der Herzogin Elifabeth ....................... 130 

Scleifung der Marienburg. Neue Dergabung ans Klofter Merge. 
nowe....... EEE NE EUER TE 131 


Erih von Dänemark. Streit desfelben mit dem holfteinifchen Srafen- 
haufe wegen Belehnung des letteren mit Schleswig. Bündnif des 
Königs Erih und der Königin Nlargaretha von Dänemark mit den 
Dithmarieili a... en Da ee 134 

Otto Schinkel auf der Tilenburg. Fehde mit den Sriefen. — Cordt 
Widderich; Hebbeken Dolkeff. Treffen bei Borchſand. Brandſchatzung 
Eiderftedts durch die Dithmarſcher. Dertrag mit den Frieſen....... 143 

Schadenerfaganfpruh der Grafen. Derhandlungen des Königs und 
der Grafen mit den Dithmarfchern in der Streitfrage wegen Belehnung 
mit Scleswig. Neutrales Derhalten der Dithmarfcher. Anfegung 
der Dithmarfcher zur NReichsfteuer. Proteft dagegen. Entfcheidung 
des Kaifers in der Kehnsfrage. Fehde mit den EBamburgern — 
Abel Neimer. Innere Sehden — Rolf Maes. Rolf oder Rolves 
(Radelev) Earften. Tagfayung zu Stade. Martin Smwartefop. 
Waffenftillftand. Erneuerung der Fehde — Rolves Larften und 
150 

Sonderbund der acht Kirchſpiele. Beitritt anderer Kirchſpiele zu 
demſelben. Heide, Ort der Landesverſammluug. Einſetzung der 
Achtundvierziger. Aufzeichnung des Landrechts. — Stellung der 


Strandmannen zur Neuordnung ............................... 165 
Die Achtundvierziger als Rathgeber (consules) ..................... 172 
Unterinſtanzen: Das Swarenrichte der Kirchfpiele, Slüter und Swaren. 

J 174 
Appellationsinſtanz der 48 Oberrichter............................ 178 


Berufungsinſtanz: Die Landesverſammlung, das Land, die Meenheit, 
Universitas. — Siegel der Achtundvierziger und das Kandesfiegel.... 179 

Urfprünglihde Bedeutung der NRathgeber und der Dögte. Dögte und 
Slüter in ihrer Stellung zu einander nad ihren Amtsbefugniffen. 
Decentralifirende Richtung in der Entwidelung. Korreftiv: Die 
Inftanz der Oberrichter. Erceptionelle Stellung Meldorfs ........ 185 

Döffte. Zahl derfelben. Alter der Döffteintheilung des Landes ..... 188 


Inhalt. XIII 


Seite 
Kirdyfpiele des Landes. Muthmaßliche Seit der Gründung der einzelnen 
Kirchſpiele. Scheidung, refp. Dereinigung der Kirdhfpiele nad den 


Dertheidigungswefen: Stüßpuntte und Bollwerfe der Dertheidigung. 
Derfafiung in Geſchlechtsbünde. Geſchlechter und Mannien....... 204 


Dritter Abſchnitt. 
Don 1447 bis 1559. 
Erfte Abtheilung: Don 1437 bis zur Belehnung mit Dithmarfchen, 
weldye fih Chriftian I. von Dänemark zu verfhaffen wußte — 1474. 
Zweite Abtheilung: Don 1474 bis zur Schladht bei Hemmingſtedt — 1500. 
Dritte Abtheilung: Don 1500 bis zum Anfange der Reformation in 
Dithmarfhen — 1524. Märtyrertod Heinrihs von Sütphen. 
Dierte Abtheilung: Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher 
Sreiheit — 1559. Erfte Cheilung Dithmarfchens. 


Erfte Abtheilung. 
Don 14472 bis 147%. 
Adolph VIIL von Holftein. Belehnung mit Schleswig. Streit und 
Prozeß wegen Forderung von Schadenerſatz zwifchen den Dithmarfchern 
und Adolph VIII............. ER ee EEE ANNE 230 
Unruhen wegen der Lehre der Huffiten. — Binri Grove, Grove 
"Sohanns Hlaranatt: 3.0. 232 
Adolph VIII. von Holſtein ftirbt. Chriftian I. von Dänemarf Graf 
von Bolftein. Streit um Örenzländereien an der Eider. — Hinrich 
Reventlow. Zwiſt mit den Sriefen in Eiderftedt. — Poppen Swyn. 
Banonig. mit She... sn al 234 
Bündniß mit der Ritterfchaft der Lande Holftein und Scleswig..... 243 
Beftätigung der Rechte und Privilegien der Dithmarſcher in BHolftein 
und Schleswig durch Ehriftian 1. .............................. 249 
Genehmigung des Dertrages der Ritterfhaft mit den Dithmarſchern 
und Beftätigung der den Dithmarfchern 1422 durch die Grafen 
Binrih, Adolph und Gerhard zugefiherten Freiheiten und Privi- 


“ Iegien in Bolftein durch den König Ehriftian I. ................. 250 
Bündnifvertrag des Königs Chriftian I. mit den Dithmarfcern ..... 
Swift mit den Bolfteinern. — Henneke Wulf ..................... 252 


BSelehnung Ehriftians I. mit Dithmarfhen duch den Kaifer. Pro- 
teftation dagegen ; Appellation der Dithmarfcher an den Papfl. — 
Jakob Pollete. Dergleih zu Bamburg ......................... 257 


XIV Inhalt. 


Seite 
Sweite Abtheilung. 
Don 147% bis 1500. 

Erneuerung feiner Anfprühe auf Dithmarfhen durch Chriftian I. 
Dergleih zu Lübeck. Beftätigung des Derhältniffes Dithmarfchens 265 
zum Bremer Erzftift dur den Papft Sirtus IV.................. 

Tagfagung zu Rendsburg in Sahen der Belehnung. Widerruf der 
Derlehnung Dithmarfhens an den König Chriftian I. durch den 
Kalle. en HET E Be 272 

König Johann von Dänemark und fein Bruder Herzog Friedrich. 
Rohde Jeben Claus, Elaus Engel, Kandesfeinde. Streit wegen 
Belgolands. Zuſammenkunft zu Itzehoe. Willlommsentridytung an 
den Erzbifhof Johann gegen Beftätigung der alten Privilegien und 
Sreiheiten des Landes. Krieg im Bunde mit Bremen und Hamburg 
gegen den Herzog Magnus von Sadhfen-Kanenburg. Zwiſt mit den 
Hamburger... us. 275 

Aüftungen des Königs Johann und des Herzogs Friedrich. Tagfagung 
zu Rendsburg. Kriegserflärung der Fürſten an die Dithmarfcer. 
Einfall des Seindes ins Land. Erſtürmung Meldorfs. Schlacht bei 
281 


Dritte Abtheilung. 
Don 1500 bis 1524. 


Eroberung der Tilenburg. Einfälle der Dithmarfcher in Stapelholm 
und ins Holfteinifde. Vergleich des, Königs und des Herzogs mit 
den Dithmarfhern. Zwiſt mit dem Könige wegen der Sollfreiheit 
der Dithmarfcher in fürftlichen Kanden. XKlofter zu Hemmingſtedt. 
Erneuerung des Bändniffes mit Lübeck ......................... 308 
Innere Fehden. — Peter Swyn und Bojen Herring. Joſt Jacobs. 
Entfegung der Achtundvierziger. Befeftigung Meldorfs. Entrichtung 
des Willlomms an den Erzbifchof Chriſtoph gegen Beflätigung aller 
Sreiheiten und Privilegien des Landes. Fehde mit Hamburg. 
Türkenſtener. Hülfsleiftung für den Grafen Etzard von Oſtfriesland 
wider die Berzoge von Braunfhmweig und den Grafen Johann von 
Oldenburg. Klofter zu CLunden..................... .. ......... 317 
Chriftian II. Rüſtungen der Dithmarſcher. Derbot der holfeinifchen 
Münze in Dithmarfhen. Erneuerung des Bündniffes mit Lübed. 
Bündniß mit dem Könige Friedrich I. und dem Prinzen Chriftian III. 322 
Anfang der Reformation in Dithmarfhen. Nicolaus Boje. Wiebe 
Junge. Beinrih von Zütphen .........-:.-.--e-enenneenennenen 328 
£uthers Geſchichte Heinrichs von Sütphen ............rereererenen 338 
£uthers Sendfchreiben an die Bremer... ..........rrereeseneenunnee 355 


Inhalt. XV 


Seite 


Dierte Abtheilung. 
Don 152% bis 1559. 


Sortgang der Neformation. M. Nicolaus Boje und Nicolaus Boje 
Senior. Einführung der evangelifchen Lehre und der proteftantifchen 
Kirchenordnung. Superintendenten. Kalande und Gilden. Umge- 
ftaltung der alten Bundbriefe der Gefdlechtsbände. Innere Un- 
ruhen und Sehden. Peter Swyn............................... 362 

Streit mit dem Bamburger Domlapitel. Klage des Dompropften beim 
Neihsfammergeriht wider die Dithmarfher. Taxis beneficiorum 
Praeposit. Einfünfte und Befegung der Predigerftellen. Das Klofter 
Mergenowe. Derhältnig zum Hamburger Kapitel ............... 377 

Dergleihsverhandlung mit den Xordfriefen. Erneuerung des Bünd- 
niffes mit Lübeck. Aäftungen zur Sandhöde. Betheiligung am 
Streite der Lübeder gegen Chriftian III. Seindfeligleit des Königs 
wider Dithmarfhen. Wieben Peter. Gefpanntes Derhältnig zu 
den Fürſten, vornehmlih zu dem herzoge Adolph von Gottorp. 
Berzog Adolph erlangt vom Kaifer die Belehnung mit Dithmarfchen 
für ih und feine Brüder.................................... 391 

Derwidelungen mit dem Erzbifhof. — Peter Hann. Türkenftener. 
Derweigerte Hülfsleiftung. Innere Unruhen. — Bans $ehrinf. 
Binrih Funke. Michel Kros.................................. 401 

Kriegerifche Anfchläge und Rüftungen des Herzogs Adolph. Chriftian III. 
firbt, und Sriedrich II. folgt. Derflärfte Rüftungen des Berzogs 
Adolph. König Friedrich IL, Herzog Johann und Herzog Adolph 


im Bunde wider Dithmarſchen................................. 407 
Kriegserflärung. Sehdebrief der fürften an die Dithmarfcer........ 414 
Antwort der Dithmarſcher auf den Fehdebrief...................... 416 
Aäftungen der Dithmarfcher zur Abwehr. ......................... 417 


Einmarfh des fürftlihen Heeres in Dithmarfhen. Kagerung bei 
Alberfiorf. Relognofcirungen und Berathungen über die Kriegs- 


operationen. Dermittelungsverfuch der Eübeder.................. 419 
Feindfeligkeiten mit ftreifenden Frieſen.......................... 425 
Aufbrud; des fürftlihen Heeres gegen Meldorf. Erſtürmung Meldorfs. 

Treffen bei Ummerswurth..................................... 428 


Kriegsoperationen im Süderfrand. Einnahme Brunsbüttels und des 
Süderfivandes. Rückmarſch des fürſtlichen heeres nad Meldorf und 

zum Lager bei Alberſtorf..................................... 435 

Sug nad der Ylorderhamme. Einnahme der Tilenbrüde und der 
Aubräde. Kämpfe an der Aubrücke und vor Beide. Kampf um 
beide und Einnahme Beides durch das fürftlidte Beer. ........... 442 


XVI Inhalt. 


Seite 
Einleitung von Friedensunterhandlungen. Friedenspräliminarien. 
Kapitulation der Dithmarfcher. ................................ 449 
Cheilung Dithmarfhens. Uingeftaltung der Recıtsverhältniffe des 
LANDES ae 481 
Derfuche, die Freiheit des Landes wiederbersußtellen. — Chede Eoefens; 
Sohanıt Lopeu.. u. nern 490 
Proteft des Erzbifchofs Georg von Bremen gegen die Eroberung und 
Anneltirung Dithmarfhens durdy die Herzoge von Bolftein. ....... 493 


Vierter Abfchnitt. 
Don 1559 bis auf unfere Zeit. 

Erfte Abtheilung: Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann — 
1580 Zweite Cheilung Dithmarfdens. 

Zweite Abtheilung: Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem 
Sandesherrn — 17723. 

Dritte Abtheilung: Don 1773 bis auf unfere Zeit. — Befeittgung 
der Berrfchaft der Herzoge von Bolftein über Dithmarfchen. 


Erfte Abtheilung. 
Don 1559 bis 1580. 

Abänderung der Interimstheilung von 1559 in eine definitive Erb- 
theilung. Unzufriedenheit im Lande. Pläne zur Befreiung von der 
Fürftenherrfhaft. — Johann Tope.............. ... ........... 507 

Berzog Johann ftirbt. Dereinbarung zwifchen dem Könige und dem 
Berzoge Adolph über die Erbtheilung. Zweite Cheilung Dithmarfchens. 517 


Zweite Abtheilung. 
Don 1580 bis 1773. 

Berzog Adolph ftirbt, und Friedrich II. folgt. Friedrich I. ftirbt, und 
fein Bruder Philipp folgt. Philipp ftirbt, nnd fein Bruder Johann 
Adolph folgt. König Sriedrich II. ftirbt, und Chriftian III. folgt in 
der Regierung. Die beiden neuen Zandesfürften fommen perfönlich 
nad Dithmarfhen. Streit um Dieffand. Kriegsrüftungen. Streitig- 
feiten wegen Eingriffe in die Sollfreiheit der Dithmarfcyer. Unruhen 
in Anlaß des Krieges zwiſchen Dänemarf und Schweden. Herzog 
Johann Adolph ftirbt, und Friedrich III, folgt................... 520 

Unruhen des dreißigjährigen Krieges. Chriftian IV. in Dithmarfcen. 
Aushebungen, Winfterungen. Allgemeines Aufgebot. Einfall der 
Kaiferlihen in Dithmarfhen. Allgemeiner Aufftand in Süder- 


Inhalt. xvu 


Seite 
dithmarfchen. Süderdithmarfhen huldigt dem Kaifer. Auflauf in 
- Beide. — Bodendief. Friede zwifchen dem Könige und dem Kaifer. 
Süderdithmarfden huldigt dem Könige wieder. .................. 533 
Wiederherftelung der Ordnung im Lande. Einfegung von Kandes- 
Pfenningmeiftern und Landes-und Kirchfpiels-Bevollmädhtigten. Streit 
mit Hamburg. Neue Kriegsrüftungen. Neuer Krieg mit Schweden. 
Einfall der Schweden unter Torftenfon in Dithmarfden. Einfall 
der Schweden unter Wrangel. Treffen an der Aubrüde. Bremfebroer 
SIE. en a ae ea 542 
Ehriftian IV. flirbt, und Sriedrich III. folgt als König. Abermaliger 
Krieg mit Schweden. Brandfhakung Süderdithmarfhens durch die 
Schweden. Anfprüde Schwedens auf Dithmarfchen. Derzicht Schwedens 
auf feine Anfprüde im Srieden zu Rothſchild. Neue Brandfhagung 
Säderdithmarfhens durch die Schweden. Brandſchatzung Zorder- 
dithmarfchens durch die Brandenburger. Berzog Friedrich III. flirbt, 
und Chriftian Albrecht folgt. Friede zu Kopenhagen. ............ 557 
König Ehriftian V. Nener Streit zwifchen der königlichen und der 
fürftlihen Linie des regierenden Haufes. Der König nimmt Xlorder- 
dithmarfchen in Befilg. Nendsburger Receß. Friede zu Fontaine⸗ 
bleau. Erneuerung des Streits. Der König nimmt Norderdith- 
marfchen wieder in Befilg. Altonaer Dergleih. Herzog Friedrich IV. 
Abermaliger Streit zwifchen den beiden £inien. König Friedrich IV. 
euer Krieg mit Schweden. Der König nimmt die Lande des 
Herzogs in Beflg. Steuerausfchreibung durch den Herzog und feine 
Alliirten in Süderdithmarfhen. Steuerverweigerung. Treffen bei 
Ketelsbüttel. $riede zu Traventhal. Berzog Karl Friedrich ...... 560 
euer Krieg mit Schweden. Steenbods Zug durch Dithmarfchen. 
Steenbodis Kapitulation. Geldmangel im £ande. Derheerung durd 
Fluthen. Friede mit Schweden..................... .......... 569 
König Chriſtian VI. Herzog Karl Peter Ulrich. Candesausſchuß in 
Süäderdithmarfhen. Aufftand der Ausſchußmannſchaft. Der Herzog 
wird Großfürft und Chronfolger von Rußland. König Friedrich V. 
Der Berzog wird Kaifer von Rußland. Peter III. Kriegsräftungen. 
peter III. entthront. Dergleich zwifhen dem Könige und der Kai- 
ferin Katharina II. Chrifian VII. Der Großfürft Paul Petrowig 
überläßt Norderdithmarfchen nebft den übrigen gottorpifchen Landen 


Anden Honig... 579 
Die beiden Landfchaften Dithmarfhens: Kirchfpiele, Vogteibezirke, 
Kirdhfpielvogteien und oftroirte KRöge ........................... 587 


Offiziele der KLandfchaft und der Kirchfpiele. Kirchfpielvögte, Land⸗ 
vögte. Gerichtsverfaffiung. Wahlrecht der Kirchfpiele und der Kirchen- 
gemeinden. Bouverneure. Pröpfte. Predigerftellen. Kirchfpielsfchulen 600 


XVII Inhalt. 


Dritte Abtheilung. 
Don 1273 bis auf unfere Zeit. 


Allgemeiner Zuftand im Lande nad der Wiedervereinigung unter einem 
Sandesherrn. Inkorporirung Dithmarfhens im Derbande mit 
Bolftein in die dänifche Monardie. Beitritt des Königs als Herzog 
von Bolftein zum deutfhen Bund. Derheißung landftändifcher Der- 
faffung. Privilegiumsbriefe Chriftians I. Anordnung von Pro- 
vinzialfländen. Derhandlungen über die Erbfolge im Königshaufe. 
Offener Brief Ehriftians VII. Nedtsverwahrung der Stände. 
Anträge derfelben. Friedrich VII. König. Anordnung wegen Ein- 
führung einer Gefamtverfaffung. Ablehnendes Derhalten der 
Stände dagegen. Aufftand gegen die beftehende Regierung. Regelung 
der Erbfolge durch Chronfolgegefeg. König Chriftian XI. Jubefiß- 
nahme des Landes durch die deutfhen Großmächte. Verzicht 
Oefterreihs auf Mitbefig. Annerion an Preußen. 


Seit 


620 


—— — — 


— — — — — — — — — — ——: 


Berichtigung von Drurkfehlern. 


—— — 


Es iſt zu leſen: 


3, Seile ı von unten, ſtatt Deikwerder: Dack werder. 
6 Zu — Eichhörnchen: ein Eichhörnchen. 
I, nn 13 „ oben, daß: das 
12a, „ 2 „ unten, remedia: remediam, 
5, „ 5, — Ceres,: Ceres (ohne Komma). 
20, 6 „ © „ op.: ap. 
353, „i2n.i3, 2 Dithmarſchen mußten: Dithmarfcen, 
mußte, 
35, 5 „ oben, „ Tragistede: Fragistede. 
5, u. 15 „ m „  229—500; 229 a 500. 
56, 2 5 „ unten, „ Egdorum: Egdoram, 
59, „ 12 „ oben, „ Thurwerd: Tharnvord. 


a 2 2 3 


3 


a „ Trithibiergh: Frithibiergh, 
Gl, u 4% „ unten, „ weldes: welder. 

64a2,, 2. ; „  Kundebioerg: £undebierg. 
23,- ig a „ duo: dmo. 

98al,, — „Gieſela: Gieſeln. 


9, „ 10 „ oben, „ antiquitas: antiquitus. 
9, „ 12, = „ Dorb.: Dorl. 

100, „ 4 „ unten, „ QUeod.: Neoc. 

104, „ 3 „ oben, „  greven: geven. 


108, „ U u „  QUeod.: Zeoc. 
109, „ %„ R „ Madelef: Radelef. 
19, „1. unten, „ fchipplüde: fhipp, lüde. 
120, „ 9, R „welkes ıc.: „welkes ıc.“ 
(121, „ 3, F „bapidea: lapidea. 
125, „» 4 oben, „ Bammerkuuss: hammhuus. 
125, „ I. unten, „ Bamm: Bamme. 
„138 „ 16 „ E „ an Ditmarferfe.: om Ditmarfterfr. 
36, „m 2 u 2 „ under: funder. 


148, u 2 „ oben, „ von ihnen: vor ihnen. 

(6, „ 10 „ unten, „ olle: alle. 

13, „ 10 „ oben, „ DBnug: Burg. 

127223,,. 11 „ unten, „ Dort: Doet. 

BE, Mm . „  Memoridenbuh: Memorienbudh. 


XX Berichtigungen. 


Seite 185, Zeile ı von unten, ſtatt Dreiheiligkeit: Dreitheiligkeit. 
„85 „ 12 „ oben, „ woht: wohl. 
„ A855, u 6 „ unten, „ Kehn: Lehe. 
„13, „3 u — „Wislingeburee: Wislingeburen. 
„ 205, „ 6e„ r „ Fieleſee: Sielerfee. 
„ 213, u 7 „ oben, „  Welsgefhrehte: Adelsgefhledter. 


Eu } : F „hiernach: hierher. 

„ 299, 14 „Beensmann: Bensmannen. 

» 20, 9 2 „ oe: alle. 

n„ 246, „ 5 „ z „  erfereven, deele: ercfreven deele. 


„26 „ 12 „ unten, „ fumeet: fument. 

„ 28, „ M „ oben, „ Mentfouw: Rentfoum. 

„ 252, „ 1% „ unten, „ Ulevede: Alevelde. 

„24, „7 „ oben, „ NUrado: Urfade. 

„ 304, „u 535m s „ hebbe: hebben. 

„ 323al,, 2% a „rechnet: redhnete. 

„ 326, „ I6 „ 2 „  unde vorwefers: vorwefers. 
„327%, „9 „ unten, „ unde des unfe: unde unje. 

38 6 e iſt „unde Barlt... so Mark“ zu ftreichen. 
„ 382, „ 10 „ oben, ftatt 58 Marf: de ı8 Jahr. 

„ 383, u 3 „ ımten, „ St. Antonins: St. Antonius-Bade. 
„ 38522, & u = „der fieben: die fieben (Gemeinden). 
„ MU, u 7 „ oben, „ deſſey: deffer. 

„4%, u 1 „ unten, „  vortonet: vortornuet. 

„ aM, u 5 „ n „ und unvordratene: unvordratene. 
„ %28, Seitenzahl „412: 428. 

„ 929, Seile 4 von oben, „ Ammarswurth: Ammerswurth. 


„ 9588 ,„„ % „ unten, „ han: fom. 

n„ %42, 0» I 5 „  Süderhaftedt: Süderheiftedt. 
„45, nn 12 „ oben „ " n 

„ %82a2,, 2 „ amten, „ vorfaht: vorfodt. 

„ %83a2,, I „ oben, „ Mardus: Marcus. 

— 823, m li % “ „geringe: geringer. 

„524, , u . „ Zeidhsthalen: Reidhsthaler. 
„525, „ 10 „ unten, „ BojellanneDafe:Bojellanne, Dafe. 
„ 544 „ 4 5 “ „ das: daf. 

„ 65%, u 5 „ oben, „ Bayeen: Bayern. 

„ 659, u 2 „ unten, „ virisque: vireisque, 


Einleitung. 


—e — 


WReeLT BEE N FEDER mn — 


ur: 


Don den Quellen zur Geſchichte. 


Der eigentlihe Geſchichtſchreiber Dithmarfchens ift Johann Adolph 
Neocorus (Köfter). Sein Geſchichtswerk ift betitelt: Ditmerfche hiftorifche 
Geſchichte van ehrer Ankumbſt, Seden, Gebruden, Geſchlechten, Kiufften, 
Sande, Steden, Flecken, Dorpern. Item van ehrem Regiment, Neligion, 
Policien, Krigen, DPorrudingen, Dormehringen, Hendelen und dapferen 
manlihen Daden. Uth velen geloffwerdigen Biftoricis, olden gefchrevenen 
Ehronicis, eigentliden Dortefenißen, Breven, Inftrumenten, Privilegien, 
Dordregen unde Monumenten thofamende gedragen, od eines dehels nun 
erftlid angemerdet und npgetelenet, mit fonderbarem mechtigen Dlite, groter 
fhwerer Moyte unde Arbeith. Dordy Johannem Neocorum Ettahulphidem, 
in demfulvigen Lande bordih. Anno 1598. 

Das Geburtsjahr des Neocorus ift nicht genau befannt. Er muß 
aber in den legten Jahren vor dem Uintergange der dithmarfcher Freiheit 
geboren fein, alfo nicht lange vor 1559. Auch fein Geburtsort ift nicht 
beſtimmt anzugeben; wahrfdeinlih aber war es Oldenwöhrden. Seine 
Jugendjahre hat er zu Wöhrden verlebt, wo fein Dater zweiter Prediger 
und Schullehrer war. Der Name feines Daters war Adolph Philipp; feine 
Mutter hieß Catharina. Die Eltern beftimmten ihn zum geiftlihen Ge⸗ 
lehrten und ſchickten ihn nad Helmſtedt, wo 1576 im Oktober eine Uni- 
verfität gegründet worden war. Don hier aus lernte er Braunfdweig 
tennen. Im Predigen verfuchte er fidy zuerft in einem Dorfe bei Helmſtedt. 
1578 wurde er auf Büfum Schulmeifter und wahrſcheinlich auch Küfter. 
1590, 18. März, wurde er zweiter Prediger auf Büfnm. Seine Eltern 
waren fon 10 Jahre vorher geftorben, nur adyt Tage im Tode getrennt. 
Durch den Tod der Großeltern feiner $rau, aus dem mädtigen und an- 
gefehenen Jjemannengefdhleht, fam er drei Jahre nady feiner Wahl zum 
Prediger in den Befig eines großen Gutes. Weil ihm nun feine Wohnung 


XXIV Von den Quellen zur Geſchichte. 


in der Kapellanei zu klein war, forderte er einen Zubau zu derſelben, 
eventuell wollte er fein eigenes Baus beziehen. Man ſchlug ihm fein Be- 
gehren ab. Dornehmlid war ihm zugegen fein erfter Prediger Wicolaus 
Dirdfen, welder fagte: „den Paſtor muß man in der Paſtorei, 
den Kapellan in der Kapellanei und den Schulmeifter in der Schule 
ſuchen“. Er wandte ſich an den Superintendenten, M. Marcus 
Wrange zu Neuenkirchen, aber auch der iſt ihm zugegen. Mehrere Ge- 
meindeglieder vereinigen fi mit dem Superintendenten und dem erften 
Prediger und wollen fchon einen anderen Prediger an feine Stelle wählen. 
Allein die Gefamtheit verwendet fih für ihn; zwanzig nterefienten be- 
geben fi perfönlih zum Superintendenten, der fie abweift; neue Be 
vollmädtigte gehen an die Kandvogtei und werden abgemwiefen; nun geht 
die Sache an die Kandesherrfchaft, und dem Kapellan, Neocorus, wird Ge⸗ 
nugthuung. — Er hatte 400 Unterfchriften zu feinen Gunſten gefammelt. 
Diefe Händel wegen des Zubaues hatte er im Jahre 1595 gehabt und be» 
endigt. In eben diefem Jahre feßte er fih nun in Ruhe und begann, 
über die Gefchichte feines Daterlandes zu fchreiben und nachzudenken; die 
Geſchichte der Kreiheit 309 ihn am meiften an. 1598 fing er an, den bis 
dahin ausgearbeiteten Theil feiner Geſchichte ins reine zu bringen. 

Neocorus war ein eifriger Mann, entfchlofienen Handelns. Schon in 
den erften Jahren feiner Amtsführung wurde die Deihung von Büſum 
geplant, welde die Inſel Büfum mit dem feften Lande verbinden follte. 
Man erwirfte dazu die Erlaubnig vom Berzoge und begann das Werf mit 
Bülfe der Nachbarn. Die Eindämmung der mittleren Tiefe des Wart- 
ſtromes war zugerichtet, Alles fchaffte Erdſäcke herbei, und Pfähle wurden 
eingerammt, als die Fluth herannahte; man ließ fich indes nicht ftören, 
Erdwagen fuhren ununterbrodhen von beiden Seiten herbei, und die Arbeit 
gelang um Johannis 1585. Man begann nun weiter zu arbeiten und 
führte Deihe nad Horden und Süden auf. Alles war dabei befchäftigt, 
felbft „Herr Johann Adolph” (Neocorus). Berr hießen die Beiftlihen und 
die Adligen. Weocorus felbft faß als Arbeiter auf einem Erdwagen, und 
als fein Knedt nicht flin? genug zufuhr, drohte er ihm mit dem Spaten; 
der Knedt, wie es heißt, ein kränklicher Schneiderjunge, fiel vor Angft 
vom Wagen und erftidte im heißen Sande. Als Siebzigjähriger befam 
Xeocorus wieder Zwiftigfeiten mit feiner Gemeinde und er ward entjeßt, 
nicht ohne Zutbun der Negierung, Anno 1624. Er nennt das feinen Fall. 

Seit 1619 arbeitete er nicht weiter fort an feinem Geſchichtswerke. 
Ein Seugniß feines Lebens und feiner Thätigfeit findet fih noch in dem 
Armengildebuhe zu Büfum. — Die Armengilde hatte er felbft mit fliften 
helfen. In diefem Buche findet fi fein Name bis 1630; in diefem Jahre 
iſt er verftorben. 

Bei feinem Werke leitete ihn warme Liebe zum Daterlande, Wahrheits- 
liebe, Dertrauen auf feinen Stoff und große Belefenheit. 


— 
⸗ 


Don den Quellen zur Geſchichte. XXV 


Als Ouellen feines Wertes konnte er nicht alte Urkunden benußen, 
denn diefe waren durch Brand und Waffer verloren gegangen; 1559 waren 
die widtigften Urkunden ihrer Privilegien und Sreiheiten von den 
Ditkmarfchern an die Eroberer ausgeliefert, und was noch zurädbehalten 
war, das mußte heimlih gehalten werden. Er konnte daher nur den 
Belmold für die ältere Seit benugen, über fpätere Seiten Autoren, wie 
Albert Eranz, den Presbyter und Johann Peters. Das 15. Jahrhundert 
und das folgende bis 1559 befchreibt Neocorus gründlich und lebendig. 

Durdy Dorarbeiten halfen ihm feine beiden Landslente Johann Ruſſe 
und Carften Schröder. 

Johann Ruffe war aus Kunden gebürtig, nad; Einigen zu Meldorf wohn- 
haft, ein Kicentiat, angefehen durch Gelehrſamkeit, Herkunft und Reichthum. 
Er fammelte mit großem Fleiße und vielen Koften Nachrichten und Beiträge 
zur Geſchichte feines Daterlandes. Ein von ihm ausgearbeitetes Sefchichts- 
wer? foll 1559 zum Drud fertig gelegen haben, aber im Sturm auf 
Meldorf, in welchem er felbft gefallen und fein Haus zerflört worden, unter- 
gegangen fein. Doch fagt Neocorus, daß Auffes Handidhriften von Jaspar 
Budwald, der in das Baus des Herrn Kicentiaten (Johann Ruſſe. lach 
Dahlmann if der Licentiat hier Michael Boje und hätte diefer die Aufjefchen 
Sammlungen leihweife im Befit gehabt) habe feuern laffen, und von deffen 
Soldaten zerriffen oder verfchleppt worden feien an Orte, wo ihnen weder 
Luft noch Licht gegönnt werde, und da Ruſſes Chronik fich bet guten 
gelehrten Leuten zu Meldorf in Derwahrfam befunden hätte. Weftphalen 
fand denn audh einige Stüde aus Ruſſes Sammlung auf, die er im 
4. Bande feiner Monumenta inedita, col. 1439—1484, unter dem Titel: 
Jo.Russe Lundensis Fragmenta XXXV. Rerum dithmarsicarum ab a. 1040— 1542, 
quorum selectiora argumenta prodeunt ex Autographo. aböruden laffen, freilich 
mit Machläffigkeit. Es find das Auszüge und Fragmente aus handſchriftlichen 
Vachrichten, Chroniten, Kirchenbücern zc., als: 

Dietrih Holting, Handſchrift, 1187 —1436. (No. VII in Mon. ined. 
Tom. IV.) Die Scdrift iſt lateinifh abgefaßt. Auszüge aus derfelben 
von Kindenbrog follen fih in der Hamburger Stadtbibliothef befinden. 
Der Derfaffer war vor der Reformation Prediger in Tellingftedt. (Fehſe 1, 232.) 

Nicolaus Dite aus Weffelburen, Descriptio Ditmarsiae, 1500— 1542 
(Fragm. No. Xl) Nah Dieth befand fih die Bandfchrift in der 
Bamburger Bibliothef. Dieth führt Stellen in niederſächſiſcher Sprache 
daraus an. Das Fragment bei Ruſſe ift lateinifch. | 

Des Boldfhmidts zu Kunden Bandfcrift, 1319 —15532. (Fragm. 
No. XX.) Die von Ruſſe aus derfelben abgefchriebenen Stellen find in 
niederfächfifcher Sprache abgefaßt. 

Johann Rode von Lübeck Bandfchrift, 1148 —1500. Die ARuffefhen 
Fragmente diefer Schrift (No. XXI.) find niederfähfifch gefchrieben. 

Nicolaus Mildins Descriptio, 1319—1471. (Fragm. XXIII.) Die 


XXVI Don den Quellen zur Gefdidhte. 


Stagmente bei Ruſſe find lateiniſch gefchrieben. Ercerpte aus Mildins 
von Lindenbrog follen auf der Bamburger Bibliothef ſich befunden haben. 
Mildins war Prediger zu Kunden. ($ehfe, 519.) 

Xicolaus Witte in Weffelburen, ditmarfifche Nachrichten, 1119— 1530, 
von anderer Hand fortgefegt bis 1540. (Fragm. XXIV.) Die von Ruſſe 
angeführten Stellen aus diefer Schrift find zum Theil lateinifh, zum 
größten Theil aber niederfächfifch gefchrieben. Nicolaus Witte foll nadı 
Weftphalen zu Anfang der Reformation Prediger zu Neuenkirchen geweſen 
fein. Allein zu Xeuenfirhen fand fein Prediger diefes Namens, und 
ebenfowenig ftand ein foldyer zu der betreffenden Seit zu Wefielburen im 
Amte. Der Paftor Nicolaus Witte zu Weffelburen ftand hier von 1607 
bis 1618. Dagegen ftand zur Seit der Reformation um 1530 zn Kunden 
der nachmalige Superintendent der Mitteldöfft, Nicolaus Witte, als Paftor 
im Amte. Da aber ausdrüdlid von Nicolaus Witte in Weffelburen die 
Rede ift, fo ift zu vermuthen, daß der Derfafler ein zu Weflelburen im 
Schuldienft ſtehender Geiftlicher gewefen fei. 

Johann Erp in Hemme, Bandfchrift 1520—1532. Die fragmente 
(No. XXVII.) find in niederfähfifher Sprache gefchrieben. Nach Dieth war 
Johann Erp Paftor in Hemme. Unter den Bemmer Predigern iſt aber 
Keiner diefes Namens befannt geworden, und in dem Derzeichniffe derfelben 
(bei Sehfe) ift auch in Anfehung der Heitfolge feine Lücke, die durch Ein- 
fhaltung eines Johann Erp auszufüllen wäre. Dielleiht war andy diefer 
ein im Schuldienft ftehender Geiftlicher. 

Eines Franziskaner⸗Mönchs zu Xunden Descriptio, 1528 — 1532. 
(Fragm. XXIX.) Die fragmente find lateinifcy gefchrieben. 

Henning Swyn zu Kunden, Handſchrift, 1506—1535. (Fragm. 
No. XXXI) Die Fragmente diefer Schrift find niederfächfifch gefchrieben. 
Benning Swyn war ein Sohn von Peter Swyn und als folder nicht, wie 
es bei Dieth, Bolten und Anderen heißt, ein Bruder von Marcus Swyn, 
fondern ohne Zweifel der Dater desfelben. Marcus Swyn war nad 
Zeocorus ein Sohnesfohn von Peter Swyn. Hierfür fpridht auch die 
Seitrehnung. henning Swyn wurde 1529 einer der erften Rathsherren 
der Stadt Kunden; Marcus Swyn aber war 1523 erft geboren, kann hiernady 
alfo nicht wohl ein Bruder von jenem gewefen fein. 

M. Günther Werner, Sylloge privilegiorum Ditmarsiae liberae. (Frag- 
ment XXXIV.) Das Fragment ift betitelt: Fryheit des Sandes to 
Detmerfhen. — Bünther Werner war Kandestanzler in Dithmarfhen. Er 
ftarb 1546. 

Ein Miffal der Kirhe zu Neuenkirchen (Fragm. X.) Das fragment 
betrifft Aufzeihnungen aus der Zeit 1562—1545. 

Pergamentenes Kirhenbud der Kirche zu Wefjelburen. (No. XVII.) 
Das Fragment betrifft Aufzeichnungen des Paſtors M. Nicolaus Dird aus 
den Jahren 1499 und 1500. 





Don den Quellen zur Geſchichte. XXVII 


Pergamentenes Kirchenbuch bei der Kirche zu Tellingſtadt. Das 
Fragment (No. XVIIT) betrifft die Jahre 1319 — 1481. 

Miffal der Kirhe zu Bödelnburg, aus weldem ein Fragment 
(No. XIX) Nachricht vom Jahre 1144 giebt. 

Mifjal der Kirche zu Kunden, (Fragm. No. XXI.) Die Machricht 
betrifft die Seit 1436 — 1477. 

Infchrift einer Tafel in der Kirche zu Büfum — Der Tabula antiqua 
pendens in templo Busumensi, aus der Seit von 810—1128. (No. XV.) 
Neocorus führt diefelbe als Chronicon parieiinum Businale an. 

Witte Johann Ruſſe, Derzeihnig von Gefallenen aus der Schlacht 
bei Hemmingfteöt (Fragm. No. XIIL) Das Fragment ift betitelt: Eine 
Schrift, fo myn Dader Witte Johann, de fülveft vöffte Brödere und ſynem 
Dader in der Schlaht by Hemmingſtede 1500 mede gewefen, befchreven, 
entholdend eine Lifte derjennen, de in der Schlacht gebleven. 

Die Schriften, von weldhen Ruſſe Fragmente aufbehalten, hat Bolten 
in feiner „hiftorifhen Bibliothef” zur Dithmarfcher Geſchichte aufgeführt. 
Doc find diefelben größtentheils nur noch nad; den fragmenten bei Ruſſe 
befannt. — Im übrigen betreffen die bei Weftphalen abgedrudten Frag⸗ 
mente handfcriftlihe Aufzeihnungen nad brieflider oder mündlicher 
Mittkeilung von Zeitgenoffen Ruſſes, wie der Bojen, und, wie es fcheint, 
auch Aufzeichnungen, von weldhen Ruſſe felbft der Derfaffer ift. 

Die Originalfdrift der Ruſſeſchen Fragmente, von Ruſſes eigener 
Band, befindet fich in der königlichen Bibliothef zu Kopenhagen. Unter 
einige derfelben hat Ruffe feinen Namen gefet nebft der Jahreszahl 1533, 
1536, 1537. Auch findet fi in der Sammlung alter Manuffripte auf der 
föniglihen Bibliothef zu Kopenhagen ein Koder in Folio, enthaltend eine 
plattdeutfche Ueberfegung der dänischen Reimchronik: Broder Yligels van 
Soroe Ehronica, nebft einigen anderen Chroniken, welder auf dem Titel⸗ 
blatt die Jahreszahl 1550 zeigt und den Namen Witte Johann Ruſſe. 
Derfelbe ift ans der vormaligen Gottorper Bibliothef dahin gefommen. 
(Molbech, Biflorie om Ditmarflferfrigen, 5. 189.) Jene Reinmchronik iſt 
wohl die von Bolten nah Weftphalen und Sibbern angeführte: Fratris 
Nigels van Soroe dänifhe Ehronica, aller Konige to Danmark Leven, 
handel und Kriegesdaden van Dan beth up Larften den Erften entholdende, 
de gefunden is in der Schlacht und Nedderlage der Dänen tho Hemmingſtede 
in Ditmarfchen, 12. februar 1500, in Saffifche Rimen opverfettet.) Es ift 
demnach wenigſtens nicht alles aus Johann Ruſſes Bibliothef ım Jahre 1559 
vernichtet worden und bleibt daher immer no die Möglichkeit, daß and 
das Auffefche Geſchichtswerk wieder aufgefunden werde. Ruſſes Sammlungen 
und Arbeiten waren auch Anderen zugänglich. Daher finden fi in Chroniken 
und Schriften, wie fie von Neocorus benutzt worden, Nachrichten, die auf 
Ruſſe zurüdgehen. 

Earften Schröder war ein jlingerer Zeitgenoſſe von Johann Ruſſe 


xXXVII Don den Quellen zur Gefcichte. 


und ein Älterer Seitgenoffe des Zeocorus. Die Chronik desfelben benutte 
Xeocorus vom Jahre 1140—1590 fleißig. Auch Walther und Helmann 
haben die Carſten Schröderfche Ehronit noch als Quelle benutt. Später 
war diefelbe lange Zeit verloren, bis Micdhelfen fie wieder anffand. Die 
Chronik befindet fi jegt in der Bibliothef des dithmarfher Mufeums zu 
Meldorf. Das Wefentlichfte des Inhaltes derfelben ift fon von Neocorus 
für fein Befchichtswerf verwerthet worden, fo daß felbige wenig Erhebliches 
bietet, was nicht aus dem Zleocorus befannt wäre. 

Die meiften anderen handfchriftlihen Nachrichten, die Neocorus 
benutzte, wozu die Handfchriften von Johann Junge, Carften Sievert und 
Andreas Brus gehören, waren Feine ausführlihe Chronifen und Be- 
fhreibungen, fondern nur einzelne zerftreute Aufzeichnungen und Xotizen, 
zum Cheil aber mit Urkunden belegt. Ueber die wichtigften Cheile der 
dithmarfcher Geſchichte hat er noch urkundliche handfchriftliche Nachrichten 
benugen können. Auch fehlte es ihm für manche Cheile feiner Arbeit nicht an 
gedrudten Quellen. Einbündiges Seugniß der Geſchichte Heinrihsvon Zütphen 
hatte £uther gegeben; den letzten Sreiheitsfampf der Dithmarfcher hatten 
Johann und Heinrih Ranzau befdhrieben. Die fpätere Seit befdhrieb 
Ueocorus felbft, theils nach dem Zeugniß von älteren Zeitgenoffen, worunter 
fein eigener Dater, Adolphus parens, war, theils aus feiner eigenen 
Erfahrung. 

Das Bauptverdienft des Xeocorus beftand demnad in Aufbehaltung, 
Sihtung und Zufammenfügung der alten Nachrichten. Er zeichnet ſich aber 
vor Anderen aus dur große Unparteilichkeit, durch feine deutfche Schreib- 
art nıd durch die Liebe zu feinem Gegenftande. Seine Chronik ift das 
Bauptwer? unter allen vorhandenen dithmarfcher Chroniken. Dahlmann 
hat diefelbe in der Urfchrift, mit Anhängen dazu, zum Druck befördert, 
Kiel 1827. — In Oeſterreich wurde der Xleocorus verboten. 

Johann Ranzau gab heraus: Wahrhaftige und Purze Derzeichniß 
des Krieges, weldhen König $riedridy zu Dänemarf, des Namens der Andere, 
und Ihrer Königlihen Majeftät Dettern, Johann und Adolff, Gebrüder, 
alle Herzoge zu Schleswig, Holftein ıc., innerhalb zweier Monate im Mai 
und Brachmonat des 1559 Jahres wider die Ditmarfen geführt. Darin 
von der Ditmarfen Urfprung und Herkommen Meldung gefchieht, desgleichen 
von ihren alten Gewohnheiten und Sitten, wie fie erftlich der Herrfchaft 
unterthan, nachmals aber wiederumb frey worden, viel ihrer Herren ver- 
trieben, verjagt und erfchlagen, bis endlich gemeldte drey Herren fie 
bezwungen, ihre Dorfahren an ihnen ftattlich gerodhen, das Kand erobert 
und zu ihrem Behorfam gebradyt haben. — Gedrudt zu Straßburg durch 
Cheodofinm Nickel, 1669, 13 Bogen in 4. Die Schrift erfchien ohne 
Angabe des Derfaflers. Doch ift es fpäter erwiefen, daß Johann Ranzau 
der Derfafler derfelben if. Das Werk ift im wefentlihen nur eine Be 
ichreibung des Krieges von 1559. Was der Titel fonft noch verheißt, ift 


Don den Quellen zur Befchichte. XXIX 


nur oberflädlich berührt werden. Bezüglih jenes Krieges ift das Wert 
eine wichtige Quelle zur Geſchichte, da Johann Ranzau, der Föniglidy 
dänifche Feldherr, Gberanführer im Kriege wider Dithmarfchen war und 
er alle Kriegsoperationen, die zur Eroberung des Landes getroffen wurden, 
leitete und führte. 

Heinrich Ranzaus Befchreibung des Krieges von 1559 ift betitelt: 
Belli Ditmarsici, ab inclyto Daniae Rege Friderico II et illustrissimis Holsatiae 
Ducibus, Johanne et Adolpho fratribus, gesti, Anno post Christum natum 
MDLIX. vera descriptio, Duobus libris comprehensa. Basileae per Samuelem 
Regium Anno MDLXX. in 8. Eine zweite Auflage des Werkes erfchien zu 
Straßburg — Argentorati, per Bernhardum Jobinum 1574. Der Derfaffer 
eignet fein Wert dem gelehrten Beinrih Ranzau zu, dem er die meiften 
feiner Nachrichten zu verdanken habe. In der Sueignungsfcdhrift, die aus 
Itzehoe 1569 datirt, nennt er fich Christianus Cilicius Cimber. Beinridy 
Ranzan hat aber fpäter, nadydem Dertraute von ihm es bereits verrathen hatten, 
eingeräumt, daß er felbft der Derfafler fei. Die Schrift giebt im erften 
Suche eine Befhreibuug vom Zuſtande Europas im Jahre 1559 nebft einer 
furzen Ueberficht der holfteinifhen Geſchichte und einer ausführlicheren der 
dithmarfcher Geſchichte und befchreibt im zweiten Bude fehr eingehend den 
Krieg von 1559. Da Heinrich Ranzau unter dem Oberbefehle feines Daters 
einer der Bauptanführer im Kriege war, fo ift auch diefe Schrift eine 
zuverläffige Quelle zur Geſchichte der legten Fehde. Aber au im übrigen 
ift das Werf in mander Rüdficht werthvoll, als Beitrag zur dithmarfcher 
Geſchichte überhaupt. 

Johann Ranzau hatte in Bezug auf die Art der Darftellung des 
Dithmarfcherfrieges einen Dorgänger an Hieronymus Hofius (Ofius), Heinrich 
Ranzau in derfelben Beziehung einen Dorgänger an Chriftoph Kellinghufen 
und einen Nachfolger an Caspar Ens. Oſius fchrieb bereits im Jahre 1559 
ein Heldengedicht in lateiniſchen Derfen über den Dithmarfcderfrieg von 1559 
zur Derherrlihung des Hönigs Sriedrih II. aus Anlaß der Krönung 
desfelben, in weldhem eine ausführlihe Geſchichte jenes Krieges gegeben 
wird: Historia Belli Dithmarsici gesti Anno M D.LIX. ab inciyto Rege Daniae 
Friderico etc. et ilustrissimis Principib. Slesvici et Holsatiae Ducibus etc. 
Coronatio inclyti Regis Daniae Friderici etc. facta Anno M.D.LIX Die Mensis 
Augusti vicesimo. Descriptae Carmine Heroico a Hieronymo Hosio Poeta 
“ laureata ab inclyto Rege Daniae Christiano. Vitebergae exudebat Petrus Seitz. 
81/s Bogen in 8. Diefe Schrift erfhien auch in deutſcher Ueberfegung 
unter dem Titel: Woahrhaftige und gründliche Befchreibung der Historie 
des Dithmarfchen Krieges und der Krönung Friderici II., Wittenberg, 1560 
in N. 8. Auffaſſungs⸗ und Anſchauungsweiſe in diefer Schrift ift diefelbe, 
wie die in Johann Ranzaus „Woahrhaftige und kurze Verzeichniß des 
Krieges” ıc. hervortretende. Oflus, der zu Wittenberg und Jena Profeffor 
und zu Regensburg und Braz Rektor am Gymnafium gewefen, war als 


XXX Don den Quellen zur Gefchichte. 


poet vom Könige Ehriftian III. von Dänemark mit dem Lorbeer gekrönt 
worden. Zur Abfafjung des Gedichtes Über den Dithmarfcherfrieg wurde 
er am hofe zu Kopenhagen durd die königlichen Räthe beftimmt, unter 
welhen Johann Ranzau der vornehmfte war und auch derjenige, der 
zunähft berufen fein mußte, das Material für eine anthentifche Darftellung 
der Geſchichte zu liefern. Es ift daher bezüglich des Inhalts der Feldherr 
Johann Ranzau als intelleftueller Urheber der Gefchichte des Hieronymus 
Ofius anzufehen. Chriſtoph Kellinghufen gab in einer poetifhen Arbeit 
im 3. Bud der vornehmften Begebenheiten aus dem Keben des Johann 
Ranzan eine Geſchichte des Krieges von 1559 wider die Dithmarfher — 
De praecipuis rebus gestis — Joannis Ranzowi — Libri Ill. autore 
Christophoro Kellinghousen, Francofuri — M.D.LXVIL, ing. Der Derfaffer 
urtheilt über die Dithmarfcher und ihre unbändige Freiheitsliebe ganz fo, 
wie Heinrich Ranzau in der descriptio belli Dithmarsici. Die Dertheidigung 
der Freiheit wider fürften und Herren if hier Verachtung von Obrigkeit, 
Gefeg und göttliher Ordnung, die durch Unterwerfung beftraft wird, 
gleihwie bei Heinrich Ranzau. Dabei giebt der Autor Xachrichten über 
Einzelnheiten, die nur von Jemandem gegeben werden konnten, der in 
nahen Beziehungen zu der Perfon des Seldherrn Johann Ranzau und aud) 
zu den Begebenheiten des Dithmarfcherfrieges ftand, fo daß es nicht zu 
bezweifeln ift, dag Chriftoph Kellinghufen hier nur im Dienfte des Heinrich 
Ranzau die Feder geführt hat. Easpar von Ens endlih gab in einem 
lateiniſchen Gedichte, weldyes die Thaten des Königs Sriedrih II. von 
Dänemarf verherrlicht, eine Beſchreibung des Dithmarfcherkrieges von 1559 
mit Kupfern, unter welchen eines eine Darftellung des Bammhaufes bei 
Beide zeigt. Die Schrift ift betitelt: Rerum Danicarum Friderico II inclytae 
memoriae rerum potiente terra marique gestarum Historia: Bella Ditmarsicum 
et Svecicum maxime memorabilia complectens; cum brevi recensione eorum etiam 
quae in vitam et mortem praedicti regis inciderant, Insertae sunt tabellae 
multae in aes incisae, quae singula historiae capita ad vivum exprimunt et 
ob oculos ponunt. Studio et opera Casparis Ens Lorchensis. Accesserunt 
appendicis loco ejusdem argumenti Epigrammata Johannis Lauterbachi et alia 
aliorum elogia. Francofurti, Impensis Petri Fischeri M.D.XCIIIL 165 S. in 
kl. Sol. Das Gediht vom Dithmarfcerfriege bildet den erften Theil des 
Werkes. Demjelben find Auszüge aus dem zweiten Bude der Schrift des 
Ehriftian Eilicius (heinrich Ranzau) angefügt. Einzelne Stellen aus diefem 
Gedichte und aus anderen Gedichten desfelben Derfaflers find in Heinrich 
Ranzaus Schrift Über Urfprung, Namen, Thaten ıc. der Limbern beige- 
bracht. Die Befchreibung des Dithmarfcherfrieges von Caspar Ens, die 
gar unter Heinrich Ranzaus eigene Werke gerechnet worden, ift unzweifel- 
haft von Heinrich Ranzau veranftaltet. Caspar Ens war Erzpriefter zu 
Corch und befchäftigte fidy mit der Dichtkunſt und den fchönen Wiffenfchaften. 
Es gehören diefe Arbeiten ihrer Quelle nach zu den Ranzauifhen Werfen 


Don den Quellen zur Geſchichte. XXXl 


über den Krieg von 1559, und find diefelben nebft der wahrhaftigen und 
furzen Derzeihnig von Johann Ranzau und der Belli Dithmarsici descriptio 
von Beinrih Ranzau für die dithmarfher Geſchichte als Quellen zu 
gebrauchen. Xeocorus hat das MWefentlichfte der Ranzanifchen Arbeit für 
feine Gefchichte verwerthet und die in jener enthaltenen einfeitigen 
Auffaffungen und fchiefen Urtheile ſachgemäß Fforrigirt, ergänzt und richtig 
geftellt. 

eben dem Xeocorus ift als Quelle zu benugen: 

Bans Dethleff aus Windbergen, der fidh die Arbeiten des Lleocorus 
verfchaffte und einen Auszug daraus veranftaltete, dem er berichtigende 
Zufäße beifügte, und die Geſchichte bis 1649 fortführte. Seine Chronik 
ift betitelt: Ditmarfche hiftorifche Relation. Dan ehrer Ankumbſt, Seden 
und Krieges-Bandlungen. Uth geloffwerdigen Hiftoricis, olden gefchrevenen 
Chronicis, olden Breven, Privilegien und Monumenten thofamende gedragen. 
Od eines Dehls nun erſtlich angemerfet. Dorch Hans Dethleff tho Wind- 
barge. Angefangen anno 1654. Dem Titel ift das Motto beigefügt: Si 
quid feceris turpe cum voluptate, voluptas quidem abit, turpe vero manet: si 
quid feceris honestum cum labore, labor quidem abit, honestum vero manet. 
Die Arbeit des Hans Dethleff ift im wefentlihen nur Abſchrift vom Zleo- 
corus. Der Autor gefteht das felbft in der Dorrede, indem er fagt: „Diffen 
Mangel averft in etwas tho erfegen, hefft ein gelahrter und in Hiftorien 
wol geöveter Mann, mit Namen Kr. Johannes Adolphi etwan Prediger 
up Büfen vor ungefehr 40 Jahren fit undernahmen, eine dithmerfche Chronica 
van ehrer ehrften Ankumbſt an beth up fine Tydt tho verfahten undt an 
den Dag tho bringen, alfe averft inmitteljt ſchwere unverhapede Felle undt 
remotiones fi mit ehme begeven, ift fold! Werd beth up finen Dodt unvollen- 
föhret vorbleven. Damit nun averft folte des fel. Mannes nüglihe undt 
rohmswerdige Arbeit — — nicht gentlid undergedrudt und verborgen 
blieven mochte, hebbe datfülve dorch bede an my gebracht, undt wilen idt 
faft widtlofftig, in fortere Sorm getagen, an etlichen Ordten averft up 
entfangenen beteren Bericht geendert undt vorbetert undt folgends dat overige, 
fo veel uth geloffwerdigen Chronicen undt vortekenniffen od des benendten 
fel. Autoris anderwerts particular Scrifften undt fonften bythobringen geweft, 
und od van my fülveft etlide Jahre her angemerdet, ferner henthogedahn, 
und in folgende geftalt, fo beft ick gekondt, gebracht.“ — Bans Dethleffs 
Chronik ift oft abgefchrieben, ausgezogen nnd fortgeſetzt worden. Eine 
Kortfegung von Johann Blohm, der zu der betreffenden Zeit Schulhalter 
zu Chalingburen war, geht bis 1720. — Bans Dethleff war Landmann 
zn Windbergen. Er nennt fih in der Dorrede zu feiner Ehronif felbft 
einen Ungelahrten, „de nergends anders alfe thor Buß- undt Ader-Arbeit 
angewahnet und deme idt nidt alleine an Dorftande und Erfahrung, 
befondern od an Materie fehr entbraden und gemangelt". Obwohl er 
nicht fludirt hatte, war er doch ein Mann, der, wie feine Chronik zeigt, 


XXXII Von den Ouellen zur Geſchichte. 


etwas gelernt hatte und einen guten Stil ſchrieb, nicht allein deutſch, 
ſondern auch lateiniſch. 

Diele Beiträge für die dithmarſcher Geſchichte finden ſich im ſog. Got⸗ 
torper Ardiv zu Kopenhagen und in den Bibliothefen zu Hamburg und 
£übed. Einen bedeutenden Beitrag liefert das alte dithnarfcher Landredht, 
deffen Entftehung und Entwidelungsgefdichte aufgehellt wird durch Hand» 
fhriften, die theils in Bremen, theils in Hamburg aufgefunden worden. 
Das Stadtreht von Kunden, verfhiedene alte Kirchfpielsbeliebungen, 
namentlih von Meldorf, find aufgefunden und mit Außen für die dith- 
marfcher Gefdhichte verwandt worden. Im übrigen find Zleocorus und 
Bans Dethleff die Hauptquelle geblieben für alle fpäteren Chroniften, die 
etwas Erhebliches über die dithmarfcher Befchichte gefchrieben haben. 

Eomelins Hamsfort hat zwar ſchon im Jahre 1579 eine dithmarfcher 
Geſchichte geſchrieben, do hat diefelbe auf die einheimifchen Chroniken 
feinen Einfluß gehabt, da fie bei Peiner der leßteren als Ouelle benutzt 
worden ift. Hamsforts Arbeit, bei Weftphalen (Monum. ined. I)zum Abdrud 
gebracht, führt den Titel: Foetus et pignus carissimum Cornelii Hamsfortü 
Junioris relictum quasi hereditas Anno MDXXIX ineunte autumno. Der Der- 
faffer war Licentiat der Medizin und Phyfitus zu Odenfee, aus den Herzog- 
thümern gebürtig. Er ift als Geſchichts⸗ und Alterthumsforfcher befannt. 
In feiner dithmarfher Geſchichte giebt er bezüglich der neueren &eit 
zuweilen Nachrichten, die ſich bei Neocorus nicht finden, doch führt er für 
diefelben Feine Quellen an und fcheint oft durdy eigene Kombination 
Sehlendes ergänzt zu haben. Er hat den Xeocorus nicht übertroffen. 

Deter Sar hat ein Werk gefchrieben, betitelt: Dithmarfden 1640. 
Dasfelbe befteht aus zwei heilen: Ditmarsia, d. i. Ein nöthiger Vorbericht 
und hiftorifhe Erzählung des Zuſtandes im Lande Dithmarfhen, aus 
lateinifhen, teutfhen und inländifchen Scriptoribus zufammengezogen von 
Petro Sax zu Coldenbüttel in Eiderftett, A. C. M.D.CXL. und Annales 
Dithmarsorum, zufammengebradyt von Petro Sax zu Coldenbüttel in Eiderftett. 
Die Annalen gehen von 278 v. Chr. bis 1559. Das Original der Hand⸗ 
fhrift befindet fich in der königlichen Bibliothe? zu Kopenhagen. Sar giebt 
feine ausführliche Geſchichte, jondern einzelne Nacdyrichten, Mittheilungen 
und Urtheile über hiftorifhe Begebenheiten, in welden er ſich oft gegen 
die Dithmarſcher eingenommen zeigt. Er bietet nichts von Erheblidykeit, 
was nidıt fchon bei Zleocorus und Hans Dethleff zu finden wäre. Nur für 
die fpätere Seit hat er einige Handfchriften benutt, die fonft felten angeführt 
werden und jet verloren find, als die Handfchrift von Hinrih Bruhn, 
Johann Doß in Heide, Nicolaus Egge zu £unden und Johann Günther 
von Weflelburen. (Johann Günther war zu Tellingftedt Diafonus von 
1586 bis 1593 und Paſtor von 1595 bis 1627; der Sohn desfelben, 
M. Binrih Günther, war Paftor zu Wefjelburen von 1628 bis 1661. 
Dielleiht foll es bei Sar Hinrich Günther heißen.) Im übrigen hat er vor- 


Don den Quellen zur Geſchichte. XXXIII 


nehmlich den Neocorus und Chroniſten, wie Cranz, Peterſen und den Presbyter 
benutzt und ausgeſchrieben. Peter Sar war 1597 auf Nordſtrand geboren, 
hatte ftudirt und lebte als Einwohner zu Coldenbüttel, wo er auch Rathmann 
war. — Un einigen Ercerpten von Sar foll Johann Rodes von Kunden 
Breve chronicon rerum dithmarsicarum von 1146—1475 angehängt gefunden 
werden, ein troß des lateinifhen Titels niederfächfifch gefchriebenes Wert, 
welches unter den £indenbrogfchen Handfcriften in der Hamburger Bibliothet 
aufgeführt wird. 

Hinrich Sedorf zu Kunden fchrieb eine Ehronif, betitelt: Ditmarsia 
libera fide monumentorum, historiarım, variorum chronicorum, Mscr. chartarum 
et diplomatum descripta, d. i. Purze Bejchreibung des Landes Dithmarfchen 
mit feinen Berren, weldhe jemalen darüber regiert, wie felbige die 
Dithmarfcer gehalten, endlid; fie gar verlaffen und fi} in Srepheit verfeßt 
haben, ingleichen, was fle für ein Regiment in ihrer Freyheit geführt, wie 
folhes von den Römifchen Kayfern und Päbften beftätiget, auch gegen welche 
Sürften und Berren fie allemal ihre Freyheit vertheidiget, bis fie endlich 
von dem Könige in Dännemard und denen Herzogen zu Schleswig-BHolftein 
unterthänig gemadht worden, im Jahre Chrifti, da man gefchrieben 
DitMarsla LIbera fVlt. Hierbey ift angefügt: I. Ein Beriht von den 
dithmarfifhen Regenten, die bis zu diefer Seit nady der Eroberung des 
Sandes vom Haufe Dännemard und Holſtein über fie regieret. II. Verzeichniß 
der Landvoigte, durch welche fie diefelben richten und guberniren laffen, 
und III. Bericht von dem Urfprunge und Amte der Landes- und Kirchfpiels- 
Gevollmädtigten in Zlorder-Dithmarfhen. Abgefafiet von mir Henrico 
Sedorff, Lubec. J. U. D. und heffifhen Rath. Gefchrieben zu Konden in 
Dithmarfden, An. 1668. Die Chronif ift bei Weftphalen (Monum ined. III) 
aufbehalten worden. Der Derfafler, ein Kübedter von Geburt, praftizirte 
zuerft als Advofat in feiner Daterftadt, ging dann Streitigkeiten halber von 
da fort und begab fi nad Lunden, wo er 1664 D. Detlef Helds Witwe 
heirathete und bis 1670 wohnhaft war. In letzterem Jahre, nachdem feine 
Stan geftorben, kehrte er zurüd nach Lübeck, wofelbft er 1686 ftarb. Seine 
Chroni? enthält viele Urfunden und in betreff der fpäteren Zeit manche 
befondere Nachricht. Im übrigen aber iſt audy für Sedorf Ueocorus die 
Banptquelle gewefen. 

Anton Heimreich Walther gab eine dithmarfcher Chronit im Drud 
heraus, die den Titel führt: Ditmarfifhe Chronik, darin nebft der Landes⸗ 
beſchreibung die Geſchichte, fo ſich vor erlangter, bey gehabter, und nad 
verlohrener Sreyheit des dithmarfcher Landes begeben, in drey Büchern, 
aus allerley glaubwürdigen gedrudten und gefchriebenen Nachrichten 
ordentlich verfafjet worden, dorch M. Antonium Heimreich Walthern, Paftoren 
auff dem Xordftrandifchen Mohre.. — Schleswig, Bedrudt durch Johann 
Biolwein, Impensis Autoris. Anno M.DCLXXXIHI. Diefe Chronif wird 
geihäßt, weil der Derfafler einige jeßt verlorene und fonft nicht angeführte 


XXXIV Don den Quellen zur Geſchichte. 


Handfdriften für diefelbe benußt hat, wie die von Binrih Melelius, 
Johann Reimers, M. Johann Schneck und Stephan Moltidyius. Die 
Bandfcdırift des Kebteren wird von Walther als antiquitates Dithmarsorum 
bezeichnet. Nah Bolten foll diefelbe identifch fein mit einer Schrift, die 
noch zumeilen in Bibliothefen fih findet unter dem Titel: Kurze 
Befchreibung des Landes Dithmarfhen und der vornemften darinnen fidy 
begebenen Geſchichte, auch etlidher desfelben fonderbaren Gebräuden und 
Gewohnheiten. — 54 Seiten, ohne Angabe des Derfaflers. Es ift aber 
der Beweis der Jdentität beider Schriften nicht erbracht, und an ſich ift es 
faum wahrſcheinlich, daß Walther die lettere Schrift als antiquitates Dithm. 
Moltichii citirt hätte. M. Stephan Moltihius war ein Sohn des Paſtors 
Arnold Moltihius zu Burg in Dithmarfhen und lebte als Privatlehrer in 
Bamburg, wo er 1654 ftarb. M. Johann Schneck war ein Dithmarfcher, 
vor der Neformation Difar des Hamburger Offizials, nachher der erfte 
evangelifch-Iutherifche Paftor zu Heide und Superintendent der Oſterdöfft. 
Don Johann NReimers und Binrih Melelins ift weiter nichts befannt. 
Bolten führt die von Walther citirten beregten Schriften nody in feiner 
„hiftorifchen Bibliothef”" auf. Diefe Gewährsmänner Walthers kommen 
nur für die neuere Zeit in Betradt. Für die Ältere Zeit ift auch bei 
Walthers Arbeit Teocorus die Hauptquelle gewefen. Walther war 1625 
zu Trindermarſch auf der Infel Nordftrand geboren als Sohn des Paftors 
Johann heimreich Walther dafelbft. Er wurde 1652 Paftor zu Nordftrandifch- 
Moor und ftarb 1684. Die Waltherfhe Ehronif war lange, bevor Dieths 
Wer? erfchien, die einzigfte befonders im Druck erfchienene und im Budy- 
handel verbreitete dithmarfifche Chronik. 

Anton Dietb zu Heide ließ ein Der? im Drud erfheinen, welches 
den Titel führt: Anton Diethens, Hochfürſtlich Schleswig-Holfteinifchen 
Cammer-Assessoris, Beſchreibung und Geſchichte des Landes Dithmarfchen, 
oder Beographifhe, Politifhe und Biftorifhe Nachricht vom bemeldten 
Sande. Aus bewehrten gedrudten und ungedrudten Urkunden verfaffet, 
nebft einer Special-Earte, unterfchiedlihen Kupferftihen und einer Dorrede 
Brn. Jo. Alberti Fabricii, D. und Prof. Publ in Hamburg. — Bamburg, 
gedrudt und verlegt von feel. Thomas von Wierings Erben bey der Börfe 
im güldenen A.B.C. 1735. Iſt auh in Keipzig bey Philip Hertel zu 
befommen. 484 S. in 4. Die dem Diethjchen Werfe beigegebene Karte ift 
die 1559 von Peter Bödel angefertigte; die Kupferftiche zeigen Darftellungen 
von altdithmarfher Kleidertrahten nah Befchreibungen von leocorus, 
jowie Xifje einiger früherer Schanzen; die Dorrede von fabricius begreift 
eine Abhandlung über die dithmarfifchen hiftorifhen Schriften. Anton 
Dieth, ein Redytsgelehrter, der als Kammeraffefior und fpäter als Kammer- 
Rath privatim zu Heide lebte, war ein Sohn des 1701 verftorbenen Kand- 
vogts Georg Dieth. Ihm ftanden für die Geſchichte der fpäteren Zeit 
manche befondere Nachrichten zur Derfügung, auch hat er einige, fonft nicht 


Don den Quellen zur Geſchichte. XXXV 


gebrauchte, jet verlorene Handfchriften benugt. Daher ift feine Chronik 
in Beziehung auf die nenere Gefhichte immer noch von Werth. In der 
älteren und mittleren Zeit find Neocorus und Hans Dethleff feine Haupt- 
quellen gewefen, die er ziemlich Fritiflos benußt hat, fo daß er in diefen 
Cheilen feiner Geſchichte nicht fehr zuverläffig if. Eine Fortfeßung der 
Geſchichte mit Beridhtigungen und Zuſätzen fand fi in Dieths VNachlaß 
bei dem . Sohne des Derfaflers, dem Landfchreiber, Kammerrath Johann 
Anton Dieth zu Heide. 

Dietrih Larftens, ein Sohn des Predigers Johann Larftens in 
Windbergen, geboren 1693, feit 1732 Paftor zu Wöhrden bis an fein Ende, 
(er ftarb 1762), fol viele Funde an Quellen für die dithmarfcher Geſchichte 
gethan haben. Er fchrieb an einer KUirchengeſchichte Dithmarfchens und 
hatte fchon 1732 eine Handfchrift zum Drud fertig, die den Titel führt: 
Die dithmarfifhe Kirchen-Hiftorie, worinnen von der erften Derfündigung 
des Evangelii, Urfprung der Abgötterei und dem heidnifchen Bötendienft, 
Befehrung zum Chriftenthum, auch großem Derderben des Pabftthums, der 
darauf gefolgten Reformation Lutheri, und was es fonften für Derfälfchungen, 
Trennungen und Secten in dem Berzogthum Dithmarſchen bis auf unfere 
Seit gegeben, gehandelt wird. Alfo verfaffet von D. Earftens. Anno 1732. 
Dom Drud feines Werkes ließ er fih wohl dadurdy abhalten, daß Anton 
Dieths Befchreibung und Geſchichte des Landes Dithmarſchen, Hamburg 1733 
und bald darauf Johanı Helmann, Paftor zn Marne, Kurzgefaßte füder- 
dithmarfifhe Kirchen-Biftorie, Hamburg 1735, erfhien. Tach einigen 
Jahren begann Larftens ein neues Werft, ausgerüftet mit Bülfsmitteln, 
wovon in feiner erſten Handſchrift feine Spur, als: Manuscriptum Ranzo- 
wianum, enthaltend 85 Befte in Folio, weldes er für Johann Ruſſes 
Chroni? hält, wo zwar in der Auffchrift nicht der Name des Derfaflers 
geftanden, aber doh am Ende der Name Johannes nebft den Namen der 
fürften, die 1559 Dithmarfchen angriffen, und der Bemerkung: „Eheguftern 
hebben uns de — Herren enen Entfegge-Bref dör enen Ranzanifchen Jäger 
up der Heide thogeſchicket ıc. — mar wy ward fum noch by den Kop krigen;“ 
die Dogdemanns-Ehronif, die mit 1558 geendigt haben foll; die Chronik 
eines Johannes Adolphi, der ein viel Älterer fein müßte, als Johann 
Adolph (NMeocorus) auf Büfum; die Bruhnen- und Nohden-Chronif; 
Heinridy Ranzaus eigenhändige Nachrichten; eine Chronik „Schlahtbund“ ; 
Johann Rickerts dithmarfifhe Chronif; Johann Boetins’ dithmarfifche 
Ehronit und Grot Hans Peter auf dem. Wetternwall, dithmarfifche 
Chronik. — Eine zweite Handſchrift ift betitelt: Ein roher Entwurf von 
einer dithmarfifhen Kirchen-BHiftorie, worinnen etwas von der erften Der- 
fündigung des Evangelii, Urfprunge der Abgötterei und dem heidnifchen 
Götzendienſt, Belehrung zum Ehriftenthum, audy großem Derderben des 
Pabftthums, der darauf gefolgten Reformation Lutheri und was es fonft 
für Derfälfhungen, Trennungen und Secten in dem Berzogthum Dithmarfchen, 


XXXVI Don den Quellen zur Geſchichte. 


bis auf das Jahr 1200 gegeben, abgehandelt wird. Aus authentiquen 
Urkunden alfo verfaffet von Carstens. Diefe Schrift begann Earftens, wie 
aus einer Bemerkung auf einer der erften Seiten derfelben erhellt, im 
Jahre 1748. Diefelbe ift ausführliher in der Darftellung, als die erfte, 
ift aber nicht vollendet und geht nur bis Anfchars Tod 865. — Johann 
Auffes Chronif und die Dogdemanns-Chronif will Earftens auf dem Gute 
Drage benutt haben, einem Befigthume des NReichsgrafen Ranzau, der 
1222 wegen Brudermords feine Reichsgrafſchaft verlor, die der Hönig an 
fih 309, wobei zugleih aud Drage an den König fiel. Earftens Bruder 
war Derwalter auf Drage, und bei diefem will er jene Chroniken benutt 
haben. Er fagt: er habe diefen beiden Manuffripten folgen wollen, weil 
foldye aber Niemandem recht befannt wären, fei er davon abgeftanden, und 
er berufe fi daher auf Bücher, die ſchon gedrudt vor Augen lägen, oder 
die weniftens den Gelehrten befannt wären, damit er mehr Glauben fände. 
Dahlınann hat fhon bemerkt, daß die ganze Carſtensſche Arbeit nicht in die 
Darftellung der Geſchichte eintreten kann, weil Mehreres gegen die 
Anthentizität der Larftensfihen Urkunden ſpricht. Drage war Fein alt- 
ranzanifhes Baus; eine Lifte der Güter des Ranzauiſchen Haufes vom 
Jahre 1587 erwähnt Drage nidt. Die Litate aus den Chroniken bei 
Earftens verdienen wenig Zutrauen wegen ihrer unreinen, nicht altfächfifchen 
Sprade; die Anführungen find weitläufig über Dinge, die, wie der heidnifche 
Kultus und was dem anhängig, eigentlich Niemandem befannt fein fonnten ; 
über Dinge aber, die fehr befannt fein mußten, find jene Vachrichten fehr 
übel berichtet und zum Theil verfchwiegen. Ein Blatt, von Earftens’ Hand 
eingeflebt, giebt die Erbauungsjahre der meiften Kirchen in Dithmarfchen 
an, viele aber erweislih falſch. Wo die Dogdemannschronif angeführt 
wird, bezügli der Bewaldungs Dithmarſchens in älterer Zeit, ift die 
Stelle, in weldyer es heißt, daß ein Eichhörnden von Meldorf an bis zur 
£andesgrenze auf Bäumen habe fpringen Pönnen, ohne die Erde zu 
berühren, welde Stelle, nad Carftens, pag. 8 jener Chronik, ftehen fol, 
aus dem Ueocorus entnommen und bei Larftens in ganz unreiner nieder- 
fähfifher Sprache, abweichend von dem alten Landesdialeft, wiedergegeben. 
(Eine wichtige Urkunde der altfähflfhen Sprache des Landes ift das 1447 
abgefaßte ältefte Eandreht.) Weder dem Johann Ruſſe noch dem Neocorus 
ift etwas von einem ſolchen Dorrath älterer Chronifen befannt. Auch nadı 
Carftens’ Seit hat Niemand ſolche Chroniken gefehen. Die Handfchrift von 
Grot Bans Peter auf Wetternwall wird zwar aud von Helmann unter 
den von ihm gebraudten Schriften genannt; allein p. 37 führt Helmann 
an, daß ihm von Dietrich Larftens’ Handfchriften fommunizirt worden 
feien, und demnad ift anzunehmen, daß andy die „Chronif von Brot Hans 
peter" oder nur ein Auszug aus derfelben unter diefen Handfchriften fidy 
befunden habe. helmann führte dann die Chronif unter der Bezeidhnung 
an, unter welcher fie ihm von Carſten zugeftellt worden war. Brot Hans 


Don den Quellen zur Geſchichte. XXXVII 


Peter heißt zuweilen Grot Hans fien Peter, zuweilen auch nur Hans 
Peter bei Carſtens. In einer Stelle feines rohen Entwurfes (cit. b. Holten I, 322) 
ſagt Carſtens, daß er bei Hans Peters auf Wetternwall eine bei Friedrichshof 
aufgegrabene Steinaxt gefehen habe, und Bolten (I, 56) führt an, daß er 
drei Eremplare der Hans Dethleffihen Chroni? in Händen habe, darunter 
eines, welches dem Hausmann Hans Peters im Kirchfpiel Marne gehöre. 
Es liegt hier die Dermuthung nahe, daß diefer Hans Peters ein Sohn von 
Bans Peters auf Wetternwall gewejen fei und Carſtens das betreffende 
Eremplar der Dethleffiden Chronik im Befige des Letzteren gefunden und 
nah dem Befiter als Ehronif von Brot Hans Peter auf Wetternwall 
benannt habe. Carftens ift als Qnelle nidyt zu benußen, und die ver- 
meintlihen Quellen bei Larftens, die Bolten in der hiftorifhen Bibliothef 
zur dithmarfcher Geſchichte anführt, find aus den Derzeichnifien von 
Gefchichtswerfen auszufcheiden. 

Johann Adrian Bolten, Paftor zu Wöhrden, nachher Kompaftor zu 
Altona, gab heraus: Ditmarfifche Befchichte, 4 Chle., Flensburg und Keipzig, 
1281—1788. In der älteren und mittleren Zeit hat Bolten die Arbeiten 
des Dietrich Carſtens fleißig benußt und ift er hier daher in vielen Stüden 
unzuverläffig und irreführend. Auch fonft läßt er vieles vermiflen; be- 
fonders mangelt es bei ihm an tieferer Kenntniß der altfädhfifchen Sprache. 
Uebrigens ift feine Arbeit für die dithmarfcher Geſchichte ein fchäßbares 
Wert, ausgezeichnet durch Reichhaltigfeit des Stoffes, treue Benutzung zahl- 
reicher Urkunden und Chroniken, unter welchen Xleocorus eine hervorragende 
Stelle einnimmt, und durch Anführung werthooller litterarifcher Notizen und 
Bemerfungen, ein Gefdichtswer? im neueren Sinne des Wortes. 

Werthvolle urkundliche Beiträge zur dithmarfcher Geſchichte haben in 
der Seit nach Bolten gegeben: 

Molbech, Hiftorie om Ditmarfferfriegen, Kisbenhapn 1813. Der Der- 
faffer, Profeffor zu Kopenhagen, hat vornehmlich den Heocorus und Bolten, 
außerdem aber auch die urfundlichen Handfchriften des Föniglichen Geheim- 
ardivs für feine Hiftorie benußt und aus leßteren manch wichtige Vachricht 
für die Geſchichte Dithmarfhens beigebradt. 

Dahlmann, Johann Adolphi, genannt Xleocorus, Chronif des £andes 
Dithmarfcdhen mit Anhängen, 2 Bde. Kiel 1827. — Deſſen Dorlefungen 
über die dithmarfcher Geſchichte, eine Frucht feiner Arbeit an der Ausgabe 
des Zleocorus. 

Kolfter, Dithmarſcher Geſchichte nady Dahlmanns Dorlefungen, 1873. — 
Defien Exkurſe zur dithmarſcher Geſchichte. 

Mit Dahlmanns Arbeit über die dithmarſcher Geſchichte, in Dahl⸗ 
mannſcher und Kolſterſcher Ausgabe, hat die Reihe der mit Neocorus be- 
ginnenden dithmarfcher Ehroniten und Geſchichtswerke von urkundlichem 
Werth einftweilen einen würdigen Abſchluß gefunden. 

In diefen Ehronifen und Geſchichtswerken find die wichtigften der 


XXXVIU Don den Quellen zur Geſchichte. 


noch vorhandenen Urkunden zur dithmarfcher Gefchichte aufbehalten worden. 
Andere mehr oder weniger wichtige Urkunden bezüglicher Art find in Samm- 
lungen aus Ardiven der Staaten, die mit Dithmarfchen zur Zeit der Freiheit 
des Landes in Beziehung und Derbindung ftanden, vereinigt und mit Nutzen 
für die Sefcdichte verwandt worden. Don handfcriftlihen ungedrudten 
Sammlungen find hier namentlich befannt: 

Ulrich Peterfen, eines 1735 zu Schleswig verftorbenen Nechtsgelehrten, 
Collectio diplomatum ditmarsicorum. 

Diplomata, constitutiones, leges et alia miscellanea Ditmarsica, pp. 382 
cum indice aphabetico — aus der Bibliothef des Paſtors G. Schrödter zu 
Slüdftadt. 

Fasciculus literarum Ditmarsicarum ad Christophorum Archiepiscopum 
et capitulum Bremense perscriptarum, cum libello supplici ejusdem Archi- 
episcopi ad Caesarem et status imperii pro restitutione et sequestratione terrae 
Ditmarsicae n. 1— 36. (Bolten nad Dreyer.) 

Auch find hierher zu rechnen die Tabulae Ludenianae, d. i. eine merf. 
würdige Sammlung verſchiedener zur Kirchen-, Civil- und Selehrten-Hiftorie, 
fonderlih von Aorder-Ditmarfen gehörigen Sachen, zufammengetragen und 
größtentheils eigenhändig gefchrieben von Peter £udenius, Paftoren zu 
Weddingftedt urd Probften befagter CLandſchaft. II Volumina, 460 eng- 
gefchriebener Seiten. 

Schon Weftphalen hat im 3. Bande feiner Monumenta inedita eine 
Sammlung wichtigerer Urkunden, weldye bei den befannteren dithmarſcher 
Geſchichtsſchreibern vermißt werden, zum Abdrud gebradt, unter dem 
Titel: Diplomatarium Ditmarsicum ab a. 1228 usque ad 1559, continens chartas 
ab Hinrico Sedorfio, Antonio Heimreichio, Io. Adolphide et Dethlevio, 
Io, Russio aliisque ommissas vel ineditas adhuc, ex Autographis descriptas. 
Cum sigillis praecipuis aevi incisis. Seitdem find die Sammlungen durd 
neuere Nachforfhungen erhebliy vermehrt worden. Die wichtigeren der 
neueren Funde find nebftälteren zufammengetragen bei Micheljen, Dithmarſcher 
Urkundenbuch. 

Wo Urkunden mangeln, muß ſich die Geſchichtsdarſtellung an Vachrichten 
von Schriftſtellern aus den betreffenden Zeiten, welchen die bezüglichen 
Begebenheiten angehören, halten, und wo es an einheimifhen Chroniften 
fehlt, auswärtige Schriftfteller zu Rathe ziehen. Für die ältefte Seit 
werden wohl griedhifhe, römiſche und britannifhe, fodann fränkiſche und 
dänifche Schriftfteller, aus der Zeit vor Karl dem Großen, von einigen 
Ehroniften angeführt. Allein hier ift für die dithmarſiſche Geſchichte 
ebenfowenig, wie für irgend eine andere Spezialgefchichte, etwas Braudybares 
zu finden. Für die Zeit von Karl dem Großen an, mit weldem erft die 
eigentlihe Geſchichte Dithmarfchens beginnt, find wichtige und mehr oder 
weniger unentbehrlihe Quellen : 

Jacob Langebeck, Sammlung dänifcher Schriftfteller der mittleren 


Don den Quellen zur Gefchichte. XXXIX 


&eit: Srciptores rerum Daniearum medii aevi und die Sammlungen deutfcher 
Schriftfteller derfelben Zeit, als: 

Erpold Kindenbrog, Scriptores rerum germanicarum septentrionalium. 

Ernft Joachim von Weftphalen, Monumenta inedita rerum germanicarum 
praecipue cimbricarum et megapolensium. 

Binridy Meibom, Rerum germanicarum tomi tres. 

Gottfried Wilhelm Leibnitz, Scriptores rerum brunwicensium. 

Joh. Georg Eccard, Corpus historicum medii aevi, 

Joh. Burdhard Menden, Scriptores rerum germanicarum praecipue 
saxonicarum. 

Joh. Georg Kulpis, Volumen rerum germanicarum. 

Johann Dogt, Monumenta inedita rerum germanicarum praecipue 
bremensium, 

Befonders wichtig als Quellen für die dithmarfcher Gefchichte find: 

Die Chronologia aevi Anschariani bei £angenbed. (Script. rer. Danic. 
med. aevi, I.) 

Ditmar von Merfeburg, Chronicon. (Ceibnitz, Scriptores rerum 
brunswic. L.) Die Chronik geht von 876 bis 1018. Zuerſt von Reimer 
Reineccius und Johann JoahimMladerus herausgegeben, wurde diefelbe [päter 
von Seibnig ganz verbeflert aufgelegt und deſſen Sammlung einverleibt 
als Ditmarus restitutus. Ditmar war Bifhof von Merfeburg, 1012— 1021. 

Adam von Bremen, Historia ecclesiastica hammaburgensis ecclesiae mit 
dem Anhang: De situ Daniae et relinquarım septentrionalium regionum. 
(£indenbrog, Scriptores rerum germanicarum septentrionalium.) Adam von 
Bremen war Domherr, als Adalbert Erzbifhöf war, und hielt ſich längere 
Zeit bei dem Könige Swend Eftritfen anf. Seine Hiftorie geht von Karl 
dem Großen bis Kaifer Heinridy IV., 1076. 

Annalista Saxo. (Eccard, Corpus historicum medii aevi I.) Der dem 
VNamen nad unbefannte fädhfifhe Annalift lebte im 12. Jahrhundert und 
giebt Nachrichten über die Seit von 741 bis 1139. 

Chronographus Saxo. (K£eibnig in Access. hist, Band I; Menden, 
Script. rerum germ. praecipue saxonicarum III.) Die Chronif geht bis 1180. 

Albert von Stade, Chronicon. (Kulpis, Volumen rerum germanicarum.) 
Albert von Stade war Abt des Stader Marienklofters und nachher Ordens⸗ 
general der franziscaner. Er lebte im 13. Jahrhundert. Die Chronif 
geht bis 1256. — Eine Sortfegung zur Albertfhen Chronik: Continuatio 
Annalium Alberti Stadensis ab a. 1264 ad a. 1324, von Andreas Hoier zum 
Drud befördert (Hafniae 1720) iſt für die betreffende Zeit ebenfalls als 
Quelle für die dithmarfcher Geſchichte wichtig. 

Historia archiepiscoporum Bremensium a tempore Caroli M. usque ad 
Carolum IV. (£indenbrog, Script. rerum germanicarum.) Der ungenannte 
Derfafler diefer Geſchichte der Bremer Erzbifhöfe hat bis zum Tode des 
Erzbifchofs Albert im Jahre 1395 gefchrieben. 


XL Don den Quellen zur Befchichte. 


Hinrich Wolter, Chronica Bremensis. (Meibom, Rerum germanicarum, 
Band II.) Der Derfafier war Domherr zu Bremen im 15. Jahrhundert. 
Die Chronif geht bis 1463, gilt zwar in vielen Städen für unzuverläffig, 
giebt aber mandye befondere VNachricht, derentwegen fie brauchbar if. — 
Don demfelben Derfaffer ift wahrfcheinlicy auch das Chronicon Rastedensis 
1059— 1465 (Meibom, Rerum germanicarum, Band II) gefchrieben, weldes 
ebenfalls unter die Quellen zur Geſchichte der Grafen von Stade gezählt 
wird, aber für diefe und die dithmarfcher Geſchichte überhaupt wenig bietet. 

Chronicon Harsefeldense s. Rosenfeldense. (Joh. Dogt, Monumenta 
inedita rerum germanicarum, I.) Der nngenannte Derfaffer hat den Albert 
von Stade bis ans Ende hin ausgefchrieben und dann feine Nachrichten 
fortgefeßt bis 1575. Er hat aber manche Urkunde und befondere Nachricht, 
auch für die ältere Zeit, in feine Arbeit eingefügt, wodurd feine Chronif 
für die dithmarfcher Geſchichte einen befonderen Werth erhält. 

Albert Eranz: Saxonia, Vandalia, Metropolis. (Die Metropole ift 
Bamburg.) Befonders die Saxonia und die Metropolis find für die 
dithmarfcher Gefchichte wichtige Quellen. Albert Eranz, der gelehrte und 
berühmte Biftoriter, Domdehant zu Bamburg, ftarb 1517 (mit £uthers 
Chefen in der Band, die er nidyt mißbilligte). 

Die vorgenannten Schriften, namentlih die Chronifen Ditmars von 
Merfeburg, des Annaliften Saro, Alberts von Stade und des Albert Eranz, 
find Bauptquellen, insbefondere für die Geſchichte und die Chronologie der 
Grafen von Stade. — Albert Eranz ift in diefer Beziehung zwar ein 
jüngerer Schriftfteller, aber doc ift er auch für die Geſchichte der Grafen 
von Stade im allgemeinen, 'wenn es nicht gerade auf die Geſchlechtsfolge 
diefer Grafen ankommt, auf Grund umfaſſender und eingehender Forſchungen 
ein GBewährsmann von hervorragender Bedeutung. 

für die Zeit nady der Herrfhaft der Stader Grafen find, neben den 
Nachrichten in eigentlich dithmarfifchen Chroniken, als Quellen die Berichte 
der vornehmften gleichzeitigen Schriftfteller über die Geſchichte der benach- 
barten Staaten, mit welchen Dithmarfchen in Derbindung ftand: Bremen, 
Bamburg, Dänemark und BHolftein, zu benugen. Hierher gehören von den 
genannten Schriften diejenigen, welche über die Zeit der Herrfchaft der 
Grafen von Stade hinausgehen. Außer diefen find hier vornehmlich 
brauchbar als Quellen: 

a) Zugleich zur bremiſchen Geſchichte: 

Johann Otho, die Bremer Biſchöfe und Erzbiſchöfe: Catalogus omnium 
episcoporum et archiepiscoporum Bremensium a. 1580. (Menden, Script. 
rerum germ. III.) 

Johann Renner, Chronicon der löflichen olden Stadt Bremen in Saflen 
— dem Jahr-Talle na in dudefche Ders vorvatet. Gedruckt Bremen 1583. 

Sam. Ehrift. £appenberg, Grundriß zu einer Gefchichte des Herzog⸗ 
thums Bremen. (Sammlung der Herzogthümer Bremen und Derden.) 


Don den Quellen zur Geſchichte. XLI 


Johann Philipp Caffel, Bremensia oder Bremifche hiftorifche Nachrichten 
und Urkunden. Bremen 1766 und 1767. 

Johann Hinrich Pratje, Hiftorifhe Schriften (in den Sammlungen der 
Herzogthümer Bremen und Derden 1757—1762), deffen Atlas und Neues 
aus den Herzogthümern Bremen und Derden, von 1769 an und desfelben 
Kurzgefaßte Neligionsgefhichte der Berzogthämer Bremen und Derden. 
Seit 1776 erjdienen. 

b) Sugleidy zur hamburgifhen Gefcichte: 

Peter £ambed, Origines Hamburgenses. (£indenbrog, Script. rerum 
germanicarum.) 

Nicolaus Staphorft, Hamburgifhe Kirhen-Befhichte, 5 Bände, 1723 
bis 1729. Das Werk if nit ganz zu Ende geführt, ift aber für die 
dithmarſcher Geſchichte nächſt den Schriften von Albert Eranz eine Baupt- 
quelle. Die Originalſchrift des Derfaffers wird in der hamburger Stadt- 
bibliothe? aufbewahrt. 

Gottfried Schüße, Sammlung von bisher ungedrudten Beweis- und 
Erläuterungsfchriften zur hamburgiſchen Gefchichte. 1780. 

Sappenbergs Hamburger Urfundenbud. 

c) Zugleich zur däntfhen Gefdichte: 

Chronicon Erici Regis. (£angebed, Script. rerum Danicarum medü 
aevi, Band I.) Die Chronik geht bis 1288. 

Chomas Gheismer, Compendium historiae danicae ab initio ad 
Waldemarum IV. conscriptum anno 1431. (£angebed, Script. rerum 
Danicarım, Band I.) Diefes Werk ift gewiffermaßen eine Sortfegung von 
Saxo grammaticus. 

Arrild Huitfeld, Danmarks Riges Kronife, bis 1559. 

Peter Hanſen Reſen, Kong Frederick den Anden Kronike. 

£udwig BHolberg, Danmarks Riges Biftorie, Kopenhagen 1732. — 
Geht bis zum Tode Friedrichs IIL 

Johann Heinrich Schlegel, Geſchichte der Könige von Dänemarf aus 
dem Oldenburgifhen Stamm. 2 Bände. 17267, 1771 bis auf Ehriftian IV. 

£udwig Albrecht Gebhardi, Geſchichte der Königreihe Dänemark und 
Norwegen. Balle 1721. 

Deter Friedrich Suhm, Kritif? Biftoria af Danmarf, feit 1282; geht 
nur bis auf die oldenburgifche Seit. Band 10— 18 erfchienen erft nach dem 
Code des Derfaflers. 

Dahlmann, Geſchichte Dänematks. 

d) Sugleih zur holſteiniſchen Geſchichte: 

Helmoldi et Arnoldi, Chronica Slavorum. Belmold, Dicelins Schüler, 
war Priefter zu Bofan am Plöner See (Presbyter Bosoviensis). Er befchreibt 
in feiner Chronica Slavorum die Schidlfale der Wenden (der Slaven an der 
Oftfee), befonders in Wagrien, Medelnburg und Lauenburg, für deren 
Befehrung zum Chriftentkum das Bisthum Oldenburg in Wagrien, nadıher 


XLII Von den Quellen zur Geſchichte. 


zu Lübeck, vornehmlich thätig geweſen war. helmold ſchrieb auf Befehl 
feines Biſchofs, Gerold von Lübeck. Die Chronik geht von Karls des 
Großen Zeit bis auf das Jahr 1170 (bis Friedrich Barbarofja). Arnold, 
Abt des St. Johannisflofters bei Lübeck (Arnoldus Lubecensis), ſetzte 
nachher den Helmold fort. Er fam mit feiner Arbeit bis zum Jahre 1209. 
Helmold fchrieb als Gegner Dänemarfs, Arnold aber als Dänemarf zugethan, 
denn Kübel ftand damals unter Waldemar II. Unter den verfchiedenen 
Ausgaben der Chronik ift die von Hinrich Bangert, 1659 in 4, veranftaltete 
am meiften gefhätt. Eine editio Reineccius wurde ungünftig aufgenommen 
am päpftlihen Hofe und fam auf den Index librorum prohibitorum, Später 
erfchien dann die editio Bangert, noch fpäter eine Ausgabe, dieman Moller 
zufchrieb, die aber die alte Ausgabe von Bangert ift, unr mit einem 
anderen Citelblatt. 

Presbyter Bremensis, Chronicon Holsatiae. (Xeibniß, accension histor,, 
Band I; Weftphalen, Monumenta inedita III; dort lateinifh, hier fowohl 
lateinifch als auch in niederſächfiſcher Ueberſetzung). Der Presbyter hat in 
feinem Chronicon gewifjermaßen den Helmold und Arnold fortgefeßt bis 
1460 und ift von da an, wo Arnolds Berichte endigen, eine Hauptquelle. 
Saft alle fpäteren holfteinifhen Chroniken find größtentheils aus dem 
Ehronicon des Presbyters genommen. Diefer, dem Namen nad unbelannt, 
war im 15. Jahrhundert Prediger im Holfteinifchen und zugleich bremifcher 
Kanzler. Er fchreibt leidenfchaftlid gegen Dänemarf und gegen die 
Dithmarfcher, unfritifh und in fchledhtem Stil. Bolten hielt irrthämlidh 
die niederfächfifche Ueberfegung bei Weftphalen für die Urfchrift und das 
Chronicon bei £eibnig für eine Ueberfegung. Die Urfchrift des Presbyters 
ift das Chronicon Holsatiae bei Leibnitz. 

Bermann von Kerbede, ChroniconComitum Schawenburgensium. (Meibom, 
Rerum germanicarum I.) Der Derfafier war ein Dominifanermönd zu 
Minden im 15. Jahrhundert. Seine Chronik der Schauenburger Grafen 
geht bis 1404. 

Herrmann Korner, Chronicon. (®ccard, Corpus historicum II.) Die 
Ehronif geht bis 1435 und giebt manche befondere Nachricht. Der Derfafler 
war ein Dominifaner zu Lübed. 

Eines Ungenannten holfteinifche Chronit von 1486 — in deflem Jar 
alfe me fcryfft 1486 Jar up Sunte Michael avent do wort deſſe kronike 
utefcreven, heißt es am Schluſſe. Die Ereigniffe von 1405 und 1404 
werden hier ausführlicher befchrieben. Diefe Chronik fommt in hand. 
fhriftlihden Eremplaren vor, deren Urfcrift, nah Bolten, fi in der 
Bibliothet des Landvogts Nicolaus Behrens zu Heide befunden haben foll. 

Johann Deterfen (Petreu), Paftor 3u Oldenburg in Wagrien, 
Chronica oder Zeitbuch der Lande Holften, Stormarn, Dithmarfdhen und 
Wagern, von Anfang her bis in das 1551. Jahr. Die Chronik ift platt- 
deutfch gefchrieben, aber nicht fo gedrudtt. 1557 erfchien diefelbe in ober- 


Don den Quellen zur Geſchichte. XLII 


ſächſiſcher Ueberfegung zu Frankfurt im Drud. Nachher ift fie mehrmals 
wieder aufgelegt worden. 1827 hat Paftor Krufe fie wieder zum Drud 
befördert. Das plattdentfhe Manuffript ift verloren gegangen. 

Berrmann Bamelmann, Bldenburgifhe Chronik. 

Eyriacus Spangenberg, Schauenburgifche Chronik, Stadthagen 1614. — 
geht bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. 

Eypräus (Paul und Johann Adolph), Annales Episcoporum Sleswicensium, 
Köln 1634. 

£ambertus Alardus, Paftor zu Brunsbüttel, Res nordalbingenses 1643. 
(Weftphalen, mon. ined. I.) 

Eafpar Danfwerth, Ehronif. Das Original befindet fi auf der 
Univerfitätsbibliothe? zu Kiel. 

Anton Heimreih Walther, Nordfreſiſche Chronit. Schleswig 1666 
und 1668. 

Adam Beinih Ladmann, Einleitung zur Schleswig-Holfteinifhen 
Biftorie zeitwährender Regierung des Oldenburgifchen Stammes. Hamburg, 
1230 und folgende Jahre. 7 Bände. Defjen Anleitung zur Schleswig- 
Bolfteinifchen politifchen Hiftorie, im 3. Bande von Falks Sammlung, 1825. 

Wilhelm Ernft Chriftiani, Gefchichte der Berzogthümer Schleswig und 
Bolftein. Die ältere Gefchichte in 4 Bänden, 1775—1779, die neuere 
Geſchichte in 2 Bänden, 1781 —1784, bis auf den Tod des Königs 
Friedrich II. Sortfegung davon in 2 Bänden von Hegewiſch, bis auf den 
Tod des Herzogs Chriftian Albredt 1694, gedrudt 1801 und 1802. 

Wait, Scleswig-Holfteinifche Geſchichte. 


Bülfsmittel: 


Deter Bödels Karte: „Befchreibung vom KZandt zu Ditmars nad 
aller Belegenh. wies Königl. Maj. famt die Herren von Bolftein erobert 
haben Anno 1559.” Antwerpen 1559. Zweite Ausgabe in verjüngtem 
Maßftabe, Antwerpen 1595. Der Derfafler war aus Antwerpen gebärtig 
und lebte am medlenburg-fhwerinfhen Hofe als Maler und Kandmefler. 
Er hat die Karte nad der Eroberung angefertigt und fie dem Könige 
Friedrich II. und feinen Oheimen, Johann und Adolph, zugeeignet. Dieth 
hat eine Kopie derfelben in feiner Befchreibung Dithmarfchens angefügt. 
Die Karte ift nicht fehlerfrei, giebt aber eine Dorftellung des alten Dith- 
marſchens und des Kriegsfchauplates der legten Fehde. 


XLIV Don den Dnellen zur Geſchichte. 


Eafpar Dantwerth, Eandesbefhreibung der Herzogthümer ıc. — famt 
vielen dabei gehörigen Karten von Iohanne Mejer elaboriret. 1652. Dier 
der Johann Meierfhen Karten betreffen Dithmarfhen: 1. Dithmarfchen 
1559; 2. Dithmarſchen 1651; 3. die Süderlandfhaft; 4. die Norderland- 
fhaft darftellend. 

Chriftian Wigbert, Paftor zu Neuenkirchen (geft. 1629). Calendarium 
domesticum 1624 — 1628 und Melchior £udenius, Paftor zu Heide (geft. 1650). 
Sortfegung desfelben bis 1634. — Beide Scyriften werden bei handfcrift- 
lihen Eremplaren vom Xeocorus als Anhang zu demfelben gefunden. 

Deter Baumann, Paftor zu Eddelad (geft. 1648). Derzeihnif der 
Sandvögte, Pröbfte und Prediger in Süder-Dithmarfhen. Die Handſchrift 
findet fidy oft bei Abfchriften der Dethleffihen Chronik. 

Bans Riebhoff, Küfter zu Meldorf (geft. 1706). Diarium Ms. 

Laurentius Aten, Oberkonfiftorialaffeffior und Paftor zu Delve 
(geft. 1250). Nachricht von den Predigern in Xorder-Dithmarfhen. Das 
nicht ganz vollendete Manuffript ift vom Dompropft Dreyer der Landfchaft 
Xorderdithmarfhen zur Beilage fürs Landfchaftsarhiv geſchenkt worden. 
Fehſe hat dasfelbe für feine Arbeit benußt. 

Johann Hellmann, Paftor zu Marne, Kurzgefagte Süder-Dithmarfifche 
Kirden-Biftorie, darinnen: I. Don dem Heydenthum, II. Don dem Chriften- 
thum, II. Don der Reformation, IV. Don der Priefterfchaft diefer Land- 
fhaft gehandelt wird. — Hamburg 1735. 

M. Johann Hinrich Fehſe, Paftor zu Hemme, Derfudy einer Nachricht 
von den evangelifch-Iutherifchen Predigern in dem Xlordertheil Dithmarfchens 
von dem Anfang der Kirchenverbefferung an bis auf diefe Zeiten. 
S$lensburg 1269. — Deffen Anhang zu der Nachricht von den Predigern 
im Xordertheil Dithmarfhens. Flensburg 1773. 

Binrih Muhlius, Dissertatio de vita et gestis Henrici Zutphaniensis, 
Martyris Dithmarsici, memoriae ejusdem pie renovandae solemniterque cele- 
brandae dicata ac dicta publice XII Julii ipsoque die in festis Henrico sacro, 
Anno 1714. (Muhlii Dissertationes historicae-theologicae. 1715 in 4.) 

Paftor Xoodt, Beiträge zur Erläuterung der Eivil-, Kirdhen- und 
Gelehrten-Befhidte der Herzogthümer. — Hamburg, feit 1744. 

Claus Harms, Paſtor erft in £unden, nachher in Kiel. Dermifchte 
Aufſätze publiciftifhen Inhalts, Kiel 1816. 

Beinze, Kielifyes Magazin, feit 1783. 

Salt, Staatsbürgerlihes Magazin, feit 1819. 

MWeftphalens Eoder des älteften dithmarfcher Landrechts mit Tieben- 
bemerfungen betreffs der Uebereinfimmung mit dem mittleren Kandredt, 
in Monumenta inedita rerum germanicarum (No. XXXIU) zum Abdrud 
gebradyt! unter der Meberfchrift: Consuetudines et leges Ditmarsorum 
antiquissimae communi consensu in Codicem juris scripti demum redactae 
Anno 1447 ex Codice membranaceo autographo descriptae et per Articulos 


Don den Quellen zur Gefchichte. XLV 


nunc demum distinctae, addita in margine Juris provincialis Dithmarsici sub 
Titulo Xandes-Bofe tho Detmerfchen editi convenientia. Accedunt jura 
Busumensia aggeralia Anno 1455—1493. Es ift jedoch nur diefer Titel 
lateinifch ; der Tert ift niederfähfifh. — Das ältefte Landrecht ift, wie hier 
auch in der Ueberfchrift gefagt wird, 1447 zuerft Podifizirt worden. Das 
mittlere Candrecht datirt von 1480. Es iſt dasfelbe eigentlich das alte 
Sandredt, nur durch einige Zuſatzartikel vermehrt. Das ältere Landredht 
it immer ungedrudt im Gebrauch gewefen; erft Weftphalen hat es in 
feinen Monumenta inedita zum Abdrud gebradt. Das mittlere Landredht 
dagegen ift auch in gedrudter Ausgabe vorhanden. ach Giefebert foll 
das mittlere Landrecht ſchon 1485 in Folio im Drud erfchienen fein unter 
dem Titel: Candes⸗Voke tho Detmerfchen; dem wird von Anderen wider- 
fprohen. Befannt iſt von dem Candes Bofe jedoch eine Drudausgabe von 
1539, die dem Wieben Peter zugefchrieben wird. Diefelbe führt den Titel: 
Dyth is eyne Copia uth des £andes Bote tho Detmerfchen, recht Iudende 
unde volgende van Artikel tho Artikelen na fynem rechten Original, 
Gedrüdet Anno M.D.XXXIX. Aus demfelben Jahre führt Cronhelm ein 
von ihm benuttes handfchriftlihes Eremplar an, weldyes betitelt geweſen: 
Dyth is eyne Copye uth unfes Landes Boke recht Indende van Artidel tho 
Artidelen gefchreven dorch Nicolaum Bremer des Kandes Substituti Nha 
Chrifii Ghebort MDXXXIX am Daghe Sancti Galli vullentaghen. Diefe 
Handſchrift, die als Bremerfcher Koder bezeichnet wird, ftimmt nady Eronhelm 
inhaltli mit der Wieben Peterfhen Ausgabe überein. Daher hat man 
eine befondere Ausgabe des Kandes-Bofes durch Wieben Peter in Zweifel 
gezogen, doch liegt die Annahme nahe, daß der fogenannte Bremerſche 
Koder eben die von Wieben Peter zum Drud beförderte Abfchrift des 
Candes⸗Bokes fei. Das neuefle Sandredht datirt von 1567. Es ift dasfelbe 
das Nefultat einer Umarbeitung und Abänderung des alten Kandes-Bofes 
durch den Bottorper Kanzler Adam Traziger und den königlichen Statthalter 
Beinrih Ranzan. Auch diefes war lange ungedrudt im Gebranch. Erf 
1667 wurde eine gedrudte Ausgabe, und zwar von feiten der föniglichen 
Regierung, veranftaltet. Selbige erfchien unter dem Titel: Dithmarfifches 
Sand.Recht famt etlichen Constitutionen In Jhrer Königl. Majeft. zu 
Dennemard, Norwegen ıc. Süderntheil Dithmarfhen am Gericht zu wiflen 
nöthigft. Nach dem rechten Original mit Special- und General-Xegiftern, 
Auff Ihrer Königl. Majeft. allergnädigfte Concession und Erlaubnuß. 
Gedrudt und verlegt in der Königl. Defte Glückſtadt durdy Melchior Kochen, 
Im Jahr 1667, in 4. Eine zweite Ausgabe, ebenfalls von feiten des. 
Königs, erfolgte 1711 unter dem Titel: Dithmarfifches Cand⸗Recht Samt 
etlihen dabey gewefenen nun and; vermehret mit neuen Constitutionen In 
Ihrer Königl. Majeft. ꝛc. — Slüdftadt, bey Botthilf Lehmann, Königl. 
priviL Sucdhändler M.D.C.C.XI. iu 4. Eine dritte Ausgabe, die als die 
brauchbarfte gilt, lieferte Eronhelm 1750 in dem Corpus Statutorum 


XLVI Don den Quellen zur Geſchichte. 


Provincialium Holsatiae unter dem Titel: Dat Ditmerfh KLandt-Redt, 
Anno 1567 verordnet. 

Sriedrich Detlef Carl von Eronhelm, Don dem dithmarfdher alten und 
neuen £andrecht und der dortigen Gerichts-Derfaffung. (im ı3ten Kapitel 
des Biftorifchen Berichts von den alten und neueren Rechten und Berichten 
in Holftein, befonders von den dafelbft eingeführten Gefegbüchern, vor dem 
Corpus Statutor. Provincial - Holsatiae des Corpus Constitutionum Regio- 
Holsaticarum, feit 1749.) 


Micelfen, Sammlung altdithnarfcher Rechtsquellen. Altona 1842. 


Geſchichte ſelbſt. 


En ne — 


Erfier Abſchnitt. 
Bis 1227. 


Erſte Abtheilung. 
Bis Mitte des 10. Jahrhunderts. 


Das altfähfifhe Dithmarfhen und Dithmarfchen zur Seit 
Karls des Großen u. f. 


Die erfte Erwähnung des Kandes findet fich in Ansgars 
Leben des heiligen Willehad, wo es im 7. Kapitel Thiatmaresgaho 
(Ditmarsgau) genannt wird. Die Einwohner werden zuerft bei 
Adam von Bremen Thetmarsgoi (Ditmarsgauer) genannt. 

Unwahrjcheinlich find die Ableitungen des Namens pon Teut 
und Marjch, Thiod und Marſen, Teutomarfen, oder von einem 
Grafen Ditmar. Alles in dem Namen deutet hin auf Meer 
oder Marfch, die vom Meer den Namen hat — Meerifch, Marifch, 
Marſch. Die alten Dithmarfcher felbft fchrieben ſich Ditmerfchen 
und auch in lateinifchen Urkunden heißen fie Ditmersi. Sreilich 
führte das Land den Iamen fchon, bevor die jegige Marſch eriftirte 
und obwohl nur die Hälfte desfelben aus Marſch befteht, und 
wohl mit Rüdficht hierauf fagt Waitz: „Mit der Marfch, den ein 
Theil des Volkes bewohnt, hat der Name ficherlich nichts zu thun.“ 
Allein die Bezeichnung „Marfch“ hatte urfprünglich eine andere 
Bedeutung. Müllenhoff (Kolfter, Meldorfer Schulpr. 1852, 5. 7) 
jagt in diefer Rüdficht: „Das deutfche mari, meri, ift zwar das- 

Dithmarſcher Gefchichte. I 


2 Erfter Abſchnitt. Erſte Abtheilung. 


felbe Wort mit dem lateinifchen mare, doch urfprünglich nicht in 
derfelben Bedeutung. Es ift Meer nur infofern, als es flaches 
Uferland bededt. Daher heißt meri auch palus, Sumpf. Daher 
das Baarlemer Meer. (mor, Moor ahd. muor, fteht zu meri 
oder mari im Derhältnig des Ablauts.) So ift auh Thiodmari 
oder Diotmeri gebildet und im Genitiv zu gäo geftellt und heißt 
große Marſch, Dollsmarjh. Daß Thiodmaresgaho nicht mit 
Thiodmar, Diotmäar, zufammengefeßt ift, das ift ganz ficher, weil 
das a dort fpäter in Dietmers und der adjektivifchen Bildung 
Ditmerfchen, Ditmarfchen zc. umgelautet wird, alfo kurz ift, 
während Diotmär, Thiodmär (d. i. der im Dolfe Berühmte) ein 
langes a hat.” Thiodmaresgaho tft aljo nach Müllenhof nicht, 
wie irrthümlich angeführt worden, ein Gau der großen Kiederung, 
fondern Bau der großen meerifchen, marifchen Niederung. Das 
Marifche ift hier die Hauptſache. Dithmarfchen verdankt feinen 
VNamen demnach nicht der jeßigen March, fondern den großen 
meerifchen Niederungen im Innern des Landes, die vor Ein: 
holung der jegigen Marfch den eigentlichen Kern desfelben bildeten. 
Es find dies die Niederungen des Sieler Sees, reichlich 4000 
dithmarjcher Morgen (a 600 D Athn.), des Windberger Sees, 
an 3000 Morgen, der Brodlandsau, ca. 5000 Morgen, die 
Giefelau- und die Holftenau-Kudenfeer Niederung, welch lebtere 
allein an 11000 Morgen umfaßt, zwijchen welchen Niederungen 
die dithmarfcher Geeft in Geftalt einer Reihe von Balbinfeln ſich 
ausbreitet. Die Kudenfeer Niederung war von der Zlbmündung 
ber der Meeresfluth zugänglich, Gieſelau- und Brodlandsau: 
Tiederungen hatten durch die Eider, die hierin mehreren Armen 
durchs Land ftrömte, Derbindung mit dem Meer; die Niederungen 
des Sieler und des Windberger Sees aber waren urfprünglich 
offene Mleeresbuchten. Zu diefen Theilen des Candes fam fpäter 
die jeßige Marſch hinzu. Die ältefte Nachricht von Ortſchaften 
in der Marfch findet fih in einer vom Erzbifchof Adalbero von 
Bremen um 1140 ausgeftellten Urkunde (Hamb. Urkundenb. 5. 152), 


— —— — — — — — — — — * — — — — 


Das altfähfifhe Dithmarfhen. Dithmarſchen 3. Seit Karls d. Er. 3 


in welcher dem Hamburger Domkapitel mehrere Kirchen verliehen 
wurden. Hier werden die Kirchen zu Milethorp, Wettingftede, 
Biusne (Büfum), Uthaven, Eunden und Keriftede, (Süderhaftedt!), 
fowie die Orte Myrne (Marne), Barlette und &thelefeswijch 
(Eddelack) genannt. — Uthaven foll nach Einigen bei Bruns» 
büttel zu fuchen fein. Allein die ältefte Kirche in der Marſch ift 
ohne Sweifel von der erften Eindeichung mit befaßt worden; der 
ältefte Deichring aber fchloß Brunsbüttel nicht mit in fid. 
Uthaven lag vielleicht im Eiderjtedtifchen (Utholm?). Der Erz: 
bijhof Adalbero belehnte 1144 den Grafen Adolph II. von 
Holftein mit Eiderftedt. Er mochte alfjo wohl auch 1140 über 
eine Kirche in Eiderftedt disponiren. Don diefem Uthaven ab- 
gefehen, ift Feine der in der Urkunde genannten Kirchen in der 
Marfch belegen. Daher ift es wahrfcheinlih, daß die Marfch 
Damals noch nicht lange bedeicht gewefen und die heutige Marſch 
zu den älteren Cheilen des Landes erft relativ fpät hinzugelommen ift. 
Durch Dorlagerung der Marfch wurden jene großen Xliede- 
rungen den Meberfluthungen vom Meere her entrüdt. Daß diejelben 
vordem vom Meerwafler, das theils unmittelbar, theils durch 
Elb- und Eidermündungen, ins Land eindrang, überfluthet worden, 
ift an den betreffenden Bodenverhältnifjen, die deutlich Ablage 
rungen aus dem leere zeigen, kenntlich. Befonders deutlich find 
diefe Ablagerungen in den Niederungen des MWindberger und des 
Sieler Sees, die in älterer Zeit offene Meeresbuchten bildeten. 
Neocorus berichtet noch nach LNUeberlieferung, daß man bei 
Windbergen zu Schiff angefahren fei — „unde berichtet men datt men 
tho Windbergen hebbe angejegelt unde dar de fchepe gelaten. De 
Sahrt is gemwejen by Bufenworth im Deikwerder beth vor Billes: 





I Daß das ältefte der beiden Herftede Süderhaftedt ift, nicht wie 
Dahlmann meinte, Nordhaftedt, beweift ein noch erhaltenes Siegel einer 
Urkunde von 1181, weldes den heiligen Saurentius zeigt. Süderhafteöt 
hat eine Laurentiusfirhe. Xlorderhaftedt (Nepherftedt), fommt erft fpäter 
vor und hat eine Latharinenfirche. 


* 


4 Erfte Abtheilung. Erfter Abfchnitt. 


worth." Nach Ablagerung der jeßigen Marfch mußten jene 
QNiederungen im Unterfchiede von diefer als fruchtbare Beeft- 
niederungen erjcheinen. Ihrer Entftehung nach aber find fie 
meerifch, mariſch, wie die Marſch. Daher konnte das Land fchon 
vor der Eriftenz der heutigen Marſch ein meerifcher, marifcher 
Gau heißen.! 

Dithmarfchen machte einen Theil von Trans» oder Nord: 
albingien — Nordelbingen nennt Neodorus diefes fehr paſſend — 
aus. Die Einwohner wurden zu den Sachfen gerechnet. Unter 
den transelbingifchen Sachjen find, fagt Adam von Bremen (9. 8) 
dreierlei Völker: Dithmarfcher (Ditmarsgauer), Holjaten und 
Stormaren. — „Transalbinorum Saxonom populi sunt tres: Thiet- 
marsgoi, Holzati, Sturmari.*“ — Die Wagrier waren Wenden. 
Die Sachen fchied® man in ©ftphalen, Engern und Weftphalen. 
Die Nordelbinger gehörten zu den Oftphalen. 

"In den älteften Zeiten gab es im Weiten des Seftlandes ein 
bedeutendes Infeldithmarfchen. Die Inſeln follen durch Sluthen 
weggerifien worden fein. Nach fabelhafter Darftellung bei Chro— 
niften, wie Dietr. Carftens, hätten diefelben fich bis nach Helgoland 
hinerfireft. Das alte Injeldithmarfchen ift aber wohl zum größten 
Theil das jetzige Seftland Dithmarfchen jelbfl. Die unbedeichten 
Marfjchgebiete waren durch fogenannte Priele und ausgedehnte 
Stromtiefen, durch welche die Sluthen frei ins Land firömten, in 
viele einzelne Theile, Inſeln, gejchieden, fo daß das Land weder 
gegen die benachbarten _Infelgebiete der Bremer, noch gegen die 
Sriefeninfeln an der Eider eine feitbeftimmte Grenze hatte, jolange 
Elbe und Eider auch an ihren Mündungen, die erft fpäter durch 


ı Molbedy leitet den Namen Stormarn von den großen Mooren, die 
dafelbft fih finden, her. Das kann mit der von Müllenhof gegebenen 
Erklärung des Wortes Marfch beftehen, ift aber falfh, wenn Stormarıı 
als großes Moorland gedeutet und die Silbe „Stor” hier für groß — dänifch 
flore — genommen wird. Letzteres ift von der Stör herzuleiten. Stormarn 
ift Störmarfhen. Auch Ditmarfchen findet fih als „Ditmarn”. 


— —— 


Das altſächfiſche Dithmarfchen. Dithmarfchen 3. Seit Karls d. Gr. 5 


Sturmfluthen erweitert worden find, noch fchmale Ströme waren. 
Die Eider fol erft 1338 durch eine ungewöhnlich ftarfe Sluth fo 
erweitert worden fein, das Dithmarjchen völlig von Kiderftedt 
getrennt wurde. Die Eider theilte fich noch im 15. Jahrhundert 
da, wo die Treene in diefelbe einmündet, in zwei Arme, welche 
die drei Eiderftedter Eandfchaften, das eigentlich fogenannte Eider- 
ftedt, Everfchopp und Utholm, umfaßten und zu einer Inſel 
geftalteten. Außer diefen Eiderarmen gab es noch mehrere andere, 
die durch Dithmarfcher Gebiet fich erftrediten. Einer derfelben 
Durchbrach in der Gegend von Remen den fchmalen Geeftrüden, 
auf defjen nördlicher Spige Eunden liegt. Die Kirchfpiele Eunden 
und Hemme bildeten damals eine Inſel. Ein nach Süden fich 
erſtreckender Arm mündete zwifchen Ketelsbüttel und Harmswöhrden. 
„Kettelsbüttel hefft ungelid beth int Weften up dem plaß, de 
Wurth geheten, gelegen, unde hefft fine egen Dide gehatt, wo 
men noch diffe tidt denfulven merken konnen, unde fine olde lage 
eigentliden fennen, wo denn de Buttler od ehre Weltmarfe be» 
dicket gehatt, unde de Eider dar twifchen durchgelopen,” jagt Neocorus 
(I, 256). Die Dankwerthſche Karte von Dithmarfchen im Jahre 
1559 Hat diefen Eiderarm noch verzeichnet. Derfelbe geht zwifchen 
Stelle und Weddingftedt hin an der Stellerburg vorbei, läßt Kieth, 
Böddinghuſen und Harmswöhrden links, Nickelshof, Lohe, Hohen⸗ 
wöhrden und Ketelsbüttel rechts liegen und mündet dann ins 
Wattenmeer am Kettelsbüttler Außendeich. Die Kirchſpiele Wöhrden, 
Weſſelburen und Neuenkirchen bildeten demnach eine Inſel für ſich, 
neben den Inſeln Eunden und Büſum. Letztere, die Inſel Büſum, 
wurde erſt 1585 landfeſt, indem ein Damm durch den Wartſtrom 
nach dem Kirchſpiel Weſſelburen geſchlagen ward. Wie der Vorder⸗ 
firand aus einzelnen Eiderinfeln, fo beitand der Süderftrand bei 
Brunsbüttel und Marne aus einzelnen Elbinfeln. Daher ift es wahr- 
fcheinlich, dag das alte Infeldithmarfchen einen Cheil des jegigen 
Seftlandes bildet. Hierher gehören wohl auch die „drei Sachfeninfeln“ 
des Ptolomäus am Ausfluffe der Elbe, als welche man Sandfört, 


6 Erfter Abfchnitt. Erſte Abtheilung. 


Büfum und Helgoland, eine alte Sriefeninfel, hat anjehen wollen. 
Auf das alte Infeldithmarfchen mag auch die viel citirte Stelle 
des Plinius, die man auf die der Geeft angelagerte Marſch zu 
beziehen pflegt, anwendbar fein, in welcher von den Chauken an 
der Meeresfüfte (zwifchen Ems und Elbe) berichtet wird, daß fie 
ein Gebiet bewohnen, welches zweintal täglich vom Meere über: 
fluthet wird, fo daß es zweifelhaft ift, ob dasjelbe dem £ande oder 
dem Meere angehöre; wo fie auf Hügeln und Dämmen, von 
Menfchenhand aufgeworfen (Wurthen), haujend, Schiffenden 
gleichen, wenn die Sluth fie umgiebt, Schiffbrüchigen aber, wenn 
das Wafler zurüdtritt und fie beiihren Wohnungendie fliehenden 
Sifche erhafchen, und wofelbft fie fümmerlich ihr Daſein friften, 
indem fie, weil fie fein Dieh haben und feine Milch zur Nahrung, 
wie ihre Nachbarn, auch fein Wild und weder Baum noch Strauch 
bei ihnen fich findet, von Sifchen fich nähren, mit Regenwafler, 
welches fie in Gruben vor den Wohnungen auffangen, den Durft 
löfchen und Moraft, den fig mit Händen aufgreifen und mehr an 
der £uft als an der Sonne trodinen, als Feuerung benußen, um 
daran die Speifen zu bereiten und ihre vom Vordwinde er: 
ftarrten Glieder zu wärmen. Auf die jegige Marfch paßt diefe 
Beichreibung nicht, wohl aber auf Inſeln und Halligen im 
Wattenmeer. Die Marfch war in alter Seit unbedeicht, aber 
doch nicht ganz unbewohnt.! Die Geeft war ſtark bewaldet. 
Das £and, fagt Neocorus, war von alters her voller Hölzungen, 
jo dag noch 1500 Eichhörnchen von Meldorf bis zur Oſtgrenze 
auf Bäumen fpringen fönnen, ohne die Erde zu berühren. 


1 Dielleiht erfolgte die Bedeihung hier wie in der Wilfter- und 
Krempermarfh zu Anfang des ı2. Jahrhunderts. Erzbifhof Adalbero 
ließ durdy Dicelin in der Kremper- und Wilftermarfh umfaffende Be- 
deichungen ausführen, und fon Erzbifchof Friedrich 309 1106 holländifche 
Koloniften zur Bedeihung von Moor- und Bruchländereien ins Land. 
(Hamb. Urfundenb. 127 u. 142.) Gegen die Authenticität der Urkunde von 
1106 find zwar Zweifel erhoben, allein die Nichtigkeit des Inhalts ift 
unbeftritten und in betreff des Titels „majestas' für einen Bifchof tft 


- 


Das altſächſiſche Dithmarfchen. Dithmarſchen 3. Seit Karls d. Gr. 7 


Die_älteften Bewohner des Landes waren Sachfen. Später 
find aber Sriefengefchlechter eingewandert. Dieſe waren vor: 
nehmlich in der Marjch, befonders auf Büſum und in den benach- 
barten Kirchfpielen, zahlreih. Es follen die Dithmarjcher fchon 
mit den Galliern vor Rom und wieder mit den Teutonen gegen 
die Gallier gezogen fein. Auch follen bereits unter den erften 
Befennern des Ehrijtenthums ſich Dithmarfcher befunden haben. 
Der Apoftel Thomas wird als Apoitel der Dithmarfcher be- 
zeichnet. Er foll von Bardewit im Jahre 50 n. Ehr. nad 
Dithmarfchen gefommen fein und bier das Evangelium verfündigt 
haben, welches die Dithmarfcher angenommen, aber nachher 
wieder verlafjen hätten. Diefes und dergleichen fann einen Sagen- 
werth haben, ijt aber in der Meberlieferung und im Glauben der 
alten Dithmarjcher nicht vorhanden gewejen. Heocorus jagt 
nichts davon. Die Religion der heidnifchen Dithmarfjcher war 
die der heidnifchen Sachjen und nordifchen Germanen überhaupt. 
Allan verehrte den Wodan den Othin, Odin, des Nordens, von dem 
nachher gefabelt worden, daß er ein Menſch geweſen, der aus 
Aſien eingewandert ſei und durch Wunderkräfte gewirkt habe, 
nebſt anderen Göttern. Ueber die Wodansreligion läßt ſich nur 
Weniges ſagen. Die Eddas ſind die Quelle von allem, was 
wir von derſelben wiſſen. Beide, die poetiſche Edda, wie die des 
Snorre Sturleſon, ſind erſt entſtanden, als ſchon das Chriſtenthum 
nach dem Vorden vorgedrungen war, und daher mit chriſtlichen 
Dorftellungen untermifcht. Don der heidnifchen Religion der 
Dithmarfcher fpeziell wifjen wir gar nichts. Alles, was Bolten 


daran zu erinnern, daß nach Gregor VII. die Majeftät der Biſchöfe das 
Anjehen der Könige übertrifft, wie der Werth des Goldes den des Bleis, 
und daß der Titel „majestas“ für einen Bifchofnicht ungewöhnlich war, zeigt 
u. a. eine bei Eyprian (Belehr. v. Papftthum, cap. VI, IIL)citirte Sufchrift 
des Erzbifchofs Gerbert an den Erzbifhof Willigis zu Mainz aus dem Ende 
des 10. Jahrhunderts, wo es heißt: „Ich habe Feine Derdienfte gegen Em. 
Majeftät.“ — „Consule pater, etsi erga majestatem vestram nulla mea sunt 
merita,“ 


8 Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


und Andere nach ihm hier beigebraht haben, ift meift aus 
Carftens entlehnt, bloße Muthmaßung, ohne allen gejchichtlichen 
Grund. Wie bei den Sachjen überhaupt, jo Fennen wir auch 
bei den alten Dithmarjchern aus heidnifcher Seit nur einzelne 


Stätten der Götterverehrung. Bei Alberftorf, zmwifchen Schrum 
und Arfebed, finden fich drei fteinerne Opfertiſche. Der größefte 


derfelben ftand, nach Bolten, der bier nach eigener Anjchauung 
berichtet, auf einem von Weften nach Oſten 98 Fuß lang fich 
erftrecfenden Pla von 25 Fuß Breite, der mit großen aufrecht 
ftehenden Steinen umgeben war, von welchen einige, bejonders 
an der Nordfeite, verfunfen zu fein fcheinen. Nach Norden waren 
12, nach Öften 4, nah Süden 20 und nach Weften 5 Steine 
vorhanden. Die 5 weftlichen waren die größeften in der ganzen 
Umfafjung des Plabes; der an der füdmeftlichen Ede ftehende 
diefer Steine übertraf an Größe alle übrigen und war 8 Fuß 
hoh, 5 Suß breit und 3 Suß did. An der nordweitlichen 
Ede fchien ein eben fo großer Stein geftanden zu haben; derjelbe 
war jedoch umgeftürzt und zum Theil eingefunfen. Der ©pfer: 
tifch felbit ftand an der öjtlichen Seite, 26 Fuß vom Ende entfernt, 
und ruhte auf 5 ungemein großen Steinen, die einen Keller, 
der jedoch zum größten Theil verjchüttet war, bildeten. Don 
diefen Steinen ftand einer nach Norden, einer nach Weſten, einer 
nach Südmweften, und zwei ftanden nach Oſten. Der Opfertiſch, 
von dem ein Stüd an der Oſtſeite abgeijprengt worden, war noch 
10 Fuß lang, 10 Fuß breit und 3 Fuß did. Der Opferplaß 
lag reichlih 4 Fuß böher, als das umgebende Land. Etwa 
100 Schritt nach Weſten von diefem Pla befand fich, auf einem 
fleinen Bügel, ohne Einfafjung, ebenfalls auf 5 aufrecshtftehenden 
Steinen ruhend, der zweite Opfertiſch, 7 Suß lang, 6 Suß breit 
und 2 Suß did. Bier ftanden von den 5 Steinen, die den Tifch 
ftüßten, zwei nach Weften, zwei nad) ©ften und einer nach 
Norden. Noch ca. 200 Schritt weiter nach Weiten befand fich 
der dritte der Opfertiſche, 8 Suß lang, 5 Suß breit 2 Fuß 


£- 


Das altfähfifche Dithmarfhen. Dithmarfchen 3. Seit Karls d. Gr. 9 


dich, der ebenfalls auf einem Pleinen Hügel, ohne Einfafjung, 
ftand und gleich den beiden andern urjprünglih auf 5 auf: 
rechtftehenden Steinen geruht hatte, von welchen einer, der im 
Vorden geftanden, fehlte und die übrigen fchon ziemlich verfunfen 
waren. Die drei ©pfertifche waren nicht von Bäumen umgeben, 
fondern ftanden frei im Felde. Neocorus nennt dieje Opfertijche 
Steinöfen und erzählt nach einer Sage, daß jeder Dorübergehende 
ein Stück Geld in die Höhle habe werfen müſſen; in der Höhle 
habe ein. Befen gelegen, und wer diejelbe ausgefehrt, der babe ein 
Geldftüd gefunden. Nahe bei Alberftorf, im Süden des Orts, 
liegt ein lichter Plaß in dem ehemals dort ſehr dichten Walde, Dahe, 
auf welchem fih ebenfalls, von einigen Bäumen umgeben, ein 

Opfertifch befindet. Es ift daß der fog. Brut-Lamp. — 
bedauert, daß die alten Eichen, welche den Platz umgeben hätten, 
niedergehauen worden, doch ſagt er, daß der Hain um denſelben 
zu ſeiner Zeit noch einigermaßen kenntlich geweſen. Der Platz 
war in einem 8 Ruthen langen und 4 Ruthen breiten Viereck 
noch durch Bäume eingeſchloſſen, und ſchien derſelbe durch zwei 
von Vorden faſt nach der Hälfte der Breite des Hains gehende 
Reihen Bäume wieder in drei Abtheilungen geſchieden zu werden. 
Der Opfertiſch ſtand zu Oſten und war von Oſt nach Weſt 10'/2 Fuß 
lang, 81/2 Fuß von Norden nach Süden breit und 4/2 Fuß 
did. Derfelbe lag auf 5 aufrechtftehenden Steinen, von welchen 
je einer nach Oſten, Süden, Norden, Südweften und Nordweften 
ftand, ſodaß zwijchen den beiden weſtlich ftehenden der Eingang 
zum Keller oder zur Höhle unter dem Tifch fich befand. Um den 
Opfertifch waren in einem Diered Steine aefett, viel geringer von 
Dimenfion, als jene um den ©Opfertifch bei Schrum, und zum Theil 
ihon verfunfen oder weggeführt. An den noch vorhandenen war 
zu erkennen, daß die Umfafjung des Opfertifches ungefähr die 
ganze Breite des Hains eingenommen, in der Länge aber nur 
etwa 2 Ruthen vom Dftende des Hains nach Weften hin fich 
erftredt hatte. Diefen Hain hat man als eine Opferſtätte für 


10 Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Neuvermählte angejehen, mit Rücjicht auf den Namen Brutcamp. 
„Brut” fcheint hier aber nichts mit Braut zu thun zu haben, 
fondern auf eine Serichtsftätte zu deuten. Im alten Schleswiger 
Stadtrecht kommen unter verjchiedenen rechtlichen nftitutionen 
auch „Brutbänfe* vor. Außer diefen Opferplägen wird von 
Stätten des heidnifhen Lultus im Lande nichts gefunden 
und es ift auch Zeinerlei biftorifch begründete Nachricht von ſolchen 
vorhanden. Bei Bolten werden zwar Tempel und Tempelſtätten 
genannt, ein Tempel des Thor (Tor, Tor Kammon) bei Hemming⸗ 
ftedt (Bammonsjtätte nach Dietr. Carjtens’ Deuteleien), des Wodan 
bei Windbergen („Wodansbergen" und „Wodanslag“), des Mars 
bei Meldorf, (in Marsfamer) ein Hefe: oder Heſus-Hain bei 

ein Sonnentempel im Niefewohld, ein Mondstempel zu Glüfing 
und viele andere, allein das find Gebilde Larftensfcher Konjektur, 
die Feiner Erwähnung verdienten, wenn nicht Bolten Eritiflos fie 
aufgenommen und gangbar gemacht hätte, jo daß es möglich ge- 
worden, daß auch in Statijtifen allen Ernftes vom Wodanstempel, 
Heſushain u. dgl. in Dithmarfchen die Rede ift. (Lfr. Lübkert, 
Kirchl. Statift., wo es 3. B. unter Windbergen heißt: „Hier war 
im BHeidenthum der Wodanstempel und der Hefushain.“) Auch 
eine Menge von heiligen Bäumen wird angeführt, darunter 
namentlich eine Wundereiche bei Meldorf, die jedoch bei Neocorus 
nicht vorflommt. Nur ein Baum ift hier zu bemerken: der 
MWunderbaum an der Aubrücde bei Süderheiftedt, von welchem 
Neocorus fagt, da er gegrünt habe, folange die Sreiheit blühte, 
und verdorrte, als die Sreiheit fan. Der Baum ftand auf einem 














! Don der Annahme aus, daß der „Brutcamp” der Freia geweiht 
gewejen, ift man dahin gelangt, die drei Opfertifche bei Schrum für Altäre 
der drei Götter Odin, Chor und Freia zu erflären, weil neben din, 
dem vornehmften der Heldengötter, befonders Thor und Freia bei den 
nordifchen Germanen und den Sachſen verehrt wurden. Mit dem „Brut- 
camp“ als Hain der freia würde hier auch die Dorausfegung, auf welche 
die Annahme, daß jene Opferfteine in Beziehung zur ee zu 
bringen feien, fih ftüt, wegfallen. mn 





— ee 


te 


Das altfächftfche Dithmarfchen. Dithmarfchen 3. Zeit Karls d. Gr. it 


Dlaße für fich, von einem Graben umzogen. Der Pla neben der 
Aubrüde ift noch kenntlich. Alle Zweige des Baumes, jagt 
Neocorus, waren freuzweije gerichtet, und es war eine alte Saae, 
daß der Baum nicht verdorre, folange die Freiheit grüne, und 
verdorrt wieder grünen werde, wenn die Freiheit wieder aufblühe. 
Die Erzählungen von einer hohen Buche bei der Böcelnburg find 
wohl nur der Etymologie wegen entjtanden. So haben wir aus 
ſpezifiſch heidnifcher Seit weiter Feine gefchichtlichen Denkmäler, als 
einige Opfertifche und Derfammlungspläße nebjt einer Anzahl von 
Grabhügeln, die Neocorus Rieſen- oder Hünenbetten nennt, und 
Urnenfriedhöfen. Ob jene Denkmäler der Zeit angehören, in welcher 
Ceres fchon den Seldjtein fich zum Herde erwählt hatte, oder der 
Dorzeit entjtammen, in der noch „feine Srucht der fügen Aehren 
lud zum reinen Mahl fie ein, nur auf gräßlichen Altären dorrte 
menfchliches Gebein“, darüber giebt Feine Hefchichte fichere Kunde, 
Alles, was in diefer Rücdficht von Bolten und Anderen beigebracht 
worden, hat feinen hiftorifjchen Grund und gehört nicht in die 
Dithmarfcher Gejchichte hinein. Wie die Religion, fo war auch 
Sitte und Lebensweije der alten Dithmarfcher wie die der alten 
Sachſen überhaupt. Die Erzählungen davon bei Bolten find aus 
Larftens entlehnt und daher unwahrjceinlich. Die Sachjen werden 
von alten Ehroniften gefchildert als ein wildes Dolf, ein Dolf von 
thierifcher MWildheit und Rauheit der Sitte. „Gens Saxonum fera 
est.“ — Aspero gens Saxo vivens quasi more ferino.‘“ (£eibn. 
&. Zr. I) In Anknüpfung daran haben andere Skriptoren, 
unter Zugrundelegung von Berichten römifcher Schriftſteller, 
namentlich des Tacitus, über die alten Deutſchen, die Ditmarſcher 
zur Seit vor Karl d. Gr. als einen Stamm herumſchweifender 
Nomaden, die durch Diehzucht, Jagd, Sifchfang und Seeräuberei 
ein elendes Daſein frifteten, gefchildert. In der Marjch finden fich 
zur heidnifchen Zeit, diefen Schilderungen zufolge, die elenden 
Murthbemohner des Plinius, auf der Geeft nomadifirende Zelt: 


bewohner und Troglodyten in Höhlen oder Gruben, die gegen die 





12 Erfter Abſchnitt. Erſte Abtheilung. 


Kälte mit Stroh und Miſt überdeckt wurden. Außer Zelten, 


öhlen und Gruben hatte man nur Hütten, aus Holz und Buſch— 
wert hergeftellt und mit Erde beworfen, zur Wohnung. Der Ader- 


bau_war fehr eingefchränft, denn die Marfch war unbedeicht und 


die Geeft voller Wälder. (Bolten, 12834—291 ; Wislicenus, Gefc. 
d.a.D. 1850, 5. 17—20.) 


Solhen Zuſtand der Unkultur lafjen die Ehronijten dann, 
mehr oder weniger ausgefprochen, bis gegen das Ende der heid: 
nijchen Zeit fortdauern. Allein die ganze Darftellung ift eine un- 
gegründete Konjeftur. Tacitus, auf den man fich bezieht, jagt: 
„Die Deutichen wohnen nicht in Städten; abgejondert und zerftreut 
liegen ihre Wohnungen, je nachdem eine Quelle, ein Seld oder 
ein Wald zum Anbau bequem war. Ohne Unterfchied und Wahl 
benußgen fie rohe Materalien zum Bau ihrer Wohnungen. Mauer: 
fteine und Ziegel giebt es bei ihnen nicht. Auch pflegen fie unter: 
irdiiche Höhlen einzurichten, die fie mit Dünger bededen: eine 
Sufluchtsftätte im Winter und ein Aufbewahrungsort für Srüchte.“ 
— „Die Ortſchaften bejtehen nicht in unferer (der Römer) Weije 
aus aneinandergefügten und zufammenhangenden Wohnungen: 
jedes ihrer Häufer iſt von einem freien Raum umgeben, entweder 
aus Rüdjicht auf Seuersgefahr, oder weil fie des Bauens un- 
fundig find.”! Demnach wohnten die alten Deutichen zwar nicht 
in gefchlofienen Städten, aber fie wohnten doch gejellig bei ein- 
ander in offenen Ortſchaften, ein jeder auf feinem Gehöft. Zum 
Schuß gegen die Kälte bedurften fie nicht gerade unterirdifcher 
Höhlen zur Wohnung; fie fanden folchen Schuß in den Häufern 


ı „Nullas Germanorum populis urbes habitariı — Colunt discreti ac 
diversi, ut fons, ut campus, ut nemus placuit. Ne caementorium quidem apud 
illos, aut tegularum usus: Materia ad ommia utantur informi, et citra speciem 
aut delectationem. Solent et subterraneos specus aperire, eosque multo 
insuper fimo onerant, suffugium hiemi et receptaculum frugibus.“ — „vicos 
locant, non in nostrum morem, connexis et cohaerentibus aedificiis: suam 
quisque domum spatio circumdat, sive adversus casus ignis remedia, sive 
inscitia aedificandi.“ (Tacit,, Germania, XVI.) 


j 
— — 





— — 


Das altfähfifhe Dithmarfhen. Dithmarfchen 3. Seit Karls d. Br. 13 


am BHerdfeuer, an welchem fie, wie auch an der Sonne, unbededt 
fih in Muße zu wärmen liebten. (Tacit., Germ. XVII.) $eld- 
früchte, Wild und Milch dienten ihnen zur Nahrung; ihr Getränk 
war Öerftenbier, fo ſtark gebraut, daß die Römer es mit ver: 
dorbenem Weine verglichen. (Tacit,, Germ. XVII.) Außer 
der Gerfte bauten fie vornehmlich den Bafer, aus dem fie einen 
Brei zur Speije bereiteten. Doch verwandten fie wenig Fleiß auf 
den Aderbau. Keiner Hatte ein feftbefiimmtes Eigenthum an 
Grund und Boden. Die Selder wurden alljährlich vertheilt nach 
Bedarf des Einzelnen. Daher arbeiteten fie nicht mehr, als nöthig 
war, zur Beftellung der Selder und zur Einerntung der Früchte. 
(Tacit., Germ. XXVI.) Immerhin aber waren fie durch den Seld- 
bau mehr oder weniger zu feßhafter Kebensweife genöthigt, jo 
daß fie nicht eigentlich nomadifirend herumziehen fonnten. Die 
den Römern befannteren Stämme, auf welche ihre Nachrichten 
über die Sitten und Gebräuche der alten Deutfchen fich beziehen, 
waren die am wenigften ſeßhaften fwevifchen Dölferjchaften. Don 
den Sachjen wußten die alten römifchen Schriftfteller wenig oder 
nichts. Ptolemäus ift der erfte, welcher der Sachfen erwähnt. 
Zah ihm wohnten fie jenfeits der Ehaucen am Meer, auf dem 
Rücken der cimbrijchen Halbinſel. Diefe blieb für die Römer ein 
unbefanntes Kand, von dem fie nur unbeftimmte, fabelhafte Vor⸗ 
ſtellungen hatten. Wenn nun die Schilderung germanifcher Sitten 
bei altrömijchen Schriftftellern uns die herumfchweifenderen deutjchen 
Dölkerfchaften bereits als aderbautreibend und in ©rtichaften ge: 
fellig bei einander in feften Wohnungen lebend zeigt, fo ift es 
wahrjceinlich, daß die anfeffigeren Stämme der Sachfen vollends 
ichon zur Zeit der Römer zu regelmäßigem Aderbau übergegangen 
waren und die „Sachlen zwifchen den Paluden am Meer“, in 
Dithmarfchen, gleich anfangs auf Grundlage regelmäßigen Ader- 
baus fich hier angefiedelt haben, da das Horn den alten Deutfchen 
fchon befannt war und die ausgedehnten marifchen Niederungen im 
Innern des Landes zur feften Anfiedelung einladen mußten, während 


14 Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


für herumfchweifende Lebensweife eben die „unzugänglichen Pa- 
luden“, zwifchen welchen die Sachfen am Meer, nach Berichten 
älterer Ehroniften, feßhaft waren, ein Kemmniß bildeten! Daß 
die Marfch noch nicht bedeicht und die Geeſt mit Waldungen 
bededt war, konnte die Anfiedelung einer aderbautreibenden Be: 
völferung nicht hindern. Auch unbedeicht dienen gewöhnliche 
Marfchen, die von der ordinären Sluth nicht mehr überdeckt 
werden, zur Weide, zur Heugewinnung und zum Anbau von 
Sommerforn, und jene Niederungen waren frühere Meeresbuchten, 
die verfumpft waren infolge der Dorlagerung höherer Marich- 
partien, wodurch den Sluthen der Sugang verfperrt ward. Hölzungen 
und Wälder aber befchränten den Aderbau in feiner Ausdehnung 
niht. Wo die Ceres der erften Garbe Bund geflochten, da 
fchwinden die Wälder wie von felbft: „Alle Nympfen, Oreaden, 
die der fchnellen Artemis folgen auf des Berges Pfaden, fchwingend 
ihren Jägerſpieß, alle fommen, alle legen Hände an, der Jubel 
fchallt und von ihrer Aerte Schlägen frachend jtürzt der Sichten- 
wald.” Der Aderbau erfordert und bewirft gemeinfame Arbeit 
und gefellige Ordnung. Einmal auf die Bahn des Aderbaus 
gelenkt, wird ein Volk aus dem Gefühl errungener Dortheile 
immer neue Aufmunterung zu weiteren $ortichritten in der gejell 
fchaftlichen Ordnung ziehen, Hinderniffe werden Fleiß und Scharf: 
finn ftärfen und fo Aderbau und Kultur fich gegenjfeitig unter- 
ftlügen und fördern. Bei Ausbreitung der Bevölkerung 309 fich 
diefe, der Richtung jener Niederungen folgend, immer mehr zu 
der im Entftehen begriffenen eigentlichen Marſch hinab, allenthalben 
den fruchtbaren Boden benugend und bemüht, denfelben durch 


ı Ein Dolf zwifhen unzugänglihen Sümpfen am Meer, „gentem in 
oceani litoribus et paludibus inviis sitam“, nennen ältere Schrififteller die 
Sadıjfen. „Palus“ ift hier offenbar nicht, wie Bolten meint, Marſch, fondern 
niedriges, feuchtes Land, Bruchland, im Gegenfa zum Pflugland, aridum, 
Die Sadhfen am Meer waren nicht Bewohner der heutigen Marſch, fondern 
Bewohner der marifhen Niederungen im Innern des Kandes, die diefem 
den Namen gegeben haben. 





ee — = 


Das altfähfifhe Dithmarfhen. Dithmarfchen 3. Seit Karls d. Br. 15 


Dämme zu ſchützen und auf künſtlichen Anhöhen, Wurthen, wie 
fie nicht nur in der jegigen March, fondern auch in den Niederungen 
des Winöberger- und des Sielerjees, fich finden, fichere Wohnungen 
zu gründen. Der reiche Ertrag des Bodens mußte zu Fünftlicher 
Dermehrung und Sicherung des Aderbaues reizen und zu bürger: 
lichen Einrichtungen einladen, durch welche die Dortheile des Anbaus 
geficherter und ausgebreiteter wurden. So war es durch natürliche 
Derhältnifje bedingt, daß der Aderbau hier frühzeitig in Auf: 
nahme fam und eine £ieblingsbeichäftigung der Bevölkerung 
ward, und daß aus dem engeren gefelligen Derein einer fteigenden 
Bevölkerung frühzeitig ein fraftvoller, freier Volksverband fich ent: 
widelte, der nicht nur nach außen hin feine Unabhängigkeit wahtrte, 
fondern auch im Innern wahrhaft frei blieb, indem er weder 
Edle noch Knechte unter den freien Dolksgenofien duldete. Die 
. Entwidelung zu wirklich politifcher Sreiheit im Volksverbande ift 
immer nur möglich gewefen auf Grundlage gleichen Rechts der 
Doltsgenofien, im Derbande wirklicher Allodialfreiheit, der nur 
da rein herzuftellen ift, wo noch nicht erblich gewordene Dorrechte 
maßgebend find und beim Einzuge der Ceres, „Chemis jelber 
führt den Reigen”. Daher weift auch das hiftorifch Begebene, 
indem die Dithmarfcher im freien Dolfsverband in die Gefchichte 
eintreten, während bei den übrigen deutfchen Dölferfchaften, im 
Alodial-, wie im Lehnsverbande, infolge der Entwicelung der, 
jchon in der Derfafjung der alten Deutfchen zur Römerzeit als 
Keime des Derderbens hervortretenden Unterfcheidung von Edlen, 
Sreien und Knechten, die wahre Dollsfreiheit längft vernichtet und 
die Nation zum großen Theil in Hörigkeit und Knechtfchaft ver- 
fallen war, darauf hin, daß die Sachjen am leer bereits fich feft 
angefiedelt hatten, bevor jener Unterjchied der Edelfreien, Gemein: 
freien und Hörigen zu einem ausgeprägten Standesunterfchiede 
fi) entwidelt hatte, bevor ein befonderer Adelsftand, mit perfön- 
lichen Dorrechten und Dorrechten im Befißftande, fich geltend 
machen konnte. Auch die Sachfen, die infofern immer der alt: 


16 Erfter Abſchnitt. Erjte Abtheilung. 


deutichen Sreiheit treu geblieben, als fie Fein gemeinjchaftliches 
Oberhaupt anerkannten und alle Fremdherrſchaft von fich fern 
hielten, hatten Sürften in der Bedeutung wirklich regierender 
Herren (Satrapae, Reges und Reguli) und fchieden fich, gleich 
anderen deutſchen Dölkerfchaften, in Edelleute, Sreileute und Knete, 
welch leßtere hier Lazzi heißen. — „Sunt inter illos Ethilingi, 
sunt qui Frilingi, sunt qui Lazzi illorum lingua dicuntur. Latina 
vero lingua hoc sunt nobiles, ingenuiles atque serviles.*“ (Nith. 
ap. Kulpis, vol. rer. germ., p 87.) Auf diejen Unterfchied hielten 
die Sachjen fo ftrenge, daß es bei Todesitrafe Jedermann ver: 
boten war, außer feinem Stande fich zu verheirathen. (218. 
v. Bremen.) Auch gab es bei den Sachjen neben dem Heerbann 
Geleite und Gefolgjchaften der Edlen, und die Kriegsleute wurden 
in Gudemannen und Knechte gejchieden — „fo od al mine God— 
manni of Krigsfnedti to kerſtene“—, mußten unter Karl dem 
» Großen die gefangenen fächfifchen Heerführer bei der Taufe ge: 
loben. Nach den Sachjentriegen verjchwindet der Stand der 
Sreileute mehr und mehr. Endlich giebt es nur noch Edelherren 
und hörige Knechte. Bei den Dithmarfchern allein finden wir 
volle Dolfsfreiheit, ſoweit die Geſchichte zurücfreicht, und dabei 
feine Spur einer Sage, daß fie diefe Sreiheit erjt erworben hätten. 
Das Gegebene deutet auf einen anderen Entwidelungsgang bei 
den Dithmarfchern, als bei den Sachjen im allgemeinen, zurüd. 
Die „Sachjenwildheit,“ die Lebensweife „nach Art der Thiere”, 
ift in Beziehung auf Dithmarfcher Sefchichte nicht zu illuftriren 
durch Schilderung der Kebensweife roher Nomaden: und Jäger: 
völfer. Jene Wildheit kann hier nur gefunden werden in dem 
furor teutonicus, der Wildheit, vor welcher die römijchen Kegionen 
zitterten, wenn fie gegen Deutjche fämpfen follten. Mit der 
äußeren Unabhängigkeit hatten die Sachen auch die altdeutiche 
unbegrenzte Sreiheitsliebe und die wilde Tapferkeit der alten 
Germanen, altdeutihen Sinn und altdeutjche Sitte, mehr als 
Andere, gewahrt. Daher die „Wildheit” der Sachen bei fränkischen 


Das altfähfifhe Dithmarfchen. Dithmarfchen 3. Seit Karls d. Gr. 17 


Annaliften, wie die „germanifche Wildheit“ bei den altrömifchen 
Schriftftellern, eine Mildheit, die mit feßhafter Kebensweife auf 
Grundlage regelmäßigen Aderbaus wohl verträglich if, wie die 
Geſchichte befundet. Geſchichtlich ift von Sitten und Kebensweife 
der altheidnifchen Bewohner Dithmarfchens mit Grund ebenfo- 
wenig zu reden, wie von der Religion und den religiöfen Ge— 
bräuchen der alten Dithmarfcher zur Zeit des Heidenthums. Alles, 
was Bolten und Andere hier anführen, ift aus Berichten alt- 
römifcher Schriftftelleer über deutſche Dölferfchaften ihrer Zeit, 
welche den Römern gerade näher befannt geworden waren, und 
aus Nachrichten, die Sachfen betreffend, bei fränkiſchen Annaliften 
aus der Seit nach den Sachjenfriegen Karls des Großen zufammen- 
getragen und in der Anwendung auf Dithmarfchen und die dith- 
marfcher Gefchichte durchaus ohne Hiftorifchen Werth. Die Ge 
fchichte weiß in dieſer Rückſicht in Beziehung auf Dithmarfchen 
fpeziell nichts zu berichten, und felbft das Allgemeine, welches von 
jedem anderen deutichen, reſp. fächfifchen, Volksſtamm fo gut, wie 
von den Dithmarfchern, gejagt werden Fönnte, ift Hier nur nıehr 
"oder weniger wahrfcheinlich nach Analogie deffen, was über das 
Heidenthum der Germanen des Nordens berichtet wird. 

Auch ift aus heidnifcher Zeit gar feine Ortſchaft in Dith- 
marfchen zu nennen, Wahrfcheinlich it es aber, dag Meldorf 
ichon zu jener Zeit beftanden habe. Der Geiftliche Atrebanus, 
der 782 vom Bifchof Willehad von Bremen nach Dithmarjchen 
gefandt und hier erjchlagen worden fein fol, Fönnte wohl nach 
Meldorf gefandt worden fein, wo nach Adam. von Bremen fchon 
vor den Seiten des Anfchar der Bifchof Willerih von Bremen 
die Kirche vifitirt hat.! 

3 „Circh haze tempora (a, 818) Willericus, Bremensis Episcopus Trans-! 
albinis populis ante Anscharium praedicat, et ecclesiam in Milinthorp frequenter 
visitat, usque ad tempus, quo Hammaburg meitropolis facta est.“ (Ad. Brem. 
p- 5.) Wahrſcheinlich ift Bifchof Millchad, der Dorgänger Willerichs, 


Gründer der Meldorfer Kirche. Willehad war Biſchof von 780 bis 789, 
Presbyter refp. Bifhof im Bremifchen. 


Dithmarfcher Gefchichte. 2 


18 Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Erft zur Seit der Sachfenfriege Karls des Großen beginnt 
die Gefchichte Dithmarjchens und Nordalbingiens, wie des Nordens 
überhaupt, fich aufzuhellen. Die Dithmarfcher haben mit den 
übrigen Oftfachfen unter dem Herzog Haffio, in dem Kriege Karls 
des Großen gegen die Sachfen, gefämpft. Im Jahre 775 mußten 
fie Karl dem Großen huldigen. Der Krieg brach aber wieder 
aus. Die HBerzoge Wittefind und Albion (Halbio, Alf) im füd- 
lichen und weftlichen Sachfen wurden gefchlagen und warfen fich 
ins nordelbingifche Land, 785, wo fie feiten Suß faßten. Karl 
ſchickte Befandte an fie, und beide wurden zur Rückkehr bewogen 
und ließen fih taufen. Der Krieg war damit aber nicht be 
endigt, derfelbe entbrannte vielmehr nun erft in ganzer Heftigfeit, 
und die Dänen leifteten den nordelbingifchen Sachen Hülfe; die 
wendifchen Bbotriten dagegen hielten es mit Karl dem Großen. 
Die Unterwerfung der Sachſen im Norden erfolgte erft 804. 
Saro (poeta) führt Hier das Jahr 803 an. Das ift unrichtig, 
denn obwohl die Sachfen ſchon damals Srieden machten, fo mußte 
doch Karl noch 804 gegen die Nordelbinger ziehen. Die unter- 


worfenen Sachen nahmen widerwillig das Ehriftentkum an.” 


Don dieſem Sachfenfrieden an ift Meldorf mit Sicherheit als 
Kirche beftehend anzunehmen. Es war die einzige Kirche des 
Dithmarfcher Baues. Meberhaupt waren damals nur vier Kirchen 
in Tordelbingen: die Hamburger, die Meldorfer und zwei im 
Holfteinifchen, wahrfcheinlich zu Beiligenftedten und Schönfeld 
(Schenefeld). Die Hamburger Kirche wurde 811 gegründet, 
die holfteinifchen Kirchen find jünger als die hamburgifche. 
Meldorf ift daher als die ältefte Kirche Nordelbingens und des 
ganzen Nordens anzufehen. Adam von Bremen nennt Meldorf 
als die Mlutterfirche (ecclesiae mater), und wenn es vielleicht auch 
mehrere Bethäufer gegeben hat, fo wurde doch die Taufe allein 
in der Mleldorfer Kirche vollzogen. Die Taufzeit war auf die 








ı Welna („Cella wellana“), Münfterdorf, gehörte nicht zu diefen Kirchen. 
Dafelbft war nur ein Bethaus erbaut worden. 


— nm 


— — — — — 


De 


Das altfähfifhe Dithmarfhen. Dithmarfhen 3. Seit Karls d. Gr. 19 


Seit zwifchen Oſtern und Pfingften feftgefeßt. Niemand durfte 
fich der Taufe entziehen, außer in fchweren Krantheitsfällen. 
Meldorf ift auf jeden Sal ältefte Kirche des Landes, ‚nicht etwa 
Meddingftedt, wie Einige angenommen haben, indem fie den 
Namen von Wedelind (Wittelind) ableiten wollten, der hier re- 
fidirt haben ſollte. Wittekinds Heimath war gar nicht Oſtphalen, 
fondern Weftphalen oder Engern. Dithmarfchen war Meldorfer 
Döfft (Taufbezirt). Unterwerfung unter die Berrichaft Karls des 
Großen und Annahme des Chriftenthums feitens der Unter: 
worfenen waren gleichbedeutend. In der leßteren fand Karl die 
ficherfte Stüße feiner Macht. Daher förderte er auf alle Weije 
das Anfehen der Kirche und ihrer Mlinifterialen. Die unter- 
worfenen Sachfen mußten verjprechen, dem Heerbann treu zu fein, 
und wurden Grafen, als Leitern der Rechtspflege in den einzelnen 
Bauen, unterftelt.e Dagegen behielten fie ihr heimifches Necht 
und die Sreiheit von Tribut und Abgaben, mit Ausnahnte des 
Sehnten an die Kirhe. Der Zehnte zerftel in vier Theile: ein 
Diertel zu Almofen, ein Diertel zum Kirchenbau, ein Diertel zur 
Befoldung der Geiftlihen und ein Diertel zur Derwendung des 
Bifchofs.! — Die unterworfenen Lande theilte Karl der Große 
in beftimmte Bezirfe, bei deren Begrenzung er fich möglichft an 

ı In den flavifhen Bisthümern betrug der Sehnte von einer fog. 
Bufe, die zwei Öchfen oder ein Pferd zum Pflügen nöthig hatte, 3 Scheffel 
Roggen, 40 Röft (ein Dopp) Slahs, 12 Scillinge und ein Huhn. 
(Weftph. II, col. 2032; Eelmold I cap. 14 u. cap. 82,15.) — Aud die 
Schulen wurden von den Bifhöfen von den Sehnten-Einnahmen unter- 
halten. Die Bifchöfe legten die erften Schulen an und unterhielten nachher, 
als fie nicht felbft mehr unterrichteten, die Schullehrer aus den ihnen an. 
gewiefenen Einkünften. Einem der Domherren ward das Amt des Auf- 
fehers über die Schulen und bie von ihm nad Bedürfniß beftellten Schul- 
lehrer aufgetragen. Er führte davon den Namen eines Scholafticus, der 
noch in allen Domkapiteln befannt ift, obgleich die Sache felbft in ihnen 
längft aufgehört hat. Bei der Freiheit von anderen Laften fonnte alfo 
jener „Sehnte” nicht drüdend fein, und folange, als die Bifchöfe die alte 


Weife beobadteten, mochte es wohl heißen: „Unterm Krummftab ifl 
gut wohnen !“ 


2° 


20 Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


das Beftehende, die natürliche und hergebrachte Eintheilung, hielt, 
um auch hierin mit Schonung zu verfahren. Die einzelnen Be» 
biete, Baue, wurden Grafen unterftel.e Bau und Graffchaft 
waren nicht immer gleichbedeutend. &s konnte ein Bau in meh: 
rere Öraffchaften zerfallen und eine Graffchaft über mehrere Gaue 
fi erftreden. Ob der Dithmarfchergau unter Karl dem Großen 
und feinen erften Nachfolgern eine Graffchaft für fich gebildet, 


feine eigenen Grafen gehabt habe, oder mit einem andern Bau 


einem und demfelben Grafen unterftellt gewefen fei, darüber be- 
richtet die Gefchichte nichts. Bolten will, daß Dithmarfchen 
feine eigenen Grafen befommen habe, die auf der Böcelnburg 
refidirt hätten. Als erfter Graf wird Odo (Wodo, Dodo) be- 
zeichnet, der bei älteren Annaliften ein Befehlshaber auf Hochbudhi, 
Castellum Hobuoki, heißt. Allein das Castellum Hobuoki war 
eine Seftung an der Sachfengrenze gegen die Wenden und kann 
daher nicht in Dithmarjchen belegen gemwefen fein. &s fann unter 
Hobuoki, Hochbuchi, nur Büchen in Kauenburg verftanden werden, 
wie fchon Dahlmann dargethan hat. Bödelnburg hieß nicht 
Hobuoki, fondern wohl urfprünglih Waldburg, Woldborg. Die 
Wolbersau hieß Waldburgsau „qui vocatur Waltburgou“. (Ur⸗ 
funde des Erzb. Mdalbero v. 1141 op. Eappenb.)' Indes nennt 
ſchon Helmold (I, 19) die Bödelnburg Bockeldeborg. Mit 
Bochbuhi fällt auch der Befehlshaber auf der Burg, Odo 
oder Dodo, als erfter Graf von Dithmarfchen weg. Außer dem 
Castellum Hobuoki will Bolten um 822 ein Castellum Delbende 
in Dithmarfchen finden und zwar da, wo fpäter die Stellerburg 


ı Aus Woldborg ift Böfelnborg zu erflären. Daß der Waldbeftand 
ein Buchengehölz war, bezeugt noch die Ortſchaft Bocholt durch ihren 
Namen. Wir brauchen daher gar nicht bis zu den Walfüren uns zu ver- 
fteigen und Böfelnburg zu einer Burg der Walen, der Helden, zu maden, 
um die „Wolbersau” etymologifh zu erflären. So poetifh, daß fie Auen 
und Burgen nah Gebilden mythologifcher Dichtung benannt haben follten, 
fheinen die alten Dithmarfcher, die einen ausgeprägten Sinn für das 
Reale hatten, gar nicht veranlagt gewefen zu fein. 


’ 
— — — 


Das altſächfiſche Dithmarfhen. Dithmarfchen 3. Seit Karls d. Gr. 21 


lag. Den Namen leitet er davon her, daß in der Nähe die Elve 
(Delve) flog, nach welcher noch der Delfweg (Dellweg) genannt 
wird. Aber Delve heißt, wie noch jeßt im Englifchen, bei älteren 
Ehroniften ein Strom oder Graben, auch die fogenannten Priele 
der Außendeiche hießen Elben und Elven. Bei Adam von Bremen 
heißt die Stedenig Delvunde Ein Castellum am Ende einer 
Delve oder Elbe braucht alſo nicht gerade am Dellweg in Dith- 
marfchen gefucht zu werden. Wenn Karl der Große einen Grafen 
in Dithmarfchen bejtellt hätte, fo würde derfelbe zweifelsohne in 
Meldorf feinen Siß erhalten haben. Bier finden wir nun freilich 
auch Spuren und Andeutungen einer Burg. Diefe ift aber nicht 
für eine Grafenburg zu halten, fondern für eine erzbifchöfliche 
Burg oder die eines Schirmvogts der Kirche aus erzbifchöflicher 
Seit. Die Gefchichte berichtet vom Aufenthalt Bremer Erzbifchöfe 
zu Meldorf, von Grafen aber, die dafelbft ihren Sit gehabt hätten, 
meldet fie nichts. 

Schon Karl der Große hatte Nordelbingen einen Bifchof 
geben wollen. Ludwig der Sromme fuchte das Land unter 
bifchöfliche Diöcefen zu bringen. Er vertheilte Xordelbingen 
unter Bremen und Derden, die dem Erzitifte Köln unterftanden. 
Dithmarfchen fam unter Bremen. Bifchof Willerich von Bremen 
wird von Adam von Bremen DPifitator der Mleldorfer Kirche ge- 
nannt. Anfchars Derdienfte um die Ausbreitung des Ehriftenthums 
in Sfandinavien reizten Ludwig den Srommen, den Plan feines 
Daters zur Begründung eines Erzftifts für die nordifchen Lande 
auszuführen. Anfchar wurde 851 zum Bifchof von Hamburg 
beftellt und im Mai 8354 zum Erzbifchof dafelbft ernannt. Die 
Bifchöfe von Bremen und Derden gaben auf Anfuchen des Kaifers 
den nordelbingifchen Theil ihrer Diöcefen auf, und Nordelbingen 
wurde dem Hamburger Erzbistyum unterftellt.! Wenige Jahre 


? Don des Anſchars Wirkfamkfeit in Xordelbingen foll noch Willen- 
fharen zeugen — „Villa Anschari“. Willenfcharen ift aber anders zu 
deuten. Die Analogie giebt hier Underfcharen, Unterſchar (im Weſſelburner 


22 Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


nachher wurde diefes mit Bremen vereinigt. Anfchar ward Bifchof 
von Hamburg und Bremen. Die Bifchöfe refidirten feitdem 
meiftens in Bremen, und es ward beftimmt, daß die erzbifchöfliche 
Würde beim Stuhl zu Bremen bleiben folle.. So fam Dithmarfchen 
wieder an die Bremer Diöceje. 

Tiefes Schweigen herrfcht über Dithmarfchen zur Zeit der 
Karolinger. Nach Einigen hätte Damals ein Graf Gerhold (Gerold) 
über Dithmarfchen geherrſcht. Das ift aber ganz unzuverläffig und 
zweifelhaft. Brotuff (Genealogie der Fürſten von Anhalt) fagt, 
Graf Popos Tochter, Hicharda, fei verheirathet worden an Gerold 
den Beftrengen und Reichen von Dithmarfchen. Das ift die Quelle 
aller Angaben in betreff des Gerold von Dithmarfchen. Brotuff 
fchrieb erft im 16. Jahrhundert und feine Anmerkung findet fich 
nirgends beftätigt. Die Annahme, dag Dithmarfchen fchon zu 
Karls des Großen Zeit eigene Grafen gehabt habe und erft fpäter 
mit Stade zu einer Grafjchaft vereinigt worden fei, ift gefchicht- 
lich nicht zu begründen. Die erften Grafen, von denen wir mit 
Beftimmtheit wiſſen, daß fie über Dithmarfchen herrfchten, waren 
Grafen von Stade und es ift glaublich, daß fchon zur Karolingi- 
fhen Zeit Grafen beider Beftade, „utriusque ripae*, geherrfcht 
haben. Das Erfte, was aus der Betrachtung der geographifchen 
Derhältnifie des £andes klar wird, ift die gänzliche Getrenntheit 


Kirchſpiel). Beide, Willenfcharen und Underfcharen, deuten, als am Waſſer 
belegen, auf Einbruch, Scharung, durch Fluth und Wellen hin. Scaren 
— daher noh Schar, Schaar (Scharte). Schaar, Affchaar: eine abſchüſſige 
Gegend. (Schaarthor, Schaarhof, Schaarmarft, Schaarfleinweg ꝛc. in 
Bamburg, an der Wafferfeite gelegen, im Unterfhied vom Anſcharsplatz 
und der Anfcharsfapelle),. Daher „Schaarhörn“, eine zwei Meilen vom 
Nenwerker Thurm (bei Ritebüttel) liegende Seetonne — „Schaartonn” auf 
Scaarhörn, die man ebenfalls auf den alten Bifchof Anfcharius hat deuten 
wollen. — Das Kirdhfpiel St. Nicolai in Hamburg am Hafen „tom Schare” 
war durch einen Kajedeih vom Scare bis zum Brofthor gegen Abbrudh 
durh das Wafler gefhüßt. (Daher nod die „Hajen” und die „Deidy- 
firaße“.) So deutet das „Scharen“ überall auf Abfpülung durch Fluth 
und Wellen. 


Das altfädhfifche Dithmarfchen. Dithmarfchen 3. Zeit Karls’d. Gr. 23 


desfelben von Bolftein durch die unmwegfamen Liederungen der 
Gieſelau und der Holftenau, bis-auf die fchmale, faum !/s km 
breite Höhe zwifchen beiden, die bis zum 17. Jahrhundert die einzigfte 
Derbindung zwifchen Dithmarfchen und Holftein bildete, und die 
natürliche Derbindung desfelben mit den benachbarten Elbinfeln 
und den Küftengebieten am andern Ufer der, vordem auch an 
der Mündung noch fehr fchmalen Elbe durch den für frühere 
Seiten bequemften aller Derfehrswege, den Waflerweg, welcher 
Umftand es eben bedingte, daß, wie die politifche, fo auch die reli- 
gidfe Kultur im Norden der Elbe zuerft in Dithmarfchen Wurzel 
faßte und in der Folge hier die Kultur der Hanfeftädte blühte, 
als Holftein und Stormarn faft noch in Unkultur lagen. Daher 
erflärt es fih aus natürlichen Derhältniffen, daß wohl Stormarn 
mit Bolftein politifch verbunden ward, aber Dithmarfchen mit Stade 
zu einer Grafſchaft vereinigt wurde.! Zudem aber mußte fchon 
zu Karls des Großen Zeit mit Rüdficht auf die Streifereien der 
Normannen es vortheilhaft erfcheinen, die beiden Ufer der Elb⸗ 
mändung einem Herrn zu unterftellen, hier einen „Comes utriusque 
ripae“, einen Grafen beider Geſtade, einzufeßen, und daher eben 
ift es wahrfcheinlich und glaubhaft, daß Stade und Dithmarfchen 
fchon von Karl dem Großen zu einer Grafſchaft vereinigt worden 
find. Albert Cranz beftätigt das, indem er ausdrüdlich jagt, daß 
Dithmarfchen „immer* mit Stade verbunden gewejen fei: „Comi- 
tatus Stadensis, qui semper annexam habuit Thetmarsiam“ (Me- 
trop. VI c. ı.), und Ddiefes Zeugnig eines Cranz kann bei dem 
Mangel allen und jeden Bemweijes für das Gegentheil nicht ent- 
fräftet werden dadurch, daß gejagt wird, Cranz habe im Intereffe 


Für die Bedeutung der moorigen Niederung der Holftenan als alter 
Örenzfdeide zwifchen Bolftein und Dithmarfchen zeugt es, wenn der Xlord- 
Oftfee-Kanal von dem Punkte an, wo er in feiner Richtung gen Weften 
die Dithmarfcher Grenze erreicht, die Richtung des Bolftenauthals nimmt 
und die ganze Niederung diefer Örenzfcheide der Länge nach durchfchneidet, 
gleihwie der Eiderfanal die Zliederung der Kevensau, der alten Grenz. 
fheide holſteins gegen Schleswig, refp. Sädjütland. 


24 S Erfter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


feiner Hamburger Kirche die alte Zufammengehörigleit von Dith- 
marfchen und Stade fo ftarf betont. Daß das „immer“ hier nur 
auf die Seit nach Karl dem Großen geht, verfteht fich von felbft. 

Wie weit die Graffchaft Stade im Süden der Elbe fich er- 
ftrecfte, ift nicht beftiimmt ausgemadht. &s gehörte aber zu der: 
felben: das alte Land, Worjatengau, Kedingen, die Börde Has- 
lingen, Herjefeld (ältefter Sig der Grafen, erft fpäter bezogen dieſe 
die Burg Stade), dann fam an diefelbe: Elftorp (hereditas Idae, 
Jdengut), Bremervörde, Baarburg (im 15. Jahrhundert wieder 
abgeriffen).. Die öÖftlihe Grenze war der Sluß Seve, woran 
Daarburg lag. Auf der anderen Seite. der Elbe gehörte dazu: 
der Bau Dithmarfchen und die fog. fieben Gemeinden (homines 
septem parochiarum ultra Albiam sitarum), d. ti. die Hafeldorper 
Marfch, die damals viel größer war, als jet und bis an die 
Mildnig zwifchen Pinnau und Krüdau, von Wedel bis Glüdftadt, 
5 Meilen lang, fich erftredte. Einige Grafen aus dem Stader 
Haufe herrfchten allein über Dithmarfchen. Daher erflärt fich die 
von Bolten und anderen völlig mißdeutete Stelle bei Helmold 
(U, 6), wofelbft in Anführung von Befigungen Heinrichs des 
Löwen die Burg Stade nebit Attinenzien, die Grafſchaft beider 
Geſtade und die Grafichaft Dithmarfchen genannt werden: „No- 
bile illud castrum Staden cum omni attinentia sua cum cometia 
utriusque ripae et cum cometia Thetmarsica.“ Weil Dithmarfchen 
damals fchon eigene Grafen gehabt Hatte, wurde es als Graf— 
jchaft bezeichnet, und diefe Stelle bei Helmold widerfpricht in feiner 
Weife der Nachricht von Eranz, daß Dithmarfchen immer zur 
Grafjchaft Stade gehörte. 


pe 


& — — — — 


Dithmarfchen unter Berrfchaft der Grafen von Stade. 25 


Zweite Abtheilung. 
Bis 1185. 
Dithmarfen unter Herrſchaft der Grafen von Stade 
bis zum Ende diefer Herrfchaft 1145. 

Die Gefchichte der Grafen von Stade beginnt mit Heinrich 
dem Kahlen zur Seit Ottos I. (der 9356 zum Königthum gelangte), 
weil wir ihn zuerft fenneft als Graf von Stade. Bolten führt 
den Dater diefes Heinrich, Eüder, noch als Grafen von Stade an. 
Allein Ditmar von. Mlerjeburg, der von Mutterfeite ein Abkömm⸗ 
ling des Grafen war, nennt den £üder als feinen Aeltervater, 
fagt aber nicht, daß auch er Graf gewefen fei. Heinrich der Kahle 
ftand in keinem freundfchaftlichen Derhältniffe zu dem Hermann 
Billung und dem neu aufkommenden fächfifchen Haufe. Er ftarb 
wahrfcheinlih 976 und hinterließ drei Söhne: Heinrich, der Gute 
zubenanıt, Lüder Udo und Siegfried. Küder Udo fcheint den 
Namen Udo nach einem Bruder feines Daters erhalten zu haben, 
Diefe Sufanımenfügung der beiden Namen blieb nun gewöhnlich. 

Heinrich der Bute folgte feinem Dater in der Regierung. Er 
hat nach dem Berichte des Albert von Stade die bisherige Burg 
Herfefeld in ein Klofter umgewandelt. Zu feiner Seit wurde Die 
Burg Stade erbaut. Don nun an heißen die Grafen nicht mehr 
Grafen von Berfefeld, fondern Grafen von Stade. Zu Heinrichs 
Zeit überfielen die Tormannen (Astomannen) die Elbmündungen. 
Der König Swend Twestieg von Dänemark ſoll der Anführer der 
Normannen gemwefen fein. Graf Heinrich und feine Brüder nebft 
mehreren Grafen, unter denen Graf Etheler genannt wird, zogen 
ihnen entgegen. Es fam zur Schlacht bei Stade am 23. Juni 994. 
Die Stader wurden gefchlagen. Heinrich und Siegfried wurden 
von den Vormannen in Ketten gelegt und gefangen gehalten 
nebft vielen anderen angefehenen Männern. Küder Udo aber 
ward enthauptet. Die Normannen plünderten nun das Land im 
Derfolg ihres Sieges. Als Herzog Bernhard von Sachjen von dem 


26 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Gefchehenen Nachricht erhalten, ſchickte er jofort Befandte zu den 
VNormannen und ließ um gütliche Unterhandlung anfuchen. Man 
einigte fich dahin, daß für Sreilafjung der Gefangenen Köfegelder 
gezahlt und bis zur völligen Entrichtung derfelben Geifeln geftellt 
werden follten. Schon waren diefe zum Theil geftellt, darunter 
des regierenden Grafen Beinrichs eigener Sohn, Siegfried, und 
Graf Heinrich und Etheler waren jchon freigelaflen, als es dem 
älteren Siegfried, Heinrichs Bruder, durch Liſt, indem er feine 
Wächter trunfen machte, gelang, aus der Gefangenfchaft zu ent- 
fommen. Darüber murden die VNormannen aufgebradht. Sie 
überfielen die Geifeln und verftümmelten fie, indem fie ihnen Naſe 
und Ohren, einigen auch die Hände, abhieben, und rächten fich 
jo aufs graufamfte. Auch der jüngere Siegfried war unter den 
Derftümmelten Bald nach diefer That vereinigte fich der Herzog 
Bernhard von Sachfen, der auf die Kunde vom Einfall der Vor—⸗ 
mannen fchleunigft gerüftet hatte und nun zur Hülfe herbeieilte, 
mit dem Grafen Siegfried dem Aelteren. Die Normannen waren 
inzwifchen mit großer Macht die Wefer hinaufgezogen, hatten alles 
Land bis Kesmon hin verwüftet und flanden nun in fchwer zu» 
gänglicher Gegend im Blindesmoor zwifchen Oſte und Hamme in 
der füdlichen Graffchaft Stade, wohin fie eine große Anzahl Ge— 
fangener mit ſich geführt hatten. Bier wurden fie von Bernbard 
überfallen und völlig gejchlagen. ! 

Heinrich der Gute ftarb 1016. Siegfried der Aeltere folgte 
in der Regierung. — Einige Annaliften laffen den jüngeren Sieg- 
fried folgen, indem fie ihn mit dem älteren verwechjfeln. Der 
jüngere Siegfried ift wahrfcheinlich feinen Derwundungen, die er 
durch die Normannen erlitt, bald erlegen. Der ältere Siegfried 
wurde vom Kaifer mit der Grafichaft belehnt und behauptete fich 


! Bangert (Not. ad Helmold, p. 50) meint, Glindesmoor fei der Ort 
diefes Namens in Stormarn; allein, da die Xormannen bis Kesmon vor- 
gedrungen waren, fo ift Par, daß es fih um Glindesmoor zwiſchen der 
Ofte und Hamme handelt. Bangert ſcheint diefes nicht gefannt zu haben. 


se 


e . — 


— 


Dithmarfchen unter Berrfchaft der Grafen von Stade. 27 


in derfelben nach ihrem ganzen Umfange lange Zeit in der Berr- 
fchafl. Gegen das Ende feiner Regierung aber jeßte ein Grafen- 
ftamm, wahrfcheinlich verwandt mit dem regierenden Haufe, fich 
in Dithmarfchen feft und erwarb für fich die befondere Herrſchaft 
über dasfelbe. Drei Grafen werden hier nacheinander genannt: 
Cippold, Dedo und Etheler der Weiße. Kippold wenigftens muß 
dem regierenden Hauje nahe verwandt gewefen fein. Bei älteren 
Dithmarfcher und auch Bremer Annaliften wird er ein Graf von 
Stade und Dithmarfchen genannt. (Neoc. I, 570; Cappenb. Samml. 
v. Br. u. Derd. II, 279.) Hiernach war er ein regierender Graf 
von Dithmarfchen und geborener Graf von Stade. Dielleicht war 
er ein Sohn des früh verftorbenen jüngeren Siegfried. Diejer 
leßtere hatte eine Gemahlin aus Bayern. Kippold wird von 
Albert dem Stader ein Sohn der Glismod genannt, „file Dominae 
Glismodis“. Als eine Dame diefes Namens in der bezüglichen 
Zeit ift außer der Mutter des Kaifers Konrads I. nur Blismod 
vom Gejfchlecht der Jmadinger, die Schwefter des berühmten Bifchofs 
Meinwerk von Paderborn, befannt. Diefe war nach Bayern ver- 
mählt art einen dortigen Grafen. Die Erben des Bifchofs Mlein- 
wer? waren, als diefer 1036 geftorben war, Graf £uitbold (Eippold) 
und Adelbert. Keßterer war ohne Zweifel Graf Adelbert, Des 
Grafen Reting II. in Bayern Sohn, defien Mutter eine Dame 
vom Haufe Jmadingen, dem der Bifchof angehörte, war. (Bolten, 
II, 65— 72.) Hiernach ift es wahrfcheinlich, dag Glismod von 
Imadingen und £Eippolds Mutter Glismod eine und diefelbe Perſon 
gewefen, daß Blismod von Jmadingen, die in erfter Ehe an Graf 
Reting II. in Bayern verheirathet war, in zweiter Ehe dem Sieg- 
fried dem Jüngeren, der ſich eine Gemahlin aus Bayern holte, 
vermählt getwefen und in diefer Ehe die Mutter des Eippold ge» 
worden fei. £ippold hätte dann nach feinem Dater Erbanfprüche 
auf Stade erhoben und Ddiefelben mit Gewalt geltend gemacht. 
Es erfolgte alfo eine Spaltung des Grafenhaufes, eine Cheilung 
der Herrfchaft durch Gewalt. Wahrjcheinlich ift unter einem diefer 


28 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


genannten drei Grafen die Böcelnburg als Grafenfig erbaut, denn 
bis dahin hatten Feine Grafen von Stade auf Dithmarfcher Grund 
und Boden refidirend geherrfht. Daher erflärt fih dann auch 
der Haß der Dithmarfcher gegen diefe Grafen, als Grafen auf 
der Böcelnburg. Nach Einigen wären alle drei Grafen: Kippold, 
Dedo und Etheler, durch den Haß der Dithmarfcher zu Grunde 
gegangen. Sicher ift es, daß die legten beiden, Dedo und Etheler, 
von den Dithmarfchern erfchlagen worden. £ippold fcheint noch 
den Einfall der Wenden unter Gottſchalk in Nordelbingen, im 
Jahre 1032, erlebt zu haben. Der damaligen Derwüftung wider- 
ftanden nach Helmold (I., cap. 19) in Nordelbingen nur die Seften 
Ezeho (Ibehoe) und Boleldeborg.! Bei der ‘noch ärgeren Der- 
wäftung durch die Wenden unter Gottſchalks Großvater, Miſtevoi, 
im Jahre 1013 ift von beiden Seften nicht die Rede in den 
Ehroniten. Demnach ließe fih die Gründung der Böcelnburg 
in die Seit zwifchen 1013 und 1032 feßen. 

Siegfried der Aeltere hatte ſich alſo Dithmarfchen entreißen 
lafjen müffen. Ihm folgte 10534 fein Sohn £üder Udo. Diefem 
war eine bedeutende Erweiterung der Herrichaft des Haufes Stade 
und Rache an dem Grafenftanın, der in Dithmarjchen fich feit: 
gefeßt hatte, vorbehalten. 

£ippold und die ihm folgenden Grafen bereicherten ihre Macht 
auch im Süden der Elbe durch einige Befigungen der reichen Erbin 
da von Schwaben, zu welchen namentlich auch Elsdorf gehörte. 
Ida von Schwaben war nach Albert von Stade eine Bruders« 
tochter vom Kaifer Heinrich IH. und Schweftertochter vom Papfte 
Leo IX.; nach neueren Sorfchungen fcheint fie aber eine Tochter 
des Grafen Adalbert von Lalw und fo eine Derwandte vom 
Kaifer Heinrich III. gewefen zu fein. Diefelbe heirathete erft den 
£ippold, dann der Dedo und darauf den Etheler. „Ida hatte 


! „Nihil remansit in Holsatorum et Sturmariorum provincia sive eorum, 
qui Thetmarsi dicuntur, quod manus ejus effugerit, praeter notissima illa prae- 
sidia Ezeho et Bokeldeborg“ etc. (Belmold, a. a. ©.) 





ee ————— — — — — — — — — —— — 


Dithmarfchen unter Berrfchaft der Grafen von Stade. 29 


außer £ippold noch zwei Ehemänner, nämlich den Grafen Dedo 
und den Grafen Etheler den Weißen, welche beide in Dithmarfchen 
erfchlagen wurden, als fie dafelbit Grafen waren,” heißt es bei 
Alb. v. Stade (p. 261) — Ida vero duos habuit maritos absque 
Lippoldo, scilicete Comitem Dedonem et Comitem Ethelerum 
Album, quorum uterque in Thietmarsia occisus est, cum esset ibi 
Comes. Weil £ippold in diefer Stelle nicht als Graf bezeichnet 
wird, hat man gegen Dahlmann behaupten wollen, daß Eippold 
nicht Graf von Dithmarfchen gewefen fei. Allein fchon Bolten 
(II, 64) hat darauf Hingemwiefen, daß, weil Eippold dem Anfehen 
nach eines natürlichen Todes geftorben, er bei Erwähnung des 
Umftandes, daß Grafen in Dithmarfchen erfchlagen worden, nicht 
mit eingefchloffen werden konnte und daher bei Alb. von Stade 
eine deutliche Nachricht fehle, daß auch Eippold Graf von Dith- 
marfchen gemwejen fei. Wann Dedo und Etheler erfchlagen wurden, 
ift nicht mit Sicherheit beftimmt, doch ift es wahrfcheinlich, daß 
Dedo 1040 und Etheler 1044 erichlagen ward. da fuchte nach 
dem Tode des Etheler ihren Sohn erfter Ehe, Ecdebert, in der 
DHerrfchaft zu befeftigen. Hier erfcheint es in hohem Grade wahr- 
fcheinlich, daß Dedo und Etheler nur als Dormünder ihres Stief- 
fohnes die Grafſchaft verwaltet haben, zumal da beide ausdrüdlich 
Grafen von Dithmarfchen genannt werden und fie wenigftens nicht 
beide durch Erbfolge an die Graffchaft gelommen fein Fönnen. 
Ihr Stiefjohn Ebert aber hätte an die Herrichaft feine Anjprüche 
gehabt, wenn fein Dater, £ippold, nicht Graf gewefen wäre. 
Dazu fommt, dag Edbert und feine Mutter Güter im Stadifchen 
befagen, welche der leßteren nur durch Heirath in die gräflich 
ftadifche familie zugefallen fein fonnten, Güter, auf die nach 
Eckberts Tode Graf Udo II. von Stade ein Erbrecht geltend 
machte und deren Befig von dem regierenden ftadifchen Haufe 
nachher gegen die Erben aus den anderen Ehen der Ida ver: 
theidigt wurde. Demnach ift es unzweifelhaft, daß die dith- 
marfcher Ehroniften völlig im echt find, wenn fie Kippold einen 


30 Erfter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


Grafen von Dithmarfchen nennen, und auch, daß Eippold dem 
regierenden Grafenhaufe verwandt, ein geborener Graf von Stade 
war. Eckbert machte fih als Graf von Dithmarfchen geltend. 
Allein Graf Eüder Udo von Stade erhebt fih gegen ihn, und 
Edbert wird bei Wiftede, unmeit Elftorp, geichlagen und fällt 
felbft im Streit. da begiebt fih nach Rom zum Papfte Leo IX., 
um Rath und Hülfe gegen ihre Seinde zu finden. Der Papft 
fpricht ihr zu und bewegt fie, anftatt der Seindfchaft den Frieden 
zu fuchen. da, die feinen Sohn mehr hat, den fie aufitellen 
fann (ihr Sohn Burchard war Geiftlicher), befchließt daher, fich 
mit den Grafen von Stade zu verföhnen, und fegt diefe zu Erben 
von Elsdorf ein. Seitdem heißt leßteres das _Jdengut (hereditas 
Idae). Die oldenburgifchen Grafen erhoben hiergegen Wider- 
jpruch, weil Graf Elimar I. von Oldenburg eine Tochter der da, 
Aicence oder Rira, geheirathet hatte; fie konnten aber damit nicht 
durchdringen, da die Rixa nicht aus erfter Ehe der da ftammte. 
Leo IX. ftarb 1054; es muß das eben Erzählte aljo früher ge» 
ichehen fein. Dieth feßt hier das Jahr 1050; allein ältere Ehro- 
niften geben Fein beftimmtes Jahr an. Züder Udo trat nun in 
die volle Grafichaft, auch in den Befiz von Dithmarfchen, wieder 
ein. Emmen Zuwadıs der Macht erhielt das Haus Stade unter 
ihm in einem Kriege gegen die Wenden. Er befam die Mark⸗ 
grafichaft Nordfachfen, nachdem der legte Markgraf, Wilhelm, 
1056 im Kampf gegen die Wenden gefallen war. Küder Udo 
war dem regierenden fächfifchen Kaiferhauje verwandt und erhielt 
nun diefe Marfgrafichaft als Eehn unter dem Namen Nordmarf, 
entgegengejeßgt der Oſtmark in Böhmen und Mähren. Soltwedel 
(nachher Brandenburg) war die Reſidenz in der Nordmarf. 
£üder Udo ftarb 1057, 7. November. Jhm folgte fein Sohn 
Udo. II, der nun allgemein Markgraf heißt bei den Annaliften, 
die auch Stade als Markgrafſchaft bezeichnen. Udo U. erwarb 
für ſich die Grafichaft Groitfch im Meißnifhen. Er muß aber 
feinem Derwandten, Haifer Heinrich IV., nicht wohlgefällig ge- 





Dithmarjchen unter Herrfchaft der Grafen von Stade. 31 


weſen ſein. Dieſer, reſp. deſſen Mutter, die verwitwete Kaiſerin 
Agneta, entzog ihm, wohl dem Adalbert von Bremen zu Gefallen, 
die Grafſchaft und gab fie an das Bremer Erzſtift zu Cehn, 1062. 
Dithmarfchen wird im £ehnsbriefe nicht genannt. Das ift aber 
nicht zu verwundern, da diefes von Altersher zu Stade gehörte 
und feit Edberts Tode unzweifelhaft wieder mit Stade in einer 
Hand vereinigt war. &s ift daher ımbegründet, wenn Bolten 
(H., 97), weil Dithmarfchen im KLehnsbriefe nicht genannt wird, 
es für einen Irrthum bei Dieth und anderen Dithmarfcher Ehro- 
niften erflärt, dag Dithmarfjchen mit Stade dem Ersftift 1062 ver- 
lemt worden fei. Ad. von Bremen (IV., 5) fagt von der Graf: 
ihaft Udos I, daß fie durch die ganze Parodie Bremen 
um die Eibe zerftreut liege „qui sparsim per omnem parochiam 
Bremensem diffunditur maxime circa Albiam.* Wären hier nicht 
im Norden der Elbe liegende Theile der Bremer Parochie unter 
der Graffchaft Stade mitbegriffen, fo würde der Ausdrud „circa 
Albiam“ doch gar zu unpaffend fem, als daß Adam von Bremen 
hier das „circa hätte in Anwendung bringen fönnen. Der 
Erzbifchof Adalbert baute, um fein neues Befigthum fich zu fichern, 
die dritte Burg in der Grafichaft auf dem Söllenberge (Sylien- 
berge) bei Blanfenefe. Doch übertrug er, die alten echte des 
Grafenhaufes berückſichtigend, die ihm verliehenen Gerechtſame an 
Stade wieder als Eehn von Bremen auf Graf Udo I. und fein 
Baus. Adalbert ging in feinen Erwerbungen immer weiter. 
Auh das Land Hadeln bracdte er an fih. Graf Udo II. von 
Stade, der Lehnsgraf des Bremer Exzbifchofs, verbündete fich, 
als Keßterer in Ungnade fiel, mit dem Herzog Magnus von 
Sachen wider den unliebfamen LCLehnsherrn, und Ddiefer wurde 
genöthigt, jedem feiner beiyen Widerfacher ein Drittel feiner Herr- 
fchaft abzutreten. Der Herzog gab fein Drittheil nachher an den 
Erzbifchof zurück. Das an Udo II. abgetretene Drittel wird jeden- 
falls die Grafichaft Stade mit Dithmarfchen umfaßt Haben. Auch 
gegen Heinrich IV. nahm Graf Udo II. Partei. Heinrich fucht 


32 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


wider feine aufrührerifchen Vaſallen den Beiftand des Königs 
Swend Eftritfon von Dänemark und bietet diefem die Graffchaft 
Stade als £ehn von Bremen an, während er Holftein demjelben 
zu erbeigenthümlichem Befig verhieß. Swend Eftritfon führte eine 
anfehyliche Slotte zum Beiftande des Kaifers wider die Sachen 
herbei; allein feine £eute weigerten fih, zu fämpfen, und da auch 
der Kaifer von der Graffchaft Stade und den nordelbingifchen 
Landen nichts in Händen hatte, jo fonnte in diefer Sache nichts 
erreicht werden. Doch fcheint infolge der zwifchen Beinrich IV. 
und Swend Eftritfon getroffenen Dereinbarung fpäter ein dänifcher 
Prinz Biden fih die Herrfchaft über Nordelbingen angemaßt zu 
haben. Er bezwang Bolftein and bemächtigte fih auch eines 
Theils von Dithmarfchen. Um feine Herrfchaft zu ftüßen, legte 
er auf einer Eiderinfel eine Seftung an, vielleicht ein Werft auf 
der Inſel der Rendsburger Altftadt, von wo aus er wohl Dith- 
marfchen und Holſtein zugleich fortwährend bedrohen mochte, 
vielleicht aber auch das feße Schloß Tielenburg an der Grenze 
Dithmarfchens. Seine Berrfchaft dauerte jedoch nicht lange. Er 
ſoll von einem Dithmarfcher 'mit einem Spieße erftochen worden 
fein. Björn wird ein Bruder des Königs Erich Eiegod genannt, 
der von I095— 1101 regierte. Daher hat man gemuthmaßt, daß 
feine Herrfchaft über nordelbingifches Gebiet in diefe Zeit falle. 
Mit Sicherheit ift hier nichts zu beflimmen. Wahrſcheinlich tft 
es aber, daß Björn im Auftrage feines Daters fich der Herrichaft 
über Nordelbingen zu bemächtigen gefucht hat. 

Während der Herzog Magnus und Graf Udo II. nebft andern 
Neichsfürften mit dem Kaifer im Streit lagen, machten die Slaven 
fich Nordelbingen zinsbar. Dieſe hatten 1066 ihren Sürften Gott- 
ſchalk, der dem Ehriftenthum fich Hinneigte, erfchlagen und Eruco 
oder Lrito zum Könige gemacht und mwütheten nun gegen die 
Ehriften mit Mord und Brand. Cruco zerftörte Hamburg und 
auch Schleswig und verwüſtete ganz XNordelbingen. An 600 
Samilien follen, nach Alb. Eranz, damals aus dem Lande in die 


Dithmarfen unter Berrfchaft der Grafen von Stade. - 33 


Gegend des Harzes geflüchtet fein, um der Wuth der Slaven zu 
entgehen. Eruco wird von Einigen ein Sürft von Dithmarfchen 
genannt. Gottfchalls Sohn Hinrich war nach Dänemark geflohen, 
fein anderer Sohn, Buthue, aber zum Herzoge von Sacıfen nach 
Bardewik, um hier Hülfe zu fuchen. Herzog Magnus von Sachen 
führte den Buthue zurück und verhalf ihm zum Befiß einiger 
fefter Pläge im Lande. Allein die Slaven unter Eruco erhoben 
fih von neuem und verjagten den Buthue, der nun zum Berzoge 
nach Lüneburg feine Zuflucht nahm. Magnus war jeßt ver- 
hindert, perfönlich gegen die Slaven zu ziehen. Er verjprach dem 
Buthue, ihm Bardemiler, Holfteiner, Stormarner und Dithmarfcher 
zur Hülfe zu geben, damit die Slaven wenigftens zurückgehalten 
würden, bis er felbft mit größerer Macht ihnen begegnen Fönne. 
Mit einer Anzahl Bardewiler 309g Buthue dann gegen die Slaven. 
Er wurde von diefen in Plön eingefchloffen und belagert. Zu 
feinem Entſatz eilten die tapferften von den Holfteinern, Stor- 
mamern und Dithmarfchern herbei. Buthue wurde aber durch 
Derrätherei mit feiner Mannfchaft aus der Seftung gelodt und 
nebft feinen Leuten von den’ Slaven erjchlagen. Eruco herrſchte 
nun unbefchränft im- Lande der Slaven und ganz Nordelbingen, 
fagt Helmold (I, 26). Bolftein, Stormarn und Dithmarfchen 
mußten unter ihm das härtefte Joch tragen. Das Land wurde 
mit Räubern angefüllt, welche die Hiefigen Chriften theils um 
brachten, theils gefangen fortführten und fo die fächfifche Bevölfe- 
rung aufrteben. Herzog Magnus und Graf Udo waren durch 
den Streit mit dem Kaifer verbindert, den VNordelbingern Hülfe 
zu leiften. Diefe Lage der Dinge gheint der König Swend 
Eftritfjon benußt zu haben, in Xordelbingen die Herrfchaft zu 
gewinnen. 

Deinrich IV. belehnte nachher den Grafen Udo IL. wieder mit 
Stade. Udo II. ftarb den 4. Mai 1082. Er hinterließ vier Söhne: 
Heinrich I., Udo IH., Rudolph I. und Siegfried, welcher Propft 
und Kanonifus zu Magdeburg ward. Ihm folgte in der Regierung 

Dühmarfcaer Geſchichte. 2 


34 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Heinrich I., der Lange. Diefer herrfchte über die Markgrafſchaft 
Soltwedel und über die Grafſchaft Stade, aljo auch über Dithmarfchen. 
Don feiner Herrfchaft über Dithmarjchen zeugt eine von feiner 
Mutter Oda und ihm gemachte Derfchentung eines Manfus im 
Dorfe Waterwall (Wetternwall) an die Kirche zu Herjefeld. — 
„Oda Marchionissa, et Henricus Marchio, filius ejus, qui dictus 
est longus, — dederunt — — in pago Thitmarsico in villa 
Waterval unus mansus“* (Ehron. Rofenfeld, p. 122, bei Bolten II,108). 
Unter feiner Regierung dauerten die Unruhen fort. Er föhnte 
fih zwar im Jahre 1087 mit dem Kaifer aus, ftarb aber bald 
nachher im Juni desfelben Jahres. Ihm folgte fein Bruder, 
£üder Udo II. Auch diefer war ein Gegner Heinrichs IV. Der 
Kaifer foll ihm deshalb die Grafſchaft genommen und jelbige 
dem Grafen Otto von Nordheim zugefprochen haben, der aber 
nicht zum Beſitz derjelben gelangte. Erft am Ende der Regierung 
Cüder Udos II. wurde im Norden der Elbe die Ruhe wieder- 
hergeftellt. Eruco, der gewaltige Slavenfürft, ward 1105 getödtet, 
und Gottſchalks Sohn, Hinrich, machte die Slaven ſich unter- 
mwürfig. Hinrich leiftete dem Herzog Magnus den Eid der Treue 
und fchloß ein Bündnig mit den Trordelbingern zu gemeinfchaftlicher 
Abwehr aller Angriffe der heidnifchen Slaven im ©ften und im 
Süden. Diefe wollten feinen Sürften über fich leiden, der dem 
EhriftentHum fich zugewandt Hatte und die Oberherrſchaft des 
Herzogs von Sachen anerfannte. Um einem Angriff derfelben 
zuporzuflommen, fammelte Hinrich eine ftreitbare Mannfchaft aus 
den Bardewilern, Holfteinern, Stormarnern und Dithmarfchern, 
die ihm bereitwilligft zuzogen, und zog in das Polaberland bis 
Smilow, wo er die Gegner fchlug und zum völligen Gehorfam 
brachte. Die Nordelbinger verließen die Seftungen, wohin fie fich 
vor den Slaven zurüdgezogen hatten, und Jeder kehrte zu feiner 
Mohnftätte zurüd. (Helmold I, 34.) Lüder Udo III. ftarb 1106. 
Don feiner Herrichaft über Dithmarfchen zeugen noch Derfchreibungen 
feiner Wittwe, der Markgräfin Ermengard, in welchen diefe der 


Dithmarſchen unter Berrfchaft der Grafen von Stade. 35 


Kirche zu Berfefeld mehrere Befigungen in Dithmarfchen zumwendet, 
nämlich einen Wald Hasla bei Grimeshorft „sylvam prope Grimes- 
horst, Hasla dictam — in Thitmarsia* (Ehron. Rofenfeld, p. 126, 
bei Bolten II, 119) und die Güter Trumpftede und Sragiftede 
— „in Thitmarsia, Curiam scilicet Trumpstede et Tragistede“ 
(Ehron. Roſenfeld p. 150, bei Bolten II, 120). Basla ift wohl 
Hefel, Trumpftede vielleicht Krumftedt und Sragiftede das jebige 
Sreftedt. 

Dem £üder Udo III. folgte fein Bruder Rudolph I. Diefer 
regierte jedoch nur in der Markfgrafichaft Soltwedel. In der 
Grafichaft führte em fchon von Udo III. eingefegter Statthalter 
Sriedrich, in der Gefchichte befannt als „Sriedrich von Stade“, 
die Dermwaltung fort. Beide, Rudolph und Sriedrich, durften fich 
nur als Derwalter betrachten, denn Küder Udo III. hatte einen 
Sohn, Beinrich II., Hinterlaffen, der aber bei feines Daters Tode 
noch unmündig war. , Rudolph und Sriedrich fcheinen jedoch 
wenig treu gemwefen zu fein. Sriedrich erwies fich höchft undantbar 
gegen das ftadifche Grafenhaus. Seine Großmutter war eine 
vornehme Engländerin. Diefe war mit ihrer Tochter auf einer 
Seefahrt vom Sturm verfchlagen und bei Stade, wo fie Schiffbruch 
erlitten, geborgen worden. Nach dem harten Strandrecht damaliger 
Seit waren geftrandete Schiffe mit Gut und allem, was fih an 
Bord befand, dem betreffenden Strandherrn verfallen. Die beiden 
Engländerinnen wurden daher rechtlich der Bremer Kirche zu- 
gefprochen. Das Stader Grafenhaus aber nahm fich ihrer an. 
Gräfn Oda, Gemahlin Udos II., verheirathete die Engländerin 
(Sriedrichs Großmutter) ftandesgemäß. Rudolph I. beanfpruchte 
die Herrfchaft auch über die Graffchaft, als Dormund feines 
Bruderfohnes. Friedrich aber wollte von einer Abtretung feiner 
Herrfchaft nichts wiſſen und war entjchloffen, fidy mit Gewalt in 
derfelben zu behaupten. Rudolph machte nun das Sklavenrecht 
gegen ihn geltend und wollte ihn nicht als Derwalter von Stade 
anerkennen. Kaifer Heinrich V. nahm fich der Sache an und 

z® 


56 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


wollte fie entfcheiden. Allein Rudolph griff ihm vor, nahm im 
Bunde mit dem Berzog Lothar von Sachfen den Sriedrich im 
Jahre 1112 gefangen und führte ihn als einen Knecht hinweg, 
indem er ihn in Ketten legen ließ. Der Kaifer, erzürmt über das 
eigenmächtige Derfahren des Markgrafen und des Herzogs, lud 
beide vor fein Gericht nach Goslar, fprach die Neichsacht über 
fie aus und erklärte fie ihrer Länder für verlufiig. Das Herzog: 
thum Sachjen wurde an Otto von Ballenftedt, die Markgrafſchaft 
Soltwedel an KHelferih von Ploceke (Plöße) vergeben. Die 
Graffchaft Stade mit Dithmarfchen blieb in Sriedrichs Derwaltung. 
Der Herzog und der Markgraf widerjegten fich dem Ausfpruche 
des Kaifers, und diefer belagerte Soltwedel. Indeſſen fam bald 
eine Derföhnung zu ftande, und jene erhielten ihre Länder zurüd. 
Graf Elimar II. von Oldenburg wollte aus dem Serwürfniß 
zwifchen den ftadifchen Regenten Dortheil ziehen, indem er, ein 
Enkel der da, Anfprüche auf das Idengut (Elitorp) erhob. 
Der Adminiftrator Sriedrich aber hielt ihn mit Energie zurüd 
von Realifirung feiner Abfiht auf ftadifches Befigthum. Der 
Derzog Lothar und der Markgraf Rudolph empörten fich aufs 
neue gegen den Kaifer und nahmen Partei für den Pfalzgrafen 
Siegfried, als jener diefem die Grafichaft Orlamünde entzog. 
Es entfland eine neue Sehde. Dieſelbe wurde zwar bald beigelegt. 
Als aber Rudolph in feiner Seindjeligkeit wider den Kaifer beharrte, 
nahm diefer ihm die Marfgrafichaft und gab fie an den nun 
mündigen Sohn Udos III., Heinrich I., 111%. Sriedrih wußte 
den neuen Erzbifchof Adalbero (von Einigen fälfchlich Adalbert (II.) 
genannt), defjen Dorgänger, Sriedrich, 11253 geftorben war, für 
fih einzunehmen und wurde 1124 von demfelben mit Stade 
belehnt. Seitdem heißt er Sriedrich von Stade. In demjelben 
Jahre, 1124, ftarb Rudolph I. Heinrich II. gelangte nicht wieder 
in den Befig der feinem Haufe erbeigenthümlich gehörenden 
Grafſchaft Stade. Er ftarb 1128, wahrfcheinlih an Gift. Ihm 
folgte in der Markgrafſchaft fein Detter, Rudolphs I Sohn, Udo IV. 


Dithmarfchen unter Herrfchaft der Grafen von Stade. 37 


Diefer wurde am 15. März 1150 in einer Sehde mit Albrecht 
den Bären bei Afchersleben erjchlagen, und die Markgrafſchaft 
ward als erledigtes NReichslehn vom Kaifer Lothar an eben jenen 
Albrecht den Bären, aus dem Haufe Askanien (Anhalt), verliehen. 
Sriedrich herrichte 40 Jahre über Stade und Dithmarfchen. Zu 
feiner Seit ift der Erzbifchof Adalbero von Bremen perfönlich zur 
Kirchenvifitation nach Meldorf gelommen, um 1126. (Belmold, 
cap. 47.) Während der Anmwejenheit des Erzbijchofs in Meldorf 
famen Gefandte aus Saldera (Wippendorf, Teumünfter)! zu ihm 
und baten um einen dGeiftlichen. Sie erhielten den PDicellin. 
(Helmold a.a. ®.) Dicellin ftand unter dem Schuße des Wenden 
fürften Heinrich zu Lübeck im Kirchendienft und verließ feine 
Kirche dafelbft, als der Sürft Heinrich geftorben war. Diefer ftarb 
im Sebruar 1126. Es ift alfo ein Jrethum, wenn der Aufenthalt 
Adalberos zu Meldorf ins Jahr 1124 gefeßt wird. Aus fpäterer 
Seit findet fih ein Dekret, durch welches die Meldorfer Kirche 
dem Hamburger Kapitel zugelegt wird, aus Meldorf datirt. Das 
lüdenhaft vorhandene Dekret wird in die Zeit um 1142 gefeßt. 
(Bolten DO, 263.) Don einem Aufenthalt des Erzbifchofs zu 
Meldorf vor 1126 findet fich feine verbürgte Nachricht. 

Als Sriedrich von Stade 1135 farb, lebten von Rudolphs I. 
Söhnen noch zwei: Rudolph II. und Hartwig. — Eine Tochter 
Qudolphs I., Euitgard, war an den König Erich am in Däne- 
mar? verheirathet, der daher Anlaß genommen haben foll, auf 
die Grafſchaft Sriedrichs Anfprüche zu erheben. Rudolph II. 
erhielt die Grafſchaft zu Lehn von Bremen. Wenn derfelbe bei 
Annaliften Marchio, Marfgraf, genannt wird, während die nördliche 
Marfgraffchaft in der Gewalt der Grafen von Askanien blieb, fo 
handelt es fich dabei nur um einen Gefchlechtstitel. Dithmarfchen 


! Saldera war die wendifche Bezeichnung des Orts, Wippendorf die 
holfteinifhe (Helm., pag. 115, not. b.) Neumünſter (Novum monasterium) 
heißt der Ort nach dem von Dicellin dort gegründeten Münfter (monasterium) 
mit Beziehung auf das ältere Münfter, jetzt Münfterdorf. 


38 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


hatte fich ziemlich der Herrfchaft der Stader entzogen. Nach Bans 
Dethleff fand nur der Süden des Landes unter Botmäßigfeit, 
während der Norden fich frei erhalten hatte. Rudolph II. fuchte 
in Dithmarfchen felbft Herrichaft zu erlangen, auch über den 
Norden. Er nahm daher feinen Sit auf der Bölelnburg. Bier 
war er dem widerfpenftigen Norden nahe genug, um denfelben 
feine Macht fühlen zu lafien, ohne fich zu weit von den Befißungen 
im Süden der Elbe und von dem wichtigften Punkte feiner ganzen 
Berrichaft, dem Elbgeftade, zu entfernen. Es konnte für Ausübung 
feiner Herrichaft Leinen gelegeneren Ort für ihn geben, als die 
Böfelnburg. Bier übte er nun ein hartes Regiment und befchwerte 
das Land mit Steuern und Abgaben, die er rüdfichtslos eintrieb. 
Die Dithmarfcher fuchten fich feiner drückenden Herrichaft zu ent: 
ledigen. Sie drangen, als der Termin der Hornlieferung ge: 
fommen, mit ftarfer Mannjchaft, die zum Theil in, unter und 
zwifchen den Kornfädhen verborgen war, zum Theil, als ob fie 
zum Abtragen des Korns dienen folle, neben den Wagen, die die 
Kormladungen zur Burg fchafften, herging, in den Burghof ein, 
erfchlugen die Befagung nebft dem Grafen und zerftörten die Burg. 
Teocorus berichtet hierüber umftändlih. Es heißt bei ihm: 
„Twifchen Schapftedt und Eggeftedt, up Heine Diert, hefft ein vor- 
nehmer Mann gewahnet, den de Graf to Baft gebeden und ftatt: 
lich tracteret mit Seidenfpill 2c., dDarumme he den Grafen wedder 
geladen und de Bänke mit Säden vull Korn gefüllet, dar he up 
fitten fcholde, und vör dat Seidenfpill hefft he erft fine Schwiene, 
herna fine Schape, de Junfhovede, Koye, Perde na einander ut 
gelaten, de ehr Kortwyle mit fpringen, lopen und ropen gemalet, 
darumme de Fruwe den Grafen angefchüret, datt he de Pacht 
ernftlich fordern fcholde, welfes denn gefcheen. Men fegt od, datt 
de Buren tor Tuchniß ehrer Denftbarkeit einen Klaven am Halſe 
hebben möten. Dewile fe nı up St. Martens Avende dat Korn 
plechten to bringen, hebben fe etliche Wagen mit Korn gefüllet 
vorangefchidet, datt ehr Anfchlag nicht vorraden noch vormarket 


Dithmarfhen unter Herrfchaft der Grafen von Stade. 39 


mworde. Idt hadde od de Böcelnborger Herr um ein jchön Menfche 
eines Buren Dochter, gebohlet, de de Dader up den Wagen ge 
fettet und mitgeföhret. Up den anderen Wagen averft hebben j 
ftarfe Männer in und under den Säcken vorborgen gehadt, d 
ilends up einander 'gefolget, datt fe nicht alle upfahren konden, 
fondern etliche im Dohre geholden, up datt dat Dohr nicht gefperr 
worde. Idt find ahne dat by jedem Wagen ftarfe Männer ge 
weit, als de dat Korn dragen fcholden. Als nu de Graf fi 

nenes Argen vormodet, und je ehres Gefallens upfahren un 

holden, hebben je de CLoſe gegeven: „Röret de Hände, ſchniede 
de Sackesbände“, ſchnieden ſick de vorborgene ut den Säcken, d 
Wagendriever und de anderen, ſo de Säcke dragen ſcholden, rotte 

ſick toſamen. Als ſolkes de Gräfinn geſehen und ſick nenes Betere 

vormodet, is ſe ut dem Fenſter in de fletende Au geſprungen, wo 
wol etlicke vorgeven und menen, datt de Ditmerſchen ehr de Bruſte 
Veſe und Ohren afgeſchneden, und datt ſe vor Schmerte, und nich 
ut Furcht, in de Au geſprungen, edder darin geworpen ſy un 

derjulven alſo mit ehrem Dode den Namen Wolbers-Au gegeven 
De Grafe is in dat innerſte und hemlichſte Gemack des Schlate 
vorgeflagen unde dar, als men jegt, in den dritten Dag vorborge 

geweft, endlich aver dorch dat Schleiffen, datt men alle Gemäde 
nicht alleine dorchjocht, fondern oc herunder gereten, gefunden 
edder od, wo etlicde meinen, dorch einen tammen Beifter, den h 
ftedös in Kortwyle by ſick to hebben plegte, und de ehm od 04 
nageflogen und nicht vorlaten willen, vorraden und mit dem Be: 
ſchrey gemeldet, darna he hervorgetagen, erſtecken und fortan alle | 
dalgereten und geichleifft.*! Die Erzählung, die Neocorus giebt, 
wie er fie beim Presbyter und anderen holfteinifchen Ehroniften 
gefunden, ift in mancher Beziehung unzutreffend und unmwahr: 





" Dieth jagt, daß Graf Rudolph durch „Edemanns Jürgen“ erſchlagen 
worden. Allein Edemann war fein Perfonen- und Familienname, fo wenig 
wie Smwynemann, Vannemann ꝛc., auch fommt der Ylame bei älteren 
Annaliften nit vor. Der Name ift ein Falſum der Geſchichte. 


40 Erfter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


fcheinlich. So ift es fehr unmwahrfcheinlich, daß die „Bauern“ fich 
Klaven hätten umhängen lafien. Unrichtig aber ift es, daß die 
Gräfin, die Walpurgis genannt wird, durch ihren Tod in der Au 
diefer den Namen gegeben habe, und daß die Zerftörung der 
Burg am Martiniabend erfolgt jei. Die Au hieß fchon früher 
Wallburgsau und Rudolph II. wurde nicht um Martini, fondern 
in der Saftenzeit, erfchlagen. Doch ift der gefchichtliche Untergrund, 
auf welcher die Erzählung beruht, nicht zu verfennen. Das „Joch“ 
der Grafenherrfchaft im eigenen Lande war für die freien Dith- 
marfcher Klaven genug. Die Gemahlin des Grafen Rudolph wird 
zwar von Albert dem Stader Elifabeth genannt, wie fchon Bolten 
betonte, gegenüber der Herleitung des Namens der Wolbersau 
von Rudolphs Gemahlin; allein die Mutter der Lebteren hieß 
Walpurgis (Willipurgis), daher ift es wahrfcheinlich, daß Albert 
von Stade Hier irre und die Gräfin wirflih Warpurgis geheißen 
habe. Abgaben von Ländereien, wie die hier in Betracht fom- 
menden, die ausdrüdlidh als „Pacht“ bezeichnet werden, find noch 
heute in Dithmarfchen auf Martini fällig. Daher erflärt es fich, 
daß fpäter die Kornlieferung, und damit in Derbindung die Ser: 
ftörung der Burg, auf Martiniabend gefegt worden. Ein Pacht 
zins aber, welcher in Kom entrichtet ward, war erft nach der 
Dreichzeit, um ©ftern, zu liefern. Voch jest wird daher in Dith— 
marfchen das Kirchenforn, als ein Pachtzins von vererbpachteten 
Kirchenländereien, gegen Oſtern erft angeliefert, obwohl es fchon 
Martini fällig if. Wie das Kirchentorn, fo wurde auch das 
Herrenkorn in der Saftenzeit vor Oſtern entrichtet, und ift es daher 
nicht zu bezweifeln, daß die Burg in der angegebenen Weife, bei 
Gelegenheit der Kornlieferung, zerftört worden, wenn auch Ru- 
dolphs II. Tod nicht um Martini, fondern im März, erfolgt ift. 
Die £ofung: „Röhret de Hände, fchniedet de Sadesbände!”" zeigt, 
daß die Erzählung aus und nach alten Dollsliedern in die Ehro- 
nifen aufgenommen worden. Bardenfang fündete damals der 
Tachwelt die ruhmwürdigen Thaten der Dorzeit. In Reim und 


Dithmarfchen unter Berrfhaft der Grafen von Stade. 41 


Lied ward die ſonſt ſchwankende Tradition firirt, die Geſchichte in 
feftbeftimmter Sorm von Sefchlecht zu Sefchlecht treu fortgepflanzt: 
Was Gemeingut Aller war, das konnte fchwerlich verloren gehen 
oder im einzelnen verwechfelt und vertaufcht werden. Die Ehro- 
nologie aber findet fich felten oder nie bei diefer Sorm der Ueber⸗ 
lieferung genau beftimmt. Bier mußten die Ehroniften dann nach 
Kombination und Muthmaßung zu ergänzen fuchen, und fo lag 
es dann nahe, hier auf den Martiniabend zu verfallen. Bei Ein- 
Meidung des in poetifcher Form MUeberlieferten in das Gewand 
profaifcher Darftellung der holfteinifchen Ehroniften, eines Joh. 
Deters, des Presbyters und Anderer, Denen jene Erzählung ent- 
lehnt ift, wurde dann auch das Joch, welches den Bedrückten auf 
den Hals gelegt worden, zu wirklichen Halsjochen, Klaven. Es 
ift die alte Gefchichte: Sie fangen fröhlich am eigen: „Saul hat 
Taufend gefchlagen, David Sehntaufend!" — Das macht zu- 
fammen 11000 philifter.! Rudolph I. wurde auf der Böcdeln- 
burg erfchlagen am 15. März, nach älteren Ehroniften im Jahre 
1144, nach fpäteren 1145. Nach einer Urfunde vom VII. Kalend. 
Augusti 1144 (£appenb., Hamb. Urk., 159) über eine von feiten 
feiner Mutter, der Gräfin Nichardis, dem Klofter Neumünfter ge- 
machte Schentung eines zu Elmshorn belegenen Guts, war Graf 
Rudolph damals noch am Leben und bei Abfafjung der Urkunde 
als Zeuge anwejend. Er Tann alfo nicht im Anfang des Jahres 
1144 verftorben fein. Da aber von denen, die diejes Jahr als 
Todesjahr des Grafen angeben, übereinfiimmend mit denen, die 
hier das Jahr 1145 nennen, als Todestag der 15. März geſetzt 
wird, fo ift es, wie auch Dahlmann bemerkt, wahrfjcheinlich, daß 
damals, wie in den meiften deutfchen £anden, fo auch Hier im 

1 Die ganze Anordnung vieler der uns überlieferten altdithmarfcher 
£ieder zeigt es und die Meberfchrift manches derfelben bezeugt es, daß nad 
diefen Liedern getanzt worden, und*-find diefelben daher ein Beweis dafür, 
daß, während es hieß: Holftein fingt nicht — Holsatia et Frisia non cantat —, 


es im freien Dithmarſchergan widerflang von Sreudenliedern und vater- 
ländifchen Weifen. 


42 Erfter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


Norden, noch der 25. März der Jahresanfang war und daher 
die Älteren Ehroniften, der damaligen Ehronologie gemäß, den 
15. März, an welchem Rudolph II. erfchlagen ward, richtig in 
das Ende des Jahres 1144 ſetzten, die neueren dagegen, indem 
fie zurücdtrechneten nach Maßgabe der Neuordnung, wonach das 
Jahr vom |. Januar datirte, jenen Tag, von ihrem Standpunlt 
aus ebenfo richtig, zum Anfang des Jahres 1145 rechneten. Was 
einige Annaliften von Derhandlungen über die Nachfolge in der 
Grafihaft nach Rudolphs Tod melden und ins Jahr 1144 feßen, 
gehört demnach dem Jahre 1145 an und wird auch von Anderen 
hierher gezählt. 

Mit dem Grafen Rudolph wurden „Diele” in Dithmarfchen 
erfchlagen. „Eo autem tempore occisus est Marchio Rodolphus 
et cum eo plurimi, qui omnes a Thetmarsis sunt occisi“ heißt es 
beim Anon. Saxo. Die Stüßen der Örafenherrfchaft, die Adels- 
herren, wurden aus dem Lande geſchafft. Die Böcelnburg ward 
von Grund aus zerfiört und ift aus ihren Trümmern nicht wieder 
erftanden. 


Dritte Abtheilung. 
Don 1145— 1227. 


Dithmarfhen theils unter bremifcher, theils anderer Berrfchaft, bis 1227, 
Schladyt bei Bornhöved, welche dem Derhältnig Dithmarfchens zu Bremen 
Stetigfeit giebt. 


Den erfchlagenen Grafen Rudolph LU. überlebte feine Mutter 
Aichardis und fein Bruder Hartwig, der fich dem geiftlichen 
Stande gewidmet hatte und Domherr zu Magdeburg war. 
Diefer gedachte nun der alten Herrichaftsrechte feines Hauſes. 
Er fchloß einen Dertrag mit dem Erzbifchof Friedrich von Magde- 
Burg, wonach diefer, gegen Ueberlaffung einiger Güter, ihm zum 
Befig von Stade verhelfen follte.e Der Erzbifchof gab ihm eine 
bezügliche Zuſicherung und erwirkte noch in demfelben Jahre, 





En 17 


Dithmarfcen theils unter bremifcher, theils anderer Berrfchaft. 45 


1145, eine Beftätigung des Dertrages beim Kaifer Konrad II. 
In der Beftätigungsurtunde (Bolten II. 151; Michelfen, Dtſch. 
Urfundenb. p. 4) ift Stade nicht genannt, wohl aber das Komitat 
Dithmarfchen nebft dem Komitat Nordland und den Befigungen 
des Grafen Sriedrih und der Domina da. — „Comitatus 
Diethmaringensium, Comitatus Northlandie et Possessiones, que 
fuerunt Comitis Friderici et Domine Ide.“ Das Komitat Nord» 
land ift hier nichts anderes, als das Gebiet der „Ü Parochien“ 
im Xorden der Elbe. Komitat bezeichnet hier, wie oftmals bei 
Annaliften damaliger Zeit, einen Bezirt oder Bau an und für 
fich, nicht gerade eine Grafſchaft. Bolten will unter „VNordland“ 
die eigentliche Grafſchaft Stade verſtehen, weil dieſe nördlicher 
liege, als das Idengut. Allein es iſt nicht denkbar, daß man 
in Beziehung auf ein ſpäter hinzugekommenes Stück im Süden 
den alten Namen des Hauptlandes Stade in „Nordland“ um—⸗ 
gewandelt haben follte.. Eher hätte man vom alten Stade das 
Idengut als Süderland unterfcheiden mögen. Stade gehört zu den 
Befigungen, die Graf Sriedrich hatte außer dem _Jdengut, den 
7 Parochien und Dithmarfchen, welch lettere hier befonders namhaft 
gemacht werden, weil fie die Stader Herrichaft nicht mehr an- 
erfennen wollten. Die 7 Parochien waren in Wirklichkeit das 
Nordland der Brafichaft beider Beftade neben Dithmarjchen. Daher 
führt auch Helmold (I, 6) hier als Beftandtheile an: die Stader 
Burg nebft ihren Attinentien, die Krafichaft beider Geftade und 
die Grafichaft Dithmarfchen. — „Nobile illud castrum Staden 
cum omni attinentia sua, cum cometia utriusque ripae et cometia 
Thetmarsciae“. Weil Dithmarjchen fich von Stade losgerifjen und 
auch feine eigenen Grafen gehabt hatte, wird es von Helmold 
cometia, Grafichaft, genannt, während das Lomitat der 7 Paro: 
chien von ihm unter die Cometia beider Geſtade (der Elbe) begriffen 
wird, Weil in der Beftätigungsurfunde die einzelnen Beftand- 
theile der Brafichaft aufgeführt werden, konnte der Bejamtname 
Stade fehlen. 


44 Erſter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Die Dormünder des Herzogs Heinrichs des Löwen trachteten 
ebenfalls nach dem Beſitz von Stade. Die Mutter des Herzogs 
behauptete, Stade fei ihrem Sohne vom Erzbifchof Adalbero zu- 
gefagt für den Sal, daß Rudolph II. kinderlos flürbe. Ein 
Bleiches machte der Pfalzgraf Sriedrich II. von Sommerfenburg 
(im heutigen Magdeburgifchen) für fich geltend. Adalbero aber 
neigte fich dem Domherrn Hartwig zu, der jet, wohl durch Der- 
mittelung des Erzbifchofs Friedrich von Magdeburg, Dompropft 
von Bremen wurde, auch wohl fchon jeßt, gegen Uebertragung 
feiner Rechte an Stade auf das Erzftift, die Zuficherung der Nach⸗ 
folge auf den erzbifchöflichen Stuhl erhielt, und belehnte ihn mit 
Stade. Hartwig heißt Dompropft von Bremen und Herr von 
Stade — „Bremensis ecclesiae praepositus, Stadensium Dominus“. 
(Diplom Adalberonis de decima palud. Bishorst, d. a. 1146 ap. 
Lindenbrog) Daraus hat namentlich Bolten folgern wollen, daß 
er nur mit Stade, nicht auch mit Dithmarfchen, belehnt worden 
ſei. Allein Dithmarfchen brauchte hier nicht angeführt zu werden, 
da es unter Stade mitbegriffen ward, und der Dompropft heißt 
fchon Stadens. Dominus als ein geborner Graf von Stade. Der 
Dfalzgraf Sriedrih von Sommerfenburg wurde zum Schiemvogt 
des Hartwig beftellt. 

Heinrich der Löwe erneuerte feine Anfprüche beim Kaifer 
Konrad II. und bradıte es hierüber zu einer perfönlichen Zu- 
jammentunft zu Ramesloh, in welcher die Sache aufs neue 
verhandelt ward. Der Erzbifchof führte den Vorſitz als Richter. 
Bier fam es zwifchen den Parteien zu argen Auftritten. Heinrich 
lieg den Erzbifchof und den Dompropft gefangen nehmen und 
juchte fie gewaltfam wegzuführen. Hartwig entzog fich den Häfchern 
des Herzogs zu Yamesloh, und Adalbero entwich unterwegs, als 
man ihn in die Gefangenfchaft abführen wollte. Nach Einigen 
wären beide nachher von Anhängern des Herzogs wieder eingefangen 
und eine Zeitlang feftgehalten worden. Aber eben diefes gewalt- 
thätige Dorgehen des Herzogs machte ihn in der folge geneigt 


Dithmarſchen theils unter bremijcher, theils anderer Herrfcaft. 45 


zum Dergleih. Er fcheint wegen Stade nachgegeben zu haben, 
und Hartwig fcheint gutwillig zurüdgetreten zu fein, fo daß die 
Grafihaft dem Erzftift unmittelbar unterftellt blieb. Molbech 
(Hiftorie om Ditmarfferfriegen, 29) fagt, der Erzbifchof fei zu 
Küneburg gefangen gehalten worden und Habe hier oder auf 
einem BReichstage zu Magdeburg dem Herzoge die Braffchaft über- 
laſſen, der fie auch eine Zeitlang befeflen habe, vielleicht als Lehn 
von Bremen. Andere wollen, daß Hartwig die Grafichaft behalten 
habe. Nach Albert von Stade aber blieb der Erzbiichof im 
Befig der Hauptfchlöffer der Grafichaft: Stade, Sörde und Freiburg. 
Daher ift es mahrfcheinlich, daß die Graffchaft dem Stift ver: 
blieben if. Heinrich der Löwe, Adalbero und Hartwig machten 
dann gemeinfchaftliche Sache wider die Slaven im jegigen Mledeln- 
burg und brachten diefe zum Gehorfam, 1147. Nachdem fie 
die Slaven unterworfen, rüfteten fie zu einem Zuge gegen die 
Dithmarfcher. Heinrich der Löwe 309g zahlreiche Truppen, vor- 
nehmlih auch vom Grafen von ©ldenburg, an fich, nachdem die 
Dithmarfcher von Kaifer und Reich für Heichsfeinde erklärt worden 
waren, und nebft vielen anderen Sürften und Herren, unter denen der 
Markgraf Athelbert, Graf Heinrich von Bademwide und Graf Ehriftian 
von Oldenburg, nahm auch Graf Adolphll. von Holftein an dem Suge 
wider Ditmarfchen theil. Heinrich der Löwe war damals noch minder- 
jährig. Das hinderte ihn aber nicht, nicht nur Heerführer, fondern 
auch Seuge bei Derträgen und felbft Dorfigender im Bericht und 
Oberrichter zu fein. Es gelang, Dithmarfchen mit großer Heeresmacht 
feindlich zu durchziehen und indie Bewaltdes Löwen zu bringen, 1148. 
Nähere Nachrichten über diejen Seldzug fehlen zwar, doch wird berichtet, 
daß in Dithmarfchen viel Dolls erjchlagen und das Land verheert 
und ausgeplündert worden. Der Herzog fcheint damals noch nicht 
danach getrachtet haben, Dithmarfchen dauernd für fich felbft in 
Befig zu nehmen. Doch legteer, um fih für feine Mühe und die 
aufgewandten Kriegskoften zu entjchädigen, dem Lande einen Sins 
an Kom und Dieh auf. Den Grafen Adolph II. von Bolftein 


46 Erfter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


hat er allem Anfcheine nach dadurch gelohnt, daß er ihm eine 
Quote des HKornzinfes, 200 Maß Hafer, zumwandte. Nach dem 
Bremer Presbyrter, aus dem alle fpäteren Khroniften ihre 
Nachricht in diefem Stüd entlehnt haben, wurden diefe 200 Maß 
Hafer aus Süderhaftedt, Südervelde und Nordhaftedt entrichtet. Noch 
in demfelben Jahre, 1148, ftarb Adalbero und der Dompropft 
Hartwig wurde Erzbifchof von Bremen. Er erbaute zum Gedächt- 
niß feines Bruders, des erfchlagenen Grafen Rudolphs II., eine Kirche 
bei dem Plate der alten Böcdelnburg. Wenn das nicht nur eine 
fog. Grabkapelle, refp. Bedächtnißfirche, fondern eine Pfarrfirche 
gewefen, fo ift Burg neben Meldorf eine der älteften Kirchen 
des Landes. Im ganzen erhielt Hartwig fich in den erften zehn 
Jahren feines Regiments in ruhigen Derhältniffen. Als er aber 
1158 mit Heinrich dem Löwen zerfiel, feßte diefer ſich in den 
Befig der ganzen Grafichaft Stade. Heinrich beftellte einen feiner 
Dafallen, Reinhold, Herrn von Artelnburg (Ertelnburg) an der 
Elbe im Lüneburgifchen, zum Grafen über Dithmarjchen. Diefer 
Reinhold ift als der erfte wirkliche Graf von Dithmarfchen anzu« 
fehen. Reinhold verwaltete die Grafſchaft mehrere Jahre, bis er 1164 
nebft dem Grafen Adolph II. von Holftein in einem Treffen gegen die 
Wenden bei Demmin fiel. Als Kehnsmannen des Herzogs waren der 
Graf von Dithmarfchen und der Graf von Holftein zur Heeresfolge 
gegen die Wenden aufgeboten. Sie wurden nebſt den Grafen Ehriftian 
von Oldenburg und Guncelin (Günzel) von Schwerin von den Wenden 
im Kager, wo noch Alles im Schlafe lag, vor Tagesanbruc; überfallen 
und, obgleich fie durch einige ihrer Mannfchaft, dieum Proviant einzu- 
holenausgejandt worden, geweckt waren und mit einigen Dithmarfchern 
und Holfteinern, die fie in der Eile hatten um fich fammeln Pönnen, 
die Slaven angegriffen und das erfte Treffen derjelben zurüd. 
warfen, fo mußten fie doch erliegen, da der Feind das zweite Treffen 
heranzog und die beiden Grafen von Oldenburg und Schwerin 
ihnen nicht zur Hülfe famen. Don der feindlichen Uebermadt 
umringt, fanden fie beide den Tod. Zu Graf Reinholds Zeit 





Dithmarſchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrihaft. 47 


fol die Stellerburg gebaut worden fein. Nach Hans Dethleff 
fcheint es, daß erft noch Heinholds Sall Heinrich der Löwe dieſe 
Burg angelegt habe. Doch ift es wahrfcheinlih, daß fchon 
Zeinhold Hier feinen Si gehabt habe. Die Bödelnburg war 
zerſtört. Ohne einen feften Stüßpunft im Lande konnte der Graf 
hier nicht feine Herrfchaft üben. Für eine neue Swingburg fonnte, 
nachdem Dithmarfchen von Stade getrennt worden, Fein Ort 
gelegener fein, als eben der der Stellerburg, in der Mlitte des 
Nordertheils, den zum Gehorfam zu bringen fchon Rudolph II. 
feinen Sig von Stade nach dem Norden der Elbe verlegt hatte, 
und von einer anderen Burg, wo Graf Reinhold feinen Sig 
gehabt haben Fönnte, weiß die Gejchichte nichts zu berichten. Die 
Stellerburg beftand aber nur furze Zeit. An einem Pfingfttage, 
jo erzählt Hans Dethleff, als die Hauptleute und Befehlshaber, 
um fich mit Spielen zu beluftigen, die Burg verlafjen hatten, 
rüdten die Dithmarfcher vor diefe, indem fie, um ihre Annäherung 
zu verdeden, grüne Zweige vor fich hertrugen, drangen in diefelbe 
ein, nachdem fie den Pförtner durch Beftechung gewonnen oder, 
wie Einige wollen, erichlagen hatten, machten die Befaßung nieder 
und fchleiften dann die Burg. Die abwejenden Bauptleute flohen aus 
dem Lande. Als die Angreifer fihh der Burg genähert, hätten 
die Poften gerufen: De Wold de kumpt, de Wold de kumpt! 
waren aber von der Befagung verlacht worden. Bei älteren Ehro- 
niften findet fich feine Nachricht von der Serftörung der Stellerburg. 
Es findet fiihaber auch feine Nachricht bei ihnen, die der Erzählung des 
Dans Dethleff widerfpräce, und diefe hat die Wahrfcheinlichkeit 
für fih. Es konnte faum eine Zeit günftiger fein für die Be- 
feitigung der Grafenburg im Lande, als die Zeit nach dem Salle 
des Grafen Reinhold, in welcher fein Herr im Lande war und 
Heinrich der £Eöwe mit den Slaven zu thun hatte und von allen Seiten 
her im eigenen Lande bedrängt wurde, fo daß er nicht daran denken 
fonnte, die Dithmarfcher aufs neue mit Heeresmacht zu überziehen. 
Nach Reinholds Tode findet fich feine Spur von einem dithmarjcher 


48 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Grafen. Dithmarfchen ftand nun unmittelbar unter dem Herzog 
Heinrich dem Löwen. Hartwig von Bremen verfuchte vergebens, 
fih wieder in den Befig der ihm genommenen Grafſchaft zu feßen. 
Erzbifchof Hartwig, der legte der Grafen von Stade, ftarb 
1168. Die Grafichaft Stade war nun als eröffnetes £ehn von 
Bremen anzufehen. Auch hatte Hartwig feine Gerectjame an 
Stade ausdrüdlich ans Erszftift überlaffen.! Nachfolger Hartwigs 
war Balduin, der durch Dermittlung des Herzogs, deſſen Kapellan 
er von Einigen genannt wird, auf den erzbifchöflichen Stuhl ge» 
langte. Diefer ließ die Sache fo hinftehen, und der Herzog blieb 
im Befig von Stade. Aber 1178 farb Balduin, und an feine 
Stelle trat Siegfried, aus dem Anhalter (astanifchen) Haufe, Bruder 
des Herzogs Bernhard von Sachjen, welcher bald darauf fich dem 
Herzoge Heinrich dem Löwen entgegenflellte. 1180 wurde Heinrich 
vom Kaifer in die Acht erklärt, vornehmlich, weil er troß der Bitten 
des Haifers auf deſſen Zuge nach Jtalien das Heer verlaffen und 
nach Deutfchland zurüdgelehrt war. Sachjen ward an Bernhard, 
Siegfrieds Bruder, verliehen. Siegfried fucht die Derhältniffe aus- 
zunugen, um Stade wieder ans Erzftift zu bringen. Er erhielt auch 
1180, im September, einen £ehnsbrief von Kaifer Sriedrich I., 
Dithmarjchen wird im Lehnsbriefe nicht befonders genannt. Bolten 
meint daher, dag die Belehnung fich nicht auf Dithmarfchen 
erſtreckt habe. Aber Dithmarfchen brauchte nicht befonders genannt 
zu werden. Es handelte ſich um Stade, wie es vom Ersftift in 
Anfpruch genommen ward nach dem alten Lehnrecht, und dazu 
gehörte auch Dithmarfchen. 
it der Belehnung war Graf Adolph III. von Holftein nicht 
ı Renner (Reimdronif) fagt in diefer Beziehung: 
„Biſchop Hartwig, de Eddel Her 
Dat Stidht vermehrte Daglid fehr 
Und gaff darby uth friem Moth 
Stade, eine Grafſchaft goth, 


Ock Detmerfd, einen fetten Orth, 
Ward darna Pranf und ftarf od fort.” 


Dithmarfchen theils unter bremiſcher, theils anderer Herrſchaft. 49 


einverftanden. Er wollte Dithmarfchen gerne felbft haben und 
wandte zum Schein des Rechtes feiner Anfprüche den Zins vor, 
den Heinrich der Löwe feinem Dater, Adolph II., aus Dithmarfchen 
eingeräumt hatte. Er nahm 1182 Dithmarfchen in Befig. Die 
Befisnahme fcheint fich darauf befchräntt zu haben, daß er dem 
Erzftift gegenüber feine Behauptung, Dithmarfchen ftehe ihm zu, 
fei „sui juris“, mit Gewalt geltend macte. Bolten jagt irrtüm- 
lich, daß dies im Auftrage des Kaifers gefchehen fei, um Heinrich 
dem Löwen das Land zu entziehen. Heinrich der Eöwe hatte fich 
fhon im November 1181 mit dem Kaifer ausgeföhnt und ver- 
glihen. Weil die Anfprüche Adolphs ganz haltlos waren, ließ 
er diefelben 1184 fallen, als das Ersftift feine Sorderungen nach- 
drüdlichft fortfegte. Siegfried war furz vorher geftorben. Erz. 
bifchof war jet Hartwig II. Diefer übertrug den Naturalienzins 
von 200 Maß Hafer aus dem Jahre 1148 auf Adolph III. als 
ein befländiges Beneficium — „in beneficio stabili*. (Arnold von 
Cũbeck, cap. 12.) Adolph III. wurde alſo Dafall des Erzbifchofs, 
zum Dienft desjelben verpflichtet. Der Zins foll, nach dem Bremer 
Presbyter, entrichtet worden fein bis zur Niederlage Gerhards VI., 
1404. Derjelbe ift wahrfcheinlich auf einige Privatbefigungen des 
Erzftifts im Lande, auf der Geeft bei Norder- und Süderhaftedt, 
gelegt worden. Ein Beneficium beftand in Sehnten, die dem Erz 
bifchof zufamen und die derjelbe an gewiſſe Minifterialen ver- 
lehnte, wofür diefe als Dienftmannen zum Schußge des Erszitifts 
verbunden waren. Seftftehende Beneficien wurden auf beftimmte 
Befigungen gelegt, die für das Beneficium hafteten. Als Kontri« 
bution des Landes hätte der Sins nicht beftimmten Diftriften auf. 
erlegt werden können, und eine von Heinrich dem Löwen auf- 
gezwungene Kontribution wäre bei dem Sturze des Löwen hinfällig 
geworden, einer vom Erzbifchof auferlegten aber hätten die Dith- 
marfcher fich bei ihren: Abfall von Bremen entzogen. Daher ift 
die Nachricht des Presbyters von einem Naturalienzins, den die 
holfteinifchen Grafen bis 1404 aus Diftriften der Dithmarjcher 
Dithmarfcher Geſchichte. % 


50 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Geeft bezogen hätten, nur von dem, den holfteinifchen Grafen als 
Dienftmannen des Erzbiichofs gewährten, auf Befißungen des 
legteren im Lande gelegten Beneftcium zu verftehen.! 

Die Dithmarfcher waren der Herrfchaft des Erzbifchofs Hart- 
wig II., der das Stift mit Auflagen befchwerte, bald überdräffig 
und widerjegten fich derfelben. Hartwig verbündete fich mit den 
Grafen Adolph III. von BHolftein und Ehriftian II. von Oldenburg 
und anderen Berren und nahm fie mit ihren Mannfchaften in Sold 
für einen Kriegszug wider die aufrührerifchen Dithmarfcher. Wit 
großer Heeresmacht überfiel er diefe und nöthigte fie, ihm für 
Bewährung des Friedens eine große Summe Geldes zu geloben. 
Des glüdlichen Erfolges froh, kehrte er heim und entließ das 
Heer. Als aber der Erzbifchof zur beftimmten Zeit das feftgejeßte 
Löfegeld einforderte, widerjeßten fich die Dithmarjcher aufs neue, 
und da Hartwig, der fo in Geldnoth war, daß er den Grafen 
Adolph und Ehriftian den bedungenen Kriegsjold nicht bezahlen 
fonnte und ihnen daher für ihre Sorderung auf drei Jahre feine 
Einfünfte verpfändete, nun nicht fogleich wieder ein Heer gegen 
fie aufzubringen vermochte, jo bejchlofjen fie, fich feiner Herrſchaft 
ganz zu entledigen. Sie wandten fich an den Bifchof Waldemar 
zu Schleswig, der, ein Sohn des Königs Knut V. von Dänemarf, 
für feinen unmündigen Neffen die Regierung des Herzogthums 
Südjütland führte und durch fein väterliches Erbe befonders be» 
gütert war, von dem fie aljo fräftigen Schuß und Derfchonung 
mit fchweren Auflagen erwarten konnten, und gelobten ihm Treue, 
indem fie erflärten, daß fie bei Schleswig dem heiligen Petrus 
dienen wollten, wie fie ihm bisher bei Bremen gedient hätten. ? 


1 Daher iſt Neocorus, obwohl die Lieferung aus Dithmarfchen an die 
holfteinifchen Brafen an fih nicht zu bezweifeln, im Recht, wenn er gegen 
den holfteinifhen Chroniften Joh. Peterjen eifert, weil derfelbe faat, daß 
die Dithmarfher bis 1404 an die Holftenherren beftimmte Kontributionen 
geleiftet hätteıt. 

* Don der Zeit her, in welder Schleswig Biſchofsſitz war, datirt die 
Bezeihnung der Kirche zu Schleswig als „Domkirche“. Kathedral- oder 


Dithmarfchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrfchaft. 51 


Waldemar nahm fie bereitwilligft auf. Der Erzbifchof Hartwig 
wandte fih nun Beinrich dem Löwen zu, als derfelbe nach aber- 
maliger Derbannung 1189 aus England zurückkehrte. Er nahm 
ihn in Stade auf, räumte ihm die ganze Grafichaft ein und bahnte 
ihm dadurch den Weg ins nordelbingifche Gebiet. Heinrich der 
£öwe ging über die Elbe und nahm Holftein, welches in Abweſen⸗ 
heit des Grafen Adolphs III. auf einem Kreuszuge im Heere des 
Kaifers von dem Grafen Adolph von Dafjel verwaltet wurde, in 
Befit. Der letztere, Adolph von Daſſel, fcheint vom Grafen 
Wolph II. auch mit einem Erorberungszug gegen Dithmarfchen 
beauftragt gewefen zu fein, vielleiht auf Grund eines Bündniffes 
mit dem Erzbifchof Hartwig von Bremen. Während feiner Der- 
waltung fielen der Herzog Waldemar II. von Südjütland und der 
Bifchof Waldemar von Schleswig mit einer ſtarken Macht in die 
Grafichaft ein und nöthigten ihn, ihnen Seifeln darauf zu geben, 
daß er die Dithmarfcher, Angehörige des Bisthums Schleswig, nicht 
überfalle und überhaupt nichts wider das Intereſſe des däniſchen Reichs 
vornehme. — Südjütland (das jetzige Herzogthum Schleswig) war 
als folches ein Theil von Dänemarf. Die Herzoge dafelbft waren 
zur Sicherung der dänifchen Grenze gegen Einfälle der heidnifchen 
Wenden eingefegt, und das Grenzherzogthum hatte zu Dänemarf 
fein anderes Derhältnig, als die deutfchen Mlarkgrafichaften zum 
deutfchen Reich. Daher hier die „Interefjen des dänifchen Reichs“. 
Als Hartwig von feiten des Grafen Adolph von Daffel Feine 
Hülfe mehr erwarten Ponnte, jcheint er dem Löwen fich zugewandt 
zu haben. Sein Einvernehmen mit Heinrich dem Löwen brachte 
ihn in Mißgunft beim Kaifer. Sriedrich I. ftarb auf dem Kreuzzuge, 


Domfirden find diejenigen Kirchen, bei weldhen der Bifchof fteht, feinen 
cathedram und domum hat und ſich eine Befellfchaft von Domherren befindet. 
If demnach die Bezeihnung „Domkirche“ hier durchaus veraltet, fo ift es 
vollends unangemeflen, diefelbe auf Kirchen zu übertragen, an welchen 
niemals ein Bifchof oder ein Domkapitel geftanden hat. Auch die alte Mel- 
dorfer Kirche iſt nicht „Dom“ zu nennen. 

3® 


52 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


und fein Sohn Heinrich VI. ward Kaifer. Diefer erflärte den 
Erzbifchof Hartwig wegen Begünftigung Heinrichs des Löwen in 
die Acht, und Hartwig mußte fliehen. Adolph III. von Holftein 
fehrte, als er die Nachricht von der Einnahme feiner Srafichaft 
durch Heinrich den Löwen erhalten, im Jahre 1191 vom Kreuz 
zuge zurüd und fuchte fein Land wieder einzunehmen. Im Auf: 
trage des Kaifers fiel er 1192 in die Brafichaft Stade ein und 
bemächtigte fich derjelben. Hartwig, der gegen Adolph III. den 
Bann ausgefprochen, mußte die Gnade des Kaijers fuchen und den 
Bann aufheben, eine Buße an den Kaifer zahlen und die Krafjchaft 
Stade im Jahre 1195, in welchem Jahre Heinrich der Löwe ftarb, 
an den Grafen Adolph zu Lehn geben, und zwar fo, daß der 
Graf den dritten Theil der Einkünfte beziehen follte. Ohne 
Zweifel war Dithmarjchen in dem Auftrage des Kaifers mit. 
begriffen. Die Dithmarjcher müfjen fich, dem Ffaiferlichen Befehl 
folgend, vom Bisthum Schleswig losgemadıt haben. Der Bifchof 
mußte fich das wohl gefallen laffen, da er in der Befangenfchaft 
des Königs Knuts VI. von Dänemark war. Er trachtete nach der 
dänischen Krone, hatle fih den Titel eines Königs von Dänemarf 
und Bifchofs von Schleswig beigelegt und mit Graf Adolph III. 
von Bolftein ein Bündnig wider Knut VI. gefchloffen, war mit 
fchwedifchen Truppen in Dänemarf gelandet, während Adolph III. 
über die Eider ins Land fiel und bis Schleswig hin das Fönigliche 
Gebiet verheerte, ward aber 1192, am zweiten Weihnadhtstage, 
vom Könige gefangen genommen und mußte feinen Ehrgeiz in 
harter Kerferhaft büßen. Bolten läßt Dithmarfchen nach der 
Gefangennehmung des Bifchofs Waldemar mit dem Stift Schleswig 
an Dänemarf fommen. Das ift aber gefchichtlich ganz unhaltbar. 
Dithmarfchen war an das Erzftift Bremen zurüdgelommen, als 
Theil von Stade. Die Belehnung Adolphs III. mit Stade bildete 
einen zweiten fcheinbaren Anfpruch Holfteins auf Dithmarfchen. 
Adolph II. von Holftein behauptete fich mit Mühe in feinen 
Befigungen und Nechten, unter Anwendung von Härte und Grau- 


— — — — * — — 


— 


Dithmarfchen theils unter bremifcer, theils anderer Herrſchaft. 53 


famteit, bis zum Jahre 1200. In dieſem Jahre gerieth Knut VI. 
in Streit mit ihm und bemächtigte fih Dithmarfchens. Adolph II. 
mußte auf Dithmarfchen verzichten zur Genugthuung und zur 
Sreude der Bevölkerung, die mit dem Könige einverftanden war 
in feinem Unternehmen wider den verhaßten Grafen von Bolftein. 
Hartwig von Bremen war inzwifchen bemüht, feine Rechte auf 
Stade aufs neue in Anerkennung zu bringen, und erhielt auch 
vom Könige Philipp, der 1198 feinem Bruder, Heinrich VI., in 
der Regierung des deutjchen Reichs gefolgt war, unterm (9. Januar 
1199 eine Beflätigung feiner Belehnung mit Stade. Adolph II. 
hatte 1200 dem König Knut die Seftung Reinoldsburg (Hends» 
‘ burg) abtreten müflen. Er feßte fih nachher in den Befig der 
Seftung Lauenburg mit Hülfe des Grafen Adolph von Daflel. 
Auf Lauenburg geftüßt, fuchte er num Dithmarfchen wieder zu 
erlangen. Mit feinen Genoſſen, Adolph von Daſſel, fiel er im 
Jahre 1201 in Dithmarfchen ein, wo fie das Dieh raubten und 
das Land mit Brand verheerten. Der Herzog Waldemar von 
Südjütland, des Königs Knut Bruder, 309 den beiden Grafen 
entgegen und fchlug fie bis zur Dernichtung, bei Stillnow (Stellau), 
unweit Itzehoe in der Herrfchaft Breitenburg. Graf Adolph I. 
floh aus dem Kande über die Elbe nach Stade, und Holftein und 
Dithmarfchen waren für ihn verloren. Ueber Dithmarfchen jeßte 
König Knut VI. einen Edelmann Schad, aus dem angefehenen 
und mächtigen Haufe Weftenfee in Holſtein. Schad ift Der zweite 
eigentliche Graf von Dithmarfhen. Das Baus Weftenfee ftand 
in alter Seindfchaft mit dem regierenden holfteinifchen Grafenhaufe. 
Graf Schad führte nun die Dithmarfcher dem Heere des Königs 
zu, Die Seflungen Segeberg und Lauenburg waren noch im 
Befig des Grafen Adolph. Wohl im Dertrauen darauf unter- 
nahm diefer von Stade aus, wo er nach der Niederlage bei 
Stillnow neue Kräfte gefammelt hatte, noch einen Zug ins Nord- 
elbingifche, indem er mit Mannfchaften aus Stade über die Elbe 
feßte und fih in Hamburg hineinwarf, 30. November 1201. 


54 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheiluug. 


Herzog Waldemar brachte in Eile ein neues Heer zufammen 
und fchloß den Grafen in Hamburg ein. Diefer kann Hamburg 
nicht Halten und auch nicht entfommen. Er unterhandelt mit 
Waldemar, und diefer gefteht ihm freien Abzug zu unter der Bes 
dingung, daß er Hamburg räume und Lauenburg übergebe. 
Adolph unterwarf ſich diefer Bedingung, 26. Dezember 1201. 
Graf Günzel von Schwerin, der zu Adolphs Beiftand herbei- 
gezogen war, wurde vom Herzog Waldemar abgeordnet, den 
Grafen Adolph unter Bedecdung nach Lauenburg zu geleiten und 
die Uebergabe der Seftung zu erwirfen. Bei der MHeberführung 
des Grafen Adolphs IH. nach Lauenburg äußerte fich der grimme 


Haß der Dithmarfcher gegen den Holftenherrn. Als fie erfuhren, - 


daß der Graf die Stadt verlaffen habe, rotteten fie fich zufammen, 
fielen auf die Bededungsmannfchaft ein und fuchten fich des 
Grafen zu bemächtigen. Graf Bünzel von Schwerin rettete ihn 
nur mit großer Noth vor der Wuth der Dithmarfcher, indem er 
diefen tapferen Widerjtand leiftete, bis die Oberſten des Herzogs 
mit ftärferer Mannfchaft herzueilten und den Grafen Adolph in 
ihren Schuß nahmen. Unter verftärkter Bedeckung wurde Adolph 
dann nach Lauenburg gebracht, wo er den Kommandanten auf- 
forderte, die Seftung zu übergeben. Die Uebergabe ward aber 
troß flehentlicher Bitten Adolphs verweigert, wahrjcheinlich nur, um 
den, bei den eigenen Unterthanen mißliebigen Grafen in der Ge— 
fangenfchaft zu belaffen. Adolph ward nun vom Herzog Waldemar 
in Ketten gelegt und gefefielt durch Bolftein nach Dänemarf 
geführt, wo er bis 12053 in Befangenjchaft blieb. Im dieſem 
Jahre verzichtete er auf Holftein und wurde losgegeben. 

Adolph III. hatte nebft BHolftein die Kehnsherrichaft in Dith- 
marfchen verloren, und der Erzbifchof hatte als Oberlehnsherr 
Dithmarfchen und die fogenannten fieben Parocdhien eingebüßt- 
Er fuchte nun wenigftens den Süden der Grafichaft Stade zu 
retten und nahm nach der Gefangennahme Adolphs III. Stade in 
unmittelbaren Befit. Doch theilte er bald das Schickſal Adolphs. 


Dithmarfchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrfdaft.e 55 


Kaifer Otto IV., Heinrichs des Löwen Sohn, Waldemars Der- 
bündeter, greift ihn an und läßt ihn in Stade, 1202 gegen 
Weihnacht, gefangennehmen.. Er fieht ſich dann genöthigt, die 
Grafſchaft Stade, jüdlichen Antheils, an den älteften Bruder des 
Kaifers, den Pfalzgrafen Heinrich, zu Lehn zu geben. Das nord» 
elbingifche Gebiet, Dithmarfchen und die fieben Kirchfpiele, war 
nun von der Grafichaft Stade getrennt. Pfalzgraf Heinrich fonnte 
bier nur die Allodialbefigungen erhalten, die feiner Samilie zu- 
ftanden. Daß dergleichen Befigungen noch in Dithmarfchen fich 
fanden, erhellt daraus, daß der Pfalzgraf 1204, aus Anlaß der 
Beifegung feiner verflorbenen Gemahlin Agnes im Mlarientlofter 
zu Stade, außer den Dörfern Hardorf und Wibenkaten (Sieben: 
fathen ?) im Bremifchen, auch Eenderen, Bodwold, Borchholt und 
Oldenerpe (bei Meldorf) in Dithmarjchen dem Kloſter zumwandte. 
(Bolten, II, 229-500.) So blieb Dithmarfchen als eigene 
Grafihaft im Befize des Königs von Dänemarl. König war 
jeit dem Tode des Königs Knut, der am 11. November 1202 ver: 
ftarb, Waldemar II., der frühere Herzog von Südjütland. Wal. 
demar hielt die Partei feines Schwagers, des Kaijers ®tto IV., 
fo lange defjen Gegenkaijer, Philipp II., lebte; als aber Otto 
nach der im Jahre 1208 erfolgten Ermordung feines Gegners 
die Rechte des Reiches vollauf in Anfpruch nahm und diefelben 
mit Energie zu wahren, reſp. herzuftellen beftrebt war, da wandte 
Waldemar fih von ihm ab und feinem Gegner, dem Bohen- 
ſtaufen, Sriedrich II., zu. Sriedrich II. fuchte den mächtigen Dänen- 
Fönig ganz von der Partei der Welfen abzuziehen und zu feinem 
Derbündeten zu befommen und trat deshalb in kaiferlicher Macht: 
volltommenkeit, 1214, dem Könige Waldemar das von diejem 
und Knut VI. eroberte £and über der Elde und Elbe in aller 
Sorm Rechtens mit Zuftimmung des Reichstages auf ewig ab und 
überließ es ihm zum Befiß als einen Theil des dänifchen Neichs. 
— Sür Elde und Elbe wird in einigen Abfchriften des betreffenden 
Diploms, fo u. a. bei Bolten (II, 233 f.), fälfchlih Elbe und 


56 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Eider gelefen. Diefer falfchen Kesart hat man dann die Angabe 
vieler Gefchichtsfchreiber von einer Eroberung Schleswigs und 
£osreißung desjelben vom deutfchen Reich durch Knut den Großen 
untergelegt. Allein diefe Angabe, deren Quelle Helmold ift, beruht 
anf Mißverftand. Helmold fpricht wohl von einer fchleswigfchen 
Provinz, die zur Zeit Ottos I. zum deutfchen Weiche gehört 
habe; aber diefe Provinz ift nicht das Herzogtum Süd: 
jütland oder Schleswig, fondern die von Heinrich I. eingerichtete 
fchleswigfche Marf, eine gewöhnliche Grenzmark gegenüber der 
Stadt Schleswig, der KLandftrich zwifchen ©bereider und dem 
Schleibufen, refp. zwifchen dem vom füdjütifchen König Göthrik 
gegen Karl den Großen errichteten Krenzwall, dem Dänenwall 
(Danawirf), der fih von Hollingftedt an der Trene bis zum 
Haddebyer Noer hinzog, und der Sachjengrenze an der Kevensau. 
Das erhellt deutlihft aus Helmolds eigenen Worten (Chron. 
Slavorum I, cap. ı2): Er (Otto J.) unterftellte ihm (dem Bijchof 
Marco von Bldenburg in Wagrien) die ganze Propinz der ®bo- 
triten bis zum Peneflußg und zur Stadt Demmin und außerdem 
die Stadt Schleswig, die früher Heidebo (Haddeby) hieß. Denn 
zu der Zeit war Schleswig mit der zugehörigen Provinz, welche 
fih vom Schleibufen bis zur Eider erftrecdt, dem deutichen Reiche 
unterthan. — „subdens ei omnem ÖObotritorum provinciam usque 
ad Penem fluvium et urbem Dimine: praeterea civitatem opina- 
tissimam Sleswich, quae alio nomine Heidibo dicitur, ejusdem 
curae delegavit. Eo enim tempore Sleswich cum provincia ad- 
jacente, quae scilicet a lacu Slya ad Egdoram fluvium protenditur, 
Romano imperio subjacebat“. Die „Provinz”, von der Helmold 
jpricht, ift Hier alfo nichts anderes, als die Grenzmark an der 
£evensau, refp. Übereider, „Marchiam, quae trans Egdorum est“, 
bei Adam von Bremen genannt, die Mark über der Eider, dir 
Karl der Große gegen die Dänen in Südjütland errichtete, 
während dieje, zum Schuß ihrer Grenze gegen die Sachjen unter 
Karl dem Großen, den Dänenwall aufwarfen. Seit den Kriegen 


As 


Dithmarfchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrſchaft. 57 


zwijchen Karl und dem füdjütifchen Könige Göthrik fckeint das 
Grenzgebiet zwifchen der Levensau und dem Dänenwall unan- 
gebaut geblieben zu fein, und diefen wüftliegenden Kandftrich fcheint 
Heinrich J. in die Mark an der Eider einbezogen zu baben, indem 
er die Brenze des Neiches über die Kevensau bis zur Schlei vor: 
fchob und hier eine Sachſenkolonie anfiedelte. Heinrich I. hat als 
Sieger bei Schleswig, welches damals Heidebo hieß, die Grenzen 
des Heiches gefeßt, dafelbft einen Markgrafen verordnet und auch 
eine Sachjenfolonie gegründet, fagt Helmold. — „Henricus Rex, 
victor, apud Sleswich, quae tunc Heidebo dicitur, regni terminos 
ponens, ibi et Marchionem statuit, et Saxonum coloniam habitare 
praecepit.“ (Chron. Slavorum, Lib. I, cap. 8.) Wie wenig 
aber felbft hier in der Mark im Süden des Dänenwalls eine 
fefte Herrfchaft durch die Deutjchen begründet war, das erhellt 
daraus, daß die von Gorm dem Alten zerftörten Kirchen zu Ripen 
und Haddeby auf Anfuchen des Hamburger Erzbifchofs durch den 
füdjütifchen Unterfönig Frode wiederhergeftellt wurden. — Haddeby 
lag Ddiesfeits der von Heinrich I. bei der Stadt Schleswig geftecten 
Grenze der Marl. Weil diefe fchleswigfche Marf an und für fich, 
als Befigthum, gar Feine Bedeutung hatte und nur zum Schuße 
der Sachſen gegen Einfälle der heidnifchen Dänen errichtet worden 
mar, ward fie bereits 1035 den Dänen unter Knut dem Großen, 
der, wie auch fchon in den legten Jahren feiner Regierung Knuts 
Dater geweſen, entjchieden chriftlich gefinnt war, zurüdgegeben. 
Bierauf reduzirt fihh alles, was in Gefchichtsbüchern von einer 
Eroberung Schleswigs durch Knut den Großen erzählt worden ift. 
Das Herzogthum Schleswig hat niemals zum deutfchen Reiche 
gehört, und 1214 war auch die Mark an der Eider nicht mehr 
in deutichem Befis. Es konnte demnach 1214 „aber der Eider“ 
nichts an Waldemar abgetreten werden, da Deutfchland hier nichts 
befaß, und daß thatjächlich Hier nichts abgetreten worden fei, 
dafür läßt fih zum MNeberfluß als Beweis anführen, daß auch 
nad Rückerlangung aller im Jahre 1214 von Kaiſer und eich 


58 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


an Dänemarf abgetretenen Gebietstheile die Eider und die 
£evensau die Brenze Dänemarfs gegen das deutiche Reich bildeten. 
Materiell wäre die Bezeichnung „über der Eider“ gegenftandslos 
und formell unnöthig, da hier die Bezeichnung „über der Elbe“ 
fchon hinreichend geweſen wäre, weil alles, was über der Eider 
lag, auch über der Elbe belegen war. Zudem hätte die Be- 
zeihmung „über Elbe und Eider” gar Feine Grenzbeitimmung 
betreffs des an Waldemar überlafjenen Cheiles des überelbijchen 
Gebietes, die hier eben gegeben werden foll, enthalten. Daher 
fann es nicht zweifelhaft fein, daß jene Kesart „über Eider und 
Elbe“ falfch ift, und Dahlmann (Dorl. üb. Geſch. Dithm. 1827) hat 
denn auch bereits beigebracht, daß es in der betreffenden Abtretungs- 
urfunde von 1214 nicht heiße „ultra Eidoram et Albiam“, wie 
noch Bolten anführt, fondern „ultra Aldenau et Albiam*, über 
Elde und Elbe. Elde und Elbe bilden, indem die Elde bei 
Dömig in die Elbe fliegt, eine ununterbrochen fortlaufende Grenz 
linie von der wendifchen Oſtmark bis zur Vordſee und fcheiden 
das an Waldemar abgetretene eroberte Gebiet: Wendenland und 
Xordelbingen, nämlich Mefelnburg mit Wagrien nebft Lauenburg, 
Holftein, Stormarn und Dithmarfchen, als ein zufammenkängendes 
Ganzes fcharf vom übrigen Deutfchland. — Durch die Abtretung 
von feiten des Kaifers und des Neiches war die Herrichaft Wal- 
demars auch über Dithmarfchen neu befeftigt und auf einen un- 
beftreitbaren Nechtstitel gegründet. Waldemar fuchte auch den 
füdlichen Cheil der Graffchaft Stade an fich zu bringen. Allein 
die Welfen widerftanden ihm erfolgreich. In Xordelbingen 
herrfchte Waldemar nun unumfchräntt.e Sur Sicherung feiner 
Berrfchaft baute er zwei fefte Schlöfer, eines im ©ften, bei 
Travemünde, ein anderes im Weften, alfo in Dithmarfchen. Letz⸗ 
teres, 1217 gegründet, wird bei Annaliften als castrum Lin in 
. Thetmarcia und als castrum Frithibiaergh in Thetmarcia bezeichnet. 
Frithibiaergh bezeichnet wohl eine Sreiftatt, einen gehegten Ort. 
Lin ift ohne Zweifel Lunden, welches in dem Corp. bonor. eccles. 


Dithmarſchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrfhaft. 59 


Hamburgens. vom Jahre 1347 Einden heißt. Dafür fpricht es 
vornehmlich auch, daß im Jahre 1217 der König Waldemar vom 
Abte Hermann zu Berfefeld für 200 Mark Silbers verfchiedene 
Grundftüde in Dithmarfchen an fich gebracht hat, die dem Klofter 
Herfefeld zuftändig und alle im alten Kirchipiel £unden belegen 
waren: in Civaengehusae (Zennhufen) II hovae (Hufen), Heem 
(Ejemme) III hovae, Cremböl (Krempel) III hovae, supra Ulram 
(Ulra war wohl ein alter Eiderarm, der bei Hemme mündete) 
dimidium mansum, Ulversum (Wollerfum) V hovae excepto uno 
jardae, Melsword II hovae, Ysmaedovae II hovae et dimidium, 
Aendebytel et Metaes II hovae et dimidium, et dimidium Jardae, 
Thurnword (Darenwurth) I hovae et dimidium, Flede ($lehde) 
I hovae et dimidium, Lae (£ehe) dimidium hovae, Gardaesflyt 
I hovae, Hunsbytel (Hunnengatt, Bösbüttel)! et Flette I hovae 
et I jardae. (Waldemars II. Erdbuch, cit. ap. Bolten II, 237 f.) 
Ob die Rechnung nach Hufen und Jarden damals in Dithmarfjchen 
gangbar gewefen, ift wohl zweifelhaft; daß aber die ©rtichaften, 
wo die von Waldemar erworbenen Hufen und Jarden belegen 
waren, dem dithmarfcher Kirchfpiel Kunden angehörten, ift ganz 
unverfennbar. Die nicht auf jegige Ortsnamen zurüczuführenden 
oder zu deutenden Namen der angeführten Stelle des Wal: 
demarfchen Erdbuches bezeichnen wohl Ortſchaften, die fpäterhin 
durch Sluthen untergegangen find. Es ift aus der Natur der 
Verhältniſſe erflärlich, daß vornehmlich die Elb- und Eidermündung 
von den Sluthen zu leiden gehabt haben. 1230, fo berichten 


I Bunsbytel — foviel wie Hundsknöll („Hunnen-Knöll" vorm Xord- 
deicher Queller). Bytel-Bättel. Bat, Gatt die Baffe, der Ein- und Durdy- 
gang. Doorgatt—Durdgang (holländiſch). Englifch gate: Chor, Pforte, 
Durdlaß. So auch im Aiederfähfifhen. — „Ifegrimm brady dordy de wand 
en gat, up dat he flefhes mochte eten fat. Be ath fo veel utermate, dat 
he ut dem felven gate nich fomen Fonde, dar he quam“ (Reinidle Doß). 
Das Bösbüttler „hunnengatt“ bezeichnet ohne Sweifel die Tiefe, die 
Bunsbättel vom $eftlande ſchied, wie das „Queller-£oh“ den Queller vom 
Xorddeicher Außendeich. 


60 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtherlung. 


Ehroniften, richtete eine mit Bliß und Donner verbundene Sluth 
großen Schaden in den Elbländern und an der Eider an; ein 
Gleiches gefchah 1266. In der großen Sturmfluth am 4. Sep- 
tember 1300 litten die Elbfüften ungemein; in Brunsbüttel follen 
damals nur 30 Menfchen das Leben geborgen haben. Auch in 
den Jahren 1313 und 1316 vermwüfteten hohe Sluthen die Küften 
an der Elbe und der Eider. 1538 betraf eine ungewöhnlich 
ftarte Sluth das Land; die Eidermündung wurde damals durch 
die Sluthen fchwer betroffen und die Eider weit hinauf fo er- 
weitert, daß das Eiderftedter Gebiet in allen heilen fcharf von 
Dithmarfchen gefchieden wurde. 1354, in der VNacht zum Neu— 
jahrstage, follen in einer $luth in Dithmarfchen und Sriesland 
an 100000 Menfchen umgelommen fein. 1362 brach die fog. 
„große Sluth“, die auch als „grote Manndrenke“ bezeichnet wird, 
ins Land und verwüftete befonders auch die Eiderfüfte. 1403 durch: 
brach eine Fluth von der Eider her den Ulerdamm in der Norder- 
hamme. 1436, Mittwoch nach Allerheiligen, richtete eine Fluth, 
die ebenfalls als Manndrente bezeichnet wird, große Derwüftungen 
im Eidergebiete an; das Waſſer ftand damals an der Kirchhofs- 
mauer zu £unden. 1456 wurden bei Wollerfum neue Deiche 
gefchlagen zum Schuge gegen die Sluthen. 1471 und 1482 rich 
teten hohe Sturmfluthen an den Eiderfüften großen Schaden an. 
1521 durchbrach eine Fluth die Deiche und feßte die Kirchfpiele 
an der Eider unter Waſſer; zu Kunden ftürzte ein Theil der 
Kloftergehäude ein. 1532, am Mlontag nach Allerheiligen, war 
die „hohe Fluth“; das Waller ftand zu E£unden in den Häufern, 
und viele Menfchen in Dithmarfchen und Eiderftedöt ertranken. 
Es ift alfo nicht zu verwundern, wenn gerade an der Eider- 
mündung ganze Ortſchaften durch die Sluthen weggerifjen find 
Don einem Dorfe Met wird berichtet, daß es am Hafen von 
Wollerfum gelegen habe und von den Wellen verjchlungen worden 
jei. — Die Lage £undens machte diefes vorzüglich geeignet zu 
einem feften Stüßpuntt für den König Waldemar bei feinen 


Dithmarſchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrſchaft. 61 


Kriegen in Norddeutfchland. Im Befig der feften Plätze Trave- 
münde, Rendsburg und Eunden, fonnte Waldemar fich ftets die 
Derbindung mit feinem Reiche frei halten und auf fürzeftem Wege, 
je nach Bedarf, refp. von den dänijchen Infeln, aus Jütland und 
aus Sriesland, neue Streitfräfte heranziehen. Der Plab der Sefte 
zu £in „Trithibiergh“ war wohl der Kirchhof zu Eunden. — 
Wenn von einer feften Burg £in feine Refte an Grundmauern 
u. dergl. gefunden werden, fo ift das erllärlich, da die feften Häuſer, 
wie die fefte Marienburg bei Dellbrüd, ftarfe Blodhäufer waren; 
aus welhem Grunde man auch auf dem Plage der Stellerburg 
vergeblich nach Spuren von Grundmauern gefucht hat. Deshalb 
ift es aber auch ganz unbegründet, wenn man die Stellerburg 
und andere Burgen, von deren Eriftenz als wirklicher Burgen 
die Gefchichte zeugt, unter die jog. Bauernburgen gerechnet hat, 
weil man bei denfelben feine Reſte von Grundmauern hat finden 
fönnen. 

Indem Waldemar fo feine Herrſchaft in Xordelbingen 
befeftigte, blieb für das Erzftift wenig Hoffnung, hier wieder zu 
feinem Beſitzthum zu gelangen. Dagegen eröffnete fich dem Erz. 
bifhof Gerhard I. 1218 die Ausficht auf Wiedererlangung der 
füdlichen Grafichaft Stade. Als Kaifer Otto IV. geftorben war, 
fchloß deflen Bruder, Pfalzgraf Heinrich, einen Dergleich mit dem 
Erzbifchof, wonach Stade ihm als ein Lehn von Bremen verbleiben, 
nach feinem Tode aber ans Erzftift zurüdfallen follte. Diejer 
Dergleich, defien Erfüllung ziemlich ficher war, da Heinrich feine 
Söhne hatte, fand fpäter die Faiferliche Beftätigung und infolge 
deſſen fam endlich Stade völlig an Bremen. In die Seit der 
dänifchen Herrichaft über Nordelbingen fällt auch der Dergleich 
von 1223 zwifchen dem Erzbifchof und dem Domkapitel zu Hamburg, 
welches die Firchlichen Derhältnifje Nordelbingens für jpätere Zeit 
beflimmte und wonach das Kapitel die Entfcheidung erfter Inſtanz 
in geiftlichen Sachen über Xordelbingen haben follte.e Der Dom- 
propft ward aljo auch über Dithmarfchen geiftlicher Richter. Nur 


62 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


durch Appellation konnten Sachen an den Erzbifhof gebradt 
werden. 

1223 fchlug das Glüd des Königs Waldemar um. Waldemar 
ward nebſt feinem Sohne, dem Prinzen Waldemar, am 6. Mai 
auf einem Jagdausfluge von einem feiner Dafallen, dem Grafen 
Heinrich von Schwerin, Hinterliftig gefangen genommen und nach 
Melelnburg geführt. In Dänemarf wurde nach Waldemars 
Befangennahme der Statthalter in Nordelbingen, Graf Albredıt 
von Örlamünde, zum Reichsverweſer beftellt. Albrecht that alles 
Mögliche, um die Sreilaffung des Königs beim Kaifer auszuwirken; 
Sriedrich II. aber fuchte die Sreilaffung zu hHintertreiben, und 
Albrecht wandte fih an den Papft. Diefer forderte energifch die 
Sreilafjung der beiden Waldemare. Heinrich von Schwerin wollte 
jhon mit dem Könige unterhandeln, als ein Abgefandter des 
Kaifers eintraf und die Derhandlungen übernahm. Am 4. Juli 
1224 kam ein Dergleih zu ſtande. Waldemar follte einen 
Kreuzzug machen, fein Reich vom Kaifer zu £ehn nehmen und 
alle Länder, die ihm im Jahre 1214 von Kaifer und Reich ab- 
getreten worden, wieder zurücdgeben. NXordelbingen follte dem 
Grafen Albrecht von Orlamünde verbleiben, als Kehn vom 
deutjchen Reich. Albrecht aber verwarf den Dertrag und rieth dem 
Könige, von demfelben zurüdzutreten. Drei Monate darauf berief 
der Kaifer einen Aeichstag nach Bardewid, auf welchem die 
Sache mit Waldemar verhandelt werden follte. Bier erfchien der 
däniſche Reichsverweſer Albrecht von Orlamünde mit großem 
Löfegeld für den König und den Prinzen und trat wegen der 
Sreilaffung der Gefangenen in Derhandlung. Alles fchien nad 
Wunfch zu verlaufen. Da brach Albrecht plößlich alle Derhandlung 
ab und erflärte den ganzen Dertrag für null und nichtig. Nun 
fuchten Graf Heinrich von Schwerin und Erzbifchof Gerhard II. 
von Bremen den von Waldemar vertriebenen Schauenburger, 
Adolph III, wieder in die Graffchaft Holftein zu bringen. Adolph 
aber wollte von feiner Wiedereinfegung nichts willen. Alan 








Dithmarſchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrfhaft. 63 


beflimmte dann den zweitälteften Sohn desfelben, den noch kaum 
mündigen Adolph IV., dazu, die Grafichaft zu übernehmen. Am 
20. Dezember 1224 ging der Erzbifchof Gerhard mit gewaffneter 
Macht über die Elbe und führte Adolph IV. nach Holftein. Diele 
von der holfteinifchen Ritterfchaft nahmen Partei für Adolph und 
feinen Befchüßer, den Erzbifhof. Die Befagung des Grafen 
Albrecht von Orlamünde wurde aus mehreren Pläßen vertrieben 
und Adolph IV. als Graf eingefegt. Albrecht von Orlamünde 
rüftet fich mit ftarfer Macht, feine Gegner zu vernichten. Da 
eilt Heinrich von Schwerin zur Hülfe herbei. Albrecht, der ihm 
entgegenzog, ward bei Mölln gejchlagen und gefangen genommen, 
im Januar 1225. Bald nachher machten fich auch die Dithmarjfcher 
von der dänifchen Berrfchaft frei. Im Einverftändnig mit ihnen 
und auf Deranftaltung von feiten des Erzbifchofs Gerhard von 
Bremen zogen Heinrich von Schwerin und Adolph IV. von Bolftein 
ins Land, und die Dithmarfcher erkannten das frübere Derhältnig 
zum Erzftift Bremen wieder an. Allenthalben werden die däniſchen 
Schlöffer niedergeriffen. Auch die Burg Ein wird feitdem nicht 
mehr gefunden. Im Dezember 1225 kommt ein Dergleich mit 
dem gefangenen König zu ftande. Diefer fol alle Heichslande 
zwifchen Eider und Elbe, nämlich von der Eidermündung bis zur 
Lewensau und von diefer zum Meer (der Bftfee, dem Baltijchen 
Meer) 2. i. von der alten Grenze des dänifchen Reiches an, 
fowie die Länder des WMWendenfürften Burewin und alle Slaven: 
länder, mit Ausnahme der Jnfel Rügen, dem Reiche abtreten — 
„Dominus Rex omnes terras inter Eideram et Albiam fluvio 
sitas ad Imperium pertinentes, videlicet a descensu Eiderae in 
mare usque ad aquam Levoldesowe et ab eadem usque ad mare, 
terras Domini Burwini et omnes terras Slaviae praeter Rugiam 
Imperio dimittere debet.“ (®rig. Guelf. in praef. ad IV p. 85 
cit. bei Bolten II, 245 und 244.) Hiernach ift die ganz un 
verftändliche Darftellung bei einigen Schriftitellern, dag Waldemar 
alles Eand von der Kider und Eetvensau bis ans Mleer abgetreten 


64 - Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


habe, richtig zu ftellen.! Dänemark wurde auf feine frühere 
Grenze gegen Deutfjchland zurüdgebracht. Ueberdies ward dem 
Könige ein Löfegeld von 45000 Mark löthigen Silbers (4 Tonnen 
Boldes) auferlegt. Dieſen Dergleich bejchwor Waldemar und 
ward er dann freigelaffen. Am erften Weihnachtstage kehrte er 
in fein Reich zurüd, Gleich nach feiner Rückkunft wandte er fich 
an den Papft Honorius III, ftellte demjelben feine Sache vor und 
erbat von ihm geiftliche Berathung. Der Papft erklärt darauf 
unterm 24. Juni 1226 den Derzicht des Königs für ungültig und 
nicht verbindlich, weil durch fchändlichen, ftrafbaren Mißbrauch 
der Gewalt erzwungen. Waldemar rüftet fich nun, das Derlorene 
zurüchzuerobern. Voch in demfelben Jahre zieht er nach Nord: 
friesland, bietet zur Derftärfung feines Heeres auch die Sriefen 
auf und fällt dann über die Eider in Dithmarfchen ein.? Die 
Dithmarjchen leiften ihm tapferen Widerftand und richten vornehmlich 
unter den Sriejen eine große Niederlage an, doch werden fie von 
dem mächtigen Gegner genöthigt, ihm Heeresfolge zu leiften. Mit 
Hülfe der Dithmarjcher, deren Tapferheit er erprobt hatte, und 
auf deren alte Abneigung gegen KHolftein er baute, wollte 
Waldemar nun feine beiden Hauptgegner, den Grafen Heinrich 


1 Da die Lewensau ſchon zu Seiten Waldemars II. als „Lewoldesowe” 
vorkommt, fo ift die gewöhnliche Annahme, daß die An ihren Namen daher 
habe, daß die ſchleswigſche und holfteinifhe Nitterfchaft an derfelben ihre 
Beliebungen gefaßt — „belewet” hätten —, falfch. 

? Die Sriefen in Nordfriesland (bei Saxo grammat. auch Klein- 
friesland geheißen) find wahrfheinlih zur Zeit der Söhne Böthrifs, des 
füdjätifchen Königs, mit dem Karl der Große zu fämpfen hatte, um 813, 
zuerfi von Dänemark unterworfen. Vach der Infel Helgoland famen zu 
der Zeit, als hier das Chriftenthum eingeführt wurde, Miffionare.. Ob 
fie aber hier und auf andern Sriefeninfeln dauernd blieben, wiffen wir 
nidt. Nur das wird berichtet, daß die Frieſen den Zehnten an die Kirche 
entrichteten — Nordfriesland beftand aus Feftlands- und nfel-friesland. 
Sebteres wurde im 13. Jahrhundert in ı4 Barden geteilt: Borfeby-, 
Bofyng-, Syld⸗ Föör, Oftaer-, Weftaer-, Byltring-, Wyriks⸗, Pylwaerme-, 
Edoms-, £undebiverg-, Giöthening- (Lönning-) Holm- (Utholm-) Häfrd- 
(Everfchopp-) Häret. 


Dithmarſchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrſchaft. 65 


von Schwerin und den Erzbifchof Gerhard II. von Bremen, nebft 
ihrem Schüßling, Adolph IV. von Schauenburg, züchtigen. Er 
lieg eine anfehnliche Macht zur Bededung des Kandes in Dith- 
marfchen zuräd und brach dann in Bolftein ein. Heinrich von 
Schwerin und Adolph IV. wurden bei Rendsburg enticheidend 
gefchlagen, und Bolftein war faft wehrlos in der Hand des Königs. 
Indes fandte der Erzbifchof Gerhard Hülfe und hemmte den 
Siegeslauf Waldemars, bis weiterer Beiftand eintrifft. Einige 
mecelnburgifhe Grafen jagen Unterflüßung zu. Der Kaijer 
entbietet mehrere norddeutfche Fürften zum Schuge der Stadt 
gübed wider Waldemar, und auch der Herzog Albert von Sachfen 
wurde in den Bund mit Gerhard gezogen. Die Derbündeten 
zogen ihre Streitfräfte in Lübed zufammen und rüdten von hier 
aus ins Holfteinifche. Bei Bornhöved fliegen die feindlichen Heere 
aufeinander. Beim dänifchen Heere hielt der König jelbft im 
Haupttreffen, auf dem linken Slügel der Prinz Abel und auf dem 
rechten des Königs Oheim, Herzog Otto von Lüneburg. Das 
Dintertreffen (die Reſerve) des Föniglichen Heeres bildeten die 
Dithmarfcher. Auf feiten der Derbündeten hielt im Hanpttreffen 
der Erzbifchof Gerhard II. von Bremen mit Adolph IV., auf dem 
linken Slügel Herzog Albert von Sachfen, auf dem rechten Graf 
Heinrich von Schwerin nebft dem Lübecker Bürgermeifter Alerander 
von Soltwedel. Der Erzbifchof eröffnete die Schlacht und führte 
perfönlich das Heer zum Angriff. Der Kampf war blutig und 
lange ſchwankend in der Enticheidung. Aber Waldemar behauptete 
auch hier neben dem Ruhm der Tapferkeit den der Meifterfchaft 
in der Hriegsführung. Durch verftellten Rückzug wurden die 
Derbündeten zwijchen die Slügel des Dänenheeres eingefchlofien. 
Mit ganzer Macht drang dann der König ungeftüm und unaufhaltfam 
vor und zerfprengte den Seind im Zentrum, während Prinz Abel 
und Herzog Otto von Küneburg demfelben in die Slanken fielen. 
Das Heer der Derbündeten gerieth in Derwirrung und völlige 
Auflöfung und fuchte den Rüdzug. In diefer höchften Noth gelobte 
Dithmarfcyer Geſchichte. 5 


66 Erſter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Adolph IV., deſſen Grafſchaft auf dem Spiel ſtand, ſich dem Dienſt 
der Kirche, dem geiftlichen Stande, zu widmen, wenn Gott Hülfe 
und Rettung verleihe. Waldemar aber 309 nun fein Hintertreffen, 
das bisher noch niht am Kampfe theilgenommen, heran. Er 
rief den Dithmarfchern laut zu: Sie follten nun ihre Treue beweifen, 
den bereits gefchlagenen und weichenden Seind vollends zurüd: 
‘werfen und die Derfolgung aufnehmen. Die Dithmarfcher gaben 
das Zeichen zum allgemeinen Angriff, indem fie die Schwerter 
gegen die Schilde fchlugen, daß es weithin übers Schlachtfeld 
dröhnte, und mit dem Hufe: Tod den Dänen! ftürzten fie fich 
auf das überrafchte und von ftarrem Entjegen ergriffene fönigliche 
Heer. In blutigem Bandgemenge war in furzem das Schickſal 
des Tages entfchieden. Waldemar war gefchlagen und feine Macht 
dauernd gebrochen. Nach dem Tage von Bornhöved hat er nach 
außen hin nichts rechtes mehr ausrichten fönnen. Er felbft wurde 
im Kampfe verwundet. Es ward ihm ein Auge ausgeftochen 
und er ſank bemwußtlos vom Pferde. Ein lünebursifcher Ritter 
ſoll ihn auf fein Roß genommen und aus der Schlacht nach Kiel 
gebracht haben.! — Chronijten, die den Grafen Adolph durchaus 
eine Rolle fpielen lafjen wollen bei der Schlacht von Bornhöved, 
haben hier gemeint, daß Adolph der Better des Königs gewefen 
fei und diefen auf fein Schloß zu Kiel gebracht habe oder habe bringen 
lafien. Das Kieler Schloß wurde aber erft 1240 von Adolph IV. 
gegründet. Dorher war Kiel eine unbedeutende Ortſchaft „tom Kyle“, 
zwijchen dem großen Kiel (dem Hafen) und dem Bleinen Kiel. Waldemar 
wird von hier aus in feine Staaten zurücgefehrt fein. Der Derluft 
der Dänen in der Schlacht bei Bornhöved wird auf 4000 Mann 
angegeben. — Der Abfall der Dithmarfcher vom Könige war 





ı Es wird von Chroniften nenerer Zeit wohl die Chat des „deutfchen“ 
Ritters zum Nachtheil der Dänen hervorgehoben. Aber die deutjchen 
£üneburger ftanden im Dienft des Dänenfönigs, und die dänifche Ritterfchaft 
kann nicht in Nitterlichfeit benachtheiligt erfcheinen durch die That des 
Deutſchen. 


Dithmarfchen theils unter bremifcher, theils anderer Berrfhaft. 67 


vorher mit dem Erzbifchof vereinbart worden. Die Dithmarfcher 
fandten vor der Schlacht eine Deputation an den Erzbifchof ins 
Heereslager der verbündeten Sürften mit dem Erbieten, daß fie in 
der Schlacht zum dentichen Deere übergehen wollten, wenn die 
Fürſten fich verbindlich machten, ihnen ihre alte Sreiheit unangetaftet 
zu laſſen. Sie wollten, wenn die Dänen gefchlagen würden, 
unmittelbar dem Bremer Erzftift zugewandt fein und mit Holftein 
in keinerlei Weife etwas zu fchaffen haben. Erzbifchof Gerhard II. 
nahm bereitwilligft den Dorfchlag der Dithmarfcher an und erlangte 
auch die Zuſtimmung Adolphs IV. zu demfelben. Adolph verzichtete 
auf alle früher von holfteinifcher Seite erhobenen Anfprüche gegen 
Dithmarfchen. — Wenn die Dithmarfcher in der Schlacht gegen 
die Derbündeten anrüden würden, jo follten die Spißen ihrer 
Schilde nach oben gerichtet fein, zum Seichen, daß fie nicht zum 
Angriff anrüdten.! 

Die Begebenheiten der Schlacht von Bornhöved find von 
fpäteren holfteinifchen Ehroniften, namentlich fchon von dem Pres» 
byter Bremenfis, m mancherlei Weife entftellt und ausgefchmücdt 
worden zur Derherrlichung Adolphs IV., als ob diefer der Haupt. 
held des Tages gewefen wäre. Adolph IV. war perfönlich tapfer; 
als Heerführer aber konnte er damals faum in Betracht fommen 
neben Heinrich von Schwerin, Albert von Sachfen und Gerhard II. 
von Bremen, und es verfteht fih von felbft, daß er, der unbe 
deutende fächfifche Aftergraf, nacht Macht und Einfluß unter den 
Derbündeten, zumal dem Sachfenherzoge und dem Bremer Erz. 
bifchofe gegenüber, nicht in leitender Stellung erſcheinen konnte. 
Bei älteren Ehroniften findet fih von einer fo hervorragenden 
Bedeutung Adolphs IV., wie fie von fpäteren demfelben als 
„Sieger bei Bornhöved*” beigelegt worden, wenig oder nichts. 
Dagegen berichten Alle, welche über die Schlacht bei Bornhöved 


ı Ein umgewandter Schild gewährte Feine Dedung. Alfo aud die 
Derbündeten trauten den Dithmarjchen. nicht redht und fürdteten in deren 
Dorfchlägen eine Kriegslift. 

5* 


68 Erfter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Nachricht geben, daß die Dithmarfcher durch ihren Abfall vom 
Könige Waldemar die Schlacht entichieden und die Niederlage des 
Dänenheeres bewirkt haben, fo daß felbft der Presbyter, obwohl 
er in feiner Chronik nur die holfteinifchen Grafen zu verherrlichen 
fucht und in Beziehung auf die Schlaht von Bornhöved von 
einem Siege Adolphs und der Holfaten fpricht, es nicht ver- 
meiden Tann, den Abfall der Dithmarfcher als Urfache des Sieges 
über Waldemar erfcheinen zu lafjen und dadurch dem Adolph IV. 
den Ruhm eines Siegers zu fchmälern. In Petrus Olaus Ercerpten 
(£angebed, II, 259— 260) wird der Abfall der Dithmarfcher als 
die Urfache der Niederlage Waldemars bei Bornhöved angeführt 
und gefagt, daß der König nachher Rache gejucht habe an dem 
Volke, welches treubrüdhig im Kampfe zum Seind übergegangen 
ft — „quod violata fide in ipso bello transfugissent“; im 
Chronic.-Daniae (kangebed II, 173) wird berichtet, daß 1227 die 
Schlaht war bei Bornhöved, wo die Dänen gejchlagen worden, 
weil die Dithmarfcher fie verriethen — „A. Domini 1227 bellum 
fuit in Bornehoved, ubi Dani corruerunt, proditi per Thydmer- 
schienses® und in den Annalen des Nuhellofters (Erici Regis 
Chron. ap Langebeck I, 166) wird gejagt, daß 1227 die Dänen 
bei Bornhöved gefchlagen worden, weil die Dithmarfcher, die 
das Hintertreffen gebildet, Derrath begangen, indem fie das Heer 
der Dänen hinterrücds niedergefchlagen hätten. — „Anno Domini 
ı227 in Bornehoved Dani cormerunt.e Nam Thidmerskienses 
in ultimo exercitius collocati, proditionem facientes, exercitum 
Danorum cum quibus erant, a tergo percusserunt.* So ftimmen 
holfteinifche und dänifche Ehroniften in ihren. Nachrichten darin 
überein, daß die Ditkmarfcher es waren, welche bei Born- 
höved die Schlacht entichieden. Aber auch darin find die 
Ehroniften ziemlich einfiimmig, daß fie den Abfall der Dith- 
marfcher als Derrath und Treubruch gegen Waldemar bezeichnen. 
Don der Schlacht bei Bornhöved her datirt die Bezeichnung der 
Dithmarfcher als eines treulofen Dolfs, welches, wie der Presbyter 


Dithmarfchen theils unter bremifcher, theils anderer Herrfhaft. 69 


Bremenfis jagt, nicht hält, wenn es gefangen wird, und dem 
man frauen möge, wenn Baare in feiner Hand wüchſen. Die 
Dithmarfcher jedoch hatten fich nicht dem Könige verbündet und 
zur Heeresfolge erboten; fie waren von jenem, der gar fein Recht 
hatte, Treue und Folgſamkeit von ihnen zu fordern, widerrechtlich 
zur Beeresfolge genöthigt worden und befanden fich gegen den 
König, als einen Räuber ihrer Sreiheit, nur im Stande der Noth- 
mwehr. Daher ift es übel angebracht, hier von Treulofigfeit zu 
reden. Das Wort foll ftehen, wie ein Mann; aber es foll aud 
frei fein, wie diefer, andernfalls fehlt ihm eben die Bedeutung 
des „Wortes”, welches unverbrüchlih if, und wenn es dann 
wahr ift, daß Jeder feinen Preis hat, für den er fih und feine 
Sreiheit hingiebt, fo beweift das Gerede der Ehroniften von Treu: 
bruch und Derrath der Dithmarfcher in der Schlacht bei Born 
höved nur, daß fie gar Fein Derjtändnig haben für den Werth, 
den die Dithmarfcher, gleich den Germanen, die unter Hermann 
im Teutoburger Walde von Darus, dem fie Treue gelobt, ab: 
fielen, auf ihre Sreiheit legten. 

In der Schlacht bei Bornhöved hatten die Dithmarfcher den 
ihnen angethanen Schimpf erzwungener Heeresfolge von fich ab» 
gethan und ihre Sreiheit fich wiedererftritten. Durch ihren Abfall 
vom Könige Waldemar hatten fie Nordelbingen von der Herrfchaft 
des Dänentönigs befreit und es dem deutjchen Reiche wieder: 
gewonnen. 


Der Taa der Schlacht bei Bornhöved war der Tag Maria: 
Magdalenen, der 22. Juli, 1227. 


Bweiter Abschnitt, 


Don 1227 bis 1447. 


Erſte Abtheilung. 

Von 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard den Großen von Holſtein, 1319. 

Dithmarſchen war nun ein ſelbſtändiges Glied der Bremer 
Diödcefe. Gerhard II. war nomineller Candesherr und erhielt fich 
in feiner Stellung als folcher. Zwar verfuchte Waldemar, fich 
wieder in den Befig von Nordelbingen zu bringen, aber feine 
Unternehmungen in diefer Beziehung waren vergebens. Er zog 
im Jahre 1228 abermals mit einem Heere nach Dithmarfchen 
und rächte fich, fagt Albert Eranz (Wandal. IV., 230), an dem 
Dolfe, das im heftigften Hampfe abgefallen war, Treu und 
Glauben gebrochen hatte, wobei viele Dithmarfcher umfamen, 
aber in den Befiß des Landes gelangte er nicht, und nachdem 
auch ein Derfuch auf Bolftein ihm mißglüdt war, zog er in fein 
Reich zurüd. 1229 verglich er fich mit dem Erzbifchof Gerhard U. 
und dem Grafen Adolph IV. von Bolftein. Als in diefem Jahre 
fein Prinz Waldemar mit einer portugiefifchen Prinzeffin Hochzeit 
gab zu Ripen, erfchienen auch der Erzbifchof Gerhard und der 
Graf Adolph dort zum Sefte, und es fam dafelbft eine völlige 
Derjöhnung zwifchen den bisherigen Gegnern zu ftande, die Hier 
ein förmliches Bündniß zu gegenfeitigem Beiftand eingingen. Die 
Quhe des Landes wurde durch Waldemar nicht wieder geftört. 


Don 1227 bis zur Schladt gegen Gerhard d. Er. von Bolftein, 1319. 71 


Adolph IV. mußte nothgedrungen fchon fein bei Bornhöved ge- 
gebenes Wort halten und Dithmarjchen unangetaftet laflen, da er, 
der Sohn des verhaßten Adolphs II, im eigenen Lande viele 
Gegner fand und genug zu thun Hatte, fich dort nur feitzufegen 
und einzurichten. Gerhard U. Hatte fich inzwifchen, um nach 
allen Seiten hin fich zu fichern, auch mit Herzog Albert von 
Sachfen, aus dem Ascanifchen Haufe, in Unterhandlung eingelaffen, 
und Albert ftellte ihm 1228, den 15. Mai, eine förmliche Derzicht- 
leiftung auf Dithmarfchen und überhaupt auf die Grafichaft 
Stade aus.! 

Der Erzbifchof übte wirklich Iandesherrliche Rechte aus; doch 
fonnten fich diefe der Natur der Sache nach, da der Erzbifchof 
den Sieg bei Bornhöved den Dithmarfchern verdanlte, und diefe 
fih ihre alten Sreiheiten von Gerhard und feinen Derbündeten 
hatten garantiren laſſen, nicht weiter erſtrecken, als die Dithmarfcher 
geneigt waren, fie ihm einzuräumen. Beim Antritt erhielt ein 
Erzbifhof aus dem Lande 500 Mark Lübſch zum „Willlomm*. 
Der Erzbifchof hatte das Recht auf fchiffbrüchiges But (nau 
fragium), welcher Begriff jo weit ausgedehnt ward, daß, wenn 
ein Wagen, der durch fein Gebiet fuhr, umwarf, die Ladung des» 
felben als fchiffbrüchiges Gut galt; ferner Hatte er die Einkünfte 
von den $ähren über die Elbe und Eider, das Heu von der 
Infel Tötel (bei Büfum), den Sifchfang im Kudenfee, die Nutzung 
des Borgholts (um die Bödcelnburg), fowie jährliche Einkünfte 
an Brüchgeldern aus firchlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit, die 
aber nur gering waren und weſentlich nur in einer geringfügigen 
Abgabe, die die Dögte als Zeichen der Anerkennung feiner Ober: 
hoheit dem Erzbifchofe zu entrichten pflegten, beftanden. 


ı Das betr. Diplom (bei Bolten II, 250) beweift, daß Herzog Albert 
die Lehnshoheit über Nordelbingen übte und es ein Jrrthum ift, zu meinen, 
dag mit Heinrichs des Löwen Fall die Hoheit der Sadfenherzöge in Nord- 
.elbingen zu Ende gegangen. (Dafür zeugt aud die Beftätigung der 
Stiftung des Klofters Preek von 1252 (Chriftiani, 515). 


72 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Zur Ausübung feiner Gerechtſame beftellte der Erzbifchof 
einen Dogt (advocatus) als feinen Dertreter im Cande, der ohne 
Zweifel in Meldorf feinen Sig gehabt hat. Die Dögte hkand- 
habten die Kriminalgerichtsbarfeit und das Brüchding, waren (in 
ihrer urfprünglichen Bedeutung) Sührer im Heerbann und hatten 
die Intereffen des Landes nach außen hin in erfter Kinie zu ver- 
treten. Urfprünglich gab es nur einen Dogt im Kande; aber 
fchon im legten Diertel des 13. Jahrhunderts finden fich mehrere 
Dögte (advocati), Solange es nur einen Dogt gab, mochte 
wohl die Stellung desfelben der eines Grafen verglichen werden, 
und es fcheint auch der Dogteibezir! damals noch zuweilen als 
Graffchaft bezeichnet worden zu fein, fo 3. 8. in einer Urkunde 
(bei £appenberg, Urfundenbuch, 532) vom Jahre 1251, in welcher 
die holfteinifchen Grafen Johann und Gerhard einen Edelmann 
Otto von Barmftede, der in Dithmarjchen, bei Brunsbüttel, einen 
Bof befaß, verpflichten, fich ohne ihr Dorwiffen nicht mit der Graf: 
fchaft Dithmarfchen belehnen zu lafjen. Hier fann aber die Be 
zeichnung als Grafſchaft nur auf traditionellem Sprachgebrauch 
aus der Seit her, da Dithmarfchen feine eigenen Grafen hatte, 
beruhen. Die Theilung der urfprünglichen einen Dogtei in 
mehrere Dogteien zeugt dafür, daß, wie es bei dem durch die 
Schlacht bei Bornhöved gefchaffenen Derhältnißg zu Bremen nicht 
anders fein fonnte, die Stellung der Dögte im Lande von vom: 
herein nicht die der Grafen und Candvögte war, wie folche von 
weltlichen Potentaten zur Derwaltung in die einzelnen Gaue und 
Provinzen gefeßt wurden, fondern die der Schirmvögte, wie fie 
durch Karl des Großen Anordnung (Bangert not. ad Helmold, 
p. 338) den Kirchenfürften und der hohen Heiftlichkeit zum Schuß 
der Parochien und Diözefen zugeordnet worden, die nicht nur die 
Gerechtigkeit zu handhaben und alle eigentlich weltlichen Händel 
zu fchlichten, fondern auch nach außen hin für die Sicherheit der 
Didzefen zu wachen und diefelbe zu wahren hatten gegen jeglichen 
Angriff. Die Dögte wurden aus den Dithmarfchern ermwählt. 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Br. von Bolftein, 1319. 73 


Die Ernennung der Dögte ftand natürlich dem Erzbifchofe zu. 
Da aber ein im Lande unliebfamer Dogt die ihm obliegenden 
Sunftionen nicht hätte verfehen Fönnen, fo war das Ernennungs⸗ 
recht des Erzbifchofs thatfächlich nur ein Beftätigungsrecht, welches 
fich, wenn £eßterer dasfelbe überhaupt üben und wahren wollte, 
darauf bejchränkte, daß der Dogt, der den Dithmarjchern gerade 
genehm war, vom Erzbifchofe beftellt ward. So waren die Dögte 
nicht Dorgejeßte des Landes, fondern Beamte desfelben, aus den 
£andeseingefefienen genommen. Die erfte urtundliche Erwähnung 
eines Dogts datirt vom Jahre 1265, doch ift die Einfegung eines 
folchen jedenfalls gleich bei der nach der Schlacht bei Bornhöved 
vorgenommenen Neuordnung der Dinge erfolgt. Neben den 
Dögten erfcheinen feitdem an der Spige der Landesverwaltung 
Ritter (Milites) und Rathgeber (Consules) nebft einer Candes⸗ 
gemeinde (universitas terrae Ditmarsiae). Die Milites erſcheinen 
als £ehnsleute, Minifterialen, des Erzbiichofs, wie fie damals den 
Schirmvögten zur Seite ftanden in Handhabung des Schußes der 
ihnen anverfrauten Parochien und Diözefanbezirfe. Die Aath- 
geber übten die Gerichtsbarkeit in eigentlichen Eandesfachen. Die 
geiftliche Gerichtsbarkeit, foweit fie nicht an fich Sache des Erz. 
bifchofs als folchen war, verblieb nach gefeßlich geordnetem Ber- 
fommen dem Hamburger Domkapitel. Zweimal im Jahre pflegte 
der Dompropft Synode zu halten zu Meldorf. — Die Zuſammen⸗ 
fegung der Landesvertretung zeigt, daß die Derfaflung des Landes 
von vornherein einen voltsthümlichen Zufchnitt hatte. Im Ffolle- 
gialifchen Sufammenmwirfen in der Kandespertretung mit Rathgebern 
und der Landesgemeinde Tonnten die Dögte auf die Beftaltung der 
Derhältnifie des Landes keinen vorherrfchenden Einfluß gewinnen, 
und eine Ausübung landesherrlicher Hoheitsrechte, die dem Lande un⸗ 
bequem gewefen wäre, von feiten des Erzbifchofs, konnte um fo 
weniger ftattfinden, als die Dögte aus den Dithmarfchern erwählt 
waren. Diefe waren nun darauf bedacht, fich dem Einflufie des Erz 
bifchofs möglichft zu entziehen und einen wirklichen Sreiftaat zu bilden. 


74 Zweiter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


Das Beftreben der Dithmarfcher, die ftaatlichen Derhältnifie 
nach den fortdauernden Wirren der Zeit von Rudolphs II. Tod 
bis zur Schlacht bei Bornhöved neu zu ordnen, wurde begünitigt 
durch das Bedürfnig ihrer Nachbarn nah Ruhe und Erholung. 
Auch der Erzbifhof mußte bedacht fein, im Srieden mit ihnen 
zu bleiben. Die Ruhe mwurde erft geftört nach dem Tode 
Waldemars U. Als diefer 1241 ftarb, erhielt fein ältefter Sohn 
Erich das Königreich, während ein jüngerer, Abel, fchon feit 
1232 als Herzog über Südjütland regierte. Erich wollte nun 
das feinem Dater angethane Unrecht rächen und Vordelbingen 
zurüderobern. Abel, als Dafall des Königs, follte Heeresfolge 
leiften, weigerte fich deſſen aber und hielt es mit den holfteinifchen 
Grafen Johann I. und Gerhard I., Adolphs IV. Söhnen, deren 
Dormund er war und deren Schwefter Mechtild er geheirathet 
hatte, gegen feinen Bruder Erich. Mehrere deutſche Sürften, unter 
ihnen der Erzbiihof von Bremen, als einer der zunächſt Bethei- 
ligten, da Erichs Pläne auh auf Dithmarfchen gerichtet waren, 
nahmen Abels Partei und verhinderten Erich an der Durchführung 
feiner Abfichten auf Nordelbingen. In den friegerifchen Derwide- 
lungen zwijchen den beiden Brüdern, die erft mit der Ermordung 
Erihs durch Abel, im Auguft 1250, geendigt wurden, war 
namentlich der Erzbifchof Gerhard ein eifriger Bundesgenoffe 
Abels. Er belagerte noch in Gemeinfchaft mit den holfteinifchen 
Grafen die Seftung Rendsburg, als Erichs Tod dem Bruderzwifte 
ein Ende machte. Es kann nicht zweifelhaft fein, daß auch die 
Dithmarjcher, auf die Erichs Abfehen gerichtet war, mit dem Erz 
bifchofe am Streite theilgenommen haben, doch wird hierüber 
nichts berichtet. Auch ift bei den Annaliften nicht davon die Rede, 
dag Erihh im Derlaufe des Streites mit einer Heeresmacht nad 
Dithmarfchen gelommen fei. Es mögen daher die Unruhen diefes 
Bruderfrieges, wenn fie auch einerfeits die Arbeit der Dithmarfcher 
am Ausbau des Sreiftaates hinderten, doch andererfeits dDiefer wieder 
förderlich gemejen fein, indem fie die Aufmerkſamkeit des Erz. 


Don 1227 bis zur Schladht gegen Gerhard d. Br. von Holftein, 1319. 75 


bifchofs von den Dorgängen in Dithmarfchen ablenkten und feine 
ganze Thätigleit nach außen Hin in Anfpruch nahmen. 

Als Gerhard II. 1259 ftarb, entitanden große Unruhen über 
die Wahl feines Nachfolgers. Das Bremer Domlapitel wählte 
Hildebold, der nachher auch vom Papfte beftätigt wurde. Das 
Hamburger Domlapitel dagegen ftimmte für Simon, Bifchof zu 
Paderborn, Gerhards II. Bruderjohn. Die Kolfteinifchen Grafen 
und die Stadt Hamburg nahmen fich des Leßteren an. Die hieraus 
entftandenen Swiftigkeiten gingen fchlieglich in offene Sehde zwifchen 
Bamburg und Bremen über. Die Hamburger vermwüfteten das 
Stift Bremen. Die Bremer überfielen und beraubten die ham- 
Burgifchen Schiffe auf der Elbe. Die Dithmarfcher betheiligten 
fich eifrig an den Seindfeligkeiten gegen die Hamburger. Mit den 
holfteinifchen Grafen fchlog Erzbifchof Hildebold bereits im Jahre 
1259 Srieden, nachdem er gegen diefelben einen Seldzug unter: 
nommen, aber nichts erreicht hatte. Die Streitigleiten mit Hamburg 
aber dauerten fort. Endlich fommt es zum Dergleiche. Die Dith- 
marſcher fchliegen 1265, 26. Auguft, einen Dertrag mit Hamburg, 
in welchem über die Weiſe, wie gegenfeitige Klagen zwifchen 
Hamburgern und Dithmarfchern gefchlichtet werden follen, beftimmt 
wird. Wenn ein Hamburger Bürger wider einen Dithmaricher 
Hagbar würde wegen gewaltfamer Bejchädigung aus der Seit des 
legten Dezenniums, fo folle der Bellagte Erjaß leiften, wenn er 
der That geftändig fei, wenn nicht, fo folle er mit 12 gut« 
beleumdeten Männern feine Unfchuld beweifen. Würde in Zu- 
funft Gewalt gegen Hamburger geübt und ein Dithmarfcher des- 
wegen bellagt, jo folle er feine Ausfage durch den Eid (Nemede) 
von 12 Männern aus feinen Nachbarn und Kirchipielsgenoffen 
glaubhaft machen. Die Hamburger, wenn fie von den Dith- 
marjchern angellagt werden, follen fich nach Hamburger Stadtrecht 
zu verantworten haben. Die Blutrache foll bei Todtfchlägen 
unterfagt fein. Die Urkunde des Dertrages (die 1842 im Ham- 
burger Brand untergegangen ifl) war zu Meldorf ausgefertigt, 


76 Zweiter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


welches zum erften Male hier als Stadt urfundlich angeführt ward. 
(Dahlmann Anh., IV. 3. Neod. 1)! Auf Beilegung der Streitig- 
feiten wirkte befonders ein gerade in Hamburg auf einer Reiſe 
nach Dänemarf anwefender päpftlicher Legat, Kardinal Buido, Hin. 
Auf bezügliche Dorftellung der Hamburger erließ er ein Mandat 
gegen Seeraub und Plünderung fchiffbrüchigen Gutes und gebot 
Erfaß des Beraubten, wies auch den Erzbifchof von Magdeburg 
an, auf Nachlebung des Gebotes zu achten und gegen Hebertreter 
desjelben event. mit dem Banne vorzugehen. Als der Erzbifchof 
Hildebold davon Kenntniß erhielt, fandte er unverzüglich den 
Kanonifus Thitard nach Hamburg, um im Intereſſe feiner Unter- 
tbanen an der Elbe und am Meer eine Milderung des Befehles 
dahin zu bewirken, daß die Wiedererftattung nur von fünftigen 
Sällen gelten folle. Der Kardinal erklärte dann auch, daß das 
erlaffene Mandat Feine rückwirkende Kraft haben folle, und wies 
zugleich den Erzbifchof an, das wegen des Seeraubes Derfügte in 
feinem Sprengel befannt zu machen, während er dem Hamburger 
Dompropften aufgab, die Derfügung in allen ihm unterftellten 
Kirchen, wozu auch die Kirchen in Dithmarfchen gehörten, publi« 
ziren zu laffen. Der völlige Sriede zwifchen Hamburg und Bremen 
fam jedoch erft 1267 zu ftande. 

Der Erzbifchof Hildebold farb im Jahre 1273, und Giefelbert 
wurde fein Nachfolger. Diefer beftätigte in demfelben Jahre die 
geiftliche Jurisdiltion der Hamburger Propftei in Tlordelbingen. 
Der Stadt Hamburg aber erwies der friegerifch gefinnte Giefelbert 
fi} feindfelig. Er erneuerte die Streitigkeiten feines Vorgängers 
mit den Hamburgern, und £eßtere hatten daher über Bedrüdung 
von feiten der Unterthanen des Erzbifchofs zu Hagen. Auch die 
Dithmarfcher übten Gemaltthätigfeiten gegen Hamburger Schiffe 


Die Urkunde zeigte neben dem Sandesftegel (die Taufe Chrifti dar- 
ftellend) das Meldorfer Stadtfiegel, fünf Thürme ftrahlenförmig im Halb⸗ 
freife ftehend, mit der Umſchrift: „Sigillum civitatis Meldorp“. 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Gr. von Holftein, 1319. 77 


auf der Elbe. Die holfteinifchen Grafen Gerhard I. und deffen Sohn 
Gerhard UI. nahmen für die Hamburger Partei und fchloffen 1281 
mit Ddiefen einen Dertrag, nach welchem fie die Sache derjelben 
mit Daffengewalt gegen den Erzbifckof vertreten wollten. Der 
Streit ward dann durch Dermittelung der Grafen beigelegt. 
Swifchen den Hamburgern und den Dithmarfchern wurde durch 
Dermittelung des Suardians, eines Bruders Hinrich und anderer 
Mönche vom Orden der Mlinoriten (Sranzistaner) zu Hamburg 
am 7. Mai 1281 zu Meldorf ein neuer Dertrag gefchlofien. 
Wenn ein Hamburger, Lübeder oder fonft Jemand zu Wafler 
oder zu Lande nach Dithmarfchen fäme, fo follte derfelbe völlige 
Sicherheit feiner Perjon und feiner Güter genießen. leicher- 
maßen follen die Dithmarfcher zu Hamburg ficher handeln und 
wandeln Fönnen. Wenn ein Dithmarfcher wider diefen Dergleich 
fich vergehen würde, jo follte man von dem Kirchfpiele, in welchem 
derjelbe fich aufhielte, allen Beiftand zur Erftattung des Schadens 
erwarten fönnen, und wenn der Schuldige flüchtig geworden, folle 
Verfelbe geächtet fein und aus feinen zurüdgelafjenen Gütern 
Wiedererftattung des angerichteten Schadens erfolgen. Salls ein 
einzelnes Kirchjpiel zu fchwach fein würde, dem Thäter Wider: 
fand zu thun, fo folle das Land mit gewaffneter Hand Beijtand 
leiften. Beide Theile verpflichten fich, die in alten Traftaten ein 
ander eingeräumten Dergünftigungen fortbeftehen zu lafjen. Als 
Dertragichliegende auf dithmarfcher Seite erfcheinen: Ritter, Dögte 
und die £andesgemeinde — „Milites, advocati et universitas terre 
Ditmercie*“. Mit der Dertragsurfunde gleichlautende Derichrei- 
bungen wurden an demfelben Tage von den Kirchjpielen Alverdes- 
dorpe, Bocholdeborg, Bufen, Delff, Heddeleke, Hanftede, Heritede, 
£unden, Merna, Chellingftede, Wedhingftede, Wislingheburen und 
Worden abgegeben. Diejes waren aljo damals neben Meldorf 
die Kirchipiele des Landes. Die Heranziehung der einzelnen Kirch- 
fpiele zur Aatifizirung des Dertrages zeugt, wie von der Dorjicht 
der Hamburger, jo von der großen Selbftändigfeit der Kirchfpiele. 


78 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Dithmarfchen bildete gleich den Schweizerfantonen gleichfam einen 
Bund ftaatlich felbftändiger Kirchfpielsgemeinden. 

Auch mit den Grafen von Bolftein befreunden fich die Dith- 
marfcher mehr und fchliegen am Sonntage nach Epiphanias, 
d. i. am 10. Januar, 1283 ein Dertheidigungsbändnig mit dem 
Grafen Gerhard II., dem Blinden oder Schwarzen. Sie ver- 
prechen, dem Grafen und feinen rechten Erben innerhalb und 
außerhalb feiner Herrichaft beizuftehen wider alle Seinde, ihren 
Landesherrn, den Erzbifchof von Bremen ausgenommen, in deflen 
Land jenfeits der Elbe fie nicht einfallen wollen. Sollte jedoch 
der Erzbifchof mit Heeresmacht in die Braffchaft Holftein einfallen, 
jo wollen fie auch gegen ihn ihre Hülfe leiften. Diefer Dertrag 
ift fpäter aufgefunden und von den holfteinifchen Grafen fehr miß- 
deutet worden, fogar als eine Derpflichtung zu fteter Heeresfolge 
und als eine Anerfennung holfteinifcher Herrſchaft. Die von 
Dablmann (aus dem Königl. Beheimarchiv zu Kopenhagen) mit- 
getheilte Urkunde diefes Dertrages! lautet: 

Consules ac universitas terre Ditmarcie omnibus precencia 
visuris Salutem in Domino sempiternam. Ut humana exinde 
coherceatur audacia tuttuque sit inter improbos innocentia et in 
iqsis improbis formidato supplicio refrenetur presumpcio notum 
esse cupimus universis et literis presentibus protestamur nos fide 
prestita corporali perpetuo obligasse nobili duo Gerhardo Comiti 
holtzacie et suis justis heredibus ipsis astare eosdem manuinuare 
in districtu dominei sua et extra contra quemlibet hominem ipsos 
infestantem ac pacem eorum tramite aliquo modo perturbantem 
Ekcepto Reverendo patre et Domino nostro Bremensi Archiepiscopo 
cujus terminos ad devastandum transalbeam cum dicto Comite 
non intrabimus. Sed Comeciam holtsacie si ipsum Archiepiscopum 


! Die Anführung der Dertragsurfunde in der Sprade des Originals 
dient nur zur Erhärtung und zum weiteren Beleg des Angeführten, ift 
alfo für die Lektüre Fein Binderniß, da die Urkunde übergangen werden 
kann, ohne daß der Sufammenhang in der Darftellung unterbrochen wird. 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Br. von Bolftein, 1519. 79 


manu hostili et armata intrare contigerit cum predicto Comit 
sive suis heredibus pro nostris viribus efficaciter defendemus it 
ut cum sibi in auxilium veniamus nobis necessariis provident i 

expensis ut autem hec amicitie vinculum inter nos sit penitu 
radicatum son in adversis neque prosperis loco vel tempore disso 
lutum Sigillum terre nostre presentibus est appensum. Datu 

meldorpe dominica proxima post epiphan. Domini Anno dni., 
MICCILXXXIN. 

Neber die Deranlafjung des Bündniſſes ift nichts befannt, und 
lafjen fich Bier nur ganz unfichere Dermuthungen anftellen, da auch 
die Begenverfchreibung des Grafen, die hier notkwendig erfolgt 
fein muß, nicht befamt ifl. Merkwürdig aber ift die von dith- 
marfifcher Seite ausgefertigte Urkunde deshalb, weil fie ausgeftellt 
worden, ohne Betheiligung der Dögte und Milites, nur von 
Consules und der universitas terrae Ditmarsiae. Die Abfchliegung 
des Dertrags zeugt für die Selbftändigkeit der Eandesgemeinde 
und für das hohe Anfehen, in wekhem fchon damals die Rath⸗ 
geber ftanden, auch gegenüber den Dögten und Milites. Keßtere 
haben fih von dem Dertragsichluß ferngehalten offenbar, weil 
derfelbe auch gegen den Erzbifchof gerichtet war. Die Mlilites 
werden zum legten Aal genannt in emer Urkunde vom 12. Juli 
1286, in welcher die Juraten und die Gemeinde des Kirchfpiels 
Brunsbättel und des Kirchipiels Marne fich zur Abftellung des 
Seeraubs verpflichten und für den Sall der Derlegung der ein- 
gegangenen Derpflichtung Leib und But des Schuldigen zu Händen 
des Erzbifchofs, der Dögte und Milites verftellen. 

Aber ungeachtet des von Gerhard mit den Dithmarfchern 
abgefchlofjenen Bündniffes und uneingedent? der Abmachung vor 
der Schlaht bei Bornhöped, erneuern die holfteinifchen Grafen 
Johann II. von Bolftein.Kiel und Heinrich I. von Holſtein⸗Rendsburg 
wieder die Anfprüche auf Dithmarfchen. Sie gaben vor, fagt 
Eranz, dag Dithmarfchen eigentlich zu ihrem Bebiet gehöre. Don 
weiteren Gründen zu einem Kriege gegen die Dithmarfcher wird. 


80 Zweiter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


nichts berichte. Die Emeuerung der alten Aniprüche war nur 
eine Erneuerung der alten Raubgelüſte der Holftenherren. Die 
beiden Grafen fielen 1289 in Dithmarfchen en. Doch mißglüdte ihr 
Unternehmen, wie Eranz fagt, durch einen gerinfügigen lächerlichen 
Unftand: Diejenigen, welche im Dordertreffen des Heeres ftanden, fahen 
einen Hafen (nach Anderen einen Kater) vor fich über den Weg 
laufen und erhoben im Scherz ein Jagdgeſchrei. Die im Hinter 
treffen ftehenden Bolfteiner hielten das Gefchrei für ein Seichen, 
daß die Dithmarfcher auf das Heer eingebrochen feien, und viele 
wandten fich zur Slucht. Es entftand eine allgemeine Derwirrung.! 
Dieſes benugten die Dithmarjcher, indem fie fih auf das in 
Unordnung gerathene Heer ftürzten. Die zertrennten Haufen des 
feindlichen Dordertreffens Tämpften, bis auch ihre Bintermannen 
zu weichen begannen, dann fchloffen fie fich diefen an und fuchten 
in Eile zu entlommen. Diele von den Holfteinern wurden er- 
fchlagen und viele gefangen; die meiften aber retteten fich durch 
die Slucht. Es wird gefagt, daß einige holfteinijche Edelleute mit 
dem Hriege wider die Dithmarfcher unzufrieden geweſen wären 
und daher die entftandene Panik im holfteinifchen Heere abfichtlich 
gefördert hätten. Sie wären fpäter des Landes verwiefen worden. 
Einen gejchichtlichen Beleg dafür findet man aber nicht, und fpricht 
fi} Bier wohl nur ein Beftreben holfteinifcher Ehroniften aus, 
die Ziederlage der BHolfteiner in Dithmarfchen in ein vortheil« 
hafteres Licht zu ftellen. Der Erzbifhof Gifelbert fandte den 


ı Xop, lop! hätte Einer dem Andern zugerufen. Das hätten die im 
Bintertreffen ftehendeun Mannfhaften für eine Aufforderung zur Flucht 
gehalten und ſich dann eiligft davon gemacht nad Darftellung einiger hol- 
fteinifcher Ehroniften. — Es zeugt das jedenfalls von dem Ruhm der Un- 
bezwinglichlicheit, der mit dem Namen der Dithmarfcher verfnüpft wurde, 
und gilt hier mut. mutand., was Neocorus von den Römern fagt: Bebben 
fil! vor den Dütfhen fo mädıtig gefürdtet, dat fe ehnen nicht under de 
Ogen kamen und fe anfehen dorfen, fondern hebben fill! man op de 
Hennefahrt geſchicket und ehr Teftament beftellt und ift daher ein Spridiwort 
entftanden: „Wer unglädlich kriegen, dat ift vorleren will, de fange etwas 
mit den Dätfchen an; will einer gefchlagen fin, de zanke mit den Dütfchen.“ 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Gr. von Bolftein, 1319. 81 


Dithmarfchern Hülfe. Es fam jedoch bald zum Srieden. Diefer 
unglüdliche Krieg der Holfteiner wider Dithmarfchen heißt bei den 
Annaliften der Hafentrieg. 

Graf Beinrich I. heiratbete nach dem Hajfenfriege eine Nichte 
des Erzbifchofs Gifelbert, Hedwig von Bronchorft, Tochter des 
Grafen Slorentius von Bronchorft, eines Bruders des Erzbijchofs, 
und aus diefem Anlaß fchenfte Gifelbert 1298 an Heinrich I. 
einige Güter an der Eider in Dithmarfchen, in Delve und Telling- 
ftedt. Bei Bolten und neueren Schriftftelleen heißt es mit 
Beziehung auf das Gottorper Bepertorium, daß Gifelbert dem 
holfteinifchen Grafen die Kirchfpiele Delve und Tellingftedt gefchentt 
habe. Doch ift leicht zu erachten, daß eine Derjchentung Dith- 
marfcher Kirchfpiele ein Ding der Unmöglichkeit fein mußte. Es 
handelte fihh nur um einige Privatgüter, die der Erzbifchof hier 
befaß und die er von dem Ritter Otto von Plön für fein eigenes 
Geld getauft hatte, die von Otto von Plön aber von Nko de 
Offehovede erftanden worden waren, wie aus der von Dahlmann 
aus dem Königlichen Geheimarchiv zu Kopenhagen mitgetheilten 
Schenftungsurfunde erhellt, in welcher es heißt: 

„Giselbertus dei gratia sancte Bremensis ecclesie Archiepiscopu 
omnibus praesens scriptum visuris seu audituris Salutem in Domin 
sempiternam. Neverint universi quod nos donavimus et contulimu 
liberaliter nobili viro Domino Hinrico Comiti Holtsacie gener 
nostro dilecto et suis heredibus omnia bona integraliter que nostri 
denariis emimus in terra thitmarcie apud Eydria a Ottone milit 
dco. de plone cum omni utilitate sicut predictus Otto miles emer 
a ycone de ossehovede sicut nos possedimus perpetuis temporibu 
pacifice et quiete possidenda ut igitur hec nostra donacio i 
posterum a nullo possit irritari et immobilis perseveret presente 
paginam Sigilli nostri munimine duximus roborandam. Datu 
anno Dni, m°cc® nonagesimo octavo demimo octavo k k Decembris. 

Don einer Derfchenfung Dithmarfcher Kirchfpiele ift hier alſo 
nicht zu reden. Auch ift es ein Jrrthum, wenn es bei Bolten 

Dithmarfcher Geſchichte. 6 


82 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


und Anderen heißt, daß Gifelbert ein Dithmarfcher Kirchfpiel, 
Langenbrof, verpfändet habe. TDiefer verpfändete 1304 dem 
Grafen Beinrich I. zwar das Kirchfpiel Langenbrof; allein Kangen- 
brof lag nicht in Dithmarfchen, fondern in der Hafeldorper Marſch, 
und jener Jrrthum ift nur daher entftanden, daß Bolten die „fieben 
Gemeinden” des Erzbifchofs im Norden der Elbe, die fih wider 
Gifelbert auflehnten, in Dithmarfchen vermuthete, indem er 
(II, 356—357) meinte, daß die Einwohner der „fieben Parochien 
jenfeits der Elbe“ (von Bremen aus gevechnet) die Dithmarfcher 
feien, welche damals entweder fieben Bemeinden ausgemacht oder 
von welchen nur fieben Bemeinden fich aufgelehnt hätten wider 
den Erzbifchof.! Gifelbert war durch die Kriege, die er führte, 
durch Aufführung prächtiger Bauten und Ankauf großer Güter 
im Bremifchen in Geldnoth gerathen. Daher auch die Derpfändung 
des Kirchfpiels Kangenbrof. Er drüdte in feinen leßten Lebens» 
jahren feine Unterthanen mit Auflagen und begünftigte den Adel, 
die Wehrmannen. Darüber geriet er in Streit mit den gedrüdten 
Unterthanen. Namentlich die Kehdinger und die Einwohner der 
fieben Parochien lehnten fih wider ihn auf, fo daß er fie mit 
Waffengewalt zum Gehorſam zu bringen fuchte. In diefer Zeit 
verfchwinden die Milites als ein befonderer Stand im Lande. In 
der beregten Urkunde von 1286 werden die Mlilites noch an der 
Spige der Landesverwaltung gefunden; in einer Urkunde vom 
Jahre 1304 kommt der Name der Mlilites nicht mehr vor, und in 
fpäteren Urkunden werden diefe auch nicht wieder genannt. Der 
Adel ift plöglich als Stand im Lande verfchwunden. Man fpricht 
hier wohl von einer Austreibung des Adels. Allein dafür ift 
fein gejchichtlicher Brund vorhanden. Die Ehroniften, welche von 
einer Dertreibung des Adels aus Dithmarfchen reden, ſetzen diefelbe 


! Die „2 Parochien“ haben überhaupt bei älteren Chroniften große 
Derwirrung veranlaßt. Hierher ift es auch zu rechnen, wenn bei Langebed 
in einer Ueberfegung des Presbyters von ⁊ Dogteien in Dithmarfchen die 
Rede ift. 


Don 1227 bis zur Schladyt gegen Gerhard d. Gr. von Holftein, 1319. 83 


in verfchiedene Seit. Johann Ranzau, Eilicius, Seedorf u. A. fegen 
diefelbe in die Seit der Regierung Hartwigs IL, der 1207 ftarb. 
Seedorf nennt ausdrüdlich das Jahr 1187 als das der Austreibung 
des Adels. Johannn Peterfen fagt: „Vor diefer Zeit (1186) ift 
viel Adels in Dithmarjchen gewefen, weil jie aber keinen Herrn 
gehabt im £ande, auch nicht viel des Bifchofs zu Bremen achteten, 
hat der gemeine Haufe denjelbigen ausgereutet, dadurch fie genöthigt 
worden, in andere Sürftenthumb fich zu begeben.“ Bolten jet die 
Austreibung in die Zeit um 13504. Andere finden es wahrfcheinlich, 
dag der Adel gleich nach dem Haſenkriege vertrieben worden jei. 
Eine allgemeine Austreibung des Adels zur Seit des Derjchwindens 
der Milites ift nicht zu Eonftatiren. Der Adel büßte feine Dorrechte 
ein, wurde als Stand aufgehoben. Wer damit nicht zufrieden war, 
der mußte aus dem Lande weichen. Eine wirkliche Austreibung 
hat nur in einzelnen Sällen ftattgefunden, in welchen die Gefchlechter 
ihren Adel austrieben. Namentlich die Dogdemannen trieben ihren 
Adel aus: die Reventlowen.! Diefe wandten fich nach Holftein. 
Daß übrigens der Adel im allgemeinen nach Aufhebung der 
Adelsporrechte es vorgezogen habe, das Land zu verlaflen, ift faum 
in Sweifel zu ziehen, und mußte jene Aufhebung im Erfolge 
wohl einer Austreibung des Adels gleichlommen. — Es haben 
jpätere Ehroniften die fcheinbar abweichenden Angaben der älteren 
über die Seit der Austreibung des Adels aus Dithmarfchen mit. 
einander auszugleichen gefuht. Allein die Beftimmtheit, mit 
welcher in älteren Nachrichten von einer Austreibung des Adels 
in den Jahren 1186 oder 1187, zur Zeit der Regierung des 
Erzbifchofs Hartwig UI., die Rede ift, fcheint dafür zu fprechen, 
daß wirklich in diefer Zeit eine Dertreibung des Adels flattgehabt 
habe und erft fpäter diefe Austreibung mit dem Derfchwinden der 
Milites als Aepräfentanten des Landes in den Ditkmaricher 


ı Außer den Neventlowen werden als Adelsgefchlehter Dithmarſcher 
Berfunft genannt: die Walftorpe (Bolten II, 296) und von der Bage 
(Dahlmann, Neoior. I, 557). 


6* 


84 Zweiter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


Urkunden, um 1300, in Derbindung gebracht worden fei, indem 
man angenommen, daß es fich bei der Derdrängung der Mlilites 
um Ausrottung eines alteinheimijchen dithmarfcher Adels gebandelt 
habe. für einen alteinheimifchen Adel als herrfchenden Stand, 
der als folcher in der Landesvertretung feinen Sit gehabt hätte, 
war in Dithmarfchen, zumal nah der Schlacht bei Bornhöned, 
nicht der Ort. Unter Bartwig II., 1187, fielen die Dithmarfcher 
vom Bremer Erzftift ab, und die Erbitterung im Lande war 
damals fo groß, daß man auch vom Leiche ſich abwandte und 
dem Schleswiger Bisthum fih anfchlog. Da Fonnte es dann 
nicht fehlen, daß die, unter der Herrfchaft Heinrichs des Löwen 
und des Erzftifts, Bier nach der Kosreißung von der BHerrichaft 
des Stader Grafenhaufes neu aufgefommenen Lehnsmannen und 
Milites, wie fie damals unter jeder Herrfchaft fich fanden, vor 
der Wuth des empörten Doltes das Land räumen mußten, und 
kann es demnach nicht zweifelhaft fein, daß zu der genannten Seit 
wirflich eine Austreibung des Adels aus Dithmarfchen ftattgehabt 
habe. Dasfelbe gilt bezüglich der Losreißung von der Berrfchaft 
des Stader Brafenhaufes unter Rudolph II., 1145 — damals 
wurden mit dem Brafen, heißt es in den Ehronifen, „Diele von 
den Dithmarfchern erfchlagen —, fowie bezüglich der Empörung 
um 1040 und 1044, in welcher die Grafen Dedo und Etheler 
auf Böcelnburg von den Dithmarjchern erfchlagen wurden. „Sie 
haben immer ihre Herren erfchlagen”, jagt der Presbyter Bremenfis 
von den Dithmarfchern. Wie fie immer die Herren im Lande 
erfchlugen, fo haben fie auch immer den Adel ausgetrieben; fie 
liegen im Lande Feine Adelsherrfchaft, feinen Adelsftand, der als 
folder, als befonderer Stand, ohne befondere Rechte, Dorrechte, 
nicht dentbar war, auflommen. Die Milites Tonnten fein alt 
einheimifcher Adelsitand fein, und daß fie es nicht waren, dafür 
zeugt eben der Umftand, daß, wie die LEhroniften berichten, fie 
von den Befchlechtern ausgeftogen wurden. In der Derfaflung 
des Dolfes nach Gefchle htern und Mannien konnte es, wie bei 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Gr. von Holftein, 1319. 85 


den alten Germanen, wohl Adlige, „Adalinge”, geben, aber feinen 
Welsftand. Die Edlen und Adalinge waren hervorragend tüchtige 
Alannen aus den Gefchlechten, die von der Dollsgemeinde an 
die Spige des Heerbannes berufen wurden, wie auch zum Amt 
der Richter im Dolf. Ihre Abzeichen waren bejonders geſchmückte 
Waffen, ihr Cohn größere Ehre und höheres Anfehen; im übrigen 
genofjen fie feine Dorrechte und beanfpruchten auch feine. Weil 
es feine erbliche Dorrechte gab, konnte es auch feinen eigenen 
Aelsftand geben. Die fog. edlen Gefchlechter, die Gefchlechter 
der Adalinge, waren Gejchlechter, aus welchen man die Sührer 
und Richter im Volk, die fog. Sürften des Krieges und des Sriedens 
bei den alten Deutfchen, zu wählen pflegte. „Milites“, Zitter, 
fann hier nicht Männer ritterbürtigen Standes, Edelleute in der 
gewöhnlichen Bedeutung im Unterfchied von Nichtadligen, bezeichnen; 
die „Milites“ können hier nichts anderes fein, als fog. „Mini- 
steriales ecclesiae militares*, vom Erzbijchof beftellte wehrhafte 
Minifterialen der Kirche, wie fie den Dögten fchon feit Karls des 
Großen Anordnung zum Schuß der Kirche und zur Hebung des 
Anfehens derjelben beigegeben wurden, Kehnsmannen des Erz 
bifchofs, gleich den Dögten hier aus den Dithmarjchern jelbft 
hervorgegangen. Aus den „Milites”, Aittern in der Bedeutung 
als Wehrmannen, die nicht wie der gemeine Mann zu Suß 
dienten, fondern, auf eigenen Sold, zu Pferde, find in der Solge 
die Ritter in der Bedeutung als ritterbürtiger Edelherren 
hervorgegangen. Einer derartigen, die Dolfsfreiheit bedrohenden 
Entwidelung beugten die Dithmarfjcher Gefchlechter vor, indem fie 
die Milites ausfchieden durch Befeitigung der längft bedeutungslos 
gewordenen nftitution der „Ministeriales ecclesiae militares* und 
Aufhebung der mit dem Befit der Kehnsgüter, aus welchen die 
Mlinifterialen für ihre Dienftleiftung ihren Unterhalt erhielten, 
verbundenen Gerechtſame. Das Auftreten der Milites unter den 
dithmarfcher Gefchlechtern in der Zeit nah der Schlacht von 
Bornhöved als eines Kehnsadels, foweit von einem folchen Bier 


86 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


überhaupt die Rede fein kann, bezeichnet nur jenes Stadium der 
Entwidelung freier Bemeinwefen, in welchem Standesunterfchiede 
und Standesvorrechte fich geltend machen wollen, indem perfönliche 
Dorrechte als erbliche Standesvorrechte in Anſpruch genommen 
werden, das Stadium, in welchem Standesinterefjen der Fortbildung 
zu rein demofratifchen Sormen hemmend entgegentreten ‚den Puntt, 
an welchem faft alle republifanifchen Gemeinweſen des Haffifchen 
Altertbums in der Entwicdelung verfümmert oder völlig zu Brunde 
gegangen find. Auch Rom ift nie über jenes Hemmniß der Ent- 
widelung hinausgelommen. Trotz der ausgefprochenen politifchen 
Gleichſtellung der patrizijchen und der plebejifchen Gefchlechter 
dauerte Doch die Abfonderung der drei Ordnungen: des Senats, 
der Ritter und des Volkes im engeren Sinne (ordo senatorius — 
amplissimus, equestris — splendidissimus, und popularis) fort. In 
Dithmarfchen wurde dieſes Hemmniß im Entwicelungsgange zu 
rein demofratifchen Sormen hin fo völlig überwunden, daß auch 
nicht einmal die Andeutung einer Spur von Standesunterfchieden 
und Unterfcheidungen nach Ständen unter den freien Dolls- 
geichlechtern in der Solgezeit gefunden ward. 

Während der Dithmarfcher Adel meift den holfteinifchen Grafen 
ſich zumwandte, hielt ein großer Theil des holfteinifchen Adels es mit 
den Dithmarfchern. Geraume Zeit fchon herrfchte ein ausgeprägter 
Unwille der holfteinifchen Aitterfchaft gegen die regierenden Grafen, 
infolgedefien im Jahre 1303 viele vom Adel, vornehmlich aus dem 
Gefchlechte der Bodwolde und aus den diefem verwandten und 
befreundeten Gejchlechtern, des Landes verwiefen wurden. Die 
vertriebenen Holfteinifchen Adligen wandten fich zum Berzoge Albert 
von Sachfen, der mit ihnen in Bolftein einftel, wo fie große Der- 
wüftungen anrichteten, und verbanden fich nachher mit den Dith- 
marjhern und Lübedern. Im Jahre 1306 machten die Dith- 
marſcher einen Einfall ins Bolfteinifche. Diele Holfteiner, vornehmlich 
Bauern aus der Wilfter Marfch, fchloffen fich ihnen an. Unter 
Sührung eines gewiſſen Pel& (Pelten, Pylfis), den neuere für 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Gr. von Holftein, 1319. 87 


einen Ritter aus dem MWedeler Haufe anfehen wollen, den ältere 
Chroniften aber einen Dithmarfcher nennen, und von dem Bolten 
meint, daß er aus dem alten, namhaften Befchlecht der Pylſen zu 
Elpersbüttel geweſen fei, durchzogen fie das Land und hielten 
dasfelbe in Surcht und Schreden. Zwiſchen Hamburg und £übed 
fegten fie fich feſt, verhinderten allen Derfehr der beiden Städte 
untereinander und mit dem Bolfteinifchen und unternahmen unter 
Anführung des Pelg in Bemeinfchaft mit dem aufftändifchen Adel 
fühne Streifzüge wider die Grafen, die noch eine anfehnliche Zahl 
von WMiethstruppen zur Derfügung hatten. Den bedrängten 
Grafen kam endlich der Erzbifchof fowie der Herzog von Küneburg 
und der Herzog von Sachen zur Hülfe. Die Dithmarjcher wurden 
bei Neterfen, wo die Seinde der Grafen zu einander ftoßen wollten, 
um mit vereinter Macht nachdrüdlich vorzugehen, von den Alliirten 
der Grafen und Ddiefen mit ftarfer Heeresmacht überfallen, wie 
es fcheint, bevor .die übrigen Gegner der Grafen fich mit ihnen 
vereinigt hatten. Es kam hier, am 29. Juni 1306, zu einem 
blutigen Kampf, in weldhem auf beiden Seiten mit großer 
Tapferfeit geftritten wurde, bis endlich die Uebermacht der alliirten 
Sürften das Seld behielt. Diele Dithmarfcher blieben auf dem 
Plage. Del gerieth nebft anderen Sührern der Dithmarfcher in 
Gefangenfchafl. Man behandelte ihn als einen Straßenräuber 
und Aufrührer. Er wurde auf Deranftaltung der holfteinifchen 
Grafen von Pferden gefchleift, darauf gerädert und geviertheilt. 
Die Stüde feines Körpers wurden zur Warnung an einen Balgen 
gehängt. Ein gleiches Schickſal foll die übrigen Gefangenen ge» 
troffen haben. Der aufftändige holfteinifche Adel fand Schuß in 
Cübeck. — Wie die Lübeder, fo waren auch die Bamburger 
den Grafen feindlich gefinnt. Der Hamburger Rath aber hielt 
es für angebracht, mit den Grafen in gutem Dernehmen zu bleiben, 
und hatte mit diefen Derträge wegen Derproviantirung der 
Kriegsvölfer derfelben gefchlofien, zum Mißfallen der Bürger- 
fchaft, welche die Proviantwagen zertrümmerte. Die Parteinahme 


88 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


des Raths für die Grafen mußte die gegen Hamburg herrfchende 
Gereiztheit bei den Dithmarfchern beftärfen. &s hörten daher 
auch die Neibereien mit den Hamburgern auf der Elbe nicht auf, 
troß einer Abmachung vom Jahre 1304, in welcher Abftellung 
aller Seeräuberei und ungehinderter Verkehr zugefichert worden 
war. Der hamburger Bath hatte damals durch den Rathsherrn 
Godſchalk von Billa über Beraubung der Schiffe auf der Elbe 
in Dithmarfchen Klage führen laffen, und die Dithmarfcher hatten 
darauf Alle, auf welche der Derdacht der Theilnahme an der Kaperei 
auf der Elbe fallen fonnte, vor die Landesverfammlung zu Meldorf 
geladen, wo Alle eidlich gelobten, daß fie niemals einen Kaufmann 
gewaltjam überfallen und des Seinigen berauben wollten und fich 
verpflichteten, wenn dennoch Jemand von ihnen Gewalt und Unrecht 
gegen einen Kaufmann üben würde, daß fie dann nichts dagegen 
haben wollten, wenn ihre Güter und fie felbft in die Hände der 
Dögte und Hathgeber geliefert und fie als Derbannte und Der- 
brecher angefehen würden, über die der Erzbifchof die Dögte und 
Rathgeber ein endgültiges Urtheil fällten.! Diefe Derficherung 
wurde fchriftlich gefaßt und fo den Hamburgern zugeftelt. Doch 
waren die Hamburger fchon 1306 genöthigt, abermals über See» 
räuberei und Bewalthaten gegen Keib und Leben, auf der Elbe, 
Eider und an anderen Orten begangen, Klage zu führen. Der 
Erzbifchof erlieg deshalb ein Warnungsfchreiben an die Dögte, 
Aathgeber, Juraten und die Gefamtheit des Landes Dithmarjchen, 
in welchem für jedes Kirchfpiel, welches nicht den begangenen 
Raub zurüderftatten würde, das Interdikt in Ausficht geftellt ward. 
Als aber trogdem die Angriffe auf die Hamburger fortdauerten, 
liegen Ddiefe einige über Gewaltthaten ergriffene Dithmarfcher 
eigenmächtig föpfen. Das erregte großen Unmillen, befonders im 


ı Die Rathgeber nehmen hier die Stelle weltlicher Richter ein neben 
den Dögten, als Richtern namens des Erzbiſchofs, gleichwie fpäter die Acht- 
undvierziger, die neben den Dögten als weltlihde Richter — „Judices secu- 
lares® — fungiren. 





Don 1227 bis zur Schlacht gegen Berhard d. Br. von Holftein, 1519. 89 


Siüderftrande. Bier erhoben fih namentlich die Einwohner von 
Groden (Groven) im Kirchjpiel Brunsbüttel, die Amigemannen, 
Studen, Edenmannen, Wanidemannen, Todenmannen u. a. Diefe 
fagten den Sriedensvertrag mit Hamburg auf, erklärten, daß fie 
demfelben nur gezwungen beigetreten feien, und wollten den Ham- 
burgern Fehde anfündigen. Aber das Land legte fich ins Mittel, 
und Jene ließen fich durch gütliche Dorftellungen befänftigen. Sie 
fchworen, im Juni 1308, vor der Landesverfjammlung die Rache 
ab und gelobten, Srieden zu halten. Zugleich wurde von ihnen 
die Erflärung abgegeben, daß, wenn künftig Kaufleute von ihnen 
an Gütern und Sachen bejchädigt würden, diefelben den Schaden 
felbft eidlich erhärten möchten, worauf der Hamburger Rath davon 
dem Lande Dithmarfchen Nachricht geben und danach in gutem 
Glauben die Erftattung gejchehen ſolle. &s wurde hierüber eine 
Urkunde aufgenommen und folche dem Rathe zu Hamburg zu- 
geftellt. Die Urkunde vom 1. Juli 1308 (Schuback No. X. 
Comment. de jure littor. Append., bei Bolten II, 367) ift ge- 
fertigt von Rathgebern und Gefamtheit des Landes Dithmarfchen 
— „Consules ac universitas terre Ditmercie.“! Zu der hier ge- 
übten Mäßigung hatte ohne Zweifel das Derhältnig zu den 
holfteinifchen Grafen mitgewirkt, im Binblid auf welches wohl 
auch die Hamburger vornehmlich zu ihrem vertragswidrigen, 
eigenmädtigen Eingreifen fich erfühnt haben mochten. Die Er- 
bitterung der Dithmarjcher und der hHolfteinifchen Grafen wider: 
einander ftieg nach dem Kampfe bei Ueterfen immer mehr. Im 


1 Indem hier die Rathgeber das Land nad außen hin vertreten und als 
geiter der Landesverfammlung auftreten, erfcheinen fie in der Stellung 
wirflicher Konfuln, die als vornehmfte obrigfeitlidhe Perfonen den Senat 
beriefen, in demfelben präfidirten und die Staatsfahen vortrugen, die 
Stimmen fammelten und die Befhlüffe des Senats zur Ausführung 
braten. Daher iſt es wahrfcdeinlih, daß die Konfularfunktionen der 
Rathgeber die urfprünglichen und eigentlihen Funktionen derfelben waren 
und Rathgeber (consules) hier nicht Berather (consiliarii), fondern Männer 
in der hervorragenden Stellung der alten Konfuln bedeute. 


90 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Jahre 1307 ward zwar durch den König Erich Menwed von 
Dänemarf eine Derföhnung zwifchen den Grafen und dem auf« 
ftändifchen holfteinifchen Adel geftiftet und Durch den Herzog 
Waldemar von Südjütland der Friede zwifchen jenen und den 
Cübeckern vermittelt; die Mißhelligkeiten zwifchen den Grafen und 
den Dithmarfchern aber dauerten fort. Letztere wandten fich 
gegen Holftein, auf die Seite Dänemarks. Sie fchloffen 1514 mit dem 
Könige Erich, der fie, weil er in Krieg mit dem Markgrafen Albrecht 
von Brandenburg verwicdelt war und im eigenen Cande Unruhen 
befürchtete, für fich zu gewinnen fuchte, am 21. Juli zu Kolding 
ein Bündniß ab, worin fie fich verbindlich machten, dem Könige gegen 
alle feine Seinde, den Erzbifchof von Bremen allein ausgenommen, 
Hülfe zu leiften und keinen Widerfacher des Königs bei ſich zu 
hegen, auch deflen unruhigen Unterthanen in feiner Weije Beiftand 
und Hülfe zu gewähren. Wenn fie zum Beiftande des Königs ins 
Feld rüdten, fo wollten fie auf vier Tage fich verproviantiren ; 
nachher aber follte fie der König auf feine Koften verpflegen. 
Der König fuchte nun auch ein gutes Dernehmen zwifchen feinen 
Derbündeten und feinem Schwager, Graf Beerd oder Gerhard von 
Holftein (nachher der Große genannt), anzubahnen, damit diefer 
nicht mit jenen in Streit gerathe, während er felbft mit dem 
Markgrafen im Kriege fich befand. Er vermochte aber die hier 
vorliegenden Jrrungen nicht ganz zu befeitigen, und es kam 
zwifchen den Dithmarfchern und Gerhard nur ein Waffenftillftand 
zu flande, am 25. März 1315 zu Stege, wonach aller Streit 
bis zu Heiligen drei Königen (6. Januar) ruhen foll. Es foll jeder 
Theil die Güter, welche er in Befig hat, behalten; mit den 
Gütern aber, die zwifchen den beiden heilen noch ftreitig wären, 
folle fih feiner währenddes befafien. Das fo hergeftellte Ein- 
vernehmen konnte nicht von Dauer fein, und es wird nichts von 
weiteren Unterhandlungen zwijchen Gerhard und den Dithmarfchern 
nach Ablauf des Maffenftillfiandes berichtet. Gerhard gefellte fich 
zu einem der aus Dithmarfchen ausgeftoßenen Adligen, dem 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Gr. von Holftein, 1519. 91 


Hartwig Reventlow, der Berhards Macht vergrößern half. Dadurch 
wurde das Mißtrauen und die Abneigung der Dithmarfcher gegen 
den Grafen nur noch verftärlt. 1315, im Auguft, wurde Graf 
Adolph VI. von Holftein-Kiel zu Segeberg während der Nachtzeit 
in feinem Schlofje von dem Hartwig Reventlow überfallen und 
ermordet. Gerhard, mit defjen Unterflügung Reventlow das 
Schloß erftiegen, wurde der Anftiftung zum Morde befchuldigt. Die 
Ditkmarfcher nahmen nun Gelegenheit, ihren Haß gegen den 
Grafen Gerhard zu äußern. Sie hielten es mit denjenigen 
holfteinifchen Grafen, die von Berhards wachfender Macht bedroht 
wurden, den Grafen von der Linie Holftein-Kiel. (Gerhard war 
ein Sohn Beinrichs I. von Bolftein-Yendsburg, befannt aus dem 
Bafentriege.) Sie verbündeten ſich mit Johann dem Milden von 
Holſtein, Adolph von Schauenburg und Günzel von Wittenberg 
gegen Gerhard. Bevor. fie fih vereinigt haben, greift aber 
Gerhard feine Gegner einzeln an. Zunächſt wendet er fich gegen 
den Grafen Günzel und fchlägt ihn bei Hamburg. Günzel felbft 
gerieth in Gefangenſchaft. Einige Tage fpäter trifft Graf Adolph 
von Schauenburg mit 350 mwohlgeübten Kriegsleuten in Holftein 
ein. Gerhard rückt ihm, um feine Dereinigung mit den Dith- 
marfchern und Johann dem Milden zu verhindern, rafch mit 
vielem Fußvolk und 300 Reitern entgegen und ereilt ihn bei 
Bramftedt. Die Dithmarfcher waren fchon in der Nähe, und 
Adolph hätte leicht die Dereinigung mit denfelben bewirfen Pönnen. 
Er nahm aber die Schlacht an, ohne die Ankunft der Dithmarfcher 
abzuwarten, und wurde von Gerhard gefchlagen und gefangen 
genommen, den 29. Auguft 1317. Gerhard läßt ihn neben 
Bünzel zu Segeberg in den Thurm fegen. Am folgenden Tage 
griffen die Dithmarfcher den Grafen Gerhard an und fchlugen 
ihn. Die Holfteiner fliehen in Haft und laffen den Dithmarfchern 
die Beute vom Siege Gerhards am vorhergehenden Tage über 
Adolpk von Schauenburg zurüd. Um den Sieg über Gerhard 
auszunugen, durchzogen die Dithmarfcher Kolftein und verwüſteten 


92 Sweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


auf ihrem Zuge die Kirchfpiele Schenefeld, Nortorf und Xeu- 
münfter. Dann lagerten fie fi} vor Kiel, der Wefidenz des Grafen 
Johann II., des Daters des ermordeten Adolphs VI. Die Kieler, 
welche ihrem Grafen treu anhingen und von Berhard mit Raub 
und Brand heimgejucht worden waren, nahmen die Dithmarfcher 
freundlih auf. Bald aber wurde den Bürgern die Anwejenheit 
derfelben im Orte läftig und fuchten fie fich ihrer Bäfte auf 
billige Weije zu entledigen. Sie liegen eine £Luftbarleit anjagen 
auf dem Huhberge vor der Stadt. Die Dithmarfcher begaben 
fih dahin, und als fie dort verfammelt waren, verjchloffen ihnen 
die Kieler die Stadtthore. Der Graf Johann II., der von Gerhard 
faft aller feiner Befigungen außer der Stadt Kiel beraubt worden, 
war muthlos und verzagt und konnte an Wiedereroberung des 
Derlorenen bei feiner gedrücten Gemüthsftimmung um fo weniger 
Intereſſe haben, als kurz vorher auch der letzte feiner Söhne ge» 
ftorben war. Daher erklärt ſich das Beftreben der Kieler nach 
Entfernung der Dithmarfcher aus Surcht des Grafen Johann vor 
der Rache Gerhards. Ihren Rückweg nahmen die Dithmarfcher 
über Bornhöved und Segeberg. Bier follen fie übel gehauft, 
3.3. im Uebermuth in frifchem Bier fich gebadet haben. €s ift 
hier vieles in den Berichten bei den holfteinifchen Ehroniften über: 
trieben. Auf dem Weitermarſch follen die Dithmarfcher dann bei 
der Au Buntzing (Bunfingen, Büngen, an der Bünßenau im 
Kirchfpiele Xortorf) in der Heide ein Nachtlager gehalten haben 
und hier am Morgen im Lager vom Grafen Gerhard und 
deffen Bruder Johann überfallen worden fein.! An 500 Dith- 
marfcher wären auf dem Plate geblieben, viele bei dem Derfuche, 
fih durch Schwimmen über die Au zu retten, ertrunten. Der 
Bremer Presbyter ſetzt diefen Heberfall auf den 17. Juli 1319. 


! Die Bolften hätten fi hierbei der nämlichen Kriegslift bedient, 
welche die Dithmarfcher bei der Erftürmung der Stellerburg anwandten, 
indem fie dur vorgehaltene Baumzweige ihre Annäherung verdedten, 
heißt es bei einigen Chroniften. 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Er. von Holftein, 1319. 93 


Aus dem Zufammenhange ift aber Elar, daß das Ereigniß ins 
Jahr 1317 gehört. 

Gerhard V., der Große, rüftete nun zu einem Einfall in 
Dithmarfchen. Er warb viele Derbündete. eben feiner eigenen 
Alacht brachte er Kriegsvolf aus Sachjen, Weftphalen, aus flavifchen 
Ländern und woher er nur immer ?fonnte, zufammen. Dierzehn 
$Sürften und Landesherrn verjprachen ihm Hülfe gegen Dithmarfchen. 
Unter diefen waren feine Brüder Johann und Gifelbert, Herzog 
Jokann von Sachen, Hinrich von Mledelnburg, die Grafen von 
Wunftorp und Gutzkow und der Graf von Rupin. Diefe wohnten 
perfönlich dem Zuge des Gerhard wider Dithmarfchen bei als 
Führer der von ihnen geftellten Hülfstruppen. Mit großer Macht 
309g Graf Gerhard am Tage vor Mariä Geburt, den 7. September, 
1319 in Dithmarfchen ein. Er nahm feinen Weg nach der 
Süderhamme.! Bier ftieß er auf einen Theil der Dithmarfcher 
Wehrmadht — „Hammerftadia” bei E. Hamsfort, vielleicht die 
VNordhamminger. Die Dithmarfchen griffen den Seind muthig an, 
erlitten aber eine ftarfe Niederlage, und Gerhard drang vor durch 
die Süderhamme, wandte ſich dann aber nicht, wie man wohl 
erwarten mochte, von da nach Wöhrden in den Xorderftrand 
hinein, fondern nach Hemmingſtedt. Bier fand er die Mannfchaft 
des Süderftrandes und der Meldorfer Döfft am Schweinemoor 
(vadum Hemmingstede) poftirt, die er ebenfalls fchlug und zerfprengte. 


2 Die Süderhamme heißt bei fpäteren Ehroniften aud die Hamme 
vor Beide, im Unterfchied von der Xlorderhamme in der Ofterdöfft, über 
der Brodlandsau. Eamme (Bemming, Bemme), an fi der Wortbedeutung 
nah alles, was den Paß abichneidet, hemmt, hießen in Dithmarſchen 
unwegfame, fumpfige Xiederungen, Moor- und Bruchgründe. Dorzugs- 
weife wurde das große zufammenhängende Gebiet der Xiederungen des 
Fieler Sees und der Brodlandsan als die Hamme bezeichnet, die man dann 
in Uorder- und Süderhamme fchied. Der Weg von Nordhaftedt nach Beide 
trennte das Gebiet der Xorderhamme von der Süderhamme, wurde aber, 
als diesfeits der Brodlandsan belegen, zur Süderhamme geredhnet. Auf 
dDiefem Wege drang Gerhard vor. 


94 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Am folgenden Tage, den 8. September, wandte er dann feinen 
Marfch gegen Wöhrden. Don Hemmingſtedt in den Norderftrand 
vordringend, während man im Kande den Seind von Heide her 
erwartete, mußte er der zur Abwehr feindlichen Dordringens auf 
Wöhrden verfammelten WMannfchaft der Wefterdöfft in den Rücken 
fommen. Die eingenommene Stellung der leßteren zur Dertheidigung 
war umgangen. Man gab diejelbe auf und faßte in Wöhrden Stand. 
Bier hielt man längere Seit den andringenden Seind zurück; aber auf 
die Dauer war der offene Ort nicht zu halten gegen die große 
Uebermacht, und Gerhard nahm auch Bldenwöhrden ein. Der 
Reſt der Dertheidiger 309 fih nun auf die legte Pofition, die 
fefte Kirche zu Oldenwöhrden, zurüd. Gerhard drang nad, 
umzingelte die Kirche und ließ, als er fie nicht einrennen fonnte, 
Seuer anlegen und Brandfadeln werfen, um die Dithmarfcher in 
derjelben zur Mebergabe zu zwingen. Kebtere knüpften nun 
Unterhandlungen mit dem Belagerer an. Gerhard, durch den 
hartmädigen Widerftand gereizt, wollte bedingungslofe Hebergabe und 
Unterwerfung und ließ das Seuer, welches die Kirche ergriffen, ſtärker 
fhüren, um die eingefchloffenen Dithmarfcher in derfelben zu ver- 
brennen. Er wolle ihr and, erklärte er diefen nun falten Hohnes, 
nicht aber fie zu Unterthanen. Don der Hitze des immer flärfer um 
fich greifenden Seuers fchmolz endlich das Bleidach der Kirche, und 
die heiße gejchmolzene Bleimaffe tröpfelte und floß auf die 
Dertheidiger der Kirche herab. — NXeocorus berichtet, daß noch 
zu feiner Zeit, als man bei Dornahme von Grundarbeiten in der 
Kirche zu Wöhrden gegraben habe, dafelbft Stüde zufammen- 
gejchmolzenen Bleies in der Erde gefunden worden. Das letzte Boll- 
wer? der Dertheidigung war nun unhaltbar geworden. Da befchloffen 
die zum Muthe der Derzweiflung getriebenen Dertheidiger, in einem 
legten Angriff noch einmal das Kriegsglüäd zu verfuchen und in 
einem Ausfall zu fiegen oder zu fterben. Indem fie einander 
zuriefen: ein Jeder folle darauf denken, wenn er fterben müffe, 
noch einen Holften mit auf die Sahrt zu nehmen, brachen fie aus 


Don 122? bis zur Schlacht gegen Berhard d. Br. von Holſtein, 1519. 95 


der Kirche hervor und warfen fich auf die Belagerer. Diefe wurden 
zurücgedrängt und fielen in dichten Haufen unter den Streichen 
der in Lodesverachtung blindlings auf fie einftlürmenden, wuth- 
entbranuten, wildwüthenden Dithmarfcher. Auf die Nachricht von 
dem bei ©ldenwöhren ftattfindenden Derzweiflungsfampf waren 
die bei der Hamme und am Schweinemoor gefchlagenen Dithmarfcher, 
die fich inzwifchen wieder gefammelt hatten, in Eile zur Hülfe 
herangerüdt. Sie griffen nun in den Kampf ein und ftritten mit 
neuem Muth gegen die Heerhaufen der Holfteiner, die zum Cheil 
fchon auf den. umliegenden Dörfern fi} dem Raube und der 
Dlünderung hingegeben hatten und nun von verfchiedenften Seiten 
her bei Wöhrde ſich zufammenfanden. Die Dithmarfcer, fagt 
ein alter Ehronift, ftritten auf allen Seiten getroft wider ihre 
Seinde, umringten und erlegten fi. Bejonders richteten fie gegen 
Abend eine große Niederlage unter den Holfteinern an, als die 
einzelnen Abtheilungen ins Lager zurückzukehren fuchten. Ueberall, 
gleichfam wie Gefpenfter und Nachegeifter, erfchienen unpermuthet 
ftreitbare Dithmarfcher, die aus der Derborgenheit, hinter Wällen, 
unter Brüden und in Gräben zwifchen den Kornfeldern auftauchten, 
und fielen auf den überrafchten Seind ein, Tod und Derderben 
um fich verbreitend. In völliger Auflöfung fuchte das feindliche 
Deer nun eiligft auf dem kürzeſten Wege aus dem Kande zu 
entlommen. Aber die Einwohner hatten inzwifchen die Lege, 
die der Feind paffiren mußte, durchgegraben, Weg und Steg un« 
gangbar gemacht. Diele der Reiter flürzten auf der Slucht in die 
Gräben, und viele der Sußfnechte wurden hier, an eiliger Slucht 
gehemmt, von den nachjegenden Dithmarfchern eingeholt und 
erjhlagen. Bier fanden u. a. auch die Grafen von Gutzkow 
und Wunftrow den Tod. Ueberhaupt jollen fämmtliche Sürften 
und Landesherrn, die bei dem Zuge zugegen gewefen, bis auf 
den Grafen Gerhard von Holftein und Hinrich von Mledelnburg, 
gefallen fein. Doch ift wenigftens Gerhards Bruder, Gifelbert, 
auch enttommen, der 1524 Bijchof in Halberftadt geworden. Die 


96 Zweiter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Holfteiner und ihre Derbündeten hatten, nach holfteinifchen Angaben, 
2000 &efallene bei Bldenwöhrden gelaflen. Nicolaus Witte 
(apud Auffe, Sragm.) fagt: Die Holfteiner verloren bei Oldenwöhrden 
2200 Mann. So hatte der Siegeszug Gerhards des Großen ein 
Plägliches Ende genommen. Die Dithmarfcher hatten einen völligen 
Sieg errungen, und Graf Gerhard der Große und Herzog Hinrich 
von Mecelnburg führten ihr Heer in Traurigfeit zurüd. 

Die Dithmarfcher, zweimal gefchlagen, bei der Hamme und 
am Schweinemoor, hatten 1700 Mann verloren. (Reimer Kod) 
Neocorus fpricht von 500 Mann. Wahricheinlih find Hierunter 
die bei Bldenwöhrden gefallenen Dithmarfcher gemeint. für die 
Befallenen wurden zweimal wöchentlich Seelenmefjen gehalten im 
Klofter Mergenow (Marienau) zu Marne. Das Klofter ward 
aus der reichen Siegesbeute geftiftet. Der Stiftungsbrief datirt 
vom Tage unferer lieben Frauen, d. i. der 25. März, 1322. Indem 
einige Ehroniften diefes Datum für das des Tages der Schlacht 
(Mariä Geburt) genommen, haben fie irrtümlich das Datum der 
legteren in das Jahr 1322 gejegt. Nach Einigen wäre Marne 
(Mergene) nach dem Klofter Mergenowe benannt. Das ift falſch. 
Marne hieß fchon vorher fo.! Die zerftörte Kirche zu Oldenwöhrden 
wurde größer und fihöner wieder aufgebaut. Bolten, bis 1782 
Paftor in Wöhrden, nennt diefe Kirche, die bis 1786 ftand, eine 
Krone der Kandlirchen damaliger Zeit. Innerhalb der Mauern 
mar fie 160 $Suß lang. An der Südfeite hatte fie einen 90 Fuß 
langen Anbau mit gefondertem Dach, die fog. Süderfirche. 
Die Breite der Kirche mit dem Anbau betrug 70 Suß. Die 
lauern waren bis zum Dach 28 Suß hoch. Die Kirche hatte 
hohe Gewölbe und ein geräumiges Chor. Sie hätte, fagt Bolten, 
für drei Gemeinden von der Größe der Wöhrdener Raum gehabt. 


ı Wenn Einige wollen, daß das Hlofter „Mergenowe” urfprünglich zu 
Meldorf geftiftet worden fei, weil fpäter ein Klofter dort gefunden wird, 
zu Marne aber nicht, fo ift das eine Konjeftur, die aller gefchichtlichen 
Meberlieferung widerfpricht. 


Don 1227 bis zur Schladht gegen Gerhard d. Br. von Holſtein, 1519. 97 


In der dem Paftorat zugewandten Kirchenmauer waren einige 
eingemanerte Todtenköpfe fichtbar, die nach allgemeiner Tradition 
von hier erfchlagenen holfteiniichen Candesherren herftammten. 
Wahrfcheinlich find das Köpfe von fürften aus GBerhards des 
Großen Gefolge im Kriege gegen Dithmarfchen gewefen. Die 
Herren hatten unter den Trümmern der alten Kirche die Dithmarfcher 
lebendig begraben wollen; nun mußten ihre Bebeine als Material 
zur Erbauung der neuen Kirche, anftatt der zerftörten, dienen. 
Gerhard machte feinen Derfuch mehr, ſich Dithmarfchens zu 
bemächtigen,. Der eigentliche Sriedensfchluß erfolgte jedoch erft 
1223, 21. Juli. &s ward an diefem Tage durch Dermittelung 
des Herzogs Erih von Jütland (Herzog Erich von Schleswig — 
Diefer wird im Sriedensvertrage „Dominus Ericus dux Jucie* 
bezeichnet) zwifchen Gerhard dem Großen und dem Bifchof Johann 
von Schleswig (diefes bezeichnet die Stadt und das Bisthum; 
das Herzogsthum hieß Jütland, Südjütland) einerfeits und den 
Dithmarſchern andererjeits ein förmlicher Sriedensvertrag ab» 
geſchloſſen. Die Bedingungen in diefem Dertrage find: Es fol freier 
Derfehr herrjchen zwifchen beiden Staatsgebieten, namentlich auf 
der Elbe, Eider, Trene und Sorge (Trea et Zorka); zwei Schlöffer 
(an der dithmarfcher Grenze) follen beftehen: Hanerau und Tielen- 
burg; die Dithmarfcher follen ihre Befigungen in Bolftein behalten, 
ebenfo die holfteinifchen Grafen ihre Büter in Dithmarfchen; 
follten Streitigkeiten entftehen zwifchen den Parteien, fo follen die: 
felben durh 12 Männer, von beiden Seiten erwählt und zwar 
Bolfteinifcherfeits 6 Ritter und 6. Hnappen, dithmarfcherfeits 
12 Rathgeber (consules), gefchlichtet werden. — Diefe famen an der 
Brenze, am Kulswall, ! zufammen. — Wenn der Erzbifchof von 


I Kufswall war wohl ein gewöhnlicher Grenzwall. Die Spuren von 
einer Schanze dafelbfi flammen ohne Zweifel ans fpäterer Seit. In 
dithmarfcher Kriegen ift dort nicht gefämpft worden und auf prähiftorifche 
Seit deuten diefe Spuren nicht zurüd. Was man in Derbindung mit der 
Dorftellung einer Brenzkamme am Kufswall von großen Kämpfen erzählt, 


Dithmarfcher Gefchichte. ? 


98 Zweiter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


Bremen die Dithmarfcher zur Heeresfolge gegen Holftein fordert, 
jo follen diefe nicht von ihrem Lande aus in Holftein einfallen, 
jondern fie follen über die Elbe dem Erzbifchof zuziehen und fo 
ihm Hülfe leiften. &s werden dann noch einige Beftimmungen 
getroffen wegen der Wehre in der Eider (de lacunis in Eydria, 
—— were dictis) ? und wegen Wieſen und Hölzungen zwifchen 
Tilenburg und Rendsburg an dithmarfcher Gebiet, auf welche die 
Dithmarfcher Anfpruch erheben. Wenn der Graf die ihm bisher 
zuftländig gewefene Wehre bei Palhude (auf dithmarfcher Seite) 
niederlegt, fo wollen auch die Dithmarfcher die ihnen zuftändi- 
gen Wehre zwifchen Tilenburg und Rendsburg aufgeben; wenn 
er aber diefe Wehre felbft nutzen wolle, fo folle er jene ihm 
bisher zuftändig geweſenen Wehre bei Palhude den Dithmarfchern 
belafien. Wenn die Dithmarfcher auf Wiefen und Hölzungen 
zwifchen Tilenburg und Rendsburg ein befleres Recht zu haben 
behaupteten, als der Graf, fo ſollen fie ihren Anjpruch erhärten 
mit 12 von ihren NRathgebern (12 aus ihrem Rath) die der Graf 
benennen wird? — „prata autem et ligna inter Tilemborgh et 
Rendesborgh in terra ditmarcie sita si qua ipsi impetunt quod 
majus jus quam comes habeant, debent cum duodecim de consilio 
eorum quos comes nominaverit obtinere“. Schließlich wird noch 
gefagt, daß durch diefe Dereinbarung alle Swietracht und Uneinig- 


die hier flattgefunden, worauf der Name der Giefelau („Giftla”, die Speer- 
jungfran);und Hademarfchen (Hödur, Hödr, der Kriegsgott) deuten fol, muß 
nicht gerade mit dem Aukswall zufammengebradht werden und ift übrigens 
eine ziemlich haltlofe Konjektur. „Hademarſchen“ ift nad Analogie von 
„Hedeby“, Heidaby, Hadeby, Haddeby nichts als mooriger Beideort und 
„Biefelau” iſt Rieſelau (Giefela, gyfeln, dithmarfh riefeln).. Gifela 
Gieske, Biefa, Gefa, hieß bei den nordifhen Sachſen Geeske, Geeſch. 

® Were — ahd weri, Damm gegen das Wafler. Der Stamm ift 
werjan, warjan — wehren. Uvarod (uvarid, uverid) werd, Werder, Wörth — 
Wehrland, gegen das Waffer. Daher die „Wurthen”, die, als aufgeworfene 
Dämme, auch „Warften” find, aber ihrer eigentlihen Bedeutung nach von 
diefen unterfchieden werden müflen. Es ift falfh, wenn man Wurth durd 
„Woarft“, „Werft“ erflärt. 


Don 1227 bis zur Schlacht gegen Gerhard d. Br. von Holftein, 1319. 99 


feit zwifchen dem Grafen und feinem Derbündeten und den Dith- 
marfchern gänzlich abgethan fei, auch die alte Sehde, welche das 
Gefchlecht der Reventlomw (reniclo) mit den Gefchlechtern der Wolde- 
rifismannen und der Meyenmannen gehabt habe, jo daß feiner 
der Parteien mehr geftattet werde, gegen die andere Bewaltthätig- 
feiten, Raub und Brand, zu üben — „per hec autem placi 
superius interposita omnis dissensionis materia et discordia quali 
cunque modo inter predictos dominos et terram ditmarcie habi 
totaliter est sopita praeter antiquum homicidium quod parentel 
de reniclo cum parentelis wolderikisman et meyenman antiquit 
habuerunt, propter quod tunc eis ex utraque parte quemquam no 
licet rapina captivacione incendio molestare. (Dahlmann, Dorb 
ü. D. Geſch. 1827, aus d. Ugl. Geheimarchiv zu Kopenhagen.) 


Zweite Abtheilung. 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts, 
Schlacht am ®swaldusabend 1404. 


Dur den Sieg bei ®ldenwöhrden war der Unabhängigfeits» 
finn der Dithmarjcher noch beftärft worden. Es tritt das befonders 
auch in dem Derhalten zum Ersftift hervor. Erzbifchof war nun 


1 Die Urkunde, datirt hanrowe (hanerau) Anno domini Mo tricentesimo 
vicesimo tertio in vigilia beate Marie Magdalene, ift gefertigt von den Dögten, 
Rathgebern, Gefhworenen und der Landesgemeinde zu Dithmarfchen — „Hinc 
est quod nos advocati consules jurati totaque universitas terre Thitmarcie pre- 
sentibus protestamur“, heißt es im Eingange der Derfchreibung. Es find 
alfo die Rathgeber (consules) nicht die Gefchworenen (jurati) der Kirchfpiele. — 
Es follen nad £aut des Dertrages 12 Rathgeber (12 aus dem Nath) in 
befonderen Sällen berufen werden. Die Rathgeber (consules) fönnen aljo 
auch nicht etwa die Rathmänner der Stadt Meldorf fein, deren Zahl nur 
10 war. So if diefe Urkunde ein Beweis, daß die Meinung, es feien die 
Rathgeber (consules) nit ein befonderes Kollegium, fondern die Rath— 
männer der Stadt Meldorf, refp. die Juraten der Kirchfpiele, gewefen, 
ganz unzutreffend ifl. 

38 


100 Zweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Jens oder Johann Grand, der lange Erzbifchof zu Cund geweſen 
war und mit dem Könige Erich Menved von Dänemarf ftritt. 
Er verließ endlich fein Erzbisthum und fam 1307 oder 1308 zum 
Erzbifchofsfig in Bremen. — Gifelbert war 1307 geftorben; fein 
Nachfolger Heinrich ftarb, nachdem er vier Monate regiert hatte, 
und defien Nachfolger, Slorentius von Bronchorft, Gifelberts Neffe, 
ftarb ebenfalls nach kurzer Regierung. Johann Brand machte 
fih in Bremen bald allgemein verhaßt und gerieth zudem in 
Schulden, fo daß er Langwedel verpfändete und endlich nicht mehr 
die nöthigen Mittel zur ftandesgemäßen Hepräfentanz aufbringen 
fonnte. Er verließ daher feinen Sig zu Bremen und begab fich 
nach Dithmarfchen, wo er als Kandesherr eine gute Aufnahme zu 
finden hoffte. Allein er ftand auch Hier in geringem Anſehen und 
war nicht nur wörtlichen und thätlichen Beleidigungen, fondern 
auch perfjönlichen Mißhandlungen ausgefett. Daher machte er 
fih eiligft von dannen und begab fich Hierauf zum Papſte nach 
Avignon, wo er 1327 ftarb. Die Dithmarfcher wollten nun von 
der Pflicht gegen den Erzbifchof nichts mehr wiffen. Dem Nady 
folger des Johann Brand, Erzbifchof Burchard (Grelle zubenamt), 
weigern fie das übliche „Willlommen”, 500 Marf „pro jucundo 
adventu“. Burkhard fann durch gütliche Dorftellungen bei ihnen 
nicht zu feinem echt gelangen und nimmt den Hamburger Dom- 
propften Erich in der Sache in Anfpruch. Diefer erließ unterm 
18. Januar 1329 an alle Geiftlichen in Ditkmarfchen einen 
Befehl, bei Strafe des Bannes binnen 6 Tagen die 5 Dögte und 
66 .namhafte Männer aus den Dornehmften des Landes von der 
Kanzel herab zu erinnern, den Erzbifchof binnen Monatsfrift zu 
befriedigen, und falls fie fich deffen weigerten, unter Läuten der 
Gloden und Auslöfchung der Kichter in den Kirchen den Bann 
über fie auszufprechen. (Dahlm. 3. Neod. I, 625). Bis zur Der- 
hängung des Banns fonnten fie es nicht wohl kommen laflen, und 
jo zahlten fie dann endlich die 500 Mark zum Willkomm. Im 
übrigen ftanden fie in gutem Dernehmen mit dem Erzbifchof 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 101 


Burkhard und leifteten diefem im Derein mit Sachfen, Weftphalen 
und BHolfteinern Hülfe gegen die Kehdinger, die fich wider ihn 
auflehnten. 

Gerhard der Große, der fih in Jütland zu thun machte, 
hielt nach der Schlacht bei Oldenwöhrden fländig Frieden mit 
Dithmarfchen, und nach feinem Tode, als er 1340 von Niels 
Ebbefens Hand gefallen war, ! zeigten auch feine Söhne und Nach⸗ 
folger, die Grafen Klaus und Heinrich, der Eiferne (fern Hinnerf) 
zubenannt, fich gegen die Dithmarfcher friedfertig. 1341, in der 
$aftenzeit, fchlofjen fie mit diefen einen Dertrag, der von ihrer 
Sriedfertigkeit zeugt und zugleich bekundet, daß trotz des Sriedens- 
ftandes arge Reibungen zwifchen den Dithmarfchern und den 
Holfteinern nicht ausblieben. Es wird in demfelben eine völlige 
Ausföhnung wegen der letzten Sehde (Örloge) vereinbart. Die 


ı Berhard war unter Allen, welche Dänemarf in dem traurigen fieben- 
jährigen JInterregnum nad dem Tode des Königs Chriftoph IL. ausbenteten, 
der härtefte und graufamfte Tyrann. Die Jüten flanden endlidy wider 
ihn auf. Er floh nady Deutfchland und Fehrte von da mit 10000 Mann 
geworbener Knechte zurück, durchzog plündernd, mordend und brandfchagend 
das Land und zog mit einer Bededung von 4000 Mann in Randers ein. 
Die Bewegung gegen ihn ging vom jütifhen Adel aus, an deflen Spite 
Ziels Ebbefen, Herr auf Nörreriis, land. Diefen Ind Gerhard zu fi und 
terug ihm Bundesgenoffenfhaft an. Niels Ebbefen wies ihn mit Verachtung 
ab: Niemals made er Gemeinſchaft mit dem Henker feiner Landsleute. 
Gerhard forderte unter Drohungen Unterwerfung. Viels Ebbefen aber 
warf ihm den Handſchuh hin mit den Worten: So entfage ih Dir nad 
ehrlicher Ritterweife und ſchwöre bei Bott, daß Du von diefer meiner Hand 
fallen follft, wo ich Dich auch finde, allein oder unter Deinen Benoffen, 
daheim oder im Felde, fchlafend oder wachend, an Deinem Tiſch oder am 
Altar, bewaffnet oder unbewaffnet. Er löfte fein Wort, indem er mit 60 
Genoſſen in das ſtark befegte Randers eindrang, die Grafenburg einnahm 
und Gerhard im Schlafgemach, wo er ihn fand, erftah. Dann fammelte er 
feine Getreuen und belagerte das fefte Skanderborg. Gerhards Söhne 
zogen mit neuen Beeren zum Entfaß heran. Am 2. November 1540 kam 
es zu einer mörderifchen Schlacht, in weldyer die Deutfchen faft völlig ver- 
nichtet wurden. Ziels Ebbefen fiel im KHampfe, aber als Sieger und Befreier 
feines Daterlandes. 


102 Hweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Dithmarfcher follen in Bolftein ficher handeln und wandeln 
können; Klagen der Dithmarfcher wider Holfteiner follen binnen 
vier Wochen erledigt werden; der Derfehr auf Eider und Trene 
foll frei fein und die alte Sollfreiheit der Dithmarfcher in Holftein 
nicht angetaftet werden; die Grafen jollen Niemandem Hülfe leiften 
gegen Dithmarfchen und an der dithmarfcher Grenze feine neue 
Schlöffer anlegen. Wenn ein Dithmarfcher in Holftein erfchlagen 
wird, fo foll eine Buße von 100 Mark Lübifch gezahlt werden 
(es war das die nach Dithmarfcher Recht übliche Mannbuße). 
Endlich machen fich die beiden Grafen noch verbindlich, auch den 
Grafen Johann zur Unterzeichnung des Dertrages zu veranlaflen. 
Der Dertragsbrief der Grafen lautet: 

Wy Hinrik unde Klawes, van Bades Gnaden Greven to 
Bolften unde Stormaren, befennen unde betügen apenbarliden in 
deffem breve, dat gedegedinget ys twifchen uns van der eenen 
wegen unde twifchen den Radtgevern unde Dageden, den Sluteren, 
den Smworen unde der ganken Meenheit des landes to Ditmerfchen 
van der andern wegen,! eene gange Söne unde eene ftede Srund- 
fchop umme alle fchelinge, de twifchen uns unde enen an beyden 
fiden gefcheen ys, in deſſer Orloge, dat nu geweſen hefft, in defler 
Wyſe: Ein juweld Gudemann fall unde mag uth dem lande 
to Ditmerfchen velich an unfe lande fahren unde wandern to ftede 
unde to marfeden unde fine waren werven, wor he will in unferm 
ande unde velich wedder an dat gendmede land to Ditmerfchen 
vor uns unde unfe mannen unde vor alle den, de dorch uns doen 
edder laten willen, unde wer’t, dat jennih mann unfer manne 
edder der, de dorch uns doen edder laten willen, defje ding in 
jennichen dingen brede, dat fcholen wy unde willen wy richten 
na rechte bynnen veer weden darna, wenn an uns dat gellaget 


I Die Reihenfolge: Rathgeber, Dögte, Siyter und Swaren, in diefer 
Urkunde beweift, daß die „Rathgeber“ nicht die Kirchfpielsjuraten, auch 
nicht Rathmänner von Meldorf find und daß die Nathgeber, wie fpäter die 
Achtundvierziger, ein befonderes Kollegium bildeten. 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 103 


werdt, alfo dat de bröfe bynnen de veer weden na rechde werd 
wedder daen Dortmehr de Eyder unde Treine de fcholen vry und 
velich wefen einem jechlichen Budemann fin werv to wernend 
upwart unde nedderwart, wanne unde wor he will, unde darn 
willen wy noch en fchölen neener Hand enen tollen upjetten no 
afnemen. Dortmehr neen Ditmerfche noch Kopmann, de dat Ian 
to Ditmerfchen ſoeken will edder ſoekt hefft, fchall neenen tolle 
geven in unferm lande mehr als by unjers oldervaders tyde 
gewefen hefft. Dortmehr fo willen wy noch fcholen neenen man 
helpen up dat land to Ditmerfchen unde neenen mann entholde 
wedder je up ehren fchaden. Dortmehr fcholen wy noch unf 
manne neene flote buwen up des landes unkoſt, men beha 
ve de flote, de den dar ftaen, ale Hanrowe, Tyllenborh und 
Katesbordh. ! Dortmehr worde jennich mann erfchlagen in unfe 
lande von denen, de in unſem lande wanhafftig ſyn, uth em benomede 
lande to Ditmerfchen, den fchall men gelden vor hundert Lübif 
marf. Dortmehr Harem Ditmers finder von Palen unde Marquar 
Stormes fon van Intingen begrypen wy mede in defle föne. 
Dortmehr fo fcholen wy dem genomeden lande Ditmerfchen fchaffe 
unfers Dedders brev Greve Johanns under finem Ingefegele d 
call defje föne mede wetende ſyn unde fchall fill des mede un 
vorbinden. Weret, dat jennich der unfern brede, dat ſchall h 













! Katesborg (al. Balvesborg) iſt nach Geuß, Zeitr. (Bolten II, 392) 
ein Ort zwifchen Itzehoe und Dithmarfchen; hier, hinter der unwegfamen 
Niederung der Holftenau, bedurfte es aber Feiner Grenzfeſtung gegen Dit h 
marfhen. Wahrſcheinlich lag Katesburg an der Eider. 

2 In einigen Abfchriften wird „Heren Detterdes Finder van Polen 
und M. Stormes fon van Jebingmann“ gelefen. Allein es ift nicht wahr- 
fheinlihd, daß man, während die eine Partei nah dem Wohnfl be- 
zeichnet wird, die andere nach dem Befchlecht bezeichnet haben follte.e Auch 
hätte man nit von Jebingmann, fondern von den Jebingmannen oder 
ZJebingmannfchlaht gefagt. Intingen, refp., falls hier eine abweichende 
Cesart vorliegt, die urſprüngliche Benennung ftatt defien, bezeichnet wohl den 
Wohnort des Betreffenden, vielleicht einen Ort, der jetzt nicht mehr eriftirt, 
gleich Katesborg. 


104 &Sweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


uns helpen richten. To ener betuchniße aller defjer dinge hebben 
wy unfe Ingeſegele henget med willen an deſſen brev, de der 
reven ys unde fcreven to Rendesborch Badesbort Dufent jar 
rehundert in dem een unde veertigften jare, des andern man: 
ages in der vaften. (Weftph. I, Col. 1751 sequ.)! 

Tach diefer Derfchreibung müſſen, troß des Sriedensftandes, 
zu Lebzeiten Gerhards des Großen oder gleich nach dem Lode 
desfelben ſchwere Derwidelungen und Sehden zwijchen Dith- 
marfchern und Bolfteinern ftattgefunden haben, da im Sriedens» 
vertrag zwifchen den beiden Ländern der Privatperjonen Darm 
Ditmer und Marquard Storm fchwerlih erwähnt worden wäre, 
wenn es fich in den betreffenden Sällen nur um gewöhnliche 
Sehden zwifchen einzelnen Dithmarfchern und Holfteinern gehandelt 
hätte und da in dem Dertrage ausdrüdlich gejagt ift, daß eine 
völlige Ausföhnung durch denfelben gefchehe wegen aller „fchelinge“ 
im nun gewejenen „orloge”, welche Bezeichnung nur von größeren 
Sehden und Kriegen gelten fanın. Im Jahre 1555 wurde der 
Dertrag erneuert. Neben den vorigen Abmachungen wurden einige 
weitere Beftimmungen in denfelben aufgenommen. Die 100 Marl, 
welche für einen erfchlagenen Dithmarfcher gezahlt werden follen, 
find zwar vom Chäter zu fordern, wenn diefer aber flüchtig ge- 
worden oder unvermögend ift, fo foll das Kirchipiel, in welchem 
die That geichehen, für ihn haften, und wenn diefes nicht zur 
Sahlung fich verftehen wolle, fo follen die Grafen felbft die Buße 
erlegen. Die Berechtfjame der Grafen aus dem „Südervelde” 
follen denjelben verbleiben, und wiederum follen die Dithmarfcher 
ihre Befigungen in Holftein ungeftört nutznießen Fönnen, und folle 
ein BHolfteiner, wenn er ihnen den Befiß ftreitig macht, fein Hecht 


I! Bezüglich der Anführung der Urkunden in altfähfifher Sprache ift 
zu berüdfichtigen, daß rechter Derftand der Worte, Zeichen und Sadıen 
dem, der Sinn und Gefühl dafür hat, audy ohne viel Rede den Begriff 
der Schönheit giebt, und daß dem, der es nicht hat, es auch durch allgemeine 
Betrachtungen ſchwerlich gegeben werden Tann. 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 105 


auf denfelben mit 6 Rittern und 6 Knappen darthun. Der be- 
treffende Dertragsbrief lautet dem vorhergehenden gleich, bis zu 
der Stelle, wo die Rede ift von den drei Schlöflern, über welche 
hinaus an der Dithmarfcher Grenze feine Seftungswerfe angelegt 
werden follen, „auf des Landes Unkoſten“, welches hier nur heißen 
fann: zur Benachtheiligung des Landes. Bier wird für Kates- 
borch „Halvesborch” gelefen. Dann heißt es weiter: Dortmeh 
worde jennich Ditmerfche erfchlagen in unſem lande, defjen — 
darum ſaken wolden, denne ſchall de däder gelden hundert mart 
£übjch binnen den negeſten ſoß wecken, vormochte he deß nicht 
edder worde he fluchtig, fo ſchall dat doen dat Kerfpel, dar dat 
inne gejcheen ys, wor dat Kerjpel dat nicht dede, dar fcholen wy 
unde willen dat doen. Dortmehr mit dem Südervelde unde mit 
der rechticheyde, de wy darvan hebben, fcholen de — 
unbeworen ſyn unde uns dar mit nichten an beweren.! Dortmehr 
unfe Dedder Greve Johann unde alle fine mannen unde de fine 
icholen hebben ene gantze unde ftede föne mit den Ditmerfchen 
umme alle ftüde, de gefcheen fyn, lid uns fulven. Hefft aver 
unfe Dedder jennichen Ditmerfchen mit der Hand wes gelavet 
edder vorbrevet, dar mochten fe eme wol umme manen mit breve 
edder mit dem munde, men nicht fcholen je eme roven edden 
bernen.” Dortmehr hedde jennich Ditmerfche en unbeworn erve 
in unfem lande, dat fchall he bruden na dem rechte, dar idf inne 
belegen ys, bewerde eme jennich Holfte daran, de Holite fall 
dat behoveden mit 6 Riddern unde 6 Kappen, dat he darto beten 
recht hebbe to beholdende, wente de Ditmerfche.” Vortmehr — 


ı „Süderveld” iſt wohl ein Geeſtdiſtrikt bei Süderhaftedt, von welchem 
beim Bremer Presbyter die Rede ift, wenn er fagt, daß die 200 Maß 
Bafer, welhe Heinrich der Löwe an Adolph II. von Bolftein überließ, 
ans Xordhaftedt, Süderveld und Süderhaftedt entrichtet worden feien. 

2 Bernen—brennen. 

: In einigen Abfchriften heit es „beworen erve“; aber der Sufammen- 
hang ergiebt es, daß es hier un-beworn erve heißen muß. 


106 Aweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Ditmers finder unde Marquard Stormes fon begrypen wy mede in 
deſſe ſöne. Vortmehr ſo willen wy dem genometen lande to Dit— 
merſchen ſchaffen nnfers Vedderen brev Greve Johanns under 
ſinem Ingeſegele, de ſchall weten deſſe ſöne mit uns unde ſick des 
mit uns vorbinden. Weret, dat jennich der unſern edder der ſinen 
brecke, dat ſchall he uns unde wy mit eme helpen richten. Mit 
deſſer ſöne ſchall weſen geſönet unde geendet allet, dat geſcheen 
ys twiſchen unſem Vedder unde uns unde den Ditmerſchen wente 
‚an deſſen dag. Geſcheen to der Hanrowe na Bades bort MCCC 
‚in dem LV jare, des mandages na St. Peters unde Pawels dage 
"under unjen Ingeſegelen, de hier an gehenget mit unferm willen. 
‚(Weftph. cit. ap. Bolten II, 397.) 

Die Erneuerung des 1341 gefchlofienen Dertrages beweift, 
wie auch aus dem Inhalte hervorgeht, daß auch inzwifchen der 
alte Hader der Dithmarfcher mit den Holfteinern nicht geruht hat. 
Der Presbyter erzählt, daß der Graf Elaus viele Händel: mit den 
Dithmarfchern gehabt habe. Daß diefe Kebteren im ganzen aus 
den damaligen Kämpfen und Sehden den Dortheil davon: 
getragen haben, das geht aus dem Inhalte des Dertragsbriefes 
hervor, in welchem die Grafen fich felbft des Rechts begeben, auf 
ihrem eigenen Gebiete Seftungen gegen Dithmarfchen neu anzu: 
legen. Auch mit dem Bifchof Nicolaus von Schleswig hatten die 
Dithmarfcher um diefe Seit Weitläufigfeiten, die zu ernfteren Der- 
wicelungen zu führen drohten. Es war ein Dithmarjcher, Nico: 
laus Rikerat (Ricward), im Gebiete des Bisthums erfchlagen 
worden. Bierüber entftand in Dithmarfchen eine große Erregung, 
und namentlich die Kirchfpiele Eunden und Hemme waren willens, 
den Erjchlagenen zu rächen, und unternahmen Seindfeligfeiten gegen 
das Bisthum. Doch beugte der Bifchof größerem Unheil vor 
duch Mäßigung und Nachgiebigfeit, und im Jahre 1358, 
?. März, fam zwifchen ihm und den Einwohnern jener beiden 
Kirchipiele, ſowie den Erben des Erfchlagenen, ein Sühnevertrag 
zu ftande, wonach leßtere der Rache entfagen, weder an dem 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 107 


Erzbifchof oder feinen Nachfolgern, noch an feiner Samilie und 
feinen Untergebenen des Gefchehenen halber fich zu rächen fuchen 
wollen. — Dithmarfchen hebt fih nach feiner inneren Entwidlung 
jet in ſtetigem Sortgange immer mehr. Der Derfehr mit den 
Nachbarn wird aus einem freien Raube zum Handel umgewandelt, 
namentlich im nördlichen Cheile des Landes. Schon 1357, 10. März, 
batten die Kirchfpiele Eunden und Hemme den Küneburgern freien 
Derfehr bei ihnen zugefihert. Ein Hafenplag Ulendamm oder Uler- 
damm wird genannt. Die Kirchipiele Hennftedt, Delve und Tellingftedt 
ichliegen mit Hamburg einen Dertrag wegen freier Schiffahrt. In 
einer Alte vom 8. September 1567 verfprechen fie allen Kauf: 
leuten, welche ihre Kirchipiele und ihren Hafen, Ulerdamm, be» 
fuchen, völlige Sicherheit und machen fich zu vollem Schaden» 
erjag verbindlich, für den Sall, daß ein Kaufmann bei ihnen 
irgendwie an feinen Gütern befchädigt würde. Die drei Kirch 
fpiele der Norderhamme nennen Ulendamm ihren Hafen — „portum 
nostrum Ulerdam ac parochias nostras® heißt es in der Alte 
(Schubad, 290, cit. b. Bolten II, 402). an bezüglicher Stelle. 
Ulerdamm war aljo ein Hafen der Norderhamme, wahrfcheinlich 
an der Mündung der Brodlandsau in die Eider. Derſelbe ift 
fpäter bei einem Eiderdurchbruch verfchwunden. &s wurden meh- 
rere Jahrmärkte geftiftet. Bis dahin war von alters her nur 
der WMeldorfer Markt gehalten worden. Die Bldenwöhrdener 
richten 1573 einen eigenen Jahrmarkt für fich ein, weil fie mit 
den WMeldorfern Seindichaft haben. Die Kirchfpiele Weddingftedt, 
DHemmingftedt, Neuentirchen und der Oftertheil des Kirchfpiels 
Weffelburen betheiligen fich an der Einrichtung des Marltes, wohl, 
weil Wöhrden ihnen gelegener war, als Meldorf. Die Marft- 
zeiten werden auf St. Johannis (24. Juni), Mariä Geburt 
(8. September) und Palmarum beftimmt. Die erfteren beiden 
follen je 8 Tage währen. für die Marltzeit wird voller Marft- 
friede zugefihert. Die Seiten des Meldorfer Marktes fcheinen 
diefelben gewefen zu fein, wie die hier feftgefeßten. In der von 


108 Hweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Dahlmann (3. Neod. I, 625) mitgetheilten, lüdenhaften Urkunde 
vom 11. Auguft 13536, betreffend Neuordnung des Wleldorfer 
Marktes, heißt es, daß ein Markt ftattfinden folle wie bisher 
am Tage Mariä Geburt, 8 Tage vorher und 14 Tage nachher. 
Da nun der Tag Mariä Geburt dem Wöhrdener Jahrmarlt mit 
dem Meldorfer gemein ift, fo ift anzunehmen, daß die Wöhrdener 
überhaupt die alten Marltzeiten beibehalten haben, und hieraus 
erhellt dann die Bedeutung des alten Marltfriedens, in feiner 
Geltung vom Tage vor Palmarım bis 8 Tage nach Öftern, vom 
Johannisabend bis 8 Tage nach St. Peter und Paul und von 
unferer lieben $rauen Abend bis 14 Tage nach Mlichaelis, während 
welcher Zeit alle Sehde ruhen mußte, fo daß Jeder ficher im Lande 
aus: und eingehen konnte. Marlifriedensbruch wurde mit der 
doppelten Brüche des Kandfriedensbruches belegt. Die Olden⸗ 
wöhrdener fchliegen 1375, den 20. Dezember, auf dem Kirchhofe 
zu Wöhrden mit den Kübedern einen Handelsvertrag und entfagen 
dem früheren Strandrechte. Sür ein billiges Bergelohn laflen fie 
den Lübedern ihre fchiffbrüchigen Güter verabfolgen. Bald nachher, 
am GBründonnerstage, 9. April 1384, fam ein ähnlicher Dertrag 
zu ftande zwijchen den Kirchfpielen Meldorf, Weſſelburen, Büfum 
und dem Dogdemannen-Gefchlechte einerfeits und den Städten 
Cübeck, Hamburg, Lüneburg, Stade, Burtehude und Itzehoe 
andererfeits. Es wird darin feftgefeßt, daß geftrandete Güter, wie 
die geftrandeten Perfonen, ficheren Schuß finden follen, daß für 
Hülfeleiftung in Strandungsfällen ein Drittel des geftrandeten Gutes als 
Bergelohn gewährt werden und von den an die Küfte gefpülten 
Gütern ein Sehntel des Werthes derfelben den Herren des Strandes zu- 
fommen folle. Herrenlos angetriebenes But foll man Jahr und 
Tag aufbewahren und auf £egitimation dem Eigenthümer zwei Drittel 
davon ausliefern, ein Drittel aber als Bergelohn behalten. Die von 
Seiten der Dithmarfcher ausgeftellte Dertragsurfunde (bei Bolten II, 
413 nach einer Abfchrift bei Schuback mitgetheilt) bat folgenden 
Wortlaut: Ä 


Don 1319 bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts. 109 


In Godes namen amen. 
Wy BRadmannen, Slütere unde wy Sworen unde de ghante 
Meenheit des kerſpels to Meldorp unde wy Slütere unde wy 
Sworen unde Meenheit der kerſpele van Weslingburen, unde 
van Buſen unde wy Madelef Boyken jone, Bare Clawes jone, 
Boye Johannes fone, Saghe Reimers ſone, Reimer Sümpers fone, 
Matthies Dogedes, Brote Johann Dogede van Windbarge,! Doge- 
dinghmanne unde degedingeslüde defjer nafcrewen ftüce unde wy, 
dat gemeyne fchlechte der Dogedinghmanne to füden unde to norden 
unde wor wy wanen in deme lande to Ditmerfchen, befennen unde 
betügen apenbar in defiem breve, dat wy mit den erliden heren, 
den Radmannen unde den ganben Mleenheyden der ftede £übed, 
Bamborg, £üneborg, Stade, Burtehude uude Itzehoe upp eyn 
gedrapen hebben, dat men umme den zepundt unde fchipp- 
brofich gudt holden fchall na deſſer tyd, to ewige tyden i 
defjer wyfe, als hima fcreven: Wer’et, dat jennich fchipp, dat 
de zee unde de elve unde de eyder upp edder nedder varen 
wolde, by unſem lande edder darumme langes twiſchen tive 
enge fande, edder upp dat fand queme, dat fchipplüde unde 
gudt fchall velich weſen vor uns unde vor alle den unfen und 
en fcholen den nenerley wysarth toferen, unde wes de lüde 
fi behelpen unde berghen moghen, dat moghen fe vryliden 
wol doen. Eſcheden je aver uns edder de unfen darto to hülpe, 
fo fchole wy unde de unje den lüden unde fchepen helpen des 
beften, des wy moghen, umme redelides arbeydes Ion, alfe fe 
unde wy des enes werden; fonde wy unde fe des nicht eens 
werden, fo jcholen wy unde de unfen van en varen unde ſe 
nerghens ane hinderen edder moyen. Were't ock, dat eyn ſchipp 
tobrecke, wes de lüde ſülve berghen moghen, dat moghen ſe 





ı In einigen Abſchriften heißt es: „Grote Johann unde Vogede van 
Windbarge“. Allein es muß ohne Zweifel heißen: Grote Johann Dogede, 
oder: Brote Johann, Dogede. In letterem Falle würde Dogede einen 
Dogt bedeuten. 


110 Sweiter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


wol doen unde dar dorven fe uns unde den unfen nicht afgeven. 
Were't aver, dat fe unſe hülpe darto behoveden unde uns edder 
de unſen darto efcheden, wes de unfen en denne berghen helpen, 
‚dar fchole wy van hebben den drütten deel vor arbeydes Ion, 
unde de Koplüde, den idt behort, ſcholen beholden de twee deel, 
desgelicken ſchole wy ock unde de unſen hebben den drütten 
deel des gudes, dat driftig wurden were, dat wy edder de 
unſen haleden uth der zee edder upp dem reve. Wat aver 
van ſchippbrockigem gude kumpt over de ballige unde vloet an 
unſe gronswarde,! dat wy gret edder gruden heten, dat wy 
| edder de unjen upptheen, dar fcholen wy unde de idt upptheen 
‚afhebben den teynden deel vor arbeydes Ion, unde dat andere 
ſchvll beholden de Kopmann, deme idt tohoret. Dortmer wor 
een fchipp vor wynde unde vor waghe dreve an unfe landt, 
dat mannloß unde ftuerloß unde ankerloß were, edder ander 
jennich fchippbrodich gudt, daraf de lüde van gaen weren, 
dat gudt willen wy entfaen unde jar unde dag trumeliden wol 
bewaren, fumpt binnen der tyd we van des Kopmanns wegen, 
‚de dar recht to hefft, mit der ftadt breve, dar he wanhafftig 
vs, deme fcholen wy antwerden de twee deele, unde de idt ge- 
berghet hebben, de fchole beholden den drütten deel vor arbeydes 
lon. Dortmer wes deme Kopmann blifft unde antwordet werd 
‚van alle deme gude in aller wyfe, alje hier vorſcreven fteit, 
dat mag he foren edder bringen laten, wor he will unde fid 
des brudlid maden to finem willen funder hindere. Were od, 
dat de Koplüde clageden, dat wy unde de unfen mer gudes 
'entfangen hedden, warn wy edder de unfen befenden, dar 
deſulven bymwefen hedden, dat mag de Kopmann ware maden 
mit finem rechte, wo vele des gudes were, dat wy unde de 


ı SBronswarde (Gronſwarde) — ohne Zweifel der Wortbedeutung 
nah nicht Grenzwarde, fondern Dorland in den Watten: Warder— 
Wehrland, Dorland, groien, gröjen (Ungelfähf. growan, gron): wadjfen; 
angroien: anwadfen, zuwadfen. 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. I 


unjen entfangen. Wor aver nen Kopmann byweſen hedde, joı 
jcholen dejennen, de idt entfangen, dat utheren mit twalff Bude: 
manne, dat des gudes nicht mer wefen hedde. Ock fcholen alle 
breve, de twijchen den Steden vorfcreven unde uns in beyden. 
fiden hier bevor geven findt, in vuller macht blyven, unde hier‘ 
nicht mede weſen tobrofen edder gefrenfet. Alle deffe vor- 
jereven ftucde unde een jewelick befunder love wy NRadmanne, 
Slütere, Sworen unde Meenheyde der ferjpele Meldorp, Weßling- 
buren unde Bufen, wy vogedinghmanne loven vor uns unde 
vor unfe nafomende meene fchlechte,! vogedinghmanne geheten, 
den vorfcreven Steden ftede unde veft to holdende, to ewygen 
tyden in guden tromwen, fonder jennicherley argbelift edder 
hülperede. Des to merer bekenntniſſe to groter betüchniſſe, jo 
hebbe wy Radmanne, Slütere unde Smworen unde Meenheyde 
van WMeldorp, van Weßlingburen unde van Bufen de Inge: 
zegelen unjer dryer Ferjpelen vorgenomet mit gudem berade 
unde mit gudem willen unde eendrachticheit an deflen brev 
ghehenget, de ghegeven unde ghefcreven ys na unfes Bereit 
bort drutteyn hundert jar, darna in deme veer unde achten: 
tigeften jare im guden Donnersdage, geheten in deme latind 
Coena domini, 
(Schubad, 301; nach diejen bei Bolten (II, 413) mit Nachläffigkeit 
gedrudt.) Eine, inhaltlich diefer genau entjprechende Dertrags: 
urfunde wurde von feiten der Städte den Dithmarjchern über: 
geben. 

Graf Heinrich der Eiferne, der Kriegerifche, ftarb 1381. Er 
hatte im eigenen £ande Ruhe gehalten, nur auswärts, auf fran- 
zöfifchem, englifchem und fchwedifchem Boden, an Kriegsabenteuern 
fih betheiligt. Gleich nach feinem Tode geftalteten fich die Der- 
hältnifje zwifchen feinem Bruder Klaus und den Dithmarfchern 
feindfeliger. Die Dithmarfcher beflagten fich darüber, daß der 


ı Meene ſchlechte — gemeines (gefamtes) Geſchlecht. 


112 Zweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


alte Dertrag nicht gehalten werde, daß namentlich mehrere Dith- 
marfjcher in Bolftein erfchlagen worden feien, und man die dafür 
vertragsmäßig feftgefeßte Mannbuße nicht entrichte. Sie fallen 
daher öfters in Bolftein ein und unternehmen feindfelige Streif- 
züge gegen die Unterthanen des Grafen. Bei einem folchen Ein- 
falle traf es fich, dag Graf Klaus in der Nähe war. Er be- 
waffnete fein Gefolge, welches er bei fich zu haben pflegte, etwa 
30 Mann ſtark, und verfammelte zugleich die Einwohner der 
Kirchfpiele Schenefeld und Hademarfchen und zog den flreifenden 
Dithmarfchern entgegen, weil er es für eine Schande hielt, daß 
unter feinen Augen das Gut feiner Unterthanen geraubt werde. 
Bei Tipperslo, nahe der Grenze, einem jeßt unbelannten Ort, 
vielleicht Lomälen („Lohmülen*) traf er auf die Dithmarfcher. 
Diefe hatten ihre Spieße, die Spigen nach oben gelehrt, vor fich 
in die Erde geftedt. Sie ruhten hier aljo und erwarteten feinen 
Angriff. Graf Klaus rief feinen Leuten zu: Bier haben wir nun den 
Kälbertanz; wer hinfort von mir geachtet fein will, der gehe mit 
mir in foldyen Tanz in Gottes Namen. Er ließ einige feiner 
Reiter die Dithmarfcher im Rücken angreifen und griff felbft von 
vorne an. Als er nur erft die Seinde getrennt hatte, heißt es 
beim Presbyter und bei Eranz, der hier dem Presbyter in feinen 
Berichten folgt, rücdten auch die Eandleute nah. Allzu muthig 
waren dieſe alfo gerade nicht zu einem Angriff auf die Dith- 
marjcher. Graf Klaus foll fih dann einen anfehnlichen und vor 
nehmen Dithmarfcher, der durch gefticdte Kleidung (Ritterwams) 
fih ausgezeichnet, zum Hampf auserjehen haben, Beide Gegner 
hätten längere Seit gelämpft, der Dithmarfcher fei bemüht ge 
wefen, den Grafen aus dem Sattel zu heben, da habe endlich der 
Graf feinen Dortheil erfehen und mit einem Schwerthieb feinen 
Gegner vom Scheitel bis auf den Sattellnopf geſpaltet. Das 
Beifpiel des Grafen habe dann auch den £euten desjelben Muth 
gemacht. Die Dithmarſcher wären an Sortfegung ihres Zuges 
verhindert und zurüdgedrängt worden, nachdem fie viele Leute 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 113 


verloren. So lange Graf Klaus gelebt, fügt der Presbyter bei, 
hätten die Dithmarfcher feinen Einfall in deffen Land mehr unter- 
nommen. So die Erzählung holfteinifcher Chroniften. Was davon 
zu halten fei, zeigt die Wiederholung des befannten „Schwaben: 
ftreichs”, noch dazu durch den alten und von der Gicht geplagten 
Grafen Klaus. Aus Eranz erhellt, daß die Dithmarfcher fich den 
Sieg bei Tipperslo zugefchrieben haben. Auch wird nicht gelefen, 
dag die Dithmarfcher ihre Beute zurückgelaſſen hätten. Das Ganze 
reduzirt fich demnach darauf, daß die Ditkmarfcher auf dem: Heim- 
wege an der Grenze durch den Grafen Klaus angegriffen und in 
Sortichaffung der Beute behelligt worden find und dann unter 
Abwehrung der Angriffe ihren Sug nach der Grenze zur Siche- 
rung der Beute fortgefegt haben. Daß die Dithmarfcher in den 
Kämpfen diefer Zeit den Dortheil dDapongetragen haben, das be» 
zeugen die Damals zwifchen ihnen und den Holfteinern gefchlofjenen 
Derträge, die für fie vortheilkaft genug waren. &s kam nad 
dem Treffen bei Tipperslo wieder zu einem Dergleich. Die Dith- 
marjcher follen auf der Eider und Irene freie Fahrt haben, wie 
von Altersher; es foll ihnen im Bolfteinifchen Feinerlei Schade zu- 
gefügt werden, wenn aber dennoch folches gefchehe, jo foll der 
Schade von den Holſteinern gebüßt werden binnen vier Wochen. 
Bleiche Sicherheit follen die Holfteiner in Dithmarfchen genießen; 
die Dithmarfcher wollen erlittenen Schaden nicht gleich mit Gewalt 
rächen, fondern dieſerhalb auf dem Wege der Klage ihr Recht 
fuchen; fein Theil foll die Seinde des anderen unterftlüßen. So: 
lange diejes gehalten wird, foll zwifchen Dithmarfchen und Bolftein 
fleter Sriede fein. Wolle eine Partei vom Dertrage zurüdtreten, fo 
folle dies der anderen Partei fechs Wochen vorher angezeigt werden. 
(Presb. Brem., Eranz, Eilicius.) Der Dertrag ift im wejentlichen 


ı &s ift die Geſchichte vom „Schwabenftreich” nur eine dichterifche Ueber- 
treibung. Auch mit einem Richtfhwert würde der „Schwabenftreich” nicht 
auszuführen fein. Es ift genug, wenn einem gewappneten Neiter mit 
einem Bieb der Schädel gefpaltet wird. 


Dithmarfcher Geſchichte. 8 


11% Zweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


nur eine Beftätigung des Dertrages von 1355. Ein Beweis, daß 
auch aus den Streitigkeiten zur Seit des Grafen Klaus die Dith- 
marfcher im ganzen fiegreich hervorgegangen find. 

Auch mit Hamburg geriethen die Dithmarfcher, und zwar 
ichon bald, nachdem der Dertrag der Hamburger mit den Kirch 
fpielen Meldorf, Wefjelburen und Büjum und dem Geſchlechte der 
Dogdemannen abgefchloffen worden, wieder in Streit. Diesmal 
waren es vornehmlich Brunsbüttel und Marne, die auf dith- 
marfcher Seite am Streite fich betheiligten. Die Hamburger fielen 
zu verfchiedenen Malen in diefe beiden Kirchfpiele ein, und die 
Dithmarfcher griffen die Hamburger auf der Elbe an. Auf beiden 
Seiten wüthete man mit Raub und Brand wider den Gegner. 
Der Streit wurde erft 1395 beigelegt. Insbeſondere ward, nadı 
Traßiger, vereinbart, daß die Dithmarfcher die Hamburger Schiffe 
auf der Elbe nicht angreifen und befchädigen follten. Mit den 
Holfteinern ftanden die Dithmarfcher nach dem Kampf bei Tipperslo, 
folange Graf Klaus lebte, in leidlichem Dernehmen. Klaus ftarb 
1397. Die Söhne Heinrichs des Eifernen: Gerhard, Albrecht und 
Heinrich, theilten fich in feine Befigtungen. Gerhard ward 1586 
mit Südjütland (Schleswig) belehnt und fam auch in Bolftein zur 
Alleinherrfchaft. 

Im Jahre 1402, am Dienstag nach Pfingften, 16. Mai, ftel 
der Herzog Erich von Sachfen-Lauenburg, ohne Fehde angekündigt 
zu haben, feindlih in Dithmarfchen ein.! Srüh morgens, vor 
Sonnenaufgang, überfiel er Tennsbüttel im Kirchfpiel Alberftorf, 
brannte das Dorf ab und raubte viel werthvolle Habe. Mit 
reicher Beute, namentlich an Dieh, zog er dann nach Bramftedt 
zu ab. Herzog Erich war Schwiegervater des Grafen Albrecht 


ı 4. Cranz fegt den Zug Erids ins Jahr 1404. Andere, unter 
welchen aud Bolten, fegen denfelben in das Jahr 1403. Allein der Einfall 
Eridhs, die Deranlaffung zur Feindfhaft, muß fpäteflens 1402 erfolgt fein, 
denn damals ſchon war die Feindfchaft zwifchen Dithmarfchern und Holfteinern 
zum Ausbrud gefommen. 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 115 


von Holftein und hatte durch deſſen Kandestheil den Zug nach 
Dithmarfchen genommen. Die Dithmarfcher befchuldigten bei 
Fürſten und Städten die holfteinifchen Grafen, die nach den Traf- 
taten verpflichtet waren, allen Seinden der Dithmarjcher den Zug 
durch ihre Land zu wehren, des geheimen Einverftändniffes mit 
dem Berzog Erich, der Wortbrücjigkeit und Treulofigkeit. Für 
diefe Befchuldigung nahm Graf Albrecht Rache, indem er am 
Tage vor Srohnleichnam, 24. Mai, die Kirchjpiele Alberftorp, 
Tellingftedt und Nordhaftedt verwüũſtete. Am St. Remigiustage, 
dem 1. Oktober, fiel er abermals urplöglich und unerwartet ins 
Land und drang nach der Norderhamme. Bier wurden, nad 
einer betreffenden Schadensklage der Dithmarfcher wegen erlittener 
DPlünderung (bei Michelfen, Urkundenb. 47), die Ortfchaften Hennftedt, 
£inden, Berkenholm, Nordheiftedt, Süderheiftedt, Sedderingen, 
£ammersbule, Wimerftedt, Delff (Delve), Bergerwörden, Swyns» 
hufen und Hollingfledt verwüftet.! Ja, es werden gar £unden 
und Hemme, als von der Dermwäftung betroffen, angeführt. Die 
Dithmarfcher Hatten namentlich auch bei dem Herzoge Gerhard 
bittere Klage über den Bruch der Derträge gelegentlich des Raub⸗ 
überfalles durch den Herzog Erich geführt und forderten Erfaß 
des Schadens, da fein Krieg angefagt worden fei, alfo gemeiner 
Raub vorliege, den die Holfteiner durch Derhinderung des Durch- 
zuges abzuwehren verpflichtet gewejen feien. Dieſes verdroß den 
Herzog Gerhard fehr. Er forderte feinen Bruder Albrecht zu fich 
nach Gottorp und machte ihm Öffentlih vor den Räthen harte 
Dormwürfe darüber, daß er den Herzog von Sachlen-Kauenburg, 
wider die mit Dithmarichen gefchlofjenen verbrieften Derträge, 
durch fein Gebiet habe ziehen lafjen, da gar nicht anzunehmen 
fei, daß er nicht um den Zug des Herzogs gewußt und auch nichts 
von demfelben bemerkt oder erfahren habe. Graf Albrecht jchwur 


' Ein Beweis, daf die Morderkamme wirkli der Diftrift im Xorden 
der Brodlandsau war und nicht die Hamme vor Heide. 


20 





116 Zweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


dann aufs Höchfte, daß er weder durch Rath noch That.an des 
Derzogs Einfall in Dithmarfchen theilgenommen habe und Berzog 
Erih ganz ohne fein Wiffen durch fein Land Hin- und zurück⸗ 
gezogen fei. Hierauf follen dann der Herzog und fein Bruder, 
Graf Albrecht, den Dithmarfchern fchriftlich Antwort auf ihre 
Klagen ertheilt und gleichzeitig ihnen den Krieg angefündigt 
haben. Eine bezügliche Urkunde liegt Hier jedoch nicht vor. 
Mebrigens fchrieben die beiden, Gerhard und Albrecht, an Sürften 
und Städte, und fuchten fih gegenüber den Dorwürfen der Dith- 
marfcher zu rechtfertigen. Die Dithmarfcher aber, welche die 
holfteinifchen Brafen für Mitwifler und Anftifter in der Sache 
hielten — „Se vlofeden unde vermaledieten in den kroghen de 
Deren van Bolten, unde helden je alle vor vorreder eres landes" 
(nach einer handfchriftl. Holft. Ehronit) — liegen nicht von der 
Ueberzeugung, daß die Grafen verrätherifch gegen fie gehandelt 
hätten — „De Dytmerfchen en leten nicht aff unde vlofeden vordan. 
Dat was den Heren unmere to hörende. Bierumme van noth 
weghen moften fe den Dytmerfchen entjegghen, wennte fe eren 
vorwith nicht lengher Iyden wolden“, Heißt es in der beregten 
holfteinifchen Ehronil.! Don beiden Seiten werden immer heftigere 
Dorwürfe und Klagen erhoben. Es finden Zujammenfünfte und 
Derhandlungen ftatt an der Grenze, am Hudswalle. Aber die 
gegenfeitige Seindfchaft und Erbitterung ift fchon zu groß, als daß 
noch durch friedliche Derhandlungen etwas erreicht werden könnte. 
Die Städte Hamburg und Lübeck fuchten zu fchlichten und zu ver- 
mitteln und namentlich die Sürften zu befänftigen. Alle Be 
mühungen waren jedoch hier vergebens. Die Herren von Holitein 


1 Diefe Chronik nennt 1598 als das Jahr des Einfalles des Herzogs 
Erih von Sachfen-£auenburg in Dithmarfchen. So herridht bei dem Chro⸗ 
niften ein gewiſſes hiftorifches Dunkel über diefen Theil der Ereigniffe vor 
1404. Es erflärt fi das daraus, daß es fi bei Erichs Zug nicht um 
einen offenen Kriegs-, fondern um einen verftedkten und verdeckten Raubzug 
handelt. 


Don 1319 bis zn Anfang des 15. Jahrhunderts. 117 


wollten den Krieg. Im Rathe der Sürften foll namentlich Klaus 
v. Ahlefeld eifrig zum Kriege gerathen und auf Krieg hingearbeitet 
haben. Am freitag vor dem Marien-Magdalenen-Tage, 20. Juli, 
1403 ſchloſſen die Sürften zu Itzehoe einen Dertrag mit Stade, 
wonach jene nicht eher mit den Dithmarfchern Srieden fchließen 
wollten, als bis den Stadern von den £ebteren GBerechtigfeit wider. 
fahren fein werde. — Die Stader fcheinen von den Dithmarfchern 
in der Elbfchiffahrt behindert worden zu fein. Auch Bamburg 
wurde infofern für die Holfteiner gewonnen, als es auf Anfuchen 
der Sürften ein Derbot erließ, in welchem unterfagt ward, den 
Dithmarfchern Sufuhr zu leiften. Es wurde befchlofien, den 
Winter von 1402 auf 1405 noch Srieden zu halten. 1403 bricht 
der Krieg aus. Herzog Gerhard und fein Bruder, Graf Albrecht, 
— der dritte der Brüder, Graf Heinrich, hatte fich dem geiftlichen 
Stande gewidmet und war Bifchof von ®snabrüd — fallen in 
Dithmarjchen ein und wollen das Land erobern. 

In Dithmarfchen eingedrungen, legen die Sürften zunächft, 
auf Anrathen des Klaus Ahlefeld, im Kande felbfl, um hier 
feften Fuß zu fallen, eine Burg — ein ftarfes Blodhaus — an, 
die Marienburg, bei Dellbrüd, daher bei Annaliften auch „dat 
Buus Dellbrugg” genannt. Don diefem feften Stüßpunfte aus 
rüdte man dann gegen Meldorf. Bei Annäherung des Seindes 
wurden in der Stadt die Sturmgloden geläutet — „de Kloden 
gingen tho Store”. Es famen auch viele Mannfchaften zur 
Hülfe herbei. Der offene Ort wurde aber, bevor genügende 


! Die Sufammenrufung durch Läuten der Bloden gefhah in dringenden 
Xothfällen. „Heiner foll den Andern in feiner Xoth verlaffen. Wenn die 
Safe brennt, die Sturmglode läutet und das Schwert herumgetragen wird, 
fo foll ein Jeder an feiner Stelle fein”, heißt es in einer Beliebung der 
Strandmannen. Aus Mißverftand diefer Beflimmung ift die wunderliche 
Darftellung bei einigen Schriftfiellern entflanden, wonad bei den Dith- 
marfchern die Dorffchaft dur den „Bauerſtock“, das Kirchfptel durdy Käuten 
der GBloden, die Landesverfammlung durch Abbrennung von Balken zur 
Berathung zufammengezogen worden wäre. 


118 Zweiter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Hülfsmannfchaft herangezogen war, mit Sturm eingenommen und 
geplündert. Für hier bewiefene Tapferkeit wurden mehrere holftei- 
nifche Adlige zu Rittern gefchlagen. Bei diefem Plünderungszuge 
gegen Meldorf erfcheint Graf Albrecht als Sührer. In Meldorf 
durfte der Feind nicht lange mweilen. Immer mehr Dithmarfcher 
eilten der Stadt zur Hülfe — „De Dytmerfchen quemen uppe de 
jaht. Greve Albert fach, dat he vormannet was. He en dorfte 
dar nicht benachten“, heißt es in der beregten holfteinifchen Chronik. 
Der Zug ging in Eile nah Norden. Unterdes fuchten einige 
Dithmarfcher die Marienburg zu zerftören, aber vergebens. — Der 
Seind 309g nach der Norderhamme, plünderte und verwüſtete 
mehrere Seeftfirchfpiele und machte große Beute.! Die zufammen- 
geraubte Beute fuchte man nach Holftein in Sicherheit zu bringen. 
Inzwifchen Ratten die Dithmarfcher fich verfammelt und unternahmen 
wüthende Angriffe auf den von Albrecht geführten Heerhaufen. 
Der Graf wandte fih zum Rüdzuge. Die Dithmarfcher fuchten 
den Feind in der Norderhamme abzufchneiden und zu vernichten. 
Albrecht, der die Gefahr erkannte, befahl, mit Sem Zuge zu eilen. 
In wilder Haft fuchten die Sliehenden nun aus der Hamme und aus 
dem Lande zu entlommen. Alle Ordnung und aller Balt war 
verloren. Einer drängte den Andern aus dem Wege, um fchneller 
fortzulommen und den nachdringenden Dithmarfchern zu entgehen. 
Durch das wilde Gedränge gerieth der Zug zeitweilig ins Stoden. 
Der Graf, nun auf dem Rüdzuge unfreiwillig in den Xachtrab 
geflommen, wo es jet am gefährlichfien war, trieb zu immer 
größerer Eile. Ergrimmt über die Derzögerung, wollte er mit 
Gewalt ſich Bahn brechen. Er gab dem Pferde, das nicht vor- 
wollte in dem wirren Gedränge, die Sporen. Das Pferd aber 


! Wenn Bolten fagt, daß die Fürften durch den engen Paß der Zlorder- 
hamme über Beide ins Herz von Dithmarfhen, nah der Marſch bei 
. Wöhrden, gezogen, fo beruht das auf jenem Jrrthum, in weldem er die 
Damme vor Heide, die eigentlihe hamme oder Süderhamme, für die 
Xorderhamme hielt. 


Don 1319 bis zu Anfang des 15. Jahrhunderts. 119 


fcheute, ging durch und flürzte mit dem Leiter. Der Graf, in 
fhwerer Panzerrüftung, war durch den Sturz fo verwundet, daß 
er bald nachher, „uppe dem Weghe, er het tho Aus quam”, an 
den Solgen desfelben ftarb. Er ward zu Itzehoe beigefeßt. — Die 
Holfteiner in der Norderhamme entgingen der völligen Dernichtung 
nur dadurch, daß die Eider an demjelben Tage einen Damm, den 
Ulendamm, durchbrochen hatte und das ins Land ftrömende Eider- 
wafjer nun zwijchen die fliehenden Holfteiner und die fie ver- 
folgenden Dithmarfcher trat. Auf der Heide fammelte fih eine 
ftarfe Macht der Dithmarfcher. Es galt, die beiden Päſſe bei 
Aederftall und der Tielenbrüde zu befegen, um den Grafen mit 
feiner ganzen Mannfchaft abzufchneiden. Der Plan wäre leicht 
auszuführen gemwejen, denn von Heide aus waren beide Päfle 
bald zu erreichen. Aber der Eiderdurchbruch hinderte die Aus- 
führung. „Gott“ ‚fagt der Presbyter Bremenfis, (Westph. II, 113) 
„jah die Bolften an, die fich wie in einem Sallftrid befanden, 
indem er durch einen ftarfen Wind das Seewafler in die Eider 
trieb, fo daß der Damm Ulendamm zwifchen den Dithmarfchern auf 
der Heide und denen in der Torderhamme durch die Gewalt des 
Waflers brach; fonft wären fie damals alle in der NTorderkamme 
erfchlagen worden. Denn diejer Diſtrikt ift auf einer Seite von 
einem moorigen Sumpf umgeben, auf der anderen Seite ift die 
Eider und nur ein fchmaler Weg zum Durchzug, durch den mußten 
fie alle ein und aus.” — Schon die hier gegebene Befchreibung 
der Norderhamme zeigt, daß der fchmale Weg nicht, wie Bolten 
angenommen, der Weg durch die Hamme vor Heide ift, die Bolten die 
Norderhamme nennt, fondern ganz unzweifelhaft der Tielenbrüd. 
Paß. Die zerftörte Paflage bei Heide kann nach der Natur der 
Dinge nur die Aubrüde fein. Die Niederlage des Grafen Albrecht 
erfolgte 1403 im September, um Michaelis — „ummetrent Nlichaelis- 
dach”. Die Annaliften feßen den Todestag des Albrecht ein- 
ftimmig auf den 28. September. Anftatt des Jahres 1403 findet 
fich bei einigen Ehroniften das Jahr 1402 — eine holfteinifche Chronif 


120 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


jeßt hier gar 1401 — angegeben, bei anderen 1404. Allein am 
Sreitag vor Marid:-Magdalenen 1403 hat Albrecht noch den Dertrag 
mit Stade (Pratje, Dipl. Stad.) unterzeichnet; im Auguft 1404 aber, 
als fein Bruder nach der Hamme zog, war er fchon todt. Er 
muß alfo, da er nach allen Berichten um Michaelis geftorben ift, 
im Jahre 1405 umgelommen fein. — Der Hafen Ulendamm kommt 
feitdem nicht mehr vor. 


Dritte Abtheilung. 
Don 1404— 1447. 
Don der Schladht am Oswaldusabend bis zur Aufzeichnung des Landredhts. 


Bleich nach des Grafen Albrecht Tode traten die hanfeatifchen 
Städte, bejonders Lübel und Hamburg, vermittelnd ein. Gerhard 
aber ift nun zwiefach entrüftet und erboft gegen die Dithmarfcher 
und alle Dermittelungsverfuche der Städte führen zu nichts. _Jener 
ftellt folche Bedingungen des Sriedens, auf welche die Dithmarfcher 
niemals eingehen konnten. Sie follen ihm Landfolge leiften und 
einen jährlichen Zins entrichten. — Hierbei ftüßte er fich wohl 
auf jenen Dertrag mit Gerhard II., dem Blinden, von 1285 und 
bezog fich für leßtere Sorderung unzweifelhaft auf die alte Hafer- 
lieferung aus dem Süderfelde, die jchon dem Grafen Adolph I. 
gewährt worden war. Die Dithmarfcher lehnten diefe Sorderungen, 
refp. Sriedensanerbietungen, des Herzogs mit Entrüftung ab, denn 
zinsbar fein, war Knechtfchaftslos, welfes fe alle tidt fchwerer 
anfam, alje de Dodt", fagt Neocorus. Sie bemühen fich, die 
Marienburg zu vernichten. Ein Häuptling des Landes, Rolf 
Boykenſon, aus dem Dogdemannsgefchlecht, der in dem Dertrage 
mit den Städten vom Jahre 1384 namentlich genannt wird und 
der in einem alten Kiede bei Neocorus „der befte unjeres Landes“ 
beißt, reizt vornehmlich zum Sturm auf die Burg: „Tredet hertho 
gi ftolten Ditmerfchen, unfen Kummer willen wi wreden, wat 
Händeken gebumwet han, dat fönnen Händelen thobreden.” Unter Wolf 


Don d. Schlaht am Oswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Kandrechts, 1447. 121 


Boykenfons Sührung fchritt man getroft zum Sturm; der Angriff 
wurde abgeſchlagen, und alle erneuerten Angriffe blieben ohne 
Erfolg; Diele der Stürmenden fanden ihren Tod vor der Burg 
und auch der Fühne Held Rolf Boykenſon war, von einer Kugel 
in den Hopf getroffen, gefallen. Die Bolfteiner ftecten den 
zerjchmetterten Kopf des gefallenen Sührers vor der Burg auf einen 
Pfahl. Nach einigen Tagen vergeblicher Belagerung 309 man 
von der Yurg ab. Die Holfteiner machten dann von der Burg aus 
Raubzüge im Lande, brannten Gehöfte und Dörfer nieder und kehrten 
mit Beute zuräd auf die Burg. Ein Theil der Beute wurde 
nach Holftein geführt; der andere diente zum Unterhalte der 
Befagung. 

Herzog Gerhard fommt mit einem größeren Heere. Er hatte 
den Kern des Adels von Bolftein und Schleswig, Bürgermeifter 
und Rathsherren aus den Städten beider Lande, Amtmänner und 
Dögte zu diefem Zuge gegen Dithmarfchen aufgeboten und fcheint 
die Eroberung des Eandes nun ernftlich betreiben zu wollen. An 
der Spibe feines Heeres dringt er vor gegen die Hamme. — Die 
Hammgegend umfaßte die Tliederungeu des Sieler Sees und der 
Brodlandsau. Sie erftredte fih von der Dellbrüde bis zum Neckſee 
und ward durch den Weg von Xordhaftedt nach Heide in die 
Xorderhamme und die Süderhamme getheilt. Ein durch Hölzungen 
und Sümpfe zum Hammhauje führender gepflafterter Weg fcheidet 
Norderhamme und Süderhamme, beide Hammen beftehen aus 
Sumpf und Holz oder fumpfigen Holzungen, heißt es im Hamb. Cod., 
p. 103 „Via scilicet bapidea transiens per silvam et paludem usque ad 
Hammehus dividit Suderhamme et Northamme. Utraque Hamme sunt 
silvae et paludes, sive silvae paludosae.*! Weildie Niederung zwifchen 


1 Das Sumpfland macht hier alfo eigentlich die „Hamme“ aus, nicht, wie 
irrthümlich gemeint worden, das Gehölz, „hammholt“. — Daß aud bei 
Hamburg nicht das Holz, „de Hamme genömt“, fondern Bruchgründe die Hamme 
bildeten, dafür fpricht die Bezeihnung der Diftrifte zwifchen Alfter und 
Bille, wo das Holz lag, als Haffelbrod, Borafeld, Landwehr und Hammerbrock. 


122 Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Brodlandsau und der Tilenau eine natürliche Hamme für fich bildete, 
fo wurde der Name Norderhamme fpäter auf diefen Cheil nördlich 
der Brocdlandsau befchräntt. — Das Gebiet der Kirchfpiele Hennſtedt 
und Delve nebft Nordtellingftedt heißt in Urkunden die Vorder⸗ 
hamme. Der Weg von Nordhaftedt nach Heide, reſp. nad 
dem Hammhuus, führte nun durch die Süderhamme. Diefer Weg 
war ſtark befeftigt, um ins Land eindringende Seinde zu hemmen. 
Auf ihn, als den wichtigften Theil der Hamme, ward daher 
vorzugsweife die Bezeichnung „Hamme“ angewandt. Daher 
fagt Neocorus von der Süderhamme: „Dat if eine Landtwehre 
mit twee- edder dreedubbelten Graven up etlichen Steden unde 
Orden vor der Marfch, mit holte dicke bemwortelt unde bemoflen, 
dardorch geit ein enger Steenwech, twee edder dree Steenworpe 
breidt, de hefft up beiden Siden einen depen Braven”. — „Umwee 
edder dree Steenworpe breidt” bezieht fich offenbar nicht auf den 
engen Weg, jondern anf die holzbewachfene Eandwehre; der Weg 
zieht fich in einer Länge von zwei bis drei Steinwürfen durch die 
Breite des Behölzes der Hamme.! Diefe Befchreibung der Hamme 
gilt für die Seit des Einfalls des Herzogs Gerhard. Später fam 
zur Derftärfung noch ein ſtarkes Blodhaus, das „Bammhuus“, 
Binzu, welches mit fchwerem Geſchütz armirt, den Weg fperrte. Als 
feftes Werk heißt das Hammhuus auch ein „Churm“ bei Neocorus. 
Churm und Wall waren der Inbegriff eines feften Werkes. Auch 
die fpätere Marienburg, „dat Huus Dellbrügg”, wird als feiter 
Churm bezeichnet. Die Süderhamme heißt im Unterfchied von der 


! Diefe Stelle des Neocorus und jene des Hamburger Loder bezeugen es, 
daß nicht das Holz „hammholt“, fondern das Sumpfland die „Hamme“ war 
und es falfch ift, wenn Bolten die Hammen Gehölze nennt. Das Gehölz 
diente zur Erhaltung und Derftärfung der durh die Hamme gewährten 
Dedung gegen feindlihe Einfälle. — Daß die „hammen“ nidyt Gehölze 
bezeichnen, erhellt fhon ans dem Vorkommen der hemmen und Heme 
in der Mari, wo es feine Hölzungen gab. — hem bei Meldorf und 
Büfum, die Hemming des Schweinemoors, Hemme bei £unden, die Tielen- 
hemme zc. 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447. 123 


Norderhamme oder dem ganzen Hammgebiete zuweilen auch „die Heine 
Hamme“. ft von der Hamme fchlechthin die Rede bei älteren Anna- 
liften, jo ift immer die Süderhamme vor Heide, refp. der befeftigte, 
gepflafterte Weg vor dem Hammerhuus, gemeint. Eilicius (Heinrich 
Ranzau) nennt ausdrüdlichdie Süderhamme einen Weg, die Norder⸗ 
hamme einen Diftrift. — „Per eum tractum, quem Northamme incolae 
dicunt“. (p. 76) „Nec longa intercessit mora, quam toto exercitus 
corpore ea via, quae Suderhamme vocatur, a coeli plaga austrauli in 
Ditmarsiam itur.* (p. 77). Die Süderhamme lag nach Eilicius 
weftlih von Süderholm und Bennewohld, nah Neocorus un- 
mittelbar ö).:ch vor Heide. So ift die Lage der Süderhamme 
oder der eigentlichen Hamme mit dem Kammhuus genau beftimmt, 
und es ift gleichermaßen falfch und irreführend, wenn bei Bolten 
die Hamme mit dem Hammhuus vor Heide Norderhamme heißt, 
während die Süderkamme als bei Hemmingitedt belegen gewejen 
bezeichnet wird, und wenn gejagt wird, daß die Süderhamme bei 
Nordhaftedt vor dem Aifewohld, nicht am Hammhuus vor Beide, 
gelegen habe. Molbech fagt in leßterer Beziehung zutreffend, daß 
die Süderhamme mit dem feiten Hammhuus vor Heide lag, 
1'/a Meilen von Alberftorf.! Gerhard zieht, ohne MWiderftand zu 
finden, durch die Hamme. Sein Dolf vertheilt fich über die benadı- 
barten Kirchfpiele, Dörfer werden überfallen, ausgeraubt und nieder: 
gebrannt. Große Beute wird zufammengebradt, vornehmlich an Dieh. 
Ein Cheilder Mannfchaft wird abgeordnet, das Beraubte über die hol: 
fteinifche Grenze nach Hanerau in Sicherheit zu bringen. Die Burg 
Hanerau, wo bisher Hinrich von Ahlefeld als Burghauptmann ge 
legen, war 1403 ftarf befeftigt worden, um nebftden Schlöfjern Schwab: 
ftedt und Tilenburg als Stützpunkt im Kriege wider Dithmarichen zu 
dienen. Der Zug zur Grenze ging größtentheils glüdlich vor fi. 


! Daß in der betr. Stelle bei Molbech anftatt „nordöſtlich“ nordweftlich 
zu lefen ift, verfteht fi von felbft, da Molbech Heide nicht im Xordoften 
von Alberftorf gefucht haben wird. Das hammhuus zwifchen Süderholm- 
Bennewohld und Beide lag allerdings 1'/a Meilen von Alberftorf. 


124 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Ein Theil des Heeres war noch auf den Dörfern zerftreut. Alt und 
Jung, Weib und Kind wird hier vom Seinde erfchlagen; es wird 
geraubt, was nur mitgeführt werden fann und des Raubens werth 
ift, „Pferde, Kühe, Schweine, Schafe, Silber und Gold, Kleider und 
was fie fanden” ‚heißtes in einer ungedruckten holfteinifchen Ehronit, — 
„je beroveten dat landt manliden von dem morgen wente in den 
avent, unde funder barmhertigheyt fchoneten fe nicht moder noch 
finder in der weghen; fo roveten und nement alle, dat je vunden: 
perde, koye, fwine, fchape, fe breden de kyſten, roveten ſylver 
und gholdt, Pleder unde allent, dat fe vunden.“ Der Herzog 
hielt indes mit dem Hauptheere an der Hamme, wo die auf 
DPlünderung ausgefandten Streifcorps fich wieder zu ihm ver- 
fammeln follten. Die leßteren fanden auf ihren Zügen faft nirgends 
MWiderftand. Baus und Gehöft ftanden vielenorts verlafien. Mit 
klingendem Spiel zogen die plündernden Scharen von einer 
Ortſchaft zu anderen, machten mit leichter Mühe reiche Beute und 
zündeten dann die ausgeraubten Gehöfte an. Befonders der Ritter 
Dinrih von Ahlefeld, der eine Abtheilung auserlefener Scharf. 
fchüßen führte, deren Hauptbanner fein Bruder Klaus, der Ober⸗ 
anführer in diefem Zuge gegen Dithmarfchen, trug und leitete, 
zeichnete fich im Plündern und Zerftören aus. Er zog mit feinen 
Schügen bis nach £unden hinauf, legte hier, wie im Kirchfpiel 
Meddingftedt, viele Käufer in Afche, trieb das Dieh zufammen 
und ordnete den Transport der Beute. Ein Theil der lebteren 
wurde auf die Pferde gebunden, ein anderer den zu diefem Zweck 
aufgebotenen holfteinifchen Bauern aufgeladen, die auch die Dieh- 
herden zur Grenze treiben mußten. Das Ganze wurde unter 
Bedeckung einer Schüßentruppe abgeführt. Während Binrich von 
Ahlefeld fo mit Eifer der Plünderung oblag uud forglos immer 
weiter drang, fand es der Herzog, dem die öde Hamme nicht gefallen 
wollte und dem es bei der Derlafienheit, in welcher die Orte und 
Gehöfe dalagen, unheimlich ward, indem fie auf einen verfteckten Hinter⸗ 
halt fich deuten ließ, gegen Abend rathjam, aus der Hamme abzuziehen. 





— — 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 125 


Klaus Ahblefeld, der die Bedenken des Herzogs theilte, gab die ent- 
fprechenden Befehle und trieb feinen Bruder Hinrich zur Eile : „Broder 
idt ys tyd, dat wy wedderumme ut dem Lande theen, willen wy 
ungefchlagen fyn van den Dithmerfchen”. Hinrich von Ahlefeld 
verlachte das und verweilte fich, um feinen Muth zu zeigen, mit 
feinen Schüßen bei Weddingftedt mit der Abbrennung einer Wind» 
mühle. Mittlerweile traf auch fchon die Nachricht ein, daß die Dith» 
marfcher das Holz der Hamme zu belaufen anfingen, und der Herzog 
treibt nun die Seinen an, mit dem Rückzuge zu eiln. Man gab 
ihm fpöttifche Antworten und warf ihm Hafenherzigkeit vor — „fe 
antwordeten homodigliden und fmeliden: dem Hartogh were en 
hafen wol vor fynen ers gebunden“. Der Herzog befchließt dann, 
zu warten und mit den ZXittern fein Leben zu wagen. Langjam 
zogen die feindlichen Heeresabtheilungen zum Sammelplag heran. 
Die Dithmarfcher hatten fich inzwifchen ebenfalls mehr gejammelt 
und fich zu beiden Seiten des Hammweges gelagert.! Als das 
feindliche Heer endlich völlig wieder beifammen war, ließ der Herzog 
den Rückzug antreten. Der Troß wurde vorausgefcidt. Diefen, 
unbewaffnete Bauern, Knechte, Cakaien 2c. liegen die Dithmarſcher 
ruhig paffiren. Als derfelbe ungehindert durch die Kamm zog, 
ward auch der Herzog unbeforgt, und da ihm in der Sommerhißge 
die Rüſtung befchwerlich fiel, legte er fie ab und übergab fie nebft 
den Waffen den Schildfnappen. Einige der Ritter folgten feinem 
Beifpiele. Die Knappen wurden vorausgefchidt, Sorglos folgte 
das Heer, an der Spiße desjelben der Herzog in Begleitung der 
vornehmften Ritter. Kaum aber haben die Knappen den durch 
die Hamme führenden gepflafterten Weg erreicht, als man fie ein 
arges Gefchrei erheben hört. Der Herzog meint, es fei ein Streit, 
wie er öfters vorlam, unter ihnen ausgebrochen, und fprengt in 
Begleitung der Ritter, mit denen er an der Spige des Zuges 


ı „Se lepen in dat Holt und leden zick by enen enghen wech, de de Hhamme 
genömet is" — fagt die beregte Chronik von 1486. Diefer Weg ift die fog. 
kleine Hamme. 


126 Aweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


einherritt, zornig hinzu, ohne Helm und Schwert, nur mit einer 
Pflugreute (Riddelfpaden) in der Hand. Da fjahen fie, wie die 
Knappen von einigen Dithmarfchern überfallen worden, einige der- 
felben niedergefchlagen waren und die anderen eben der Waffen 
beraubt wurden. Als die Dithmarfcher den Herzog erblidten, warfen 
fich zwölf von ihnen auf denfelben und feine Begleiter, und mit 
den Worten: „Bift du barhaupt hergelommen, um dir den Sürften- 
hut über Dithmarfchen aufzufegen? Bier haft du ihn!" fchlugen fie 
ihn, nebft feinen Begleitern, mit ihren fchweren Streitärten nieder. 
Einige Knappen, die fich durch die Slucht hatten retten können, über- 
brachten wehllagend dem Heere die Nachricht vom Tode des Herzogs, 
Schweden und ftarres Entjegen ergriff das Heer, als zugleich wilder 
Schlahtruf ringsum in der Hamme erfcholl und zu Beiden Seiten 
des Weges bewaffnete Dithmarfcher auftauchten, racheglühend und 
zornig, jagt ein holfteinifcher Ehronift, wie ein Bär, dem die Jungen 
geraubt worden, — „Dar leghen de Dytmerfchen tho beyden ſyden, 
geymmichliden unde tornid; unde grellend, liferwys, alfe en bare, 
deme ſyne jungben jyn genamen.” Das feindliche Heer dringt, aus 
der Erftarrung des Augenblids ſich aufraffend, in wilder Haft vor, 
um fich den Weg durch die Hamme zu bahnen. Die Dithmarfcher 
aber ftechen mit ihren langen Spiegen und Lanzen (Glevien unde 
Speten) die heranftürmenden Pferde der Ritter nieder. Die Pferde 
fielen in den Weg, fchlugen in ihrer Qual wild um fich und ließen 
Niemanden durch. Die mit den Pferden zu Fall gebrachten Aitter, 
die nicht durch den Sturz den Tod gefunden, erftichten im Blut, 
indem der eine auf den anderen fiel in fchwerer Rüſtung, oder 
wurden von den Dithmarfchern erftochen. Weil fie mit den 
Pferden nicht durch fommen fonnten, faßen viele der Ritter und 
Knappen ab und fuchten mit dem Fußvolke fich fortzuarbeiten. 
Die hHerrenlofen Pferde vermehrten dann noch die Dermwirrung 
und Das wilde Bedränge.. Die Dithmarfcher indes lachten 
und fpotteten des Derzweiflungstampfes ihrer Feinde und fchonten 
weder Roß noh Mann; von allen Seiten her feßten fie 


4 





Don d. Schlacht am Öswaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 127 


auf die wirre Maſſe des feindlichen Heeres ein und erftachen 
und erfchlugen, was ihnen vorfam. Es war für die zufammen- 
gedrängte Mafle bald Fein Halt auf dem Hammwege mehr 
möglich; der Menfchenfchwall fluthete hier und da über und 
fjuchte Rettung im gewaltfamen Durchbruch. Aber die Menigen, 
welche hier den Schlägen der Dithmarjcher entrannen, geriethen 
in die Sumpftiefen der Hamme und wurden von den nadı- 
eilenden Dithmarfchern in den Sumpf hineingedrüdt oder er- 
ftochen und erfchlagen. Einige vom holfteinifchen Heere Hatten 
rechtzeitig die Slucht aus der Hamme nach rüdwärts genommen, 
in der Hoffnung, feitwärts, um die Hamme, nach der holfteinifchen 
Grenze zu gelangen. Allein die Dithmarfcher waren wachſam; 
Alles war umitellt, und Keiner entging hier dem Derderben. Nur 
einer Meinen Schar war es geglüdt, auf dem Hammwege 
fih durchzufchlagen. Unter diefer war auch der Bannerträger 
Hinrich von Siggen nebft zwei Söhnen. Als diefer aber vernahm, 
daß der Herzog geblieben fei, fehrte er in die Hamme zuräd, 
weil er es als einen Schimpf empfand, unverfehrt ‚aus einer 
Schlacht entronnen zu fein, in welcher der Herzog gefallen war. 
Er wurde nebft feinen beiden Söhnen dann in der Hamme erfchlagen. 
Die Tliederlage der Holfteiner war eine entfegliche. Allein über drei- 
hundert Edellente waren gefallen. (300 fagt der Presbyter; Lerbeke 
fagt 360, und die beregte holfteinifche Ehronit fagt 400, die zu 
Schild und Schwert geboren waren.) Darunter waren 15 „ftrenge 
Ritter“. Su leßteren zählen die beiden Sührer, Klaus und Hinrich 
von Ahlefeld, der Marjchall Hinrich von Siggen, Otto von Siggen, 
Hennede Lembed, der lebte feines berühmten Gefchlechts, und 
Wulff Pogwifch, der Gute zubenannt, der nebft acht Söhnen in 
der Hamme erjchlagen worden. Außer den Edelherren waren 
viele hochgeftellte vornehme Herren, Amtleute, Dögte, Bürger- 
meifter und Rathsherren aus den Städten, ſowie eine große Sahl 
von Bürgern und Bauern, die aber nicht, gezählt und gerechnet 
wurden, wie die beregte holfteinifche Chronik, bezeichnend genug, 


128 weiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


ſich ausdrüdt, gefallen. — „Dar worden ghetellet veerhundert 
gudemanne, de tho fchylde unde tho [wert geboren weren, ane borgher- 
meftere unde radtmanne unde borgher uth den Steden, unde andere 
arme fnechte unde arme helde, de nicht gethelet unde gherefet 
worden“. Die befte Mannfchaft der Lande Holftein und Schleswig 
war in der Hamme gefallen, nebft dem Herzoge. „Die Leuchte 
und Derle des Landes,” jagt der Presbyter, war den Holfteinern 
in Dithmarfchen verloren gegangen. 

Nach der Schlacht machten die Dithmarfcher unter anderen 
auch 28 Edelleute zu Gefangenen, und am dritten Tage danach 
fielen ihnen noch zwei fchwerverwundete Xitter, die noch lebend 
unter den Gefallenen in der Hamme gefunden wurden, in die 
Hände: Wulff Pogmwifch, der Jüngere, und ein von Ranzau. 
Sie ließen diefe und die anderen Gefangenen am £eben unter 
der Bedingung, daß die Sefte Alarienburg übergeben werde. Auf 
Sufage der Uebergabe der Burg verfprachen die Dithmarfcher 
die Losgebung der Gefangenen und bewilligten auch die Aus- 
lieferung der Leiche des Herzogs, fowie der Leichen einiger der 
gefallenen ZAitter an ihre Angehörigen. Die Relognoscirung der 
betreffenden Leichen machte viele Schwierigkeiten, weil bei der 
heißen Jahreszeit die Verweſung rafch fortgefchritten war. Endlich 
fand man den verfaulten Leichnam des Herzogs zwifchen anderen 
Leichen heraus, jagt die angeführte holfteinifche Chronik, und die 
Dithmarfcher erlaubten, daß man ihn begrabe. Mlan brachte die 
Leiche nach Meldorf, wo fie beigejegt wurde; fpäter ward diejelbe 
nach Itzehoe übergeführt. Mit Ausnahme der Leichen des Herzogs 
und einiger erjchlagener Aitter, deren Auslieferung bewilligt worden 
war, mußten die Leichen der gefallenen Edelherren unbegraben 
liegen bleiben, Menfchen zum Abfchen, Wölfen, Hunden und 
Raben zum Sraß, denn die Dithmarfcher verboten und verwehrten 
es, daß ein Leichnam von der Stelle genommen werde, und fo 
mußten die erjchlagenen Edelherren zwifchen den todten Pferden 
verfaulen. „Alle de doden mußten, dar jammerliden ligghen vor 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 129 


den Hunden, mwulven, raven unde kreyen, unde dat fe pvormadeten, 
vorpuleten unde vorradeten.” So wollte es der Grimm der Ditb- 
marfcher gegen die Raubritter, die das freie Volk in HBerrendienft 
hatten zwingen und zu zinsbaren Unterthanen hatten machen wollen. 
Ehroniften erzählen von holfteinifchen Edelfrauen, die, als Nonnen 
verfleidet, die Leichen ihrer Angehörigen in der Hamme aufgefucht 
und diefelben dann nach Holftein geführt hätten. Das ift wohl 
auf die Ueberführung der Leichen, deren Auslieferung von den 
Dithmarfchern, auf die Zuficherung der Uebergabe der Marien: 
burg hin, geftattet wurde, zu reduziren. Die männlichen An- 
gehörigen des holfteinifchen Adels waren größtentheils in der 
Damme geblieben und durften im übrigen fih jet in Ditb- 
marfchen nicht wohl bliden laflen; es blieb alfo faum etwas 
anderes übrig, als die Leichen, die da überführt werden follten 
nach Bolftein, durch weibliche Anverwandte der Gefallenen rekog⸗ 
nosziren zu laffen. Das Trauergewand der adligen Damen mochte 
diefe wohl als Nonnen erfcheinen laſſen, und vielleicht waren die 
Damen auch wirklich Nonnen, Konventualinnen Flöfterlicher Stifte 
für adlige Sräulein. 

Die Schlacht in der Hamme gefchah am 4. Auguft 1404, dem 
Tage des Dominicus, am Oswaldus-Abend.! Der Sieg wurde 
errungen am Abend des Tages, als fchon das Seftgeläute die 
Deiligleit des anderen Tages, des Seftes des Osmwaldus, verkündet 
hatte. Nach alter Weife gerechnet, war fchon der Oswaldustag an» 
gebrochen. Daher wurde nachher der Oswaldustag (5. Auguft) bei 
den Dithmarfchern befonders heilig gehalten und im Landrecht bei 
Brühe von 60 Mark geboten, diefen Tag zu feiern gleich 
dem heiligen Oſtertage — „Item fchall een Jumeld Sunte 
Oswaldusag vieren lift dem hilghen Pafjchedaghe, by Bröfe des 


ı In unferen heutigen Kalendern heißt wohl auch der 5. Auguft 
Dominicustag, während Oswaldus gar nicht genannt wird; nad dem alten 
Kalender mit „Tatholifcher” Benennung der Tage aber ift der 4. Auguft 
der Tag des Dominicus und der 5. Anguft der des Oswaldus. 


Dithmarfcher Geſchichte. I 


150 . Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Landes LX Mar.” Das hat viele Ehroniften irregeführt, fo 
daß fie den 5. Auguft, den Oswaldustag, als Datum der Schlacht 
in der Hamme gefeßt haben. Daß der Sieg am Öswaldusabend, 
am Tage des heiligen Dominicus, erfolgte, zeigt auch der bei 
alten Ehroniften angeführte Ders der Dithmarfcher Litanei: 

Bode fchölen wy loven, de uns hefft gefandt 

Den goden Sänte Dominicus, den wahren Heiland, 


De an finem Dage hevet unfe Landt 
Gnädiglich behödet mit finer vordern Hand. 


Durch die Sehde mit Dithmarjchen war Holftein in größte 
Gefahr und Beforgniß geftürjt, weil das holfteinifche Grafenhaus 
damals auch in Swift mit Dänemark lag. — Gerhard VI. hinterließ 
zwei Beine Söhne und eine fchwangere Gemahlin. Nicht lange 
darauf flarb die männliche Linie der Schauenburger im Haufe 
Gerhards des Großen aus, und das oldenburgifche Baus fam in 
Befig von Südjütland (Schleswig) und Holftein. — O, werthes 
Holftenland, fagt ein Ehronift damaliger Seit, du bift in dem 
Kriege der Dithmarfcher beraubt zweier hochgeborener edler Herren, 
des edlen Herrn Albert, der von dem Selter ftürzte und die 
Marienburg, in Dithmarfchen baute, und des Herzogs Gerhard, 
eines Gönners der heiligen Kirche, der in der Hamme blieb, ſowie 
manches tapferen Mannes, deren Tod das ganze Land zu Holftein 
mag beweinen. Trauer und Niedergefchlagenheit herrfchte überall 
im Bolftenlande. Heinrich von Ösnabrüd fuchte der Hathlofigkeit 
im £ande zu fleuern; er legte, auf erhaltene Kunde von dem 
ichweren Schlage, den das Land und das Örafenhaus erlitten, 
mit Erlaubniß des Papites feine geiftliche Würde nieder, verließ 
fein Bisthum und eilte nach Holftein, um der Witwe feines 
Bruders, der tiefgebeugten Herzogin Elifabeth, eine Stüge zu fein 
in Sührung der Dormundfchaft ihrer Söhne. 

Die Herzogin Elifabeth eröffnete Sriedensunterhandlungen mit 
den Dithmarjchern, und es fam damı auch ein Sriedensvertrag auf 
zehn Jahre zu ftande, in welchem die alten Traftate erneuert 


Don d. Schlacht am Öswaldnsabend b. 3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447. 131 


wurden: Die Dithmarfcher follen in den LCanden Holftein und 
Schleswig, auf Eider und Trene, Sollfreiheit genießen; von hol- 
fteinifcher Seite ſoll ihnen feinerlei Nachtheil mehr zugefügt und 
fein Seind der Dithmarfcher durchs Land gelaflen werden, widrigen- 
falls follen die Holfteiner Schadenerfaß leiſten; Mißhelligfeiten 
follen nicht durchs Schwert, fondern auf dem Wege Rechtens durch 
ein Schiedsgericht aus Bevollmächtigten beider Länder gefchlichtet 
und abgethan werden. 

Namentlich das Eine machten die Dithmarjcher zum Be- 
dingnigß: die Räumung und Hebergabe der Ularienburg; nur 
unter diefer Bedingung gaben fie die hHolfteinifchen Gefangenen 
von Adel zurüd; wohlweislich riffen fie die Marienburg darauf 
fogleich nieder. Nun feierten fie den glüdlichen Sieg durch neue 
: Dergabungen aus der gemachten Beute — an Pferden, Rüftungen, 
: Waffen, Bold, Silber und Edelgeftein waren große Schäße 
erbeutet — an das Klofter zu Marne. Sie fpendeten diejem 
legteren ein filbernes Kreuz, zwei Ellen hoch und eine Elle breit, 
mit einem vierfeitigen Fuß, an welchem jede Seite eine Elle lang 
war, das erhaben über vier Engeln ftand, einen Kelch von reinem 
Bolde, ein Pfund fchwer, und ein Miffal mit allen Noten, welches 
dreihundert rheinifche Gulden koſtete. Prior und Konvent des 
Klofters gelobten dafür, wöchentlich Seelmefjen für die in der 
Bamme gefallenen Dithmarfcher und an jedem erften Sreitag im 
Leumond eine feierliche Prozeffion mit der Hoftie und dem Marien- 
bilde um den Klofterhof zu Halten. Zugleich wurde der Stiftungs- 
brief des Klofters von 1322 erneuert, wogegen Prior und Konvent 
verfprachen, es mit den bezüglichen Derpflichtungen ihrerfeits zu 
halten, wie es in Dorzeiten gelobt worden. In Beziehung auf 
diefe Dergabung an das Klofter ift die von Johann Ruſſe in den 
Fragmenten aufbehaltene „Schrifft der Brodern to Mergenow 
van des Elofters Orſprung“ (Weftphalen IV, 1455, Bolten U, 451 
wichtig. Diefelbe bejagt: „Do de Herde to Worden brennte, da 
in demfülfften Jahre gefchah, do me fchreff 1303 up St. Oswaldf 

9* 


132 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Avend!, do laveden de ehrliden Radtgevers und Dorftenders des 
ehrliden Landes to Ditmerfchen, dat fe wolden helpen holden 
Geiſtlicke Elofter to Illergenowe mit Dogeden und mit Ehren, und 
hebben demfülveften Elofter vorfcreven tweemahl des Jahres de’ 
Bede gegeven over ere ehrlide Lande, des hebben wy Seegeln und 
Breve. Item to dem andern mahle fo is et gefchehn, dat men 
fchreff Ao. 1404 up den hilligen Avend in der Krutwihinge, do 
was de Schlacht in der Hamme, do lopeden de ehrliden Radtgevers 
und Dorftenders des Landes Ditmerfchen, alfe ehre Vorveders 
ehemals hadden gedaen unde gelovet, do de Kerde to Worden 
brennte; allfolde £offte to holden und dem Elofter to Mergenowe 
vor Allmefjen to geven alſe in Dortiden gelovet was funder Dertred, 
des hebben de ehrliden Ditmerfchen gegeven dem ehrlichen Elofter 
to Mergenowe ein fülvern Erüße, tween Ellen hoch und ein Zlle 
breet, und de Doet is veeregget und ein jewelid Egge is ein Ellen 
breet und vorkoven up veer Engelen, und darto ein Keld van 
Marem Bolde, de mwäget ein Pund, und ein Miffal mit allen 
Xoten, dat ftund bethalt vor dreehundert Rinifche Gulden, dat 
geven fe to der Tiden dem Llofter to Mergenowe, dat Gott und 
Maria dat Land to Ditmerfchen fcholde behöden und bewahren to 
langen Tiden, aljo he Hefft vormals gedaen unde namaels fchall 
gefcheen; dar Hefft de Prior und alle de Brödere des gangen 
Convents belavet wedderumme den Ditmerfchen, to holden ſöven 
Miſſe to der Weeden, de erften tween Seelen-Miffen vor alle 
dejennige, de vorjchlagen worden to der Herden to Oldenworden 
do de brennte und do de Schlacht was in der Hamme, und eine 
Seelmifje vor alle gude Sründe, de dar mochten bliven uth dem 
Lande Dithmarjchen to Water offte in frembden Eanden. Item 
twee Bederllliffe van dem hHilligen Lichnam unfes Herrn Jeſu 
Chriſti umme Hoff to gaende. Item noch twee Miflen van 


ı Erfihtlic liegt in Angabe der Data in diefer Schrift ein Schreib» 
fehler vor. Das ift hier aber ohne Bedeutung. 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 133 


unfer leven Srowen des Sonnavendes, dat de Moder Bades 
fand wille bewahren und in Dogenden und in Ehren mot 
fpahren. Item de erfte datio ward gegeven, do me fcreff Ao. 132 
up unfer leven Fruwen Dag in der Saften. De andere datio war 
gegeven, do me fcreff Ao. 1404 (wohl 1405) up den Billige 
Pajchen-Dag, und up denfülften Dag brachten fe de Klenodien und 
vorbefcreven Stüde to dem Cloſter vorfcreven, da weren jo 
ehrlide Mannen to. Item do dat Land gewunnen „was, lovet 
fe, den erften Srydag in dem nien Maend um Hoff to gaende mi 
unfer leven Fruwen Bilde und mit dem hilligen Eichnam, alfe i 
. Dortiden gelovet is." Die erbeuteten Sahnen wurden als Sieges 
zeichen in den Kirchen zu Meldorf und Bldenwöhrden aufgehängt. 
Daß hier neben der Meldorfer Kirche, der Hauptkirche des Eandes, 
die als folche immer in erfter Linie bedacht werden mußte, die 
Kirche zu ®ldenwöhrden mit einer erbeuteten Sahne ausgeftattet 
wird, fpricht dafür, daß vornehmlich die Wefterdöfft, in welcher 
Oldenwöhrden die Hauptlirche bildete, am Hampfe in der Hamme 
betheiligt geweſen ift.! 

Als die Kunde von der großen Niederlage der Holfteiner in 











I! Bei neueren Schriftflellern wird als Hauptheld in der Schlacht in der 
Bamme wohl „Jarrens Dülf“ genannt. Allein audy diefer Name ift, wie 
„Edemanns Jürgen”, ein Salfum der Geſchichte. D. Carſtens nennt den 
,Namen zuerft, ohne Quelle. Aeltere Ehroniften wiffen von einem Haupt- 
heiden und Jarrens Dälf hier nidhts. Carſtens hat den Namen wahr- 
fheinlih aus einem Reimgedihte entnommen, weldes in dem Nachlaſſe 
des 1664 verftorbenen Paftors Rachel zu Weflelburen gefunden worden. In 
diefem empfiehlt eine Mutter ihrer Tochter einen Mann, Reimer Marten, 
als Beirathspartie, und zur Empfehlung desfelben heißt es u. a.: 

Jarrens Dälf, fien Oldervader, 
Was en deftig Landberader, 

Ja, et was en weldig Mann, 
Don de achtundvertig Herren, 

De Dithmarfchen to regeren 
Plegten, ehr’t de Fiend gewann.“ 
„In der groten Kandesfeide 
Schlog he op der grönen Beide 


134 Sweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


der Bamme nach Dänemark gedrungen war, regte fich bei der 
Margaretha, oder vielmehr bei dem Könige Erich, der Wunſch, 
fih mit den friegerifchen Dithmarfchern zu verbinden und das 
Mißgeſchick der Bolfteiner für fich auszunugen. Die Königin 
Margaretha wollte das Herzogthum Südjütland, welches Gerhard VI. 
von ihr zu Lehn gehabt, wieder einzieben, und es war poraus- 
zufehen, daß fie dabei auf Widerftand von feiten des holfteinifchen 
Grafenhaufes ftogen werde, da die Nachfommen des erfchlagenen 
Herzogs Gerhard ein zweifelhaftes Erbrecht auf Belehnung mit 
dem Herzogthum geltend machen fonnten. Südjütland, feit der 
Dereinigung aller Eleinen dänifchen Könige unter Borm dem Alten 
unmittelbar durch den König oder durch Unterfönige, als Statthalter, 
regiert, erhielt feinen erften eigenen Herzog 1081, als der König 
Knut der Heilige feinen Bruder Oluf (Oluf Hunger) zum Statt 
halter, und zwar als „Herzog“, zum Schuß der Grenze des Reiches 
wider die Wenden beftellte. Seitdem ward das Herzogthum (das 
Amt eines Berzogs) an Prinzen des Königshaufes auf Zeit und 
widerruflich verlehnt, bis auf die Seit des Herzogs Abel. Abels 
Stamm erhielt 1254 das Berzogthum zum erblichen £ehn und 
blieb im Befig desjelben bis zu feinem Erlöfchen 1375, in welchem 
Jahre Abels Haus mit dem Herzog Heinrich ausftarb. Inzwiſchen 
hatte aber Graf Gerhard der Große von Holftein fih einen 
Anfpruh auf Belehnung mit dem Herzogthum zu verfchaffen 
gewußt. Er war 1325 zum Dormund des minderjährigen 
Herzogs Waldemar V. von Südjütland beftellt worden und hatte 


Manden fchönen Bolften dodt, 
£uftig ſchlog he op de Deufen, 
Dat fe piepten und mit Steufen 
Mußten laten Haar und Blot.“ 

Das Gedicht ift offenbar ein bloßes Scherzreimgedicht, ohne hiftorijchen 
Untergrund, wahrfcheinlich von Rachel felbft, der ein gefrönter Poet war, 
verfaßt. Zu Radels Zeit war übrigens die große Kandesfehde die Fehde 
von 1559, und auf die Schladt in der Hamme kann das Gedicht ſchon 
deshalb feinen Bezug haben, weil es 1404 noch Feine regierende Adıtund- 
vierziger gab. 


Don d. Schlacht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 155 


dann durch Fuge Benußung der hierdurch erlangten einflußreichen 
Stellung den dänifcheu Reichsrath zu beftimmen vermocht, 1526, 
als CEhriftoph I. aus dem LCande gewichen war, den Herzog 
Waldemar zum Könige zu erwählen. Als Dormund Waldemars 
war Gerhard nun auch Neichsperwefer von Dänemark. Bei der 
Wahl des Königs war die Hoffnung, das Herzogthum und das 
Königthum in einer Hand wieder vereinigt zu fehen, wefentlich 
mitbeftimmend gemwejen. Gerhard aber benußte feinen hohen 
Einfluß zu feinem eigenen Dortheil. Er ließ fich von dem jungen 
Könige das Herzogthum als erbliches Eehn zufchreiben und bewog 
den König zugleich, eine Konftitution zu unterzeichnen, die da 
beftimmte, daß das Berzogthum in Südjätland nicht wieder fo 
mit dem Königreich vereinigt werden folle, daß es mit diefem 
einen und denfelben Berm habe. Durch dieſe fog. constitutio 
Waldemariana wollte &erhard fih das Kehn gegen etwaige 
Anfprüche der Nachfolger Waldemars auf dem Thron fichern. 
Als 1330 der König Ehriftoph feinen Thron wieder einnahm, 
mußte Waldemar in fein Berzogthum zurüdfehren, welches Graf 
Gerhard ihm wieder einräumte unter Dorbehalt des Rechtes der 
Lachfolge im £ehn für den Sall des Erlöfchens des Abelfchen 
Baufes. Auf diefen Dorbehalt gründeten nun die Nachlommen 
Gerhards des Großen ihre Anfprüche auf Belehnung mit dem 
Berzogthum. König Waldemar IV. wollte von folchen Anfprücen 
nichts wiflen, als Abels Stamm 1375 ausftarb, und 309 das 
eröffnete Lehn ein. Waldemar IV. ftarb aber noch in demfelben 
Jahre, 1375, und feine Tochter, Margaretha, Königin von 
Norwegen, wurde, als Dormünderin ihres zum Könige erforenen 
fünfjährigen Sohnes Ölaf, Regentin von Dänemarf. Der unter 
der Regierung ihres Daters entitandene Zwift mit den holfteinifchen 
Grafen wegen der Belehnung mit dem füdjütifchen Berzogthum 
dauerte unter der Regierung der Margaretha fort. 1380 ftarb 
König Balkon von Norwegen, der Gemahl der Margaretha, und 
diefe wurde auch in Xorwegen als Regentin in Dormundfchaft 


156 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


für ihren Sohn Olaf anerfannt. Margaretha fchmeichelte fich 
nun mit der Hoffnung, auch noch Königin von Schweden zu 
werden, und gab daher, um die holfteinifchen Grafen von einem 
Bündniffe mit der ihr entgegenftehenden Partei in Schweden 
abzuhalten, in dem von ihrem Dater auf fie überlommenen Streit 
mit dem holfteinifchen Grafenhauſe nach und ertheilte 1386 dem 
Grafen Gerhard VI., Berhards des Großen Enkel und älteftem 
Sohne des inzwifchen verftorbenen Heinrichs des Eifernen, einen 
£ehnsbrief auf das Herjogthum. Als der Graf und Herzog 
Gerhard VI. 1404 in der Hamme gefallen war, beanfpruchten 
feine Erben die Nachfolge im Kehn. Margaretha aber, nun, 
nachdem ihr Sohn Olaf 1587 geftorben war nnd fie 1595 
Schweden gewonnen hatte, Königin der drei nordifchen Weiche, 
erfjah jeßt die Gelegenheit, durch Klugheit, ohne offenen Bruch 
mit den Grafen, das Kehn wieder an fich zu ziehen. Die Mutter 
der Grafen, die Herzogin Elifabeth, war bald mit ihrem Schwager, 
dem Grafen Heinrich, zerfallen, als derfelbe, nicht zufrieden mit 
dem ihm erblich zugefallenen Theile der Herrfchaft feines in der 
NXorderhamme zu Sall gebrachten Bruders, des Grafen Albrecht, 
auch Antheil an der Regierung über das Herzogthum beanfpruchte. 
In dem hierüber entftandenen Streite hatte die Herzogin den Schuß 
des Königs Erich als Kehnsherrn angerufen für fih und ihre 
Kinder, die jungen Grafen, und zugleich den König zum Gber- 
vormund der lebteren erwählt, auch nebft ihren Räthen dem 
Könige Treue gefchworen. Hierauf gründete die kluge Königin 
Margaretha ihren Plan, durch Lift, ohne offenen Bruch mit den 
Grafen, wieder in den Befiß des verlehnten Berzogthums zu 
gelangen, indem fie für Dorfchüffe und Darlehen von Geldern an 
das verfchuldete Grafenhaus die Schlöffer und Aemter des 
Herzogthums als Pfandichaften in Befig nahm. Sie wollte auf 
demjelben Wege, auf welchem Gerhard der Große das Kehn 
an fi} gebracht, dasfelbe den Nachkommen Gerhards wieder 
entziehen, und Hatte auch fchon das große Amt Tondern, zu 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Eandrechts, 1447. 137 


welchem Herzog Gerhard VI. das ganze nfelfriesland mit 
14 Harden gelegt hatte, in Pfand und Befig genommen. Aber Erich, 
ihr Schweftertochterfjohn, der defignirte Chronerbe, den fie fchon 
1597 zu Ealmar hatte frönen laflen, war mit dem Dorgehen der 
Margaretha nicht einverftanden; er betrieb die Sache mit Leiden- 
fchaft und brachte es zum Konflitt. Die durch die Niederlage 
der Holfteiner in Ditbmarfchen fehr gefchwächte Macht des Brafen- 
haufes war an fich nicht zu fürchten, um fo weniger, als die Mip- 
helligfeiten zwifchen dem Grafen Heinrich und der Herzogin Elifabeth, 
troß eines zwijchen ihnen gefchlofjenen Dergleiches, fortdauerten und 
die Herzogin auch fchon aus finanziellen Gründen gar nicht im ftande 
war, mit Nachörud einen Krieg zu führen; Erich, und jest auch 
die Königin Margaretha, behauptete, Sädjütland fei dem Grafen 
Gerhard nur perjönlich auf Lebenszeit, nicht erblich, verliehen 
worden, und wollte von weiterer Belehnung an die Grafen nichts 
wien. Darüber fam es zu einem Kriege. Schon 1409 war es 
fehr unruhig; die Königin Margaretha knüpfte nun ernftliche 
Derhandlungen an mit den Dithmarfchern, in welchen fie diefe 
für ein Schuß. und Trugbündnig mit Dänemark zu gewinnen 
fuchte, und es ward dann am St. Margarethentage, den 20. Juli, 
1409 zwijchen der Königin und dem Könige Erich einerfeits und 
den Dithmarfchern andererjeits zu Ripen ein förmliches Bündnig 
gefchloffen. Die Dithmarfcher hatten fich jedoch, wohl mit Rückſicht 
auf das mit Holftein gejchlofjene Sriedensbündniß, nicht zu einem 
Angriffs, jondern nur zu einem Dertheidigungsbündniß verftanden. 
Wenn der König in feinen Landen angegriffen wird, fo follen die 
Dithmarjcher mit aller Macht ihm zu Hülfe fommen; ein Bleiches 
foll vom Könige gejchehen, wenn die Dithmarfcher in ihrem Lande 
angegriffen werden; jeder der beiden Parte foll des anderen 
Beftes fuchen und fördern, denfelben warnen, wenn er wider 
jelbigen gefaßte Anfchläge erfahre, und deffen Seind nimmer werden ; 
der König und die Königin und deren Nachkommen ſollen die 
Dithmarſcher bei allen ihren alten Freiheiten und Gerechtigkeiten, 


158 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


wie fie die von alters her gehabt haben, bleiben laffen.. Wenn 
Jemand den Srieden bräce, fo follte über denfelben gerichtet 
werden nach dem Rechte desjenigen Landes, in welchem die Chat 
gefchehen ; wenn Jemand an Leib oder But befchädigt würde, fo 
folle darüber binnen fechs Wochen nach erhobener Klage abgeurtheilt 
werden; die Dithmarfcher follen, wenn fie zu Berathungen vom 
Könige, der Königin und deren Erben und Nachlommen geladen 
werden, zu ihnen bequemer Malftatt fich einftellen; ‘der König 
und die Königin follen, falls Jemand die Dithmarfcher benach- 
theiligen wolle, treulih mit Rath und That zur Abwehr des 
Unrechtes helfen, wenn fie von den Dithmarfchern dazu gefordert 
werden. In dem von föniglicher Seite ausgeftellten Bundesbriefe 
find als Dertragjchließende auf feiten der Dithmarfcher genannt: 
Dogede, Slüter, Swaren und Yatgevere des Kandes to Detmerfchen. 
In dem von den Dithmarfchern gegebenen Bundesbriefe dagegen 
werden die Hathgeber nicht genannt. Keßterer lautet in der 
Urfchrift (aus dem Kopenhagener Geheimarchiv, bei Molbech, 
Biftorie an Ditmarjerfrigen, 248, und bei Dahlmann, Dorlef. 
üb. dithm. Geſch.): [Lahm Anhang zu Hin. Iidae ÄF-31] 
Wy Dogede, Slutere, Sworen und gange meenheit des landes 
to Detmerfhen. Befennen und betugen apenbare in deflem 
breve dat wi uns hebben vorbunden to ewigen tijden mit deme 
Allerdurchluchtigeften vorften unfeme gnedigen Heren Here Eride 
foninge to Dennemarfen, Sweden, Norwegen der Wende und der 
Sothen koninge und hertogen to Pomeren und mit der Aller: 
durchluchtigeften vorftynne unfer gnedigen vrowen vrowen Mar: 
garete foniginne der vorfcrevenen Ryke, mit eren Erven nalomelingen 
und mit eren Ryken und Landen vorfcreven. In deſſer wife alfe 
bier nafceven fteit. Alfo dat wi fcholen und willen den vor- 
ferevenen Heren koningen und vrowen Foninginnen eren Rijken 
und all eren mannen behulplid und to vromen wefen mit all 
unſer (macht) mit guden truwen under jennigerley valfch und ifft 
en jennich anvele von freges wegen edder dat fe jemand vor- 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 139 


unrechten wolde So fchole wi und willen en truwelicken behulpe: 
weſen mit all unfer macht to lande und to watere alſo verre alf 
uns mogelif is to fomende funder arche Und fe fcholen unfe 
‚mechtig wefen to lijfe und to rechte, Dorder willen wi der vor 
benamden here und vrowen erer Rijke mannen und alle ere 
nafomelinge befte weten und werven heymelid und openbar mi 
worden und mit werfen und waren je vor eren fchaden wor w 
dat weten edder uthvragen konnen. Und willen nemand he f 
Edelmann hovemann edder hußmann entholden edder vordegeding 
in edder buten unfem lande upp eren fchaden und willen fe mi 
gangen truwen meynen funder jennigerley archelifl. Dortmer wille 
wi und fcholen unfe erven und nafomelinge der vorbenomden here 
Erer erven Tafomelinge und erer Rijke vorfer. pyende nimme 
werden. Dortmer fo fcholen de vorbenomeden here fonig un 
vrowe foniginne ere erven und nafomelinge uns laten bliven b 
all unfer olden rechticheit und vrigheit alfe wi de van oldinges j 
prigeft gehatt hebben na uns breve uthwifing. DPortmer j 
vemand brede dat fchal men jo richten na deme rechte da 
Dat inne fchege. Vortmer ifft jennich man fchaden neme an lyv 
edder an gude dat God vorbede dat fcholde men jo richten binnen 
foß welen darna jt vorclaget worde. Dortmer oft deſſe vorſcreve 
here foning und prowen foninginne ere erven und nalomeling 
uns ejchen to fomende an eren Raad up ene belegenlide ftede da 
wi bequemelicd fomen mogen des wille wi und fcholen en nid 
weigeren. Weret od dat uns jemant vorunrechten wolde fo fcholer 
de vorbenomde here foning und vrowe foninginne dat helpe 
feren mit erer macht mit rade und dade in gantzen truwe 
warnen wi fe dar to efchen. To tuchniffe und merer befantniff 
alle deſſer vorfcrevene artifeln de fulve ftede vaft toholdende t 
ewigen tijden. So hebbe wi to voren unfes gangen landes Inge 
fegil gehenget vor deſſen breff und vort eines Jewelken ferfpel 
hir nafcreven Ingefegel. Alfo Meldorpes. Hemmingftedes. Olden 
wurden. Büßen. WMiflingburen. Nieenkerken. Hemme. £unden 



















140 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Wendingftedes. Hepherftede. Bamftedt. Delf. Tellingfted. Alver- 
ftorpes. Kerherftedes. Bord. Edelafe. Brunfbüttele und Merne. 
mede gehenget vor defien breff de gegeven und fcreven js to Ripen 
Ua godes bord vierteynhundert Jaar darna  jn deme negenden jare. 
In funte Margarete Dage der hilgen Juncorowen. 

Sur Eingehung eines Gffenfivbündnifies waren die Dith- 
marfcher nicht zu bewegen, obwohl die tief eingewurzelte ererbte 
Abneigung gegen Holftein fie zu einem Angriffsbündniß zur Der- 
nichtung der holfteinifchen Macht gerade damals hätte beflimmen 
mögen. Als der König Erih es zum Konflift in der Lehns- 
angelegenheit gebracht hatte, nahm Margaretha die Sache mit 
Energie und Entfchloffenheit in die Hand. Im Jahre 1412 
landete fie in Südjütland (bei Slensburg) und gewann auch die 
Aemter Slensburg und Hadersleben, doch ftarb fie bereits am 
28. Oktober 1412 im Slensburger Hafen, als fie eben zur Rück⸗ 
fehr ſich einfchiffen wollte, an der Peſt. Erich jeßte den Streit 
um das Kehn fort. 1413 kam ein £ehnsgericht zu Nyborg in 
der Sache zu ftande, welches aber ohne entfcheidende Solge blieb. 
Darauf ftellte Erich die Kehnsfrage zur Enticheidung des Kaifers 
und der Neichsräthe, und Kaifer Sigismund gab — 24 die Ent- 
fcheidung: Südjütland fei ein nur perfönliches, nicht erbliches, Cehn, 
und die holfteinifchen Grafen hätten ohnehin das Kehn verwirft. 
Die holfteinifchen Grafen aber verließen fich darauf, daß der 
Kaiſer in Böhmen vollauf mit den Huffiten zu thun hatte, und daß 
Erich, fortdauernd von Derwidelungen mit Schweden und der 
Hanſa bedroht, auch mit feinem eigenen Volke im Bader liegend, 
nicht mit voller Macht gegen fie einzufchreiten vermochte. Graf 
Beinrich redete feinen Anverwandten in Südjütland zu, das 
Herzogthum feftzuhalten, und appellirte nachher von dem Ausfpruche 
des Kaifers an den Papft, der aber wies die Appellation ab, 
nachdem er vom Kaifer Aufllärung in der Sache erhalten. Die 
Grafen wurden als Ungehorfame wegen des Derbrechens der 
Beleidigung der Majeflät vom Kaifer in die Neichsacht erflärt 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 141 


und vermochten fich bei ihrer geringen Macht nur nothdürftig im 
Befiß ihrer Herrjchaft durch die Gunſt der Umftände zu erhalten, 
indem auch die wendifchen Hanjeftädte dem Könige Erich den Krieg 
erflärten, und die Schweden offenen Aufruhr erhoben. Mit Räck—⸗ 
ficht auf die Stimmung in Schweden und auf die zwifchen Dänemarf 
und den Hanjeftädten herrichende Eiferfucht war Erich beim Aus» 
bruch der Unruhen wegen der Lehnsfrage bemüht, wie mit Dith- 
marfchen, fo auch mit den mächtigften der benachbarten Städte der 
Hanſa in ein freundfchaftlicheres Derhältnig zu fommen, und es 
gelang ihm in der Solge auch, mit den Städten Lübed, Hamburg, 
Lüneburg, Wismar, Roftod, Stralfund, Greifswald und Anklam 
ein Bündnig zu fchliegen, in welchem die Beftimmung getroffen 
wurde, daß die beiderfeitigen Kontrahenten im Kriegsfalle ein- 
ander mit 1000 Mann zu Hülfe fommen follten. So hatten die 
Städte ihre Mannfchaft dem Könige auch für Angriffstriege zur 
Derfügung geftelt. Zur Abfchliegung eines derartigen Bündniffes 
fuchte Erich auch die Dithmaricher zu bewegen. Er gab fich alle 
erdenkliche Mühe, feine Abficht in diefer Beziehung zu erreichen, 
indem er die Dithmarfcher des Öfteren zu gemeinfchaftlicher 
Berathung mit ihm und den Reichsräthen zu fich [ud und jedes- 
mal die zu folcher Berathung erfchienenen dithmarjcher Deputirten 
mit Geſchenken überhäufte.e Doch war das alles umfonft. Die 
Dithmarfcher blieben bei dem abgefchloffenen Defenfivbündnifje 
fiehen. Das Einzige, welches über leßteres hinaus dem Könige 
von ihnen zugeftanden wurde, war, daß fie, falls diefer mit einem 
Heere in Holſtein einfiele, das feſte Schloß Hanerau belagern und 
erobern wollten. Diefe holfteinifche Grenzfefte bildete in allen 
Kriegen mit Dithmarjchen einen wichtigen Stützpunkt für Die 
Holfteiner und war daher den Dithmarfjchern unbequem. Aber 
auch die diesbezügliche Derficherung gaben die Dithmarfcher erft 
nach Ablauf des 1404 mit Holftein geſchloſſenen Sriedensvertrages, 
den fie ruhig ablaufen ließen, ohne Derfuche zu machen, ihn irgend- 
wie zu erneuern oder zu verlängern. Die Dithmarfcher waren 


142 Sweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


flüger, als der Rath der Städte, fagt der bremifche Presbyter. 
Sie waren Holftein gegenüber völlig Herr der Situation und. 
hatten es in der Macht, durch ein OÖffenfiobündnig mit dem Könige 
die Selbftändigfeit Holfteins zu vernichten. Wenn fie mit voller 
Macht, 6000 Mann ftark, die frei für einen Angriffstrieg zur 
Derfügung ftand, da fie für Rückendeckung bei der Lage des 
Candes nicht zu forgen brauchten, in Bolftein eingebrochen und 
dem Könige zu Hülfe gelommen wären, jo wäre es den holfteinifchen 
Grafen, die ohnehin in größter Voth fich befanden, ficherlich 
noch fchlechter ergangen, als es Waldemar dem Sieger bei Born- 
höved erging. Gerade damals galt, wie nur irgend je, das Wort: 
„Levt de Dithmarfcher noch ſöven Jahr, denn fünd fe der Holften 
Herren”. Aber in demjelben Maße, in welchem fie ein nterefje 
daran hatten, die Macht der Holfteiner vernichtet zu fehen, hatten 
fie ein Intereſſe daran, daß KHolftein nicht in das Machtgebiet des 
Königs falle. Der Holfteiner und der Sriejen, als Brenznachbarn, 
fonnten fie fich fchlieglich, das hatte die Befchichte bewiefen, immer 
erwehren, aber nicht leicht auch dänifcher Könige im Befige von 
Holftein und Schleswig, deren Machtgebiet Dithmarfchen auf feiner 
ganzen Landgrenze, vom Oſtermoor an der Wilftermarjh und 
der Elbe bis zur Eidermündung bei Tönning, umjpannt hätte, 
Da mußten die relativ fchwachen und machtlofen Holitengrafen 
immerhin als Grenznachbarn lieber fein, als Erich und jeder 
andere Dänenfönig. Im eigenften Intereffe mußten fie darauf 
bedacht fein, die Macht der holfteinifchen Grafen zu ſchwächen, 
ohne gerade die Macht des Königs erheblich zu ſtärken, und daher 
zeugt es von politiſcher Klugheit, daß ſie trotz des tiefen Haſſes 
gegen Holſtein ſich nicht zu einem Angriffsbündniſſe mit dem Könige 
Erich verſtehen wollten, wie denn unter dieſem Geſichtspunkte das 
ganze Derhalten der Dithmarſcher in dem Streite um das ſüd⸗ 
jütifche £ehn zeigt, daß Dithmarfchen damals in feinen Dertretern 
gut berathen war. Wie forgfam die Dithmarfcher nur darauf 
bedacht waren, ihre Sreiheit ficher zu ftellen nach allen Seiten hin, 


Don d. Schladt am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 143 


dafür zeugt es, wenn fie in das mit dem Könige und der Königin 
vereinbarte Dertheidigungsbündnis die Beftimmung hineinbringen, 
da ihre Alliirten, deren Erben und Nachkommen, fie „bleiben 
lafjen follen bei allen ihren alten Gerechtfamen und Sreiheiten, 
wie fie die von alters her je freieft gehabt haben, nach ihrer 
Briefe Ausweis". | 

Im Derfolg ihres auf Schwächung der holfteinifchen Macht 
gerichteten Intereſſes begünftigten die Dithmarfcher auch das 
Unternehmen des aufrührerifchen Burghauptnianns Otto Schinkel 
auf der Tilenburg im Jahre 1414. Dieſer, ein holfteinifcher 
Ritter, hielt es heimlich mit dem Könige und lehnte fich endlich 
offen auf gegen den Grafen Heinrich und die Herzogin Elifabeth. 
Er fchritt zu Seindfeligkeiten gegen Unterthanen des Grafen, die er 
beraubte und ausplünderte, wobei die Dithmarfcher ihm DPorfchub 
leifteten, indem fie ihn durch ihr Land ziehen liegen und ihm 
den Derfauf des geraubten Gutes in Dithmarfjchen geftatteten. 
Durch dithmarfcher Gebiet 309 er gegen die Kirchipiele Schenefeld 
und Kellinghufen aus, die er dann plünderte, und kehrte mit 
Beute beladen durch Dithmarjchen zurüd. Graf Heinrich, dem 
das Treiben des Burghauptmaunes nun doch zu arg wurde, 309 
mit einer Anzahl Holfteiner die Eider hinunter gegen die Tilen- 
burg. Die Herzogin Elifabeth unterftügte ihn und lieg ihm von 
Gottorp Befhüg und Munition zuführen. Trefflich gerüftet rückte 
der Graf gegen die Burg zur Belagerung. Aber die Dithmarfcher 
nahmen fich des Belagerten an. ine Abtheilung derfelben unter 
Führung von Hebbelen Hans zog zum @ntfab herbei, und der 
Graf war genöthigt, die Belagerung aufzugeben. Otto Schinkel 
wurde jedoch nachher von dem Grafen Heinrich angegriffen und 
in die Slucht gefchlagen. Er verließ das holfteinifche Gebiet und 
floh in das Klofter Mergene. — Mergene wäre nad dem Pres- 
Byter ein Klofter diefes Namens bei Roſtock gewejen; es ift aber 
wahrfcheinlich das Klofter zu Marne, Mergenowe, in Dithmarfchen 
gewejen, welches ficher genug war als Zufluchtsort vor Derfolgung 


14% Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


von feiten des holfteinifchen Grafen und welches von Schinkel leichter 
und ficherer erreicht werden konnte, als ein Klofter bei Roftod, wohin 
er durch das Gebiet des Grafen hätte flüchten müſſen. Otto 
Schinkel foll bald nachher einer der Räthe des Königs Erich ge- 
worden fein. — Auch mit den Sriefen hatten die Dithmarfcher in 
demfelben Jahr, 1414, wieder ernftliche Zwifte. Sie beflagen fich 
darüber, daß die Sriefen in Eiderſtedt vier Dithmarfcher gefangen 
genommen und ungerechtfertigterweife gehenft hätten. Die Sriefen 
verantworten fich dem gegenüber dahin, daß jene in ihrem Lande 
geraubt und geftohlen hätten und deswegen nach friefiichem Hecht 
verurtheilt und gehentt worden feien. Auf welcher Seite in dieſem 
Streit die Schuld geweien, das ift nicht mehr auszumachen. 
Mebrigens hatten die Sriefen fchon im Jahre 1405, als der Graf 
Albrecht und der Herzog Gerhard Dithmarfchen bedrohten, die 
Gelegenheit zu Einfällen in dithmarfcher Gebiet wahrgenommen 
und manche Räuberei im Lande getrieben, während die wehr:- 
hafte Mannfchaft der Dithmarfcher wider die beiden Holftenherren 
zur £andhöde ausgerüdt war. Bei einem ihrer Ueberfälle hatten 
fie fieben achtbare Dithmarfcher Srauen mit fich fortgeführt, die fie 
dann in der Kirche zu Tönning gefangen hielten. Die Sache 
fam damals vors Land, und es wurde befchlofien, Gewalt mit‘ 
Gewalt zu fteuern; den Srauen ward die Mittheilung gemacht, 
daß fie in furzem frei werden follten. Sünf Tage darauf fielen 
die Dithmarfcher in Eiderftedt ein, brannten daſelbſt viele Gebäude 
ab, erfchlugen, was ihnen an Frieſen entgegentrat, nahmen die 
gefangenen Srauen und führten fie unverjehrt wieder heim. Vach 
Johann Rodeck (Ruſſes Sragment) haben fie damals Tönning 
niedergebrannt und fünf Sriefen, die nachber auf dem Churm 
(wahrfcheinlich zu Weddingftedt) jagen, gefangen gejeßt. Die 
Einfälle der Sriefen machten viel böfes Blut in Dithmarfchen, und 
die Erbitterung flieg noch, als 1404 die Sriefen vor Anderen mit 
Bereitwilligfeit und Eifer dem Aufgebot des Herzogs Berhard 
gegen Dithmarfchen folgten. Es tonnte nach dem Siege der Dith- 


Don d. Schlacht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 145 


marfcher über Gerhard nicht fehlen, daß die Sriefen ihre Seind- 
feligteit gegen jene hart büßen mußten. Dornehmlich die reiche 
Pelwormer Harde wurde in den Jahren 1405 und 1406 mit 
Schwert und Brand von den Dithmarfchern geftraft; der an- 
gerichtete pefuniäre Schade wurde nachher zu 80000 Mark ge 
ſchätzt. Namentlich aber war es ein Dithmarfcher‘Kort Widderich 
(Widerid), der, an der Spibe einer Schar abenteuerluftiger ver- 
wegener Männer, etwa 50 an der Zahl, zumeift aus dem Kirch 

fpiel Eunden, den Sriefen arge Drangfal bereitete. Er fiel mit | 
feiner Mannſchaft in die Pellmormer Harde ein, im Jahre 1407 
um die Weihnachtszeit, nahm den feiten Thurm auf Pellworm in 
Befig und trieb von hier aus ein ganzes Jahr lang Kaperei im 
Gebiete der Infelfriefen und an der friefifchen Seftlandstüfte bis 
nach Ripen hinauf, beraubte und brandichagte die Sriefenharden 
und war dermaßen ein Schreden der Bewohner, daß diefelben 
aus Surcht vor feiner Raub⸗ und Beutegier nicht wagten, die 
Selder zu beftellen und das Kand unbebaut liegen liegen. Nur 
ein Zufall foll die Sriefen von ihrem Dränger befreit haben. 
Der Pellwormer Thurm, fo heißt es, wäre wankend geworden, 
fo daß Kort Widderih zum Abzuge veranlagt gewejen fei. Dor 
feinem Abzuge von Pellworm nahm Kort Widderich noch die 
Schäße der dortigen Kirche an fih. Er führte 8000 Marl bar, 
fieben vergoldete Becher und Teller, acht vergoldete Tiſche, zwei 
mit Eifen befchlagene Schränke, eine große Monftranz und ein 
fchönes, Zupfernes oder bronzenes, Taufbeden als Beute fort. 
Taufbeden und Monftranz brachte er nah Büfum, wofelbft noch 
jegt das erftere im Befie der Kirche fich befindet.! Kort Widderich 
wurde nachher auf einer Wallfahrt gen Wilsnad, die er zur 
Büßung unternahm, nahe bei der Stadt Segeberg, wo er im Der- 


i Auch einige Geſchützrohre einfachfter Konftrußtion, die lange als Ge 
wichte der Churmuhr zu Büfum dienten und jeßt im dithmarfcher Mufeum 
zu Meldorf fich befinden, follen nad einer Tradition von Kort Widderich 
herrühren. 

Dithmarfcher Geſchichte. 10 


146 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


‚trauen auf den Sriedensftand, in weldhem die Dithmarfcher mit 
Holftein fich fanden, Herberge gehalten hatte, von dem Dogt des 
Grafen Heinrich zu Segeberg, Klaas van dem Damme, und deffen 
Leuten überfallen, ergriffen und an einem Baume gehängt. — 
Für diefe ruchlofe That mußte der Dogt nachher die gefegliche 
Mannbuße an die Dithmarfcher leiften. So waren alfo fchon feit 
dem Einfalle des Grafen Albrecht und des Herzogs Gerhard in 
Dithmarfchen Sehden mit den Sriefen vorgelommen, und die gegen- 
feitige Erbitterung hatte feitdem von Jahr zu Jahr zugenommen, 
unterhalten und genährt durch andauernde Neibereien zwijchen 
einzelnen Parteien von hüben und drüben. Als nun 1414 jene 
vier Dithmarfcher in Sriesiand gehängt worden waren, gerieth 
das ganze Land, wie Eranz fich ausdrüct, in Harniſch wider die 
Sriefen, zumal da nicht nur in Dithmarfchen es behauptet, fondern 
auch in Eiderjtedt es von Dielen geglaubt wurde, daß der Pferde- 
diebftahl, deſſen jene Dithmarfcher befchuldigt wurden, von Sriefen 
verübt worden fei. Unter den des Pferdediebftahls befchuldigten 
Dithmarjchern befand fich auch Hebbefen Dolkeff aus einer an- 
gejehenen Samilie zu £unden. Die Mutter desfelben hatte für die 
Sreilafjung ihres Sohnes einen Scheffel Wittpfenninge (Silberthaler 
von feinem Gehalt)! geboten, und der Bruder desfelben, Hebbeken 
Rickwort, hatte den Frieſen, falls fie in die Sreilafjung willigten, 
einen ewigen Srieden vom Eande zu erwirlen verfprochen. Alles 
war vergeblich gewefen. Die tiefverlegte Mutter und der Bruder 
des Hebbeken Dolkeff fchürten und förderten die Erregung im 


Die Bezeihnung „Pfenning“ hatte damals eine andere Bedeutung, 
als jet. Die Mark Silbers (1 Pfund = 2 Marl Gewiht) ward 
entweder in 16 Loth (1 Loth — 1"/s Karat = 6 Gran — 18 Grän) oder in 
12 Pfenninge (1 Pfenning = 2 Karat = 8 Gran — 24 Grän) getheilt. Die 
Sezeihnung „Pfenning” wurde dann fpäter auf das ausgeprägte Geld 
übertragen. Die Marf Silbers ward in ı2 „Marfpenning” ausgeprägt. 
Daher hießen die doppelten Chalerftüde, die zuerft 1512 zu Joadimsthal 
geſchlagen wurden, urfprünglich „dicke Penninge“. Die wendifchen Städte 
liegen 14355 Wittpenninge, „Witten“, fhlagen im Gewicht von 1 Loth. 


Don d. Schlacht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 147 


Lande; jene beflimmte die Hälfte des den Sriefen gebotenen Geldes 
zur Ausräftung von -Cheilnehmern an emer „Landreife” wider 
die Sriefen, und diefer brachte die Sache vor die Kandesverfammlung. 
Es wurde ein Aufgebot wider die Sriefen befchlofieen. Am Tage 
Arnulphi, 18. Juli, 1414 landete eine ftarfe Abtheilung der Dith- 
marfcher bei Tönning.! Nachdem fie einen friefifchen Wachtpoften 
von fechs Mann niedergefchlagen, fließen fie im Vordringen auf die 
fampfbereit verjammelte Mannfchaft der Landfchaften Eiderftedt, 
Everichop und Utholm. In einem hartnädigen Kampf, in welchem 
150 Dithmarfcher und 140 Frieſen gefallen fein follen, behaupteten 
ichließlich die Sriefen das Feld; die Dithmarfcher mußten der 
Uebermacht weichen und nahmen den Rückweg zu ihren Böten. 
Inzwifchen aber hatten die Sriefen ſich eines Theiles der Böte 
bemächtigt, und die Dithmarfcher flürzten ſich daher zum Cheil 
in die Eider, um fchwimmend fidh zu retten, wobei aber viele 
ertranten. Der Derluft der Dithmarfcher belief fich auf 500 Mann. 
Als die Nachricht von dem unglüdlichen Ausgange der Erpedition 
nach Friesland in Dithmarfchen fund ward, befchlog man eim- 
müthig, den Krieg mit Nachdrud fortzufegen. Schon am 25. Juli 
1414 309g eine ftärfere Abtheilung in voller Rüftung über die 
Eider und landete bei Borchfand. Als die Sriefen fie in voller 
Wehr, „in Harnſch“, und im Schlachtordnung im Selde anrüden 
fahen, entfan? ihnen der Muth, und nach kurzer Gegenwehr ergriffen 
fie insgefamt die Slucht; die Dithmarjcher nahmen fofort die 
Derfolgung auf und erfchlugen noch viele der Sliehenden. Der 
Derluft der Sriefen auf Borchfand wird auf 259, der der Dith- 
marfcher auf 120 Mann augegeben. Die Sieger durchzogen nun 
einen großen Theil des Kandes feindlich; insbefondere verwüſteten 
fie die Kirchfpiele Dollerwid, Welt, Kating, Koßenbüll, die Dorf: 


ı Bei einigen Ehroniften wird als Datum „Mittwoch vor Jakobi“ 
genannt. Jakobi (25. Juli) fiel 1414 auf einen Mittwoh. Mittwoch vor 
Jakobi war alfo der 18. Jult, der Tag Arnulphi. Es iſt alfo in den Angaben 
der Ehroniften hier Fein Widerfprudy bezüglich des Datums gegeben. 

10° 


148 weiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


fchaft Tönning und das Kirchfpiel Oldenswort, wo fie die Kirche auf- 
brachen und aus 34 zur Sicherung von ihnen dahin gebrachten Kiften 
fo viel Geld, Gefchmeide und Kleider entnahmen, daß 16 Mann genug 
daran zu tragen hatten. Die Einwohner von Everfchop und Utholm 
wollten dem feindlichen Durchzuge der Dithmarfcher vorbeugen und 
erboten fich zur Entrichtung einer „Dingtael”, als Brandfchaßung. 
Die Everfchoper gelobten einftimmig, 500 Mark, die Utholmer, 
700 Marf, und das Kirchfpiel Ulvesbüll gelobte, 600 Mark zu zahlen. 
Die Dithmarfcher waren damit zufrieden und zogen wieder heim- 
wärts. Doch die Sriejen achteten der gegebenen Sufage nicht, und es 
erfolgte Feine Sahlung der ausgelobten Dingtael, und die Dith- 
marfcher unternahmen am Montage nach Matthiä 1416 abermals 
einen Zug nach Sriesland, und zwar zur Nachtzeit, legten das 
Kirchfpiel Wigwort und anderen Tags Oldenswort, Ulvesbüll und 
Groß-Alverfee in Afche und erfchlugen 120 Mann. Darauf zogen 
fie weiter gegen Huſum, zündeten die Mühle vor diefem Ort an 
und brannten dann auch die Kirche zu Mildfledt ab.! Die 
Sriefen wagten feinen Widerftand mehr, und Diele fuchten fich durch 
Geld und gute Worte vor dem Durchzug der Dithmarfcher durch 
ihre Ortfchaften zu fichern. Tönning faufte fit durch ein Löfe- 
geld frei, und die Kirchipiele Koßenbüll, Kating und Dollerwick 
verfprachen ebenfalls große Summen als Löfegeld. Das Kirchfpiel 
Catharinenheerd wurde ganz und das Kirchfpiel Tetenbüll zum 
großen Theil niedergebrannt. An der Grenze des Kirchfpiels 
Garding, wo die Dithmarfcher befonders arg gehauft haben 
jollen, traten ihnen die Priefter mit der Monftranz entgegen, 


ı „De Watermöhle tho Huſum brennten wy aff 
Dor erworven wy Prieß und Ehre; 
De Kerde tho Mildftedt brennten wy aff, 
Dat vorgeve uns Godt de Here” 
heißt es nach Dieth in einem alten Kiede der Dithmarfcer. 
Vach Einigen (Dieth 32, Bolten IV, 142) wäre die Taufe der Kirche 
zu Wöhrden aus Mildftedt entführt in Kriegszeiten; vielleicht während 
diefes Suges durch Friesland. 


en . 1 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 149 


um fie zu bejänftigen und zu milderem Derfahren zu bewegen, 
und dem Sufpruche der Priefter gelang es, die Wuth der 
Dithmarfhher zu dämpfen. Doc mußten die Sriefen einen 
harten Dergleich eingehen. Sie verpflichten fit, 30000 Marf 
zu zahlen für 500 Dithmarfcher, die theils erfchlagen, theils im 
Waſſer umgelommen waren; für die erjchlagenen Sriefen wird 
nichts gerechnet. Zur Sicherung müſſen die Sriefen jest Geiſeln 
ftellen, und zwar für je zwei der gebliebenen Dithmarjcher einen 
Sriefen. Den Kirchfpielen Simonsberg und £undenberg wird eine 
Schaßgung von 94 Mark auferlegt. Die Sriefen müſſen für die 
nächften drei Jahre für ihre Häufer eine Schagung entrichten 
an die Dithmarfcher, deren Betrag von den leßteren näher be- 
flimmt werden foll. Streitigfeiten der Sriefen mit Dithmarfchern 
follen von 20 Dithmarjchern, die von den Sriefen gewählt worden, 
nach dithmarfcher Hecht, in Dithmarfchen entjchieden werden. 
Bezüglich der leßteren Bedingung follen die Sriefen noch bejondere 
Briefe und Siegel den Dithmarfchern geben. Es ward aud 
wirklich 1417, Montags nach Mariä Heimfuchung, von den 
Landen Eiderftedt, Everjhop und Utholm den Dithmarfchern eine 
folche Schrift ausgeftellt, worin jene, eine ewige Sühne und 
völligen Srieden mit den Dithmarfchern vereinbart zu haben, be: 
fennen, wonach alle Streitigkeiten zwifchen $riefen und Dith: 
marfchern gefchlichtet werden follen von 20 Männern aus den 
Dithmarfchern, die bei dem Heiligthum (der geweihten Hoftie) ge- 
fchworen haben, daß fie Jedem gleiches Recht fprechen wollen 
nach einem rechten dithmarfcher Hecht, und zwar im Lande Dith- 
marfchen. Wenn Jemand von ihnen den Srieden brechen würde, 
erflären die Sriefen in diefer Schrift, fo folle derfelbe für treu- 
und ehrlos gelten, und den Schaden, den er anrichte, folle er 
binnen fechs Wochen befjern; für einen Dithmarfcher, der von 
einem Einwohner der drei Lande erfchlagen würde, foll binnen 
jehs Wochen die Mannbuße mit 100 Mark geleiftet werden, 
außer einer Brüche von 30 Mark, und der Thäter foll ehrlos 


150 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


fein; wenn einer von ihnen dithmarjcher Gut ftiehlt und mit dem 
Geftohlenen nach Eiderftedt, Everjhop oder Utkolm fommt, fo 
fol er mit dem Galgen beftraft und das geftohlene But dem 
rechtmäßigen Eigenthümer wieder zugeftellt werden. Die Dith- 
marfcher follen den Sriejfen jedoch hier Gleiches mit Gleichem 
vergelten. — Die Sriefenharden waren durch die Sehden mit den 
Dithmarfchern fo verheert, daß die Bewohner mehrere Jahre lang 
feine Steuern entrichten und feine Heeresfolge leiften konnten. 
Die Nordfriefen waren Unterthanen des holfteinifchen Grafen⸗ 
haufes. Sie erhielten von lebterem Feine: KHülfe im Streit mit 
den Dithmarfchen, weil fie fih auf eigene Hand in diejen eingelafjen 
hatten, und weil die Grafen in dem Streit mit dem Könige Erich 
von Dänemarf um das füdjütifche Eehn fo hart bedrängt. waren, 
daß fie genug zu thun hatten, fich nur zu halten und felbft der 
Hülfe bedurften und nicht daran denken konnten, mit den Ditkmarfchen 
Händel zu beginnen. Die Grafen, nämlich der inzwifchen mündig 
gewordene Graf Heinrich III., des 1404 in der Hamme erjchlagenen 
Herzogs Gerhard VI. ältefter Sohn, und feine Brüder Adolph 
und Gerhard, die fih alle auch Herzoge nannten, begnügten fich 
nothgedrungen damit, durch Befandte den Ditbmarfchern Porftellungen 
zu machen, auch durch Zuſchriften diefelben aufzufordern, fich der 
Seindfeligkeiten gegen die Sriefen zu enthalten und für den von 
ihnen in Sriesland angerichteten Schaden Erfaß zu leiften. Zur 
Begleichung des letzteren knüpften fie Unterhandlungen an, zu 
welchen auch Nechtsgelehrte aus Kübel und Hamburg eingeladen 
wurden. Allein die Dithmarfcher befümmerten fich nicht darunı, 
und die Grafen mußten die Sache hinftehen laflen. Eben der 
Streit um das Kehn Südjütland (Schleswig), welches die Königin 
Margaretha nur widerwillig dem holfteinifchen Grafen Gerhard VI. 
verliehen hatte und welches Erich nun wieder einziehen wollte, 
gab den Dithmarfchern eine viel bedeutendere Stellung den beiden 
ftreitenden Parteien gegenüber. Der König Erich von Dänemarf und 
die Grafen von Holftein ftrebten danach, fich enger mit den Dithmarfchern 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447. 151 


zu verbinden und zu befreunden. Erich befchentte die Dornehmften 
unter den Dithmarjchern — Hovedlüde und Häuptlinge bei Chroniften 
genannt, das Fönnen hier nur die Ratgeber (consules) fein — 
reichlih. Einem derfelben, Hebbeken Hans, ließ er ein vollftändig 
ausgerüftetes Schiff zum Geſchenk machen. 1422 forderte der 
König die Dithmarfcher förmlich zu feinem Beiftande auf und 
erflärte fich bereit, die Sache der Kehnsfrage zu ihrer Entfcheidung 
zu ſtellen. Die Dithmarfcher zeigen fich dem Könige geneigt. Sie 
fchrieben an die Grafen und forderten diefelben auf, das Herzogthum, 
fowie das Schloß Gottorp und andere Schlöffer des Landes, die 
fie mit Unrecht befäßen, dem Könige zu überantworten, widrigenfalls 
würden fie diefem, der nichts als Gerechtigkeit verlange, Beiftand 
leiften.. Die Grafen fürchteten einen Krieg mit Dithmarjchen und 
fertigten eine Gefandtfchaft ab, die por der dithmarfcher Candes⸗ 
verfammlung die Gründe darlegen mußte, welche fie für ihre 
Anfprüce auf die Belehnung mit dem Herzogthum geltend machten. 
Die Dithmarfcher wandten vieles gegen die Darlegung der 
holfteinifchen &efandfchaft ein. Sie bedienten fich dabei eines 
Bleichniffes: So wie, wenn Jemand den Holfteinern ein Pferd 
geliehen hätte, fie diefes zurückgeben müßten, wenn der Eigenthümer 
es fordere, fo müßten fie auch das £ehn dem LCehnsherrn wieder 
zur Derfügung ftellen. Manche Ehroniften, wie Bolten, wollen 
hierin einen Beweis dafür finden, daß die Dithmarfcher damals 
die Kehnsfrage verfannt hätten, und Bolten namentlich deutet 
darauf hin, daß die Dithmarfcher Landesvertretung aus untundigen 
£andleuten beftanden habe. Man überfieht dabei aber, daß wenigftens 
der Landestanzler ein ftudirter Mann war, und daß die Söhne der 
wohlhabenden Dithmarfcher durch gelehrte Studien auf den 
vornehmften Bildungsanftalten des Auslandes fich für die Behandlung 
Öffentlicher Angelegenheiten vorzubereiten pflegten, fowie, daß die 
ganze Kehnsfrage im Grunde mır darauf hinausläuft, ob Graf 
Gerhard VI. nur perfönlich oder auch erblich mit dem Herzogthum 
belehnt worden fei. Andere haben daher wohl gefagt, die Ditkmarfcher 


152 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


hätten fich geftellt, als ob fie von fchweren Begriffen wären. 
Die Meinung der Dithmarfcher kann nur die gewefen fein, daß 
ein £ehn auf Zeit nicht als ein Erbpachtsgut angefehen werden 
fönne. Den Bolfteinern wurde bejonders auch das noch vorgehalten, 
daß der König fchon dadurch, daß er die Lehnsfrage zur Enticheidung 
der Dithmarfcher geftellt, einen ftarfen Beweis für die Gerechtigkeit 
feiner Sache gegeben habe. Hierauf antworteten die Holfteiner, 
daß audı fie nur das Hecht wollten und ebenfalls die Sache dem 
Ausfpruch der Dithmarfcher zu unterftellen bereit fein. Die Grafen 
erflärten in einem Schreiben, daß fie bereit feien, in der Kehnsfrage 
einen Schiedsfpruch der benachbarten Städte, insbefondere aber 
der Dithmarfcher, anzunehmen. Das gefiel den Dithmarfchern; 
doch überwog auch hier die politifche Klugheit, und fie befchloffen, 
in der Sache neutral zu bleiben. Sie fandten eine Abfchrift des 
Schreibens der Grafen an den König mit der Erklärung, daß fie 
jegt die Grafen mit Ehren nicht unfreundlich behandeln Fönnten. 
„So legte fich durch Gottes Gnade das Ungemitter, welches der 
König den Holfteinern durch die Dithmarfcher zu erweden gehofft 
hatte” — fagt der Presbyter Bremenfis, der hier als Seitgenoffe der 
Grafen aus eigener Erfahrung und Anfchauung redet und von 
der Beforgniß zeugt, welche damals in BHolftein vor einem etwaigen 
Angriff von feiten der Dithmarfcher herrfchte. Weil es in ihrem 
Interefje war, die Streitfrage zwiſchen dem Könige und den Grafen 
von Holftein in der Schwebe zu erhalten, da fie felbft vor einem 
Angriff auf ihre Sreiheit fiher geftellt waren, wenn Dänen und 
Holfteiner, ihre alten Seinde, miteinander im Streit lagen, wollten 
fie weder dem Könige noch den Grafen entjchieden und entfcheidend 
beifallen. Nebrigens nahmen fie die Bunft der Derhälniffe auch 
darin wahr, daß fie fich von den holfteinifchen Grafen Beinrich, 
Adolpb und Gerhard, die von der Herzogin Elifabeth, der Grafen 
Mutter, und von dem Grafen Heinrich, den Bruder des Herzogs 
Gerhard VI., ihnen 1404 zugeftandenen Sreiheiten in Bolftein 
beftätigen liegen. Die Urfunde der Beftätigung datirt vom Sreitage 


Don d. Shlaht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 153 


vor Palmfonntag 1422. — Bei diefer hervorragenden politifchen 
Selbftändigkeit und Unabhängigkeit, welche die Dithmarfcher 
bethätigten, indem fie Krieg erllären und Srieden fchließen, 
Staatsverträge mit Königen und Sürften eingehen und nad 
eigenem Ermefjen in die große Politit eingreifen, mußte die 
Sugehörigkfeit zum Erzftift nach außen Hin völlig in den 
Schatten geftellt werden. Selbft vom deutfchen Reiche wurden 
die Dithmarfcher Daher für reichsunmittelbar angefehen, fo daß 
Kaifer Sigismund fie unmittelbar zu Zeichsfteuern heranziehen 
wollte. Der Haifer verlangte 1520 eine Schaßung «als Beitrag 
zu den Koſten des Krieges wider die Auffiten von ihnen, weil fie 
unmittelbar dem römifchen Weiche angehörten. Allein fie erklärten, 
daß fie getreue Sugehörige des Erzftiftes Bremen feien, und wandten 
fih deshalb an den Erzbifchof Johann Slamerftorf, und Ddiefer 
beftätigte ihnen, daß er in ihrem Lande Dögte und Aichter ernenne, 
auch jährliche Einfünfte aus dem Lande erhalte, worauf dann der 
Kaifer im Dezember 1420 fie aller An- und Sufprüche von feinet« 
und des Reichs wegen ledig fprah. Die Dithmarfcher hatten in 
den Derhandlungen, die fie dieferhalb mit dem Erzbifchof führten, 
diefem verheißen, daß fie alle Gerechtfame, die ihm in ihrem 
Lande zuftänden, ihm reftituiren wollten. Sie verjprachen ihm, 
nach dem bremifchen Presbyter, die Einfünfte von der Elb- und 
Eiderfähre, das Heu von der Inſel Tötel, die Nutzung des 
Hndenfees und des Borgholtes, fowie die betreffenden Gerechtſame 
in den fünf Dogteien. Sie verjprachen das, fagt der Presbyter; 
aber als fie ihren Willen erlangt, fügt er hinzu, haben fie nichts 
davon gehalten. Uebrigens ftarb der Erzbifchof Johann noch in 
demfelben Jahre oder zu Anfang des folgenden Jahres und erhielt zum 
Nachfolger den Brafen Nilolaus von Delmenhorf. Da mögen 
die Dithmarfcher dann gedacht haben, daß fie diefem nichts ver- 
fprochen hätten. Auch in dem hier beobachteten Derhalten zeigt 
fich die politifche Klugheit, in welcher die Dithmarfcher damals 
Realpolitit machten und trieben. Sie waren frei, felbftändig und 


154 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


unabhängig, wie fein anderes Glied des deutfchen Reiches, und 
hätten, was fie in Wirflichleit waren, auch zu offizieller Geltung 
bringen können, indem fie fidh ftillfchweigend durch Entrichtung 
der vom Kaifer geforderten Heichsfteuer die Eintragung als reichs» 
unmittelbar in die Neichsmatrifel, und damit für die Zukunft 
einen Rechtstitel auf Reichsunmittelbarteit, zuwege gebracht hätten. 
Aber fie hätten fich damit auch des Dortheils begeben, dem Gelüſte 
der Holftenherren nach dem Befi des herrenlofen Dithmarfcherlandes, 
des „Landes ohne Herrn”, gegenüber auf den Erzbifchof hinweiſen 
zu fönnen und Durch Geltendmachung der Zugehörigkeit zum 
Bremer Erzftift andere Herren abzuhalten, den Holftenherren in 
ihrem Trachten nach Dithmarfchen Unterftüßung zu leihen. Weil 
fie diefes nicht wollten, proteftirten fie als getreue Anverwandte 
des Erzftiftes energifch gegen die Forderung des Kaifers an fie, 
unmittelbar zum Reichsſchatz zu fteuern. Indeſſen ließen der 
König und die Grafen es ſich angelegen fein, die Dithmarfcher 
zu ihren Gunſten zu fliimmen. Als man ſich dann davon über- 
zeugt hatte, daß alle Kiebeswerbung bei dem fpröden Sinn der 
Dithmarfcher nichts verfangen wollte und der König durch Meber- 
häufung mit Gefchenten und Gaben ebenjowenig etwas erreichte, 
wie die Krafen durch Einräumung von Dergünftigungen und Be: 
ftätigung von Privilegien und Sreiheiten, die den Dithmarfchern 
in Holftein zugeftanden waren, machte der König 1425 die Lehns- 
frage und den Kehnsftreit am faiferlichen Hofe anhängig. Er 
reifte zu dem Zweck perfönlich an den Hof des Kaifers zu Ofen. 
Don hier aus unternahm er dann eine Reife ins heilige Land, 
fchiffte fih ein und fam glüdlich ans Ziel, nach Jerufalem, das 
damals im Befite des ägyptifchen Sultans war, in defien Be 
fangenfchaft er gerieth, jo daß er nur mit Mühe wieder lostam. 
1424 gelangte die Lehnsſache am Kaiferhofe zur Derhandlung. 
Erich war felbft da, und auch der Graf Heinrich III. von Holftein 
war erjchienen, nachdem er vorher fchon den Bifchof von Lübed 
als Sachwalter dahin zu gehen bewogen hatte. Der Kaifer 


Don d, Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Kandredits, 1447. 155 


entfchied gegen das Grafenhaus und erflärte die Grafen fchuldig, 
das Lehn dem Könige zurüdzugeben. Südjütland ward als ein 
perfönliches CLehn anerfannt, auf welches die Grafen Feinerlei 
Anſpruch erheben Fönnten. Als dann die Grafen, in der Hoffnung auf 
neue und ſtärkere friegerifche Derwidelungen, von welchen fowohl 
der König Erich, als auch der Kaifer Sigismund bedroht wurde, fich 
weigerten, dem Ausfpruche des Kaifers fich zu unterwerfen und 
an den Papft appellirt hatten, der übrigens die Sache nach 
Kenntnignahme von derfelben abwies, wurden fie vom Kaifer in 
die Heichsacht gethan, als ungehorfame Dafallen und Beleidiger 
der Majeftät. Am Sonntage Okuli des Jahres 1425 erließ Kaifer 
Sigismund ein Ausfchreiben an alle deutfche Sürften und Berren, 
auch Städte und ©erter, insbejondere aber an den Erzbifchof zu 
Bremen, den Bifchof zu Hildesheim, die Herzoge zu Braunfchweig, 
Sachen, Melelnburg und Stettin (Pommern), den Hochmeifter des 
deutjchen Ordens zu Preußen, den Magifter diefes Ordens in 
Livland, die Magiftrate der Städte Lübed, Bremen, Braunfchweig, 
Lüneburg, Roftod, Sunden (Stralfund), Greifswald, Hamburg, 
Stade ıc. und „an die Einwohner des Landes zu Detmarjch”, 
worin er fie, als Liebhaber und Befchirmer feiner und des Reiches 
Ehre, zu denen er ein gutes Dertrauen habe, befehligte und beauf- 
tragte, dem Könige Erich von Dänemarf zur Dollführung des ihm 
zuerfannten Rechtes gegen die Brafen von Holftein, die fich gegen 
ihn des Ungehorfams, ja des Derbrechens der beleidigten Majeftät 
ihuldig gemacht, allen etwa benöthigten Beiftand nach äußerftem 
Dermögen zu leiften. — Daß hier die Einwohner des Landes 
Dithmarfchen neben den Reichsfürften und Herren, auch Städten 
und ©ertern, lauter NBeichsunmittelbaren, genannt werden, und 
zwar troßdem der Erzbifhof von Bremen, als zu defjen Stift 
gehörig fie fich kurz vorher dem Kaifer gegenüber befannt hatten, 
hier fchon als der vornehmfte unter den infonderheit genannten 
Weichsfürften an der Spibe diefer angeführt worden, zeugt von 
dem hohen Anfehen, defien die Dithmarfcher fich zu erfreuen hatten. 


156 Smweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Ob der König Erich ernftlih auf Hülfeleiftung gedrungen oder 
ob er es verfchmäht hat, feine Schwädhe und Unfähigkeit durch 
Anrufung der Fürften und Städte offen einzugeftehen, ift nicht 
befannt. Die Dithmarfcher verhielten ſich nach wie vor neutral, 
die Städte haderten fchon lange mit Dänemarf, das ihren Bandels- 
intereffen im Wege ftand, und die meiften deutfchen Sürften fonnten 
ebenfowenig, wie der Kaifer felbfi, dem Könige Hülfe bringen, 
weil fie durch die Huffitenfriege in Anfpruch genommen waren. 
Kaifer Sigismund, der nach des böhmijchen Königs Wenzel Tode, 
der 1419, 30. Juli, erfolgte, zum Könige von Böhmen gekrönt 
worden, mußte vor den ob Huß' Ermordung empörten Böhmen 
weichen. Die Schar feiner Getreuen ward zerftäubt von den für 
Glauben und Recht ftreitenden Dollshaufen. Die Truppen, welche 
ihm der Eifer der Katholiken, der Beiftand der deutfchen und der 
ungarifchen Stände, die Kreuzbullen des Papftes und die Neichs- 
edikte zuführten, fie alle hielten nicht ftand gegen die Angriffe 
der begeifterten Heere des Seindes. Aus Böhmen, Mähren und 
Schlefien wurde Sigismund verdrängt, und die Scharen der 
Auffiten ergoſſen fich über das deutfche Land. Brandftätten und 
Leichenhügel bezeichneten ihren Weg. „Der Schreden Gottes ging 
vor Siffa einher.” Noch als er erblindet war, fchlug Ziſka die 
Seinde, und als er 1424 geftorben war, zitterten fie noch vor dem 
Klange feiner Haut, wenn die fchredlichen Huſſiten die Trommel rührten, 
über welche jene gefpannt worden war. Nach Ziſkas Tode fchlug 
Procopius einen neuen Angriff eines großen deutſchen Heeres 
zurüd und fuchte mit rächendem Schwerte Sachien, Sranfen und 
Bayern heim. In Brandenburg, Magdeburg und Negensburg 
wurden die Sahnen der Unbezwinglichen aufgepflanzt; 3000 Wagen 
voll Raubes führte Procopius mit fich heim, und er konnte fich 
rühmen, Hundert Städte und vierzehnhundert Grtfchaften in 
deutfchen Kanden vernichtet zu haben. Täglich mußte man neue 
Einfälle der Huffiten befürchten und auf möglichfte Sicherung 
gegen den furchtbaren Seind denken, vor dem Alles zitterte. 


u I 


EG 


Don d. Schlaht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1442. 157 


Unter foldyen Umftänden war es den norddeutfchen Sürften 
nicht wohl möglich, auch noch für den König von Dänemarf 
Bülfe zu leiften. Die Huffitentriege dauerten fort bis 14335. VNoch 
1451 wurde auf einem Neichstage zu Nürnberg ein allgemeiner Beer- 
zug gegen die Huffiten befchloffen, der aber ebenjo Mäglich verlief, 
wie alle früheren Züge wider die Hufliten. Es fammelten fich 
wohl hunderttaufend Streiter unter Führung Sriedrichs von Bran- 
denburg. Man drang bis Tauß im Pilniger Kreife. Da nahten 
die Gewaltshaufen der gefürchteten Huffiten, und von panifchem 
Schreden ergriffen, rannten die Scharen auseinander und machten 
fih von dannen. Die Huffiten ftürzten fich auf die Slüchtigen und 
erfchlugen elftaufend derfelben. Deutfchland blieb der Macht der 
Buffiten preisgegebn. Es mußte alfo wohl jener Auftrag des 
Kaifers an die deutfchen Sürften für den König Erich ohne Erfolg 
bleiben, und da der König von den Schweden bedrängt ward, 
wie der Kaifer von den Hujfiten, fo konnten die fchwachen BHolften- 
grafen es unternehmen, dem Schiedsfpruche und dem Befehl des 
Kaifers zumider. das Cehn Südjütland feftzuhalten.! Während die 
Dithmarfjcher fireng neutral blieben, geriethen die Hanfeftädte, 
namentlich Bamburg, Lüneburg und die wendifchen Städte (die 
Oftfee-Banjeaten), 1426 in offenen Konflilt mit dem Könige. 
Qun fam es auch zu einem neuen Kriege mit den holfteinifchen 
Grafen, in welchem Graf Beinrich III. 1427 fill. Die Hanje- 
ftädte fchicdten eine Slotte von 250 Segeln gegen Dänemarf, 
wodurch der König in große Toth gerieth. So waren die Städte 


! Unbefümmert um Kaifer und Reich, fucten die BHolftengrafen an 
der Xordgrenze, wie die öfterreihifchen Erzherzoge an der Oſtgrenze, ihre 
Stellung auszunnugen zur Erlangung einer vom Kaifer unabhängigen 
Bausmadıt. Daß die Hintanfegung der Neichstreue bei Jenen dem VReiche 
nit fo zum Schaden gedieh, wie bei Diefen, das iſt nicht auf die Abficht 
und den Willen der Holftengrafen, fondern nur auf die Schwäche derfelben 
zurädzuführen, die ihnen nicht geftattete, fich dauernd der Macht des 
Reiches gegenüber eine felbfländige Herrſchaft in Bolftein, unabhängig 
vom Kaifer, anzueignen. 


158 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


nun Derbündete der Grafen, indem fie mit diefen gemeinfchaftliche 
Sache wider den König madhten. Das war den Dithmarfchern 
nicht paffend. Namentlich den Hamburgern nahmen fie es übel 
auf, daß diefelben mit den Grafen Partei machten. Schon feit 
Jahren lagen fie wieder mit den Hamburgern in Hader. Zwar 
war noch 1416 das Sriedensbündnig mit diefen erneuert worden; 
aber bald nachher waren die alten Sehden wieder ausgebrochen. 
Als 1420 die Ditalienbrüder, jene Sreibeuter, deren Geſellſchaft, 
aus einer 1588 zum Swed der Derjorgung Stodholms mit Dil: 
tualien gebildeten Dereinigung (Diltualienbrüder) entftanden, unter 
dem Scheine ehrlichen Handelsbetriebes auf Kaperei und Räuberei 
aller Art ausging, die Sahrt auf der Elbe gefährdeten, befchul- 
digten die Hamburger und die Dithmarjcher ſich gegenfeitig des 
geheimen Einverftändniffes mit diefen Räubern. Die Sreibeuter 
follen für ihren Raub in Dithmarfchen Abfaß gefunden haben. 
Das ift nicht unwahrfcheinlih. Dagegen erhellt aus einer an« 
hängig gemachten Klage der Dithmarfcher wegen Wegnahme 
eines von Dithmarfcher Kotjen geleiteten holländifchen Kauffahrers 
durch hamburgijche Ditalienbrüder, daß die Hamburger wirklich 
mit den Seeräubern gemeinfchaftliche Sache machten. Die ftets 
fih wiederholenden Neibereien zwifchen Dithmarfchern und Bam: 
burgern auf der Elbe führten zu offener Fehde. Es bildete fich 
damals in Dithmarfchen eine zahlreiche Derbindung gegen Hamburg, 
die unter Sührung eines angejehenen Mannes, Abel Reimer, in 
Hamburg einftel und die Stadt wiederholt jo bedrängte, daß felbige 
fremde Hülfe juchen mußte und Miethstruppen warb gegen die 
Dithmarfher. Als einige von der Abel Reimerfchen Compagnie 
in die Hände der Hamburger fielen, ließen dieſe diefelben auf 
offenem Markte hinrichten. Das Land fagte fich zwar in einem 
Hebereinfommen mit Hamburg am 31. Juli 1422 von aller Ge— 
meinfchaft mit den Seeräubern los und erflärte für das, was der 
Genofienfchaft des Abel Reimer gefchehen, fich in feiner Weife 
rächen zu wollen; aber die herrj..ende Erbitterung fonnte dadurch 


Don d. Schladt am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Kandredhts, 1447. 159 


nicht bejfeitigt werden, und diefe führte zu allerlei Wirren und Un- 
ruhen im Kande ſelbſt. Es traten bald nachher zwei Parteiführer 
gegeneinander auf, Rolf (Rudolph) Maes und Krufe Johann, 
beide mit großem Anhang. Die eigentliche Deranlaflung des 
Streites der Parteien ift zwar nicht befannt, doch ift aus dem 
fpäteren. Derlauf der Begebenheiten abzunehmen, daß die Bewegung 
im Lande vornehmlich aus dem Zwiſt mit den Hamburgern ihren 
Urſprung genommen. Kruſe Johann fand an der Spike der- 
jenigen Partei, welche den Srieden mit den Hamburgern aufrecht- 
halten wollte. Nachdem die Parteien eine Zeitlang mit Yaub, 
Mord und Brand widereinander gewüthet hatten, wurde durch 
Dermittelung der Städte Kübel, Hamburg und Lüneburg am 
20. Juli 1427 der Sriede hergeftellt. Die gegen Hamburg er- 
bDitterte Partei fand inzwifchen nun in der Hinneigung der Ham⸗ 
burger auf die Seite der holfteinifchen Grafen im Streite derjelben 
mit Dänemarf neue Nahrung für ihren Haß. Dazu fan, daß 
die Hamburger den Dithmarfchern die freie Sahrt auf der Elbe 
zu verwehren fuchten, indem fie diefelben zwingen wollten, ihnen 
ihr Korn zum Kauf anzubieten, ehe fie mit demfelben an Hamburg 
vorbei weiter die Elbe hinauf führen. Auf Ileßteres maßten die 
Hamburger fih ein Recht (das fog. jus restringendi) an, wovon 
natürlich die Dithmarfcher nichts wiffen wollten. Es erfolgen 
Klagen von beiden Seiten, und von Klagen und Befchwerden geht 
man bald zu Chätlichleiten über. Bamburger Truppen hatten 
den holfteinifchen Grafen 19429 bei der Belagerung von Apenrade 
Hũlfe geleiftet. Diefe fehrten im September desfelben Jahres zu Waſſer 
nah Hamburg zurüd. Als das in Dithmarfchen befannt wurde, 
machten fih Einwohner der Kirchfpiele Weſſelburen, Neuenkirchen 
und Büfum unter führung des Vogtes Ralves oder Radlev Karften 
zu VNorddeich bei MWeflelburen auf und griffen die Hamburger, 
als fie an die Dithmarfcher Küfte geriethen, an, fchlugen fie und 
verbrannten ihre Schiffe auf der Elbe. Nach Earften Schröder 
blieben 108 Hamburger auf dem Plage. Die ganze Ausrüftung 


160 weiter Abjchnitt. Dritte Abtheilung. 


der Hamburger an Proviant und Waffen wurde eine Beute der 
Dithmarfcher. Um einer Erneuerung der Sehde vorzubeugen, 
machten der Erzbifhof von Bremen und die Räthe der Städte 
Cübeck und Lüneburg Dermittelungsporfchläge und brachten auch 
eine Tagfagung zu Stade zu ftande. Hier erfchienen nebit den 
Nepräfentanten des Erzbifchofs und der vermittelnden Städte und 
den Deputirten der Dithmarfcher auch ein Bürgermeifter, zwei 
Qathsherren und ein Sekretär als Abgeordnete Hamburgs. Aber 
Radlew Karften und die Übrigen Gefandten der Dithmarfcher er- 
wiefen fich fo wenig für Dergleichsvorfchläge zugänglich, fo troßig, 
fagt ein Ehronift, daß weder in Güte noch zu Recht etwas aus» 
gerichtet werden fonnte. Im folgenden Jahre, 1450, legten die 
Hamburger zum Schußge ihres Handels gegen die Dithmarfcher 
eine Befeftigung in der Elbe an, Neuwerk (dat nye Warf). Die 
Dithmarfcher rüfteten in demfelben Jahre einige Schiffe aus, 
landeten bei Neuwerk, befchoflen dasfelbe und zerftörten es und 
nahmen dann das dort befindliche Dieh, fowie einige Schiffe und 
Büter als Beute mit fih. Nun rüfteten die Hamburger zur 
Sicherung der Kauffahrer auf der Elbe armirte Schiffe aus mit 
600 Mann Befagung unter Anführung des Rathsherrn Martin 
Swartelop. Er foll die Aus und Einfahrt auf der Elbe frei 
halten und die Handelsihiffe an der Dithmarfcher Küfte gegen 
Angriffe deden. Als die Mannjchaft unter Swartelop eine Zeit 
lang müßig auf der Elbe gelegen, ward fie der Sache überdrüffig 
und forderte den Anführer auf, etwas gegen die Dithmarfcher zu 
unternehmen, wobei man es befonders auf Beute an Dieh ab- 
gejehen Hatte. Swartekop fchlug das Derlangen ab, weil er 
Auftrag habe, die Fahrt auf der Elbe frei zu halten, nicht aber, 
Landungen zu unternehmen. Die beuteluftige Mannfchaft ſetzt aber 
ihre Sorderung fort und wirft dem Führer Seigheit und endlich 
gar Derrath vor. Nun läßt dieſer fich bewegen, eine Landung 
zu geftatten. Zweihundert Mann müfjen bei der Sahne an der 
Küfte bleiben, die übrige Mannfchaft ftreift im Eande umher, 


Pr 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. z. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 161 


brennt und plündert in den Dörfern und Gehöften. Aber bald 
fammeln fich die Einwohner der Gegend, greifen die Plündernden 
an und drängen fie zurüd, Die Hamburger nehmen in Eile den 
Rückzug nach ihren Sciffen. Es ift aber mittlerweile die Ebbe 
eingetreten, und die meiften Schiffe ftehen auf dem Trocenen. 
Ein heftiger Kanıpf entbrennt nun. Die Hamburger erleiden eine 
große Niederlage. Nur wenige derjelben entlommen, die andern 
werden erfchlagen und die Schiffe genommen. Auch Swartelop 
war geblieben. Die Dithmarfcher follen feine Leiche zerriffen und 
Weiber feinen Magen auf einer Stange herumgetragen haben. 
Bolten meint, fie hätten aus dem Magen und den Eingeweiden, 
wie die heidnifchen Priefter, geweisfagt. Das ift aber in feiner 
Weiſe gefchichtlich zu begründen. Die Niederlage der Hamburger 
erfolgte in der Gegend von Brunsbüttel, am Tage vor Petri 
Kettenfeier, den 31. Juli. Nun entbrannte wieder eine offene 
Fehde zwifchen den Hamburgern und den Dithmarfchern, die bis 
ins Jahr 1452 fortdauerte.e Durch Dermittelung des Bremer Erz- 
bifhofs und der Kübeder fam auf einer Zufammentunft zu 
Hanerau im November 1452 ein Waffenftillitand bis Oſtern 
nächften Jahres zu ftande, und es fcheint auch nach Ablauf 
desfelben troß einzelner Neibereien in allgemeinen die Ruhe fort- 
gedauert zu haben, bis diefelbe im Jahre 1454 wieder gejtört 
ward durch den Führer der gegen Hamburg gerichteten Bewegung, 
Ralves Karften. TDiefer rüftete zu Büſum Schiffe aus, erfchien 
auf denfelben mit feinen Benofjen vor Hamburg, überfiel die im 
Bafen liegenden Srachtichiffe, machte reiche Beute und feßte dann 
nächtlicher Weile die im Hafen liegenden Schiffe in Brand. Die 
Bamburger rüfteten nun wiederum zum Zuge gegen Büfum, 
landeten daſelbſt, legten viele Käufer in Aſche und zogen mit 
Raub beladen wieder ab. Die Serftörungen durch die Hamburger 
wurden Deranlafjung dazu, daß die Kirche zu Büfum von Middel— 
dorp, wo fie damals fich befand, nachdem fie vorher zu Süderdorp 
geftanden hatte, nach Norddorp, wofelbft fie jegt noch fteht, verlegt 
Dithmarfcher Gefchichte. U 


162 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


ward, im Jahre 1442. — Der Name Büfum bezeichnete ur- 
fprünglich die Inſel Büfum und wurde erft fpäter, nachdem die 
Infel landfeft geworden, auf den Kirchort übertragen. Diefer 
hieß Norddorp, in Beziehung auf die beiden Dörfer Süderdorp 
und Middeldorp. Don Middeldorp waren noch im Jahre 1500 
einige Häufer vorhanden. Bald nachher hat die Strömung Grund 
und Boden des Dorfes fortgeriflen, fo daß jet die Stromtiefe fich 
findet, wo einft die Kirche fland. Büfumer und Wefjelburner 
vornehmlich waren bei dem leßten Ueberfall auf Hamburg die 
Genoſſen des Ralves Karſten gemwefen, und auf Schiffen von 
Büfum hatte man den Zug gegen Hamburg ausgeführt. Daher 
die Seindfeligfeit der Hamburger gerade gegen Süfum. Die Ein- 
äfcherung Middeldorps auf der Inſel Büfum mußte den thätigen 
und entichloffenen Radeley oder Rolf Karften zu neuen Unter- 
nehmungen gegen die Hamburger anreisen, und fo drohte die 
faum beendigte Seit verwüftender Sehden wiederzufehren. Deshalb 
warfen Diele im Lande, die von der Sehde mit den Hamburgern 
nur Nachtheil verjpürten, einen Haß auf den Vogt Rolf oder 
Ralves Karften, als_den Urheber der Unruhen, und ftärkten die 
Partei des Hauptgegners desjelben, Krufe Johann (Boldes Krufe 
Johann) zu Meldorf. Diefer, fonft ein ruhiger und bejonnener 
Alann, wie Teocorus fagt, ging nun mit Nachdruck gegen Ralves 
Karften vor. Das Land war in zwei feindliche Heerlager getheilt. 
Der Bürgerfrieg wüthete im Lande. Raub, Mord und Brand 
waren an der Tagesordnung. Ralves Karften fcheint aber feinem 
Gegner überlegen gewefen zu fein. Diefer verbündete fich mit 
Hamburg, welches 500 Schüßen zur Hülfe gegen den verhaßten 
Dogt fandte. Nun gelang es, den Halves Karften zu verdrängen, 
und diefer mußte fogar aus dem £ande weichen. Keßteres erhellt 
aus einem am 27. Juni 1434 zwifchen den Hamburgern und den 
Büfumern gefchlofjenen Dertrage, nach welchem dem Ralves Karften 


ohne Einwilligung des ganzen Landes Feine Sreiftatt_ auf Büfum 


gewährt werden ſollte. Die von feiten der Büfumer abgegebene 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Kandrechts, 1447. 163 


Derjchreibung lautet: Witlick unde apenbar fy allen denjennen, de 
defjen brev zeen effte hören leſen, dat wy Slutere to der tyd, 
Mengers Clawes und Roden (al. vodden) Elamwes Etieff unde 
Sworen, darto dat ganke meene kerſpele to Bufen befennen an 
deſſem breve, dat wy eendrechtigen van unſers gantzen kerſpel⸗ 
weghen gedegedinget hebben mit erboren Radesſendeboden unde 
meene Radeskumpanen der Stadt van Hamborch, alſe by namen 
Her Viclawes Meyger, Her Johann Saſſe, Her Albert Widing⸗ 
hufen, Ber Cordt Moller, in deſſer nafcreven wyfe.. To dem 
erften dat wy lowen unde fweren an defjem apenen breve, dat 
wy mit unferm gangen kerſpel Raleves kerſten edder finen — 
nicht veligen ſcholen edder willen ſunder volbort des anal 
Landes. Ock lawen wy mit eendracht, dat uth unferm kerſpel to 
Bufen neen man fchall rowen na defjem Daghe meer up de 

rechten fopman to watere efte to lande. Were jennich man i 

defiem kerſpele to Bufen, de dat brefe unde den fopman befchedigede, 
denjennen love wy to antwerdende den erboren Heren van 
Bamborh. Were dat ſake, dat wy dat nicht mochten vullen⸗ 
bringen, ſo willen wy deme kopman dar vor antwerden vor ſinen 
ſchaden unde vornoghen. Vortmeer den ſeewundt, de dar vunden 
werdt an deme ftrande edder ower deme ſtrome gehalet werdt) 
dat ſchall gan na uthwiſinge der olden breve, de darup ghegeve 

ſynt tuſchen deme lande to Detmerſchen unde der ſtadt van 
Hamborch. Alle deſſe vorſcreven ſtucke unde articule lowe wy 
Slutere unde Sworen unde dat gantze kerſpel to Buſen by eren 
unde by truwen ſtede unde vaſte to holdende ſunder jennig⸗ 
arghelift efte hülperede. To merer betuchniſſe der warheit f 

hebben wy Slutere unde Sworen unde dat kerſpel to Bufen mi 

mwolberaden mode unfe Ingehezegel hengen laten an deflen brev 
de geven unde fcreven ys na Godes bort dufent veerhundert a 

deme veer unde druttigften jare, des fonndages vor Petri & 
Pauli, der werdigen Apoftel. (Schubad in append. docum, 
Ar. 27 bei Bolten II, 495, a. 213.) Ralves Karften wat 

11° 








164 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


demnach der Gegenpartei unterlegen und hatte das Land ver- 
laſſen; die Büfumer waren genöthigt, ſich von ihm loszufagen 
und die alten Handelsverträge mit Hamburg wieder anzuerfennen. 
Lach Reimer Kod war Jener in einem Treffen mit dem Gegner 
völlig gefchlagen worden. Er ?ehrte aber bald zurüd, und die 
Unruhe im Lande dauerte fort. Um Pfingften 1455 fam es zu 
einem Dergleichsvertrage zwiſchen den beiden Parteien, in welchen 
fie fich gegenfeitig zu Sahlung der Mannbuge, 100 Mar für 
jeden erfchlagenen Landsmann und 50 Marl für jeden erichlagenen 
Candsknecht, „Dudeichen Knecht”, verpflichten. Die deutjchen Knechte 
find die von den Hamburgern der Partei des Krufe Johann ge- 
ftelten BHülfstruppen. Auch mit den Kamburgern wurden durch 
Dermittelung der Lübecker Unterhandlungen angeknüpft. Vor Been- 
digung derfelben aber ward Ralves Karften hinterliftiig über- 
fallen und ermordet, nach Einigen auf Anftiften feiner eigenen Frau 
von faljchen Sreunden verrathen. Wie über diefen Punkt, fo 
herrfcht auch über die Zeit uud den Ort feiner Ermordung Un- 
gewißheit. Während es nach einigen Berichten fcheint, als ob er 
ſchon im Jahre 1435 verftorben gewejen fein müſſe, wird ihm 
in Anderen zum Dorwurf gemacht, daß er 1456 die Sriedens- 
verhandlungen abfichtlich verzögert habe und zu den Derhandlungs- 
terminen nicht erfchienen fe. Nicol. Dite und das Fragm. Russ. 
VII fegen feinen Tod ins Jahr 1434, Cranz, Traziger u. A. ins 
Jahr 1457. Nach Einigen fol er zu Meldorf, nah Andern zu 
Weſſelburen auf dem Kirchhofe gefallen fein. Joh. Roded bei 
Ruſſe fagt, er fei zu Meldorf gefallen. Nicol. Dite (cit. Ant. 
Dieth, 303) fagt, zu Wefjelburen. Nik. Dite war aus Weffelburen 
gebürtig. Wahrfceinlih ift Ralves Karften im Jahr 1437 ge- 
fallen zu Weflelburen. Por Meldorf, wo fein erbittertfter Gegner 
das Feld beherrfchte, wird er fich damals gehütet haben. ! Sein 
Sohn rächte den Lod des Daters, und jo fnüpfte fich eine Sehde 
an die andere. Sreunde und Derwandte nahmen nun mwiderein- 
ander Partei, einer würgte und mordete den anderen, fagen alte 


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Don d. Schlacht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 165 


Ehroniften, wo fie nur aufeinander fließen, und des Mlordens 
war faft fein Ende im Lande. Tach langem Streit wurde endlich 
durch die Bemühungen der Städte Eüber und Hamburg die Sache 
nothdürftig zum Dergleich gebracht. Kine Befandtfichaft der Städte 
ftellte, fagt Eranz, den Dithmarfchern vor, daß es nicht nur un« 
menfchlich, fondern auch gegen Bott und fein Gefeß fei, fich ein- 
ander fo graufam zu erwürgen und umzubringen, und baten fie 
um Gottes, um des Sriedens und der chriftlichen Zucht und Ehr- 
barfeit willen, den grimmen Haß und Zorn widereinander fahren 
zu laffen und dafür zu forgen, daß durch heilfame Derordnung 
dem Uebel gefteuert werde. Mit Hülfe der Städte ward dann 
durch zwecmäßige Anordnung die Erregung der Gemüther ger 
mildert und der Streit der Parteien zum Theil geftillt. Alſo, 
fagt Xeocorus, erhält Bott große Städte, den Nachbarn und ums 
liegenden Ländern zum Troft, daß der allgemeine Sriede erhalten 
werde. 

Inzwiſchen hatten fich bereits 1454 acht Kirchfpiele vereinigt 
und ein Bündnig mit einander gefchloffen zum Zwecke der Der: 
hinderung einer Wiederholung und Erneuerung folcher Sehden, wie 
die waren, welche damals das Land beunruhigten. Die acht 
Kirchfpiele waren Oldenwöhrden, Weddingftedt, Henmingftedt, 
Neuenlirhen, £unden, Tellingftedt, Alberftorf und Nordhaftedt. 
Su diefen hatten fidh zwei „Hovetlüde“ (ohne Zweifel Rathgeber 
[consules]) des Landes gejellt: Elawes Hinrichs „to dem Süder- 
Dyde” (Weffelburen) und Eden Ridwort zu Hemme, jener aus 
dem Dogdenmannengefchlecht, diefer vom Gefchlecht der Sulemannen. 
Am 28. Juli 1434 fchloffen die Dertreter jener Kirchfpiele und 
diefe beiden Hovetlüde mit Abgeordneten der Städte Küber und 
£üneburg einen Dertrag, in welchem den Hamburgern freier 
Derfehr auf der Elbe zugefichert wird. Wenn bei vortommenden 
Seraubungen eines Kaufmannes die Kirchipiele die Uebelthäter 
nicht bemältigen könnten, fo follten die Hamburger auf Koften 
der Kirchfpiele Hülfe fenden. Die Kirchipiele wollen feinen Streit 


166 Zweiter Abfchnitt. Dritte AUbtheilung. 


auf der Elbe führen und nicht zugeben, daß ein folcher von ihrem 
Lande aus geführt werde; den übrigen Kirchfpielen des Eandes 
wird der Beitritt zu der getroffenen Dereinbarung ausdrüdlich 
offen gehalten. Im September fand eine Zuſammenkunft von Ab- 
geordneten beider Parteien zu Itzehoe ftatt, und am 28. September 
wurde in einer Derfammlung der verbündeten acht Kirchipiele 
„uppe der Heide” die getroffene Dereinbarung gutgeheißen und 
genehmigt. Die Derbündeten hielten ihre Berathungen auch fernerhin 
auf der Heide, einem neutralen Gebiet an der Grenze der Döffte, 
zu welchen jene Kirchfpiele gehörten. In Meldorf, wo fonft die 
Berathungen in Landesjachen ftattgefunden, konnten fie nicht wohl 
zufammentreten, da man hier fo leidenfchaftlih Partei genommen 
hatte in dem Streite zwiſchen Ralves Karften und Krufe Johann, 


dag man auf der Straße fang: „Rolves Karſten, kleiner Been, 
wo hefft du _dat alſo vorjehn in differ ſulven Saten: Kumpft 
du tho Meldorf in, din höpt geit up den Staken“. (Neocorus I, 


404.) Rolpes Karften wird von einigen Chroniften einer der 
Dogdemannen genannt; jonft möchte wohl „Meiner Been" auf 
das Beensmannengefchlecht, welches vornehmlich zu Wefjelburen 
feßhaft war, bezogen werden. Dielleicht ift jene Bezeichnung 
figürlich zu nehmen für Einen, der nicht weit fommen wird, fich 
mehr vorgenommen hat, als er ausrichten kann. Dem Bunde 
der acht Kirchipiele traten bald andere bei; auch Meldorf er- 
klärte feinen Beitritt, und zwar fchon 1455, gewiß in der Er- 
wartung, daß die Berathungen fünftig wieder in der alten Haupt⸗ 
ftadt (und einzigen Stadt) des Landes gehalten werden würden. Die 
Landesverfammlungen wurden aber auch fernerhin auf der Heide 
abgehalten. Heide war damals noch Fein Kirchfpiel; es gehörte 
zum Kirchfpiel Weddingftedt. — Martin _Scherer, ein Einwohner 
von Heide, machte 1496 eine Reife nach Jerufalem und ließ nach 
feiner Rückkehr über der Weiterthür der Kirche zu MWeddingjtedt 
und über der Mittelthür der Kirche zu Heide je einen Stein einmauern. 
Die beiden Steine follten die Entfernung des Richthauſes des 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 167 


Dilatus vom Golgatha, wie Martin Scherer fie zu Jerufalem ge- 
meffen hatte, anzeigen. (Xeocorus.) Hiernach ift die Kirche zu 
Beide erft nach 1496 erbaut, und Heide ift, wenn es nicht etwa 
vorher eine Kapelle gehabt hat anftatt einer Pfarrfirche, bis dahin 
noch in Weddingftedt eingepfarrt gewefen. Der erfte befannte Paftor 
in Heide ift Johann Schned zur Seit Heinrichs von Sütphen, der erſte 
Diakonus dafelbft, der 1544 in Rogers Haufe die Konftitution unter: 
fchrieben, war Johann Scherer. Dielleicht gab es damals, als die 
£andesverfammlungen zuerft auf der Heide abgehalten wurden, 
überhaupt noch feinen bewohnten eigentlichen Ort auf der Heide. In 
der von den Dithmarfchern aufgeftellten Gegenrechnung auf die Sor- 
derung des Grafen und Herzogs Adolph VII. vom Jahre 1447 ift 
zwar die Rede von dem Schaden, den die „Fromen Eüde in dem Dorpe 
to der Heide“ in dem Ueberfall von feiten des Herzogs Gerhard 1404 
erlitten hätten; aber das ift nicht als ein urtundlicher Nachweis 
für die Eriftenz eines Ortes Heide um 1404 anzufehen. Die Be: 
zeichnung „Dorf“ Tann hier auf Mebertragung aus der Seit der 
Aufftellung jener Gegenrechnung auf frühere Zeit beruhen, wie 
fie 3. 8. in der Bezeichnung „Herzogtkümer Schleswig - Holftein“ 
bei neueren Gefchichtsfchreibern üblich ift in Bezug auf Zeiträume, 
in welchen das Berzogthum nicht Schleswig, jondern Südjütland 
hieß, und Holftein fein Herzogtkum, fondern eine Braffchaft war 
und an ein „Schleswig-Holftein” noch garnicht gedacht wurde. Der 
Schade, den die „Eüde im Dorpe to der Heide” erlitten, wird zu 
1000 Marf veranfchlagt, während der des Meinen Dorfes Röſtorp 
das Sehnfache betrug. Einen Maßſtab für die Größe des er- 
littenen Schadens giebt es, wenn Adolph VIU. in feiner Sorderung auf 
Schadenerjaß den Werth von 44 abgebrannten Käufern zu 3000 Mark 
Ihäßt und ebenfohoch den Werth der eingeäfcherten Kirche zu 
Mildftedt veranfchlagt. Es find wohl einzelne Käufer auf der 
Heide als „Dorp" zufammengefaßt, der Einfachheit wegen. Noch 
1442 ſcheint es nur einzelne Häufer auf der Heide gegeben zu haben. 
In einer Urkunde aus diefem Jahre ift ein „Otten uppe der Heide“ 


168 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


genannt. Heide ift wahrjcheinlich als Ort erft entftanden in Anlaß der 
auf der Heide gehaltenen £andesverfammlungen. Ileocorus berichtet, 
daß der Dater des Paftors Schned zu Heide einen Mann gelannt 
habe, der noch die erften Anfänge von Heide, eine Schenfe, von einer 
Srau eingerichtet, gefehen. Paftor Schned, auf deflen Erzählnng 
Neocorus fich bezieht, lebte um 1530 zu Heide, unddadie Erzählung 
in die dritte Generation zurüd geht, fo ift es auch hiernach wahr- 
fcheinlich, daß der Anfang einer Ortſchaft Heide in die Seit der 
erften Derfammlungen des Landes auf der Heide fällt. Die Be- 
rathungen der verbündeten Kirchipiele Hatten zu der Erfenntnig 
geführt, daß zur Derhinderung einer Wiederholung der Wirren 
der letten Zeit eine unabhängige vollziehende Gewalt über den 
Kirchfpielen gejhaffen werden müffe, und es ward das ©ber- 
landesgericht der Achtundvierziger eingefegt. Heide, der Ort der 
£andesverfammlung, wurde nun auch Ort der Landesregierung, 
indem das Kollegium der ©berrichter hier zufammentrat und feine 
Sigungen hielt. Der Ort blühte nun rafch auf, fo daß derfelbe, immer 
nur ein Sleden, niemals eine Stadt, bald viele Städte übertraf 
und es in der Solge, als auch £unden Stadtrecht erhalten hatte, 
hieß: „Heide, hedde fe Water und Weide, were fe beter, als Meldorp 
w £unden beide.” Meldorf und £unden waren damals blühend 
durch Handel und Derfehr. Wollerfum galt als der Hafen von 
£unden. Im Sufammenhange mit der in der Einfegung der Acht: 
undpierziger als ©berrichter herportretenden Umzgeftaltung fand 
auch eine Umarbeituug des Landrechtes ftatt. Diefe erfolgte unter 
Mitwirfung des Hamburger Rathes. Das nun ausgearbeitete 
£andrecht wurde für das Kollegium der ©berrichter aufgezeichnet 
und durch Landesbefchlug am 3. Sebruar 1447 fanttionirt und 
zum Geſetz erhoben. Auch in Beziehung auf Kodifizirung des 
Landrechtes eilten die Dithmarfcher ihren Nachbarn voraus. Holitein 
hat es nicht zu einem fchriftlich verfaßten Rechte gebracht. Das 
jog. Holftenlandrecht ift nichts, als eine Sormel für Anfprachen 
und Wechfelreden bei Gerichtsperhandlungen. Durch die Der: 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447. 169 


bündung jener acht Kirchfpiele ward, indem immer mehr Bundes» 
genoffen hinzutraten, endlich die Ruhe und die Ordnung im Lande 
wieder hergeftellt und der Einmifchung der Hamburger, gegen die 
jene Derbündung von Anfang an gerichtet war, ein Ende gemacht. 
Die Kirchfpiele des Süderftrandes fchloffen fich jedoch dem Bünd- 
niffe nicht an und ignorirten die durch dasfjelbe bewirkte Neuordnung 
der Dinge. Die Derlegung des Ortes der Landesperfammlung 
nach dem entfernteren Beide konnte den Strandmannen, die oft 
fchon ihre Noth hatten, durch tiefe Marfchwege hin nur nach 
Meldorf zu fommen, nicht genehm fein; die Dermittelung der 
Hamburger und die Betheiligung derfelben bei der Neuordnung, 
fowie auch der Dertrag mit den Städten, der den freien Verkehr 
auf der Elbe regelte und das Strandrecht fchmälerte, mußte den 
Strandmannen, die feit Jahrhunderten mit Hamburg in Sehde 
gelegen und noch por wenigen Jahren den Hamburger Rathsherrn 
Martin Swartetop nebft dem größten Theil feiner Mannfchaft 
erfchlagen hatten, und die es für ihr altes Hecht hielten, Hamburger 
Schiffe zu kapern, nothwendig den Beitritt zu dem Büudniß der 
Norderlirchipiele verleiden. Es wird auch nichts von einem er- 
folgten Beitritt des Süderftrandes zu jenem Bündniffe in den Bes 
richten der Ehroniften in der Solgezeit gefunden, und bei Neocorus 
(I 362) heißt es ausdrüdlich, daß in der Zeit nach 1500 die 
Kirchfpiele des Süderftrandes nicht im Kollegium der Achtund- 
vierziger vertreten waren — „jedoch befüden Meldorp uth olle de 

Strandferfpelen hefft feener darinne wejen möten". Man — 
ſich das zur Zeit des Neocorus, da das Ausgeſchloſſenſein von 
jenem Kollegium bei dem hohen Anſehen, welches die Achtund- 
vierziger genoffen, als eine Zurücfegung erfchien, daraus, daß die 
Strandmannen in der Schlacht bei Hemmingftedt etwas verjehen 
hätten. Diefe Erklärung ift zwar fafch; allein die Thatjache der 
Ausfchliegung ift dadurch feftgeftellt.. Indem die Strandmannen fich 
von dem Bündniffe der übrigen Kirchipiele fernhielten, wahrten 
fie ihr altes Dogteirecht gegenüber der Appellationsinftanz der 


170 Sweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Achtundvierziger. Sie wollten die alten Autonomi der Döfft aufrecht 
erhalten. Daher ward noch 1539 in einer Beliebung des Süder:- 
ftrandes beftimmt, daß Jemand, der von Slütern und Swaren, 
Dierundzwanzigern und dem ganzen Strande an ein anderes Bericht 
appelliren würde, 1000 Gulden Buße zahlen und, wenn er nicht 
zahlen könne (für Unbemittelte zahlte das Geſchlecht), ohne Gnade 
am £eben geftraft werden folle Bier tritt nicht gerade Seindfchaft 
gegen Andere, fondern das Beftreben hervor, die alte Unabhängig- 
feit und Selbftändigkeit der Döfft und der Kirchfpiele zu wahren. 
Jene Strafandrohung wird eine altübliche gewefen fein. Auch die 
Appellation von einem Landesgericht an das Neichsfammergericht 
wurde nach altem Brauch Bart beftraft mit Aechtung und Ehrlos« 
erflärung, nicht aus Haß gegen das Reich, fondern aus Liebe zur 
Unabhängigkeit. Mochten fich aber auch die Strandmannen in 
ihre alten Dogteirechte nicht eingreifen laſſen und fich hier der 
Appellationsinftanz der Achtundpvierziger entziehen, fo mußten fie 
doch in der eingenommenen Sonderftellung in eine ungünftige Lage 
fommen, als mit dem Gericht auch die Derwaltung der Landes» 
fachen von den Achtundpvierzigern gehandhabt wurde, und Neocorus 
bezeugt es, daß fie fich der Appellation an legtere nicht ganz haben 
entziehen Fönnen, indem er a. a. O. hinzugefügt, daß fie, „geduldig 
liden möten, dat de Norderlüde in der Appellation und Erecution 
over fe tho gebeden hebben". „Sonft”, fagt er, „hedden fe ehr eigen 
Recht under fil als andere Kerfpelen in borgerlichen und pinlichen 
Salen; doch de Appellation, wo gemeldt, frie an de acht und 
veertich, darunder fe denn nicht tho richten gehadt, fondern ſick 
richten laten und feine Stemme gehadt, beth idt vört Eand geſchaven.“ 
Unter den Achtundvierzigern konnten fie feine Stimme haben, weil 
fie vom Kollegium derjelben fich ausgefchloffen Hatten; fam aber 
die Sache pors Land, jo mochten fie ihr altes Recht als Glieder 
der Dollsgemeinde ausüben, und daß fie es thaten, aljo von 
einer Trennung der Strandmannen vom Kandesperbande nicht 
zu reden iſt, das bemeift eben diefe Stelle beim Neocorus, der den 





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Don d. Schlaht am O®swaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 171 


Seiten der Eandesverfammlung noch nahe genug ftand, um über 
die Stellung der Strandmannen in derfelben verläßliche Nachricht 
geben zu fönnen. &r lebte unter einer Generation, welche noch 
felbft auf den Landesverfammlungen erfchienen war, und verkehrte 
mit Männern, die felbft im Kollegium der Achtundpvierziger geſeſſen 
hatten. Weil die Strandmannen fih dem Einflufie der Achtund- 
vierziger als Regenten des Landes nicht entziehen fonnten, wurde 
auch die beregte Beliebung des Süderftrandes den Achtundpierzigern 
zur Beftätigung vorgelegt. Die Beftätigung wurde nach langen 
Derhandlungen am 9. Juli 1541 von der Landesverfammlung zu 
Beide ertheilt, ſoweit dadurch den Rechten, Sreiheiten und Privilegien 
des Landes nichts vergeben würde. Zugleich ward beftimmt, daß 
alljährlih am Sonnabend nach Pfingften das ganze Land und 
der ganze Strand zu Heide zur Brüchfegung in geiftlichen Sachen 
zufammen fommen follte. (Michelfen, Altd. Wechtsquelle 190.) Das 
ift Beleg genug für die Nichtigkeit der Darftellung des Neocorus 
in Betreff der Stellung der Strandmannen zu den Achtundpierzigern 
und zum Lande, und daß es fich hier nicht etwa um eine An- 
näherung der Strandmannen, fondern um Aufrechthaltung der alten 
Sonderftellung handelt, das zeigt eben die Dorlegung eines Sonder: 
rechts des Süderftrandes zur Beftätigung und wird bezeugt durch 
den Wortlaut am Schluffe der Beliebung, indem es dafelbft heißt, 
Daß die Strandmannen, wenn das Land oder des Landes gebührliche 
Obrigkeit ihnen ihr Recht nicht beftätigen fjollte, obwohl ihnen 
folches von ihren Doreltern vererbt worden, bei der Aechts- 
verftridung (Wechtsperbündnig) dennoch beharren müßten. — Durch 
die Reformation waren Abänderungen des Rechtes nöthig geworden. 
Diejerwegen wurde eine Beftätigung bei den Achtundpvierzigern, 
refp. beim £ande nachgefuht. Im übrigen handelte es fich um 
das alte, von den Dorelten vererbte Necht, das alte Dogteirecht 
des Süderfirandes. Die Strandmannen hatten fich bei der Neu— 
ordnung im Jahre 1447 nur infofern von den übrigen Döfften 
gejondert, als fie ihr altes Dogteirecht zu wahren und die alte Stellung 


172 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


der Döfft zum Eande feftzuhalten fuchten. Sie verhielten fich der 
Umgeftaltung gegenüber paffiv, fchloffen fich der Neuordnung nicht 
an, widerfegten fich derfelben aber auch nicht gewaltfam, und die 
Majorität des Landes mußte fchon deshalb von einer gewaltjamen 
Nötbigung der Minorität zum Anfchluß an die Neuordnung und 
an das Bündnig der Norderkirchſpiele abfehen, weil eben der 
Hauptzweck derfelben, zu welchem jene, die Neuordnung, getroffen 
und diefes, das Bündniß, gefchloffen ward, die Derhinderung einer 
Wiederfehr des Bürgerfrieges und innerer Fehden war. 

Bei den älteren Ehroniften bis auf Dahlmann ift allgemein 
die Meinung herrfchend, daß das Kollegium der Achtundpvierziger 
ein uraltes fei. Allein urtundlich finden fich die Achtundpvierziger 
erft genannt nach der Umgeftaltung um das Jahr 1447. Der 
Hamburger Dompropft, Magifter Jobann Middelmann, war 
beunruhigtwegen Abfaffung des Eandsrechts, deſſen erfte Paragraphen 
über geiftlihe Angelegenheiten Beftimmungen trafen. Dieſen 
beruhigen die Achtundvierziger in einer Zufchrift vom Jahre 1448, 
21. September, in welcher fie fich „gheforme Richter“ nennen, 
wie nachher nie wieder. (Dahlmann, 3. Neocorus 1, 643 f.) 
Demnah find ohne Zweifel die Achtundvierziger damals erft 
eingefegt worden. Ebenfo unzweifelhaft aber liegt jener Meinung 
älterer Ehroniften ein hiftorifches Saftum unter. Die Achtundpvierziger 
heißen offiziell Yathgeber (consules), und die Ehroniften fagen, 
die alten Rathgeber hätten fich nachher ©berrichter, Regenten und 
Verweſer genannt. Wie aus Urkunden, in welchen die Perfon 
und die Habe eines Kaperers in die Hand der Dögte und der 
Rathgeber geftellt werden, hervorgeht, übten die leßteren, wie die 
Achtundpierziger, richterliche Sunftionen. Daher ift es feinem 
Sweifel unterworfen, daß die Achtundpierziger nichts anderes waren, 
als die alten Rathgeber, mit den funktionen eines Oberrichters 
befleidet. So war das Kollegium der Achtundvierziger in einer 
Beziehung ein neues, in anderer aber ein altes Kollegium. 
Wie die Bezeichnung der Achtundvierziger als „Rathgeber“, fo 


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Don d. Schlaht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 173 


fpricht auch die Sahl derfelben dafür, daß jene wirklich die alten 
Rathgeber, nur mit neuen Befugnijjen ausgeftattet, waren. Tach 
Xeocorus war die Zahl der Rathgeber der Kirchipiele gleich der 
Sahl der Slüter. Dieje war aber in größeren Kirchipielen vier, m 
kleineren zwei. Esgabdamals zwanzig Kirchipieleim Lande: Meldorf, 
Hemmingftedt, Oldenwöhrden, Büfum, Wefjelburen, Neuenfirchen, 
Hemme, £unden, Weddingftedt, Hennftedt, Delve, Tellingitedt, 
Alberftorf, Nordhaftedt, Süderhaftedt, Burg, Eddelad, Brunsbüttel, 
Marne und Barlt. Biervon gehörten vier, nämlich Marne, 
Brunsbüttel, Eddelad und Bung, nach Neocorus zum Süderftrand, 
der nicht im Kollegium der Achtundpierziger vertreten war. Unter 
den fechzehn übrigen Kirchfpielen waren acht große: Meldorf, 
Oldenwöhrden, Wefjelburen, Cunden, Weddingftedt (damals Heide 
mit befaflend), Hennftedt, Tellingftedt und Alberftorf, die je vier 
Rathgeber ftellten, und acht Bleinere, die je zwei ftellten, zufammen 
alfo achtundvierzig Yathgeber. Als nachher Heide als felbftändiges 
Kirchſpiel von Weddingftedt getrennt wurde, gab es außer den 
Kirchfpielen des Süderftrandes fieben große und zehn Kleine Kirch- 
fpiele im £ande. Die Zahl der zu ftellenden Rathgeber blieb 
daher achtundvierzig und das Kollegium derjelben ein Kollegium 
der „Achtundvierziger“. Wenn Dahlmann meint, daß wohl in 
der Regel von jedem Kirchfpiel zwei, von größeren, wie Kunden 
3. 8., wegen Zugehörigkeit St. Annens zu demfelben, drei 
Achtundvierziger geftellt worden feien, fo hat er es überfehen, daß 
Neocorus ausdrüdlich berichtet, daß aus den Kirchfpielen des 
Süderftrandes Keiner ins Kollegium der Achtundvierziger fam. — 
Die Achtundvierziger wurden auf Kebenszeit gewählt. Die erite 
Gejamtwahl war alfo ordentlicherweife auch die legte. Wenn 
ein Achtundpvierziger ftarb, fo trat in der Regel ein Sohn desjelben 
an feine Stelle, ob durch Selbitergänzung des Kollegiums, wie 
° Michelfen meint, oder durch Wahl des GBefchlechtes oder des Kirch- 
jpieles, wie Dahlmann mit größerer Wahrfcheinlichfeit anzunehmen 
geneigt war, wiffen wir nicht. Zu den Achtundpierzigern gehörte 


174 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


auch der Candeskanzler. Diefer war immer ein Geiftlicher, der 
die Schreibgefchäfte des Kandes verfah. Geiftliche verfahen damals 
auch die Kirchfpielfchreibereien und das Notariat. Das Gber:- 
gericht der Achtundvierziger trat jeden Sonnabend in Beide 
zufammen. In der Zwifchenzeit war regelmäßig nur ein Ausfchuß 
des Kollegiums, wahrfjcheinlich von zwölf Richtern, zur Erledigung 
der laufenden GBefchäfte in Heide verfammelt. Zwei Drittel der 
Stimmen gaben im Kollegium die Entfcheidung. Die befchliegende 
Majorität nannte man daher: de twete Mann. 

Bevor eine Sache an die Achtundpierziger gebracht werden 
durfte, mußten die Untergerichte und Unterverwaltungsbehörden 
in Anfpruch genommen worden fein. TDiefe bildeten in den 
Kirchfpielen die Slüter (Schlieger) und Swaren (Gefchworene). 
Slüter und Swaren machten in ihrer Gefamtheit das Swaren- 
richte (Schwurgericht) des Kirchfpieles aus. Die Slüter fungirten 
als ftändiger Ausfchuß des Kirchfpiels-Schwurgerichts. jede Klage 
ging zunächſt an die Slüter. War Jemand mit der Entfcheidung 
der Slüter nicht zufrieden, fo trat in Srift von acht Tagen nach 
Eingang der Befchwerde das Schwurgericht zufammen. Auch hier 
entfchied die Zweidrittel-Majorität. Die Slüter faßten das Urtheil 
des Gerichts ab und verfündeten dasjelbe, vollzogen es auch 
in Kriminalfachen, „denn_dat_Kand hedde nenen Scharprichter”, 
wie Neocorus fagt. Ein Scharfrichter wurde erft 1530 beftellt, 
indem der von der Stadt Lunden (£unden war im Jahre vorher, 
1529, Stadt geworden) angenommene Scharfrichter verpflichtet wurde, 
im Lande zu fungiren, wo man ihn fordern würde, — „to reifen, 
wo fe ehn eſchende fyn”. Die Sflüter waren Sriedensrichter, 
Polizeibehörde und Kirchen- und Kirchfpiels-Hebungsbeamte. Sie 
hatten die Kirchengüter zu verwalten, die Pachtgelder und Zehnten 
der Kirche zu erheben und beizutreiben und darüber Rechnung zu 
legen. Als Derfchließer des Kirchengutes follen fie den Namen 
Slüter (Schließer, clavigeri) befommen haben. Dielleicht liegt 
hierin aber auch eine Beziehung auf die Funktion der Slüter bei 





Don d. Schlaht am Oswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447. 175 


Abfaffung und Derfündigung der Schlüffe des Berichtes. Die 
Bezeichnung der Slüter als „clavigeri* in lateinifchen Urkunden 
entjcheidet hier nicht, da die urfprüngliche Bezeichnung hier natürlich 
nicht die lateinifche, fondern die niederfächfifche, plattdeutfche, war. 
Die Derfchliegung der Kirchengüter verfahen die Slüter wohl nur 
in Bemeinfchaft mit den Geiftlichen, den Kerfherren.! In kleineren 
Kirchipielen waren zwei, in größeren vier Slüter. Die Zahl der 
Swaren ift nicht mit Sicherheit beflimmt. Nach Dahlmanı war 
diefelbe für Kleinere Kirchjpiele zehn, für größere zwanzig. Dafür 
fol die Wahrfcheinlichfeit nach Analogie der Sufammenfeßung des 
£undener Stadtfollegiums fprechen und auch eine Stelle beim 
Teocorus, wo von „Sechszehnern” und „Dierundzwanzigern” die 
Rede if. Wir wiflen mit Beftimmtheit, daß das Stadtlollegium 
von £unden aus zwei Bürgermeiftern und zehn Rathmännern 
beftand. Zwölf war die übliche Grundzahl aller Kollegien, zumal 
in GBerichtsfachen, bei den Sachfen und überhaupt den nordifchen 
Germanen, bei denen fchon der fabelhafte Othin das Swölfmänner: 
Gericht eingeführt haben fol. Wenn nun Slüter und Swaren 
ein Kollegium bildeten, wie Bürgermeifter und Rath, fo ift es 
allerdings wahrfcheinlich, daß neben zwei Slütern zehn Swaren 
fungirten, und wenn das hier vorliegende Derhältnig der Zahl 
der Slüter zu derjenigen der Swaren als fefiftehend angenommen 
wird, fo ift die Zahl der Kebteren für größere Kirchfpiele mit vier 
Slütern auf zwanzig zu feßen, und möchten dann Slüter und 
Swaren hier das Kollegium der „Dierundzwanziger”, von welchem 
Neocorus fpricht, gewefen fein. Allein bei Teocorus (I, 361) 
werden neben „Deerundtwintigern” auch „Sösteiner” genannt, und 
die Swaren werden zumeilen als „gefchworene Richter" von den 
Slütern unterfchieden. Dadurch wird jene Argumentation haltlos. 


ı Die Wöhrdener Priefterlade hatte vier Schlüffel, von denen zwei in 
Händen von Laien fi befanden. (Memorienbucd der Kirche zu Wöhrden, 
eit. b. Bolten IV, 117.) Bier ift die Derwaltung des Kirchengutes alfo von 
Geiftlihen und Laien gemeinſchaftlich geübt. 


176 Sweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Dahlmann meint zwar, „Sösteiner” bezeichne den „tweeten Mann“ 
des Hollegiums der Dierundzwanziger; aber das ift von vorn: 
herein durchaus unmwahrfcheinlich, weil ohne alle Analogie. Das 
Kollegium der Dierundzwanziger wird ebenjfowenig als Kollegium 
der Sechzehner bezeichnet worden fein, wie das Kollegium 
der Achtundviersig als ein Kollegium von Smweiunddreißigern. 
Andere haben, um die Sechszehn herauszubringen, neben zwei 
Slütern für Bleinere Kirchfpiele vierzehn Swaren angenommen. Das 
ift vollends unhaltbar. Bei der Bedeutung der Swölfzahl gerade 
in Serichtsfachen muß die Zahl der Smwaren entweder ohne die 
Slüter oder mit diefen Zwölf oder irgend ein Dielfaches von Zwölf 
betragen haben, und die Bezeichnung der Swaren als gefchworene 
Richter im Unterfchied von den Slütern fpricht dafür, daß jenes 
der Sall gewefen fei, daß die Swaren für fich ein Kollegium von 
Zwölfen gebildet haben. Eine bei Sehje (Nachr. v. d. ep. Iuth. 
Predigern des Norderth. Dithmarfjchens, Flensburg 1764, p. 588) 
angeführte Urkunde der Kirche zu Hemme ift ausgefertigt von 
———— Slüter, twölf geſchworne Richter und Gemeine 
Hemme“. Nun hatte Hemme immer zwei Baumeiſter. (Fehſe, 
a. a. O.) Baumeiſter, Slüter und zwölf geſchworene Richter machen 
Bier alſo ſechzehn Mann aus, ohne Zweifel das Kollegium der 
„Sösteiner” bei Neocorus. Die Leßteren find nicht ein Gerichts- 
fondern ein Derwaltungscollegium. Die Swaren in der Swölfzahl 
bilden ein volles Richterfollegium, das Swölfmänner-Bericht, und 
die Slüter erfcheinen demnach als Dorfigende und Leiter bei den 
Gerichtsperhandlungen.. Wenn aber die Swaren für fih, im 
Unterfchied von den Slütern, Bier als Zwölferfollegium erfcheinen, 
fo ift es ganz unmwahrfcheinlich, daß zwanzig Swaren nebft vier 
Slüten ein Kollegium von Dierundzwanzigern gebildet hätten, 
und bezeichnet die Benennung „Dierundzwanziger" wohl etwas 
anderes, als ein KHirchfpielstollegium der Slüter und Swaren. 
In der Beliebung des Süderftrandes vom Jahre 1539 ift die 
Rede von Dierundzwanzigern des Strandes, an die vom Spruche 


Don d. Schlacht am Öswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Kandredhts, 1442. 177 


der Slüter und Swaren appellirt werden konnte. Danach ift es 
wahrfcheinlich, daß die Dierundzwanziger, von welchen bei Neocorus 
ganz unbeftimmt die Rede ift, ein Kollegium des Dogteibezirfs, 
der Döfft, bildeten, welches die Strandmannen mit der alten 
Döfftverfafjung beibehalten hatten. Die größere Zahl der Slüter - 
in größeren Kirchjpielen erklärt fih aus den Öbliegenheiten der 
Slüter als Hebungs- und Erefutivbeamte. Dagegen ift faum ein 
Grund zu finden, warum nicht in größeren Kirchfpielen fo gut, 
wie in kleineren, zwölf Swaren, gejchworene Richter, das Gericht 
hätten verfehen fönnen. Wahrfcheinlich war die Zahl der Swaren 
in allen Kirchfpielen zwölf, wenn nicht etwa zur Erleichterung der 
Richter in größeren Kirchfpielen, zum Zwed der Abmwechfelung, 
das Kollegium der Swaren doppelt befeßt worden if. Slüter 
und Swaren wechfelten jährlih. Die Swaren wurden von den 
Slütern des Jahres ernannt, und wenn das Jahr zu Ende ging, 
ernannten die Slüter auch ihre Nachfolger im Amte. Dabei wurde 
Mißbrauch des Ernennungsrechtes, welcher übrigens kaum zu 
beforgen war, da das KHirchfpiel, wie aus Xeocorus erhellt, die 
Beftellung der Ernannten fidh vorbehielt, ſtrenge beftraft. 

Dom Kirchfpielsgericht appellirte man ans Kirchfpiel. Diejes 
trat auf dem Kirchhofe zufammen und berieth in drei Eggen 
(Reihen, nicht Eden) getheilt.! Jede Egge befchloß für fich mit 


ı Ede ift wohl aus Egge entflanden. Doch bedeutet Egge in alt- 
ſächſiſcher Sprache Seite oder Reihe. So heißt es von einem Kreuz des Klofters 
Marne (Fragm. Russ. 25 b. Weftph. eit. bei Bolten Il, 351) „de Dort ift 
veeregget, jede Egge eine Ellen breet“. Ede hieß Hörn, Born (dänifch 
hiörne). Daher „Hornſchapp“ bei den Dithmarfcern, ein mit Bildhauer- 
arbeit verzierter vierediger Schran? in einer Ede des Pefels, der Chür 
gegenüber, neben welhem die Braut am Hodyzeitstage vor der Trauung 
faß: „De Brutt fitt in de Hör." Als Winkel wurde Hörn aud Hunke, 
Hurk, genannt. (Stubbenhuuf, Stubbenhud in Hamburg, die nädft der 
Schaarthorbrüde am Binnenhafen einen ftumpfen, fiuven, Winfel madıte.) 
Eine Landede hieß auch Oort, angelfähfifh ord, Oortkegel, Eckkegel. 
(Störoort an der Krümmung der Stör, an der Mündung derfelben in die 
Elbe, Warverort bei Warfen an einer Ede am Wartftrom.) 


Dithmarfcher Gefchichte. 12 


178 Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


zwei Drittel der Stimmen. Was zwei Eggen beichloffen hatten, das 
beftand als Kirchipielsbefchlußg. Derlor der Appellant vorm Kirch- 
ipiel, fo mußte er mit 2 Gulden büßen. Die Swaren gingen frei 
aus, wenn ihr Spruch verworfen wurde. Hatten aber die Slüter 
für fich entfchieden, fo mußten fie 2 Bulden Buße zahlen, wenn 
ihr Spruch nicht beftand. 

Dom Kirchfpielsfpruch konnte an die Achtundpierziger appellirt 
werden, wenn die Sache Überhaupt dahin gehörte. Kriminaljachen 
wurden in den Kirchfpielen abgethan. Kirchenfachen, die als 
folche vor fein weltliches Gericht gehören, gingen ans geiftliche 
Beriht. Ging eine Sache an die Achtundvierziger, jo mußten 
die Slüter des Kirchipieles den Kirchfpielsipruch vertreten. Derlor 
der Appellant, jo mußte er eine beftimmte Buße zahlen, auch 
4 Bulden ans Kirchfpiel. — Weiter gingen gewöhnliche bürger- 
lihe Sachen nicht. Außerhalb Landes konnte ans Reichskammer⸗ 
gericht appellirt werden. Das zu ihun, war den Dithmarjchern 
aber zuwider. Wer von einem Eandesgerichte ans Kammergericht 
ging, galt als Kandesfeind. 

In bejonders wichtigen Fällen trat die —— ung 
ein. Dieſe erſtreckte ſich wahrſcheinlich auf die fünf Vögte, die 
Rathgeber, reſp. Achtundvierziger, die Slüter und die Swaren 
(60 Rathgeber, 60 Slüter, an 300 Smwaren).! Die Verſammlung 
fand ftatt auf der Heide bei Nöftorp oder einem andern Orte in 


* Die £andesvertreter wurden auch als „Eovetlüde” bezeichnet. „Hebben 
befunden Sluter, Hovetlüde und gemeene Kerfpellüde to Oldenwurden” 
heißt es im Wöhrdener Memoridenbud. (Bolten IV, 118.) Bier bezeichnet 
„Hovetlüde“ nicht gerade, wie man gemeint hat, die Swaren, fondern 
überhaupt die Kandesrepräfentanten im Kirchfpiel, die nicht, wie die Släter, 
ex officio hier fungirten, daher auch nicht befonders angeführt werden 
fonnten, doch aber auch nicht, im Unterfhied von den Slütern, unter die 
„gemeenen Kerfpellüde” zu zählen waren, d. i. Rathgeber, refp. Achtund« 
vierziger, und Swaren. ft furzweg von „Bovetlüden” bei Chroniften die 
Bede, fo find in erfter Linie die Rathgeber, refp. Achtundvierziger darunter 
zu verfiehen. (Cfr. Bolten IV, ı18, Anm. 57.) 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrehts, 1447. 179 


der Nähe im Bereiche des alten Kirchfpiels Meddingftedt, fpäter, 
als Heide ein anjehnlicher Ort geworden, in der Hegel auf dem 
Heider Marltplag, zu deflen Anlegung in fo ungewöhnlicher 
_ Größe (1300 T-Autken — an 27000 M-Meter groß) wohl 
eben die Landesverfammlungen den Anlaß gegeben haben. Die 
Achtundvierziger beriefen die Derfammlung und leiteten die Der- 
handlungen ein. Eröffnet wurde die Kandesperfammlung durch 
einen Slüter von Weddingftedt, nachdem er Ruhe geboten hatte, 
mit der herlömmlichen Sormel: Worte zu hören, daran dem £ande 
gelegen — „höret gay Herren unfers Landes, dar ift ein Wort t 
feggen, dar dem Cande Macht ane liggt!" (ein gewichtiges u 
in Candesſachen; nicht, wie es falſch gedeutet worden, ein Wort, 
welches die Macht des Landes betrifft), Die Eröffnung durch 
einen Slüter von MWeddingftedt leitet fich nicht etwa, wie man 
gemeint hat, daher, daß Weddingftedt das ältefte Kirchfpiel des 
Candes geweſen fei — das ältefte Kirchfpiel war Meldorf —, 
fondern daher, daß die Landesperfammlung im Gebiete des alten 
Kirchfpieles Weddingftedt, in mwelchem auch Heide lag, flattfand. 
Die Derfammlung war öffentlich infofern, als Jedermann derfelben 
anwohnen fonnte als Zuhörer; falfch aber ift es ohne Zweifel, 
wenn Dahlmann meint, daß in wichtigen Sachen auch wohl das 
ganze verfammelte Publifum mitgeftimmt habe, oder daß einzelne 
fede oder einfichtige Männer aus demfelben das Wort ergriffen 
und die anderen dann ihre Zuflimmung oder Mißbilligung durch 
Sehen und Zurufe zu erfennen gegeben hätten und hierin fich 
die Stimme der Kandesgemeinde (Mleenheit, universitas) aus« 
gefprochen habe. So unordentlih ging es in Dithmarfchen nicht 
zu, daß ein zufällig in Beide fich anfammelndes Publikum fich 
hätte an die Stelle der Neenheit des Landes, der universitas terrae 
Ditmarsiae, fegen fönnen. Wichtigere Sachen wurden von den 
Achtundvierzigern durch die Slüter zur Berathung und Beichluß- 
faſſung des Landes, d. i. aller Kirchfpiele, zu „Acht und Dulbort”, 
verftellt und erft, nachdem die Slüter die Dulbort ihrer Kirchfpiele 
12* 


180 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


eingebracht hatten, in der Kandesverjammlung endgültig erledigt. 
In der Dulbort fprach fich die „Meenheit“, die „universitas* aus. 
Dor die Landesverfammlung kamen nur in feltenen Sällen eigent- 
liche Gerichts: und Rechtsſachen. Ein hart Befchuldigter konnte _ 
fih auf ein Gottesgericht berufen, fich erbieten, ein glühendes 
Eifen zu tragen, die fog. Eifenprobe zu beftehen. In folshem 
Salle gefchah damı die Probe vor dem Lande, der Landes» 
verfammlung. — Die Eifenprobe war ein altgermanifcher Brauch 
im Gerichtsverfahren. Neben derfelben ftand die Waſſerprobe. 
Don diefer findet fich bei den alten Dithmarfchern feine Spur. 
Das ältere dithmarfcher Recht Fennt drei Hauptbeweismittel: die 
Zeugenausfage, den Parteieneid (Eigeneid oder Eid mit zwei oder 
zwölf Eideshelfern) und das Gottesgericht, Gottesurtheil. Das 
ift aber nichts fpezififch Dithmarfifches, findet ſich bei allen Ser- 
manen, namentlich auch bei denen des Nordens, wo das Gottes- 
gericht im gerichtlichen Sweifampf, in der Wafferprobe und der 
Seuer- oder Eifenprobe beftand. Die Eideshelfer befchworen die 
jubjeltive ZAeinheit des Haupteides, die Glaubwürdigkeit des 
Bauptichwörenden. Die Auswahl der Eideshelfer ftand in der 
Regel Dem zu, der den Haupteid leiftete. Sollten Eideshelfer 
aber zur Sache felbft fchwören, fo wurden fie in Dithmarfchen 
vom Gericht benannt und, bildeten diejelben dann ein fog. Nemede. 
Daher die Bezeichnung: Schlechtsnemede, Kerfnemede und Bur- 
nemede, je nachdem es fih um Geſchlechts⸗, Kirchipiels- oder 
Bauerfchafts- Angelegenheiten handelte. Don den verfchiedenen 
Arten des Gottesgerichtes kennt das dithmarfcher Recht nur die 
Eifenprobe. Diefe hielt fich lange in Gebrauch. Noch im mittleren 
‚ Kandrecht von 1480 wird, im Artikel 39, beftimmt, wie das Eifen 
getragen werden foll: „efft dar wol na deflem Dage dat Handt- 
vfern dragen fcholde, de ſchal ydt dregen up ſyn vulle mal, van 
der tafelen unde yn de tunnen, unde dat mal fchal wefen achte 
‚elen lanf; feylet eme an dem gange edder an der handt, fo blyve 
ihe neddervellih.” Dornehmlich wurde die Kandesperfammlung 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447, 181 


berufen in wichtigen Sällen allgemeiner Gefeßgebung, wie 3.8. 
als man, nach langen Berathungen, darüber, wie in Beftrafung 
des Todtichlags zu verfahren fei, eins werden wollte und auf den 
der bisher geübten Milde entgegengefegten Befchluß verfiel, daß 
jeder Todtichlag mit dem Keben gebüßt werden folle. Dann trat 
das Land auch zujammen wegen dringender Angelegenheiten in 
betreff des Derhältniffes zum Auslande, vornehmlich zur Berathung 
und Befchlußfafiung über Krieg und Srieden. Die Achtundpierziger 
hatten alle diefe Angelegenheiten vorzubereiten. Sie führten die 
auswärtige Korrefpondenz des Landes; an fie fchrieben Kaifer, 
Könige und Päpſte. Doc ftand es ihnen nicht zu, über Krieg 
und Frieden irgendwie zu entfcheiden oder die Sachen fo weit zu 
verfolgen, daß der Kandesverfammlung nickt die endgültige Befchluß- 
fafiung übrig geblieben wäre. Hatten die Achtundpierziger durch 
ihre Befchlüffe das Land in Kriegsgefahr gebracht, fo legte das 
Cand ihnen Buße auf und entjegte fie wohl gar, wie 3. B. (510 
geichah in einer £andesperfammlung zu Stellerburg. — An die 
Beihlüfe der Achtundvierziger wurde das Siegel der leßteren 
gehängt, welches in einer doppelten gothifchen Laube einerfeits 
Gott den Dater mit Weltlugel und Schwert, andererfeits die 
Madonna mit dem Kinde darftellt und die Umichrift zeigt: 
„Sigillum der Acht und veertig Richters in Ditmerfchen.“ An 
die Befchlüffe des Landes wurde das große Kandesfiegel gehängt. 
Diefes, früher, im 13. Jahrhundert, kleiner und die Taufe Ehrifti 
im Jordan darftellend, zeigte fpäterhin eine Darftellung der heiligen 
Deeieinigleit: das Bild eines gefrönten Mannes (Gott des Daters) 
mit der Weltkugel in der Einfen und dem Scepter in der Rechten, 
die Jungfrau mit dem Ehriftusfinde im Arm ihm zur Rechten 
und eine ihm zum Iinfen Ohr fliegende Taube, die einen Ring 
im Schnabel hält. Ueber der rechten Schulter der Jungfrau, in 
gleicher Höhe mit der fliegenden Taube zur Cinken Gottes des 
Daters, findet fich das Zeichen einer umgewandten 4 nebft einem Stift. 
Am unteren Rande des Siegels zeigen fih die gefreuzten Bremer 


182. Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Sclüflel. Das Siegel trägt die Umfchrift: „Sigillum universitatis 
terre Ditmarsie*. Bolten hielt das Wappenbild des Siegels 
irrthümlich für eine Darftelung der Maria und des heiligen 
Jofephs. Andere (fo noch Ehalybäus in feiner dithmarfjcher Gefchichte 
vom „Jahre 1888) haben ebenfo irrthümlidı darin die Maria und 
den heiligen Oswald „mit dem Haben“ erblicdlen wollen, von welch 
Cetzterem, dem Oswald, die Kegende erzählt, daß er, ein chrift- 
licher König in England, der Tochter eines heidnifchen Königs, 
die er zur Ehe begehrte, die ihm aber von ihrem Dater verwehrt 
ward, Durch einen zahmen Haben einen Ring überfandt habe. 
Daher hielt man, mit Rüdficht auf die Wichtichleit des Oswaldus- 
tages in der dithmarfcher Geſchichte, die Taube mit dem Ainge 
für den „Raben des SL Oswald”. Allein es ift ganz unzweifel⸗ 
haft, daß hier, wie Dahlmann fchon, Boltens Irrthum berichtigend, 
bemerft hat, die heilige Dreieinigfeit dargeftellt wird im Bilde. 
Wir haben Abdrüde des Siegels nach dem Original bei Weftphalen, 
Bolten und Dahlmann (Neocorus), und diefe zeigen deutlich eine 
Taube und feinen Raben. Krone, Scepter und Weltfugel fvmbo- 
lifiren hier nicht die Herrfchaft des „heiligen Oswald", bei dem 
der Titel „König” nicht mehr befagt, als bei den Geleitsherren 
und Beerführern bei den alten Deutfchen, die bei römischen Schrift- 
ftellern auch Könige (reguli) genannt werden, jondern des Welten 
herrfchers. Man hat hiergegen einwenden wollen, dag das Bild 
des Mannes im Wappenbilde faft oder ganz bartlos fei, während 
Gott der Dater mit langem Bart, als alter Mann, dargeftellt 
werde. Allein das ift durchaus unzufreffend. Nur als Richter 
am Ende der Tage wird Bott Dater in der Regel als „der Alte“ 
des Daniel und der Offenbarung mit langem Bart dargeftellt. 
Als Träger der Welt erjcheint er meift als der Bott des Jeſaias, 
„Der da nie altert“, „deſſen Hraft nicht fchwach wird" und „der 
da einherfährt, wie ein junger Löwe”, mit furzem ftraffen Bart, 
und als Schöpfer wird er auch wohl ganz ohne Bart, als 
Mann in voller Jugendkraft dargeftellt.e. Sudem gilt es auch 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Eandredits, 1447. 183 


hier: Keine Regel ohne Ausnahme! Wenn es auch Regel wäre, 
Gott den Pater mit langem Barte darzuftellen, jo läge hier eben 
eine Ausnahme vor. Die Zeichen der Berrfchaft: Krone, Scepter 
und Weltfugel, künden fchon genugſam den Berricher der Welt 
an, während fie auf den „heiligen Oswald" ebenſowenig gedeutet 
werden Können, wie auf den „heiligen Jofeph”. Der Ring im 
Schnabel der Taube ift das Symbol der Unendlichkeit des ewigen 
Geiftes, der da erforfchet alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. 

Zu diefer Dahlmannfchen Deutung der Siguren, des gefrönten 
Mannes, der Maria mit dem Ehriftusfinde (mo die Mutter nur 
Trägerin des göttlichen Sohnes ift) und Ter Taube, im Wappen⸗ 
bilde paßt auch ganz allein das Zeichen der umgewandten 4 mit 
dem Stift. Diefes ift bisher von allen Ehroniften und Gefchichts- 
fchreibern verfannt nnd mißdeutet worden. Sie erflären es für 
eine Marke (Baus- oder Gewerksmarke) des Wappenftechers, weil 
fie fonft nichts daraus zu machen wiſſen. Wie fäme aber ein 
Wappenſtecher dazu, feine Marke in die Aversjeite des Kandes- 
fiegels zu feßen, und wie Fönnte man folche Marke jemals dort 
Dulden und im Siegel führen? Als in der Aversfeite des Siegels 
befindlich, muß das Seichen nothwendig zum Wappenbilde felbft 
Bezug haben. Die Darftellung des leßteren ift nach der Dahl. 
mannfchen Deutung auf die Dreieinigkeit eine fymbolifche. Es 
muß demnach auch die Deutung der Zeichen eine fymbolifche fein, 
und die Deutung der umgewandten 4 muß, da es fih um eine 
Zahl handelt, nothwendig der Zahlenſymbolik entnommen werden. 
In der Sahlenfymbolit der Alten aber bezeichnete die Dierheit die 
Quelle des ewigen Werdens in Raum und Zeit, die nach der Philo-» 
fophie des Pythagoras und der Pytkagorärer ihren Grund hatte int der 
volllommenen Dreiheit im Einen. — „Das Eins wird die Eins. Mit 
der Eins zugleich wird die Zwei, diefe bei einander ein entzweites 
Eins, vereinigt in der Drei iſt wieder das Eins, Abſchluß volllonmenen 
Seins und das Dreied ein Bild davon. Alles Vollſtändige hat die 
Dreiheiligkeit: Himmel, Erde, Meer; Dergangenheit, Gegenwart, 


184 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Snkunft; Geift, Leib, Seele. Aber auch das vereinigte Eins will 
ein Anderes fein, aus fich heraustreten, zeugen, fchaffen, welches 
Andere nichts anderes fein fann, als ein Anderes und das Eins, 
welches die Dreiheit in fih faßt, alfo eine Dierheit, fteiget in 
Sieben auf, Bott und Welt, und ift mit der Eins, der Zwei, der 
Drei zufammen die Zehn, welche ift das Maaß, das Ende und die 
Ordnung aller Sahl. Daher die Dierheit in Sorm des Quadrats 
die volllommene Sorm. Der Raum wird dargeftellt in Oſt, Süd, 
Meft, Nord, die Zeit in Morgen, Mittag, Abend, Mittternacht, 
und aller Körper Element ift vierfach: Euft, Seuer, Wafler, Erde." 
Weil die Dierheit als Quelle des fortdauernden Werdens, der 
zeitlichen und räumlichen Aufeinanderfolge, ihren Brund hat in 
der volllommmenen Dreiheit im Einen, heißt es in den Sprüchen 
des Pythagoras: „— erfreue Dich über das Gute; Dies verrichte 
mit Ernft und mit forgfältiger Liebe zu dem Wefen, das mit der 
Dierheit als Quelle der ewigen Dauer den menfchlichen Geiſt 
begabt hat“. So iſt die 4 das Symbol des ewig werdenden Seins 
in Raum und Zeit, und die umgewandte 4 iſt demnach ein Symbol 
der Unmwandelbarleit des Ewigen, Dreieinigen. Bieraus ergiebt 
fih dann die Bedeutung des Stifts neben der umgewandten 4 von 
ſelbſt. Es ift der die Seit heftende Stift der Dichter, der „Nagel 
der Ewigkeit”. Wir haben aljo in dem Ringe, der umgewandten 4 und 
dem Stift eine fymbolifche Darftellung der metaphyfifchen Attribute 
Gottes: der Ewigkeit, Allgenugjamleit und Unwandelbarkeit (diefen 
fügen fi in Bezug auf den Raum dann die Jmmaterialität und 
Allgegenwart begrifflich an), und zwar als des Dreieinigen. Dieje 
Deutung der Heichen: des Ringes, der umgewandten 4 und des 
Stiftes im Wappenbilde reicht der Dahlmannfchen Deutung der 
Siguren die Hand. Sind die Zeichen Symbole der Attribute 
Gottes als des Dreieinigen, fo muß die Deutung der Figuren auf 
die Dreieinigfeit wohl richtig fein! Wir haben im Wappenbilde 
nicht ein Sammelfurium: den heiligen Oswald mit einem Naben, 
die Maria mit dem Kinde, die Schlüfjel des Bremer Ersftiftes, 


Das grosse Landessiegel 
der Dithmarscher. 





Das Wappen Ä Das Wa 
, ppen 
dar Das Siegel da 


Wöldersmannen. ‚der NIEREN Vogdemannen. 





Don d. Schlacht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 185 


eine Marke des Wappenjtechers u. dergl. vor uns, fondern eine 
durchaus einheitliche Darftellung des Dreieinigen in feinen Attributen 
der Ewigkeit, Allgenugfamleit und Unwandelbarkeit. Die Dar: 
ftellung ift nach der zu Grunde liegenden dee fo erhaben, wie 
trefflih. Das Eandesfiegel zeigte flets und überall das Zeichen 
des Öberherrn des Landes. So auch hier. Herr des Candes war 
eben nur der dreieinige Gott, dem man diente an der Kirche zu 
Bremen, worauf die Schlüfjel im Wappen deuten. 

Als man fpäter die Bedeutung der umgewandten 4 mit dem 
Stift nicht mehr verftand, mußte man in dem Zeichen derfelben 
eine befondere Marke erbliden. Daher ohne Zweifel die Bemerkung 
bei Neocorus, daß das Land „eine Lehe vorm Marke” geführt 
habe. Bieraus hat man gefolgert, daß das Land neben dem 
großen Landesfiegel noch ein Meineres mit einer Senfe geführt 
hätte. Die „Cehe“ hat man in Urkunden nirgends finden fönnen. 
Es ift aber nicht fchwer, in der umgewandten 4 die Grundform 
einer Lehe zu erbliden. Xecocorus hat ohne Zweifel die um- 
gewandte 4 für eine Kehe genommen, wobei er den Stift neben 
der 4 als das Haareifen zur Kehn angefehen haben und dadurch 
in der Meinung beftärft worden fein mag, daß es fich wirklich 
um eine £ehe handle. Hierauf ift dann die Bemerfung in den 
Geſchichts büchern zurüdzuführen, daß das Land Dithmarfchen als 
befondere Marke eine Senfe im Wappen geführt habe.! 

Dor Einfegung der Achtundvierziger als Öberrichter war das 


ı Antnüpfend an die umgewandte 4 hat man wohl den Stift alseine ı 
nehmen und aus der 4 und dem Stifte eine umgefehrte 14 herausdenteln 
wollen mit der Motivirung, daß das Siegel vielleiht 1514 angefertigt 
worden, fei und der Wappenftecher die Jahreszahl 14 aus Derfehen falſch 
angebradt habe. Allein das bedarf Feiner Widerlegung. Das Höhen- 
verhältnig zwijhen 4 und Stift zeigt fon, daß hier nicht an eine Zahl 14 
gedahtift. Ein fehlerhaft ausgeführtes Siegel hätte man nicht angenommen, 
und es ift unzweifelhaft, daß das Siegel ſchon im 15. Jahrhundert im 
Gebrauh war. Andy gehört die Jahreszahl der Anfertigung des Siegels 
nicht ins Wappenbild hinein. 


186 Zweiter Abfcynitt. Dritte Abtheilung. 


Gericht in Landesfachen bei den Rathgebern (consules), Daher 
auch die Bezeichnung als Rathgeber: Rad altf. das Gericht, radgebo 
der Nichter, Einer, der eine Sache richtig ftellt. Daher heißen die 
Rathgeber in lateinifchen Urkunden auch judices („consules sive 
judices“). Dornehmlich wurden auch die Rathsherren in den 
Neichsflädten feit dem 13. Jahrhundert als consules bezeichnet, die 
Bürgermeifter als proconsules. Andere Städte ahmten hierin den 
Neichsftädten nach, und fo wurde fchlieglich die Bezeichnung als 
Qathgeber für die Ortsvertreter felbft folcher Städte üblich, die 
niemals eine eigene Gerichtsbarfeit gehabt haben. Daher find 
einige Schriftftieller auf die Meinung gerathen, da die Rathgeber 
des Landes mwoht die Juraten der Kirchipiele und die Hathmänner 
der Stadt Meldorf gewejen feien. Allein die Meldorfer Aath« 
männer waren als folche nicht Rathgeber des Landes, und die 
Juraten der Kirchfpiele heißen in Urkunden niemals Hathgeber 
(consules)., Nach 1447 heißen die Achtundvierziger offiziell Rath⸗ 
geber, und vor wie nach 1447 werden in Urkunden des Landes 
Rathgeber, Slüter und Swaren (Juraten) nebeneinander genannt. 
Urkundlich werden die Rathgeber in Dithmarfchen zuerfi' 1265 
genannt. In Bremen finden fich fehon 1225 Rathgeber. Hiernach 
liege fich annehmen, daß die Rathgeber in Dithmarfchen erft nach 
der Schlaht von Bornhöved von Brenn aus eingeführt worden 
feien. Doch ift hier nichts mit Gewißheit zu beftimmen, da die 
Urkunde von 1265 die ältefte der auf uns gelommenen dith- 
marfcher Urkunden if. Die Rathgeber im urfprünglichen Sinne 
ſprachen Recht unter Dorfiß eines Obmannes. Diefer war hier, 
in Dithmarfchen, der Dogt. Solange es nur einen Dogt gab, 
bildete das Land nur einen Gerichtsbezirt. Als nachher fünf 
Dögte bejtellt wurden, theilte fich diefer leßtere in fünf gejonderte 
Bezirfe, die um fo unabhängiger voneinander daftanden, als 
Richt und Recht die Derwaltung und das Negiment mitbegriff. 
Die Amtsbefugniffe der Dögte gingen fpäter mehr und mehr auf 
die Slüter und Swaren über, fo daß fchlieglich der Dogt nur noch 





Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 187 


als Slüter feines Hirchfpieles galt (Tleoc. I. 362). Die Kirchfpiele 
hatten fich zu felbfländigen politifchen Gemeinwefen entwickelt, die 
für fidh Derträge mit auswärtigen Mächten eingingen, Fehde an- 
ündigten und Srieden fchloffen, gleichfam befondere Sreiftaaten für 
fih bildeten, gleich den Schweizer Kantonen. Um der hierin 
hervortretenden dezentralifirenden Richtung der Entwidelung das 
Gegengewicht zu halten, wurde das Kolleginm der Achtundpierziger 
als Oberrichter über den Kirchipielen eingefegt. — Meldorf, die Stadt, 
ſoll feine Appellation ans Obergericht anerkannt und das Kirchipiel 
die Oberinftanz durch eine anfehnliche Geldfumme von fich ab- 
- gewandt haben. Das alte Meldorfer Stadtrecht fcheint verloren 
zu fein, indes ift das Eundener Stadtrecht von 1529 in zwei 
Eremplaren aufgefunden worden, welchen eine Derordnung, das 
Meldorfer Stadtrecht betreffend, angehängt ift, woraus zu ent- 
nehmen, daß die Cundener Stadteinrichtung der Meldorfer nach 
gebildet worden. Die Stadt Eunden hatte zehn Rathmänner und 
zwei Bürgermeifter,! die ein Jahr fungirten. Im Stadtrath ent- 
fchieden zwei Drittel der Stimmen; fonnte der Rath nicht einig 
werden, fo nahm man die Hälfte der Zahl des Raths aus Bürgern 
der Stadt hinzu und berieth von neuem. Auch gab es Bürger. 
verfammlungen, in welchen Bürgermeifler und Rathmänner nur 
den übrigen gleiche Stimmen hatten. Don dem Bath und der 
Bürgerfchaft fonnte man an die Achtundvierziger appelliren. Doch 
tft Eunden vielleicht nicht jo privilegirt gewefen, wie das alte 
Weldorf. — Wahrficheinlich hat der Erzbifchof Gerhard II. nad 





! Yeocorus nennt als die erfien Bürgermeifter zu £unden: Claus Node 
und Bojen Jarre, als die erften Rathmänner: Benneden Dirfs Clans, 
Elaus Denfer, Marcus Denker, Henning Swyn, Roden Elaus, Hans 
Reimer, Hans Staell, Beinen Claus, Jürgen Schröder, Jacobs Reimers 
Elaus, Peter Srefe. Das wären elf Rathmänner. Dielleidht ift der Bürger- 
meifler Claus Rode aus Derfehen noch wieder als Roden Claus angeführt 
worden; vielleicht ift auch ftatt Elaus Denker und Marcus Denker zu lefen: 
Elaus Denters Marcus Denter. — Cunden wurde Stadt 1529, den 
27. Febrnar. 


188 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


der Schlacht von Bornhöved Meldorf Stadtrechte verliehen. Meldorf 
und Cunden waren die einzigften Städte im Kande. Heide, Weflel- 
buren und Wöhrden waren anfehnliche Marktfleden. „In Dith- 
marfchen find zwei feine Städte, Meldorf und E£unden, und Drei 
herrliche, fchöne Sleden, Weslingburen, Heide und Oldenwöhrden,“ 
heißt es bei Peter Sar (Ditmarsia). 

Der Sünfzahl der Dögte entjprechend® gab es fünf Dogtei- 
bezirfe, Döffte oder Duffte. Döfft foll von taufen abgeleitet fein, 
fo dag das Wort einen Taufbezirf anzeigte. Nach Müllenhof aber 
ift das Wort wohl von thofti, thufti, altj. Genoſſe, Genofjenfchaft, 
abzuleiten. Die Genofjenfchaft wäre hier dann als Wehrgenoffen- 
fhaft zu nehmen, die Döfft als Wehrbezirt. — Deftig, duftig, 
trefflich, ftarf, dauer- und wehrhaft; deffen, duffen, fchlagen; defen- 
deren (lat. defendere) fich vertheidigen, wehren 2c. Neocorus fagt 
ausdrüdlich, daß immer fünf Döffte dagewejen feien, und er nennt 
fie dann als „Meldorper Döfft, Weſterdöfft, Mitteldöfft, Ofterdöfft 
und Strandmann. Doc fügt er in einer Anmerkung hinzu, daß 
das Landrecht nur von vier Döfften fpreche. Im Kandrecht ifl 
nur in den vier Sufaßartileln 222, 240, 241 und 242 von den 
Döfften die Rede, und hier heißt es wirklich „de veer Duffte“ 
und „unfe veer Duffte”. Artilel 222 vom Jahre 1483 verbietet 
das Tragen beftimmter Waffen: Streithammer, Dolche, die mehr 
als zwei Quartier lang find, Brotmefjer im Aermel verborgen ꝛc. 
und fagt dann: „efft jennich man in unfen veer Dufften Schaden 
deyt mit vorfcrewen Wapen, liflid effte dodtlid, fo fchall men 
den Schaden betern tho dubbeltem Belde unde den Drede darna.“ 
Artikel 241 vom Jahre 1530 beftimmt in Bezug auf den Eundener 
Scarfrichter: „he fchall vorplichtiget unde fchuldig fyn, in unfen 
veer Dufften tho reifende, wor je ehn efchende fyn.” Artikel 242 
vom Jahre 1530 aber lautet: „In deme füloten Jare des anderen 
Sonnawendes darna hebben de Dulmacht aller Karfpele der veer 
Duffte mit Dulbort des ganten Kandes, alfe alle Karfpele des 
ehren Radt innegebracht, de veer Doghedye gelecht by unde tho 


Don d. Schlaht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Kandrechts, 1447. 189 


des Landes Unkoſt. Alfo dat de veere, de des Kandes vorbrafe 
Geldt upbören, by demfülnten Eede, fo deme Lande gedaen, fchöle 
fe upbören unde manen var dyijer Tydt an alle, wes d 

Dogheden plach an Bröfe anthofallende, ghelit ander vorbrafe 

Geldt, tho des Landes Unkoft gehört, Rekenſchop darvan th 
doende. Ifft füften darboven jemand antaftet, fchall darinne vor 
brafen hebben, ghelik alje dat Eandt vormals belevet hefft, de d 

Landes vorbrofen Geld antaftet."! Im Art. 240 vom Jahre = 
werden dann die vier Döffte namhaft gemacht und neben denfelben 
der „Strandmann“ genannt, indem es hier heißt: „In deme Jare 
na Ehrifti Ghebort dufent viff hundert in deme een unde druttigften 
are, oppe den Dach St. Oswaldi, ift ein gange £andt tho Dit. 
merfchen ſamptliken eendrachliden vorwillkoret, dat fe allejarlickes 
willen Heerfchouwinge doen in den hilligen Daghen tho Pinrten, 
alfe de Wefterduffte unde Mittelduffte uppe Ratesmede des Man- 
dages, des Dingesdages, de Meldorperduffte unde Dfterduffte thor 
Heide, des Middewedens de Strandmann uppe den Oſſencampe 
mit allem Schüttelrude. Ein jedermann by dörtig Mark fchall 
dar fyn, alje he dat vor den Dyenden nemen unde geven will 
mit all fynen Wapen, een itlid Burfchop by hundert Gulden, ee 
itlid Duffte by dufent Boldgulden. Wol in deme allerringeften 
hierinne vorbredet, fo fchall fi neen Duffte fcheden, befonderen 
fe fcholen unde willen den anderen, de bröffam is, by troumwen 
£owen unde Eren unde een Dufftelarjpel fcholen den anderen, fo 
befeen, by truwen £owen unde Eren ftraffen unde de jüngeften, 
de nicht hebben thogefwaren, denne unfers Kandes Dryheit tho 
vordedigen, wo dene de Öwerften vortellen fchölen tho holdende.* |. 
Mit Beziehung auf diefe Artilel des Eandrechts haben Einige es 

als erwiefen angefehen, daß es nur vier Döfftige gegeben habe. 

Auch Niebuhr (Röm. Gefch.) ift diefer Meinung. Er nimmt an, 














! Diefer Artikel zeigt, daß in wichtigen Sachen das Land (die „Kird- 
fpiele" find hier die Einwohner, nicht die Dertreter der Kirchfpiele) als 
ſolches beſchloß und beftimmte. 


190 Zweiter Abſchnitt. Dritte Ubtheilung. 


daß die Strandmannen eine untergeordnete Benoffenfchaft gebildet 
haben, mit welcher das Erzftift Dithmarfchen belehnt hätte. Es 
ließe fich hier, da Neocorus nun einmal mit Beflimmtheit von 
fünf Döfften fpricht, annehmen, daß aus den vier Döfften fpäter 
fünf geworden feien. Allen auch bei älteren Schriftftellern ift 
ihon von fünf Döfften die Rede. Schon der Bremer Presbyter 
fpricht um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts von fünf Dog- 
teien in Dithmarfchen. Die Dithmaricher, fagt er (ap. Westph. 
mon. ined. 39) hätten 1420 dem Erzbifchof den Kudenfee, das 
Burgholz und die Jurisdiltion in den fünf Dogteien zugefagt — 
„stagnum cuddense et silvam Borchholte cum quinque advocatiis 
et jurisdictione illarum”, aber nichts Davon gehalten, und der 
Candeskanzler Günther Werner (M. Günt. Werneri sylloge privil. 
Ditm. lib., Hamb. Eoder p. 253) fpricht von den fünf Döfften, 
in die das Land fchon zur Zeit Philipps II. getheilt worden fei — 
„hefft de greveichop tho Dytmerfchen gedeelet in viff Deele, alfe 
Duffte gendmet, darinne jewellem Deele einen vaget gefettet. Dar 
denne boven de 5 vogede grötere richtere, de im namen unde van 
wegen des Erzbifchoppes tho Bremen acht unde veertig groter 
richter, de dat gebot unde lutter regiment over fodane Dytmerjchen 
hebben.” Das jchließt die Annahme aus, daß zu urfpränglich 
vier Döfften fpäter erft eine fünfte hinzugelommen wäre. Neocorus 
(I, 337) fagt denn auch ausdrüdlich, es feien von erfter Freiheit 
des Landes an ftets fünf Döffte gewefen. Die Befchräntung auf 
„unfe veer Döffte” in jenen Artiteln des Kandrechts kann nur aus 
einer befonderen Stellung diefer Döffte zum Landrecht im Unter- 
fchied von der Strandmannsdöfft erflärt werden. Darauf deutet 
ſchon die Bezeichnung unfe Döffte und unfe veer Döffte hin. 
Es wäre nicht nöthig gewefen, das „veer“ und das „unfe veer” 
zu betonen, wenn überhaupt nur vier Döffte dageweſen wären. 
Im Artilel 240 wird der „Strandmann” zwar nicht als „Döfft” 
bezeichnet, aber doch mit den Döfften gezählt. Daher wird es 
vollends wahrfceinlich, daß in den anderen drei Artifeln nur 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 191 


deshalb von vier Döfften die Rede ift, weil der Strandmann in 
den betreffenden Angelegenheiten dem Befchluffe der Kandes- 
vertretung nicht unterfiand. Es handelt fich in diefen Artikeln 
um Beftrafung von Derwundung und Todtichlag, um Ausübung 
der Kriminalgerichtsbarfeit und um Hebung von Brüchgeldern, 
alfo um Angelegenheiten, deren Regelung urfprünglich die eigent- 
lichfte Aufgabe der Dögte war. Die Strandmannen hatten aber, 
indem fie fich der Neuordnung von 1447 nicht anfchloffen, ihr 
altes Dogteirecht gewahrt. Das Land hatte alfo in den betreffenden 
Sachen hier nichts anzuordnen. Daher die Befchränfung auf vier 
Döffte im Landrecht und daher auch die Bezeichnung derfelben 
als „unfe veer Döffte”. Sür das 15. Jahrhundert ift die Fünf: 
zahl der Döffte urkundlich feftgeftellt durch eine Appellation, welche 
von Dithmarfcher Abgeordneten, Achtundvierzigern und dem Dogt 
Kerften Reimer, wider die Belehnung Ehriftians I. mit Dith- 
marfchen 1474 an den Papft gerichtet wurde, durch eine Bulle 
des Papftes Sirtus IV., von 1476, welche die Rechte des Bremer 
Erzbifchofs und das Gericht durch die Dögte und Achtundvierziger 
beftätigt, und durch eine Erefution diefer Bulle von feiten des 
Scholaftiftus zu Breslau vom Jahre 1477. In der Appellation 
(Ehrifiani 524, bei Bolten IH, 60) heißt es, daß der Erzbiichof 
von Alters her das Recht übe, fünf Dögte, Richter, deren jeder 
in feinem Diftrift namens des Erzbifchofs die Gerichtsbarkeit und 
das Brüchding verfehe, im Lande zu beftellen — „quinque Advo- 
cati seu Judices, qui et quilibet eorum in loco suo deputato 
nomine Archiepiscopi habet merum et mixtum imperium ac 
gladium vibrationis“. Die Bulle des Papftes (Neoc. I, 431, 
Bolten III, 83) beftätigt in den fünf Diftrikten, „Deffte" genamnt, 
in die das Komitat Dithmarfchen getheilt fei, die fünf Dögte, 
deren jeder in feinem Diftrifte namens des Erzbijchofs die reine 
und die gemifchte Gerichtsbarkeit übe, und auch das Regiment der 
achtundvierzig OÖberrichter über den fünf Dögten — „Ac in eadem 
comitatu qui in quinque partes divisus est, quinque Advocatos, 


ı 92 Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Deffte noncupatos, quorum quilibet in parte sibi deputata juris- 
dictionem et merum et mixtum imperium nomine Archiepiscopi 
Bremensis exercet, majores vero ipsius comitatus, ultra dictos 
quinque Advocatos, Quadraginta octo Judices pro regimine ejusdem 
comitatus instituerunt et deputarant“. Die Erefutionsbulle des 
Breslauer Scholaftitus (Neoc. I, 4355, Bolten III, 89) nennt wieder. 
holt die fünf Dögte in ihren Diftrikten, „Deffte* genannt — 
„quinque Advocati ut ipsorum quilibet in sua parte, Deffte 
vulgariter nuncupata“ etc. Hier ift jeder Sweifel daran aus» 
gefchlofien, daß es, wie fünf Dögte, fo auch fünf Döffte gab. 
Die Eintheilung in fünf Döffte ift wohl nicht gerade auf Philipp I. 
zurüdzuführen — die Urkunde des Kebteren bei Micheljen (Urkunden 
buch 9) enthält nichts davon —, aber fie kann wohl fchon zu deſſen 
Zeit beftanden haben. Es fann die Theilung in Döffte fehr wohl 
älter fein, als die Eintheilung in Dogteien, rejp. die Einſetzung 
von Dögten. Dierfür fpricht auch die Bezeichnung Döfft anftatt 
Dogtei. Mit der Sünfzahl der Dögte ift auch die Sünfzahl der 
Döffte erwiefen. Noch im Jahre 1265 nennt eine Urkunde 
(Dahlm. 3. Neocor. I, 649) nur einen Dogt im £ande. 1286 
werden fchon Dögte genannt (Mlichelfen, Urkundenbuch 14). In 
einer Urkunde von 1329 (Dahlmann 3. Neoc. I, 623) finden fich 
die fünf Dögte mit Namen genannt: Hylſemaken Detlev von 
Windbergen, Nikolaus Oldages Sohn, Theden Johannes, Nicolaus 
Swinefen Sohn und Riquardus von Diede. — Nicolaus Zwinelen 
Sohn ift jedenfalls einer der Swynen. Das ift bemerfenswerth 
in Bezug auf die Konjeltur, daß die Dögte aus den Dogdemannen 
genommen worden wären und diefe daher den Namen hätten. — 
Die Cheilung in fünf Döffte geht alfo wenigftens bis zum Anfange 
des 14. Jahrhunderts zurüd, und die Theilung in fünf Dogteien 
ift mit ziemlicher Wahrfcheinlichleit in die Zeit zwijchen 1265 und 
1286 zu fegen, da in einer Urkunde vom leßteren Jahre fchon 
„Dögte* (advocati) genannt werden. 

Es gab damals vierzehn Kirchfpiele im Lande: Mleldorpe, 


Don d. Schlacht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landredts, 1447. 193 


Buzen, Oldenworden, Wislingeburen,' Eunden, Delff, Tellingftede, 
Banftede, Herſtede (Süderhaftedt), Weddingftede, Alversdorpe, 
Edelete, Merna, Bodoldeborg. — Die Marfch im Norden wurde 
als Norderftrand, die im Süden als Süderftrand bezeichnet. Auf 
der Geeft unterjchied man Norderhamme und Süderhamme. Die 
Bezeihnung „Norderhamme“ und „Süderfirand“ erhielt fich auch 
fpäter neben der Bezeichnung nach Döfften. — Zu den vorigen 
Kirchfpielen fommen am Ende des dreizehnten und am Anfange 
. des vierzehnten Jahrhunderts hinzu: Brunsbüttel, Hemme, Hemming⸗ 
ſtedt, Nepherftede (Noröhaftedt), Neuenkirchen; im fünfzehnten 
Jahrhundert Barlte und Heide, neben diefen Schlichmig, St. Annen, 
und Windbergen, die als Siliale refp. von Hennftedt, Eunden 
und Meldorf galten. — St. Michaelisdonn wurde erft 1610 
Kirchfpiel.? Don jenen Kirchfpielen gehörten nach Neocorus zur 
Meldorperdöfft: Meldorp, Windbarge, Barlt; zur Oſterdöfft: 
Hennſtedt, Delve, Tellingftedt, Alversdorp; zur Weſterdöfft: Bützen, 
Wislingburen, BOldenworden, Nienkerken; zur Mitteldöfft: Eunden, 
Hemme, Niefeld (St. Annen), Weddingftedt, Heide, Hemmingftedt 
und die Herſtede (Norder: und Süderhajtedt); zur Strandmanns» 
dõofft (Süderjtrand): Marne, Brunsbüttel, Eddelack und Böcelnborg 
(Burg). — Die Abgelegenheit Süderhaftedts von der Mlitteldöfft 
hat zu der Meinung geführt, daß die Angabe des Neocorus hier 


ı Wislingeburee, auch Wiftlingebären, Wislingbüren, Weßlingburen. 
— Buren, Bürer = Anbauer; Bu, Bü, By = der Bau. Weßlingburer, 
Weftlingbürer = Anbauer im Weften (Oefterby, Defterby bei Kopenhagen). 
Weflelburen ift das weftlichfte Kirchfpiel des Landes. 

2 Nächſt Meldorf, dem älteften Kirchfpiel des Landes, find als Kirda 
fpiele aus Urkunden nachzuweiſen um 1140: Weddingftedt, Kunden, Süder- 
haftedt und Büfum; um 1281 außerdem: Tellingftedt, Weſſelburen, Wöhrden, 
Hennſtedt, Delve, Alberftorf, Marne, Burg und Eddelad (Wöhrden und 
Burg find aber ohne Zweifel älteren Urfprungs), um 1286 Brunsbüttel, 
1523 hemme, Hemmingſtedt und Neuenkirchen, 1345 Nordhaftedt. Barlt 
iſt 1426 gegründet, in demfelben Jahrhundert Heide, Schlichtnig, St. Annen, 
leteres 1391 (als Kapelle, die Kirche dafelbfl wurde 1571 gebaut) und 
Windbergen, wo 1495 eine Kapelle gebaut wurde. 


Dithmarfcher Gefchichte. 15 


194 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


nicht genau fei. Kolfter möchte Süderhaftedt zur Strandmannsdöfft 
zählen. Er fucht fih dafür auf die Annahme zu gründen, daß 
in Urkunden, in welchen die Kirchfpiele unterzeichnet haben, die 
Unterzeichnung döfftweife gefchehen fei, und fommt zu dem Reſultat, 
daß Süderhaftedt und Barlt zur Strandmannsdöfft, Nordhaftedt 
zur Oſterdöfft und Hemmingftedt zur Meldorferdöfft gehört hätten. 
Allein die Reihenfolge der Kirchipiele in den betreffenden Urkunden 
ift nur gezwungen auf döfftweife Unterzeichnung zu deuten, und 
Kolfters Eintheilung ift in Hinficht auf natürliche Döfftgrenzen 
gerade in Bezug auf Süderhaftedöt fo unbefriedigend, daß der 
Autor fchlieglich meint, es fönne doch zweifelhaft fein, ob Süder- 
haftedt nicht vielleicht zur Meldorferdöfft gehörte. Auch, meint 
Kolfter, tönnten Erwägungen militärifcher Art zur Dereinigung 
der beiden Harftedte (Beerftätten) in einer Hand geführt haben. 
Leßteres ift Denn allerdings ſehr wahrfcheinlich fchon durch die 
Lage beider an der von Oſten her ins Land führenden großen 
Heerſtraße. Das kommt aber der Döffteintheilung, wie Neocorus 
fie giebt, zu ftatten. Nordhaftedt, vor der eigentlichen Hamme, 
an dem Wege nach Beide, der in feinem befeftigten Theile vor 
dem Bammhaufe den Namen „Hamme” vorzugsweife führte, 
belegen, hatte feinen natürlichen Stüßpunft der Dertheidigung an 
der Hamme, nicht etwa an der Tilenbrüde, dem Stüßpunft der 
Dertheidigung für die Bfterdöfft, und kann deshalb nur zur 
Mitteldöfft, die in der Hamme zur Landhöde fich lagerte, gehört 
haben. Jede Döfft hatte ihren beftimmten Ort der Eandhöde, die 
Meldorferdöfft zu Meldorf und an der Delbrüde, die Bfterdöfft 
an der Tilenbrüde, die Strandmannsdöfft am Oſtermoor an der 
Grenze gegen die Wilftermarfch, die MWefterdöfft und die Mittel. 

döfft in der Hamme. Die Annahme, daß Nordhajtedt zu einer 
anderen Döfft, als der Mitteldöfft, gehört haben Fönnte, ift Hier 
durch die Natur der Derhältnifje ausgefchloffen, und zudem ift es 
von vornherein unmwahrfcheinlich, daß Neocorus, deſſen Jugendzeit 
noch in die Zeit der Sreiheit des Landes fiel, Hier nicht genau 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1442. 195 


unterrichtet gewefen fein und über die Döffteintheilung nicht zu- 
verläffige Nachricht gegeben haben jollte. 

Das Prinzip der Döffteintheilung war Sonderung, refp. 
Dereinigung nach natürlichen Begrenzungen, zweds Dertheidigung. 
Die militärifche Bedeutung der Döffteintheilung und der Döfft⸗ 
verfafjung tritt befonders hervor in der Beflimmung jenes Artikels 
des Kandrechtes, der von der Heerfchau handelt, indem es heißt, 
daß die Döffte zur Heerfchau erfcheinen follen, Wefterdöfft und 
Mitteldöfft am Montage in Pfingften zu Ratingsmede (im Kirchfpiel 
£unden, refp. Hemme), Meldorferdöfft und Dfterdöfft am Pfingft- 
dienstage zu Heide, die Strandmannen am Mittwoch nach Pfingften 
auf dem Barlter Ochſencamp. Kolfter will die Heerfchau der 
Strandmannen bei Barlt für Zugehörigkeit des leßteren zur Strand» 
mannsdöfft deuten. Das ift verfehlt. Die Strandmannen erjchienen 
für fich zur Beerfchau. Eine Schau auf eigenem Gebiet hätte fie 
völlig iſolirt. Daher lag es nahe, fie im Gebiete einer anderen Döfft 
zur Heerfchau erjcheinen zu lafjen. Zudem beftiimmtder Artifel 240 im 
Candrecht ausdrüdlich, daß feine Döfft fich felbft bei der Heerfchau 
beurtheilen und richten fole — „jchall fi neen Duffte fcheden, 
befonderen fe fcholen unde willen den Anderen — und een Duffte 
kerſpel den anderen ftraffen”. Bier mußte es dann vollends nahe 
liegen, die Strandmamıen in einer anderen Döfft, als der eigenen, 
zur Heerſchau fich ftellen zu lafien. Bei jenem Prinzip der Döfft- 
eintheilung mußten die Hammen für die Scheidung nach Döfften 
vornehmlich beſtimmend fein. Daher giebt die Dertheilung derfelben 
einen Anhalt zur Befeitigung der Einwendungen gegen die Nachricht 
des Teocorus über die Döffteintheilung, wie fie von Dahlmann 
und nach ihm von Kolfter erhoben worden find. Dahlmann 
(Neocorus I, 541) fagt: „Es ift zu bezweifeln, daß Süderhaftedt 
wirklich zur Mitteldöfft gehört habe. Die Abgelegenheit dieſes 
Kirchfpiels ift mindeftens auffallend. Dazu kommt, daß in dem 
Bamburger Koder, 5. 101; in einer flüchtigen Aufzeichnung über 
die Kirchfpiele der Mitteldöfft Fein Süderhaftedt vorfommt, freilich 

13" 


196 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


auch fonft nicht. Saft entfcheidend dünkt mich Neocorus II, 135 f., 
wo es die Publizirung einer Schrift in der Mitteldöfft gilt, aber 
Süderhaftedt unter den Kirchipielen fehlt.” Die Publikation, von 
der hier die Rede ift, betraf eine Klage des Hamburger Kapitels 
wegen Dorenthaltung von Einfünften aus dem Zande. Die 
betreffende Publizirungsordre der Achtundvierziger ift gerichtet an 
die Pfarrherrn zu Lunden, Hemme, Weddingftedt, Hemmingftedt und 
Nordhaftedt (Neocorus IL, 135). Don Nordhaftedt fol die Schrift 
wieder nach Heide zurüdgefandt werden. Da das Schriftftüd im 
ganzen Lande publiziert wurde, jo mochte Süderhaftedt eben mit Rück⸗ 
ficht auf Abgelegenheit von den anderen Kirchipielen der Mitteldöfft 
wohl zu einem anderen Eirfulationsgebiet gelegt worden fein. Der 
Kirchenbote fonnte überall Richtwege begehen und war nicht, wie 
die Mannfchaft der Döfft, auf die großen Kommunifationswege 
hingewiefen. Auch die firchlichen Inſpektionsbezirke fielen nicht 
mit den Döfftbezirken zufammen. Wir finden in einer Döfft zwei 
Superintendenten und wiederum für zwei Döffte nur einen Super- 
intendenten beftellt; überhaupt gab es für die fünf Döffte nur 
vier Superintendenten. Der von Dahlmann hier erhobene Sweifel 
gegen die ZAichtigfeit der Angabe des Neocorus kann demnach 
nicht fo fehr ins Gewicht fallen. Jene flüchtige Aufzeichnung aber 
fann hier vollends nichts entjcheiden, da in derfelben außer den 
fpäter als Heide gegründeten Kirchipielen nicht nur Siderhaftedt, 
fondern auch Hemmingftedt fehlt. Kolſter, Bieran antnüpfend, ift 
dann auf die Dermutbung gekommen, daß Hemmingftedt zur 
Aeldorfer Döfft gehört haben könne, da es in Unterfchriften der Kirch. 
fpiele immer gleich nach Meldorf genannt wird. Er meint, die 
Kirchipiele hätten döfftweife unterzeichnet in der Ordnung : Meldorfer- 
döfft, Wefterdöfft, WMitteldöfft, Oſterdöfft und Strandmannsdöfft, 
während die Aeihenfolge der Kirchfpiele innerhalb der Döfft 
willkürlich gewefen fei, und es ließe fich hiernach die vermeintliche 
Ungenauigfeit in der Angabe des Neocorus über die Döffteintheilung 
berichtigen. Dabei gelangt er dann zu dem Reſultat, daß außer 


Don d. Schlacht am Öswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 197 


Söderhaftedt auch Barlt zur Strandmannsdöfft gehörte, Nordhaftedt 
zur Oſterdöfft zählte und Hemmingftedt zur Meldorferdöfft. 

Wir haben vier folcher von den Kirchfpielen unterzeichnete 
Urkunden aus den Jahren 1345, 1409, 1416 und 1456, auf 
welche Kolfter fich bezieht. Die Neihenfolge der Kirchfpiele ift 
hier folgende: | 

1345: Meldorpe, Hemmingftede, Bldenworden, Bufen 
Weßlingburen, Nienkerken, Hemme, £unden, Wethynftede, Hanftede 
Delve, Tellynftede, Repherſtede, Alversdorpe, Kerfherftede 
Bokelnborch, Edelake, Brunsbutelle, Merne. (Mlicheljen, Urkunden 
buch, XVII.) 

1409: Meldorpe, Hemmingftede, Bldenworden, Büßen 
Wislingburen, Nienkerken, Hemme, £unden, Wendingftede, Repher 
ftede, Hamftede, Delf, Tellingftede, Alverftorpe, Kerherftede, Borch 
Edelafe, Brunsbüttele, Merne. (Molbech, Hift.om Ditmarfferf, 248. 

1416: Meldorpe, Kemmyngftede, Oldenworden, Weslingburen 
Buzen, Nyggenterfen, Hemme, £Eunden, Weddingftede, an der Gheft 
Merne, Brunsbutle, Eddelafe, (Dahlmann, 3. Neocorus I, 633. 

1456: Meldorpe, Hemmingftede, Oldenwurden, Bufen, Wesling 
buren, Nigenterfen, Hemme, £unden, Weddingftede, Northarftede 
Deiff, Hanftede, Tellingftede, Alverftorppe, Suderharftede, Bokelen 
borh, Eddelake, Brunsbuttel, Merna, Barlte.. (Michelfen 
Urfundenbuh XXX.)! 

Bier fteht allerdings Hemmingftedt immer gleich hinter Meldorf 
vor den Kirchfpielen der Mefterdöfft, und Nordhaftedt fteht unter 
den Kirchfpielen der Oſterdöfft oder unmittelbar vor diefen, während 
Barlt, an der einzigen Stelle, wo es genannt wird, den Kirch- 


ı ‚Aus diefen Urkunden erhellt, daß Kerfherftede, das ältere Herſtedt, 
Süderhaftedt ift, und daß Xlordhaftedt auch Nepherftedt hieß. „Rep“ bedeutet 
hier wohl nit „Reep“, wie man gemeint hat. Es deutet wohl die Lage 
an der Beerfiraße an. Repen, ſick repen — eilen. Rep eine ebene Bahn? 
Diminutio: Repel. Kattrepel eine alte Straße nad der Kathedralfirche 
St. Petri in Hamburg. 


198 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


fpielen der Strandmannsdöfft angereiht if. Süderhaftedt aber 
fteht zwifchen Alberftorf und Burg, fo daß es ebenfowohl mit 
jenem zur Gfterdöfft, wie mit diefem zur Strandmannsdöfft 
gerechnet werden könnte. Hier bezieht Kolfter fich nın auf die 
Anordnung der Kirchfpiele in einem Derzeichnig der Einnahmen 
der Hamburger Dompropftei, der fog. Taxis beneficior. Praeposit. 
von 1347, in welcher die Kirchipiele in folgender Ordnung auf- 


geführt find: 
Kerterftede. Brusbuttel. Hemmingftede. 
Bokelenborch. Merna. Oldenworden. 
Eddelake. Meldorpe. Cangenbroke. 
Alverſtorpe. est reformandum. 
Buſen. Cinden. 
Weslingburen. Wetingſtede. 
Nienkerken. Hanſtede. 
Hemme. Repherſtede. 


In dieſer Anordnung ſteht Süderhaſtedt (Kerterſtede) vor Burg 
und den übrigen Kirchſpielen des Süderſtrandes an der Spitze aller 
hier angeführten Kirchſpiele. Läge hier eine Anordnung nach 
Döfften vor, fo Fönnte Süderhaftedt nur, wie Kolfter will, zur 
Strandmannsdöfft zählen. Allein auf Meldorf folgt hier Alber- 
ftorf und dann erft Hemmingſtedt, und daher ift hier die Doraus« 
fegung einer döfftweifen Anordnung nicht zutreffend. Kolfter meint 
zwar, wie die Anordnung in fünf Gruppen, fo fei auch die Placi- 
rung von Alberfiorf unter der mittleren oberen Gruppe hier nur 
der Symmetrie wegen beliebt worden; allein die Symmetrie wäre 
auch gewahrt geblieben, wenn Alberftorf unter die beiden unteren 
Gruppen gejeßt worden wäre, wo es fich Hennftedt und Nordhaftedt, 
die nach Kolfter beide mit Alberftorf zur Oſterdöfft gehörten, 
angereiht hätte. Daher ift es wahrfcheinlich, daß Hier eine Anord- 
nung nach Döfften überhaupt nicht vorliege. Läge eine foldhe vor, 
fo würde es verwunderlich fein, nicht Meldorf am Anfange der 
Reihe zu erbliden. Woher Süderhaftedt hier als Anfangsglied in 


Don d. Schl acht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landredts, 1447. 199 


der Reihe? Antwort ift hier nur in der geographifchen Belegen- 
heit zu fuchen. Zunächſt an der von Öften ins Land führenden 
DHeerftraße gelegen, dem einzigen Wege, der Dithmarfchen 
mit dem benachbarten BHolftein verband, den auch die Offizialen 
des Hamburger Kapitels nehmen mußten, wenn fie nicht 
gerade den Waflerweg nach Dithmarjchen wählten, lag gleich 
linter Hand beim Eintritt ins Land Süderhaftedtt. Daher lag es 
nahe, in der Aufzählung der Kirchipiele in der Taxis benefic. 
Praepos. mit Süderhaftedt zu beginnen. Die natürliche Auf: 
einanderfolge der Kirchipiele in der Weihe ift dann: Süderhaftedt, 
Burg, Eddelack, Brunsbüttel, Marne, Meldorf und, nach dem 
Anfangsgliede der Reihe zurüdgezählt, Alberfiorf. Es find dies 
die Kirchipiele „über der Damme“. Dann wieder von Hemming⸗ 
fledt in altüblicher Weife nach lints herum weiter gezählt, ergiebt 
fih die fernere Reihenfolge: Hemmingſtedt, Oldenwöhrden, Büfum, 
Weffelburen, Neuenkirchen, Hemme, Eunden, Weddingftedt, Hennſtedt, 
Nordhaſtedt. Das find die Kirchipiele „unter der Hamme*. Die 
Kirchfpiele werden hier in zwei gejonderte und in fich gefchloffene 
Kreife gefchieden: in Kirchfpiele über der Hamme und Kirchfpiele 
unter der Hamme. Aus der hier hervortretenden Rüdfichtnahme 
auf geographifche Belegenheit erflärt fih auch die Aeihenfolge 
in den beregten dithmarfcher Kandesurfunden. Mit Meldorf 
beginnend, erhalten wir hier durch einfache Aufzählung der Kirch- 
fpiele die Reihe: Meldorf, Hemmingftedt, Oldenwöhrden, Büfum, 
Weflelburen, Neuenkirchen, Hemme, £unden, Weddingftedt, Henn- 
ftedt, Delve, Tellingftedt, Nordhaftedt, Alberftorf, Süderhaftedt, 
Burg, Eddelad, Brunsbüttel, Marne. Das ift genau die Reihen⸗ 
folge in der Urkunde von 13545. Da Hennftedt jenfeits der Brock⸗ 
landsau lag, Weddingftedt aber diesjeits derfelben, fo kann in 
Berüdfichtigung deffen auch Nordhaftedt als zunächft mit Wedding: 
ftedt grenzend angefehen werden. Es folgt dann in der Reihe 
auf Weddingftedt, Nordhaftedt, und dann folgen die übrigen Kirch- 
jpiele in der vorigen Ordnung. Das ergiebt die Weihe in der 


200 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Urkunde von 1409. Ob von Nordhaftedt nach Tellingftedt über 
Bennftedt und Delve oder über Delve und Hennftedt fortgezählt 
wird, das ift hinfichtlich der örtlichen Aufeinanderfolge gleichgültig. 
Daher erflärt fich die Neihenfolge in der Urkunde von 1456, die 
nur darin von der vorigen abweicht, daß Delve vor Hennſtedt 
genannt wird. Wöhrden grenzte unmittelbar mit Weflelburen, war 
dagegen von Büſum durch die Tiefe des Wartftromes gefchieden. 
Es fonnte daher auch nach Wöhrden Weſſelburen zunächft und 
dann erft Büfum gezählt werden. Das ift gefchehen in der 
Urkunde von 1416. Die Zuſammenfaſſung der Kirchfpiele zwijchen 
Weddingftedt und Eddelad als ſolche „an der Gheſt“ hat in diefer 
Urkunde die Reihenfolge unterbrochen. Daher lag für die übrigen 
Kirchfpiele Eddelack, Brunsbüttel, Marne fein Grund mehr vor, 
die in den vorigen Urkunden beobachtete Neihenfolge hier ein- 
zuhalten, und fo liegen fie die fonft unter ihnen gebräuchliche 
Reihenfolge: Alarne, Brunsbüttel, Eddellad, wieder eintreten, 
So erflärt fih die Reihenfolge in der Unterzeichnung von Urkunden 
durch die Kirchjpiele einfach aus der geographifchen Aufeinander- 
folge. Indem man, mit Meldorf, dem älteften Kirchfpiele des 
Landes, beginnend, die übrigen Kirchjpiele der Reihe nach auf- 
zählte, blieb alle Rangftreitigfeit unter den Kirchfpielen und Döfften 
ausgefchloffen. — Die Zufammenfaflung der Kirchfpiele Nord⸗ 
haftedt, Hennftedt, Delve, Tellingftedt, Alberftorf, Süderhaftedt und 
Burg als folhe „an der Gheſt“ in der Urkunde von 1416 Fönnte 
ſchon für fih es darthun, daß hier feine döfftweife Unterzeichung 
ftatthatte. 

Die Abgelegenheit Süderhaftedts, von welcher Dahlmann 
jpricht, befteht lediglich darin, dag einige Dörfer der Kirchfpiele 
Meldorf und Alberftorf: Tensbüttel, Röſt, Odderade und Leers- 
büttel, mit ihren Seldmarfen in das Gebiet der Mitteldöfft hinein- 
griffen und fo Süderhaftedt von Vorderhaſtedt und der übrigen 
Mitteldöfft trennten. Das kann aber hier einen Zweifel gegen 
die Nichtigkeit der von Neocorus gegebenen Nachricht über die 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 201 


Döffteintheilung nicht begründen. jene Dörfer mochten, wenn- 
gleich fie nach Meldorf und Alberftorf eingepfarrt waren, doch 
mit Nord» und Süderhaftedt zur Mitteldöfft gehören. Auch Ketels» 
büttel in der Wefterdöfft war nach Meldorf eingepfarrt und Weſt⸗ 
dorf in der WMleldorferdöfft nach Süderhaftedtt. Es kann hier nur 
die Srage fein, ob natürliche Hemmniffe der Kommunikation die 
Derbindung, rejp. Trennung nach dem Prinzip der Döffteintheilung 
zwijchen Süderhaftedt und Xorderhaftedt oder einem der anderen 
Nachbarkirchſpiele Süderhaftedts und diefem bedingten. Don Mel- 
dorf war Süderhaftedt gefchieden durch das Krumftedter Moor 
und die Tliederung des Windberger Sees, von Burg durch die 
Tiederung des Helmfchen Beds. Durch Sumpf. und Moorgrund 
von der Sreftedter Au bis zur Delbrüde hin, eine echte Hamme, 
von Meldorf getrennt, konnte Süderhaftedt nicht zur Meldorfer⸗ 
döfft gehören. Die Niederung des Helmfchen Beds, jeßt nur 
ftellenweife unpaffirbar, ericheint auf der Danktwerthfchen Karte 
im Xorden des Beds als ein ausgedehntes Sumpfgebiet, von der 
Mündung bis zum Urfprunge des Beds hinter Quidborn fich 
erftrecdend, und daß hier eine wirkliche Hhamme gegeben war, dafür 
zeugen die Reſte alter Landwehren im Dierth bei Sreftedt, die auf 
ein fefles Bollwerk Hindeuten, welches hier gleich dem Hamm⸗ 
haufe an der Süderhamme einen Paß durch Hammgründe ver« 
legte, welche hier nur die Niederung des Windbergerjees mit 
der Sreftedter Au einerfeits und die Niederung des Helmfchen 
Beds andererfeits fein konnten. Süderhaftedt war, wie von 
Meldorf, jo von Burg durch Hammen gefchieden und konnte alfo 
anch nicht mit Burg zur Strandmannsdöfft gehören. Daß Süder- 
haftedt thatfächlich nicht zur Strandmannsdöfft zählte, wird durch 
Betrachtung von anderer Seite erhärte. Nach Neocorus war 
die Zahl der Nathgeher der Kirchfpiele gleich der Zahl der 
Slüter, für größere Kirchfpiele vier, für Meinere zwei. Die Sahl der 
Släter des Landes war 60. Es gab damals (nachdem Heide von 
Weddingſtedt getrennt worden war) 21 Kirchipiele im Lande: 


202 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Meldorf, Hemmingftedt, MWöhrden, Büſum, Weflelburen, Neuen⸗ 
firchen, Hemme, Cunden, Weddingftedt, Heide, Nordhaftedt, Henn- 
fledt, Delve, Tellingftedt, Alberjtorf, Süderhaftedt, Burg, Eddelack, 
Brunsbüttel, Marne und Barlt. Don diefen waren die Kirchipiele 
der Strandmannen nicht im Kollegium der Achtundvierziger als 
Qathgeber des Landes vertreten. Die Kirchfpiele der vier übrigen 
Döffte ftellten aljo 48 Rathgeber. Ohne die vier Kirchfpiele 
des Süderftrandes waren 17 Kirchipiele im Lande. Unter 
diefen waren fieben große: Meldorf, Wöhrden, Wefjelburen, 
£unden, Hennftedt, Tellingftedt und Alberftorf, die je vier 
Qathgeber ftellten, und zehn Mleinere, die je zwei Hathgeber 
ftellten.. Die 17 Kirchipiele zufammen ftellten aljo 48 Aathgeber. 
So ſtimmt Alles. Hätte aber Süderhaftedt zur Strandmannsdöfft 
gehört, fo wären für die anderen Döffte nur 16 Kirchipiele ge- 
blieben, und es müßten dann unter diefen, wenn aus denfelben 
48 Rathgeber geftellt wurden, acht große geweſen fein, und Die 
Sahl der Rathgeber des Landes wäre, indem die Zahl der 
Rathgeber des Süderftrandes durch die Rathgeber Süderhaftedts 
um zwei vermehrt worden wäre, nicht mehr 60, fondern 62 geweſen. 
Jenes ift nicht anzunehmen, da nach der Gründung von Beide 
als Kirchfpiel in den vier Döfften immer nur fieben große Kirchipiele 
gezählt wurden; leßteres aber ift an ſich unmwahrfcheinlich, da die 
Grundzahl aller Kollegien in Dithmarjchen 12 war, und wider: 
ſpricht verbürgten Nachrichten. Süderhaftedt kann aljo nicht zur 
‚ Strandmannsdöfft gehört haben. Aus demfelben Grunde ift auch 
die Annahme, daß Barlt zur Strandmannsdöfft gehörte, abzumweifen. 
Süderhaftedt, von Meldorf und Burg durch Hammen getrennt, 
fonnte nur mit Alberftorf zur Dfterdöfft oder mit Nordhaſtedt zur 
Mitteldöfft geftellt werden. Don Alberfiorf war es durch die 
Gieſelau getrennt und einen eigentlichen Kommunilationsweg, der 
jederzeit frei zu paffiren gewefen wäre, gab es hier nicht; mit 
Nordhaftedt dagegen war es durch einen zu jeder Zeit offenen 
bequemen Derfehrsweg verbunden. Der natürliche Stützpunkt 


Don d. Schlacht am®swaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447.203 


der Dertheidigung lag für Alberftorf rüdwärts an der Tilenbrüde, 
wo die Oſterdöfft fich zur Landhöde verfammelte, für NTordhaftedt 
aber lag derjelbe an der kleinen Hamme, und diefe mußte für 
Süderhaftedt bei defjen Lage an der zur Eleinen Hamme führenden 
Beerftraße in jeder Hinficht bequemer und dienlicher fein, als die 
Tilenbrüdftelung. Norder: und Süderhaftedt konnten mit Fug 
nur zu einer und derjelben Döfft, der Mitteldöfft, gehören. Vord⸗ 
haftedt, durch feine Lage zur Dertheidigung der Hamme vor allen 
anderen Kirchipielen berufen, konnte fchon deshalb nicht zur Oſter⸗ 
döfft gelegt werden, weil für dasfelbe bei jedem feindlichen Einfall 
ins Land immer der Weg zur Tilenbrüditellung verlegt war. 
mit Nordhaftedt konnte auch Süderhaftedt nur zur Mitteldöfft 
gelegt werden. Durch Hineinziehung Süderhaftedts in den Derband 
der Mitteldöfft wurde diefe erft zu einem in fich gejchlofienem 
Ganzen, gleich den anderen Döfften. Im Oſten gegen Bolitein 
begrenzt durch die Holftenau, gegen die Strandmannsdöfft ge» 
fchieden durch die Niederung des Helmfchen Beds, gegen die 
Meldorfer Döfft durch das große Hammgebiet der Sreftedter Au, 
des Windbergerjees mit dem Krumftedter Moor, des Sielerfees 
und des Schweinemoores, gegen die Wefterdöfft durch den alten, 
nah Süden fliegenden Eiderarm und die Hamme bei Hemme, 
gegen die ©fterdöfft durch die Brocdlandsau und das Quellgebiet 
der Tilen⸗ und der Giefelau, begriff die Mitteldöfft die Kirch- 
fpiele Süderhaftedt, Norderhaftedt, Weddingftedt, Eunden, Hemme, 
Beide und Hemmingſtedt in ſich. Hemmingftedt fpeziell betreffend, 
it zu bemerfen, daß dasjelbe am XNordrande der Brafe des 
Schweinemoores, des „vadum Hemmingstede“, die von Barsfleth 
gegen den Sielefee ſich hinzog, belegen war und demnach eine 
wirkliche Hamme es von der Mleldorferdöfft trennte. Indem fo 
die Mitteldöfft in fcharfer Begrenzung quer durchs Land fich er: 
ſtreckte, ſchnitt fie im Oſten als Gebiet der Oſterdöfft die Kirch. 
fpiele Alberftorf, Tellingftedt, Delve und Hennftedt ab, im Nord⸗ 
weften als Wefterdöfft die Kirchipiele Wöhrden, Büfum, Weflel- 


204 weiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


buren und Neuenlirchen, im Süden und Südmeften das Mleldorfer 
Gebiet nebft dem Süderftrand: Meldorf, Barlt, Marne, Bruns- 
büttel, Eddelaf und Burg. Da die legtgenannten vier Kirchfpiele 
die Strandmannsdöfft ausmachten, fo blieben für die Meldorfer- 
döfft die Kirchfpiele Meldorf, mit MWindbergen, und Barlt. So 
ergiebt fich die Döffteintheilung, wie fie von Neocorus angegeben 
wird, aus natürlichen Derhältniffen, die nach dem Prinzip der 
Döffteintheilung hier maßgebend fein mußten, als eine durchaus 
begründete, nämlich Meldorferdöfft: Meldorf, mit Windbergen, und 
Barlt; Ofterdöfft: Hennftedt, Delve, Tellingftedt und Alberftorf; 
Mefterdöfft: Büfum, Wefjelburen, Wöhrden und Neuenkirchen; 
Mitteldöfft: Cunden mit St. Annen, Hemme, Weddingftedt, Heide, 
Hemmingftedt, Nordhaftedt und Süderhaftedt; Strandmannsdöfft: 
Marne (wozu St. Michaelisdonn gehörte) Brunsbüttel, Eddelad 
und Burg. — Die Hammen, unwegjame Sumpf-, Moor⸗ und 
Bruchlande, bildeten die urfprünglichite Begrenzung der Döffte. 
Daher ohne Zweifel die Meinung, daß Nordhaftedt, im Oſten 
der eigentlich fog. Hamme, zur Gfterdöfft gehört haben könne. 
Die Meine Hamme vor Heide hätte dann ihresorts die Grenze ge- 
bildet zwifchen Mitteldöfft und Oſterdöfft. Derleitet durch die 
Bezeichnung „hamme“, hat man es überjehen, daß die „kleine 
Hamme”, als befeftigter Weg zwifchen den fumpfigen Tiederungen 
der Brodlandsau und des Sieler Sees, nicht in der urfprünglichen, 
jondern in abgeleiteter Bedeutung eine Hamme bie, und daß 
gerade diefe Hamme, im Unterfchied von Hammen in urfprünglicher 
Bedeutung als trennender, unwegfamer Sumpfgebiete, eine zu jeder 
Seit geficherte Derbindung zwifchen Weften und Oſten vermittelte, 
indem fie nur einen Theil des großen Kommunilfationsweges 
bildete, der vom XNorderftrande nach dem Oſten des Eandes und 
nach Holftein führte und zumal zwifchen Nordhaftedt, im Oſten 
unmittelbar vor der Hamme an dem befeftigten Cheil der Verkehrs⸗ 
firaße gelegen, und den Kirchipielen im Weften der Hamme eine 
bequeme und gegen alle Sährlichfeit geficherte Derbindung herftellte. 


Don d. Schlaht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447.205 


Neben den Hammen in urfprünglicher und eigentlicher Bedeutung, 
in welcher Hamme immer nur eine den Paß hemmende Sumpf: 
niederung ift, dienten in früherer Zeit vornehmlich auch die Kirchen 
als Stüßpunlte und fefte Bollwerke der Dertheidigung. Diefelben 
wurden mit ftarten, gegen feindlichen Angriff widerftandsfähigen 
Chürmen verbunden, mit gededten Schießfcharten verjehen und 
mit Wällen und Gräben umzogen. Dornehmlich die Kirchen zu 
Deive und Weoddingftedt waren fehr feſt. Der Thurm der 
Weoddingfteöter Kirche foll als Landesgefängnig gedient haben. 
Der noch vorhandene untere Theil des alten Thurmes, aus ftarfen 
Seljen gebaut, mit einem finfteren Keller, in defjen Wänden einige 
fchwere Ketten befeftigt find, zeugt noch von einer derartigen Be: 
flimmung desfelben in früheren Seiten. Auch das „Kandes- 
Dentelboele* fol in der Weddingftedter Kirche bewahrt worden 
fein, wohl ehe Heide als Kirchort beftand. Die Kirche zu Delve 
hatte einen befonders feften, mit Schießfcharten verjehenen Churm 
und war von Wällen und doppelten, breiten Gräben eingefchlofjen, 
Der fefle Thurm mußte 1565 auf Befehl des Kandesherrn, 
Adolphs von Holftein-Bottorp, niedergeriffen werden, weil er, 
fagt Dieth, Grauen der Dorzeit erwedte. In der Wöhrdener 
Kirche hielt man 1319 eine Belagerung durch die Holfteiner aus, 
bis man durch einen Ausfall das feindliche Heer zerjprengte und 
zur Slucht trieb. In fpäterer Zeit traten fünftliche Befeftigungen 
zur Derftärftung der natürlichen Wehren, der Hammen, hinzu. 
Wie der Paß durch die Süderhamme durch das feite Wert 
„Bammhuus“, zu deflen Derftärtung 1539 die Materialien 
des abgebrochenen Klofters zu Eunden verwandt wurden, jo wurde" 
auch der Tilenbrüdpag an der Norderhamme durch ein feites 
Wert gefperrt. Neocorus fagt in diefer Beziehung: „Dat Water 
Tyle flütt nicht wiet by norden Tellingftedes, ehemals breet und 
mit einer Brüggen vorwahret gewefen, darup ein Huß geitanden, 
Dat men togefchlaten mit 2 Dohren, midden im Sort ein Schlagbom. 
By norden der Tyle ift de Landwehre gewefl. Nu ift de Weg 


206 Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


vorhöget, alſo dat eine Meine Brügge darover geit. Beoften dem 
Dohre ein Rundehl, darup der Henftedter Geſchütt.“ Auch die 
Aubrüde an der Norderkamme, bei Süderhaftedt, war durch ein 
Schanzwerf, die Aubrüdfichanze, gedeckt. Wie hinter Nordhaftedt 
das fefte Wert Hammhuus den Zugang zum Norderftrand, fo 
deckte hinter Süderhaftedt, am Sreftedter Dierth zwifchen Fredebeck 
und Helmfchenbed, ein feites Werk, von defjen Eriftenz noch die 
„Kgaufgräben” im Dierth zeugen, den Zugang zum Süderftrand, 
und wie die Tilenbrüde und die Aubrüde, jo war auch die Del- 
brüde durch ein Schanzwerf, am fog. Schloßberg, wo 1405 die 
Holfteiner die Marienburg anlegten, gededt. Letztere beiden Werte, 
das Bollwerk bei Sreftedt und die Derfchanzung an der Delbrüde, 
gehören aber älterer Zeit an und haben in eigentlich geſchicht⸗ 
liher Seit feine Bedeutung mehr gehabt. Wahrfcheinlich find fie 
bei veränderten Terrainverhältnifien für die Dertheidigung nußlos 
geworden. Außer den genannten find aus relativ fpäter Zeit noch 
einige Derfchanzungen an der Hamme des Dftermoors, an der Au 
bei Brunsbüttel und an der Milenbrüde bei Hefel, leßtere erft 
aus der Zeit der legten Sehde, befannt. Die Schanze bei Hefel 
ift als ein Außenwerk vor Meldorf anzufehen. Meldorf war die 
einzigfte befeftigte Ortfchaft im Lande. Die Befeftigung der Stadt 
erfolgte erft im Anfange des 16. Jahrhunderts. Was außerdem 
noch an Befeftigungswerlen im Lande angeführt wird, das gehört 
wohl, wie die Werke bei Dörpling, Schalfholt und im Weiten 
von Heide, der Zeit der Sürftenherrfchaft an oder beruht, wie die 
jog. Bauernburgen an der Weftküfte des Landes, nur auf Konjeltur 
und Phantafiee Manche der fog. Bauernburgen, wie man fie 
namentlich auch in Nordfriesland annimmt, bloße Ummwallungen 
am Mleeresftrande oder an Tliederungen, die durch Ströme und 
Auen Ueberſchwemmungen ausgefeßt waren, find wohl nichts 
anderes, als Diehhürden, gleich der ftarfen Umwallung auf 
dem höchften Punkt im Norddeicher Queller, die auch bei ftärffter 
Sluth dem Dieh Sicherheit gewährte und die auch jegt noch, nach 


Don d. Schlaht am ®swaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 14472.207 


Einholung des Weflelburner Koogs, „die Burg” Heißt, voraus- 
fichtlich auch diefen Namen behalten wird, fo daß fie, falls man 
fie nicht völlig einebnet, in Zufunft wohl als „Bauernburg” 
gelten möchte.! Alle jene durch Kunft hergeftellten Dertheidigungs- 
werfe dienten, von den Befeftigungswerfen Meldorfs abgefehen, 
nur zur Derftärfung der Hammen. Diefe bildeten die natürlichen 
Bollwerfe der Dertheidigung, im Dergleich zu denen auch Meldorf 
als fefter Plaß nur eine geringe Bedeutung haben konnte. Die 
Deckung, welche die Bammgründe dem Eande gegen feindliche 
Meberfälle gewährten, wurde erhöht und verftärkt durch Hölzungen, 
Buſch und Geftrüpp, mit welchen diefelben beftanden waren. 
Daher war es im Landrecht (Art. 88 des mittl. Ldr.) bei höchfter 
Strafe, 60 Mark Lübſch für jeden einzelnen Mebertretungsfall, 
verboten, im Hammholz der Süderhamme und bei Schaltholt in 
der Norderhamme zu roden und zu fällen — „effte dar jemant 
de Hamme houmede, jdt were tho Süden effte tho Norden, aljo 
verne jdt tho der Hamme hört, de dat deyt, dat bewyflic if, de 
fchall betern dem Lande Söftig £übfche mark, und fo mennich 
mynfche de dat deyt, de fchall deſſe vorfcreven bröfe holden, des» 
gelyten fchall oc betern, de dat ſtüwede tho fchalfholt houwet.“ 
Hierdurch ift wohl nachher die irrige Meinung entftanden, daß 
die Hammen Hölzungen geweien feien und das „Hammholt“ die 
eigentlihe KHamme gebildet habe. Indem die Ditkmarfcher bis 
zur Seit der Befeftigung von Meldorf nur diefer natürlichen 
Hammen und Hemmungen als Stüßen der Dertheidigung fich be» 
dienten, hielten fie es, wie die Spartaner, jagt Neocorus, die ihre 
wehrhaften Männer als ihre Mauer anfahen: Einen Kranz von 
Mauern Sparta die Stadt von Männern, nicht von Steinen, 
hat — De jungen Männer weren der Stadt von Sparta Mlüren! 


! Die „Burg“ nebft der Tränfe wurde 1819 hergeftellt mit einem 
Koftenaufwande von 14 744 M Bamb. Ert. — 17 728,80 Mm Die Koften 
wurden repartirt anf die betreffenden „Haustheile”, deren mit Inbegriff 
der fog. alten und neuen Srafung 128 °/s gezählt wurden. 


208 weiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Die Keitung des Dertheidigungswefens der Döfft war ordent- 
licherweife wohl zunähft Sache der Dögte.e Zur Dertheidigung 
des Landes war jeder Einwohner berufen. Dierzehn Jahre alt 
mußte der Dithmarjcher fchon bei der Waffenfchau des Kirchfpiels 
ſich einfmden und nachher um Pfingften mit feinen Waffen in der 
Beerfchau der Döfft erfcheinen. Mit 11 Jahren und 6 Wochen 
war er mündig, für fein Thun und Lafjen verantwortlih, nur 
durfte er noch nicht mitflimmen. Achtzehn Jahre alt, war er zu 
jeder Staatspflichtleiftung befugt. Er gehörte vor allen Dingen 
nicht fich felbft, fondern dem Lande an, zunächſt dem Geſchlecht. 

Das ganze Dolf war ein Derband freier Gefchlechter. Die 
Gejchhlechtsgenoffen, efchlechtsvettern, ftanden Einer für den 
Andern. War Jemand in feinem Rechte gefränft, fo halfen ihm 
nöthigenfalls alle Befchlechtsgenoffen zur Erlangung von Genug» 
thuung, und wiederum haftete das ganze Gefchlecht für die Schuld 
des Einzelnen. Hieraus entftanden ftete Sehden, fo daß die 
Geſchlechtsgenoſſen ftets fampfbereit fein und das Schwert zur 
Band haben mußten. Daher aber auch die Mannhaftigfeit der 
Geſchlechter. Die Gefchlechtsbünde waren fefte, eidliche Derbünd- 
nifje zu gegenfeitigem Beiftand und zu gegenfeitiger Rechtshülfe. 
„Idt fien in jedem Karfpel herrliche olde Geſchlechte“, jagt 
Neocorus, „fo van undenllichen Jahren her umme ehrer Uprichtich- 
feit und ehrlichen Daden willen mit Berrlichen fchönen Beertefen 
und Wapen gezieret, de under fid in funderlide Brodertembte edder 
Kiufte gedelet uud grote Dorbundnifje gehatt, de eine den andern, 
ock den allergeringften und armften, nicht to vorlaten, fo ehn 
jemand vorunrechtigen und beläftigen wolde.! Im falle nu einer 


1 Wie das Gefchledht die Beleidigung und Befhädigung des Einzelnen 
rädhte, fo haftete es au für den Schaden, den der Einzelne anrichtete. 
ur der Diebftahl war ausgefhloffen. Der gemeine Dieb wurde dem 
Gericht übergeben. Yu Fällen gemeinen Derbrehens und unehrenhafter 
Bandlung fagte fi das Gefchleht von dem Chäter los. Diefer war dann 
gewiffermaßen vogelfrei. Wurde ein foldyer erfchlagen, fo war die Blut- 
rache ausgefchloffen, und es brauchte feine Mannbuße gezahlt zu werden. 


Don d. Schlacht am Öswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, (447.209 


uth frembden Landen fi in einem Karfpel neddergelaten und in ein 
Gefchlecht ſick to begeven edder to befrunden begehrt, fo defulve ehrliche 
undadelig tuchniß finer ehrlichen Gebort, Herlamens, Handelns und 
Wandelns fchriftlich edder ock mündlich und beftändig intügen laten, 
hebben fe denfulven vor einen Deddern des Befchlechts angenamen. Se 
hebben alle Tiedt Sryheit, Ehre und Dögedeleef gehadt.“ Das einzelne 
Befchlecht führte ein gemeinfames Wappen. Die Unterabtheilungen 
des Gefchlechts, die Klufte, unterfchieden ſich voneinander durch 
befondere Kluftzeichen, die fie dem Gefchlechtswappen beifügten 
oder mit dem Gefchlechtszeichen vereinigten, indem fie den Wappen- 
fchild in zwei Selder theilten und in dem einen Felde das Gefchechts- 
zeichen, im anderen das Kluftzeichen anbrachten. Tapferkeit und 
Aannhaftigkeit war der Ruhm, der Glanz des Wappenfchildes 
war der Stolz der Dithmarfcher Befchlechter. Das Anfehen, die 
Ehre des Gefchlechts zu wahren, übten die Gefchlechtsbünde eine 
firenge Sucht über ihre einzelnen Genoſſen. Wer dem Gefchlecht 
zur Schande gereichte, der wurde nach altgermanifcher Sitte ause 
gejchieden. Don dem mächtigen Gefchlechte der Woldersmannen 
wird berichtet, daß es ein zu ihm gehöriges gefallenes Mädchen 
lebendig begraben habe. Das „Weidenftüd“ am Wege von 
Büfum nach Nannemannshufen foll davon benannt fein. Don 
einem Wellinghufener, €. D. Mae, wird gemeldet, daß er jeine 
Schwefter, die gefallen, unters Eis geftoßen und erfäuft habe. 
Deter Swyn und Bojen Herring aus Lunden flelen gewaffnet in 
Neuenkirchen ein, als dort, im Blankenmoor, ein Mädchen aus 
Cunden zu Sal gelommen war, und verbrannten mit der Scheune, 
in welcher das Mädchen als Wöchnerin mit dem Kinde lag, beide, 


Ein Gleiches galt in Beziehung auf übelberüdtigte („uthgaende‘) Weiber. 
Auch bei diefen war Blutrache und Bußzahlung ausgefhloffen. — Baftete 
aber das Geſchlecht für den Schaden, den der Einzelne anrichtete, auch für 
die Mannbuße, fo fiel doch die „Brüche“ für den gebrochenen Srieden, 30 Mark 
für den Landfrieden, co Mark für den Marktfrieden, dem Schuldigen allein 
zur Kaft. 


Dithmarfcher Geſchichte. 1% 


210 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


das Mädchen und das Kind. Das Blut der Dithmarfcher 
Gejchlechter follte von Kucretien zu £ucretien fließen. In der 
Zucht fo firenger Denkungsart, wie fie hier fich zeigt, und welche 
die ganze Lebensweife beherfchte, mußte ein fo hartes und fräftiges, 
wie ftolzes, Geſchlecht erwachfen. Don folcher Sucht in harter 
Arbeit, Keufchheit und Mäßigkeit, fagt Neocorus, „find oc folte 
lange, fine Helden, ſolke ftarle Kiver, Arme und Süfte hergelamen“ 
und, fügt er, auf die in folcher Zucht erwachjenen Weiber fehend, 
bei, „von ſolker Moder Brufte ift fodanes Mannes Herte und 
Heldenmoth getagen unde gefagen”. Als ein überaus hartes, 
fräftiges, mannhaftes und freiheitsftolzes Dolt werden die alten 
Dithmarfcher von allen Ehroniften, Sreund und Seind, gejchildert. 
Ehriftoph Kellinghufen vergleicht fie den himmelftürmenden Giganten 
und den Eyflopen, von deren Wucht die Erde erzitterte.! Reſen 
nennt fie ein Dolf, fo hart, halsftarrig und grob, wie fein anderes 
Dolt der Ehriftenheit. Selbft der Presbyter Bremenfis, der 
erbittertfte Seind der Dithmarfcher unter den holfteinifchen Chro- 
niften, muß ihnen den Ruhm hoher Tapferleit und freiheitsftolzer 
Gefinnung eines urfräftigen, mannbaften Dolfes zugeftehen. „Die 
Dithmarfcher”, fagt er, „find ſtark von Kräften, fühn und hurtig; 
dabei lang und hager, und ftehen darauf, ihr Land frei zu erhalten 
oder für defien Sreiheit zu fterben.” Erhalten fie äußere Seinde, 


ı D. Carftens berichtet, daß 1748 unter dem Chor der Kirdhe zu 
Wöhrden Särge aufgegraben worden, die über 9 Fuß lang waren und 
Stelette enthielten, an weldhen das Scienbein 3 Fuß 4 Soll maß. Statt 
Scienbein ift wohl Schenfelbein (Femur) zu lefen. Das entfprähe aber 
immer noch einer Körperlänge von reidhlid 8 Fuß. 

? Die Hurtigkeit, die man den alten Dithmarfchern nachrühmt, erfcheint 
nit nur als äußerliche Gelenfigkeit, fondern auch als innere Bewandtheit 
und Zebendigfeit: „Se find up alle Dinge behandt, von Vatur gefhwind 
thom Rechtegang, dat hangt ehnen an ehr leventlang”. Es gehörte das zur 
Tugend der Mannhaftigkeit, denn „bald foll der aufftehen, der eines Andern 
Babe erwerben will; felten erlangen liegende Wölfe Nahrung und fchlafende 
Männer den Sieg”, wie es beiden Alten hieß. „Sie wahrten”, fagt Jemand 
von den Alten, „die Schnellfraft, der Jugend“ und die Jungen — „fie rangen 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeihnung d. Kandredhts, 1447. 211 


jo hört alsbald alle Sehde unter ihnen auf, bis der Krieg von 
außen beendigt if. Sie find untreu und halten nicht, wenn fie 
gefangen werden, und find nicht mächtig, Löjegeld zu geben, wenn 
fie auch reich find. Sie find unbarmherzig und erfchlagen, wen 
fie finden, und geftatten nicht, daß die Erfchlagenen begraben oder 
zu ihren Sreunden gebracht werden. Untereinander befchimpfen 
und läftern fie fich, doch ift es ihnen nicht geftattet, dabei das 
Schwert zu ziehen. Sie find von fchlechten Sitten. Außer ihren 
Häufern fchlingen fie das Efjen ein, wie die Hunde; fie befpotten 
die Leichen und entblößen fie. Die Dithmarfcher Weiber find wie 
wilde Chiere und reigende Wölfe. Sie gehen zum größten Cheil 
in langen Kappen (Kageln) einher, wie Säue,! und erfühnen fich, 
todtzufchlagen, verjpotten dabei die Leidname und reißen diejen 
wohl die Magen heraus, fegen die auf lange Stangen und weis- 
fagen aus denfelben. Wenn Jemand fie überwinden würde, 
Tönnte er ihnen doch nicht trauen. Da fie ihre vorigen Herren 
erjchlagen haben, fo wäre daher immer zu befürchten, daß fie 
nachfolgenden Herren ein Gleiches thun würden. Es ift ein Sprich- 
wort bei ihnen: Seige deine Hand her; wachfen Haare darin, 
will ich dir trauen! Daher hat ein Dichter gefagt: Dem Dith- 
marfcher magft du frauen, wenn Baare in feiner Hand gefunden 


und fprangen, fie fhlugen und trugen und was fie mehr trieben, des ift 
bei uns wenig blieben. Was man dafür fhulmäßig einzuführen geſucht 
hat und noch ſucht, das Turnen — ift das nicht, allein es möchte doch dazu 
dienen, daf die Kunft die Hatur uns wiederbringt, welche ihre Regeln in 
Arm und Bein fchreibt und läßt in jeder Planfe und Schranke ein 
Turnwerk ſehen“. 

ı „Sunt ut ferae et lupae rapaces, pro majori parte capita oblongate“, 
heißt es beim Presbyter. „Caput“ foll hier wohl nicht Kopf, fondern Hanpt- 
ſtück bedeuten und ift als foldhes für Hopfzeug genommen. . Das „ut sues“ 
ift hier weit hergeholt. Das kann aber bei dem Presbyter nicht befremden, 
und die Köpfe würden hier doch nirgends hinpaffen. Neocorus hat denn 
auch capita hier Kageln überfeßt: „Lange Kageln ae Sögen“. — Daß 
die Kagel eine ſtattliche Tracht war, zeigt das befannte Bild von Marcus 
Swyn und feiner Ehefrau. 


14° 


212 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


werden. Man meint, dag die Dithmarfcher eher durch Eift, als 
Durch Gewalt, zum Gehorfam gebracht werden könnten, wenn 
man einigen der Vornehmſten unter ihnen Geſchenke machte und 
fich diefer dann wider die übrigen bediente. Sie find fehr begehrlich 
und nehmen gerne Gefchente nnd um Gejchente thäten fie viel. 
leicht Ungewöhnliches.! Eins ift noch zu merken, daß ihr Land 
voll Volkes ift und fie bei fechstaufend auserlefene Männer ins Feld 
ftellen können, daher man menigftens mit ebenjovielen geübten 
Kriegsfnechten, ohne den gemeinen Haufen (der holfteinifchen 
Bauern) wider fie ziehen müßte, denn fie wollen lieber als freie 
Leute fterben, als in Knechtichaft leben.” So der Presbyter auf 
dem einjeitigen befchränften Standpunft der älteren holfteinijchen 
Ehroniften, denen ein Volk „ohne Herrn“ ein Dolf ohne Bott war. 
Den Stolz der Dithmarfcher auf das Befchlecht fennzeichnet diefer 
Chronift, indem er fagt: „Sie achten ihre Nachbarn gegen fich 
gering, ſich felbft aber hoch und edel, denen niemand zu vergleichen 
in dieſen Kanden.” Albert Eranz fliimmt dem bei mit der 
Bemerkung: „Sie find von einem befonderen Xationalftolz und 
verlafjen fich nur auf ihre Tapferkeit.” Es war das der Stolz der 
Nitterlichkeit, der in der Derfaffung des Volkes in Gefchlechter 
begründet war und daher auch ftets in Wdelsgefchlechtern fich ent- 
widelt hat. Xeocorus fagt in diefer Beziehung: „Men hefft od 
nicht de, fo dithmerfcher Beblöts gewefen, mit anderen, Uthlandern 
edder Srömbden, vormenget, edder Doch felten, fondern idt 
hoch und herrlich geachtet, dat man des Landes Art rein und 
unbeflett van allerhand Srömbden und knechtiſchen Geblöt 








! Der Presbyter, als getreuer Unterthan, fchreibt im Dienft und im 
Sinne der Holftienherren. Anch die verworfenften Mittel waren gut genug, 
um dem Nanbgelüft der Holften auf Dithmarfhen zu dienen. Gehorfam 
der Dithmarfcher ift im Sinne des Presbyters nicht etwa Gehorfam gegen 
Kaifer und Neid oder gegen den Erzbifchof, fondern Unterwerfung unter 
die Holftenherren. Daher hieß es bei den Dithmarfchern in Beziehung 
auf den Dorwurf, daß fie unbarmherzig die Feinde erfchlügen: Ick fla Feen 
redliden Krieger dodt; ick fla blot Schelm und Deefe! 


Don d. Schlacht am Öswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Kandrecdts, 1447.2 13 


beholden und bewahren mochte. Hebben ehnen lever vorgönnet, 
mit ehnen to leven, erwerven und fi to berifern, alfe dat fe 
defulden to Regiment und Schwägerfchop ingelaten und ehre 
Derrlichleit gemein gemaket.“ &s hatte fich zur Tapferkeit jener 
Stolz der Ritterlichfeit gefellt, der von Altersher üBerall bei Denen 
fich gefunden hat, die, gleich den alten Dithmarfchern, zu Schwert und 
Schild geboren waren. Was hier die Adelsgefchlrechte find und 
waren, das waren: dort die freien Dollsgefchlechter, die Mannien. 
Daher hieß es auch bei den Dithmarfchern in alten Dollsliedern : 
„Dithmerfchen fchölen Buern fien; idt mögen wol wefen Herren.” 
Der „Bauer”, den die Dithmarjcher hier von fich ablehnen, war 
eine Erfindung holfteinifcher Ehroniften aus der Zeit der Blüthe 
der Adelsherrfchaft und der Hörigfeit und Keibeigenfchaft, aus 
welcher das Sprichwort bei den Dithmarfchern ftammt: Je wieder 
in’t Holſten, defto dummer de Efel! Nach holfteinifchen Begriffen 
mußte der Bauer von Gottes und Rechts wegen nothwendig 
einen Herren haben, den Adelsmann. Der „Bauer“ ohne Herrn 
follte das Gelüfte des Adels nach Dithmarfchen rechtfertigen. 
Bauern im Sinne der hHolfteinifchen Ehroniften Hat es in Dith- 
marfchen nie gegeben. Auch der Befchäftigung nach waren die 
Dithmarfcher nicht Bauern zu nennen. Meldorf, Wöhrden, Büfum, 
Weflelburen, Cunden, Hennftedt, Tellingftedt, Burg, Brunsbüttel, 
fpäterhin auch Marne und Heide, waren gewerbreiche ®rte, trieben 
Handel, Schiffahrt und ftädtifches Gewerbe. Es gab in dieſer 
Beziehung relativ mehr Bürger in Dithmarjchen, als in BHolftein. 
Weil aber nach außen hin der Grundbefig vornehmlich das Land 
repräfentirte, mußten den adligen Grundherren in Holftein gegenüber 
die Grundherrn in Dithmarfchen zu Bauern geftempelt werden. Bu, 
ur, pur hieß ehemals fo viel wie Haus, Heimſtatt, domicilium; Nah⸗ 
fapur, Nabur, der Nachbar; Burfcop, Bürgerfchaft. Daher „Ham« 
borger Buerfprafe”, eine Sammlung von Beliebungen der Bürger- 
fchaft. In diefer Bedeutung war die Bezeichnung Bauer und Bauer: 
fchaft in Dithmarfchen bräuchlich. Noch jeßt ift die offizielle Bezeichnung 


214 Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


für Hofe und KLandbefiger dort „Hausmann“. Das Prädikat 
„Herr“ fam damals außer den Geiftlichen, den Kirch- und Pfarr- 
herren, nur den Adligen zu, den zu Schwert und Schild Beborenen, 
die Niemandem hörig waren. Niemand aber war weniger hörig, 
als die freien’ Dithmarfcher im freien Erbe der Däter, die zu 
Schwert und Schild geborenen Mannen der dithmarfcher Bejchlechter. 
Daher achteten fie fich den Herren, dem Adel gleich: „Dithmerfchen 
fchölen Buern fien; idt mögen wol wefen Herren!“ Der Stolz 
der alten Dithmarfcher, den die Holften und die längft beszwungenen 
Stiefen, ihre Nachbarn, als Anmaßung und unerträglichen Hochmuth 
empfanden und bezeichneten, wie derfelbe fich ausfpricht in dem 
Worte: „Dithmarjcher Ehr’, ftolte Ehr’, Dithmarfcher Ehr’ findt 
man nimmermehr!” berubte und wurzelte in der Derfaflung des 
Dolfes in Mannien, deren Wablfpruh war: „Nicht flegen, 
jondern ftaen, dat ift in Godt gedaen!" Die Derfaflung der 
Dolfsgemeinde in Mannien war altgermanifchen Urfprungs und 
findet fich außer Dithmarfchen nur bei den Germanen des Vordens, 
namentlich den Dalelarliern, nirgends aber in fo hoher Entwidelung, 
wie bei den Dithmarfchen. Die Zugehörigkeit zum Gefchlecht, 
der Mannie, begründete bei den alten Germanen erft das Recht 
des Einzelnen in der Geſamtheit. Wer nicht zum Gefchlecht 
gehörte, der hatte Fein Recht unter den Doltsgenofjen, war unfrei. 
Unfreie gab es bei allen deutfchen Dölferfchaften, nur bei den 
Dithmarfchern nicht. Hier fonnte es feine Unfreie geben, weil die 
Gefamtheit, die ganze Dollsgemeinde, in Befchlechtsbünde verfaßt 
war. Die Zahl der Dithmarfcher Gefchlechter belief fich auf weit 
mehr als hundert. Außer den von Neocorus genannten ?ennen 
wir aus Urkunden noch 30 bis 40 andere, und es ift anzunehmen, 
daß viele der von Neocorus nicht angegebenen Befchlechter auch 
in Urkunden nicht genannt worden find. Aus diefer großen Sahl 
erhellt fchon, daß die Dithmarfcher Mannien zu Gefchlechtern im 
eigentlichen Sinne geworden find, indem blutsverwandte Gemein⸗ 
ichaften zu Mannien fich entwidelten. Als folcke Mannien und 


Don d. Schlacht am Öswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447.215 


Gemeinſchaften erfcheinen namentlich die Befchlechter, reſp. Kiufte, der 
Nannen, Smwynen, Poppen, Herringen, Bojen, Todiemannen, Hodie- 
mannen, Jerremannen, Haversmannen, Wittingmannen, Rifemannen, - 
Wennemannen, Edemannen, Wellinger, Dalemannen, Brunemannen, 
Bodiemannen, Harfemannen, Dolfemannen, Olingmannen, Ethelele 
(Eihelinge), Guden, Alverden (Elverden), G©ttersmannen und 
Wollersmannen, die dauernde Denkmäler und Erinnerungszeichen 
ihrer einftigen Bedeutung hinterlaffen haben in den nach ihnen 
benannten Ortichaften: Nannemannshufen, Swynhuſen, Poppen- 
hujen, Poppenmwurtb, Poppentröge, Beringjand, Bojenfamer (jebt 
noch eine Anbauerftelle), Todienwifch, Hodienwifch, Jarrenwifch, 
Haferwifch, Wittenwurth, Weddinghufen, Weddingftedt (Wedding: 
Mitting,; Wed⸗Witt; Weddinghufen wurde auch Wittenhufen genannt 
[Sehje, 351]; Paftor Johann Groth zu Weddingftedt hat fich 1544 
als Paftor zu Widdenftedt— Pastor Widdenstedanus — unterfchrieben), 
Riſedorp (Kiſe; der Niefewohld hat den Namen nach dem rt), 
Wennemannswifch, Edemannswifch, Edemannswurth, Wellinghufen, 
Walenkujen, Bruhnsdorf, B5ddinghufen, Harſemannshuſen, Dolfe- 
mannshufen, Ohling, Eddelad (Ethelekeswiſch in alten Urkunden) 
und in der Sorm von „Ethelingftedt” auch Tellingftedt (Ethelefe 
ift, nach Analogie von Anneke, Wibeke, Swinede zc., Diminutiv 
von Ethele, Eddele.. Diefess war ein gewöhnlicher ame in 
Dithmarfchen;, Ethelinge find die Genoſſen der Mannie der 
Ethele!), Eudendorf, Alberftorf (Alverdesdorp), Elpersbüttel 
(Elverdesbuttel, Elversbuttel), Odderade und Meldorf (Molldorp, 
Mõldorp — in lateinifchen Urkunden Milinthorp.? — Auch Röſtorf 
und Röfthufen, Düderswifch, Lüdersbüttel, Lehrsbüttel, Sarzbüttel, 


ı In dem Derzeihnif der 1500 bei Meldorf gefallenen Dithmarfcer, 
für weldye zu Meldorf Seelmefjen gelejen wurden (Bolten III, 136), find 
Uudefwerdes Eddele und Elewen Eddele aufgeführt. Die Ethelinge haben 
hier fiher mit „Adalingen“ der alten Deutfhen nichts zu thun. 

* Molldorp-Mühldorf, Mylendorp (angelf.), in oberdentſcher Ausſprache 
Mielendorf, daher dann Milinthorp. Die Mielenau hat wohl nad dem 


216 Sweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Wolmersdorf, Aidelshof (Nidelshave), Ketelsbüttel (HKetel ift noch 
jegt als Dorname in Dithmarfchen befannt), Tensbüttel (Töns. 
büttel), Offenbüttel, Ehlingftedt, Hollingftedt und andere Ortsnamen 
deuten auf beftimmte Kluft- und Samiliennamen zurüd, und 
überhaupt klingen die alten Ortsnamen, wie in der Marfch, fo 
auf der Beeft, durchweg fo unverfennbar an Benennungen nach 
Mannien an, daß eine Beziehung auch der präfumtiv älteften 
Ortsnamen zu Kluft⸗ und Gefchlechtsbenennungen hier gar nicht 
zweifelhaft fein kann. Wenn dabei eine Beziehung auf beftimmte 
Mannien nicht immer hervortritt, fo erllärt fich das aus der 
Umänderung, welche Ortsnamen im Laufe der Zeit erleiden. — 
Ein Beifpiel für foldhe Umänderung von Ortsnamen, wodurch die 
urfprüngliche Bedeutung der leßteren vermwifcht und unfenntlich 
wird, bietet hier Nannemannshufen, das im gewöhnlichen Spradh- 
gebrauch in Almenhujfen und Allmannshujen verunftaltet worden 
und in der Sorm von Almenhufen auch von Dörfer (Topographie 
von Schleswig-Holftein und Lauenburg, 1827) aufgenommen worden 
if. Bier ift in „Almenhufen“ jede Spur einer Benennung nach 
der angefehenen Mannie der Tannen verwifcht, und doch gehört 
Nannemannshuſen zu den jüngften der nach Mannien benannten 
Ortſchaften des Landes. Es kann denmach nicht verwunderlich 
erfcheinen, wenn in manchen der relativ älteren Ortsnamen 
der Geeft die Beziehung auf beftimmte Mannien weniger 
heroottritt. Diejenigen der Hier genannten Mannien, von 
welchen wir durch die Gfchichte nähere Kunde haben: die 
Nannen, Swynen, Poppen, Berringen, Bojen, Wittingen, Brunen, 
Guden 2c., waren Kluft und Samilienmannien; daher ift es, wie an 


Ort den Namen, wie au die Tilenau bei Tellingftedt. für letzteres 
fpricht die Analogie: Freſtedterau, Sredebed, Helmſche Bed, Wolbersau, 
Dellbräd-Au, fielan, Brodlandsan ıc. DieAuen wurden nad Ortfchaften 
und Diftritten benannt, faum jemals Ortfchaften nah einer Au. — Die 
„Mollrinen” bei Xleocorus find nicht die Mollersmen, die ſchon früh in 
Urkunden genannt werden. 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeihnung d. Landredts, 1447. 217 


fih, fo auch nach Analogie, wahrfcheinlich, daß es überhaupt 
bintsverwandte Gemeinjchaften, Sippen, „Lemden”, „Schwäger- 
fchoppen“, waren, jene Mlannien, die hier im engeren Derbande, 
jede für fich, gefondert voneinander, die nach ihnen benannten 
Anfiedelungen gründeten. Biernach find dann auch die nach dem 
Wohnfig benannten Gefchlechter, die Waller, Heywifcher Kroger 
Mienkroger), Büttler, Sommerhufener, Hohworder und andere, zu 
rechnen, bei welchen zum heil, wie bei den Heywifchern und 
den Sommerhufenern, der Name darauf hindeutet, daß hier eine 
befimmte Kluft- oder Samilienmannie fich angefiedelt hatte. Zumal 
aber gehören hierher alle Mannien, deren ame als ein Patrony- 
micum im eigentlichen Sinne, als erblich gemwordener Familienname, 
erfcheint, wie die Haden, Pylſen (Pilfen), Belde, Jen, Witt⸗Icken⸗, 
Herken Elaes», Mitte Daden-Schlacht, Hennier Peters Volk, Wolderides- 
mannen, Weyenmannen in der Meldorfer Döfft, Hernaken zu 
Brunsbüttel, Boldesmannen zu Wöhrden, Neckelsvolk zu Ketels- 
büttel, Hellmannen zu Büfum, Beensmannen, Erpien-Schlacht (letere 
zu Schülp, wo bis in Ddiefes Jahrhundert hinein die Erpen- 
Samilie begütert war, anfäflig; die halbe Weflelburner Feldmark 
war zu einer Seit von den Erpien eingenommen), Brot Hennemann- 
Schlacht zu Weflelburen, Ebbingmannen, CLamimannen (£ammers« 
manmnen), Sulemannen, Bammen und _Jfemannen zu Eemme, 
Portmannen, Broersmannen, Denkers Doll, Bilsmannen, Tantmar: 
mannen, Bootsmannen, Ruſſen und Ruffebellinger zu Cunden, die 
Helms, Halkmannen und Beiersmannen zu Meddingftedt, Itzemannen, 
Mulemannen, Eversmannen, Grevesmannen, Bardersmannen, 
Neelgmannen, Seden (früher zu den Itzemannen zählend), 
Cütke _Jebemannen-Schlaht, Riddersmannen, Porhebfemannen, 
Dornottemannen, Porgifjelmannen in der Norderkamme,! Beiens» 


1 Die Namen der Befchlechter der Dorhebfe-, Dornotte- und Vorgiſſel⸗ 
mannen, die alle drei zu Delve ſeßhaft waren, find wohl urfprünglid 
Matronymica, Bennungen nad der Mutter, gewefen. Dor, Der — frau 
(daher noch Junofer). Hebke, Notta (Motta) und Giffela (Gifela), waren 
gebräuchliche weibliche Dornamen. Benennungen nad der Mutter aber 


218 Zweiter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


mannen zu Alberftorf, Heidsmannen, Doß Hennekens Volk zu Burg, 
Bolingmannen, Syrfingmannen, Amezhingemannen (Amizemannen), 
Danidemannen, Todenmannen, Studen zu Brunsbüttel, Dahde- 
mannen, von Eye, Witte Willersmann zu Marne! Wo der 
Gefchlechtsbenennung ein zwiefacher Name zu Grunde liegt: Witte 
Daden-, Herken Elaes-, Witt den, Brot Hennemannen⸗, Lütle 
Jebemannen-, Witte Willersmannen-Schlacht, Hennier Peters Doll, 
Doß Hennekens Volk zc., da find die Doppelnamen entweder Unter- 
fcheidungsnamen für die betr. Dafen, Herken, Icken zc. von anderen, 
Doppelnamen, wie fie 3.8. Teocorus I, 623 und 633 vorkommen, 
wo u. 4A. Nicolaus Bojebenneten Sohn und Peter Bojenannen 
Sohn genannt werden, oder es find diefelben Bezeichnungen für 
Derbindung zweier urfprünglich verfchiedener Klufte, refp. Ge» 


waren in Dithmarfchen nicht felten. Unter den 1412 in Sriesland erhängten 
Dithmarfhern war einer Namens Hebbefen Dolfeff. Deffen Bruder wird 
Hebbeken Ridworth genannt. Einer der vornehmften Dithmarfcher, die der 
König Erid von Dänemarf 1422 zu gewinnen fuchte, war hebbeken Bans. 
In dem Derzeihniß der 1500 bei Meldorf gefallenen Dithmarſcher, für 
welche Seelmeffen zu Meldorf zu halten waren (Bolten III. 136), find u. A. 
auch Anneken Peter, Klawes Gretenfon und Witten Grete twe dochter 
kynder genannt. Unter den 1559 beftellten Serichtsräthen war Hebbefen 
Deter zu Tellingftedst. Eine Urkunde bei Neocorus (I, 624) nennt u. A. 
Karften Greten, Zagher Hebbefen und Johannes Dorwiben. Es handelt fidh 
bei Benennungen nad der Mutter um Kinder früh verwitweter Mütter. 
Indem der Sohn die matronyme Benennung beibehielt, vererbte ſich diefelbe 
von Dater auf Sohn und wurde fo patronymifh. In den meiften fällen 
wurde das „Dor“ abgeworfen, in einigen wenigen nur ward es mit übertragen. 

1Natürlich kann die Bezeichnung der Geſchlechter nady ihrem Wohnfitz 
bei den Chroniften immer nur relativ zutreffend fein, da die Geſchlechter 
im Laufe der Zeit ihren Wohnfig mannigfady verſchoben, erweiterten oder 
verengten. So finden fi Ebbigmannen aud zu Brunsbüttel, Wennemannen 
zu Barlt und im Süderfirand, Boligmannen, Hammen und Jfemannen auf 
Büfum. Letztere follen fogar zu einer Seit das flärkfte Geſchlecht der Inſel 
geweien fein. Die Hammen waren hier fo zahlreih, daß audh ein Wehl 
nah ihnen benannt worden, fagt Zleocorus. Ueben dem Bammen-Wehl 
aber nennt er n. 4. noch den Smwinenwehl, Jdenwehl, Wittenwehl und 
Bilfenwehl, und ift es demnad nicht zu bezweifeln, daß auch Swynen, Jden, 
Mitten und Bilten auf Büfum ſeßhaft waren. 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447.219 


fchlechter, zu einer und derfelben Mannie, wie fie nach Neocorus 
vornehmlich dann eintrat, wenn einzelne Gefchlechtsverbände an 
Mannzahl fo gejhwäct waren, daß fie für fich allein als eigene 
Mannie fich nicht mehr zuhalten vermochten. Daß die Namen der 
Mannien hier im eigentlichen Sinne Patronymica find, dafür zeugen 
die Wappen vieler der genannten Gefchlechter mit fog.fprechenden 
Wappenzeichen, wo zum Theil das Wappenzeichen dem Namen 
angepaßt, zum Theil aber der Name dem Wappenzeichen entlehnt 
worden ift und wo das Beichlechtswappen als fprechendes Samilien- 
mwappen erfcheint, fo bei den Hafen mit drei Keſſelhaken im Wappen, 
den Pylien mit einem Pfeil (Piel), Bennsmannen mit einem ge- 
ftiefelten Bein, Eamimannen mit einem Lamm (Gotteslamm), Sule⸗ 
mannen mit einer Säule, Iſemannen mit einem Pflugeifen, Bilsmannen 
mit einem Beil, Tantmarmannen mit einer Zange, Bootsmannen 
mit einem Boot, Mulemannen mit einem Maulthier (Mul) an einem 
Maulbeerbaum, Hanicdemannen mit einem Hahn, Bardersmannen mit 
einem Herzen, Teelgmannen mit drei Nägeln, Beiensmannen mit einer 
Eberefche (Dogelbeerbaum, Beienboom), Heidsmannen mit einem 
Beideftrauch im Wappen. Bier ift der ame der Mannien unftreitig 
patronymifch, erblicher Samilienname, geworden, und erjcheinen Sa- 
milien, die bis zur Gegenwart mehr oder weniger gefchloffen fich forter:- 
halten haben, als Gefchlechts- refp. Kluftmannien. Bierher gehören 
ohne Zweifel auch die Öttersmannen mit einer Otter, die Buttler 
(Büttler) mit einem Butt (Bütt), die Hifemannen mit einem Reis (Ries), 
die Mollersmannen mit einem Mühlrad (Mollrad), die Wellinger 
(auch Wellinghufener genannt) mit einem Wellbalten im Wappen, 
und manche andere der Mannien, nach welchen Ortſchaften benannt 
worden, mit fprechenden Wappenzeichen. Bei der Deutung der 
Namen diejen Mannien ift die Beziehung auf Namen beftimmter 
Derfonen als Sührer und Häuptlinge, nach welchen die Gefchlechter, 
gleichwie die Geleite und Gefolgſchaften altdeutjcher Dölkerfchaften 
benannt worden wären, ausgefchlofien. Die Befchichte weiß hier 
von Sührern und Häuptlingen in der Art der Geleitsherren und 


220 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Sührer der Gefolgichaften bei den alten Deutichen nichts; die Be- 
nennung der Beleite und Gefolgfchaften nach ihren Herren und Sührern 
vererbte fich nicht fonftant, wie der Name der Dithmarfcher Mannien, 
fondern wechfelte mit den Führern und Herren felbft, und endlich hatten 
die Dithmarfcher Mannien mit den Geleiten und Befolgfchaften bei den 
Deutfchen durchaus nichts gemein in Wefen und Sorm, nach Urfprung 
und Bedeutung. Der Urjprung der Mannien geht über die 
gefchichtliche Seit hinaus zurüd. Die Gefchlechter finden fich 
am Anfange der gefchichtlichen Seit fchon vor, und Feine 
Tradition oder Sage meldet etwas von einem Anfange der 
Dithmarfcher Gefchlechtsbünde. „Idt find in jedem Karfpel olde 
herrliche Gefchlechter van undenklichen Jahren her,” fagt Neo⸗ 
corus, — ein Beweis, daß fchon zu feiner Zeit feine Tradition 
und feine Sage vom Anfange der Gefchlechtsbünde im Volke 
mehr lebendig war. &s wußten die Dithmarjcher ebenfowenig 
etwas von einem Anfange der Derfaflung des Volkes in Geſchlechts⸗ 
bünde, wie die Deutfchen zur Wömerzeit etwas vom Anfange 
ihrer Sreiheit wußten. Sie hatten Ddiefelbe von der Urzeit, 
(d. i. hier die vorgefchichtliche Zeit), her befeffen. In den Namen 
der älteſten Ortfchaften des Kandes Fönnen wir die Spur des 
Dafeins der dithmarfcher Gefchlechter zurüdiverfolgen bis zur 
Seit der erften Anfiedelung der Sachfen im Lande, über die Zeit 
der Blüthe des Unmwefens der Geleit- und Gefolgjchaften hinaus, 
in die germanifche Urzeit hinein. Nicht auf altdeutjche GSeleit- 
und Gefolgichaften, fonden auf altgermanijche Mannien deuten 
die dithmarſcher Gefchlechter zurüd. Die Geleite und Gefolg- 
jchaften der Deutfchen waren nur verderbliche Auswüchfe der alt- 
germanifchen Derfafiung des Volkes im HBeerbann der Heermannie. 
In der Entwidelung der Geleite und Gefolgfchaften vollzog fich 
die Auflöfung des Heerbannes der Nation, und mit der Heermannie 
ging auch die Sreiheit der Deutjchen zu Grunde. In den Geleiten 
und Gefolgſchaften wurden die Mannen zu Leuten von Herren, 
der Geleitsherren nämlich und der Führer der Gefolgſchaften, zu 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b. 3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447.22] 


Söldnern und Eohnfnechten. Die endliche Solge war der Derfall 
der Maſſe der Nation in Herrendienft, Hörigleit und Zeibeigen- 
fhaft. Unter der Herrfchaft des Syftems der Seleite und Gefolg- 
fchaften fonnten Mannien, wie die dithmarfcher Gefchlechter waren, 
nicht befteken und nicht auflommen. Daher findet man auch bei 
den deutfchen Dölkerfchaften nichts, was der dithmarfcher Derfaffung 
des Volkes in Befchlechtsbünde gliche oder auch nur entfernt ähnlich 
wäre. Indem die Dithmarfcher der altgermanifchen Derfaflung 
des Volkes in der Heermannie treu blieben, wahrten fie die Der: 
fafjung der Volksgenoſſen in Gefchlechtsbünde. Don hier aus, als 
Refultat der Entwicdelung auf Grund der altgermanifchen Der: 
faſſung des Volkes im Heerbann der Heermannie angefehen, werden 
die dithmarfcher Gefchlechter in ihrer Ausprägung zu Samilien- 
mannien am Anfang der GBefchichte überhaupt ihrer Eriftenz nach 
erft begreiflih. Eine Scheidung nach örtlicher Begrenzung in 
Bau, Bezirks: und Bemeindemannien, oder nach Kopfzahl in 
Hundertfchaften, Eente zc., wie fie Karl der Große zum Zwecke 
der Wiederberftellung des alten Heerbannes vornahm, konnte nad 
Willlür oder Swedmäßigfeitsgründen zu jeder Zeit getroffen und 
abgeändert werden; eine Sonderung der Heermannie des Volkes in 
Gefchlechter im eigentlichen Sinne des Wortes, in Samilienmannien, 
wie fie in Dithmarfchen beftand, aber konnte nur im Laufe der Zeit 
von Generationen fich allmählich entwideln und Beftand gewinnen. 
— Indem Klufte zu Gefchlechtern fich entwicdelten, wurden „Schwäger- 
fchoppen" zu „Kiuften”, und fo Fonnten auch Gefchlechter mit zahl- 
reichen, verfchiedennamigen Kluften, wie das Gefchlecht der Wolders« 
mannen, deren Namen nicht auf Perfonennamen zu deuten if, — 
der Name der Woldersmannen deutet wohl nicht auf Wolt (Walter), 
fondern auf Wold (Wohld, Wald), da die Woldersmannen, in 
ihrer Derbreitung von der Norderhamme (dem Gebiet des Hafens 
Ulerdamm, woher vielleicht die gefreuzten Anker im Wappen des 
Geſchlechts) über Nordhaftedt nach Heide und Wöhrden, gerade 
in der waldreichen Gegend des Landes jeghaft waren, die vorzugs- 


222 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


weife als „Wohld“ bezeichnet wurde! — im eigentlichen Sinne 
Sinne Gefchlechts-, d. i. Samilienbünde, fein. Eine Ausnahme 
macte Hier wohl nur das Gefchlecht der Dogdemannen. Die 
Derbindung der leßteren untereinander fcheint mehr eine äußerliche 
Dereinigung, ein Zujammenhalt im Koloniftenverbande, als ein 
eigentlicher Sefchlechtsbund gewefen zu fein. Die Dogdemannen 
waren friefifcher Herkunft. Neocorus meldet, daß fie aus dem 
Butjadingerlande gefommen feien; wann, fagt er nicht. — Eine 
Samiliennachricht der Bojen aber befagt, daß der Stammvater des 
Öefchlechts, Dage Boje, aus dem Lande Wurften nach Dithmarfchen 
gekommen jei unter der Regierung des Erzbifchofs Hartwig U., 
nach dem Tode Heinrichs des Löwen, und daß der Erzbifchof ihn 
nıit der Elbfähre bei Brunsbüttel und verfchiedenen Einfünften 
aus dem Öftermoor, aus welchem er von jedem Haufe ein Rauch⸗ 
huhn (Roithohn, Huhn von jedem Rauch, jeder Seuerftelle) bezogen, 
belehnt habe. Ziemlich genau ift alfo die Zeit der Sriefen- 
einwanderung zu beftimmen. Heinrich der Löwe farb 1195; in 
demfelben Jahre fchloß der Erzbifchof mit dem Grafen Adolph LI. 
von Holftein jenen Dertrag, nach welchem diefer mit der Grafichaft 
Stade belehnt fein und den dritten Theil der Einfünfte aus der- 
felben genießen follte. 1201 aber bemächtigte König Knut VI. von 
Dänemarf fich des Kandes. Zwiſchen 1195 und 1201 muß demnach 
die Einwanderung begonnen haben. In den Jahren vorher hatten 
große Ueberjhwemmungen das Eand betroffen. Auch Holland und 
Sriesland waren um 1200 ftarfen Derheerungen durch Sluthen 
unterworfen. 1173 und 1176 war die Noth durch hohe Sluthen 
dajelbft jo groß, daß man befürchtete, Holland werde für immer 
verloren fein und ins leer verfinfen; bald nach 1200 wurde das 
Land Durch eine noch gewaltigere Fluth heimgefucht, die ihrer un- 
gewöhnlichen Höhe wegen bei den Ehroniften die höchfte nächft 

* Daher die Bezeihnungen Ofter-, Wefter., Rife- und Bennewohld für 


Ortſchaften in diefem waldreichen Gebiet, über welches die Woldersmannen 
fich verbreitet hatten. 


Don d. Schlacht am Oswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447. 223 


der Sündfluth Heißt. Damals litten auch die Marfchen an der 
Elbe große Noth. Es ift daher erflärlich, daß zu der hier in 
Betracht fommenden Zeit ganze Kolonien von Holländern und 
Sriesländern in den Küftengebieten an der Elbe neue Anfiedelungen 
gründeten. Die Sriefen ließen fich vornehmlich in der Mlarfch 
nieder. Sie hießen wahrfcheinlich anfangs alle: Dogdemannen; 
auch die Bojen rechneten fih zu den Dogdemannen. Zur Er« 
Hlärung des Namens hat man angenommen, daß die friefiichen 
Koloniften einem Dogt unterftellt gewejen feien. Das hat Andere, 
die den Unterfchied zwifchen Koloniftenverbänden und Befchlechts- 
bünden außer acht gelaffen, auf die Meinung geführt, daß die 
Dögte des Landes aus einem beflimmten Befchlecht genommen 
worden wären, welches dann als Dogdemannsgejchlecht bezeichnet 
worden. In Konfequenz folcher Annahme fonnten dann die Dogde- 
mannen nicht mehr als eingewanderte Sriefen angefehen werden, 
und hat man diefelben daher für ein alteinheimifches Geeftgefchlecht 
erflären wollen. Sum Beleg hat man hier angeführt, daß auch 
in Windbergen, auf der Geeſt, Dogdemannen feßhaft waren. 
Allein die letztere Meinung ift der beftimmten Nachricht beim 
Xeocorus gegenüber, wonach die Dogdemannen Sriefen waren, 
ganz unhaltbar, und wenn auch auf der Geeft, nicht nur zu Wind- 
bergen, Dogdemannen feghaft waren, fo ift doch unzweifelhaft, 
daß die Dogdemannen hauptjächlich in der Marſch verbreitet waren, 
und zwar vornehmlich in den Strandgebieten. In welcher herpor- 
ragenden Weife die Dogdemannen an dem Befite des Strand» 
gebietes betheiligt waren, das erhellt aus dem Dertrage, den die 
Strandfirchipiele Weflelburen, Meldorf und Büfum und das 
Dogdemannengefchlecht zu Norden und zu Süden mit den Städten 
Hamburg, Kübed, Lüneburg, Stade, Burtehude und Itzehoe 1384 
wegen Handhabung des Strandrechtes abfchloffen. Noch um 1530 
machten die Dogdemannen zu Vorddeich Anfprühe auf das 
Strandgut auf der Inſel Büfum geltend, und die Büfumer ver- 
ftanden fich dazu, die Anfprüche der Norddeicher mit 100 Marl 


224 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


abzuhandeln. „Die Dogdemannen zu Norddeich haben, als ein 
gewaltiges Gefchlecht, fich das Strandrecht zu Büfum angemaßet. 
Die Büfumer haben auf des Paftors Brüß Anrathen, weil viele 
Streitigfeiten darüber entftanden, von ihnen folche Gerechtigkeit für 
100 Mark gekauft und diefelbe den Sifchern und Sindern, zum 
Beften des Kirchfpiels und der Kirche, zugelegt. Diefes ift der 
erfie Grund der alten Gerechtigkeit, welche die Kirche zu Büſum 
bis auf den heutigen Tag an allem Seefund und allen Strand» 
gütern hat, kraft defjen fie von dem Ganzen, das geborgen wird, 
zum Doraus den zehnten Theil allezeit behalten und genießen 
kann“ — heißt es in dieſer Beziehung bei Dieth (cit. Sehfe, 1 75).! 
Ein auf der Geeft verbreitetes Gefchleht mit Hauptfiß in Wind» 
bergen hätte nicht in fo hervorragender Weife mit dem Strand- 
recht zu thun haben fönnen, und wenn hier auf eine Derlehnung 
des Strandrechtes vonfeiten des Ersftiftes an die Dögte, nach Art 
der Derlehnung der Elbfähre an Dage Boje, reflettirt worden, fo 
ift Dagegen hervorzuheben, daß in folchem Falle die Handhabung 
des Strandrechtes Sache der Dögte, und nicht des Geichlechtes der 
Dogdemannen, gewejen wäre, wenn nicht, was ganz undenkbar ift, 
die Dogteien felbft diefem Gefchlechte verlehnt worden wären, und 
daß ein erzbifchöfliches Lehn von den Belehnten nicht hätte ver- 
fauft werden Fönnen. Jene Meinung, daß die Dögte aus den 
Dogdemannen genommen worden jeien, ift gleich der Erzählung von 
der hohen Buche bei Bölelnburg wohl nur der Etymologie, der 
Wortableitung, wegen entitanden; die Gefchichte bietet für folche 


ı „Diefe Gerechtigkeit ift der Kirche durch Derträge und herrfchaftliche 
Derordnungen beftätigt. Als naher deswegen Mißverftändniß vorgefommen, 
ift folhes 1586 durch die Auffeher der Kirche, den Hrn. Ehr. Boje, der 
Rechte Dr., Ffürftl. Rath und Landvogt, und den Hrn. M. Marc. Wrange, 
Superintendenten des Xordertheils, beigelegt und entſchieden worden. Auch 
zu des Paftors Mart. Dorftius Seit, 1615, den 6. Febr. durch Dertrag 
zwifhen Kirhe und Kirchfpiel, und infonderheit durch Entfheidung der 
Candesherrſchaft d.d. Tönning, 24. Novbr. 1659 und Bottorp, den 3. April 
1674.” ($ehfe, a. a. ©.) 


Don d. Schlacht am Öswaldusabend b.3. Aufzeichnung d. Landrechts, 1447.225 


Meinung gar feinen Grund. Bei Tleocorus und anderen älteren 
Ehroniften, auch in alten Urkunden, heißen die Dogdemannen 
Dodiem, Dodimen, Dodiemann, Pojedigmanne, Doigdigmanne und 
Doghedingmanne. Die Bezeichnung Dogdemann ift demnach erft 
jpäter aus Dodiem entflanden. Noch Neocorus (I, 211) fpricht 
von Dodiem, indem er bemerkt: „Dodiem und Hodiem uth But-Janer 
Landt." Dagegen werden die Dögte fchon in den älteften Urkunden, 
in welchen fie angeführt werden, und auch beim Neocorus gar 
nicht anders genannt, als: Dogede. Es ift hier alfo auch etymologifch 
für die Konjeltur, daß die Dögte aus den Dogdemannen ge» 
nommen worden jeien und dieſe daher den Gefchlechtsnamen 
führten, nichts zu gewinnen. An fich aber ift es unwahrfcheinlich, 
dag die Genofjen einer Mannie deswegen, weil einmal ein Dogt 
aus diefer genommen worden, „Dogdemannen”“ genannt worden 
wären, und die beregte Urkunde vom Jahre 1329 (Dahlm. 3. 
Neoc. I, 623), indem fie die fünf Dögte nennt: Hylſemaken Detlev 
von Windbergen, Nicol. Oldages Sohn, Theden Johannes, Nicol. 
Swineden Sohn und Riquardus von Dilede, zeigt, dag wirklich 
die Dögte nicht gerade aus den Dogdemannen genommen wurden. 
Die beiden £eßtgenannten waren jedenfalls feine Dogdemanneı. 
Der Name der Dogdemannen hat mit Dögten ficher nichts zu 
thun, und die betreffende Konjektur ift nur daher entftanden, daß 
man den Stammpater der Bojen, Dage Boje, für den Stamm- 
vater des ganzen GBefchlechtes angefehen und den Namen Dage, 
einen gebräuchlichen Dornamen, für die Bezeichnung eines Dogts 
genommen hat. Die Bezeichnung Dogdemannen ift wohl nichts 
anderes, als eine nach Analogie fehr erllärliche Abänderung des 
urfprünglichen Gefchlechtsnamens der Dodiem oder Dodemann. 
Wie die Bojen, fo fcheinen auch die Hodiem und Todiem erft 
jpäter von den Dogdemannen als eigenes Gefchleht ſich ab- 
gezweigt zu haben. Auch die Spireden und die Bojen zu Deffel- 
buren gehörten zu den Dogdemannen. Daß kKebtere hier, wie in 
Büſum und Meldorf, zahlreich waren, erhellt aus dem Dertrage 
Dithmarfcher Gefchichte. 15 


226 Sweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


-von 1384, in welchem die Dogdemannen neben diefen Kirchipielen 
als Dertragjchlieger erfcheinen, und aus dem Verkaufe des Strand- 
rechtes der Dogdemannen auf Büfum an die dortige Kirchen» 
gemeinde. In Meldorf gehörten namentlich die Bojen und die 
Windberger zu den Vogdemannen; ferner gehörten dazu die 
Reventlow und die Walftorp, wie auch die Bojen zu Brunsbüttel. 
Auch bei Burg hatten die Dogdemannen Beſitzungen. Das ganze 
Burgholz daſelbſt gehörte ihnen. Nach ihrer Verbreitung übar 
den Norderftrand und den Süderftrand theilten die Dogdemannen 
fih in ein Norder- und ein Südervogdemannsgefcleht. Zu jenem 
gehörten die Bojen zu Weſſelburen, zu diefem die Bojen in 
Meldorf und Brunsbüttel. Die Bojen, die Reventlow und die 
Waljtorp bildeten eigene Gejchlechter, zumal die erfteren, welche, 
während die Yeventlow und die Walftorp auch als holfteinifche 
Adelsgejchlehter noch die Zinnenmauer der Pogdemannen im 
Wappen führten, anftatt derfelben einen Adler als Wappenzeichen 
hatten, und doch zählten fie zu den Dogdemannen. Dieſe Kebteren 
erfcheinen Hier aljo als eine Dereinigung felbftändiger Geſchlechter 
und gleichen in ihrer Derbreitung über den ganzen Strand von 
Mefjelburen bis Brunsbüttel und von da bis Burg hin mehr 
einem Dolfsftamme, als einem Geſchlechte im eigentlichen Sinne, und 
eben daher ift es, wie Dahlmann fagt, wahrjcheinlich, daß die 
eingewanderten Sriejen den einheimifchen fächfifchen Sefchlechtern 
gegenüber ſich zufjammengehalten und fo gewifjermaßen ein einziges 
großes Gejchlecht für fich gebildet haben, eigentlich einen großen 
Koloniftenverband, in und aus welchem dann unter den hier ge- 
gebenen Derhältniffen ſich allmählich befondere Befchlechter nach 
Art der dithmarjcher Mannien entwidelten. Bei der Derbreitwig 
der Dogdemannen über den Norderftrand und den Süderftrand 
war Meldorf, refp. Windbergen, bei der Lage desfelben zwifchen 
beiden Strandgebieten, in geographiicher Beziehung der Mittel. 
punft des Derbreitungsbezirfes der Dogdeniannen. In diefer Be: 
ziehung ift daher von einem Anfiedelungsgebiete der Sriefen im 


Don d. Schlaht am Öswaldusabend b.3. Aufzeihnung d. Landrechts, 1447. 227 


Lande mit Meldorf oder Windbergen als Mittelpunft zu reden, 
nur nicht in dem Sinne, als ob Meldorf oder Windbergen auf 
der Geeft Hauptſitz des GBefchlechts der Dogdemannen und diefes 
felbft ein alteinheimifches Geeftgefchlecht gewefen fei. — Wenn 
aber auch die Sriefen vornehmlich in der Marfch fich angefiedelt 
hatten, fo waren fie doch deswegen nicht hier vorherrfchend®. Wie 
die Woldersmannen, das größte der alten fächfiichen Befchlechter 
im £ande, fo zahlreich, daß es, nach Neocorus, zu einer Zeit 
509 wehrhafte Männer ins Seld ftellen fonnte, fo hatten fich auch 
andere fächfiiche Sefchlechter von der Geeſt in die Marſch hinein 
verbreitet, und eine große Anzahl alter Gefchlechter und Klufte, 
die Neocorus bezeichnet, war von der Beeft nach der Marſch ge- 
zogen. Mit Ausnahme der Hodiem, Todiem und Bojen waren 
es denn auch allem Anfcheine nach nur fächfifche Befchlechter, nach 
welchen Ortſchaften in der Marich, die nach Mannien den Namen 
führen, benannt worden find. Dorherrfchend erfcheinen die Sriefen 
nur auf der Inſel Büfum und dem benachbarten Strandgebiete, 
wo fie bejonders zahlreich waren im Süden des Kirchipiels Weffel- 
buren „tom Syderdide*, wo noch die „Bojenfamer” an der 
Grenze der Süderdeicher Seldmarf gegen die Feldmark von Haffen- 
büttel und Wefjelburen bezeugt, daß hier Dogdemannen feßhaft 
waren. Don Büfum abgefehen, erfcheinen die Sriefen im Norder- 
firande, wie im Süderftrande, wefentlich auf den eigentlichen Strand 
bejchränft. Nur bei Burg, Windbergen und Neuenkirchen finden wir fie 
weiter ins Innere vorgedrungen. Windbergen lag früher an offener 
WMeeresbucht und hatte ohne Zweifel noch in gefchichtlicher Zeit 
auf dem Wafjerwege Derbindung mit dem leer (Neocorus I, 209a), 
Burg hatte eine, auf älteren Karten noch andeutungsweife ver- 
zeichnete Derbindung mit der Elbe über den Kudenfee, und Tleuen- 
firchen, wo die Wefjelburner Hodiem und Todiem, die „nie Kerke“ 
gründeten, lag an dem, auf der Danfwerthfchen Karte noch verzeich, 
neten Strom an der Nordgrenze des alten Kirchfpiels Weffelburen, der 
vom Stellerfee und dem MWittenmoor her nach Strübbel (ſtruwwel, 
15° 


228 Zweiter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


frief. Strom) zu in die Eider flog, jo daß die Sriefen, wie überall 
fonft, fo auch Hier, die Derbindung mit dem Strande und dem 
Waffer bei ihrer Anfiedelung im Lande feflgehalten zu haben 
fcheinen. Don einer Dertheilung und Scheidung von Sachfen und 
Sriejen nach Geeft und Marfch kann hier alfo Feine Rede fein. 
Der Unterfchied zwifchen $Sriefen und Sachfen ift natürlich jeßt 
verwifcht. Was im Süderftrande noch als friefifches Element fich 
bemerfbar macht, das datirt aus jpäterer Zeit, der Seit der Koogs- 
eindeichungen im vorigen und jeßigen Jahrhunderte — Die 
Scheidung des Volks in Gefchlechter und Mannien führte zu 
Aivalität, Kampf und mancherlei Sehden, fchloß aber auch, indem 
die Gefchlechtsbünde die Angehörigen verfchiedenfter Erwerbs: 
zweige in fich vereinigten, jeden feindlichen Begenfag von Ständen 
und Gewerben untereinander aus. Daher fonnte es auch in 
Dithmarfchen feinen ausgeprägten Standesunterfchied geben, fonnte 
bier niemals ein eigentlicher Zunft, Kaften- und Standesgeift 
aufflommen und herrfchend werden. Man ſprach in Dithmarfchen 
wohl von Bürgern in Städten und Sleden, von Bauern und 
Banerfchaften, aber einen Unterfchied von Bürger: und Bauern: 
ftand gab es hier nicht. Die Gefchlechter befaßten nicht Stände und 
Standesangehärige, jondern Männer und Mannen — Havemannen, 
HDusmannen, Kathenniannen.! Bis in die jüngfte Zeit ift Dith- 
marjchen denn auch frei geblieben von allem Zunft- und Jnnungswefen 
und aller Befchränftung im &ewerbewefen, fo daß alle jene Neu— 
ordönungen, die als freiheitliche Errungenfchaften neuerer Seit ge: 


1 Weil es feine Standesintereffen zu wahren galt, verftand es ſich von 
felbft, daß vorzugsweife Land- und Grundbeſitzern, die durch ihre Stellung 
und Befhäftigung genöthigt waren, mehr als Andere auf allgemeine 
Angelegenheiten des Deich», Strom-, Wafferlöfungs-, Wege- und Derfehrs- 
wefens den Blick zu richten, die Derwaltung der Kandes- und Kommüne- 
angelegenheiten übertragen wurde, und es ift gewiß nicht gerechtfertigt, 
wenn man neuerlihft anfängt, Handwerker, Kaufleute ıc. aus Standes- 
interefjen zu Landes- und Kirchfpielsgevollmäcdtigten und Deputirten zu 
beftellen. 


Don d.Schlaht am Öswaldusabend 5.3. Unfzeihnung d. Landrechts, 1447. 229 


priejen worden find, von der völligen Aufhebung der Leibeigenſchaft 
in den Herzogthümern im Jahre 1804 an bis zur Aufhebung der 
Mühlenzwangspfliht unter Dänemark und bis zur Einführung 
der neuen Gemeindeordnung und Gewerbeordnung unter Preußen hin, 
für Dithmarfchen keinerlei Dortheil und Nutzen haben bringen 
fönnen, da die bezüglichen Befchränfungen der perfönlichen Sreiheit 
und der Sreiheit des Handelns in Dithmarfchen nicht eriftirten und 
die aus der Zeit altdithmarfcher Kandesfreiheit überfommene freie 
Selbfiverwaltung der Dithmarfcher Kirchipiele einer Steigerung 
Durch Iandesherrliche Derordnungen nicht fähig war. Weil es 
in Dithmarfchen feine Stände im eigentlichen Sinne, feine Standes» 
unterfchiede, gab, gab es Hier auch feine „Ständeverfammlungen”, 
wie fonft in deutfchen Kanden, namentlich im benachbarten BHolftein, 
wo die „Stände“ als Dertreter des Volkes figurirten, während das 
Volk felbft in Knechtſchaft, Hörigkeit und Keibeigenfchaft lag, 
jondern Landesperfammlungen. 

Sreiheit und Selbftändigfeit war der Grundzug der dith- 
marfcher Derfafjung; die Grundpfeiler und ftarfen Träger des 
Landes in feiner Sreiheit und Unabhängigkeit waren die Mannien, 
die Gefchlechter und Gefchlechtsbünde, in welche die Dollsgemeinde 
verfaßt war. Der ganze Bau des dithmarfcher Sreiftaates war 
wohlgegründet und wohlgefügt. Was man nach der bewegten 
Seit des Ralves Earften vermißte, war das, was wir Lentralifation 
nennen, als ein Gegenwicht gegen die decentralifirende Nichtung 
in der Entwidelung der Kirchfpiele.. Diefes wurde erzielt durch 
Einfegung des Kollegiums der achtundvierzig Gberrichter als 
oberfte £andesbehörde. 


Dritter Abſchnitt. 
Don 1447 bis 1559. 


— — — 


Erſte Abtheilung. 
Von 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarſchen, welche ſich Chriſtian J. 
von Dänemark zu verſchaffen wußte — 1474. 

Der Streit um die Belehnung mit Südjütland oder Schleswig, 
welch letztere Benennung als Bezeichnung auch des Herzogthums 
(nach dem Regierungsſitz) ſich jetzt mehr und mehr einbürgerte,! 
hatte einftweilen feinen Abfchluß gefunden. Die Hanfeftädte waren 
endlich inne geworden, daß der Krieg mit dem Könige Erich nur 
nachtheilig für fie fein fönne. Die Oftfeehanfeaten verloren durch 
den Krieg ihre Derbindungen mit den nordifchen Weichen; die 
MWeft: und Nordfeehanfeaten bedienten fich diefer Gelegenheit zum 
VNachtheil der Öftfeehanfeaten, und der Handel der Hanfa ging von 
der Oſtſee auf die Weftfee über. (Doch liegt der Hauptgrund der 
dauernden Schwächung des Handels im Oſten vorzüglich in der 
Entdedung Amerilas und des Seeweges nah Oſtindien) 1432 
jchloffen die Hanfeftädte einen MWaffenftillftand mit dem Könige. 
Erich aber zerfiel jegt immer mehr mit feinen Unterthanen. Die 
meiften Schweden empörten fih wider ihn. Im Thale der 


Noch in diefem Jahrhundert war die geographifcdhe Bezeichnung des 
Herzogthums „Südjütland." (Cfr. Bafpari, Erdbefchreibung, Weimar 1819; 
Zachariä, Erdbefhreibung, Altona 1820). „Schleswig“ als Bezeihnung 
des Herzogthums war nur Provinzialismus. 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 251 


Dalekarlier erhob fich laute Klage über den königlichen Beamten Jon 
Erickſon; Engelbrecht, ein Adliger, nahm fich des Bauernflandes 
an und begab fich zum Könige, der Abhülfe verjprach, die aber 
nicht erfolgte; Engelbrecht fam zum zweiten Male und Erich wies 
ihn hart ab; die Dalekarlier griffen nun zu den Waffen gegen 
den König! Erich fuchte jet Srieden mit den auswärtigen 
Seinden. 1435 erfolgt der Sriedensfchlug mit der Hanfa, der die 
alten Sreiheiten beftätigt werden, und mit dem holfteinifchen Grafen- 
haufe. Erich behielt das Amt Hadersleben; das übrige Schleswig 
follte Adolph von Holftein, der ältefte der beiden noch lebenden 
Söhne des Herzogs Gerhard VI, auf Lebenszeit befigen und 
Adolphs Erben follten es noch zwei Jahre nach Adolphs Tode 
befigen dürfen; nach der Zeit dürfe das Hecht der Grafen an 
das Kehn wieder in Unterfuchung gebracht werden. 

Als Graf Adolph VII. von BHolftein in ein friedliches Der: 
hältnig zu Dänemarf gelangt war, erhob er die alten Bejchwerden 
gegen die Dithmarfcher wegen der Einfälle in Nordfriesland von 
neuem. 1447 ftrengte er eine förmliche Klage an wider die 
Dithmarfcher, und es entftand ein langwieriger Prozeg. Die 
Sorderungen des Grafen gehen nun noch über die früheren hinaus, 
jogar auf Kandfolge, wobei er fiih auf jene Zufage von Hülfe 
leiftung, event. auch wider den Erzbifchof, die doch nur für den 
damals in Betracht gezogenen einen Sall gegeben war, bezog. 
Als Schadenerfag für verweigerte Heeresfolge hatte er rund 
100000 Mark in Rechnung geftellt; im ganzen belief fich feine 
Sorderung auf 250000 Marf. Die Dithmarfcher machten ihm 
Gegenrechnungen und gingen mit ihren Sorderungen auf Schaden- 
erfag bis zu der Seit der Raubzüge des Grafen Albrecht und des 


ı Eridfon oder Ericfen hatte nach Einigen fünf Bauern, nach Anderen 
eine ungezählte Menge aus dem Bauernſtande in den Rauchfang hängen 
laffen. „Hic Jussu (Ericsen) ex Dalacarliae incolis sine numero inocentissimos, 
fumo suspensos occidit“, fagt Joh. Magnus (Gothor. Sveon. Hist. Lib. XXII. 
cap. IV.) 


232 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Herzogs Gerhard VI. zurüd. Als Mlittelsmänner wurden der 
Dompropft M. Johann Middelmann zu Hamburg und die Näthe 
von Hamburg und Kübed beftellt. Doch ward der Streit erft 
1456 beendigt durch Dergleich zu Itzehoe. Adolph VIII. entjagte 
völlig allen Anfprüchen, die er auf Dithmarfchen erhoben, und 
die alten Traktate wurden beftätig. Der König Ehriftian I. von 
Dänemard, Adolphs Schweiterjohn, trat dem Dertrage bei. — 
Diefer Dertrag ift von 20 Kirchfpielen unterzeichnet; zu den 19, 
die den Dertrag mit der Königin Margaretha und dem Könige 
Erich 1409 fchloffen, ift Barlt hinzugekommen. 

In der Zeit der Streitigkeiten mit Adolph VIII. von Holftein 
erhoben fich auch innere Unruhen im Lande wegen der Lehre der 
Auffiten, die hier viele Anhänger hatte. 1451, 24. Januar, an 
einem Sonntage, rotteten ſich 500 Einwohner des Kirchipiels 
£unden auf dem Kirchhofe zufammen und beichloffen, einen Beift- 
lichen, Hinrich Grove, (aus Brunsbüttel, aber wahrfcheinlich in 
£unden angeftellt) in der Kirche zu ermorden. Sie drangen be- 
waffnet in die Kirche ein, verwundeten den Geiftlichen tödtlich, 
fchleiften ihn auf den Kirchhof und tödteten ihn vollends. Der 
£eichham blieb unbegraben liegen. Der Dompropft Johann 
Middelmann zu Hamburg that die Mörder in den Bann und 
verurtheilte fie in eine Geldbuße von 1000 Mark löthigen Goldes; 
£unden und jeden andern Ort, wofelbft einer oder der andere 
der Thäter des Mordes fich aufhalten würde, unterwarf er bis 
drei Tage nach Abzug des Thäters dem Interdikt.“ Als Thäter 
werden in dem bezüglichen Erlaß des Dompropften genannt 


! Der Erlaß des Dompropften (Sehfe, Nachrichten von den ev.-luth. 
Pred. des Xordertheils Dithm., Anh., p. 78) nennt als Datum der Er- 
mordung des Hinrich Grove einen Sonntag, 23. Jannar, — „die dominica 
vicesima tertia mensis Januarii“ heißt es an betreffender Stelle. Der 23. Jannar 
1451 war aber fein Sonntag, fondern ein Sonnabend. Da es ein Sonntag 
gewefen, fo muß es ftatt 23. heißen: 24. Jannar. Der Goldfchmidt zu 
£unden und Johann Roded nennen hier als Datum „St. Pavels-Avend”, 


— — — 
Nu 


Don 1427 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 14374. 2353 


Rode Johann, Geſeken Harrings in £ehe, Elawes Dankerd, Brede 
Doltefs, Boden Wibers, Johann Danferd, Herring Volkefs, 
Berring Johann und ein gewiffer Spreth — „quidam Spreth”. 
Die Urſache der Ermordung des Hinrich Grove wird im Erlaß 
nicht angegeben, doch erhellt aus andern Nachrichten, daß Grove 
der huſſitiſchen Keßerei befchuldigt worden. licht lange nach 
Groves Ermordung erhob fich eine Öffentliche Derfolgung der 
Huffiten im Lande. 1466, am Tage des Bafilius, das ift den 
14. Juni, wurde ein anderer hiefiger Geiftlicher, Grove Johanns 
Marquard, ein Bruder von Hinrich Grove, auf dem Meldorfer 
Ramberg als ein Huſſit verbrannt. — „Ao. 1451 up St. Pavels! 
Avende, do word Henricus Graff (Grove) van Brunsbüttel ge- 
fchlagen in der kerke to Kunden.“ — „Ao. 1466 word Bra 
Johanns Marquard, Binrichs Broder, en Huß (Huffit) geſchmök 
und brennt up Bafilsdage up dem Meldorper Ramberg.“ (Gold 
fchmidt to Eunden in Fragm. Russ. bei Weftph. IV.)! 


das ift eben der 24. Januar. Bolten (III, 15) madt irrthümlih dem 
Goldſchmidt und Joh. Rode den Dorwurf, daf fie unrichtig den 24. Januar 
als Tag der Ermordung des Hinriy Grove angegeben hätten, während 
der Erlaß des Dompropften den 23. Januar nenne. Der fehler ift nicht 
beim Goldſchmidt zu Kunden zu fuchen, fondern in der Urkunde des Erlaffes. 
Dagegen ift es ein Irrthum bei Johann Rodeck, wenn er meint, daß Peter 
Swyn und Hanns ann der Aeltere den Hinrich Grove vorm Altar 
erfiochen hätten. Der Erlaß des Dompropften nennt einen Swyn und 
feinen Nann unter den Bauptfchuldigen. 

1 Ramberg ift wohl nicht Balgenberg, fondern der jegige Sandberg. 
„Balgenberg” war ſchon eine äblihe Bezeichnung, ehe wir von Ramberg 
Vachricht finden. Bolten will zwar, daß Sandberg aus „St. Hanns⸗Berg“ 
entftanden fei. Allein feine Quelle ift Dietr. Carftens. „St. Johannsborg” 
(Meyers Karte) ifl, wie der „mons sancti Johannis“ wohl nur nad Konjel- 
turen, gleich den Earftenfchen, gebildet. Um den „St. Hanns-Berg" heraus. 
zubringen, nimmt man an, daß die Meldorfer St. Johannis-Kirche früher 
hier geftanden habe. Es ift die gewöhnliche etymologifche Spielerei. Be 
fhichtlihes liegt hier nit zu Grunde. — Die Grove waren aus dem 


Ebbingmanngefchhleht, hatten zu Prag fludirt und dort den Johann Huß 
gehört. 


254 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Im Dezember 1459 ftarb Graf Adolf VII. von Holſtein, 
£ehnsherzog zu Schleswig. Mit ihm ftarb die mit Schleswig 
belehnte Nachfommenfchaft Gerhards des Großen aus. Adolphs 
jüngerer Bruder, mit dem jener die Berrichaft in Holftein theilte, 
Graf Gerhard VII, war fchon früher geftorben, und fein Erbe 
war an Adolph gefallen. Gerhard hatte eine Gemahlin, Agnes, 
aus dem Haufe Baden. Diefe befand fih, nachdem ihre Ehe 
lange finderlos geblieben war, fchwanger im fiebenten Monat, als es 
dem Grafen Adolph VII. einftel, fie aus dem Kande zu jagen, 
weil es mit ihrer Schwangerjchaft nicht richtig zugegangen fei. 
Gerhard VII. begleitete feine Gemahlin und ftarb auf der Zeife. 
Agnes gebar Zwillinge, und diefe famen auch um. So gelangte 
Adolph VII. in den Befig des Erbes feines Bruders und zur 
Alleinherrfchaft, wonach er trachtete.e Daß er felbft ohne Keibes- 
erben bleiben werde, mochte er damals wohl noch nicht annehmen, 
als er den fchmählichen Derdacht erhob gegen Agnes von Baden, 
Holfteinifche Ehroniften pflegen den Adolph VIII. den leßten des 
erblichen Mannesftanımes der Schauenburger zu nennen. Er war 
aber nur der legte Schauenburger, der ein Erbrecht auf Belehnung 
mit Schleswig geltend machen fonnte. Das holfteinifche Grafen: 
haus der Schauenburger blühte fort in der Pinneberger Linie, 
und der regierende Graf ®tto III. von Schauenburg und Pinne- 
berg war nach Adolphs VIII. Tode Alleinherrfcher in der Krafichaft 
Holftein.! Aber der König Ehriftian I. von Dänemarf wollte das 


* Adolphs IV. Söhne, Johann I. und Gerhard I., theilten fi in die 
Grafihaft Holftein. Johann I. refidirte zu Kiel, Gerhard I. zu Rendsburg 
— Ffielfhe oder wagrifhe Kinie und rendsburgfche Linie. Die Kielfche 
£inie ftarb 1317 mit Johann II. aus. Die £inie Rendsburg trat in den 
Gefamtbefiz der Grafihaft. Gerhard I. von Holftein-Rendsburg war 1281 
geftorben. Seine Söhne, Heinrich I., Gerhard II. (der Blinde oder Schwarze) 
und Adolph (der Aeltere), hatten fih in das Erbe getheilt. Heinrich I. 
refldirte zu Rendsburg, Gerhard wahrfcheinlich zu Itzehoe, Adolph, der 
außer einem Theil von Stormarn die Erbgüter des Hauſes in Hamburg 
und die Stammgraffhaft Schauenburg erhalten hatte, abwecfelnd zu 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 255 


nun erledigte Kehn Schleswig nicht wieder verlehnen und dasjelbe 
aus dem bisherigen Derbande mit der Krafichaft Holftein löſen, 
wenn er nicht etwa jelbft Nachfolger feines ®heims Adolph VII. 
in der Grafichaft würde, und die fog. Stände, nämlich die Prälaten 
(die hohe Beiftlichkeit), die Ritter und die Nathsherren einiger 
Städte, der Grafſchaft und des Herzogthums, vornehmlich die 
durch ihre Sahl den Ausfchlag gebenden Ritter, die durch Befig- 
und Samilienverhältnifje ein perjönliches Intereſſe an der Sortdauer 
der Derbindung beider Lande unter einem Regiment erlangt 
hatten, wollten den Derband des Herzogthums mit der Grafichaft 
gewahrt fehen.. Da nun der Graf Otto Ill. von Bolftein- 
Schauenburg:Pinneberg gegen den König Ehriftian I. mit Gewalt 
nichts unternehmen konnte, fo gaben die holfteinifchen Stände das 
Recht des angeftammten Grafenhaufes der Schauenburger treulos 
preis und erflärten, indem fie fih ein Wahlrecht anmaßten,! in 
Gemeinſchaft mit den Ständen des Herzogthums Ehriftian I., König 
von Dänemarf, zum regierenden Herm der Eande Schleswig und 
Holftein. Um fich der Gunſt der Stände zu verfichern, hatte 
Ehriftian I. nichts unverfucht gelafjen. Auf einem deshalb berufenen 
Schauenburg und zu Pinneberg. — Rendsburger, Itzehoer und Schauenburg- 
. Pinneberger Zweig der Linie Bolftein-Xendsburg. Der mittlere Zweig 
ftarb mit Adolph VII. ab, 1390, der Ältere Zweig mit Adolph VIII. 1459, 
und der jüngere Zweig, Schauenburg-Pinneberg, repräfentirte nun allein 
das Haus Holftein-Rendsburg. Die Erblande des Grafenhaufes waren 
wieder in einer Hand vereinigt: im der des regierenden Grafen von 
Schanenburg-Pinneberg, Öttos III. Der Stamm Adolphs VIII. und Ottos III. 
von Adolph IV. her ift folgender: 


Adolph IV. 
Gerhard I., Mdolphs IV. Sohn. 


Beinrich I., Gerhards I. Sohn. Adolph d. Aeltere, Berhards I. Sohn. 
Gerhard d. Gr. Heinrichs I. Sohn. Adolph d. Jüng., Adolphs d. Aelt.Sohn. 
Heinrich II. Berhards d. Gr. Sohn. Otto II., Adolphs des Jüngeren Sohn. 
Gerhard VI., Heinrichs II. Sohn. Adolph X., Ottos II. Sohn. 

Adolph VII., Gerhards VI. Sohn. Otto III., Adolphs X. Sohn. 


"Als £ehnslande fonnten die beiden Lande Holftein und Schleswig 
ein wirkliches Wahlrecht nicht befitzen. 


236 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Landtage zu Rendsburg erlangte dann Ehriftian feinen Willen, 
nachdem er verfprochen hatte, daß er die Befeitigung der entgegen- 
ftehenden rechtlichen Hindernifie auf fich nehmen und dies nicht 
Sache des Landes werden folle. Darauf berief Chriftian die 
Stände beider Lande nach Ripen, und hier wurde dann nach 
beendigter Wahlhandlung am Mittwoch nach Invocavit, 10. März, 
1460 durch den Bifchof Nicolaus von Schleswig vom Rathhaufe 
herab der König feierlichft zum Herzoge von Schleswig und Grafen 
von Bolftein ausgerufen. Chriftian I. fonnte mit dem Ausfall 
der Wahllomödie, die er felbft gefördert hatte, wohl zufrieden 
fein, auch als Kehnsherr von Schleswig, dem das Kehn heim- 
gefallen war, da diefelbe dazu diente, ihn des Landes defto mehr 
zu verfichern und ihn der Gefahr überhob, fih in einen vielleicht 
langwierigen Krieg, wie vor ihm der König Erich gethan, zu 
ſtürzen; Graf Otto III. aber mußte die Stände gewähren laffen, 
da die Macht des Königs fie fchüßte! Sür den König war die 
auf ihn gefallene Wahl Grund genug, fi} als den legitimen 


I Die wählenden Stände bildeten: der Bifchof von Schleswig und der 
Biſchof von Kübel (Jener Präfes im fchleswigfchen, Diefer im holfteinifchen 
£andtage), das Domkapitel zu Hamburg und das Kapitel zu Lübed, die 
Aebte der vielen Klöfter beider Lande, die zahlreihen Mitglieder der 
Xitterfchaft, die noch im 16. Jahrhundert 51 familien zählte, und die 
Deputirten aus den Städten: Flensburg, Schleswig, Hadersleben, Tondern, 
Edernförde, Apenrade und Burg auf Fehmarn in Schleswig und Kiel, 
Rendsburg, Itzehoe, Oldesloe, Krempe, Wilfter, Segeberg, Heiligenhafen, 
Xeuftadt, Oldenburg und Lütjenburg in Bolftein. — Außer den Ständen 
der Geiftlichfeit und des Adels gab es, einige Patrizierfamilien der Städte 
ausgenommen, nur Zeibeigene und Hörige in Holftein, die unter den Freien 
fein Recht und feine Stimme hatten. Erft die dänifchen Könige aus olden- 
burgifhem Stamm haben Holftein freigemadt von der Adelsherrfhaft und 
der Keibeigenfhaft. Als Chriftian VII. im Jahre 180% mit der Hörigfeit 
in den Berzogthümern endgüliig aufräumte, gab es hier noch 20000 familien, 
an 100000 Menfhen, die Keibeigene waren, in der Pleinen . Öemeinde 
Bovenaun mit 1200 Einwohnern allein 1200 £eibeigene. Schon 1702 
wollte der König Friedrich IV. die Leibeigenfhaft aufheben; er Fonnte 
aber bei dem Widerftande des Adels nur die allmählihe Aufhebung vor- 
bereiten nnd einleiten. j 





_— —— — — 


——— a ——— 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 237 


Herrn der Graffchaft Holftein zu erachten gegenüber dem Grafen 
Otto III., und diefer war genöthigt, wenn er nicht vollends um 
das Seine gebracht werden wollte, fich mit der Brafichaft Pinneberg, 
den Rechten der Schauenburger auf Hamburg und 43000 Gulden 
abfinden zu laflen. MHebrigens war ein Theil der holfteinifchen 
Aitterjchaft, unter Sührung von Henning Pogmwifch, muthig und 
nachdrüdlih für das Recht der Schauenburger eingetreten. Den 
Dithmarfchern fonnte die Dereinigung der Macht des Königreichs, 
des Herzogthums Schleswig und der Grafſchaft Holftein in einer 
Hand nicht gefallen. Ein fo mächtiger Srenznachbar, wie 
Ehriftian I. als Graf von Holftein nun war, mochte ihnen leicht 
unbequem werden. Sie verbünden ſich nun enger mit £übed. 
Schon 1460 drohten Seindfeligkeiten mit dem neuen Herrm von 
Holftein auszubrehen. Es war ein Streit entftanden um die 
Nutznießung von Wiefenländereien an der Grenze von Dithmarfchen 
zwifchen einem holfteinifchen Adligen, Hinrich Neventlow, und 
einigen Dithmarfchern — eben Junges Elawes und Johann 
Suel werden hier namhaft gemacht in einer £übeder Ehronif.! 
Die Dithmarfcher mähten die Wiefen. Hinrich Reventlow fuchte 
fie mit Gewalt daran zu hindern und wurde nebft einem feiner 
Leute erfchlagen. Die Dithmarfcher hieben feinen Leichnam in 
Stüde und ließen ihn unbegraben liegen. Bierüber entjtand große 
Erregung in Bolftein. Ehriftian I. wurde zur Rächung folcher 
That aufgefordert, und diefer zeigte fich bereit, die Dithmarfcher 
mit Krieg zu überziehen. Letztere fertigten aber eine Befandtfchaft 
an den König ab und erboten fich zu rechtlicher Benugthuung, 
wenn bei unparteiifcher Unterfuchung fich finden follte, daß fie im 
Unrecht gewefen feien, bedangen ſich aber auch aus, daß die 
Holfteiner, wenn die Schuld auf deren Seite wäre, gleichfalls 


ı Wahrfcheinlid handelte es fi um Wiefenländereien an der Tilen- 
hemme, wo die Eider mehrere Inſeln bildete, die fpäter mit Dithmarfchen 
landfeft geworden find, auf deren einer auch die Tilenburg lag. Nach 
Einigen wäre Hinrich Reventlom hauptmann auf der Tilenburg gewefen. 


238 Dritter Abſchnitt. Erſte Abtheilung. 


gehalten fein follten, zu thun, was Rechtens fei. Die Ruhe wurde 
dann hergejtellt und die Sache dahin erledigt, daß die Dithmarfcher 
mit 200 Marf Lübfch die Mannbuße zahlten. Auch in Sriesland 
reizten einige Dithmarjcher den König zu Seindfeligkeiten. 1461, 
2. Auguft, überfielen zehn Dithmarfcher, unter welchen Poppen 
Swyn nebft feinem jüngeren Bruder Thede, den Staller John 
Johnfen von Eiderftedt, als er von einer Gerichtsperhandlung zu 
Tating nach Garding zurückkehrte. Während Johnſons Knechte 
bei den Pferden im Stalle beichäftigt waren, ward er in der 
Gaſtſtube erfchlagen und einer feiner Leute verwundet. Die Chäter 
nahmen den Rückweg nach der Eider, wurden aber eingeholt 
und warfen fich dann in die Kirche zu Dollerwiel, in welcher fie 
fih einfchloffen. Die Eiderftedter verrammelten die Ausgänge und 
hielten die Nacht über Wache vor der Kirche. Am anderen Morgen 


verjuchten fie, an 100 Mann ftarf, die Kirche zu erftürmen, wobei - 


einer von ihnen erfchoffen ward. Endlich fprengten fie die Süder- 
thür der Kirche und drangen in diefe ein. Die Dithmarfcher 
waren auf den Boden geflüchtet und warfen mit Steinen auf die 
Angreifer, fo daß dieſe den Angriff aufgeben und die Kirche 
räumen mußten. In der folgenden Nacht aber häuften die Be- 
lagerer Brennmaterial um die Kirche auf, tränften dasfelbe mit 
Theer und Pech und waren willens, Seuer anzulegen. Als die 
eingefchlofjenen Dithmarjcher am Morgen die Lage überfahen, 
ergaben fie fih, nachdem Clas Ratlow, der mit 20 Reitern herbei: 
gelommen war, ihnen für ihr Leben gut gejagt hatte. Während 
der Haufe der Belagerer fich durch fteten Zulauf verftärfte, hatte 
auf DdDithmarfcher Seite der Eider Grote Holm Mannfchaften 
zufammengezogen, um den Belagerten Entfaß zu bringen, und diefe 
wären wohl gerettet worden, wenn fie noch eine Zeitlang aus- 
geharrt hätten. Nun wurden fie gebunden nach Bottorp gebracdt 
und dajelbft in einen Thurm gefperrt, in welchem fie bis zum 
50. November gefangen ſaßen. An diefem Tage fam der König 
jelbft nach Schleswig und hielt mit feinen Räthen Bericht. Die 


———————— Tr —————— — — M — —— — — —— — — 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 147%. 239 


Gefangenen wurden zum Tode durch das Schwert verurtheilt, 
und das Urtheil wurde an neun derfelben auch vollfiredt. Es war 
das eine Gewaltthat des Königs wider die alten, 1456 erneuerten 
Derträge, wonach folche Sälle durch ein Schiedsgeriht aus 8 Dith- 
marfchern und 8 Eiderftedtern zu fchlichten waren. Die Behandlung 
diefer Sache von feiten des Königs ließ über die Sefinnung des 
Leßteren gegen Dithmarjchen feinen Sweifel zu. Nur nothgedrungen, 
weil in Schweden Aufruhr drohte und in BHolftein fein Bruder 
Gerhard von Bldenburg ihm Schwierigfeiten machte, ſuchte 
Ehriftian I. mit den Dithmarfchern in leidlichem Dernehmen zu 
bleiben. Dieſe trauten aber weder dem Könige, noch feinem 
Bruder Gerhard, den er in Bolftein als Statthalter eingefeßt hatte. 
Im Jahre 1468, den 23. November, jchlofien 30 dithmarjcher 
Deputirte im Namen des Landes mit Bürgernieifter und Rath 
der Stadt Kübel ein Dertheidigungsbündnig auf 10 Jahre, des 
Inhalts, daß beide Theile bei drohender Kriegsgefahr Durch Der: 
mittelung und, wenn diefe fruchtlos bliebe, durch thatkräftiges 
Eingreifen einander Beiftand leiften wollen. Die Zahl der Hülfs: 
truppen, die einer dem anderen zu ftellen habe, folle eintretenden 
Salls feftgefegt werden; doch wird fchon jet beſtimmt, daß ein 
geharnifchter Neiter gegen zwei Geharnifchte zu Fuß gerechnet 
worden folle.! Die Koften für Derpflegung der Hülfsmannfchaft 
an Ort und Stelle foll der Theil tragen, dem die Hülfe geleijtet 
wird, die Sehrung auf dem Wege hin und zurücd aber ſoil der⸗ 
jenige Theil halten, der die Hülfsmannſchaft ſtellt. Nach Ablauf 
von vier Jahren wolle man wieder zuſammenkommen, um etwaige 


I Reiterharnifche der alten Dithmarſcher finden ſich noch im Rendsburger 
Zeughauſe. Im eigenen Lande ſcheinen die Dithmarſcher nur zu Fuß 
gekämpft zu haben und meiſt ohne Harniſch. Daß Roß und Harniſch zur 
Kriegsausrüftung der Dithmarſcher zählten, zeigt auch die Beſtimmung im 
Artikel 215 des alten Landrechts, wonach das Hieergeräth: Kleider, Harniſch 
und der befte Hengſt, refp. das befte Aderpferd, vor der Erbtheilung 
dem nächſten Schwertmagen (Mage, Magge, Made — Genoffe) zufallen follte, 
dem näcften Derwandten auf der „Schwertfeite”. 


240 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Mängel im Dertrage abzuftellen und zu berathen, ob der Dertrag 
über die feftgefeßte Zeit von zehn Jahren hinaus verlängert werden 
folle. Inzwifchen wolle man einander in feinen Nöthen verlafjen 
und Feine der Parteien ohne Einwilligung der anderen Krieg 
beginnen oder Srieden fchliegen. Die Dertragsurktunde lautet 
ach dem £übeder Original (cit. bei Bolten III, 20): „Wy Borger: 
nefter unde Radtmanne der ftadt Eybede unde wy Dogede, Sluter, 
efworen, Radtgever unde dat gantze ghemeine landt Detmerfchen 
efennen unde betügen apenbar in unde mit deflem breve vor olle 
enjennen, de en zeen edder hören lefen, dat wy uns mit wol- 
edachtem mode, ghuden berade, willen unde vulborde unfer 
Borger, Inwonere unde Meenheide unde der ghemeenen Ingeſaten 
nfers landes Detmerfchen vorjcreven, Gade allmachtig to love, 
em hilligen Romefchen Ryke nicht to vorfange, fundern allewege 
to werdicheit unde to eren, dorch nod, nut predes unde framen 
willen unfer ftadt, Borgeren unde Inwoneren unfer lande unde 
em ghemenen beften to ghude, unrechter gewalt wedder to ftaende, 
ns loflifen, lefliten unde fruntlifen voreiniget, vorftridet, tohopefatet 
unde vorbunden hebben, tohopefaten unde vorbinden uns od in 
fraft defies breves in deſſer nafcreven wyfe. Interfte dat eyn 
juwelf van uns zynem rechten Heren fchall doen, des he em van 
ren unde rechtes wegen plichtig ys, unde were et, dat jennig 
orfte, Here, Aytter, Knappe edder jeınand anders uns alle fampt- 
liden edder befunderen unfer beyder vorſcreven Borger, Inwonere 
dder Underfaten unfer ftadt unde lande mit gewalt wedder recht 
edder tegens unfer ftadt, lande unde Underſaten privilegia, dat 
njer eye des anderen to eren unde rechten mechtig were, overfallen, 
enoden, krenken edder befchedigen wolde na datum deſſes breves, 
arumme uns dat redelit were nicht befcheen edder wedderfaren 
mochte, fo fcholen unde willen wy unfer eyn den andern to rechte 
orbeden unde vorfchriven, unfer eyn des andern dage, warn wy 
dar to geejchet unde gebeden werden, bejenden, unde helpen, fodanen 
overfall in fruntlicheit afferen, ofte wy mogen; fonde uns over 























Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarſchen — 1474. 241 


dat nicht gedien unde men uns famptliden edder befunderen 
boven rechtes erbedinge jo overfallen unde ungemafes nicht vor 
dragen wolde, jo dat wy van der wegen mit jemande to unmille 
unde veyde mit unfer beyder willen fomen moften, dat God afkere 
wille, denne fcholen unde willen wy darumme tojamende ryde 
unde uns na gelegenheyt der veyde fruntlicen voreinigen, wo w 
mit ernfte unde allen truwen fodanen overfall unde wolt affere 
unde weren mogen unde befprefen, wo ſtark wy de were fchice 
willen; unde wy vorfcreven beyden dele fcholen unde willen o 
gelyte vele werhaftige Iude utmaken, doch fo fchall men eyne 
gemwapenden reyfigen man to perde refenen vor twe mit harnfch 
to vote. Wy willen unde ſcholen od ſamptlicken vyende werden 
unfer eyn truwelifen by des andern hulpe blyven, dewyle ſodan 
veyde waret, unjer eyn den andern nergens ane to vorlatende 
unde eyn jumwelf van uns jchall zinen tallen lude teringe unde fo 
beth in de ftadt effte int landt, darze gefandt edder geejchet werden 
unde wedder van dar, bejtellen unde fchiden. Unde wanner fol 
uthredet volf tor ftede gelomen unde gefandt ys, fo fchall defülot 
ftadt edder Ingeſaten des landes ene unde eren perden koſt, hoy 
haveren unde hofjlag, dewyle ze in eynes partes hulpe fin, beftelle 
unde gheven, Men eyn jumelf van uns vorfcreven beyden dele 
fchall den eren foldie gheven, harnſch und perde fchaden ftaen 
Worden over wy elf! uthe zinem lande uthe theende in vyend 
landt, denne fo fchall eyn juwelk zine egene unde fülveft koſt hebben 
Wurden od in fodaner veyde dorch uns jennige ftede, flote edde 
vefte gewunnen, de fchole wy ſamptlicken by unde under uns be 
holden. VNemen wy edder de unfern oc jennigerley framen i 
namen rove edder dingktale, dat fcholen unde willen wy n 
mantale der werhaftigen lude, de fodanen framen warven, lif 
delen. Wurden od uns van Lubede in fodaner veyde fangen 
afgegrepen, dat God vorhöden mote, de mogen unde fcholen w 
" Elf = jeder Einzelne; wy elf alfo hier — beide Theile. 
Dithmarfcher Gefchichte. 16 


242 Dritter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 

















an £ubede fulven löfen, vengen wy aver welfe van unfen pyenden, 
de mogen wy fchatten unde dar mede holden alje ydt unfem 
illen behaget. Unde defle fruntlite voreininge, vorftridinge unde 
ohopefate fchal teyn jar na gifte defler fchrift, funder myddel 
olgende waren unde duren, unde in deflen zaken fchal unfer eyn 
em anderen alle ding? mit ernfte unde trumen, funder arg, tom 
eften Duden unde keren, unde mit des anderen beften ummeghan. 
en wanner veer jar umme fomen zint, fo fcholen wy derwegen 
ohope fomen unde overzeen, effte wy under malfanderen in defler 
ohopejate ichtefwelfe gebrefe hadden, dat wy Ddefulven denne 
ndelen mogen to unfer beyder parte beften, unde denne od 
tofamende fprefen unde fluten, offte wy deſſe fruntlife tohopefate 
lenger holden und to furderen jaren annemen und beleven willen. 
ere et od, dat uns famptliten edder befunderen in tofomenden 
yden jemand umme defler fruntlifen tohopefate edder anderer 
afe willen, de zyk uthe deſſer zake orjafet hedde, operfallen, 
eyden edder befchedigen wolde, jo fchal unfer eyn den anderen, 
ar he ziner in der ſake to rechte mechtig ys, nicht vorlaten, men 
dat mit ernfte afkeren unde weren helpen, unde offte ock jennige 
ndere heren, forfte, lande edder ftede uns hier en boven entfeden 
unde unfe vyende worden umme unfe ergedachten vyende willen 
unde denfulven tegen uns troft, hulpe unde byftand deden, dene 
wedder to ftaende fchal unde will unfer eyn den anderen nicht vor- 
laten, men wy fcholen des to ende uth by eynander biyven. 
Syk en fchal od neyn van uns affonen noch vrede malen edder 
annemen, od mit nemande veyde malen, ydt en fy unde fchee 
mit unfer beyder parte vulbord unde willen. Bd fo en! fchal 
deſſe ergemeldte vorftridinge unde tohopefate gan deger unde 


— 


ı „En" fteht zuweilen als Derflärfung der Derneinung, zuweilen aber 
aud als bloße Ausfüllungspartifel. — Wenn es in der Eutinfhen Edition 
des „Reinke Voß“ von 1797 heißt, das „en“ fei nicht eine bloße Ausfüllungs- 
partifel, fondern Derftärfung der Derneinung, fo ift das nur mit Ein- 
fhränfung gültig. 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Ditkmarfhen — 147%. 243 


all unvorfenglid unde unfchedelicd weſen unde blyven allen tohope 
faten, de wy van LZubede mit den ghemenen henjefteden hebben 
jamptlifen edder bejunderen, fonder argeliſt. Worde od eyn vaı 
uns vorfcreven beyden delen, jamptliten edder befunderen, vor 
waret unde entjecht edder od unvorwaret unde unentfecht but 
veyde, opverfallen, denne fo willen unde fcholen wy unfer eyn d 
anderen mit ganger macht to trofte unde hulpe fomen, umm 
dejennen, de fo woldichliten overfallen worden, to entfettende! 
Alle vorfcreven artikel unde eyn jumwelf by fi, loven wy Borger 
meifter unde Radtmann der fladt Cubecke unde wy Ingefeten de 
landes Detmerfchen vor uns unde unfe nakomelinge, borgere und 
menheyde, unjer eyn dem anderen ftede vafte unde unporbrofe 
wol to holdende, funder argelift unde geverde, in groten love 
unde gudem getruwen. Linde defles to orfunde unde grotere 
tuchnifje hebben wy unfer vorfcreven beyder parte Ingefegel 
mit weten unde willen an defjen breff, der twe zint, all eyne 
Iudes, de eyne by uns van £ubede unde de andere by uns Dogede 
Slutere vorgerört, in ghuder vorwaringe liggende, laten hengen. 
Gheven unde fcreven na Ehrifti unfes Heren gebort Dufend 
veerhundert, darna im acht unde foftigeften jare, am Myddewecken 
in Sunte Elementis dage.“ — 

Wie mit Lübed, jo traten die Dithmarfcher in diefer Zeit 
auch mit dem Adel von Holftein und Schleswig in ein Bündniß. 
Ehriftian I. hatte in Schweden zu fchaffen. Bolftein und Schleswig 
wurden jeit einigen Jahren von feinem Bruder, Gerhard von 
Oldenburg, dem er die Statthalterfchaft diefer Lande übertragen, 
beunruhigt. — Gerhard jollte aus der Statthalterfchaft die ihm 












— 


ı Croft unde hulpe. „By des Andern hulpe blywen." Aus „hulpe” 
ift bei uns Hülfe geworden, aus „helpen” helfen. Daher ift für die Um- 
lautung in Bilfe fein Grund vorhanden und Kaurenbergs ironifch abwehrendes 
Wort hier nicht übel angebradt: 

„Sy dem Olden will id bliven — — 
Höger fall myn Styl nicht gaen, 
Als myns Daders hefft gedaen.” 
16° 


244 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


zugeficherte Abfimdungsfumme für feine Anfprüche auf den Nachlaß 
Adolpks VII. herausfchlagen. Der von Gerhard hart gedrüdte 
Adel verband fi im Mai 1469 insgeheim zur Dertheidigung 
feiner alten Rechte und Privilegien wider Gerhard und fchloß am 
29. Juni felbigen Jahres mit £übel und anfangs Juli mit den 
Dithmarfchern ein Bündnig. In leßterem verpflichten fich beide 
fontrahirenden Theile, einander gegen Derleßung ihrer Sreiheiten 
und Privilegien zu fchüßen, durch gütliche Derhandlung und Der- 
mittelung, wenn dadurch etwas zu erreichen, jonft durch thatlräftigen 
Beiftand. Wenn ein Theil mit Krieg bedroht würde, follten beide 
Theile in Lübed zufammenfommen und wegen der vom anderen 
Theile zu leiftenden Hülfe Dereinbarung treffen. Würde ein heil 
plößlich überfallen, fo follten die Lübeder dem anderen Theile davon 
Nachricht geben. Kein Theil foll des anderen Seinde hegen. Alle 
Uneinigkeit zwijchen beiden Theilen foll durch acht Männer aus 
Schleswig und Holftein und acht Dithmarfcher zwifchen Oſtern und 
Pfingften des nächften Jahres gefchlichtet werden in einer Zufammen- 
funft zu Jgehoe. Wenn die Schiedsmänner fich nicht einigen 
Fönnen, fo follen die Lübeder den Ausfpruch thun, und was dann 
noch unerledigt bliebe, folle anftehen, ohne der Dereinbarung 
Schaden zu bringen. Die Dithmarfcher follen zu Banerau nicht 
mit Zöllen beläftigt werden. Was Mißhelligkeit erwecken Fönnte, 
das foll von beiden heilen zum Beften gedeutet werden, und 
diefe follen einander auf feinen Sall verlaffen. Der Dertrag foll 
drei Jahre dauern. Dor Ablauf desfelben aber wollen die Parteien 
vereinbaren, wie es fortan mit demfelben gehalten werden folle. 
Würde einer der beiden Cheile aus Anlaß diefer Dertragsichliegung 
Fehde befommen, fo folle der andere Theil ihm treulich helfen 
bis zum Austrag des Streites. Keiner der beiden Theile foll ohne 
des anderen Zuftimmung Fehde beginnen oder Srieden fchliegen. Die 
von feiten der Dithmarfcher ausgeftellte Urkunde des Dertrages lautet: 

„In Bodes Namen amen. Witlif fy alfewem, de deſſen breff 
een, hören effte lefen, dat de geftrengen Erbaren unde Duchtigen 


* 





Don 1442 bis zur Belehnung mit Dithmarfchen — 1474. 245 


der gemeinen Rydderſchopp unde Manfchopp des Hartichdome 
Sleßwigk unde der Grevefchoppe Holften unde Stormarn 
in fundrigem vordrage, uppe de einen, unde de Erjame 
unde befcheden manne, Dogede, Sluter, Sworn, Radgewer und 
dat gemein landt Detmerfchen uppe de andern fyden,! mit woll« 
bedachten mode, rypem rade unde gudem vryen willen, Bode 
almachtig to love, deme hilligen Romeſchen Ryke nicht to vorfange, 
funder alle wege to eren unde werdicheit, dorch not, nutt predes 
unde beftendicheit all der vorjcreven lande, dem gemenen beften 
to gude, unrechter gewalt unde vorkortinge wedder to ftaende, fi 
loffliten unde fruntlicden voreiniget, vorftridet, tohopefatet unde 
_ vorbunden hebben in nafcrevener wyfe: Interſte, dat eyn juwel 
van en fynem rechten heren doen fchall, des be eme van eren 
unde rechtes wegen plege unde plichtig vs to doende. Item, wer 
et ſake, Dat jemand, he were we he were, beyde vorfcreven dele, 
famptliden offte jemande van en befunderen, mit gewalt wedder 
recht edder tegen erer lande unde ingefeten privilegia, vryheide 
unde rechticheyde, dar erer eyn des anderen to eren unde rechte 
mechtig were, operfallen, benodigen, krenken edder befchedigen 
wolde na datum deiles breves, dDarumme en dat redelich were nicht 
befcheen edder wedderfaren mochte, fo fchall erer eyn des andern 
dage, wann fe dar to geejchet unde gebeden werden, befenden unde 
helpen, fodanen overfall in fruntlicheyt afleren, oft men konde. 
Mochte en aver dat nicht gedien unde men fe ſamptlicken edder 















+ 

ı Befheden Manne — gefette, rechtliche Leute. Wenn hier die Rath- 
geber, zu denen die Achtundvierziger zählten, in der Reihenfolge diefelbe 
Stelle nad den Slütern und Swaren einnehmen, an welcher in der lebten 
Seit vor Einfegung der Achtundvierziger die Rathgeber (consules) genannt 
wurden, fo ift das ein Beweis, daß aus der Stellung der Letzteren in der 
Reihenfolge nicht ohne weiteres auf ein geſunkenes Anfehen derfelben zu 
fließen ift, und daß die Reihenfolge der Unterzeichnung dithmarfcher Ur- 
funden feinen Maßftab giebt für die Höhe des Anfehens und die Größe 
des Einfluffes der Rathgeber wie der Achtundvierziger im Derhältnif zu 
den Repräfentanten der Kirchfpiele, Slätern und Swaren. 


246 Dritter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


befunderen boven rechtes erbedinge jo overfallen unde en gemalt 
unde ungemafes nicht pordregen wolde, fo dat fe ſamptlicken edder 
befunderen van der wegen mit jemande to unwillen unde veyde 
omen moften, denne fchall erer eyn den anderen funder troft, 
ulpe unde byftand nicht laten, unde umme ſolken overfall unde 
ewalt wedder to ftaende, fcholen beyde erfcreven, dele tofamede 
by de van £ubede ryden, umme fruntliden van der wegen mit 
en to fprefende unde overein to fomende, fo des denne ys van 
noden, unde wes denne de van £ubede mit deme dele, de der hulpe 
unde byfiandes behof hefft, overein komende werden, deme fchall 
de ander deel in aller mathe od fo doen, ane alle geverde; 
unde weret fafe, dar God vor fy, dat jemand van den vorfcreven 
delen fo haftliden mit gemalt overfallen edder beftellet wurde, 
dat men darumme, alje vorfcreven fteit, nicht tofamende ryden 
tonnde, denne fcholen de van Kubede dem andern dele, dat 
nicht overfallen ofte beftellet ys, fcriven, wat hulpe unde 
byftandes ze deme overfallen edder beftelleten dele doen willen. 
Desgelifen fchall dat deel deme de van Eubede fcriven, od 30 doen, 
funder fumeet. Ock fchall dat eyne deel tegen dat andere nicht 
doen, effte erer eyn des andern vyende hufen ofte haven.! tem 
ys twifchen beyden erfcreven delen bedinget unde overeyngelomen, 
dat ze alle fchelhaftige ſake unde unfchegelicheyde? nu twifchen ene 
wefende edder de in der myddelen tyd deſſer tohopefate entftaen 
mochten, deger unde all gefath hebben by achte gude manne der 
Iande Zeßwigk unde Holften unde achte gude manne des landes 
Detmerfchen, unde de fofteyn fcholen famptliden twijchen pajchen 
unde pinrten negeft fommende bynnen Itzehoe einen veligen unde 
unvorplichteden dag holden unde darjulves folfe erfcreven ſake in 
fruntfchoppe offte rechte vorfcheden. Konen fe der fchedinge nicht 
eins werden, fo fcholen fe van beyden delen de van Eubede alſe 


— 








I Baven, von Hav, Hof. Hufen und Haven — herbergen in Haus 
und Bof. 
: Scelaftig — ſtreitig. LUnfchegelihepde — ungefchlichtete Sachen. 


Don 1442 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 247 


overfchedesheren darto vorbeden, umme de ſake endliden t 
vorfchedende, unde wat fafe men denne jo nicht kann vorfcheden 
fcholen in gudem ftande biyven de tyd deſſer tohopefate all uth 
einen juwelfen fines rechtes unvorfumet unde defler tohopefat 
unfchedelid. tem fchall men nenen tollen tor Haneroume in de 
myddeien tyden defler !ohopefate geven, emifangen, nemen oft 
bören unde wenn furder der erfcreven lande Sleßwigk, Holften und 
Stormaren Rydderfchopp manfchopp ofte de Detmerfchen tegen er 
privilegia unde vryheit bejweret werden, dat nicht alleine in de 
Ayyderfchopp unde manfchopp macht were aftoferende, dar fcha 
dat eyne deel deme anderen trumweliden helpen, dat jolfet afgelere 
werde, uppe dat eyn juwelk by zinen privilegien, vryheyde und 
rechte blive. Item, deffe freuntliche tohopefate ſchall eynem juwelke 
dele in eren privilegien, befegelden breven, vryheyden und 
rechticheyden to nenem vorfange wefen, men de beftedigen und 
beveften, unde fchall waren unde duren dree jar lank, all uth n 
datum defjes breves funder myddel negeft folgende, unde in de 
middelen tyden fchall eyn deel dem andern in deflen zafen all 
dingk keren unde düden tom beften unde mit des anderen befte 
umme gaen, unde in dem lateften jare defler tohopefate fchole 
beyde dele darumme tofamende ryden, umme to flutende, wo 3 
ydt deine vort van derwegen holden willen. Weret od, da 
jemand de erfcreven beyden dele, famptliden edder befunderen 
umme deffer fenntliden tohopeſate edder anderer ſake willen, d 
fit hiruth orſaken mochten, overfallen, veyden edder befchedige 
mwolde, jo fchall erer eyn den anderen, dar he ziner in den fal 
to rechte mechtig ys, nicht vorlaten, men dat mit ernfte affere 
unde weren helpen unde des to ende uth by malkanderen trumeli 
bliven. Sid fchall od nemand van en afzonen noch vrede male 
edder annemen, oc mit nemande veyde malen, ydt en zy und 
jchee mit beyder parte vulbort unde willen. Alle vorfcreven ſtück 
unde Artikel wy gemein Kydderfchopp unde manfchopp der land 
Sleßwigk, Holften unde Stormam vor uns unde de mit uns i 




















248 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 




















vordinge zint unde der in komende werden, unde wy Dogede, 
Slüter, Sworn, Radgever und gemein landt Detmerfchen vor uns, 
unfer aller erven unde nalomelinge, laven unfer eyn deel dem 
anderen vaft unde unvorbrofen to holdende, ane alle geverde, 
argelift efte behelpinge gejtlides edder werltlides rechtes. Deſſet 
alle vorfcreven van wegen der gemeinen Rydderfchopp unde man- 
ihopp vorben: De geftrengen Erbaren unde Duchtigen Ber 
Uycolawes Beventlouw, Rydder, Elaves unde Keye Rentſouwe 
brodere, Heren Schaden föne, Sywert Ratlouw, Detleff van Bock⸗ 
Ide, Elawes van Alevelde, Ber Johanfjon, Wulff Poggemwifch, 
anfion, Jochim Brodtorpp, Hinrick Mentſouw, Breden fon und 
enedictus Poggewifh, Wulffeſſon, unde van des ganten 
landes wegen Detmerfchen de Erjamen unde befcheden manne 
oje Elawes, Kerftens Reymer, Jacob Polle, Herders Johanns 
awes, Dyderides Hans, Reymer Swin, eben Elawes, Boldes 
olt, Kerftens Maeß, Peter van Polen, Johann Wybers ode, 
ohanns Solbes, Stuwes Elawes, Llawes Reymer, Junge Elawes 
Dans unde Henneden Hans, mit gudlider medebeweringe des 
Erfamen Bades to Lubede hebben verhandelt, belevet, angeramet 
unde befloten. To merer felerheyt, orkunde und vorwaringe 
hebben wy Dogede, Sluter, Sworn unde Radgevere des ganken 
landes Detmerfchen Ingefegel, wy acht unde veertig man dar- 
fulves unfe Ingeſegel unde wy Borgermeiftere unde Radmanne 
to Meldorpp unſe Ingejegel mit gudem vryen willen hengen heten an 
deflen breef, unde dat wy Borgermefter unde Radmanne der ftadt 
£ubede ſolke vorfcreven tohopefate hebben vorhandelen unde dege- 
dingen helpen, des hebben wy tor witlicheyt umme bede willen beyder 
erfereven dele unfer ftadt Ingeſegel witlicken heten hengen an deffen 
julven breff. Geven bynnen £ubede na der bort Ehrifti unfers 
Beren Dufend veerhundert jar, darna in dem negen unde foftigeften, 
am Sonnavende na unfer leven froumwen dage pifitationis.“! 


* Aus der Unterzeichnung des Dertrages ift erfichtlih, daß unter den 
£andesvertretern die Adtundvierziger und die Bürgermeifter und Rath⸗ 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1424. 249 


Ehriflian I., mit Schweden in Krieg verwidelt und im ruhigen 
Befige von Holſtein durch feinen Bruder Gerhard geftört, fuchte 
ein gutes Derhältnig zu den Dithmarfchern herzuftellen. Er gab 
ihnen mancherlei äuficherungen und beftätigte ihnen 1470 zu 
Rendsburg alle Sreiheiten und Rechte, die ihnen in Holftein und 
Schleswig von früheren Herren diefer Lande eingeräumt worden 
waren, mit dem Bemerten, daß es gefchehe wegen der befonderen 
Wohlthaten, die ihm von den Dithmarfchern erwiefen worden feien 
und die fie ihm fernerhin erweifen möchten. Er verfpricht dabei, 
die Dithmarfcher in ihren Privilegien in feinen £anden zu fchüßen. 
Die Beftätigungsurfunde (ap. Weftpk. mon. ined. IH, col. 1867) 
lautet: 

My Ehriftiern, van Bades Gnaden tho Dänemark, Schweden, 
Norwegen, der Wenden unde Bothen Koning, Bertog tho Slegwigt, 
Greve tho Holften, Stormaren, Oldenborg unde Delmenhorft, 
befennen unde betügen apenbar in unde mit deſſem brefe vo 
alfe weme, dat wy na rade unde mit vulborde unde willen unj 
lewen truwen räde der lande Sleßwigk, Holſten unde Stormar 
umme fundrige woldaet, de uns de Erfame Dogede, Sluter, Sworn 
Radgevere unde gemein landt tho Detmerfchen bewifet hebben und 
vort bewifen mögen, denfulven alle ere oryheyde, privilegia und 
rechticheyde, de enen von unfen fel. vorfaren, Hertogen tho Sleßwigk 
Greven tho Holften, gegeven unde vorfegelt, in allen eren punct 
unde artitelen, unde effte de alle van worden tho worden hierinn 











männer von Meldorf in Lübeck vertreten waren. Die Rathgeber find die 
Adtundvierziger; Bürgermeifter und Rathmänner von Meldorf find alfo 
nur unter Slüter und Swaren zu begreifen. In Bürgermeiftern und Rath 
hatte Meldorf eben feine eigenen Slüter und Swaren. Wie hier „Slüter“ 
und „Swaren” ein Anderes find als Rathgeber, und „ARathgeber” nicht 
Bürgermeifter und Rathmänner von Meldorf find, fo audy vor Einfegung 
der Achtundvierziger. Dor wie nad 1447 bilden Dögte, Slüter, Swaren 
und Nathgeber die Landesvertretung, und niemals werden Slüter und 
Swaren oder Rathmänner von Meldorf unter die Nathgeber des Landes 
begriffen. 


250 Dritter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


begrepen unde uthgedrudt flunden, confirmeret, beveftiget unde 
beftediget hebben. Eonfirmeren, beveftigen unde beftedigen de in 
frafft defles unfers breves, unde willen de Detmerfchen in fodanen 
eren privilegien in unde up unfen landen unde ſtromen vor gewalt 
befchutten unde befchermen, unde dorch de unſern befchuttet unde 
befchermet holden unde hebben des to merer orkunde, ſekerheyde 
unde vorwaringe Wy, König Ehriftiern vorbenomet, unfe Königl. 
Secret witlid hengen laten an deſſen breff, de gegeven unde ſcreven 
vs binnen Bendesborg na der bort Ehrifti unfers Heren 1470 
des Sonnavendes vor deme 11000 junkfrouwen dage. 

An demfelben Tage genehmigte und beftätigte der König den 
Dertrag der Ritterfchaft mit den Dithmarfchern, unter dem Dor- 
behalt, daß, wenn darin etwas feiner Majeftät nachtheilig fei, 
folches in einer Zufammentunft zu Kiel abgethan werde. 1473, 
23. März, beftätigte er abermals den Dithmarfchern alle ihre Srei: 
heiten und Privilegien, die ihnen im Lande Hoijtein von den 
Grafen Hinrich, Wolph und Gerhard 1422 ertheilt und zugefichert 
worden: „Wy Ehriftiern van Bades Gnaden tho Denemark, 
Schweden, Norwegen, der Wenden unde Bothen Koning, Bertog 
to Sleßwigk, Greve to Holften, Stormaren, Oldenborg unde 
Delmenhorft zc. befennen unde betügen apenbar vor alle dejennen, 
de deſſen Unſen brev feen, hören efte lefen, dat Wy van fundriger 
gunft unde gnade wegen, fo od! umme mengerley gunft unde guden 
willen, alje de Erbaren framen lüde, ! Dogede, Slutere, Smworen, 
Radgever unde de gantze Meenheit des landes Detmerfchen uns gedaen 
unde bemwifet hebben, unde Wy noch vortan gunftig pon enen vor- 








ı „gtam”, in der einen Bedeutung: milde, fahtmüthig, in der anderen: 
wohlgefinnt, rechtli, treu, iſt in der erfteren noch gebräudlidh, fo 3. B. 
wird ein „finniges" Pferd wohl als fram bezeichnet. In alten Schriften 
lieft man oft von framen Bolften, wo dann das fram, wie hier bei den 
framen £üden, den Dithmarfcern, fo viel wie rechtlih und treu bedeutet. 
In holfteinifchen Ediften und Beliebungen ift die Rede von framen Lüden 
oder framen Bolften, die nebft dem Diftrikts. oder Bauervogt auf Recht und 
Ordnung fehen follen. Die fo nominirten Männer, Amtsbauern, hieß man 





Don 1442 bis zur Belehnung mit Dithmarſchen — 14724. 251 




















modende fint, hebben Wy na rade Unſer leven getruwen radgever 
unde wolbedachten mode fodanen brev, als de hochgeborene Sorfte 
Heren Hinrick, Aleff unde Gert, Hertogen to Sleßwik, Greven to 
Holften, feliger gedachtniß, Unfe leven Ohme unde Dorfaren, ene 
mildichlich gegeven unde vorfegelt hebben, Iudende up vryheyde 
unde privilegia in Unſem lande to Holften, in allen finen puncten 
unde artiteln to ewigen tyden vor Uns unde Unfe erven und 
nafomelinge tho waren unde tho duren belevet, beveftiget unde 
confirmeret. Beleven, beveftigen unde confirmeren den alfo jegen- 
mwerdigen in frafft defles Unfes breves by voller macht und 
werden to blivende to ewigen tyden, alfe vorgefcreven ys, und 
Iudet de vorbenomede Unſer fel. Ohme unde Dorfaren van 
worden to worden alje hierna folget: 

„Wy Hinrick, Alff unde Ghert, van Bades Gnaden Hertog 
tho Sleßwigk, Greven tho Holften, tho Stormarn unde tho Schowenbordh 
befennen apenbar in deflem breve vor alfe weme, dat Wy mi 
den framen lüden, Dogeden, Slutern, Sworen unde Mleenheit des 
landes to Detmerfchen eyns worden fyn in deſſer wyfe, dat f 
mit erem gude, wor fe dat kopen, mit erem ſekeren gude, unde 
dat fe mit erem Eede behoveden mogen, dat ydt ere fy, funder 
argelift, fchölen de Eyder unde de Treya up unde dael unde in 
deme ganten lande to Holften tollen vry fyn unde velig wefen, 
dat ere to vorferende in alle wyje, alfe de bref inholt, de d 
hochgeborne Sorfte unde Sorftinne, Greve Hinrick, unfe leve Deder 
unde Srowe Elifabeth, unfe leve Srowe Moder, beyde feel. gedacht 
nifje, den vorfcreven framen KZüden, Dogede, Slutere, Swore 


naiverweife dann „de framen Cüde“ und „de framen Bolften“, aud 
„de Holften”. In Klöfterlich-Igehoer Diftriften gab es noch in jüngſter 
Seit ſolche beftellte „Frame Küde und Bolften”, in der Regel zwei in einem 
Dorf. Wo Dinggeridte waren, gehörten fie zum Perfonal des Gerichts, 
und die fog. Amtsbanuerngerichte verfahen „Dogt und Holften“. Die Nedens- 
art von „frame Holften” giebt alfo Feinen hiftorifchen Beleg dafür, daß 
„Kolftentren zum Sprucd geworden“. 


252 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


unde der gantzen Mleenheit des landes tho Detmerjchen vorfegelt 
unde gegeven hebben. Dat Wy des aldyß eens geworden ſyn, 
dar hebben an unde over geweft des Erwerdigen in Bade Daders 
unde Hochgeboren Bern, Bern Claus, Er&bijchoppes der Hilligen 
Kerken tho Bremen und des Erfamen Rades Unfer ftadt tho Hamborch 
Sendebaden, alje de Erfame Her Binric van der Mlälen, Praveft 
to Sunte Anfcharius tho Bremen, Here Elawes Poppe, Deden tho 
Rameslo, Here Marquard Brand, Kerfhere to dem Kyle, Sendebade 
Marſchalk des Stichtes to Bremen, Her Hinrick Hoyer, Borger- 
mefter, unde Her Berend Borftel, Rademann tho Hamborch. Des 
tho witlicheit unde tüchniß hebben Wy, Bertoge Binrid, Alff unde 
Gert, Unfe Inſegel laten hengen vor deſſen bref, de gegeven ys 
na Bades bort Dufent veerhundert, darna im twee unde twintigeften 
jare, des prydages vor Palnıen.“ 

Unde Wy Ehriftiern, Konid, Bertog, Greve vorbenomet, vor 
Uns, Unjere erven unde nakomelinge, tho orfunde unde vafter vor: 
waringe hebben Unſe Koniglide Secret witlicken vor deſſen bref 
laten hengen. Bier an unde over fyn geweft de Erwerdige in 
God Dader Here Nicolaus to Sleßwick, Here Alprecht to Cubecke, 
BSifchoppe, Gotzik van Alevede, Hlawes unde Hans Ranzow, 
Bere Schaden föne, Detleff van Bodwolde, Bere Detleffs fon, Eüder 
Rumor, Llawes Ratlow, Henning Poggewiſch, Klawes unde Hinrich 
van Alevelde, Here Johanns föne, Dieterich Blome, Johannes 
von Einbede unfe Secretarius und leve getruwen redere. Gegeven 
in Unfe fladt Rendesborch am Dingsdage negeft na dem Sonndage 
Oculi na Ehrifti unfes Heren gebort veerteyn hundert, darna im 
dree unde fönentigften jare. (Sedorf bei Bolten III, 34.) Endlich 
fam gar, und zwar nur wenige Tage fpäter, nämlich am 29. März 
1475, ein förmliches Hülfsbündnig zu ftande zwifchen dem Könige 
und den Dithmarfchern. Das Bündnig wurde auf drei Jahre 
geichloffen. Dor Ablauf der drei Jahre foll felbiges eventuell 
verlängert werden. Beide Theile machen fich verbindlich, einander 
im Nothfall allen möglichen Beiftand zu leiften. Nach Wortlaut 





Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 253 


und Inhalt fcheint es, als ob der König einfach dem Dertrage 
der Ritterfchaft mit den Dithmarfchern vom Jahre 1469 beigetreten fei 
und denjelben dann nach Ablauf der für die Dauer desfelben vor- 
läufig angefeßten Seit von drei Jahren für fich erneuert habe. 
Die vom Könige den Dithmarfchern ausgeftellte Derfchreibung 
lautet: 

Wy Ehriftiern ꝛc. doen witlic® befennen, unde betügen openbar 
vor alle dejennen, de deſſe bref vorfomende werdt, dat Wy mit 
rypem rade, vryem willen unde mwolbedachtem mode, Bade to 
love, dem hHilligen Romeſchen Ayde nicht to vorfange, fundern 
alle wege to eren unde to werdicheyt, predes unde beftendicheyt 
Unfer lande des Hertichdomes to Sleßwick unde der Greveſchoppe 
Holftien unde Stormaren, unde derfulven Unſer lande Underfaten 
Uns mit den Erjamen Dogeden, Slutern, Sworn, Radgevern un 
gangen Meenheit des landes to Detmerfchen, dem gemeinen befte 
to gude, unrechter gewalt unde overvalle wedder to ftaende 
lovlicken unde vredliden hebben voreyniget, vorftricket, tohopefate 
unde vorbunden in nafcrevener wyfe: Interſte weredt ſake, dal 
jemand, he were, we he were, unfer beyde landt effte underfate 
mit gewalt tegen unfer lande privilegien, vryheyt unde rechticheyt 
da unfer eyn des anderen fo eren unde rechte mädıtig ys, over 
fallen, benöden, krenken edder befchedigen wolde na datum defl 
breves, darumme idt eyn dem amdern nicht to befcheen edd 
wedderfaren mochte, fo fchall unfer eyn den andern to rechte vor 
beden unde vorfcriven unde eyn des andern dage, wenn wy da 
to geefchet unde gebeden werden, bejenden unde helpen, fodane 
overfall in frundlicheyt afleren, ofte men konde. mochte uns ove 
dat nicht gedien unde men uns boven rechtes erbedinge jo over 
fallen, gewalt unde ungemad nicht vordragen wolde, jo da 
jemand van uns van der wegen mit jemand to unmwillen und 
veyde kommen mofte, denne fchall unfer eyn den andern funde 
troft, Hulpe unde byfland nicht laten. Und umme fodanen overfa 
unde gewalt wedder to ftaende, fcholen wy beyde dele tofamend 























254 Dritter Abfchnitt. Erſte Abtheilung. 


by de van Lubede ryden edder od bejenden, umme fruntliden 
van der wegen mit ene to fprefende, fo denn des van noden ys, 
unde wes denne de van £ubede mit dem dele, fo der hulpe unde 
byftandes behof hefft, over eyn fomende worden, deme fchall dat 
andere deel in aller mathe od jo doen, ane alle geverde. Unde 
weridt ſake, dar God vor fy, dat jemand van uns vorfcreven 
delen fo haſtigen mit gewalt overfallen unde beftellet worde, dat 
men darumme, alje vorfcreven fteit, nicht tofamende ryden konde, 
denne fcholen de van Zubede dem andern dele, dat nicht over» 
fallen effte beftellet ys, fcriven, wat hulpe unde byftandes fe dem 
operfallenen dele doen willen. Dergeliken fchall dat deel, dem de 
van £ubed fcriven, od fo doen, funder fumend, od unfer eyn 
tegen den andern nicht doen, noch unfer eyn des andern pyende 
hufen unde haven. tem ys twijchen uns beyden parten gedege- 
dinget unde overeyn gekomen, dat mit alle fchelhaftige fate unde 
unfchegelicheyde, an beyden parten entwifchen wefende edder de in 
myddler tyd deſſer tohopefate entftaen mochten, fchall in alle mathe 
ftaen unde darmede geholden werden na inholte des recefles, 
umme trent des Sonndages oculi bynnen Bendesborch gemalet. 
tem mit dem tollen to Hanrowe unde in andern enden in Unfern, 
König Ehriftiern, landen fcholen Wy idt vaftliden Holden na 
inholte der privilegien unde oryheiden, alfe Wy den framen lüden, 
den Detmerjchen, gegeven unde vorfegelt Lebben. tem deſſe 
frundlide tohopefate fchall eynem idtliden dele van uns in unfen 
privilegien befegelden breven, vryheyden unde rechticheyden to 
nenem vorfange wefen, fundern de beftedigen unde beveften, unde 
Ihall waren unde duren dree jar lang all uth na datum deſſes 
breves funder myddel negeft folgende. Unde in den myddelern 
tyden fcholen Wy unfer eyn dem andern in defler ſake alle ding? 
feren unde düden to deme beiten unde mit des andern beften 
umme ghaen. Unde in deme lateften jare deffer tohopefute fcholen 
wy beyde dele darumme tofamende ryden edder bejenden, umme 
to flutende, wo wy idt denne vort van der wegen holden willen. 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 255 


Weret od fafe, dat jemand uns vorfcreven delen umme deſſ 
frundlicde tohopefate edder andere falten willen, de fi hir ut 
orfaten mochten, overfallen, bejchedigen edder veyende wolde, | 
ſchall unſer eyn den andern, dar wy malkander in den falen t 
rechte mächtig fyn, nicht vorlaten, men dat mit ernfte afleren und 
weren helpen unde des to ende uth by mallanderen trumelife 
blyven. Alle deſſe vorfcreven flude unde articule love W 
Ehriftiern, Koning vorbenomt, in guden truwen ftede vafte und 
unverbroßen wol to holdende, funder alle argelif. Des to ortund 
hebben Wy Unfe Koniglide Secret laten hengen an deſſen breff 
de gegeven ys an Unferm Schlote Bottorp am Mandage na de 
Sonndage £Lätare na Ehrifti Bebort MCCCCLXXIU. (Frag. Russ 
ap. Westph. cit. b. Bolt. III, 34 ff.) 

Der Receß „umme trent des Sonndages oculi bynnen 
Rendesborch gemafet”, auf welchen in dem Dertrage Bezug ger 
nommen wird, datirt vom Montage nach Okuli, 22. März, 1475 
und ift eine Dertragsbeftimmung über Schlichtung von Streitig- 
feiten. Denn ein Unterthan des Königs wider einen Dithmarfcher 
Magbar werden will, fo ſoll er das in Heide anzeigen und dann 
hierher citlirt werden und dafelbfi nach Ditkhmarfcher Recht die 
Sache entfchieden werden; wenn ein Dithmarfcher wider einen 
Untertkanen des Königs Befchwerde führen will, fo foll er die 
Klage an den König oder, wenn diefer nicht zur Stelle iſt, vor 
den Bifchof von Schleswig, refp. den von Kübed, bringen, und 
fol die Sache dann ebenfalls entichieden werden nach den Dith- 
marjher Hecht. Das in früheren Derträgen feſtgeſetzte Schieds⸗ 
gericht von acht Leuten aus des Königs Kanden und acht Dith- 
marfchern foll beftehen bleiben, und foll dasfelbe acht Tage vor 
Johannis zu Hufum und acıt Tage vor Jakobi in Itzehoe zu- 
fammentreten, um dort die Sachen zwifchen Dithmarfchern und 
Unterthanen aus dem Berzogthum Schleswig, hier diejenigen 
zwifchen Dithmarfchern und Unterthanen aus der Grafichaft 
Holftein abzuthun. Die angeführten Dertragsurkunden zeigen, wie 


256 Dritter Abfchnitt. Erſte Abtheilung. 


ernfllich der König bemüht war, die Sreundfchaft der Dithmarfcher 
zu gewinnen und zu wahren, und wie die Dithmarfcher es ver- 
ftanden, fich die Zeitumftlände und politifchen Derhältniffe nutzbar 
zu machen, fo daß der König zu förmlicher Derbriefung der von 
den Dithmarfchern in Holftein und Schleswig den Schauenburgern 
abgewonnenen Rechte und Privilegien widerwillig fich genöthigt 
fieht und gar das Dithmarfcher Candrecht für Schlichtung von 
Streitigfeiten zwifchen Dithmarſchern und fürftlichen Unterthanen 
auch vor Gerichten in Holftein und Schleswig als maßgebend 
anerfennen muß. 

Auf Grund des abgefchloflenen Hülfsbündnifjes leifteten die 
Dithmarfcher noch in demfelben Jahre, 1475, in welchem das 
Bündniß zu ftande fam, dem Könige Beiftand zur Unterdrüdung 
des Aufruhrs, den der ungetreue Statthalter, Graf Gerhard von 
Oldenburg, der Bruder des Königs, in Holftein anzuzetteln gewußt 
hatte. Zwar war Graf Gerhard der Statthalterfchaft bereits 
enthoben, Doch dauerten die von ihm gefchürten Unruhen und die 
Empörungen wider den König fort. &s hatten ſich im Jahre 
1473 viele Anhänger des Gerhard, befonders aus Stapelholm, 
Eiderftedt, Noröftrand und der Wilftermarfch, unter Sührung eines 
Henneke Wulff von Wewelsfleth wider den König zufammen- 
gerottet. Die Aufrührer wurden aber im felbigen Jahre noch 
entfcheidend gefchlagen und ihr Haufe völlig zerftreut. Ueber den 
Antheil, den die Dithmarfcher an der Unterdrüdung des Aufrukres 
gebabt haben, berichten die Annaliften zwar nichts Näheres; daß 
aber die Dithmarfcher an der Unterdrüdung desfelben theil 
genommen haben, ift nach den Beftimmungen des gefchlofienen 
Hülfsbündnifjes unzweifelhaft und geht auch hervor aus mancherlei 
Andeutungen in anderweitigen Nachrichten über Zeitereigniffe, die 
mit jenem Aufruhr in Derbindung ftehen. Don dem Anführer 
der Aufftändifchen, Henneke Wulff, wird berichtet, daß er nach 
der Niederlage, die er erlitt, nach Dithmarfchen fich gewandt habe 
und hier erjchlagen worden fei. Ehriftian 1. fand fich dann endlich 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 257 


ab mit feinem Bruder, dem Grafen Gerhard, der fich nun anderen 
Unternehmungen zumwandte und 1474 ein Bündniß fchloß mit dem 
Derzoge Karl dem Kühnen von Burgund, der fich die Sriefen in 
Oftfriesland (Sreifriesland) unterthan machen wollte. 

Als fo die Ruhe im Lande wiederhergeftellt war, trat der König 
Chriftian I. eine Romreife an. Am 8. Januar 1474 machte er fich mit 
einem anfehnlichen Gefolge in Pilgertracht mit 150 Pferden auf den 
Weg. Er verweilte auf feiner Reiſe einige Tage im Sebruar zu 
Rotenburg an der Tauber bei dem Kaifer Sriedrich III. Diefer beforgte 
damals Seindfeligkeiten von dem Berzoge Karl dem Kühnen von 
Burgund und fuchte fich des Königs als Dermittler zu bedienen. Der 
König benußte die Gunſt der Umftände, fih vom Kaifer befondere 
echte und Dergünfligung zu erwirfen. Dahin gehörte un. a. die 
Dereinigung von Holftein, Stormarn und Dithmarfchen zu einem 
Herzogtum unter dem Gefamtnamen „Holftein“, fowie die 
Belehnung des Königs mit folchem Herzogthum, unter Bewährung 
aller üblichen herzoglichen Dorrechte. Der erfte holfteinifche Graf 
aus dem Haufe Oldenburg mißachtete die Zufagen und Derträge 
in Beziehung auf Dithmarfchen alfo ganz fo, wie es die hol. 
fteinifchen Grafen aus dem Haufe Schauenburg thaten, die ftets 
treulos und hinterrüds Dithmarfchen der Sreiheit zu berauben 
trachteten. Die Dereinigung Dithmarfchens mit den Graffchaften 
Holftein und Stormarn zu einem Berzogthum „Bolftein® ward 
durch Faiferlichen Erlaß vom 14. Sebruar 1474 fund gegeben. 
Am 135. Sebruar erging ein Gebotsbrief an die Dithmarfcher, 
worin diefen aufgegeben wurde, dem Hönige gehorfam und 
gewärtig zu fein. Unterm 15. $ebruar erfolgte die förmliche 
Belehnung des Königs in feierlicher Weife. Die Belehnungs- 
urfunde bezüglich Dithmarfchens lautet: 

Wir Sriedrich, von Gottes Gnaden Römifcher Kayfer, zul 
allen Seiten Mehrer des Reichs, zu Ungarn, Dalmatien, Eroatien 
König, Herzog zu ©efterreich, zu Steyer, zu Kämdten und zu 
Erain, Herr uff der Windifchen Mard und Portenaw, Graff zu 

Dithmarfcher Befchichte. 17 


258 Dritter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 





























Habsburg, zu Tyrol, zu Pfirdt und zu Kyburgt, Markgraffe zu 
Burgaw und Landgraffe zu Eljaß zc. Belennen öffentlich mit 
diefem Brieffe und thun Fund Allermänniglih. Als das Land 
Dyetmarn mit feinen Schlofjen, Stetten, Märkten, Dörffern, Weylern, 
Hoffen, £euten, guten Obrigkeiten, Herrlichleiten, Rechten, Gerechtig- 
feiten und aller feiner Sugehörung, daran nichts ausgenommen, 
von Uns und dem heylichen Reiche zu £ehen rührt, und die 
Hertzogen zu Schlegwig und Holftein von Unfern Dorfahren am 
Reiche zu Zehn gehabt haben. Und aber in langer Zeit nit 
empfangen haben, darum Uns das, als Römifchen Kayjer, und 
dem heyligen Reich heimgefallen, dag Wir dasfelbe Land Dyetmarn, 
mit feinen Schlofjen, Stetten, Märkten, Dörffern, Weylern, Hoffen, 
Leuten, guten ©brigfeiten, BHerrlichfeiten, Rechten Gerechtigkeiten 
und aller feiner Zugehörung, nichts davon ausgenommen, dem 
Durchlauctigen Sürften Chriftiern, König von Dennemarf, Unſerm 
lieben Bruder, nachdem er desfelben Stammes und Geblüts ift,? 
als Römifcher Kayfer zu £ehen gnädiglich verliehen haben. Der- 
leihen ihme das auch von Römiſcher Kayferlicher Macht und 
rechtem Wiſſen in Krafft diefes Brieffs, was Wir ihme von 
Rechtswegen und fonderlichen Unfern Kayferlichen Gnaden daranne 
u verleihen haben, aljo, daß er und feine männliche Erben das 
n hinfüro von Uns, Unfern Nachlommen und dem heylichen 
eich, fo offt das zu fchulden fommt, entfahen, inhaben, nußen 
nd nießen und alles das zu thuende verpflichtet feyn follen, das 
ehen - Sürften unde- Alannen davon Uns und dem heylichen 
eiche zu thun fchuldig feyn. Der obgenandte Unſer Bruder fol 
uch inner Jahresfrift nach dato diefes Brieffs fchirsfünftig fein 


! Der ſchwache Kaifer Friedrich III. ift hier in dem Wahne befangen, 
dag Dithmarfchen von den Schauenburgern als deutfches Reichslehn befeffen 
worden wäre. 

* Desjelben Stammes und Geblüts, wie die Herzoge von Schleswig zc. 
nämlid, die Dithmarfchen nach der Meinung des Kaifers zu Lehn gehabt. 
Chriftian I. war als Schwefterfohn Adolphs VIII. von Holftein von mütter. 
licher Seite vom Stamme und Geblüt der Schauenburger. 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 259 


vollmächtig Anwälde in Unſern Kayjferlichen Hoff ſchicken, die 
Uns von Seiner £iebd wegen und in feinem Namen desfelben 
obgenannten Landes halben gewöhnliche £ehenpflicht thun, wie 
fich gebührt ungeferlih. Mit Urkund diefes Brieffs befiegelt mi 
Unferm Kayferlichen Majeftät anhangendem nfiegel. Geben zu 
Augsfpurgf, am Mittewochen nad Sandt Urbans Tag, nad 
Ehrifti Geburt vierzehn hundert und im drei und fiebenzigften ; 
Unferer Reiche des Römifchen in dem vier und dreißigften, des 
KayjertHumbs im zwey und zweyntzigften und des Hungerifchen 
im fünfzehnden Jahre. (Weſtph. col. 1764, cit. bei Bolten III, 
48, Anm. 33.) 

Auffallend ift im Datum diefes Lehnbriefes die Jahreszahl 
1473. Da die Belehnung des Königs 1474 erfolgte, fo fcheint 
der Lehnbrief nicht aus dem Jahre 1473 datiren zu Fönnen, 
Bolten erklärt daher die Jahreszahl 1473 hier für fehlerhaft und 
jeßt dafür 1474. Allein zu dem Inhalt des Lehnbriefes fcheint 
doch die Jahreszahl 1473 befjer zu paffen. Der König foll binnen 
Jahresfrift jelbft oder durch Gevollmächtigte am Kaiferhofe Lehns- 
pflicht leiften, Das hätte faum einen Sinn, wenn der Kehnsbrief, 
wie man anzunehmen pflegt, bei Belehnung des Königs 1474 zu 
Augsburg ausgeftellt worden wäre, da der König ja eben damals 
perjönlich am Hofe des Kaifers zugegen war und die übliche 
£ehnspflicht erfüllen fonnte, die nach dem Kehnsbriefe gethan 
werden follte.e Daher fchon ift es wahrjcheinlich, daß der Eehns- 
brief von 1473 datirt und der König eben zur Erfüllung der in 
demfelben ausgejprochenen Sorderung 1474 perfönlich zur Leiftung 
der Lehnspflicht beim Haifer erjchienen if. Die £ehmspflicht wurde 
eben bei Empfang der Belehnung felbft geleifte. Bolten (III, 48) 
will aus den angegebenen Aegierungsjahren folgern, daß der 
Lehnbrief aus dem Jahre 1474 ftamme. Das ift infofern nahe- 
liegend, als im Erlaß des Kaifers vom 14. Sebruar 1474, die 
Erhebung BHolfteins zum Herzogthum betreffend, diefelben Regierungs- 
jahre, wie im Lehnbriefe, angegeben find. Allein ein Bebotsbrief 

Le 


260 Dritter Abfchnitt. Erſte Abtheilung. 


an die Lübeder vom Mittwoch vor Johannis 1474 (Bolten III, 52) 
fegt für das Kaiferthum 23, für das ungarifche Reich 16 als Sahl 
der Begierungsjahre des Kaifers und die ebenfalls von Bolten 
(III, 102) mitgetheilte Yevokationsalte des Kaifers vom 30. Juni 
1481 nennt als Zahl der Regierungsjahre fürs römifche Reich 
(Königthum) 42, fürs Kaiferthum 30 und fürs ungarifche Reich 23. 
Die beiden leßtgenannten Urkunden flimmen alfo in Angabe der 
Regierungsjahre mit dem Lehnbriefe aus dem Jahre 1473 überein, 
und nur der Erlaß vom 14. Sebruar 1474 weicht in der Angabe 
ab. Es iſt alfo nicht in jenem, dem Eehnsbriefe, fondern in 
diefem, dem Erlaß vom 14. Sebruar 1474, ein Sehler in der Dati« 
rung zu erbliden. Das im £ehnsbriefe angegebene Datum ift 
unzweifelhaft richtig. Die einfache Jahreszählung beftätigt das. 
Sriedrich III. wurde 1440 römifcher König, 1452 wurde er als 
Kaifer gefrönt. Das Jahr 1440 war das erfte des Königthums, 
das Jahr 1452 das erfte des Kaiferthums Sriedrichs II. 1473 
war alfo wirklich das 34. des Königthums und das 22. des 
Kaiferthums, wie es in dem vom Mittwoch nach St. Urban 
(26. Mai) 1473 datirten Kehnsbriefe heißt. Die Belehnung datirt 
aljo thatfächlichh vom 26. Mai 1473. Der König Ehriftian I. 
hat aljo fchon, als er refp. am 23. und 29. März 1475 den 
‚ Dithmarfchern ihre Sreiheiten und Privilegien in feinen Landen 
Holftein und Schleswig beftätigte und mit ihnen ein Schuß- und 
Trutzbündniß einging, beim Kaifer fih um die Belehnung mit 
Dithmarfchen bemüht, und zwar, wie aus dem Inhalt des Cehn⸗ 
briefes erhellt, unter der faljchen Dorfpiegelung, daß die Schauen- 
burger auch Dithmarfchen zu £ehn gehabt hätten und er, als 
Schwefterfjohn des verftorbenen Adolphs VII., nun der nächſte 


ı St. Urban, 25. Mai, fiel 14273 auf einen Dienstag. St. Urban 1474 
fiel auf einen Mittwoch; der nächſtfolgende Mittwoch war der ı. Juni. Das 
war dann fon Mittwoch nad Sronleihnam und nad dem dazwifchen- 
liegenden Sonntag. Es gab alfo 147% gar feinen Mittwoch, der „nach 
Urban” hätte bezeichnet werden Fönnen. 


Don 1347 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 1474. 261 


£ehnswerber jei. Er reifte an den Kaiferhof, um als Lehnsmann 
der im £ehnsbriefe beregten Pflicht „binnen Jahresfriſt“ zu ge- 
nägen und fich in Perſon feierlichft mit Dithmarfchen belehnen zu 
laffen, um fo des Befites des Landes defto ficherer zu fein. Die 
Romreiſe in Pilgerlleidung diente nur dazu, feine wahre Abficht 
zu verdeden. Als er fich fo der Belehnung verfichert hatte, machte 
er beim Kaifer vorftellig, wie die Dithmarfcher das Faiferliche Gebot 
mißachteten, und bat um Durchführung der betreffenden Derord- 
nungen. Der Kaifer erließ dann am Mittwoch vor Johannis 1474 
von Augsburg aus einen Bebotsbrief an die Lübeder, in welchem 
diefen befohlen ward, bei Derluft ihrer ZNeichsfreiheit und bei 
Brüche von 100 Mark löthigen Goldes dem Könige, wenn er 
folches von ihnen begehrte, alle Hülfe zu leiften wider die Dith- 
marfcher, die das Gebot des Kaijers verachteten, ihm und dem 
Weiche zu merklicher Schmach und Derachtung — „hetten die Diet- 
merifchen folch unfer Kayferlih Gebott freventlih voracht und 
weren dem nicht nachgefommen, Uns und dem heylichen Reich zu 
merflicher Schmach und Verachtung“. Auch follten die Lübecker 
den Dithmarfchern und ihren Helfern feinen Aufenthalt und 
Durchzug geftatten oder fonft irgendwelchen Beiftand leiften und 
denfelben nichts zuführen und durch ihr Gebiet zuführen laffen. 
Gleiche Befehle ergingen an die Herzoge in Sachjen, die Sürften 
zu Stettin und Pommern, den Kurfürften von Brandenburg und 
Andere. Auch bewog der König Ehriftian den Herzog von Burgund, 
Karl den Kühnen, dahin, daß er ein Schreiben an die Dithmarfcher 
erließ, in welchem er fie nicht nur ermahnt, dem Könige als 
£andesherrn Gehorfam zu leiften, fondern aud fie für den Sal 
Des Ungehorfams mit Gemaltmaßregeln bedroht. Er würde in 
diefem Salle dem Hönige aus allen Kräften zu ihrer Bezwingung 
Hülfe leiften. Der Brief, vom 25. Juli 1474 datirt (bei Bolten III, 55 
nach Ehriftiani abgedrudt) ift gerichtet an die Regenten und EZin- 
wohner Dithmarfchens — „rectores et inhabitores Ditmercie“, 
die der Herzog feine innigftgeliebten Sreunde nennt. Aber während 


262 . Dritter Abfchnitt. Erſte Abtheilung. 


fo der König feine Anfprüche ernftlich geltend zu machen fuchte, 
“waren auch die Dithmarfcher nicht unthätig in der Sache. Im 
Auguft erfolgte eine Zuſammenkunft dithmarfcher Abgefandter mit 
dem Bifchofe von LCübeck, auf welcher die Dithmarfcher ihren 
Standpunkt in der Sache Mar legten, indem fie auf die im Namen 
des Kaifers vom Bifchof vorgebracdhte Aufforderung, den König willig 
zum Herrn anzunehmen, der ihnen in allen Stüden gnädig fein 
werde, erllärten: fie hätten fchon einen Herrn, den Erzbifchof von 
Bremen, und gedächten, den nicht zu verlaflen, fie würden Ab- 
geordnete an den Kaifer ſchicken und dem Aufflärung in der Sache 
geben und Gut und Blut daran feßen, ehe fie von Bremen 
wichen. Im gleichen Sinne fchrieben fie an die Lübeder und 
erfuchten diefe, die Sache zwijchen ihnen und dem Könige zu ver- 
mitteln, damit fie in Ruhe gelaffen würden. Die Cübecker machten 
beim Kaifer Dorftellungen gegen die Belehnung mit Dithmarfchen 
und die Einverleibung des Kandes in ein Herzogtkum Bolftein 
und baten, der Kaifer wolle fie in Anfehung der Gebotsbriefe in 
diefer Sache freilafien. Der Adminiftrator des Erzftifts Bremen, 
Binrich, Bifchof zu Müänfter, nahm fich der Sache der Dithmarfcher 
mit Eifer an. Er fchrieb am Tage des Lambertus, 17. September, 
an den König und forderte ihn auf, zum Tage Dionyfius, 9. Oftober, 
feine Räthe nach Hamburg abzuordnen zu einer gütlichen Unter: 
handlung. Zugleich fchrieb er auch an die Dithmarfcher und 
forderte, daß fie fich in feine Unterhandlung mit dem Könige ein- 
lafjen follten, indem er verfichert, daß er fie nicht verlaffen werde 
in diefer Sache und mit aller Macht für fie eintrete. Doch wollten 
die Dithmarfcher es auf den Ausgang der vom Bremer Admini- 
ftrator angeregten Dergleichshandlung nicht ankommen laſſen. 
Das Schreiben des Adminiftrators ging nach Meldorf. Hier 
wurde in einer Derfammlung befchlofjen, da der Kaifer fie ver: 
laffen habe, von der höchften weltlichen Macht an die höchfte 
geiftliche zu appelliren und fi} an den Papfl zu wenden. Es 
wurde eine Appellation an den Papft aufgejeßt, worin ausgeführt 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarfhen — 147%. 265 


ward, daß das Land Dithmarfchen von alters her dem Ersftift 
Bremen zugewandt gewefen fei; der Erzbifchof erhalte beim Antritt, 
nach alter Gewohnheit, 500 Marl, auch beitelle er fünf Dögte im 
£ande, deren jeder ihm jährlich einen beftimmten Tribut entrichte 
zum Zeichen feiner ©®berherrlichkeit, und die in feinem Namen in 
den ihnen zugetheilten Diftritten die Gerichtsbarteit, theils allein, 
theils in Gemeinſchaft mit den anderen Dorftehern, übten; Dith- 
marfchen fei niemals reichsunmittelbar geweſen; Niemand lönne 
ohne Einwilligung des Kandesherrn und des Landes ein Land ver- 
geben; eine Schenfung von jemandem, der dazu nicht befugt ge: . 
wefen, fei nichtig; der Kaifer fei Kerr der Welt, aber nicht der 
Kirche und ihrer Lande, worüber der Papft, als Oberherr der 
Kirche, zu beflimmen habe. Die verjammelten Achtundpierziger 
liegen dann den öÖffentlihhen Notar Nikolaus Mild und drei 
Seugen, nämlich den Geiftlichen Detlef Kymer und die Laien 
Nikolaus Tydemann und Junge Elawes Hans, zu fih in das 
Baus des Bürgermeifters Jakob Pollele! fommen, und hier wurde 
nun die Appellation übergeben und darüber von dem Notar vor 
den Zeugen eine Urkunde verfaßt. Als Appellanten werden in 
der Urkunde genannt: Herften Reimer, Dogt im Lande Dith- 
marfchen, Jakob Pollete, Jeben Junge, Clawes Sterfen, Reimers 
Sulbet Rode, Johann Kerften, Kerften Holm, Junge Boldes Bolt, 
Jerre Johanns, Hans Peter Blefie und Junghe £utfe, weltliche 
Richter des Kandes Dithmarfchen. Diefe appellirten in ihrem 
eigenen Namen, im Namen ihrer abwefenden Mitrichter — con- 
judices — und im Namen der Gefamtheit des Landes Dithmarfchen. 
Die Appellation datirt vom 26. September 1474. — Weltliche 
Richter, „Judices seculares“, find die Oberrichter des Landes, die 


1Jakob Pollefe wird in Urkunden jener Seit oft genannt, neben 
anderen Depntirten, wo er dann als Sprecher und führer erfcheint, und 
auch für fi allein als Üeberbringer von Schreiben der Adytundvierziger und 
als Unterhändler in Landesfadyen beim Rathe der Hanſeſtädte. Er fcheint 
ein hervorragend bedeutender Mann gewefen zu fein. 


264 Dritter Abſchnitt. Erfte Abtheilung. 


Achtundpierziger. Die in der Urkunde genannten Richter mit dem 
Dogt Kerften Reimer bildeten alfo offenbar den zur Erledigung 
laufender Befchäfte verfammelten Ausſchuß der Achtundpierziger. 
Die Derfammlung zu Meldorf erfolgte in diefer, das ganze Land 
betreffenden Angelegenheit ohne Zweifel nur aus Rüdficht auf die 
Strandmannen, die gerade zur Herbitzeit, um Michaelis, wenn die 
Marfchhwege am tiefften zu fein pflegen, durch die Weite des 
Weges nach Heide von der Theilnahme an Landesverfammlungen 
hätten abgehalten werden mögen. Der Kaijer hatte inzwifchen 
auf Drängen des Königs zur Erledigung der Sache den Ritter 
Buſſo von Alvensleben und die Stadt Lübel zu Erefutoren feines 
Willens ernannt. Mit Rückſicht Hierauf wohl, und auch um der 
Sache allen möglichen Nachdruck zu geben, ernannten die Dith- 
marfcher den Meldorfer Bürgermeifter Jakob Pollefe zum Syndilus 
und Bevollmächtigten des ganzen Landes, beftellten ihn mit förm- 
licher Vollmacht und ließen durch ihn die Appellation vom Kaifer 
an den Papft öffentlich in der Kirche zu Lunden wiederholen. Er 
proteftirte feierlich, am 3. ©ftober, wider alles, was vom König 
und den genannten Erelutoren, vor der Entjcheidung der Sache 
wider Dithinarfchen unternommen werden möchte. Bierüber verlangte 
er von dem Notar Nikolaus Milk vor den beiden Seugen Volkmar 
Nicolai, einem Geiftlichen, und Elawes Hovet, einem Kaien, eine 
Urkunde, welche auch ausgeftellt wurde! Am 9. Oktober kam 
die vom Adminiftrator des Ersftiftes in Anrege gebrachte Dergleichs» 
verfammlung zu Hamburg zu ftande. Der König war vertreten 
durch den Bifchof Albrecht von Lübed, Detlef von Bodwold und 
Didrich Blome, das Erzftift durch Didrich Ryßwigk, Doctor des 
geiftlichen Rechts, Johann Barnin, Doctor des weltlichen Rechts, 
und Marten van der £ydt. Hamburg hatte zwei Bürgermeifter, 





— ——— 


1Nikolaus Milck heißt es zwar in den betreffenden Aktenſtücken. Es iſt 
aber vielleicht hier ein Schreibfehler beim Kopiren unterlaufen und ftatt „Mil“ 
Mylde zu fegen. Ein Nikolaus Mylde war Paftor zu Meldorf; ein Nikolaus 
Milck aber tft fonft nicht bekannt. 


Don 1447 bis zur Belehnung mit Dithmarſchen — 1474. 265 


Albrecht Schillinghe und Johann Aleyer, fowie zwei Hathsherren, 
Paridom £ütlen und Johann Augen, zur Derfammlung abgeordnet, 
Cũbeck war durch den Bürgermeifter Hinrich van Styten und den 
Rathsherrn Eordt Möller vertreten, und die Dithmarfcher hatten 
mehrere Kommittirte geftellt. Das Nefultat der Derhandlungen war 
eine Dereinbarung dahin, daß bis nächfllommenden Tag Philippi 
und Jakobi, 1. Mai 1475, die Sache zwifchen den Parteien zur 
Ruhe geftellt fein und mittlerweile fein Theil wider den anderen 
etwas Seindfeliges beginnen folle. Der König und der Erzbifchof 
follen vor Allerheiligen das, was fie hiergegen zu erinnern hätten, 
dem Rathe der Städte Eübed und Hamburg anzeigen. Der König 
willigte unterm 22. Oktober zu Segeberg in diefe Abmachung mit 
dem Bemerken, daß feinetwegen die Dereinbarung eines Sriedens- 
ftandes nicht erforderlich gewefen wäre, da er weder in Krieg oder 
Fehde, noch auch in ablaufendem Srieden mit Dithmarfchen ftehe, 
und unter Dorbehalt feiner Rechte — „wolvoll denne unferty: 
halven ſolkes gutliden ftendes nicht were nott geweft, na deme al 
wy mit deme Lande Ditmerfchen nene frige edder veyde edder u 
gaenden frede hebben, doch als dat dorch de bovenfcreven Red 
unde fendebaden im beften porgenomen is, fo nemen wy fol 
bovenfcreven beftand an unde willen dat na lude und innholt d 
Receſſes darover gegepen, ane geverde holden, doch uns an unje 
rechten unfchedelich.” In folchem Dorbehalt nannte er fich den 
auh „van Gadefgnaden — Königt, Bertog to Sleßwigl, o 
Hertog to Holften, Stormarn unde der Ditmerfchen”. Der Admini 
ftrator des Bremer Erszitiftes beftätigte gleichfalls den Dertrag. 


Zweite Abtheilung. 
Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 
Lach Ablauf des Stillftandstermins lieg der König zu Hanerau 
den Dithmarfchern wieder Zoll abfordern. Die Dithmarfcher be 
ſchweren fich darüber, und der König nimmt den Soll zurüd. Im 


266 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Auguft 1475 kommt es zu neuen Derhandlungen zu Cübeck. Don 
feiten des Königs waren hier anwejend die Bifchöfe Albrecht 
von Kübel und Belwich von Schleswig, Detlef van Bokwold, 
Dans Rantzow und Caurenz Lornfen ; von dithmarfcher Seite: Mefter 
Kerften Rungen, Jacob Polle, Boye Dellbom, Jeben Junge Elawes, 
Herdern Llawes, Peter var Polen, Hans Peters, Harl Harders, 
Johann Grote, Johann Elawes, Hans Burfe und Dunkern Boyge 
Daub. Als Dermittler waren der Rath zu Lübed und von Bamburg 
der Bürgermeifter Dr. Hinrich Murmeifter und der Rathmann Pari- 
dom Lütle gegenwärtig. Noch langer Derhandlung ward endlich eine 
Erneuerung des Stillftandes mit Dauer desfelben bis Mai 1476 ver- 
einbart. Um Kätare 1476 follte dann zu Itzehoe in der Sache ein 
Tag gehalten werden, dem Befandte von Lübel und Hamburg 
beiwohnen und zu welchem die Dithmarfcher vom Könige freies 
Geleit erhalten follten. Der Zoll zu Hanerau folle eingeftellt 
bleiben; falls der König aber, was Gott verhüten wolle, diefen 
Dorfchlag nicht annehmen und den Zoll nicht ausftehen laffen 
wolle, fo jolle dies dem Hecht beider Parteien keinen Abbruch 
thun. Lebtere Beftimmung zeugt dafür, daß die Dithmarjcher 
auch hier wieder unnachgiebig auf ihrem Privilegium der Holl- 
freiheit in Holftein und Schleswig beftehen geblieben find und es in 
Dertheidigung desfelben auf den völligen Bruch mit dem Könige 
haben anfommen lafien. Der in diefer Beziehung Interefje 
erwedende Receß lautet nach einer alten Handſchrift: „Wittlick 
ſy alfe weme, So alje denn de Erfame Rad to Lubede alfe 
lefhebber des vredes unde gude middelers, uth eigener beweginghe 
umme des henfen beften willen enen fruntliden dagh bynnen 
£ubefe umme trent Affumptionis Marie unde gelik negeft 
uthgange, twyſchen den Jrluchtigeften, Hochgebormen Sorften 
unde Hern, Bem Chriſtiern, Koning to Dennemarlen zc. 
siner Bnaden lande unde funderlingk der Hertigdome Sleßwygk 
unde Bolften uppe der eenen, unde dem lande Ditmerfjchen 
uppe der anderen fyden, to holdende vorfeen hefft, to welleren 


Don 1474 bis zur Schlacht bei hemmingſtedt — 1500. 267 


vorfcreven daghe de ergemeldte Bere Konigk de Erwerdigen in | 
God⸗Vader unde Here, Here Alberten to Cubeck unde Helvien to 
Sleßwygk Bifchopp, mit den Duchtigen fnapen Detleff van Bock⸗ 
mwolde, Hanſe Rantzowen unde Laurent Cornſen, unde de erbenomeden 
Ditmerfchen van wegen deren gemein landes de Erfamen manne 
Mefter Kerften Rungen,“ Jacob Polle, Boye Dellbom, eben 
Junge Elaves,? Herdern Elawes, Peter van Polen, Bans Peters, 
Harl Barders, Johann Grote, Johann Llawes, Hans Burke unde 
Dunfern Bojehaub geſchicket adden unde gefandt vulmechtig, dar 
denne de Erfame ftadt to Cubeke unde de Erfamen Heren Binrif 
Murmefter, in Keyferliden echte Doctor, Borgermefter, unde| 
Paridom Cütke, Rathmann to Hamborch, menigerleye underhandell 
unde rede, wedder unde twifchen beyden vorfcreven delen, gehabt 
hebben, unde uppet latefte, umme to midende orlowinge unde 
tohopeftortinge der lande und vorlofinge guder eendracht unde 
vredres derſulven lande, de erbenomeden Middelers uppe des erftel. 
Deren Konigs behap hebben gedegedinget unde vramelt, in na⸗ 
ferevener wyfe. Interſte, dat alle ding? twiſchen beyden delen 
vorſcreven in gude ſtaen ſcholen van nu an beth to Sunte Philippi! 
und Jacobi daghe negeft fomende, unde darmede gude frunde 
wefen, fo dat erer eyn den andern eren und forderen fchole unde 
wanken laten unbelettet unde ungethovet (ungethornet?) port unde 
wedder, fo beth her unde aldinge wontliden geweſt, unde datum 
in der middelen tyd uppe mitfaften, alfe Eetare, erlig bynnen 
Itzehoe enen unvorplichteten fruntliden dagh Holden fcholen., 


ı Mefter (Magifter) Kerften Rungen unter den Achtundvierzigern ift 
wohl der damalige Landestanzler. Auch der Kanzler Magifter Günther 
Werner wird Mefter Günter genannt bei den älteren Ehroniften. 

? Bei Walther heißt der Achtundvierziger Claus Junge, der Ehemann 
der aus Heinrihs vom Zütphen Geſchichte befannten Wiebe Junge, Jeben 
Junge Claus. Claus Junge, der angefehene Achtundvierzier, ift danach 
ein Sohn des Achtundvierzigers Jeben Junge, der die Appellation an den 
Papſt im Jahre 1474 mit unterzeichnete, und fon 1475 als Adtund- 
vierziger im Amt gewefen. 


268 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


MWelkeren dagh umme alles guden willen de Rad to Cubek mede 
j ORRIEN willen, dar to de beyde vorfcreven twiftigen dele den 
Erfamen Rad to Hamborch darfulves uppe den dagh eres Rades 
to fendende, willigen jcholen unde de Here Koningk de Dit- 
merfchen to fodanem vorfcreven daghe an unde aff fchriftlicen 
ı mit veligem geleide bejorgen ſchall. Darfulveft de Here Koningf 
ock ſyne Sendebaden, unde de Ditmerſchen ere Sendebaden vul⸗ 
mechtig ſenden unde tor ſtede hebben ſcholen, in hapen, dat dar 
alle unſchegelicheyde, twiſchen beyden vorſcreven delen weſende, 
fruntlicken, hengelecht mogen werden. Vortmer alſe van den 
tollen wegen ys beſpraken, dat men idt darmede anſtaen ſchole 
laten, unde nenen tollen uptobörende wente de Here Biſchopp to 
Cubecke unde de Rad darſulveſt willen ene draplicke Badeſchopp 
en ftrar an den genomeden Here Koningk uthferdigen unde fenden, 
‚unde fynen Gnaden defjen vorhandel unde receß pormwitliden unde 
wo de Here Koning? deffen belevende werd edder nicht, jcholen 
iunde willen de van £ubede den Ditmerfchen ane fument ſchriftlicken 
bevalen. Unde all were idt, fo dat God nicht en wille, de Here 
f Koningf deffen gudliden vorhandel unde fruntliden upflag nicht 
inpnemede unde de vorbenomede tollen beth uppe Philippi unde 
:Jacobi daah negeft fomende in gedult nicht wolde anftaen lathen, 
ifundern vorleggende worde, nicht defto min fchall denne alle dingk 
Ibeyder dele vorfcreven ftaende blyven uppe eynet jumwelfen guden 
rechte, uworſumelyk eynen ithliden in fynen privilegien unde 
ivorfegelden breven. To merer orkunde ys deſſer fchriffte veer, 
|dar van de Sendebaden des Dere Koningfs de ene, de Rad der 
ſtadt Cubecke de andere, de Rad to Hamborch de derde, unde de 
Ditmerſchen de veerde hebben in vorwaringe. Geven unde 
ſcreven na der borde Chriſti unſes Heren MCCCCLXXV. am 
Dinrtdaghe na unſer leven Vrouven daghe Assumptionis“. Im 
September erfolgte die Genehmigung dieſes Abkommens in allen 
feinen Punkten durch den König. Nur bedang diefer ſich auch 
diesmal aus, daß ihm der Vergleich an ſeinen Rechten unſchädlich 


Don 1424 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 269 


fein folle. Uebrigens nennt er fi} hier „Herzog der Dithmarfcher“ : 
My Ehriftieen, van Bades gnaden to Dennemarken, Sweden, 
Norwegen, der Wenden unde Bothen Konigk, Hertog to BHoliten, 
Stormarn unde der Ditmerjchen, Greve to Oldenborg unde Delmen- 
horft, befennen unde befügen openbar, vor alle denjennen, de 
deffen Unſen breff feen edder hören lezen, als denne umtrent 
unfer lewen Drouwen daghe Affumptionis negeft vorgangen to 
£ubed dorch de Erwerdigen in God Dader Here Albrecht to 
£ubede unde Here Helvid to Sleßwygk Bifchopp, Detleff van 
Bokwolde, Hanſen Rantzow unde Lauren Lorenfen, unſen leven 
getruwen reden, de Wy da to daghe gegen des gemeinen landes 
Ditmerfchen vulmechtigen Sendebaden, dar jegenwordich wefende, 
gefchictet hadden, unde dorch den Erſamen Rad to Kubede unde 
od dorch de Erſamen unſe leve getrumen Here Hinrick Murmeſter, 
im ?eyferl. rechte Doctor, Borgermefter, unde Paridom kütle, 
Radmann to Hamborch, Rades Sendebaden, van des gedachten 
landes wegen Ditmerfchen eyn fruntlid ftand beth uppe funte 
Dhilipps unde "Jacobs daghe erlomende gedegedinget unde beramet 
vs, fo dat alle ding? fo lange in gude ftaen fchole unde dat men 
in der myddelen tyd uppe mitfaften am Sonndage letare bynnen 
Itzehoe enen veligen unvorplichtenden fruntliden dagh Holden 
fchole, den de van £ubede unde Hamborch mede befenden willen, 
unde Wy de Ditmerfchen to demfulvigen daghe fchrifftlich geleyden 
unde de unfen unde fe ere pulmechtigen Sendebaden dar tor ftede 
hebben fcholen zc. Unde vorder des tollen halven tor Hanrowe 
beiprofen ys, dat men idt myt den Ditmerfchen oc fchole fo lange, 
anftaen laten, nenen tollen van en to vorderen ꝛc. na inholde des 
receß mede beweldet werdt, wes Uns van deflulven receß unde 
tollen wegen belevet edder nicht, dat fcholen unde willen de van 
£ubede den Ditmerfchen ane fument jchrifftli® bevalen, jo als 
denne eyn folfent dorch de bovenfcreven Rede unde Sendebaden 
im beften vorgenommen ys. So nehmen Wy ſolk bovenfcreven 
feuntliden ftand an unde willen dat na lude unde inholde des; 


270 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


receß erbenomet als vorfcreven fleyt holden ane alle geverde, 
doch Uns an Unfem rechte alle wege unfchedelich, unde hebben 
des alles to orfund Unfe Koniglide Secret witlich laten druden 
vor deflen Unfen breff. Dat. in Unfer ftadt Arhufen ame Mitte 
weden vor unfer leven Droumwen daghe Nativitatis. Anno Domini 
MCCCCLXX quinto. — Wie hier, fo hat fich der König Ehriftian I. 
von 1474 an immer Herzog der Dithmarfcher genannt, und feine 
Nachfolger ahmten ihm darin nah. Ein Wappen aber haben 
die Dänifchen Könige vor 1559 wegen Dithmarfchens niemals 
geführt. Die Meinung einiger Ehroniften, daß die holfteinifchen 
£andesherren fchon im 13., 14. und 15. Jahrhundert mit Be- 
ziehung auf Dithmarfchen einen geharnifchten Reuter im Schilde 
geführt hätten, ift ein Irrthum. Der Reuter findet fi} zwar in 
Siegeln der Herrfcher von Holftein, aber er ftellte weiter nichts vor, 
als den Herrn ſelbſt, der das Siegel führte. (Cfr. Dahlmann 3. 
Neocor. I, 610, Neocor. 1, 206, Bolten II, 79.) Der König fchente 
offenbar vor einem Derfjuch, mit Gewalt fein „Recht“ auf Ditkmarjchen 
geltend zu machen, zurück. Auch der legt gefchloffene Stillftand verftrich, 
ohne daß es in der Hauptjache weiter fam. Die Derfammlung, welche 
1476 in den Saften zu Itzehoe gehalten werden follte, fcheint nicht 
erfolgt zu fein. Doch unterliegen Lübec und Hamburg nicht, für die 
Dithmarfcher einzutreten. Durch ihre Dermittelung fam es 1476 zu 
einer Derlängerung des Stillſtandes bis Mai 1477, wobei zugleich 
vereinbart wurde, daß das gute Einvernehmen zwifchen den Parteien 
auch dann ungeftört bleiben folle, wenn innerhalb der beftimmten 
Seit die Sache nicht erledigt würde. Inzwiſchen hatte der Papft 
Sirtus IV., dem die Appellationsurfunden vom 26. September 
und 3. Oktober 1474 zugeftellt worden und dem der Erzbifchof und 
das Domkapitel zu Bremen ebenfalls in der Sache Dorftellungen 
gemacht hatten, unterm 14. März 1476 eine den Dithmarfchern 
gänftige Bulle erlafien. Er verordnete darin, daß Dithmarfchen, 
als von alters her dem Ersftift Bremen zugewandt, bei diefem 
zu belafien fei. Die bisherige Derwaltung des Kandes durch 


Don 1374 bis zur Schladt bei Hemmingſtedt — 1500. 271 


fünf Dögte, deren jeder in feinem Diftrift, Döfft genannt, im 
Namen des Erzbifchofs die Kriminalgerichtsbarkeit handhabe, und 
durch die achtundvierzig Oberrichter! wird ausdrädlich als zu 
Recht beftehend anerfannt und Jedermann unterfagt, dawider etwas 
zu unternehmen. Die Dithmarfcher beantragen nun beim Papfte 
den Erlaß von Befehlen zur Dollziehung der Bulle, und der Papft 
ertheilte, darauf unterm 14. Oltober desfelben Jahres dem Bifchof 
zu Derden, dem Propft zu Lübel und dem Scholafticus Sriedel 
von Eorbede zu Breslau die Weifung, für Nachlebung der Bulle 
zu forgen, den Erzbifchof, das Kapitel und die Dithmarfcher 
gegen alle Gewalt zu fchüßen und wider Jeden, der etwas dagegen 
unternehmen würde, mit allen Pirchlicken Waffen vorzugehen. 
Unter den drei genannten Erefutoren der päpftlichen Bulle hatte 
der Scholafticns zu Breslau, als der dem Gebiete des Königs 
am fernftien Wohnende, den Zorn des lebteren am wenigften zu 
fürchten. An ihn, den Scholafticus zu Breslan, $riedel von Eorbede, 
wandten ſich daher die Dithmarfcher. Die Achtundpierziger ließen 
ihm durch den Scholafticns zu Lübef und Hamburg, Hermann 
Duder (Düder), als ihrem Bevollmäctigten, die päpftlichen Bullen 
übergeben, und zwar zu Rom, wo er damals fich aufhielt, 
und verlangten, daß nach diefen Bullen verfahren werde. Er 
befahl dann auch unterm 24. November, daß die fünf Dögte und 
die 48 Regenten des Landes Dithmarfchen nach wie vor ungehindert 
in der Derwaltung des Kandes bleiben follten, und daß gegen 
Jeden, wes Standes er auch fein möge, der fie darin zu be- 
hindern fjuchen würde, nach Ablauf der fechstägigen Fanonifchen 


* Adtundvierzig große Richter Über den fünf Dögten — „Majores ultra 
dictos quinque Advocatos Quadraginta octo Judices* heißen hier die Achtund- 
vierziger ; in der Appellation der Dithmarfcher an den Papft nennen die Acht⸗ 
undvierziger ſich weltliche Richter und die Dögte Richter im Namen des Erz. 
bifgofs. Ein Beweis, daß der Erzbifhof gar feine Jurisdiltion im Lande 
hatte, als nur in eigentlich geiftlichen Sachen, in welchen ihm als Kirchen- 
fürften die Jurisdiftion von Amts wegen zuftand, unmittelbar oder mittelbar 
in Oberinftanz über dem hamburger Domtfapitel. 


272 ‚ Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Friſt auf gefchehene Warnung das Interdikt erfannt werden folle. 
Auch gebot er allen Geiftlichen, feine Stelle zu vertreten zur 
Dollftredung der Bulle, mit der Drohung, daß Der, welcher feinem 
Auftrage nicht nachlomme, wenn er, nachdem er vor fechs Tagen 
Kenntniß diefes Befehls erlangt, von den Achtundvierzigern zur 
Qachlebung desfelben aufgefordert würde, dem Banne verfallen 
fein folle. Die Erefutionsurfunde wurde vor drei Zeugen: Keno 
£enen, Kanonikus zu Schleswig, Johann Jamente, beftändigem 
Vikar zu Bennftedt in Dithmarfchen, und Hinrich Badenow, einem 
Geiftlichen aus Paderborn, vom Notar Johann Melve, einem 
Geiftlihen der Cübecker Diözefe, vollzogen. (Bulle, Erefutions- 
befehl und Erefutionsurtunde finden fich bei Neocorus I, 4351—442, 
nach ihm bei Sedorf und Dieth und nach diefen bei Bolten II, 
83 ff., 86 ff., 89 ff.) Die Dithmarfcher waren darauf bedacht, 
dem Könige jeden Dorwand, fih in die Angelegeheiten des Eandes 
zu mifchen, zu nehmen. Einzelne Sriedensbrecher wurden fcharf 
betraf. So wurden 1478 fünf Mann aus Eunden, die einen 
Plünderungszug nach Nordftrand unternommen hatten, zum Seuer 
verurtheilt. Der König fuhr fort, fih als Herrn von Ditkmarfchen 
zu betrachten und Unterwerfung und Gehorſam zu fordern. 

Im Jahre 1480, am Tage St. Margarethen, 10. Juni, 
fand auf Berufung durch den König ein Landtag zu Rendsburg 
ftatt. Zu diefem hatten die Dithmarfcher, die Lübeder und die 
Hamburger Einladungen erhalten. Hier zeigte der König nun den 
faiferlichen Kehnbrief in betreff Dithmarfchens vor und ermahnte 
die dithmarfcher Geſandten, fich ihm als rechtmäßigen Herrn zu 
unterwerfen und ihm zu Huldigen. Die Dithmarfcher erwiderten: 
fie achteten Faiferliche Befehle und Briefe; allein, der Kaifer fei 
unmöglich recht unterrichtet gewefen, wenn er ihr Land, das ihm 
nicht zuftehe, verfchenfen wolle. Er habe das auf einfeitigen 
Bericht gethan, habe fie, die Dithmarfcher, für herrenlos gehalten 
und fei überredet worden, daß ihre Dorfahren den Holfteinifchen 
Landesherren unterthan gewefen, obwohl fie feit dem Abgange des 


Don 1474 bis zur Schlacht bei hemmingſtedt — 1500. 273 


ftadifchen Haufes unter dem Erzftifte Bremen fich befunden hätten. 
„Beim Bremifchen Stift gedenken wir zu leben und zu fterken 
und wollen nicht von St. Petrus weichen.“ Das war in furzem 
der Inhalt ihrer Gegenerflärung. Don feiten des Königs ward 
darauf hingewiefen, wie fie bald der dänifchen Berrfchaft unter 
Waldemar II., bald dem holfteinifchen Grafen Adolph III. unter: 
ftellt gewefen, und daß fie nur zum Schein ſich auf den Erzbifchof 
beriefen, der gar feine Gewalt im Lande habe. Die Dithmarfcher 
bezogen fich zum Beleg ihrer Behauptung auf die Beftellung der 
Dögte durch den Erzbifhof. Das bekunde die Herrichaft des 
£eßteren hinlänglih. Don feiten ihres Gegners wurde das für 
eine Ausflucht erklärt, die fie immer vorbrächten, wenn man ihnen 
einen Berm geben wolle. Wenn fie die Berrfchaft des Königs 
nicht gutwillig anerkennen, ſich dem Willen des Kaifers nicht 
fügen wollten, fo würde der König fie zum Gehorfam nöthigen 
müſſen. Troßdem beharrten die Dithmarfcher bei ihrer gegebenen 
Antwort: fie wollten nicht von St. Petrus weichen. Mahnke 
Johann von Brunsbüttel, einer der dithmarfcher Befandten, fol 
dann endlich den Disput gefchlofien Haben, mit der Erklärung, 
daß fie des Landes Sreiheit vertheitigen würden, „fo lange ihnen 
noch warm ums Herz" wäre. Die Abgeordneten von Kübel und 
Bamburg traten nun vermittelnd ein, und es fam abermals zu 
einem Stillſtand auf ein Jahr. Die Dithmarfcher fchidten nun 
Abgeordnete an den Kaijer und ließen durch diefe den Sachverhalt 
fMarlegen. Der Kaifer, durch die Bullen des Papftes ohnehin 
jhon auf das Uebereilte in feinem Entgegenlommen gegen die 
Wünjche des Dänenlönigs aufmerffam gemacht, nahm darauf die 
Belehnung des Königs mit Dithmarfchen zurüd, unterm 30. Juni 
1481, und gab dem Könige Befehl, die Dithmarfcher in Ruhe 
zu laffen. Der Widerruf des Kaifers läßt erfennen, wie fehr 
diefer nun wider den König eingenommen war, indem er ihn 
nicht undeutlich der Lüge und der Täufchung zeiht. Der Widerruf 
lautet: „Wir Sriedrich, von Gottes Gnaden Römiſcher Kayfer, | 
Dithmarfcher Gefchichte (8 


27% Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


zu allen Seiten Mehrer des Reiches, zu Hungern, Dalmatien, 
Eroatien 2c. Kunig, Hertzog zu ©efterreich, zu Steier, zu Kerndten 
und zu Lrain, Grave zu Tyrol zc. entpieten dem Durchl. Sürften 
Ehriftiernen, Kunig zu Dennemard, Unferm lieben Bruder, Unfere 
Bruderliche Liebe und Sreundfchaft zuvor. Durchl. Surft, lieber 
Bruder, alg Wir Euch vor verfchienen Seiten auf Eure fleißige 
Bete und eßliche Urſacho, Uns durch Euch furpracht, das Land 
Ditmars, jo ahn Mittel Uns und dem heyligen Reich zugebören, 
und fonften feinen Herrn noch ordentlich Regiment haben follte, 
zu Zehen verliehen haben, die Rethe desfelben Kandes Uns von 
ihret und des gemeinen Landes wegen aber fürpringen laffen, 
wie Ihr fie auf ſolche Belehnung unter Euren Behorfam zu 
bringen unterftehet, das ihnen, nachdem fie von Alters her unter 
dem Stift Bremen gehöret haben und noch gehöreten, ihren 
Pflichten nach, damit fie demfelben Stift verbunden weren, un- 
leidlich fey, und Uns darauf demuthiglichen anrufen und pitten 
laffen, fie hierinne gnädiglich fürzufehen. Und wenn Wir nun 
folches ihres Sürpringens etlich geleublichen Schein, von Unfern Dor- 
fahren am Reich darüber gegeben, gefehen, und aber in Derlehnung 
des gemeldten Landes des Feine Unterrichtung: von Euch empfangen 
haben; ift Unſer Wille und Meinung nie gewefen und noch nit, daß 
dem Stift Bremen dasjelbe Land dadurch unpilliger Weiſe follte entzogen 
werden; und begehren darauf als Römifcher Kayfer an Ewer Bruderl. 
Lieb und Freundſchaft ernftlich bevehlende, daß Ihr ſolch Ewer Dur- 
nehmen ahn Dergihen abftellet und das genannte Land Ditmars, noch 
die Unterthanen und Güter dazu gehörende in Kraft der obberührten 
Belehnung ferner nicht anlanget, befchweret, noch von Eurentwegen 
zu thun geftattet, fondern fie bey dem Stift Bremen, wie fie von Alters 
her geweſen ſeyn, ungeirret lafjet, als Ihr felbft verftehet, pilligen 
it. Wo hr aber das nicht fchuldig zu feyn und darwider 
einigerley rechtliche Einrede zu haben vermeynet, fo heifchen und 
laden Wir Euch ernftlich, daß Ihr auf den 63ten Tag, den nechften, 
nachdem Euch diefer Unfer Brief geantwurt oder verfundt wordt, 


Don 1474 bis zur Schladyt bei Hemmingſtedt — 1500. 275 


der Wir Euch 21 für den erften, 21 für den andern und 21 für 
den dritten und legten Rechttag jegen und benennen, peremptorie, 
oder aber, fo derfelbe Tag nicht ein Gerichtstag feyn wurde, auf 
den nechften Gerichtstag darnach vor Uns oder dem, dem Mir 
das an Unferer Statt bevehlen, wo Wir dann zumal im Neid 
feyn werden, jelbft oder durch Euren vollmächtigen Anwalt 
fommet und rechtlichen erjcheinet, folh Ewere Einrede und 
dagegen der genannten von Ditmars vollmächtigen Anwalde 
Antwort und Nottruft der Sachen fürzupringen und zu hören und 
mit Recht darüber zu erkennen und procediren. Dann hr 
fommt und erfcheinet alsdann alſo oder nicht, nicht deft minder 
wird auf des gehorfamen Theils oder feines vollmächtigen yn 
waldes Anrufen und Erfurderung im Rechte vollfahren und * 
cedirt, als ſich das nach feiner Befindung gepüret, darnach wiſſ 
ſich Ewere Liebd zu richten. Geben Wien, mit Unſerm Kayferl. 
anhangenden Infigel befigelt, am leßten des Monats Junii 
nach Chrifti Gepurt vierzehn hundert und im ein und achtzigſten, 
Unſer Reiche des Römiſchen im zwei und viertzigſten, des Kayſer⸗ 
thumbs im dreißigſten und des Hungeriſchen im drei und zwantzigſten 
Jare. (Weocorus I, 443, Bolten II, 102.) Dieſer Widerruf 
der Belehnung mit Dithmarjchen, refp. Befehl zur rechtlichen Der- 
handlung traf den König nicht mehr am £eben. Ebriftian I. war 
bereits am 21. Mai 1481 geftorben. Der ältefte Prinz desfelben, 
Johann, wurde König und theilte fich mit feinem Bruder Sriedrich 
in die Yegierung der Lande Schleswig und Holftein. Beide 
£andesherren, der König Johann und fein Bruder Sriedrich, be- 
fümmerten fich um die Faijerliche Eitation nicht. Sie mußten ohne 
weiteres fich überzeugt halten, daß fie bei rechtlicher Erörterung 
der Lehnsangelegenheit mit ihren Anfprüchen auf Dithmarfchen 
Öffentlih nur mit Schande hätten beftehen fönnen. Durch ihr 
Tichterfcheinen war nach Ablauf der Srift von 65 Tagen der 
Widerruf des Kaifers ein endgültiger geworden. Eine Belehnung 
der holfteinifchen Grafen mit Dithmarfchen eriftirte nicht mehr. 
18* 


276 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Daher hatten auch die Dithmarfcher eigentlich feinen Anlaß mehr, 
die Sache vor dem Taiferlichen Gericht weiter zu verfolgen, und 
fcheinen fie deshalb nun diefelbe auf fich beruhen gelaflen zu 
haben. Wir finden Feine Nachricht, daß fie fich einen ausdrück⸗ 
lichen Spruch zu ihren Bunften beim Kaifer ausgewirft hätten, 
wie es für die Zukunft zum Beften des Landes, den Ränken und 
Schlichen der immer nach dem Befige Dithmarfchens lüfternen 
Holftenherren zu begegnen, dienlich gewefen fein möchte. 

Zah dem Tode des Königs Ehriftian blieb die Sreiheit 
Dithmarfchens eine Zeitlang unangetafte. Doch hatten die Söhne 
Ehriftians, der König-Herzog Johann und fein Bruder Berzog 
Sriedrich, obwohl fie nach dem durch den Kaifer erfolgten Widerruf 
des Eehnsbriefes an ihren Dater auch nicht den Schein eines 
Rechtsanfpruchs auf Dithmarfchen für fich geltend machen konnten, 
die Anfprüche auf Dithmarfchen feineswegs fallen gelafien. Als 
fie fich 1490 wegen der Theilung in die Regierung der Herzog. 
thümer — auch Holftein pflegte man jeßt Berzogthum zu nennen — 
auseinanderfeßten, nannten fie anmaßend und unverfchämt genug 
Dithmarfchen ihr Land — „unfe Land Ditmarfchen“, und in der 
bezüglichen Erbtheilungsurfunde wurde beftimmt, daß die Gerecht. 
fame an Dithmarfchen beiden gleichmäßig zu gute fommen follten 
— „De vorfchrieninge, Doreininge, erflide thofprafe unde brudinge, 
unfem feligen Herren Dader up unfe Land Ditmarfchen gedaen, 
jchall uns in beyden Parten tho gude kamen.“ Die Dithmarfcher 
erneuern in der Solge ihre Bündniffe, namentlich mit Lübed, 
Lüneburg und Hamburg. — Mancherlei Sriedensftörungen fallen 
vor, die aber bald unterdrückt und gehoben werden. 1485 hatte 
fih ein gewiffer Rohde Jeben Llaus, weil er ſich in feinem 
Aechte benachtheiligt glaubte, für einen Landesfeind erklärt und 
wüthete mit Raub und Plünderung gegen feine Stammesgenoffen. 
Seine Gefellfhaft beftand nur aus zehn Mann. TDiefe wurde von 
elf anderen Dithmarfchern — von welchen fechs aus Kunden 
namentlih genannt werden, als Wiber Boldfchmidt, Reimer 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 277 


Goldfchmidt,! Junge Johanns Elaus, Marquart Bahr, Llauß 
Hamerich und Haldens £afrens. Die übrigen waren aus dem 
Kirchfpiel Weſſelburen — an der Störe zu Borsfleth erfchlagen. 
1491 trat ein Einwohner zu £unden, Elaus Engel, als Landes» 
feind auf. Er z0g einige Sreibeuter an fi und jeßte das Land 
in Unruhe durch Raub und Brand. Auf Jakobi diefes Jahres 
hatte er Brunsbüttel in der Nacht überfallen, geplündert und 
niedergebrannt. Die Achtundvierziger feßten eine Belohnung von 
100 Marl aus für die Entdedung des Aufenthaltsortes des 
Brandftifters und Räubers und ließen das Öffentlich befannt 
machen durch Ausruf. Ein Sifcher von Büfum fand ihn bald 
nachher nebft feiner Bande in einem Weinkeller zu Hamburg, 
wo Elaus Engel zum Weitertrinten ermunterte mit der Bemerkung, 
dag der Achtundvierziger Elaus Markes zu Arkebeck übermorgen 
die Seche bezahle. Der Sijcher trat unvermweilt die Nüdreife an, 
fuhr die Elbe hinunter bis St. Margarethen und fchichte von hier 
aus einen Boten an den Achtundvierziger Claus Marfes nad 
Arkebeck. Llaus Engel und feine Leute, im ganzen 15 Mann, 
wurden dann, als fie bei hellem Mondfchein im Haufe des 
Achtundvierzigers anlangten, bis auf Einen, der fpäter auch 
ergriffen ward, theils erfchlagen, theils gefangen genommen. 
Die Gefangenen wurden als Straßenräuber zu Heide verbrannt. — 
Namentlich aber fallen wegen des Befigrechtes auf Helgoland 
Stiedensftörungen vor. Herzog Sriedrich wollte die Oberherrichaft 
über die Inſel als einen Theil von Nordfriesland behaupten.? 


ı Zur Samilie diefer Lundener Goldfchmidt gehört wahrfcheinlich der 
befannte Dithmarfcher Ehronift „de Goldſchmidt tho Kunden”, der bis 1532 
gefchrieben hat, demnach wohl ein Sohn von einem der hier genannten 
Goldſchmidt fein Fönnte. 

? Die Inſel hatte den Bandelsftädten und den Dithmarfchern bisher 
zur Waarenniederlage gedient, und die Herren von Schleswig hatten dafelbft 
ein Berrfchaftsreht geltend gemadt. Belgoland galt für frei und 
unabhängig. 


278 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Er legte auf derfelben ein Zollhaus an und ließ von den dahin 
Handel treibenden Schiffen Sölle erheben. Das erachteten die 
Bandelsftädte, namentlih Bremen, Hamburg und Stade, für 
unzuläfiig.e Sie erllärten die Inſel für unabhängig. Eigentlich 
gehöre fie ihnen. Der Herzog ließ 1496 die Pachäufer der 
Bremer auf Helgoland abbrennen. Die Bremer und Hamburger 
übten Zepreflalien. Die Dithmarfcher hielten es mit den Städten. 
Sie fahen in der Anlegung neuer Zölle an ihren Grenzen eine 
Derlegung der Traßtate und eine Bedrohung ihrer Sreiheit, und 
die Gejchichte bezeugt es, daß fie zu jeder Zeit um nichts mehr 
fih bemüht haben, als um die Erhaltung der alten Sollfreiheit 
auf angrenzenden Gewäſſern und E£anden für fich und die mit 
ihnen in Derbindung ftehenden Kaufleute. Die Sollfreiheit in 
Bolftein liegen fie fich bei jeder Gelegenheit beftätigen. Die ver: 
bündeten Bremer, Hamburger und Dithmarſcher brannten das 
herzogliche Zollhaus auf Helgoland nieder, verbrannten die dort 
liegenden Berings-Büfen und fonftige Güter und nahmen die 
Beanten und Diener des Herzogs dafelbft gefangen. Auf Hol: 
fteinifcher, wie auf dithmarfifcher Seite wurden jet Grenzwachen 
ausgeftellt. Der König Johann und der Herzog Sriedrich nahmen 
von diefen Unruhen wegen Belgolands Anlaß, ihre Anfprüche auf 
Dithmarfchen zu erneuern. Sie veranftalteten eine Zufammentunft 
zu Itzehoe mit dithmarfcher Abgeordneten und forderten Unter: 
werfung auf Grund der Einverleibung Dithmarfchens in ein 
Berzogthum Holflein, wie folches 1474 Fonftruirt worden. Es 
war den dithmarfcher Deputirten ein Leichtes, die Grundloſigkeit 
der Anfprüche der Fürſten auf Herrfchaft über Dithmarfchen dar- 
zuthun. Auch wurden fie darin lebhaft unterftüßt von Bremer 
Domherren, die nebft einigen Aittern als Bejandte des Erzbifchofs 
zu der Derhandlung erfchienen waren, um die Gerechtfame des 
Erzftifts gegen die Anfprüche der Sürften zu wahren. Der König 
und der Herzog beharrten auf ihrer Sorderung und die Dith- 
marjcher auf ihrer Ablehnung; es wurde fein Reſultat erzielt. 


Don 1474 bis zur Schladt bei Hemmingſtedt — 1500. 279 


Die Sache gewaltfam zum Austrag zu bringen, geftatteten die 
Unruhen, mit welchen der König damals in Schweden zu thun hatte, 
den Sürften nicht. Im Jahre 1498 fandte der Herzog den Staller Joen 
Qidelfen von Eiderjtedt mit einem ftärferen Aufgebot von Jüten 
und Sriefen nach Helgoland, um dafelbft die Berrfchaft wider die 
Dithmarjcher und die Städte zu behaupten. Es wurden 130 Dith- 
marfjcher und 10 Mann von den Leuten der Städte gefangen 
genommen und nach Bottorp gebraht. Als das in Dithmarjchen 
befannt ward, rüftete man zu einem Zuge wider die Sriefen, ftel 
in Eiderftedt ein und nahm viele Einwohner dafelbft zu Gefangenen, 
die dann gegen gefangene Dithmarfcher ausgetaufcht wurden. 
Die Eider wurde nun an beiden Seiten von Brenzwachen befeßt 
gehalten Bis zum Ende des Jahres 1499. Nach Johann Ruſſe 
(Fragm. XVII und XXIV) Hatte der Herzog 200 Mann als 
Wachtpoften an der Eider ftehen. König Johann ftellte 1498 
einen Landtag zu Segeberg an. Zu demfelben berief er auch die 
Lübeder. Wie die Derhandlungen mit den dafelbit erfchienenen 
Lübecker Abgeordneten ergaben, war es die Abficht des Königs, die 
Cübecker von dem Bündnig mit den Dithmarfchern abzubringen. Doc 
blieben die Lübecker allen Derfuchen des Königs gegenüber, fie zum 
Abfall zu bewegen, feit, und der König konnte nichts erreichen. 
In demfelben Jahre ftellten die Dithmarfcher dem neuen Erzbifchof 
Johann zu Bremen den „Willlomm* zu und liegen fich dagegen 
eine Beftätigung ihrer Sreiheiten und Privilegien ertheilen. Dieje 
lautete: „Wy Johann van Bades Gnaden Erzbifchop tho Bremen 
befennen unde betugen openbar in deſſem breve, dat Unfe Under 
jaten unde Inwonere Unjes £andes Detmerfchen Uns gebörlide 

find under Ogen gegaen unde hebben Uns Unfe Willfomen loff 
liden unde feuntliden entrichtet na olden feede unde wondte, f 
le Unfen Dorfaren beth hertho gedaen hebben. Unde Wy willen und 
jcholen je by ehren olden feeden, privilegien unde Rechticheiden laten 
aljo Unfe Dorfaren beth hertho hebben gedaen, beholdende do 

Unfe undeUnfes Stifftes herrlicheid unde Rechticheide. Ock hebben Und 


280 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


e genomede Unfe Underfaten, fo fe Uns unde Unſem Stiffte 
gewanet find, gelovet und geredet, dat fe fi jegen Uns alfe 
getruwe Unfes Stifftes Underfaten geboerlicken willen hebben. 
Des to merer getuchnis hebben Wy Unſe Inſegel benedden an 
deſſen breff heten Hengen. Gegeven unde gejchreven in Unje Stadt 
Bremen na der bort Ehrifti Unfes Heren dufendveerhundert, darna in 
dem acht und negentichften Jare am Sondage Cantate.” Diefe 
Beftätigung war ein urfundliches Zeugnig für die Zugehörigkeit 
zur Bremer Diözefe gegenüber der Behauptung der Holftenherren 
vor Kaifer und Reich, daß Dithmarfchen ein herrenlojes Land jei, 
welche Behauptung gerade damals der König Hans und der 
Berzog Sriedrih aufs neue zur Unterftügung ihrer Anfprüche 
auf die Herrfchaft über Dithmarfchen vorbrachten. 1499 ſchickten die 
Dithmarfcher dem Erzbifchof Johann und den diefem verbündeten 
Städten Hamburg und Bremen 500 Mann zur Hülfe wider den 
Berzog Magnus von Sachfen-£auenburg. Die vereinigte Mann 
ſchaft, 2200 Mann zählend, nahm das vom Herzoge Mlagnus 
eroberte Land Hadeln wieder ein. Bei diefer Gelegenheit erhob 
fih zu ©tterndorf ein Streit zwifchen den Dithmarfchern und 
Hamburgern, nach Einigen wegen Erfchlagung eines Bremers 
Eordt van der Eydt, nach Andern wegen bezeigten Hebermuthes 
der Dithmarfcher, die über die Knechte der Hamburger Einjpänner 
gefpottet hätten. Es mag hier das Eine zum Andern gelommen 
fein. In folchem Streit büßten 73 Dithmarfcher, die meift in 
ihrem Quartier, bei Tifche figend, von den Hamburgern überfallen 
wurden, das Keben ein. Die Dithmarfcher führten dieferhalb 
fchwere Klage wider Hamburg und verlangten gebührliche Genug: 
thuung. Der Hädelsführer unter den Hamburger £andsknechten 
wurde, nachdem er von dem Hamburger Hauptmann Berend 
Ungemach in einem Kriegsgericht im Eichholz überführt worden, 
durch Spruch des Gerichts zu Spießruthen verurtheilt und zu 
Tode gepeitfcht. — „Anno 1499, tuifchen St. Jacob und Michaelis, 
togen de van Bremen und Hamborg in dat Land tho Hadeln mit 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 281 


2200 Mann und nehmen dat inne. Da was des Hertogen Son 
van Lowenborg und Her Omeke inne, de quemen hemeliden enwech. 
Dafulveft wort gefchlagen en Budemann uth dem Stichte va 
Bremen, genomet Eordt van der Eidt, dar quam grot Mordt va 
mand den Hnechten, de Hamborger HKnechte fchlogen wol bove 
70 Ditmerfchen dot. Deffen uplop malede ein van den Hamborge 
Hnechten, defulote Knecht wort gejaget tho Hamborg vor d 
Edholte dorch de Spefen und wort begraven tho Nienftedten“ 
heißt es in einer £indenbrogichen Handfchrift ex chron. Wandalic. Ms 
Auch follen die Hamburger fich fchlieglich zur Erlegung einer an- 
jehnlichen Summe als Mannbuße bequemt haben, welche aber 
von Bojen Elaus Boje, einem angefehenen Achtundvierziger zu 
Süderdeich, unterfchlagen worden. Nach diefem Zwifchenfalle 
fcheinen die Dithmarfcher fich von der Bemeinfchaft mit den Bremern 
und Hamburgern in dem Streite derfelben mit dem Herzog Magnus 
von Sachjen-£auenburg losgejagt zu haben. Es wird über fernere 
Betheiligung der Dithmarfcher an dem Kriege wider den Herzog 
Magnus in den Chroniken nichts berichte. Der Herzog aber 
fuchte die erlittene Niederlage zu rächen und nahm ein berühmtes 
und berüchtigtes Miethscorps, die große Garde, auch die fächfifche 
und die fchwarze Garde genannt, in feinen Dienfl. Die Garde 
war an 6000 Mann ſtark und beftand zum größten Theil aus 
Sachfen, Franken, Aheinländern und Schwaben, im übrigen aus 
Niederländern, Schweizern, Schotten, Engländern, Sranzofen, 
Jtalienern, Spaniern und Mauren. Sie war in vielen Kriegen 
gebraucht worden, u. a. vom Könige Hans im Jahre 1497 zur 
Unterwerfung Schwedens verwandt, und hatte fich durch Tapferfeit 
und Muth ausgezeichnet und hohen Ruhm erworben. Wie durch 
Muth und Tapferleit, jo hatte fie fich aber auch durch Braufam- 
feit, die fein Alter und Fein Gefchlecht verfchonte, und durch zügellofe 











2 Omele (Ommeke) war ein Kerr zu Efens, Stedersdorf, Witmund ıc. 
in Oftfriesland, ein „Detter” des Königs Johann von Dänemark infofern, 
als er eine Eonfine desfelben geheirathet hatte. 


282 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


MWildheit ausgezeichnet. Die Stadt Deventer, gegen welche die 
Garde 1498 von einigen Edelleuten gebraucht worden, hatte über 
hundert Gefangene von derfelben einfach als Straßenräuber ent- 
haupten und rädern lafien. Durch unbezwingliche Tapferfeit und 
rüdfichtslofe Grauſamkeit war die Garde ein Schreden der Völker 
geworden. Herzog Magnus hatte die Brauchbarkeit derfelben in 
Schweden kennen gelernt, wo er felbft neben der Barde dem Könige 
Hans gedient hatte. Im Dezember 1499 feßte Magnus fich 
wieder in den Befig des Landes Hadeln, und zwar ohne Schwert- 
ftreich, weil Alles im Lande fich vor der Garde fürchtete. Ein 
Derfuch des Herzogs, fich auch des Landes Wurften zu bemächtigen, 
fchlug jedoch fehl; er mußte mit einigem Derlufte zurücdweichen. 
Bald nachher, am 20. Januar 1500, kam ein Sriede zwijchen 
dem Erzbifchof und dem Berzoge von Sachfen-Lauenburg zu ftande. 

Die fchwarze Garde war fchon vorher vom Könige Hans 
und feinem Bruder, dem Herzog Sriedrich, engagirt worden und 
rüdte nun über die Elbe ins holfteinifche Gebiet. Wie fie 
Schweden dem Könige unterworfen hatte, fo follte fie ihm und 
feinem Bruder nun Dithmarfchen unterwerfen.! Der König hatte 
die Union der nordifchen Reiche wiederhergeftellt und war 1499 
von feiner Krönung in Schweden zurüdgelehrt, entichloffen, nun 
auch die Dithmarfcher zur Anerfennung feiner Herrfchaft zu zwingen. 
Er berieth mit feinem Bruder, dem Herzog, und beide wurden 
dahin eins, daß fie ihre Anfprüche als „Herzoge von Holftein“ 
nachdrüdlich wider die Dithmarfcher geltend machen, bevor fie aber 
zu den Waffen greifen würden, nochmals den Weg gütlicher Der: 
handlung mit den Dithmarfchern einfchlagen wollten. Sie ver: 
anftalteten dann einen Tag zu Rendsburg, zu welchem auch die 
Dithmarfcher geladen wurden. Bier forderte man von den dith- 





 „Wy willen malen einen Baden bereit, Und ſchicken na der groten 
Garde; Will uns de grote Garde Byftand doen: Ditmerfchen fall uns 
wol werden,“ heißt es, mit Rüdficht auf die Unterwerfung Schwedens durd 
die Garde in einem der hiftorifchen Lieder bei Zleocorus und Hans Dethleff. 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 283 


marfcher bevollmächtigten Deputirten, unter Derficherung eines 
milden Regiments, die Anerkennung der fürftlichen Herrfchaft, zum 
Seichen folcher Anerfennung die Entrichtung einer jährlichen 
Schagung von 15000 Mark und überdies die Einwilligung zum 
Bau dreier feiten Häufer im Lande, zu Brunsbüttel, zu Meldorf 
und an einem Orte an der Eider. Die dithmarfcher Bevoll 
mächtigten hatten aber diefe Forderung der Fürften mit Derachtung 
und Entrüftung zurüdgemwiefen und erflärt, daß man niemals 
eine Sürftenherrjchaft gutwillig anerfenne und Gut und Blut daran 
fegen werde, die Unabhängigkeit des Landes gegen die Fürften 
zu wahren!. Der König und fein Bruder hatten dann, indem 
fie die Winterszeit für einen Zug wider Dithmarfchen befonders 
geeignet hielten, weil dann die Wege gangbar, Gräben und 
Ströme leicht zu überfchreiten feien, und das Land nicht 
leicht durch Deffnung der Schleufen unter Waſſer gefeßt werden 
fönne, fich beeilt, die große Garde durch glänzende Anerbietungen 
in ihren Dienft zu ziehen, und als fie von der Garde benachrichtigt 
worden waren, daß jelbige ohne Derzug nach Holftein aufzubrechen 
bereit jei, hatten fie Alles zu einem ernftlichen Kriege wider Dith- 
marfchen geordnet. Es wurden außer der Barde noch andere 
Miethscorps in Dienft genommen und Herren und Knechte im 


ı In einem hiftorifhen Liede bei Xeocorus heißt es: 


Wille gy hören einen nyen Sand 

Dan Koning Hans den averdadige 
Mann? 

Be wolde Ditmerfchen diwingen. 

Be fende Breve und Baden int Landt 

Se fholden to Rendesborg Dollmadı 
bringen ; 

Do fe to Rendesborg binnen quemen 

Do heten fe ehn vör Here. 

„Bere, leve Here, wat is vam Kan 
juw Begehre?‘ 

Be fette wol föfteindufent Marf a 

Cho einem Pleinen Schatte, 


Dartho wolde he buwen dree Schlot 
int Land, 
Dat ſcholde men wefen mit der Korte 
Dat eine fholde tho Brunsbüttel ftaen 
Dat ander an der Eyder-fehre, 
Dat drütte fcholde tho Meldorp flaen 
Dar wolde he wefen ein Bere. 
Do repen de Ditmerfchen averluth: 
Dat fhüt nu und nimmermehre. 
Darum willen wiewagen Hals und Gu 
Und willen dar alle um fterven, 
Ehr dat de Koning van Dennemar 
So fcholde unfe ſchöne Land vorderven 


284 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


eigenen Lande der Fürften gegen die Dithmarfcher aufgeboten. 
Der Kaifer Marimilian hatte zwar ein Derbot ergehen laflen, in 
welchem ernftlich unterfagt wurde, gegen die Dithmarjcher Kriegs» 
dienfte zu nehmen; allein der Auf des Heichthums des Dithmarfcher- 
landes locte viele Abenteurer aus Brandenburg, Braunfchweig, 
Lüneburg, Weftphalen und anderen deutfchen £anden herbei, um 
unter Sührung der Grafen Adolph und Otto von Oldenburg, 
zweier Dettern des Königs, wider die Dithmarfcher zu ziehen auf 
Sold und Beute. Holfteiner, Sriefen und Jüten (unter Jüten 
begreifen die Ehroniften die Schleswiger, als Südjüten; die Sriefen 
werden von den Jüten unterfchieden, weil fie, namentlich die Inſel⸗ 
friefen, ſich in freieren Verhältniſſen erhielten), ſoweit ſie wehrfähig 
waren, trieb der Haß gegen das freie Volk, welches ſich edler dünkte, 
als andere, zur Theilnahme an dem geplanten Eroberungszuge. 
„Sie wollten den unverſchämten Hochmuth der Dithmarſcher nicht 
länger ertragen“ heißt es bei holſteiniſchen Chroniſten. So kam ein 
zahlreiches Heer zuſammen. Mit der Garde vereinigten ſich zu dem- 
ſelben 2000 Ritter und Ritterknechte (Candsknechte, die von den Rittern 
auf eigene Koften unterhalten wurden), 6000 $riefen, Jüten und 
Holfteiner, mehrere Taufend deutiche Landskfnechte unter den Grafen 
von Oldenburg, 8000 Sreimillige, d. i. Wehrmänner, die nicht zu einem 
Miethscorps gehörten, ferner eine zahlreiche Mannfchaft von den 
dänifchen Inſeln und endlich einige Taufend Troßfnechte.e Das 
ganze Heer ward auf 50000— 34,000 Mann gefchäßt. Bei dem Anblic 
der großartigen Deranftaltungen zum Kriege foll der Sührer der 
Garde den König gefragt haben, ob Ditmarfchen denn im Himmel 
liege? Wenn es auf der Erde läge, fo wolle er mit feiner Garde 
allein das CLand den Sürften unterwerfen. Die Dithmarfcher hatten 
diefem Heere 6000 ftreitbare Männer entgegenzuftellen. Sie waren 
auf ſich allein angewiefen. Der Erzbifchof fonnte ihnen feinen Beiftand 
leiften, er war felbft der Hülfe benöthigt. Die Hamburger waren für 
ihre eigene Sicherheit beforgt; fie fchloffen mit dem Herzoge wegen 
der Helgoländer Streitigkeiten Srieden und befeftigten ihre Stadt für 


Don 1374 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 285 


alle Säle. Wie Hamburg, fo fcheinen auch andere Städte für ihre 
eigene Sicherheit beforgt gewefen zu fein. „Do nu de Stede dat 
hebben vornahmen, Sulke grote Dorfamlung tofamende kamen, 
Se hebben under malkander geſpraken: Torn, Mure, Wallen willen 
wy alle fefte malen”, lautet es in Beziehung auf den Krieg vonl, 
1500 in einem hiftorifchen £iede aus Joh. Ruſſe bei Neocorus. 
Die Macht des verfammelten Heeres der Sürften mochte die benach- 
barten Städte wohl von einer Betheillung am Kriege durch 
Entfendung von Hülfstruppen wider die Fürften abfchreden. Doch 
leifteten die Städte den Dithmarfchern Zufuhr. So fandte Lüneburg 
3.8. durch Lübeds Dermittelung (000 Mark zur Werbung von 
Miethstnechten, 4 Steinbüchfen, 25 Armbrüfte, 5 Tonnen Pulver 
und 2 Tonnen Pfeile. Uebrigens ift auch nicht feftgeftellt, daß die 
Dithmarfcher überhaupt auf Zufendung von Hälfsmannfchaften von 
feiten der Städte reflektirt und folche gefordert hätten. Sie waren es 
gewohnt, in Gefahr fich auf fich felbft zu verlaffen, und nahmen 
daher auch nur wenige Miethstnechte zur Befeßung der Stadt 
Meldorf in Sold, ihren Dorfahren gleich, fagt Neocorus, die 
niemals die Sache des Landes fremden Knechten anvertraut, als 
welche fein Herz haben konnten für die Sreiheit. Die Sürften 
hatten in Erwartung der Ankunft der Garde fchon vor erfolgtem 
Eintreffen derfelben den Dithmarfchern den Krieg angefündigt mit 
der Aufforderung, vor Eröffnung der Sehde fich freiwillig zu 
unterwerfen. Einige unter den Dithmarfchern hatten darauf zur 
Anfnüpfung von gütlichen Unterhandlungen gerathen, weil das 
Land nicht in der Derfaflung fei, der Macht der verbündeten 
Sürften mit Erfolg Widerfland zu leiften.! Die Gefamtheit der 
Landesgemeinde aber wollte Kampf für die Sreiheit bis zum 

" „Bat nit die Garde Schweden jüngft bezwungen und über flarfe 
Männer Sieg errungen? Der Dalekarle ift fürwahr ein Held und doch erlag er 
diefer wilden Brut, die fich einherftürzt gleih der Sturmesfluth“, läßt 
hier mit Beziehung auf die ſprichwörtliche Unüberwindlichkeit der ſchwarzen 


Garde ein neuerer Dichter die Kleinmüthigen im Lande, die zur Nad)- 
giebigfeit riethen, fagen. 


286 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Aeußerften. Insbeſondere drangen auch die Weiber auf tapfere 
Dertheidigung; fie felbft wollten mit den Männern wider den Seind 
ziehen und fürs Daterland ftreiten. Jeder Bedankte an Unter: 
werfung wurde abgemwiefen; nur ein Entſchluß beherrfchte das 
Banze: Widerftand und Kampf bis zum legten Athemzuge für 
Sreiheit und Unabhängigkeit. Man verließ fich auf die eigene 
Kraft und Kriegstüchtigfeit, auf die Natur des Landes und auf 
Gottes Hülfe.. Es wurden öffentliche Andachten gehalten, befondere 
Bettage angeftellt, und durch Beichte und Abendmahlsfeier weihte 
man fich zum Kampf und Tod für Sreiheit und Daterland. Durch 
Dermittelung der Städte foll noch nach einem hiftorifchen Kiede 
bei Neocorus ein Waffenftilltand auf drei Monate, bis Mai, 
vereinbart worden fein, den die Sürften aber gebrochen hätten. 
Da man gerade die Winterszeit für den Zug wider die Dithmarfcher 
auserfehen hatte, fo liege fich für Eingehung eines Stillftandes 
bis Mai als Erllärungsgrund nur eine eingetretene Derzögerung 
in Ueberkunft der Garde annehmen, und es find bei älteren 
Ehroniften mancherlei Andeutungen dafür vorhanden, daß die 
Ankunft der Garde am Ende des Januars unerwartet erfolgte, fo 
daß zu vermuthen, es feien der Derabfchiedung der Barde aus dem 
Dienftverhältnig zum Herzog Magnus von Sachfen-Kauenburg nach der 
Kriegserflärung der Fürften an die Dithmarfcher Schwierigkeiten 
entgegengetreten, die dann unerwartet fchnell befeitigt worden. 
Die unerwartet fchnelle Ankunft der Barde mochte dann für die 
nur auf Eroberung ausgehenden Sürften Grund genug fein, einen 
eingegangenen Waffenftillftand zu brechen. Am Anfange des Sebruar- 
monats fammelte fich das feindliche Heer an der Grenze Dith- 
marfchens. Der König und der Herzog trafen beim Heere ein, 
um perfönlich den Seldzug gegen die Dithmarfcher zu eröffnen. 
Das Heer vermweilte einige Tage an der Grenze, weil man immer 
noch hoffte, daß die Dithmarfcher verzagt werden und Unter: 
werfung anbieten würden vor Eröffnuug der Seindfeligkeiten. 
Die Dithmarfcher aber dachten an nichts weniger, als an Unter: 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 287 


werfung. Eine ruhige Zuverficht war an die Stelle der früheren 
Erregung getreten. Als die feindlichen Dortruppen bereits heran- 
rüdten, feierte man zu Windbergen noch eine große Hochzeit mit 
Mufif und Tanz, Am 11. Sebruar 1500, einem Dienstage, über- 
jchritt das feindliche Heer die Grenze und rückte in Dithmarfchen 
ein. Das erfte Nachtlager wurde bei Alberftorf gefchlagen. Die 
Einwohner des Ortes hatten fich geflüchtet. Solgenden Tags ging 
der Marjch weiter gegen Meldorf, und man gelangte bis Wind: 
bergen, wo das zweite Nachtlager gehalten wurde. Auch hier 
fand man feinen Widerftand, weil hier ebenfalls die Einwohner 
vor dem Seinde fich zurückgezogen hatten. Die meiften Bewohner 
der Geeft an der Öftgrenze des Landes hatten fich mit ihrer beften 
Habe in den Norderftrand und die Norderhamme geflüchtet. Die 
Dithmarfcher erwarteten den Seind an der Hamme. Diefer aber 
wollte den erften Angriff auf die Hauptftadt des Landes, das 
damals noch unbefeftigte Meldorf, richten. Einige der Gegend 
fundige Leute im TDienfte des Königs führten das Heer am 
Donnerstage, den 15. Sebruar, feitwärts durch einen von Wafler 
überlaufenen Steig, den fog. Windberger Sußfteig, nach Meldorf. 
Der offene Ort, nur von einigen Miethstnechten gedect, wurde bald 
mit Sturm genommen. Die Landstnechte nahmen die Slucht mit großem 
Befchrei, daß nun Alles verloren fei, und Alles, was fliehen fonnte, 
floh mit ihnen aus der Stadt beim Einbruch des Seindes. Die 
Stadt wurde geplündert, und die zurücgebliebenen Einwohner, 
Alte, Srauen und Kinder, wurden vom Seinde erfchlagen. Doc 
fcheint die Zahl der Erfchlagenen nicht jo groß gemwejen zu fein, 
wie man nach Schilderungen der Unthaten der Garde wohl an- 
nehmen möcte. Ein urfundliches Derzeichnig der in Meldorf und 
der Umgebung desfelben Gefallenen, für die nachher Seelmeffen 
gehalten wurden (Bolten III, 136 ff.), führt 129 oder 150 Namen 
auf. 22 Weiber nennt das Derzeichniß, unter diefen Jacopp 
pollefenn Webe, die Witwe des befannten Aleldorfer Bürgermeifters 
Jakob Polleke. Das von Bolten nach dem Original mitgetheilte 


288 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Derzeichniß ift unterfertigt: Hinricus Wennen, Secretarius Terre 
Dithmarcie. — Nach der Eroberung der Stadt ließ der König auf 
dem hohen Thurm der Kirche die Danebrogsfahne aufziehen. „Se 
ftefen des Königs Banner tom hogen Torne ut,“ heißt es in 
einem Liede bei Hans Dethleff, und in dem Kiede Ar. I bei 
\Neocorus heißt es: „Tor Stund ig de Thorne geziert mit einem 
Teken, Ein Krutze mit Golde und Perlen beſteken.“ Dieſe Fahne 
war das wirkliche Königsbanner, das alte Danebrog Waldemars 
des Siegers. — Waldemar hatte 1218 auf Anforderung des Papſtes 
Innocenz III. einen Kreuzzug gegen die heidniſchen Eſthen unter— 
nommen, hatte glücklich gekriegt und als Sieger Schloß und Stadt 
Reval gegründe. Am 15. Juni 1218 aber ward er von den 
Efthen plößlich überfallen und hart bedrängt. Da warf fich der 
Erzbifchof von Dänemark, Andreas Sanefön, betend für die Rettung 
des Dänenheeres nieder zur Erde und, heißt es, der Himmel gab 
ein Zeichen der Erbarmung: Eine goldglänzende Sahne mit weißem 
Kreuz ſenkte fich nieder auf das Dänenheer, und im Geleite diejer 
Sahne fprengten die Dänen auf die Efthen ein und vernichteten 
den Feind. Das war das Danebrog (danffe brogede Sahne). Der 
Papit hatte diefe geweihte Sahne dem Könige Waldemar verehrt. 
Das Danebrog war feitdtem das Königs-Banner der Dänen; es 
war dasfelbe noch niemals dem Seinde zur Beute geworden und 
galt als ein unantaftbares Unterpfand für die Sortdauer des alten 
Kriegsruhmes des Dänenheeres. In Meldorf raftete das Heer bis 
zum 17. Sebruar. 

Während der Raſttage wurde die Umgegend ausgeplündert 
und mit Mord und Brand heimgefuht. In einem £iede bei 
Neocorus ift die Rede von drei Dörfern bei Meldorf, welche 
vom Seinde abgebrannt worden. Durch Plünderung, Mord 
und Brand wollte man das Land in Schreden verfegen und zur 
Unterwerfung geneigt machen. Die Dithmarjcher waren indes in 
der Marſch, vornehmlich bei Oldenwöhrden, verfammelt zu Be- 
rathungen über das, was zu thun fei. Bier riethen Einige zur 


Don 14724 bis zur Schlaht von Hemmingſtedt — 1500. 289 


Nachgiebigkeit, da die Sürften fie doch immer aufs neue angreifen 
würden, bis das Kand erobert fei. Dornehmlich follen Carften 
Holm und Hans Peters aus Beide hierzu gerathen haben. Andere 
ſchlugen vor, fich auf die Infel Büfum zurückzuziehen und da den 
Abzug des Seindes abzuwarten, um dann das Fand wieder ein» 
zunehmen. Die Mehrzahl aber, Mann und Weib, wollte muthige 
Dertheidigung. Der Derluft der Geeſt und des offenen Meldorf 
habe feine Bedeutung; fie Fönnten dem Seinde die Eroberung des 
£andes noch ſchwer genug machen und wären nicht werth, Kinder 
ihrer Däter zu heißen, wenn fie nicht die Sreiheit auf die Nach: 
fommen zu vererben wüßten; die Xachlommen würden ihnen 
fluchen, wenn fie, um ein elendes Leben in Knechtfchaft zu friften, 
die Freiheit hingäben, für welche auch das Thier des Feldes das 
Leben laſſe. Es fiel der Schluß dahin, dag man alles für die 
Sreiheit wagen müfle und daß man lieber für die Sreiheit fterben, 
als ohne fie leben wolle. Die fürften hatten mittlerweile Kund: 
fchafter ausgejandt, um über die Abficht der Dithmarfcher fich zu 
unterrichten. Die Dithmarfcher aber waren wachſam; fie griffen 
die Kundfchafter auf und erfchlugen fie, bis auf einen, einen 
Sriefen, den fie durch Drohungen und durch die Zufage, ihn am 
Leben zu laffen, wenn er über die Abficht der Sürften zutreffende 
Angaben mache, bewogen, ihnen zu befennen, daß die Sürften über 
Hemmingftedt nach Heide und Cunden ziehen wollten.! In einem 


! Be grepen ehn by den Haaren, Hals und Kinne: 
egge uns, wat hefft de Koning im Sinne! 
ch leven Stunde, latet my nu leven, 
ck will juw apenbar to erfennen geven, 
dt ſchall juw alltomale doen baten, 
o ferne gy mi min £if willen laten. 
ar hefft he befennet und thoflaen recht vort, 
o de Koning mit dem Hertogen hedde Wort, 
e Beide unde Lunden intonemen up einen Dag. 
at id in der Wahrheit wol feggen mag. 
(Ruffe b. Neocorus.) 


Dithmarfcher Geſchichte. 19 


290 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Kriegsrathe der Dithmarfcher wurde dann auf Dorfchlag des Wolf 
Iſebrand, der Einer aus den „Hovetlüden” heißt, alfo wohl ein 
Achtundvierziger war, bejchlofien, auf dem Wege von Meldorf 
nach Hemmingfledt eine Schanze aufzumwerfen und an derfelben dem 
Seinde den Paß zu verlegen. Die Schanze wurde in aller Stille 
in der Nacht vom Sonntage auf den Montag errichtet, am Dufend- 
düwelswarf, an der Dehling (Wegetheilung, wo fich der Weg 
nach Ketelsbüttel und der Kanzelei abzweigt) mit Gefchüß ver: 
fehen und mit 400 bis 500 Mann befeßt. „Uth dreen Karipelen 
meift dit deden,“ heißt es in einem hiftorifchen Kiede bei Neocorus, 
und diefer macht dazu die Anmerkung: „Oldenworden, Hemming⸗ 
fiede, Nienkerken.“ Es können alfo nicht, wie Eranz und einige 
holfteinifche Ehroniften nach ihm angeben, einige Taufend geweſen 
fein. Cornelius Hamsfort, der dänifche Befchichtsichreiber, ein 
Seitgenofje des Neocorus, giebt die Sahl der Bejagungsmannfchaft 
der Schanze auf 400 an, Neocorus auf 500. Das entfpricht der 
Sahl der waffenfähigen Mannfchaft der drei Kirchfpiele. Die zur 
Bejeßung der Schanze erjehene Schar weihte fich mit dem Belübde, 
nur als Sieger von der Wahlftatt heimzufehren, entweder die 
Sreiheit zu retten oder mit derfelben zu fallen, dem Kampfe fürs 
Daterland und nahm zur Befiegelung ihres Belübdes und zur 
Bereitung auf den Tod das Abendmahl. Eine Jungfrau aus 
Hohenwöhrden, einem Dorfe des Kirchipieles Oldenwöhrden, nahe 
der Schanze, wurde zur Panierführerin erwählt. Diefelbe gelobte 
ftete Jungfraufchaft und übernahm die Führung. Im Geleite der 
Jungfrau, die das Bild des gekreuzigten Heilandes, nach Einigen 
ein Kruzifir, nach anderen ein Banner mit dem Bilde des Ge- 
freuzigten, vorantrug, bezog die Mannfchaft die Schanze und legte 
fihh zur „Landhöde”. -— Den Vamen der Jungfrau kennen wir 
nicht, die Gefchichte hat uns denfelben nicht überliefert! Das ift 


' Die „Telfe Kumpen” neuerer Schriftfteller ift ein Falſum der Geſchichte, 
dur Earftens in Umlauf gefegt. Earftens nennt die Junafrau „Olde 
Kumpen’s Hans Tochter Telfe". Bei den Chroniften vor ihm ift immer 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 291 


aber Fein Mangel, fondern vielmehr ein Dorzug in der Darflellung 
der alten Ehroniften. ame ift Rauch und Dunft, umnebelnd 
Bimmelsgluth! Das gilt, wie nur irgendwo, fo hier. In und 
mit dem altgermanifchen Sreiheitsfinn hatten gerade die alten Dith- 
marfcher vor Anderen die altgermanifche Hochachtung weiblicher 
Tugend und Sittenreinheit firenge gewahrt und entwidelt. Sreiheit 
und Daterland, weiblihe Tugend und Sittenreinheit, die Ideale 
des Zllannes, waren bei den alten Germanen in der dee un— 
trennbar miteinander verbunden. Daher gerade bei deutfchen 
Dölferfchaften die ftete Aeflerion von Sreiheit und Daterland auf 
weiblichen Sinn und weibliche Tugend und umgelehrt, von diefen 
auf jene, wie fie fich ausfpricht in Sprichwort und Kied: „Wer 
des Weibes weiblichen Sinn nicht ehrt, der hält auch Sreiheit und 
Freund nicht werth”, und, wie es bei den alten Dithmarfchern 
hieß: „De eine Hore friet vorfatliglich, de vorrädt od wol fin 
Daderland!" Die Jungfräulichkeit aber galt als der Inbegriff 
aller weiblihen Tugend und Sittenreinheit. Daher begreift es 
fih, daß gerade die Schar „derer von Hemmingftedt”, wie fie 
wohl bei alten Ehroniften bezeichnet wird, die fich dem Tode für 
Sreiheit und Daterland geweiht hatte, eine Jungfrau zur Panier- 
führerin erwählte, im Seleite der Jungfrau, als Schußgarde diejer, 
ins Seld 309, und daher mußte auch in der Bezeichnung der 


nur von einer Jungfrau als führerin die Rede. Keiner derfelben nennt 
den Namen der Jungfrau. Woher konnte nun Carftens den Namen wiflen ? 
Er führt zwar in feiner Befchichtsarbeit allerlei Schriften, die vor ihm 
Niemand gefannt hat, als Quellen für fih an, allein feine derfelben ift 
auch von Anderen gefehen und gefunden worden, und Dahlmann hat es 
unwiderleglich dargethan, daß die fog. Carſtensſchen Quellen überhaupt 
nicht oder nur in der Einbildung eriftirt haben. — In der Bezeichnung 
„Olde Kumpen’s Hans Tochter Telfe” ift „Olde“ als Dorname des Daters 
des Hans Kumpen genommen worden. „Olde“ hatte aber die Bedentung 
des senior, und es war allgemein Brauch, dem „Olde“ den Taufnamen des 
Betreffenden anzufügen. Jene Bezeihnung bei Carftens trägt alfo un- 
verfennbar das Merkmal ihres Urfprunges aus fpäterer Seit an fidh. 


19° 


292 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Panierführerin bei den alten Ehroniften der perfönliche Name vor 
der Jungfrau zurüdtreten. Gerade in ihrer Namenlofigfeit bei 
den Ehroniften erfcheint die Panierführerin erft in ihrer wahren 
Bedeutung, die fie als Sührerin hatte und nach Lage der Sache 
haben konnte. Die Jungfrau, ohne Zweifel eine beherzte, fühne 
Dithmarfcherin, brauchte nicht gerade eine hervorragend zur Führung 
im Streit befähigte Amazone zu fein, deren Namen die Ehroniften 
gewiß genannt hätten; es war genug, daß fie eben als Jungfrau 
in ihrer Eigenfchaft als Panierführerin den Muth der Männer, 
die zum Schuge des Paniers berufen waren, anfeuerte.. Ein 
fchlechter Streiter ift’s, der flieht, wo er den Feldherrn kämpfen 
fieht! Wie follte es da nicht den Muth der Männer befeuern, 
wenn eine Junfrau im Streit das Panier hielt, welches im Stiche 
zu laſſen für die größte Schande galt! 

Dorfichtshalber hatte man auch andere Päſſe, befonders die 
Wege von Meldorf nach der Vordermarſch, beſetzt. Man wollte 
nicht alles auf die Ausfage des Sriefen anfommen laſſen und 
zugleich auch vor Derrath fich fihern. Nicht nur vor Spionen 
des Seindes, fondern auch vor verrätherifchen Eandsleuten mußte 
man auf der Hut fein. Namentlich wird Larften Holm als ein 
Dertrauter des Königs genannt, der noch am Sonntage mit diefem 
fonferirt und ihn auf Montag bei fich zu Bafte geladen hätte, 
um dann mit ihm von Heide nach Eunden zu ziehen, und dem 
der König für den Sall der Eroberung des Landes die Tilenburg 
verjprochen gehabt haben foll.! Er hatte aber dem Könige über 
den Plan der Dithmarfcher nichts berichten können. Dank der 
Wachſamkeit diefer erfuhr man zu Meldorf überhaupt nichts von 
dem, was bei Wöhrden und Hemmingftedt vorging. Der bis 
dahin herrfchend gemwefene Sroft wich an dem zum Aufbruch von 
Meldorf beftimmten Tage, Montag, den 17. Sebruar, plößlich 
eintretendem Thaumetter mit Regen und Schmeegeftöber. Der 
Seldmarfjchall Hans von Ahlefeld rieth daher vom Aufbruch ab. 
Der Sübrer der Garde aber, Jürgen Schlenz oder Slenz, ein 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500, 293 


Edelmann aus Köln,? gewöhnlich Junker Schlenz genannt, ftimmte 
für den Aufbruch. Das weiche Wetter mit trüber £uft fei gerade 
günftig, um den Feind zu täufchen und zu überrafchen. Die 
anderen Öffiziere der Garde ftimmten dem bei, und da Schlenz 
ein verjuchter Krieger war, der jchon oft in Marfchländern ge- 
fochten hatte, jo gaben auch die Fürſten feiner Meinung Beifall. 
Unter Trompetenfchall und dem Donner des Gejchüßes brach das 
Heer von Meldorf auf. Schlenz mit der Garde 309g voran. Er 
hatte die Lofung gegeben: „Wahr di Buer, de Garde de kumt!“ 
Die £ofung wurde auf dem Marfche als Kriegsruf angeftimmt 
und immerfort wiederholt, um die Einwohner des Landes in 
Schreden zu fegen. Die Garde hielt, nach alten Ehroniften, das 
Ganze für einen „Megentanz“, ein Ding zur Kurzweil, zum Zu: 
ichauen. Auch den Grafen Llaus bei Tipperslo lafjen ältere 





ı Bei Neocorus heißt es in diefer Beziehung in einem hiftorifchen 
Ciede: „Carſten Holm de quam dar tho, 
Min leve Here Hans, wo haget juw tho ? 
Min leve Larften, ick löve juwe Wort, 
Ick meine, it ſchall hier werden goet. 
Min leve Carſten, ſchnacket ein Wyle, 
Ick will juw geven dat Schlot thom Tyle. 
Min leve Bere Hans, id Pan’s nicht keſen, 
| Ick mot all mand de Buren wefen, 
‚ Denn worden fe hier miner enwar, 
Wo drade dat ick min Levent verlor. 
All up der Heide, dar iß ein Blick, 
Da wanet Peters Hans und id, 
Morgen froh fomet tho uns to Befte, 
JE will juw doen dat allerbefte, 
JE will juw fchenfen Mede und Wyn, 
Darmit fchöle gy na £unden theen, 
Und ftedet an de groten Dorpe, 
Dar liggen de Buren alfo ftarf, 
Und ftedet an dat halve Kantt, 
Dat ander geit juw wol tor Hantt.“ 
» Schlegel imeint, Schlenz fei vielleicht gleichbedeutend mit Scleinig, 
Name einer alten meißnifhen Adelsfamilie. Witte Johann nennt den 
Schlenz einen Kölner. 


294 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung, 


Ehroniften anftatt von Kälbertanz von Mebentanz reden. Beides 
fommt auf Eins hinaus. Der Garde folgte das übrige Sußpoll. 
Die Sußtruppen führten Tothbrüden und Material zur Herſtellung 
folcher: Slechtwerf, Bretter 2c., mit fih. Zum Transport diefes 
und anderen Heergeräthes waren vornehmlich holfteinijche Bauern 
aufgeboten worden. Auf das Fußvolk folgte die Reiterei. Bei 
diefer befanden fich der König und der Herzog. Das Gefchüß 
wurde zum heil hinterher, zum Theil voran geführt. Den 
Befchlug bildete eine große Menge von Wagen und Schlitten, 
theils mit Proviant und Munition beladen, theils leer und zum 
Transport von Beute beftimmt, mit der nöthigen Bededlungs- 
mannfchaft. Die Ritter und Mdelsherren zogen gefchmüdt wie 
zum Tumiere daher, und fürforglich hatten fie fich mit großen 
Baarmitteln zum Anlauf von Beuteantheilen verfehen, auch Siegel 
und Detichaft mit ſich genommen, um nöthigenfalls auf Wechſel 
und Anweifung Befchäfte abjchliegen zu können. Als £ohn ihrer 
Tapferkeit fprachen fie fich fchon Aemter, Würden und Titel zu 
und grüßten einander im Scherz und im Uebermuth als Abt von 
Soroe, Prior von Antworjhow, Dechant zu Lund, Kantor zu 
Rothſchild ꝛc. Daher die Nachrichten bei den Ehroniften, daß 
außergewöhnlich viele geiftliche Würdenträger ſich an diefem Kriegs- 
zuge betheiligt hätten. In Meldorf blieb nur eine geringe Be- 
fagung zurüd, die dem Heere den Rücken decden und den Weg 
zur holfteinifchen Grenze offen halten folltee Der Weg zwifchen 
Meldorf und Hemmingftedt erwies fich Doch fchlechter, als man 
erwartet hatte. Die Gräben an den Seiten desjelben waren 
ftellenweife erft im legten Herbft gereinigt und gelleit worden. 
Die ausgehobene Kleierde war auf den Weg geworfen und noch 
nicht feftgetreten. Dazu kam, daß durch die Schanzarbeit der 
Dithmarfcher der Weg an einigen Stellen tief aufgegraben und 
zerfahren worden und überdies, zweds Hemmung der Paflage für 
den Feind, abfichtlich durchftochen war. Die Garde ließ indes den 
Muth nicht finten. Unter fteter Wiederholung der Eofung: 


Don 1474 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 295 


„Wahr di Buer, de Garde de kumt!“ drang fie rüäflig vor und 
hatte fich bis zum Dufenddüwelswarf hindurchgearbeitet, als fie 
unerwartet von einem ſtarken Gefchüßfeuer aus der Schanze 
begrüßt wurde. Zwei riefenmäßige Anführer zogen einen Stein- 
wurf weit vor der Garde her. Der eine derfelben wurde vor 
der Schanze erjchoffen. Der andere, wahrfcheinlich Junker Schlenz, 
der als ein ungewöhnlich ftattlicher Held gefchildert wird, der mit 
königlichem Pomp einherzog, — „he hadde einen Harnifch over 
ſinen £iev getagen, de ſchiente, van Golde fo rode, darover was 
ein Panzer geſchlagen,“ heißt es in einem Kiede bei Neocorus = 
fprengte in Eile zum Heere zurüd, wo große Derwirrung ein- 
getreten war. Die Befchofle aus den Batterien der Schanze fchlugen 
in ununterbrochener $Solge in die dichten Reihen der Garde ein, 
Tod und Derderben bringend. Die Garde warf nun Nothbrüden 
über die Gräben, breitete fich feitwärts aus in Schlachtordnung 
und ließ das Gefchüß auffahren. Um die Aufftellung des leßteren 
zu verhindern, unternahm ein Theil der Befagung der Schanze 
einen Ausfall und fuchte das Gefchüß zu nehmen. Die An- 
greifenden geriethen dabei aber in das Feuer der Batterien auf 
der Schanze und mußten von ihrem Unternehmen abftehen. Der 
Seind eröffnete das Seuer gegen die Schanze. Doch richtete diefes 
wenig Schaden an. Das Gefchüß der Dithmarfcher beftrich die 
femdlichen Batterien und lichtete die Reihen der Bedienungs- 
mannfchaften derfelben und trennte endlich den Haufen der gegen 
die Schanze vordringenden Garde. Nun machte eine Abtheilung 
der Dithmarfcher, vornehmlich aus Einwohnern des Dorfes Walen- 
Hufen bei Wöhrden beftehend, abermals einen Ausfall. Der Seind 
wurde zurüdgedrängt, das feindliche Gefchüß genommen und an 
Ort und Stelle umgeftürzt und in die nächften Gräben gemwälzt 
und geworfen. Als das Gefchüß genommen war, drängte die 
Garde mit Macht feitwärts vor, um die Schanze zu umzingeln 
und von rüdwärts in diefelbe einzudringen. Kaum hatten die 
Dithmarfcher die Abficht des Seindes erfehen, als fie beſchloſſen, 


296 Dritter Abtheilung. Zweite Abtheilung. 


einen allgemeinen Ausfall zu machen. Sie legten die Harnifche 
ab und entledigten fich aller die freie Bewegung irgendwie 
hemmenden Kleidung, felbft der Stiefel, und fo, aller Hemmniſſe 
freier Kraftentfaltung bar, brachen fie aus der Schanze hervor 
und fielen unter Sührung von Wolf Jjebrand mit dem Schlacht- 
ruf: Hilf Maria, heiliger Georg, Heiliger Dalentin, hilf! auf den 
Seind ein.! Der Angriff der Dithmarfcher wurde mehrmals ab- 
gefchlagen, aber auch jedesmal mit gleicher Wucht erneuert. Die 
Garde Fonnte endlich dem Ungeftüm des Andrangs der in grenzen- 
loſer Wuth wildrafenden, immer aufs neue anftürmenden Dith- 
marfcher nicht mehr ftandhalten und gerieth ins Weichen. Der 
Haufen der Garde wurde zerfprengt und die zertrennten Heeres: 
abtheilungen wurden von den Dithmarfchern vernichtet. Diefe 
fprangen hin und her über die Gräben und erfchlugen oder 
erftachen die Mannſchaft der zerfprengten Heerestheile des Seindes. 
Dabei führten fie nun, in Umfehrung der Lofung der Garde, in 
bitterer Ironie ihrerfeits die Lofung: „Wahr di Garde, de Buer 
de kumt!“ Sie bewiejen mit der Evidenz der Augenjcheinlichteit 
und der Hanödgreiflichkeit, daß fie, im Unterjchied von den Bauern 
damaliger Zeit, im Waffenfpiel geübt waren, wie die zu Schwert 
und Schild geborenen Ritter und ihre Soldfnechte.e Daher Heißt 
es in einem hiftorifchen Liede auf die Schlacht bei Hemmingftedt 
(Tr. 4 bei Neoc.): 

De ſick jegen Ditmerſchen fetten will, 

De ftelle fi woll thor Wehre, 

Ditmerſchen dat fchölen Buren fin, 

It mögen wol wefen Bere. 

Der Junker Schlenz fcheute indes feine Gefahr. Er fuchte feine 

Leute durch Wort und Beifpiel zur Ausdauer anzufpornen. Aber 


! Das Gedächtniß des St. Dalentin wurde in der Fatholifhen Kirche 
am 1%. Februar begangen. Man war alfo damals in den Tagen des 
Dalentin. St. Beorg, der Dracyentödter, wurde befonders geehrt bei den 
Angelſachſen. 


Don 1474 bis zur Schladyt bei Bemmingftedt — 1500. 297 


auch an ihn machte fich ein ftarfer Dithmarfcher, Reimer von Wimer: 
ſtedt. Diefer verfegte ihm mit dem Speer einen fo fräftigen Stoß, 
daß der Speer in der Rüſtung fteden blieb und der Junker, der 
fih mit Rieſenkraft im Sattel hielt, mit dem Pferde zu Fall fam. 
Schlenz wehrte fi} wie ein Derzweifelter. Reimer von MWimerftedt 
aber, dem zwei Landsiente zu Hülfe famen, fehte dem Junfer die 
Hellebarde auf die Bruft und durchftach ihn troß des Panzers, 
indem er die Hellebarde mit dem Fuß durch die Rüflung hindurch 
fie und trat. Der Junfer Schlenz wurde dann famt feinem 
Roß von den drei Dithmarfchern in einen Graben geftürzt. 
Schlenz fol nach Einigen begehrt haben, daß ein Dithmarfcher 
fih ihm zum Sweilampf ftelle, worauf dann Reimer von 
Wimerftedt fich geftellt hätte! Auch foll Schlenz bei Beginn des 
Kampfes vor der Schanze gejagt haben: „Es ift meiner Alutter 
geweisfagt worden, daß ich vor einer Mauer, die in einer Nacht 
errichtet worden, fterben werde, aber diefe hier wird es nicht fein!" 
Schlenz war der berühmtefte Sührer, den die Garde gehabt hat, 
ein Mann von ungewöhnlicher Körperfraft und Energie, von toll. 
fühnem Mluth und verwegener Tapferkeit, dabei, wie Läjar, von 
unbegrenztem Dertrauen zu fih und feinem KHriegsglüd. Die 
Garde war vom Geifte ihres Führers durchdrungen und hielt 


ı Yleocorus fagt, der Ueberwinder des Junkers Schlenz fei aus dem 
Kirdfpiel Neuenkirchen gewefen. In Beziehung auf das Ende des Junkers 
beißt es in einem hiftorifchen Kiede: 


„Mit dem fpran? dar ein Landtsmann herto 
it einem langen Spere, 

Be ftad fo ftarf, dat en Krumhafe wort, 

Und hengte in dem Panter fo fchwere. 

Dem Landsmann ein ander to Hulpe quam, 

Dat Speer wolden fe wedder holen, 

De Garde was ſtark, dree hadden vulle Ward, 

Chr fe ehn konden overwinnen, 

Se togen ehn mit Sadel und Roß herdael 

Wol in den depen Graven.“ 


298 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


fih unter ihm für unüberwindlich. Der Fall ihres Oberanführers 
brachte die Garde in ihrer Bedrängnig um den legten Balt. 
Indes hatten die von den Dithmarfchern an den Deichen bei 
Meldorf poftirten Wachen verabredetermaßen, als fie den Donner 
der Gefchüge von der Schanze her vernommen, die Schleufen ge- 
öffnet, und das einftrömende Wafler füllte nun die Gräben und 
überjchwemmte das Land, fo daß bald Wege und Stege, Selder 
und Gräben nicht mehr zu unterfcheiden waren. Jet wandte fich 
auch der Reſt der Garde zu eiliger Slucht. Diele von Denen, die 
in der Schlacht noch das Leben geborgen, famen jet auf der 
Slucht um, indem fie in die Gräben geriethen und ertranten.! 
Mittlerweile waren die Nordhamminger und die an der Süder- 
hamme poftirt gewefenen Mlannfchaften aus der Weiter- und 
Mitteldöfft über Hemmingftedt herangerüdt, und mit frijchem Muth 
und neuer Kraft griffen die Dithmarfcher nun auch den Haufen des 
übrigen Fußvolks an. Sie erftachen und erfchlugen, fließen und 
zogen ins Wafler und erfäuften, was fie an Seinden erreichten, und 
vernichteten fo faft völlig das ganze Heer der Sußtruppen. Die 
Aeiterei fuchte die Slucht zu nehmen, allein die Rüſt- und Beute 
wagen hinderten fie. Die Suhrleute hatten die Pferde von den 
Wagen losgefchnitten, nachdem fie vergebens verfucht, mit dem 
Gefährt fortzulommen. Sie hatten die Wagen ineinander gefahren 
und dann diefe im Stich gelafjen, die nun wie eine Burg den 
Weg verfperrten. In ihrer Noth erhoben die Reiter ein lautes 
Wehllagen, als fie die Dithmarfcher auf fich einfallen fahen. Dieje 
bedienten fich des nämlichen Derfahrens, deſſen fich die Deutfchen 
unter Arminius wider die römische Aeiterei bedient hatten. 
„„chonet den_Kerl, fchlaet dat Perd!“ war ihre Lofung. Die ver- 
wundeten Pferde warfen die Reiter ab und zerftampften, erfchlugen 


i Die Garde findet fich nachher wieder unter dem alten Namen. Allein 
fie refrutirte fi ftets nen, unter dem alten Namen, unter welchem fie ſchon 
1%6% unter dem Könige Matthias von Ungarn gedient hatte. Bei 
Bemmingfteöt famen Wenige aus der Garde mit dem Leben davon. 


Don 147% bis zur Schlaht bei Bemmingftedt — 1500. 299 


und zertraten fie. Mit dem Jammer⸗ und Wuthgeheul der Menfchen 
mifchte fich das Geſchrei und Gewieher wildtobender Roſſe, und 
der Dampf von den fchäumenden Pferden verdunkelte das Tages- 
licht. Wit der Kühnheit der Derzweiflung feßten einige der Nitter 
über die mit Leichen gefüllten Gräben, aufs Gerathewohl hin 
querfeDdein die Slucht fuchend, aber der Gegend untundig, büßten 
fie zumeift das Leben ein, indem fie in nachfolgende Gräben ge- 
riethen und ertranfen. Nur aus der legten Abtheilung im Zuge, 
zu welcher fih auch die Sürften gehalten hatten, entrannen nebft 
diefen relativ viele der Reiter. Der größte Theil der Reiterei 
blieb auf dem Schlachtfelde. In dem Maße, in welchem die 
Schlacht vorfchritt, wuchs die Macht der Dithmarfcher durch 
immer neuen Zuzug; felbft Weiber nahmen am Kampfe_ theil. 
Da fie der Gegend kundig waren, fo fprangen die Dithmarfcher 
mit Sicherheit hin und her über die Gräben, je nachdem fie hier 
oder da ihren Dortheil im Angriff erfahen. Sie flachen und 
jchlugen unter die Neiter und Roſſe, rifjen, fließen und drängten 
fie in die Gräben und übten feine Schonung. Als fie den Sieg 
gefichert fahen, gaben fie die £ofung: „Schlaet den Kerl, fchonet 
dat Perdl!" Man wollte nun fich den Befig der edlen Ritter: 
pferde fichen. Es ward dann auch die Reiterei bis zur Der- 
nichtung gefchlagen. Binnen reichlich drei Stunden war das 
große Beer des Seindes vernichtet worden. In dem trüben 
Metter, bei Schneegeftöber und Regen, fluthendem Waſſerſchwall, 
Dulverdampf und Dampf von Menſch und Thier, der die Euft 
verdunfelte, jo daß Sreund und Seind kaum zu unterfcheiden 
waren, hatte man nicht überfehen können, was an diefer und 
jener Stelle vorging. Qah der Schlacht, beim Anblicd der 
unzählbaren Todten, von welchen die meiften im Wafler um: 
gelommen waren, mußten die Dithmarfcher felbft fich wundern, wie 
fie den großen Heerhaufen in fo furzer Zeit hätten bewältigen 
kõnnen. 

Unter den Gefallenen waren die Grafen Adolph und Ottof 


300 Dritter Abfchnitt, Zweite Abtheilung. 


von Oldenburg. Auch der Fönigliche Selömarfchall, Ritter Hans 
von Ahlefeld, war gefallen. Er foll im Tode noch die Sahne 
gehalten und fie mit dem Leibe gededt haben. — Das Heerbanner 
| wurde nur den tapferften der Ritter anvertraut, und der Banner: 
führer war einer der vornehmften KHriegsherren. Außer dem 
‚Seldmarfchall werden als Gefallene aus holfteinifchen Adelshäufern 
angeführt: die beiden Brüder Henneke und Hinrich von Ahlefeld, 
en von Ahlefeld zu Sartorf, Georg von Ahlefeld zu 
Seegard, Laurentius von Ahlefeld (Elaus’ Sohn), Hinrich von 
‚Ahlefeld zu Steinburg, Benetictus von Ahlefeld (Benedicts Sohn) 
'zu Bofhorfl, Benedictus von Ahlefeld (Otten Sohn) zu Lehm- 
fuhlen, Detlef von Ahlefeld zu Hafeldorf, Hans von Ahlefeld zu 
Nienftedten, Detleff von Bodwold zu Wenfin, Detleff von Bodwold 
zu Baflelburg, Otto und Hinrich von Bodwold, Hans von 
Bockwold, Detleff von Bodwold zu Sierhagen, Joachim Ranzau 
zu Afcheberg, Ove Ranzau zu Haftorf, Brede Ranzau (Hinrichs 
Sohn) zu Krummendief, Binrih Ranzau, Wulff Poggwifch 
(Bennings Sohn) zu Farve, Wulff Poggmwifch zu Stoep, Wulff 
Poggwijch zu Doberftorf, Wulff Poggwifch zu Warleburg, die 
Brüder Joachim und Hans Poggwifch, Hartwich Poggwifch von 
Grönholt, Henning Poggwifh, Benedictus Poggwilh, Bans 
Poggmwifchen Söhne und Binrich Poggwifchen drei Söhne, die 
Brüder Henneke, Detleff, Wulff und Joachim von der Wifch zu 
Niehof, Hinrich von der Wifch, Jürgen von Lund, Küder Heften 
und zwei Söhne, Dolrath und Bertram, die Brüder Marquard 
und Hinrich Swave von Tordfee, Hans Blome zu Seedorf und 
fein Bruder Hinrich Blome, Amtmann zu -Bottorp, Borgert 
Krummendied, Gert Wefterholt, Paul Seeftedt zu Rendsburg, 
Benedictus Seeftedt zu Kluvenſieck, Hans Seeftedt zu Seeftedt, 
Paul Seeftedt zu Kohöpede, Joachim Seeftedt (Reimers Sohn), 
Burdhart Seeftedt (Hans Bruder), Schad Humor, Detleff von 
Siggen, Hans Walftorf, Hinrih und Gert Walftorf, Elaus 
Menfin, Jve Reventlow, Hartwich Reventlow zu Bram, Joachim 


Don 142% bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 501 


Reventlow, das Gefchlecht Dobberftorp (Doberftorf), Sivert von 
Brocddorf, Hinrich Broddorf, Hinrich von Wigge, Ety von Wigge 
von DBoterfen, Otto Schad zu Nutshave, Henning Schad zu 
Qutshave, Detleff von Qualen, Benedictus von Qualen und der 
Hanzler (des Königs) von Qualen, Marquard Breide, Benedictus 
Snialftedt, Hinrich Stuer, Otto von Tinen, die Brüder Otto und 
Claus Rode, Helwich Wulff, Eggert Godske zu Soldid, Claus 
Ratlow, Michael Ratlow, Emeke Ratlow zu Sodercamp, Sivert 
Ratlow zu £Lenjfan, Hans Ratlow zu Lindau mit feinem Sohne, 
Elaus von Hagen zu Nübel, Dietrich von Hagen (Dietrich Bronften 
von der meenen Hagen), Boje Teteflen (Dogt in Eiderftedt), Dolmar 
Teteffen (Titefien), Schade Mot (Dogt zu Kiel) zc. An Dögten (Ober: 
beamten, zumeift dem Adel entnommen) allein waren aus dem 
herzoglichen Antheil von Holftein und Schleswig 139 oder 140 
gefallen (P. Sar, Walther, Bolten). Rendsburg hatte 50 Bürger 
verloren, und von den zahlreich ausgerücdten Sriefen kehrte Feiner 
von Hemmingſtedt zuräd, fie wurden famt ihren Stallern in Dith- 
marfchen erfchlagen. Saft die gefamte wehrhafte Mannfchaft aus 
den Herzogthümern war geblieben. Diele Adelshäufer hatten den 
legten Stammhalter verloren und erlofchen nun, andere, wie das 
berühmte Haus der Poggwilh, waren fo geſchwächt, daß fie 
niemals wieder zu vorigem Anfehen fich erhoben. Die Wehrmacht 
des holfteinifchen Adels war gebrochen. Daher fangen die Dith- 
marfcher in ihren Siegesliedern: 
e togen tho Bemmingftedt up dat Feldt, 
ar worde de Garde vorfhlagen. — 


ar liggt nu myn Perd, dar liggt nu myn Schwert, 
Dar liggt nu myne adlie Krone. 


Bei Witte Johann und bei Eindenbrog werden nebft dent 
Junker Schlenz und feinem Bruder viele andere deutſche Edelherren 
unter den Gefallenen namhaft gemacht. Witte Johann rechnet 
unter die nicht namentlich angeführten Gefallenen 50 Edelleute 
allein aus der Mark, und ein Autor bei Kindenbrog rechnet noch 


302 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


100 märlifche Adelsherren hierher. Die Mehrzahl des fürftlichen 
Heeres war, wie Albert Eranz und alle anderen glaubwürdigen 
Ehroniften berichten, in Dithmarfchen geblieben. Es ift demnach 
mindeftens eine Unterjchägung, wenn Johann Peterjen die Zahl 
der Gefallenen auf über 4000 fchäßt. In der Sortjegung zu 
der beregten holfteinifchen Chronik von 1486 heißt es: „Anno 1500, 
des Mandages na Dalentini, do wort Konin? Bans van Denne- 
marden vorfchlagen in Dytmerfchen unde let dar wol 15 dufent 
Mann effte mer.“ Walther feßt hier rund 15000 Mann. Dänifche 
Ehroniften fjprechen von 11000—15 000 Gefallenen. Reimer 
Kock fagt von 18000 Mann. Der Goldfchmidt zu Kunden 
(Fragm. Russ. XX) giebt den Derluft des dänifch-holfteinifchen 
Heeres auf 24000 Mann an, ebenfalls Neocorus; Nicolaus Dird, 
Nicolaus Witte und Andreas Bruß, Schriftftellee aus der Seit 
der Schlacht bei Hemmingſtedt, geben übereinflimmend die Sahl 
20000 an, Es fielen, fagt Nicolaus Dird, vom Föniglichen Heere 
ca. 20000 Mann am zweiten Tage nach der Depositio Alleluja 
oder am Tage des Polycron. („Seciderunt de exercitu Regis 
eirciter viginta millia. Facta est haec strages feria secunda post 
depositionem Allelujah vel ipso die Policronü.“ Fragm. Russ. XVII 
ap. Westphal)! Bei Nicolaus Witte heißt es: Im Jahre 1500 
fielen im Dithmarfcherfriege die Grafen Otto und Adolph von 
©ldenburg nebit 20000 Mann. („1500 perierunt in pugna Dit- 
marsica Otto & Adolphus Comites ab Oldenborch & 20000 viro- 
rum.“ Fragm. Russ. XXIV.) Andreas Bruß giebt in einer bei 
Neocorus (I, 493) mitgetheilten, eigenhändig gezeichneten Urkunde 
auf Pergament eine Nachricht, in welcher es heißt, daß 1500 am 
Tage Polycrons, am zweiten Tage nach der Depositio Alleluja die 
jüngfte Schlacht in Dithmarfchen gefchehen, worin der König von 
Dänemark und Herzog Sriedrich von Holftein ca. 20 000 Mann, 

! „Depositio Alleluja“ war der Tag vor Seragefimä, 1500, wo Oſtern 


auf den 12. April fiel, alfo der 15. Februar; der zweite Tag danady, der 
12. $ebruar, war der Tag Polycrons. 


Don 1474 bis zur Schladht bei Hemmingſtedt — 1500 303 


die Dithmarfcher in Meldorf und bei Hemmingftedt ca.300 an Mann, 
Weib und Kind verloren. — „Anno millesimo quingentesimo/ 
in die Polycronii vel secunda feria post depositionem Alleluja erat 
strages novissima in Ditmarsia jo by Hemmingftede de Koning 
van Dennemarken und Hertog Srederich van Holften vorloren umme 
trent XX dufent Mann. De Ditmerfchen verloren bynnen Mleldorpp 
unde by Hemmingftede ummetrent dree hundert Mann, Srouwe unde 
Kinder. Anno ut supra. Andreas Bruss scripsit.*“ &s ift demnach 
der Derluft des dänifch-holfteinifchen Heeres, wie es von Dahlmann 
gefchieht, auf über 20000 Mann zu fchägen." Don den 300 
umgelommenen Dithmarfchern follen, nach Tleocorus, 60 Mann 
in der Schlacht gefallen fein. — Ein glänzender Sieg war errungen, 
einer der glorreichften Siege, welche die Gefchichte kennt. Dänen 
und Holfteiner, in ftarrem Entjegen über die unerhörte Niederlage, 
fuchten die leßtere als ein Strafgeriht Gottes wegen Untreue 
vieler Adelshäufer wider den König und wegen Hinneigung zur 
Keßerei der Huffiten zu erflären. Ein dithmarfcher Derfafler eines 
von Neocorus angeführten hiftorifchen Eiedes aber fagt, die Hol. 
fteiner hätten durch ihre Wortbrüchigkeit die Niederlage verdient. 

Als der Sieg errungen war, eilten die Dithmarfcher nadı 
Meldorf, um die Stadt noch am felbigen Tage wieder einzunehmen. 
Meldorf war bald genommen und die noch dafelbft fich porfindende 
feindliche Beſatzung niedergemaht. Es follen die Strandmannen 
ihon in die Stadt eingedrungen fein, bevor die Kämpfer von 
Hemmingftedt hberangelommen. In einem alten Liede heißt es in 


ı Bei den abweihenden Angaben über den Derluft des dänifdy 
holfteinifhen Heeres ift es charakteriftifh, wenn die Sahl der Sefallenen 
fi abfiuft nad dem Maße der Sreundfchaft gegen die Dithmarfcher bei 
den betreffenden Ehroniften. Walther, der Friefe, giebt 15000 an, der 
Däne Euitfeld 11010 und die Bolfteiner Johann Peterfen, Eilicius und 
Johann Ranzau, von denen lettere Beide dem pPeterfen nachgeſchrieben, 
geben die Kahl der Gefallenen auf reichlid 4000 an. Letztere Angabe ift 
von vornherein unwahrſcheinlich und hat keinerlei Anfpruh auf Glaub- 
würdigkeit, and; Feine Quellenangabe für fidh. 


304 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


diefer Beziehung: „De Strandmann quam updrengen mit groter 
Macht, Pelen, Buflen und Schwerde mit fil! gebracdt, to 
Meldorp ingedrungen. Se hebbe dar all dodt geflagen, Allent 
wat fe dar hebben ghevunden. Ach hedden je twe Stunden to 
voer ghekomen, dat hedde gedaen fo groet framen, Alſe ick vor- 
wahr mag fagen: Konig und Hartih mit allem Dolf mochte 
man hebben gejlagen.” Diefes führt man wohl zum Beweife 
dafür an, daß die Strandmannen nicht, wie Neocorus bei 
Erwähnung des Nichtvertretenfeins derfelben im Kollegium der 
Achtundvierziger fagt, bei Hemmingftedt etwas verfehen hätten, 
was aber daraus nicht erweislich ift, da das Derfehen der Strand- 
mannen wohl eben darin beitanden haben möchte, daß fie erft 
nach erfochtenem Siege fich eingeftellt, und nicht bereits zwei 
Stunden früher. 

Auf dem Zuge nach Meldorf waren den Siegern von Kemming- 
ftedt einige fönigliche Proviantwagen mit zubereitetem Geflügel in 
die Hände gefallen. Dieſe hatten fie mit fich genommen. In der 
Stadt fand man dann Weinvorräthe aus dem Lager der Fürften, 
und nun wurde zur Seier des Tages ein Siegesmahl veranftaltet, 
bei dem man in gehobener Stimmung der Ereignifie des Tages 
gedachte und in edlem Wein aus des Königs Kellern das Wohl 
der Baftgeber trant. In hierauf bezüglichen Hiftorifchen Liedern 
bei Xleocorus heißt es: 

„Dre Wagen mit Hönren, de men braden fcholde 
enfulven Dag, wennt ehn' were geglüdt. 
ufje Hönre weren allerede geplüdt, 
Gefüllt mit Rofinen und Krude. 
en de Ditmerfchen find feltfame £uede: 
e hadden neen Tidt, de Hönre tho braden; 
e fprefen: Wy willen ehne doch wol raden, 
y willen fe feden in eynem Eupen, 
o mögen wy de Juden mede fupen!” ! 


ı Wir wollen fie fieden in einem Baufen, dann fönnen wir die Jaucht 
(Brühe) gleidy mit trinfen. — Bolten (III, 161) hat den Sinn völlig verfannt. 


Don 1+7% bis zur Schladht bei Hemmingſtedt — 1300. 305 


„Se gingen eyn wenig man? de Wagen, 
Dar funden fe faden und braden. 

Segget dem Koninge gude Nacht, 

Be hefft uns braden Höner gebradtt. 
Taſtet tho, gy leven Geften, 

Dat gifft uns Koning Hans thom Beften !“ 


„Dree Stunde vor Avent de Ditmerfchen quemen, 
Und manliken Meldorp wedder innemen. 

Del Spife, Gedrenke fe dar vunden, 

Dree Date Wines, grot unde wol gebunden. 

Se drunfen und feden ehme gude Nacht, 

De ehnen den Win dar hadde gebracht.“ 


Das ganze Seldlager des Seindes fiel den Dithmarfchern in 
die Hände, dazu 3000 Rüſtwagen mit Proviant, Munition und 
allem Heergeräth, der Schabkwagen des Königs mit Silberbarren, 
die zu Dentmünzen auf die Eroberung Dithmarfchens hatten 
geprägt werden follen, auf 70000 Gulden gefchäßt, der ebenfalls 
reich ausgeftattete Schagwagen des Herzogs, 14 Kammerwagen 
von Rittern und Edelherren, das Tafelgeräth der Sürften, worunter 
25 filberne Schüffel und ein Foftbarer goldener Mundbecher des 
Herzogs, das Schwert, das Hronbarret und das Petichaft des 
Königs und viele andere Kleinodien. Ueberdies erbeuteten die 
Dithmarfcher eine große Anzahl Aitterrüftungen, Panzer, Harnifche, 
Kleider, fchwere goldene Ketten und Gehänge, Ringe, Perlen und 
Edelfteine, koſtbare Waffen, unter welchen 60 goldene Degen, 
mehrere Taufende edler Pferde, werthoolles Sattel- und Zaumzeug, 
feidene Deden und in Bold gewirkte Schabraden nebit großen Bar- 
vorräthen der Ritter und Edelherren. An Seldgefchüg waren den 
Dithmarfchern außer vielen kleineren Stüden zugefallen: 8 Schlangen, 
18 halbe Schlangen, 8 fog. Hauptbüchfen, 3 Mörfer und 2 Kar: 
taunen, dazu 4 £aft Pulver. Acht Hauptfahnen hatten die Dith- 
marfcher in der Schlacht gewonnen, darunter das alte Dannebrog. 

Die eroberten Sahnen wurden an einige Hauptlirchen des 
Landes vertheilt. Das Dannebrog fam nach Bldenwöhrden, der 
Hauptkirche der Weſterdöfft. — Auch ein Dorrath erbeuteter Wachs: 

Dithmarſcher Geſchichte | 20 


306 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


lichte (Tortigen) wurde an Kirchen zum Gebrauch beim Gottes: 
dienfte vertheilt. Bei Neocorus I, 512, heißt es in einem Kiede: 


„Dre Wagen mit Tortigen, de men vor Beren 
Plegt tho brenen, ehnen tho Ehren, 

De worden nu in dreen Kerken gebrennt 

Und in den Deenfl Marien gewent.” 


Ein großer Theil der übrigen Beute wurde zur Dotation des 
Klofters, welches zu Hemmingftedt, als dem zunähft am Schlacht- 
felde belegenen Kirchort, gegründet werden follte, beftimmt. 

Die im Sreiheitstampfe gefallenen Dithmarfcher wurden als 
Märtyrer der Sreiheit geehrt. Es ward verordnet, daß alljährlich 
am Montage nach Seragefimä, auf welchen Tag im Jahre 1500 
der 17. Sebruar fiel, für die in der Schlacht und zu Meldorf 
gefallenen Landsleute Seelmefjen gehalten werden follten. 

In den nächiten Tagen nach der Schlacht wurden Laufende 
von Leichen gefallener Sußfnechte begraben. Die Keichen der 
Ritter und Edelherren aber mußten, ausgeplündert, nadt zwifchen 
den todten Pferden im Selde liegen bleiben und da verfaulen.! — 
An goldene Ritterfetten hatte man die Hunde gelegt. Alan erkannte 
das fpäter durch Zufall, wie Neocorus berichtet, indem man alte 
Hundeketten an abgejcheuerten Stellen goldigglänzend fand und 
bei näherer Unterfuchung fich herausftellte, daß diefelben nichts 
anderes waren, als im Laufe der Zeit fchwarz gewordene Aitterketten. 

Die Schlaht an der Schanze bei Hemmingftedt fand nach 
übereinftimmenden Berichten aller Ehroniften am Dujenddüwels» 
warf ftattl. Später hat man die Schanze felbft für das Dufend- 


ı Nah Reimer Kod liegen die Dithmarfcher ſchließlich auf Bitte einer 
Deputation (beftehend aus dem Prior von Ahrensböd, einem Pater von 
Segeberg und einem Pater von Bordesholm), als dody Niemand unter den 
Erſchlagenen mehr zu refognosziren war, die Bebeine der gefallenen Feinde, 
„edel und unedel”, miteinander in Maflengräbern beftatten, naddem fie ' 
ein Anfuchen des holfteinifhen Adels auf Auslieferung der Leichen der 
Edelherren abgemwiefen hatten. — Die vielen Keihname mußten den Dith- 
marfhern natürlich im Felde, wie anf Wegen, endlich unbequem und hinder- 
lih werden. 


Don 1424 bis zur Schlacht bei Hemmingſtedt — 1500. 307 


düwelswarf angefehen. Auch Eilicius, der den Namen durch 
„Cacadaemonis opus sive jactus“ überjegt, hält Warf und Schanze 
für Eins und dasfelbe und meint, der Ort habe nach der Nieder⸗ 
lage der Holfteiner und Dänen dafelbft den ominöfen Namen 
erhalten. Neocorus bemerkt dagegen, daß Lilicius, in Unkenntniß 
der Wortbedeutung, Warf und Schanze nicht unterfcheide, und daß 
die Gegend am Dufenddüwelswarf fchon feit Jahrhunderten als 
ein Ort allerlei Teufelsfpufs verrufen gewefen fei. Der Ort der 
Schlaht aber habe feinen Namen erhalten nach diefer Dictoria. 
(Anm. 3. Eilic., Neocorus I, 485.) Demnach war die Schanze 
am Dufenddüwelswarf in der verrufenen Gegend am Schweine 
moor belegen, und es ift unzutreffend, wem man fagt, daß 
diefelbe in der Nähe von Kieth belegen gewejen ſei. Johann 
Boje (Boetius, b. Weftph. IV, 1449) fagt zwar, die Schlacht 
habe nahe bei £ieth „in campo prope Lyt“ flattgehabt; allein 
das ift Fein Widerfpruch gegen andere Angaben. Die Schanze 
lag an der alten Landftraße, die von Meldorf über Dehling, 
weftlih an Hemmingftedt vorbei, über Kieth nach Heide führte, 
zwifchen der Dehling und dem Dorfe Eieth. Diefes war eine 
Ortfchaft mit eigener Seldmarf, jene nur eine Wegefcheidung. Es 
lag daher nahe, die Schanze als im Selde bei Kieth belegen zu 
bezeidnen. Wenn aber für die Schanze „bei Lieth” darauf Bezug 
genommen worden, daß in einem Liede, bei Neocorus, I, 520, es 
heißt: „Be gaff dem Lande eine wife Kehr, to Hemmpyngftede all 
vor der Doer, legget ju ein Iuttit hier under den Wall, dat juw 
nemant hier fcheten fchall”, jo ift dagegen zu bemerken, daß das 
Dufenddüwelswarf an der Dehling Hemmingſtedt nahe genug liegt, 
um in dichterifcher Darftellung den Ausdrud, „all vor der Doer“ 
völlig zuläffig erjcheinen zu laſſen. Zudem heißt es an anderer 
Stelle, Xeocorus I, 510,: „Uth AMleldorp, dree Stunden up den 
Dad, dree verendeel Weges, dar de Schlachtinge ſchach“ D 

jchließt jeden Gedanken an eine Schanze bei £ieth aus, denn auch 
bei größfter dichterifcher Sreiheit (hier im Spiel mit der Dreizahl) 

20° 


308 Dritter Abjchnitt. Dritte Abtheilung. 


würde es ganz unftatthaft fein, eine bei Kieth über Hemmingſtedt 
hinaus belegene Schanze als auf dreiviertel Weges von Meldorf 
nach Hemmingftedt gelegen zu bezeichnen. Das paßt dagegen fehr 
wohl auf die Schanze bei der Dehling. Diefe lag auf dreiviertel 
Weges von Meldorf nach Hemmingftedt, in der niedrigften Strecke 
des Weges, die noch jeßt im Winter fchwer fich des Waflers zu 
erwehren vermag und die noch vor wenig Jahren bei den Suhr- 
leuten verrufen war, fo daß es feinem Zweifel unterliegt, daß 
hier, in der Gegend des „Dufenddüwelswarfs” die Stelle des 
Teufelsjpufs am Schweinemoor war, wo Sumpflichter, Irrwiſche 
und Irrgeiſter den einfamen Pafjanten ins Derderben lodten und 
zogen, und daß das heutige Dufenddüwelswarf an der Dehling der 
„Ort“ der Schlacht ift, der „nach diefer Dictoria“ den Namen 
erhielt. Der Ort der Schanze ift aljo auch heute noch ziemlich 
beftimmt gegeben in der, als feftfiehender Lofalname auf uns 
getommenen, Bezeichnung jener Warf, in Beziehung auf welche 
es in einem hiftorifchen, wahrfcheinlich aus der, Zeit unmittelbar 
nach der Schlacht flammenden, Eiede bei Neocorus (I, 518) Heißt: 
Womwol de Name grumlidy lett, 
Dufenddümwelswerf de Stede heet, 


Dar deſſe Mordt und Schladhting ſchach, 
So hefft je geheten mannigen Dad). 


Dritte Abrbeilung. 
Don 1500 bis zum Anfange der Reformation in Dithmarfhen — 152€. 
Märtyrertod Heinrichs von Zütphen. 


Noch in der Saftenzeit desfelben Jahres 1500 erftürmten die 
Dithmarfcher die Tilenburg, von welcher aus man fie in allen 
Sehden, und auch wieder im jegigen Kriege, fehr beunruhigt hatte. 
Vach dem großen Siege bei Hemmingſtedt nahmen fie nun die 
Gelegenheit wahr, fich diefer Grenzfeſte zu entledigen. Die Ofter- 
döfft Hatte es übernommen, die Burg zu vernichten. Die Mannfchaft 
der vier Kirchfpiele Hennftedt, Delve, Tellingftedt und Alberftorf 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 309 


‘oder, wie eine andere Nachricht angiebt, Heide, zogen mit einigen 
der bei Hemmingitedt eroberten Kanonen vor die Burg und nahmen 
fie nach dreitägiger harter Belagerung mit Sturm. Die Burg 
wurde von Grund aus zerftört und das dazu gehörige Land, 
urfprünglich eine Eiderinfel, die zu Stapelholm gerechnet wurde, 
aber fpäter mit Dithmarjchen landfeft geworden, Tilenhemme, 
unter die vier Kirchfpiele vertheilt. Hennftedt legte feinen Antheil 
der Kirche bei und beftritt aus demfelben alle Kirchenausgaben, 
auch die Salarirung der Kirchenbeamten. Später wurden aus 
dem Kirchenlande zwei Marfchhöfe zu Hulpeshemme und Tilen- 
borg gebildet. Noch jetzt befigt die Hennftedter Kirche 162 Demat 
£and im Tilenhemmer Koog. Nach der Erftürmung der Tilen- 
burg fielen die Dithmarfcher ins Stapelholmer Gebiet jenfeits der 
Eider ein und brannten den Sleden Tilen, das Kirchdorf Erfde 
and andere Ortfchaften ab, zogen dann ins Holfteinifche und ver- 
"wüfteten hier vornehmlich das Kirchfpiel Hademarjchen, worauf 
fie mit reicher Beute heimfehrten. Johann Roded (Fragm. Russ. XXI) 
fagt: „A. 1500, in des Dalentini veertem Dage vor Daftel-Avende, 
up einem Mandage, was de Schlacht vor Hemmyngſtede. Dort 
darna fchoten de Ditmerfchen de Tylenborg dale und brenneten 
vele Dorpe, quemen in dat Landt to Holften und nemen veel 
Gudes.*! In der Nachricht eines Anonymus bei Ruſſe (Fragm. VII) 
beißt es: „A. 1500 in der Daften leden fi de Ditmerjchen vor 
de Tylenborg und wunnen fe, an dem drütten Dage breden je 
dat Bumwede in den Bruud und brenneden do af dat gantze Kerfpel 
to Ervede unde oc dat gange Kerfpel to Hademerfchen.” Wie der 
Zug gegen die Grenzfeſte Tilenburg, fo ift ohne Zweifel auch 
der Zug in die benachbarten Grenzfirchipiele von den Dithmarfchern 
zur Rächung von, ihnen während des Krieges von ihren Grenz⸗ 


’ Dalentini ift der 14. Februar; des Dalentini vierter Tag alfo der 
17. Sebruar. Faſtnacht fiel 1500 auf den 25. Sebruar, „Paftel-Avend” 
war alſo der 24. Februar und Montag vor Daftel-Uvend der 17. Februar, 
3er Tag der Schladyt bei Hemmingſtedt. 


310 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


nachbarn zugefügter Unbill unternommen worden. Sie ſcheinen 
damals ihre Verheerungszüge im Holſteiniſchen oft wiederholt und 
lange fortgeſetzt zu haben. Noch im Mai fiel eine Abtheilung 
der Strandmannen ins Kirchfpiel St. Margarethen ein, um der 
St. Margareth die Süße zu verbrennen, wie es hieß. Die Ein- 
wohner dafelbft Hatten fich aber in gute Derfafjung zur Abwehr 
gefeßt, felbft fremde Miethstruppen herangezogen und trieben die 
Eingedrungenen zurüd. Dieje follen etwa 80 Mann auf ihrem 
Zuge eingebüßt haben. Die Dithmarfcher waren bezüglich der 
Einfälle und der Streifzüge ins Bolfteinifche formell im vollen 
Recht, da fie ſich noch mit Holſtein und Dänemarf im Kriegs- 
zuftande befanden. Sie trugen den Krieg, den man ihnen angefündigt 
Ratte, nach dem Siege bei Hemmingftedt in Seindesland hinein. 
Der König joll zwar, als er mit dem Herzog glüdlich bei Hemming- 
ftedt entronnen war und die holfteinifche Grenze erreicht hatte, 
mit Demofthenes gefagt haben: „Der fliehende Seind wird wieder 
kommen“; allein er fam nicht wieder, und auch fein Bruder, der 
Herzog, nicht. Jener, dem von feinen Näthen gerathen worden 
fein fol, feinen Plan, ein noch ftärferes Heer, als das vorige, 
wider Dithmarjchen zufammenzubringen, fallen zu laſſen und 
nicht wieder mit den Dithmarfchern anzubinden, wurde bald in 
Streit mit den Schweden verwidelt, indem diefe, als fie vernommen, 
daß die befte Mannfchaft des Königs von den Dithmarfchern bei 
Hemmingftedt aufgerieben worden fei, aufs neue fich wider ihn 
empörten und feine Berrfchaft abzumwerfen fuchten. Sein Bruder 
$riedrich, der Herzog, aber wollte fortan überhaupt von einem 
Kriege wider die Dithmarfcher nichts mehr hören und machte dem 
Könige Dorwürfe, weil er den Krieg hauptfächlich veranftaltet habe.' 


Bei Ruſſe heißt es: 
Bartiy Frederic de fprad nu alfo: 
Koning Bans, Broder, wa radet wy nn? 
Dat Beer hefft du bruwen, 
Dat werdt uns lange rumwen. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 311 


So blieb für die beiden Kandesherren, wenn fie ihren 
Untertanen in Holftein vor den Dithmarfchern Ruhe verfchaffen 
wollten, nichts anderes übrig, als die Hand zum Srieden zu bieten. 
Durch Dermittelung der Städte Kübel, Hamburg und K£üneburg 
fam am Sreitage nach Jubilate, den 8. Mai, 1500 eine Dergleichs- 
verhandlung zwifchen den Sürften und den Dithmarfchern zu 
Bamburg zu ftande. Don feiten der Dithmarfcher waren zu 
der Derhandlung abgeordnet: Larften Holm, Elaus Marquard, 
Elaus Junge, Paul Widderich und Andere,! von feiten des Königs 
und des Berzogs aber der Bifchof Dietrich Arends von Kübed 
und die Brüder Hans und Otto Ranzau. Don feiten der ver- 
mittelnden Städte waren die Bürgermeifter Eordt Cange und 
Binrih Töbing von Lüneburg, der Bürgermeifter Johann Berke 
und der Rathsherr Hinrich Weftphalen von LCübeck, fowie die 
Bürgermeifter Larften Berfchampe, Erich van Zeven, Barmen 
Cangebeck und Detlef Bremer von Hamburg zugegen. Es ward 
denn auch ein Dergleich getroffen. Nach demfelben foll die Sache 
wegen Sollfreiheit der Dithmarfcher in Holftein, wegen deren 
Gerechtigkeit auf Helgoland, wie auch wegen der Titel und An- 
fprüche der Sürften und aller Sorderung, die zu machen fein möchte, 
gütlih vor nächften Mlichaelis von einigen holfteinifchen Räthen und 
Abgeordneten der Städte als Schiedsrichtern abgethan und, falls 
man fich nicht einige, die Sache dem gelehrten Hamburger Domherrn 
Albert Eranz oder, falls diejer vorher ftürbe, einem anderen einfichts- 
vollen Manne, den die Magiftrate der vermittelnden Städte ernennen 
würden, zum Ausfpruch unterbreitet werden. Die Tilenhemme 
fol bei Dithmarfchen bleiben und dafür ein Stück Landes jenjeits 
der Eider, an Stapelholm belegen, welches die Dithmarfcher in 
Befig genommen, wieder an die Sürften fommen. Die Eider 
folle fortan die Grenze bilden zwifchen Dithmarjchen und den 


? Earften Holm war Adtundvierziger zu Heide, Elaus Marquart zu 
Weffelburen, Claus Junge zu Hemme und Paul Widderich zu Kunden. 


512 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


fürftlichen £anden. Etwa eintretende Streitigleiten zwijchen Dith- 
marfchern und Holfteinern follen durch 16 Männer, 8 aus jedem 
der beiden Länder, am Kudswall, event. aber durch einen von 
denfelben zu beftimmenden ®berfchiedsmann, entjchieden werden. 
Der Dertrag lautet: „Wittlick jy, dat in den fchweren twiftigen unde 
witluftigen ſaken der Jrluchtigften unde Jrluchtigen Hochgebornen 
Sorften unde Heren, Hern Johann, tho Dennemarten, Schweden, 
Norwegen, der Wenden unde Gothen Konind unde Her Srederich, 
Gebrödere, Erfgenomen tho Norwegen, Hertogen tho Slegwid, 
ock tho Holſten, Stormarn ꝛc. an eynem unde den Dorjichtigen 
Manne acht unde veertig Dorwejere des landes Ditmerfchen unde 
demfulven lande am andern dele entwifchen wefende van wegen der 
anſprake, jo ere Konidlide Werde unde Sorftlide Gnade thom vor- 
icreven lande unde datjulve land wedderumme tho ere Gnaden tho 
hebbende vormeynen, twifchen den Ehrwerdigen in God Dader 
od Erbaren unde Seftrengen, Duchtigen, Kern Dideride, Bifchoppe 
tho £ubede, Here Ötten Rantzowen, Rittern, unde Hans Rantzowen, 
‚gebrödere, alfe gefchideten der gemeldten Sorften, unde de Erfamen 
Carjten Holm, Llawes Marquart, Llawes Junge unde Pawel 
Widericke, mit den anderen eren byftenderen unde medegeſchickten 
Sendebaden des vorfcereven landes Ditmerfchen, dorch de Erfame 
Heren Rades-Sendebaden der Stede Cubecke unde £unenborch, by 
"namen Here Johann Berge, Borgermefter, unde Here Hinrid 
Weftfalen, Rathmann tho £ubede,; van Kuneborch Bere Lordt 
Cange unde Here Hinrick Töbing, Borgermeftere mit thodat der 
Erfamen Heren Borgermeftere tho Hamborch, alfe Bere Carſten 
Berfchampe, Here Eride van Zeven, Bere Harmen Eangenbede unde 
‚Bere Detlev Bremer, als fruntlide Myddeler dartho, umme fchaden 
Iunde vorderff deſſer lande tho vormidende, funderliden gefchidet 
unde geföget, Handel, vorlath unde byſpracke ys geweſen in mathe 
und geſtalt, wo hierna folget. Interſte, ſo de gemeldte Detmerſchen 
vorgeven, ſick beklagende van wegen ere privilegien uppe de 
‚tollen im lande tho Holften unde anderen enden, ock Segelen unde 





Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 313 


breven, enen van den vorfcreven Sorften, erer Gnaden olderen und 
Dorfaren milder Gedachtniſſe gegeven, darinne fe vorkortet fcholden 
mwefen, ys vorlaten unde belevet, dat fodanes alle famtliden 
by etwelden Rederen deſſer Iande tho Holften unde up de Reder 
der Stede Kubede, Hamborch unde E£uneborch im geliden talle, 
alfe fruntlicken fchedesrichteren, daroper myt deme erften, fo men 
vorgeliceft famen mag, alfe twifchen dyt unde Michaelis fchirft 
fomende, tho erlfennende gejat ſy. Darnechſt fe, de gemeldten 
Ditmerfchen, fi beflagen, in eren olden vryheiden, rechticheiden 
unde gewonheiden,’ uppe Hillige land gehat, vorfortet weren, vs 
belevet unde vorlaten, datjülffte uppe de vorfcreven Rede der 
Stede myt famt etwellen Reden des vorfcreven landes tho Holiten 
in gelidem talle tom vorgerörten Dage tho erfennende tho ftellen, 
jedoch fo de vorfcreven Rede unde fchedesrichtere allenthalven 
nicht over eindragenfonden, fundern im fchedende witlofftig worden, 
ys belevet, den Werdigen unde Hochgelerten Heren Mefter Albert 
Kranß, in der H. Scrifft unde geftliden rechte Doctor, vor eynen 
overichen fchedesrichtere in deſſen artideln anthonemende, unde 
welferem parte he alſe denn byfallt unde byplichtende wert, darby 
ſtede unde gangliden tho biyvende. So od gebörete na Bades! 
willen, dat gemeldte Mefter Albert che der tyd de gemeldte 
artickel, wo vorgerört, gejcheden worde, in Bade vorftorve, alje 
denne ys bewilliget unde belevet van den gemeldten fchederen der 
Stede eynen anderen drepliden averigen fchedesrichtere tho Tefende. 
Ock na deme Ye vorfjcreven Ditmerfjchen fi beflagen. van der 
landfcheyde der Eyder, dar doc; de gemeldte Sorfte eyn part 
landes an der gemeldten Ditmerfchen land grengende gehat, welkes 
de vorbenomeden Ditmerjchen myt gewapender hand unde her 
fhilde gewonnen fcholen hebben, unde an der anderen fiden na 
dem Stapelholm od eyn part landes hebbende, pormeynende, dat 
andeel der Sorften an erem lande gelegen by ſick tho beholdende 
unde dat de Eyder darvon de rechte landſcheyde ſyn mochte, ys 
bevolbortet unde belevet eyndrechtigen van beyde parten, dat de 


514 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Eyder der vorgerörten lande de rechte Iandfcherde ſyn unde biyven 
fchall, unde wat van dem vorjcreven lande an der Detmerfchen 
lande grenget fchall darby blyven, wat od over der Eyder liggt, 
Schall wedderumme by den Sorften biyven. Jedoch umme der 
beteringe der vorgerörten parte landes ys eyndrechtigen geftellt 
unde gefettet by de Rede der Stede darover, welter part dem 
andern unde wat men nawegen fchall, erfenntnifie tho doende. 
So denne od in der Hilligen Kander reife, ummetrent dree jare, 
effte darby, vorleden, unde od in deſſer jegenwordigen Deyde unde 
Irringe etwelde fangene van beyde fiden afgrepen ſyn, vs bewillet 
unde belevet eyndrechtigen, defulfften quit tho fcheldende der gefenfnig 
tho entloßende unde tho vorlatende.e. Dortmehr ys befprafen, 
dat alle andere klage, fchelinge unde thofprafe, alje van wegen 
des tituls unde de anfprafe, fo ere Gnaden thom vorfcreven lande 
tho hebbende vormeynen, dergelicken. alle mord, roff, dodtichlag, 
brandfchattinge unde owerfahringe, dem vorgerörten lande unde 
den Ditmerfchen, fo fe fit bellagen, boven ere des rechtes erbedinge 
gejcheen unde wedderfahren,.: unde alje wedderumme, mit all 
demjennen, daruth entjpraten unde anneflevet, gängliden unde all 
van jewelken der gemeldten Sorften, Heren unde Srunde tho dem 
vorgerörten Dage, des tollens unde Billigelander ſake halven 
beramet, tho nemende unde dar tho de vorjcreven Rede geftellet 
vs, tho erfennende. Darmede denn alle vorwahring, veyde, vyent- 
jhop unde unwille twifchen den parten vorgerört, od beyder parte 
freunden und vorwandten, allenthalven der vorgerörten ſaken 
halven gejcheen unde erwafjen jennigerley wyſe fchall gängliden 
unde vollentlomen afgedaen unde reddergeleggt, od furder alle 
ding? twifchen denfulven parten upp erfenntnifje des vorfcreven 
tituls, anfprafe unde fchadens halven tho befcheende rowfam unde 
unporfänglid upgenamen unde vorfatet wefen. Wer et averft, 
dat jodane erfenntniffe, porgerört, dat God doch nicht en mille, 
nicht en fchege, vs bewillet unde belevet, alsdenne der vorgerorten 
| effte ander faten halven myt macht effte gewalt tegen den andern 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 315 


nichtes vorthonemende, fundern an gebörliden enden rechtes tho 
gebrudende unde darna genögen tho latende.. Ock ys bemwillt 
unde belevet van beyden parten, dat wanner jenniche twiedracht 
effte unmwillen twijchen etwelde Ingejeten des landes Det— 
merfchen unde den Holften entftunde, idt were welderley wyſe 
dat fyn mochte, dat alsdenn achte perfonen van guden mannen 
uth dem lande tho Holften unde oc achte perfonen uth dem 
lande Detmerfchen dartko funderlides gefoget up de grente 
der lande, befchedentlifd am Kudswalle, darumme wanner unde 
wo vaken des van nöden ys, fchölen thofamende komen, 
umme fodane twiedracht unde unmillen in fruntfchopp, effte fe 
mögen, by tho leggende, edder im rechten tho fchedende.. Wenn 
aver de vorgerörte foßteyn perfonen ſick darover nicht Tonnen 
voreynigen, ys belevet, dat je jamptliden eynen overmann un: 
partilid tho fick keſen unde nemen fchölen unde fodane twiedracht 
unde unmwillen, wo vorgerört, in fruntichopp effte myt rechte tho 
fchedende. Doch fchall deſſe artickel gemeldten Ditmerfchen an eren 
breven unde inholte derfulfften nergens an thom vorfange effte 
nadeel fyn, utgenamen de articel, wo boven gefcreven. So dyt 
beyde parte vorgerört in jegenwordicheyt der gemeldten Heren 
Rades:Sendebaden eyndrechtigen unde myt oryen willen hebben 
bewillet, bevollbordet unde belevet. Tho orkunde der warheyde 
unde merer federheyde ſyn defjer breve dree, eynes ludes, twee by 
beyden parten vorgerört unde de drütte by dem Erfamen Rade 
tho Cubecke in vorwaringe fynde, myt des Erfamen Rades unde 
der Stadt Hamborch Secreten unde darbenevenft des vporfcreven 
Heren Johann Bergen, Borgermefter tho Cubecke, Inſegel, des ick, 
Eordt Lange vorgerört, umme entberinge wynes eygenen Infegels, 
umme dytmal hiertho mede gebrudt, thor witlicheyt, umme — 
parten vorfcreven fiytiger unde fruntlicher bede willen, vorſegelt. 
Des wy Dirick, van Gades Gnaden Biſchopp tho Cubecke, Otto 
Rantzowen, Ritter, unde Hans Rantzow, gebrödere vorgerört, van 
wegen der gemeldten unſer gnedigſten unde gnedigen Heren, oc 


1 





316 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


arften Holm, Elawes Marquardt, Elawes junge unde Pawel 
Widerick myt fampt den anderen unfern byftenderen unde mede- 
gefchidten Sendebaden van wegen des gemeldten unfers landes 
fo thoftaen unde befennen. Gefcheen unde vollentagen bynnen 
Jamborch uppe dem Radthuſe, nha Ehrifti bort unfers Heren im 
offteynhundertften jare, am vrydage na Jubilate.” (Neoc. I, 527, 

eftph., 1772.) Die in diefem Dertrage beftimmte Sufammentunft 
vor dem nächften Mlichaelistage erfolgte nicht. Die Kriege, in welche 
der König Johann mit Schweden gerieth, lenkten die Aufmerkſamkeit 
von diefer Sache ab. Der gegenfeitige Groll zwifchen den Sürften 
und den Dithmarfchern dauerte fort. Die feindfelige Gefinnung jener 
gegen dieje trat bald wieder hervor. Namentlich wird 1506 den 
Dithmarjchern in Holjtein wieder Soll abgefordert. Die dith- 
marfcher Candesverſammlung befchliegt dagegen, daß hinfort jeder 
Ditkmarfcher, der in Bolftein, Nordftrand, Eiderftedt oder Hujum 
den Soll erlegen würde, in eine Strafe von 60 Mark Lübfjch ver- 
fallen fein ſolle. Die verzollten Waren werden für Sreigut erklärt, 
das Jedermann ſich aneignen Fönne, ohne dafür irgendwelchen 
Erfaß leiten zu müſſen. Wenn des verweigerten Zolles halber 
Jemandem jeine Güter abgenommen würden bei den Sollſtätten, 
fo folle er fich an den Nehmer (die fürftlichen Sollbeamten) halten 
und bei demfelben zutaften, bis er feinen Schaden erjegt habe. 
Dabei folle er dann auf den Beifall und die Unterftüßung des 
£andes mit Sicherheit rechnen Fönnen. (£andr. Art. 242, 243.) 
Inzwifchen vergaßen die Diffmarfcher ihres Gelübdes, aus der 
Kriegsbeute von 1500 ein Klofter zu Hemmingftedt zu gründen, 
nicht. Im Jahre 1503 erlangten fie vom Papfte die Stiftungs- 


urfunde. Das Klofter ward im Süden der Kemmingftedter Kirche ' 


hergeftellt, zunächft nur ein einfacher Holzbau. Ein Jungfrauen« 
fofter follte es fein. Die dithmarfcher Jungfrauen hatten aber 
feinen Sinn fürs Klofterleben. Es fanden fih feine Nonnen. 
Endlich nahmen einige ältere Seldarbeiterinnen („rusticanae mulieres“, 
hier nur ganz unpafjfend „Bäuerinnen“ zu überfegen) im Klofter 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 317 


Aufenthalt, kehrten fih aber an feine Klofterregel, wurden den 
Klofteroberen „ärgerlich“ und liefen bald wieder fort. Das ITonnen- 
tlofter blieb dann leer fiehen. — Am Sonntage nach Oſtern 1506 
ichloffen die Dithmarfcher aufs neue mit den Lübedern ein Hülfs- 
bündnig auf vier Jahre. Der Dertrag ift im wefentlichen eine 
wörtliche Wiederholung des Dertrages von 1468. In eben diejem 
Jahre, 1506, ftarb Wolf Jfebrand. Er wurde feinem Wunjche 
gemäß in der Schanze am Dufentdüwelswarft beerdigt, unter 
Cheilnahme des ganzen Landes. 

Im Jahre 1508 fam es zu inneren Sehden im Lande, Ein 
zu Blankenmoor im Kirchfpiel Neuenkirchen im Dienfte ftehendes 
Mädchen aus Cunden hatte die weibliche Ehre verfcherzt. Peter 
Swyn aus £unden und Bojen Herring aus Slehde zogen deshalb 
aus, den ihnen zugefügten Schimpf zu rächen. Es ift aus den 
Nachrichten der Ehronijten nicht zu erjehen, ob jene Beiden als 
Geichlechtsgenofien oder als Kirchfpielsgenoffen des Wlädchens 
handelten, doch ift leßteres wahrfcheinlih. Das Kirchfpiel Eunden 
fcheint mit dem Gefchlecht, refp. der Samilie der Gefallenen 
gemeinfchaftliche Sache gemacht zu haben, weil das Mädchen, im 
fremden Kirchfpiel nicht nur, fondern auch in fremder Döfft 
weilend, böswillig von Gegnern der Kundener, die dieſen die 
Schande gönnten, der Hand des berufenen Rächers, „des nächfien 
Sibblodes*, entzogen ward. Die Rächer legten Seuer an die 
Scheune, in welcher die Gefallene mit ihrem Kinde herbergte, 
und verbrannten in und mit derfelben Beide, das Mädchen und 
das Kind. Das Mädchen hatte feine gebührende Strafe erlitten: 
die Schande, welche ein Mädchen durch Derrath an der eigenen 
weiblichen Ehre der Samilie und dem Gefchlecht zufügte, wurde 
rechtlich nach altgermaniihem Brauch durch Ausrottung des 
ehrlos gewordenen Gliedes der Gemeinfchaft gefühnt. Das 
unfchuldige Kind dagegen war rechtlich gefchüßt. War der Dater 
desjelben unvermögend, fo mußte das Befchlecht für die Unter- 
haltung und Erziehung forgen. (Eandr. I, 8 224.) Die Eundener 


318 Dritter Abfchuitt. Dritte Abtheilung. 


waren aljo in ihrer Erregung zu weit gegangen und hatten wider 
Recht am Leben des Kindes fich vergriffen. Dazu hatten fie in 
fremder Döfft Mord und Brand geübt, in die Jurisdiltion Anderer 
gewaltfam und feindfelig eingegriffen. Daher erregte ihr Dorgehen 
großen Unmwillen, vornehmlich in der zunächſt betheiligten Wefter- 
döfft. Die Kirchfpiele diefer Döfft und die Nachbarfirchipiele 
Heide und Hemmingftedt boten Mlannfchaft auf, um die Cundener 
mit gewaffneter Hand zu überziehen. Unter Sührung von Schöters 
Maes rüdten die Wefterdöffter mit Gefchüg gegen Cunden aus.! 
Die £undener hatten bei Hemme, wahrfcheinlich an der Hamme, 
die dem Orte den Namen gegeben, Pofto gefaßt. Die Gegner 
geriethen hier aneinander. Es wurden Mehrere auf beiden 
Seiten durch Geſchoſſe verwundet. Unter Anderen erlitt hier ein 
Prediger aus Neuenkirchen eine fchwere Derwundung, indem ihm 
auf dem Kemmer Kirchhofe ein Bein abgefchoffen ward, infolge- 
defien er bald nachher ftarb. Die Wefterdöffter konnten bei 
Hemme den Durchzug nicht erzwingen und juchten dann auf einem 
anderen Wege vorzudringen. Aber bei Slehde wurden fie von 
den Kundenern und den Bfterdöfftern, die zur Hülfe der Lundener 
fih aufgemacht hatten, in fefter Stellung erwartet. Beiderfeits 
wurden Diele verwundet, Doch blieben nur zwei Mann auf dem 
Dlage. Die £undener behaupteten auch hier ihre Stellung. &s 
wurden Derhandlungen eingeleitet, und durch Peter Detlefs aus 
Delve und Bojen Elaus Maes wurde zwifchen beiden Parteien 
ein Dergleich zu ftande gebracdt.! Die Wefterdöfft hatte nichts 
erreicht. Peter Swyn und Bojen Berring aber fcheinen durch 
ihre That fich das Gewiſſen befchwert zu haben. Beide nahmen 


ı Bei Bolten (III, 195) heißt der Führer „Schröters Mars"; allein 
Ueocorus nennt ihn Scöters Maes. VNach fpäteren Berichten aus der 
Seit Heinrihs von Sütphen zu urtheilen, war Schöters Maes Dogt der 
Wefterdöfft. 

! Deter Detlefs war Adytundvierziger, Bojen Claus Maes wahrfcheinlid, 
der Sohn eines Adytundvierzigers, des Bojen Elaus zu Weffelburen 
(Süderdeidh). 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 319 


1916 Ablaßbriefe von dem bekannten Ablaßfrämer Acimbold, und 
Deter Swyn wallfahrtete 1522 auf feinem eigenen Sciffe nad 
St. Jago in Spanien, wohl nicht, wie man angenommen, wegen 
des erfchofjenen Priefters — der hätte daheim bleiben fönnen —, 
jondern wegen des verbrannten Kindes. Auch durch Earften Holm 
wurde in diefer Zeit mancher Zwift erregt. Als 1509 der Krieg 
zwifchen £übec und dem Könige Johann von Dänemark ausbrad, 
begab ſich ein Goldfchmied aus Lübed, Joſt Jacobs, nach Dith- 
marjchen und trieb auf der Eider Kaperei gegen dänifche Schiffe. 
Es ward ihm das von den Achtundpvierzigern unterfagt. Carſten 
Holm aber, einer der Achtundpvierzig, der mehrere andere Achtund- 
vierziger, als Claus Johann zu £unden und Kütle Weyer, auf 
feine Seite gebracht, veranlaßte es, daß feinem Treiben nachgejehen 
wurde. Der Kaperer beunrubigte dann auch neutrale, felbft dith- 
marfcher, Schiffe. Auf dieferhalb eingelaufene Bejchwerden und 
Klagen entftanden große Bewegungen im Lande. Mehrere Landes 
verfammlungen wurden gehalten. Das Baus des Carſten Holm 
zu Heide ward in einem Dolfsauflaufe niedergerifien. Endlich 
berief man eine Derfammlung des Kandes nach dem Plaße der 
alten Stellerburg auf den 29. Juli, den zweiten Tag nad 
St. Panthaleon, 1510. Hier wurde über das Derfahren der 
Achtundvierziger erfannt, und der Befchluß des Landes ging dahin, 
daß die Achtundvierziger des Amtes entfeßt wurden. Dazu ward 
ihnen eine flarfe Geldbuße auferlegt. — Dielleicht aber find nur 
die eigentlich Schuldigen der Achtundvierziger von diefem Kandes- 
befchluß betroffen worden. Uebrigens fcheinen die Dithmarfcher 
weiter feinen Theil genommen zu haben an dem Kriege der 
£übeder mit Dänemark. Doch befchloffen fie unter den damaligen 
Unruhen im Jahre 1511, Meldorf zu befeftigen — wohl ein 
Sehlgriff, der eine Zerfplitterung der Kräfte bedingte. In dem- 
jelben Jahre, am 4. Dezember, war der Erzbifchof von Bremen, 
Johann Rode, geftorben und fein bisheriger Hoadjutor, Prinz 
Ehriftoph von Braunfchweig, war auf den erzbifchöflichen Stuhl 


320 Dritter Abichnitt. Dritte Abtheilung. 


gelangt. Die Dithmarfcher überjandten durch Peter Swyn und 
Llaus Junge dem neuen Erzbijhof das üblihe „Willkomm“, 
beftehend in fünfhundert alten Marken, die fich damals auf 
3355450 4% beliefen, und nahmen die Belegenheit wahr, fidh ihre 

alten Gerechtigkeiten ausdrüdlich beftätigen zu laffen. — „Dan Bodes | 
Gnaden Wy Ehriftoffer, der hilligen Kerken to Bremen und des 
Stichtes to Derden confirmerede Adminiftrator, Hertoge tho Bruns: 
wid unde Künenborg, bekennen unde betugen apenbar in unde 
mede defjem unfen apenen unde vorjegelden brefe,! dat Wy hebben 
entfangen gude entrichtinge des landes Ditmerjchen van den Erfamen 
unde befcheiden Peter Schwien, Clawes Junge, mit eren byjtendern 
unde anderen gejchichten der vifhundert older Marcke, de fick be- 
lopen drehundert dre unde dortich Mard, viff Schilling, veer 
Penn Lübiſch, fo fe eynem ißlicfen niegefaren unde confirmereden 
Erbtbifchopp to Bremen plichtig fin na older wyfe unde gewonde, 
dar Wy fe van quiteren in deflem Unſem breve.” Ock confirmeren 
unde beftedigen Wy fe in aller Gerichte unde Gerechticheit, fo je 
van Unſem Stichte tho Bremen hebben gehatt. Wy millen effte 
gedenden fe oc nicht mehr effte hoger befchwerende, alfe gewontlich. 
Defies to orfunde hebben Wy Unfe Infegel witlicken doen hangen 
an defien breff. Datum in Unfem Schlote Derden, im jare nha 
Ehrifti gebort dufent viffhundert unde twolve, am dage der 


: Dorfegeld ift hier beglaubigt — es ift hier alfo nicht etwa, weil 
der Brief ein offener, unverfegeld zu lefen. 

* Die Lübſche Mar? war in verfchiedenen Zeiten verfchiedenwerthig. 
So hatte diefelbe 3.3. 1325, als die damals noch unter Botmäßigfeit hol- 
fteinifher Grafen ftehende Stadt Hamburg die Münzgeredtigfeit erhielt, 
5 £oth ı Grän an Werth, d. i. nach dem fpäteren preufifchen Chalerfuß 
etwa 4°/ Thaler. 1350 war der Werth einer Marf 4 £oth ı Grän, 
1375 3 £oth ı Grän, 1390 4 Koth ı Grän, 1403 wurden 4°/s Marf 
Scillinge zu 12'/2 £oth gerechnet, 1411 gingen 6'/ı Marf auf 10 Koth, 
1435 wog die Mark 2 Loth 11 Grän, 1445 wog fie 2 Loth 5 Grän, 
1468 dagegen ı Loth 1'/ Grän. 1506 ſchloſſen Lübeck, Hamburg, Lüneburg 
und Wismar eine Münzfonvention und ließen die erften Marfftüde „ins 
feine 16 Loth“ fchlagen mit der Umjchrift: Moneta nova Lubecensis (refp. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 321 


Hemmelvart Ehrifti”, lautet die ihnen vom Erzbifchof dieferhalb | 
ertheilte Quittung. Auch esneuerten fich jet die Streitigkeiten mit 
Bamburg. Wie es fcheint, war die Sache wegen der in dem 
Auflaufe zu Hadeln 1499 erfchlagenen Dithmarfcher immer noch 
nicht ins Weine gebraht. Es wurden 1512, act Tage vor 
Faſtnacht, zu Hemmerfiel zwei Schiffe wider Hamburg ausgerüftet. 
Allein die Hamburger waren wachfam. Sie verrammelten die 
Chore, als die Dithmarfcher landeten, und nahmen auch 25 der 
£ebteren gefangen. Zur Dergeltung fielen dann die Hamburger 
wieder die Dithmarfcher Küfte an, und gegenfeitige Plünderungs» 
züge waren die Solge, bis die Unruhen durch Cübecks Dermittelung 
geftillt wurden. — 1515 wurden die Dithmarjcher vom Erzbifchof 
wegen einer Türkenſteuer nach Stade gefordert. Die Achtund- 
vierziger ordnen den Landeskanzler nach Stade ab, um mit dem 
Erzbifchof und dem Kapitel wegen diefer Sache zu verhandeln. 
Sie verftanden ſich dazu, 1000 Gulden als Beitrag zu fteuern. 
Im felben Jahre leifteten die Dithmarfcher dem Grafen Ebard 
von Gftfriesland Hülfe wider die Herzöge von Braunfchweig und 
den Grafen Johann von Oldenburg, die im Jahre vorher das 
Budjadinger Fand! eingenommen hatten. Weil fie die Hülfe wider 
ausdrüädliche Befehle des Kaifers geleiftet hatten, verftelen fie auf 
eine Zeitlang in die Reichsacht. — 1516 wenden fih die Dith- 
marfcher an den Papft wegen ihres Nonnenkloſters zu Hemming- 


Hamburg-, Luneburg-Wismariensis) 1506, anf der einen Seite, auf der 
anderen: Status Marie Lubecensis oder nur Lubecensis. Diefe geprägten Marf 
follen nad Dalentin Heins die fpäteren Sweimarfftüde gewefen fein. Da 
jedoch die Lübſche Mar? nah dem Laut der obberegten Urkunde gleich 
1'/s alte. Marf war, fo muß jene einen höheren Werth gehabt haben, als 
die hamburgifche, refp. lübfche Doppelmarf der fpäteren Seit. „Alte Mark“ 
ift wohl eine Mar? aus der Zeit furz nach 1227. Damals war die Münze 
nach Berichten der Chroniften fo gut, „daß ı2 Pf. befier waren, als eine 
Mar? Silber“. (1 Marf = ı6 Loth A 18 Grän oder — 12 Pfenning 
à 24 Grän.) 

I Sutjadingen — buten der Jade. SFriefen binnen der Jade und 
buten der Jade wurden unterfchieden. nr 


— 


Dithmarſcher Geſchichte. F 21 


322 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


ſtedt. Der Papft löſt fie von dem Gelübde, welches fie in Abficht 
diefes Klofters gethan hatten, und erlaubte ihnen, ein neues 
Sranzisfaner-Klofter im Lande anzulegen. 1517, den 25. April, 
wurden die Mönche bereits in das neue Kloſter zu Eunden ein- 
geführt. Die Errichtung des Klofters hatte vielen Widerftand 
gefunden, nicht nur bei dem Hamburger Dompropft, Joachim 
Kliging, der die Einwilligung dazu verweigert hatte, fondern auch 
im Lande felbft, und einem eifrigen Beförderer derfelben, dem 
Magifter Nicolaus! zu Weflelburen, das Keben gekoſtet. Das 
Demmingftedter Klofter ward niedergeriffen. 

Jm Jahre 1515 war der König Johann von Dänemarl 
geftorben und fein Sohn Chriftian II. auf den Thron gelangt. 
Die Dithmarfcher Hatten auch zu diefem nicht viel Dertrauen 
bezüglich feiner Geſinnungen und Abfichten gegen fie. Die Er: 
fahrung hatte es genugjam gezeigt, daß mit der Herrfchaft über 
Bolftein auch die Begierde nach dem Befig des Dithmarfcher- 
landes von den Schauenburgern auf die Oldenburger übergegangen 
war. Als der König Ehriftian 1517 mit anfehnlicher Macht 
aus Schweden zurüdziehen mußte, beforgten fie, daß er die 
zufammengezogenen Truppen zu ihrer Befehdung verwenden 
möchte, und zogen aus zur Landhöde. Es foll der König auch 
willens gewefen fein, etwas wider Dithmarfchen zu unternehmen. 
Weil aber die Dithmarfcher auf dem Poften waren, fonnte an 
einen Meberfall nicht wohl gedacht werden, und die beforgten 
Seindfeligfeiten unterblieben.? Don der Spannung, welche zwifchen 
den Dithmarfchern und den Holfteinern immer noch andauerte, 
zeugt ein £andesbeihlug vom Jahre 1518, wonach bei Strafe 








! Der Dater des M. Nicolaus wird in einer Aufzeihnung eines der 
erften Infaffen des Eundener Klofters, Johann Ulfen, aus dem Jahre 1517 
„Jordens Johann in Suerdick* genannt. 

’ Reimer Kod bemerft zum Jahr 1517: „haben die Dithmarfcher 
Heerſchau gehalten, Meldorf befeftigt und das Waſſer der Mile darum 
geleitet". Sie mögen Meldorf wohl noch verftärft haben. 


* 
r 
⸗ 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 323 


von 100 rheinifchen Gulden hHinfort feine holfteinifche Alünze 
mehr in Dithmarfchen angenommen werden foll. Nur die Münzen 
der Städte Lübed, Hamburg, Lüneburg und Bremen follen im 
Lande gangbar fein. (Art. 226 des Kandrechts.)! Diefes Derbot 
holfteinifcher Münze war bei der geographifhen £age Dith- 
marfchens um fo eher durchführbar, als die Handelsbeziehungen 
des Landes vornehmlich auf die Hanfeftädte gerichtet waren und 
man mit Holftein weniger in Derfehrsverbindung ſtand. Beſſer, 
als mit den holfteinifchen Landesherren, war das Derhältniß mit 
den Hanfeftädten. Namentlich mit Lübed wurden freundfchaftliche 
Beziehungen unterhalten. 1520, am Sonntage Judica, ward 
das alte Bündnig mit den Lübedern auf die Dauer von adıt 
Jahren erneuert, mit der Beftimmung, daß dasjelbe den Der- 
einbarungen zwifchen £übel und den gemeinen Banfeftädten 
unfchädlich fein und den wendifchen Städten der Beitritt 
zu Ddemfelben offen ftehen folle. Im übrigen lautet das 
Dertragsbündnig, gleich demjenigen vom Jahre 1506, dem 
Bündnife vom Jahre 1468 durchaus fonform.? Im Jahre 1523, 


ı In Dithmarſchen felbft find feine Münzen geprägt worden. Man 
rechnet hier nad Lübſcher Währung, gleichwie die hanſeſtädte. „Lübecker 
Geldt geit dorch de ganze Welt”, hieß es damals. Es war fein Bedürfnig 
zur Ausübung der fog. Münzgerechtigkeit vorhanden, und mochte diefe daher 
den Neihsftädten und Neichsfürften überlaffen bleiben, die durch diefelbe 
ihrer Eitelfeit fröhnten und das Derderben mehrten, über weldes ſchon 
Agricola Klage führt. — „Hadden wy alle einen Lowen, Godt unde den 
gemeinen nutt vor oghen, guden frede unde recht gerichte, eine ellen, mate 
unde gewicdte, eine münte unde gudt geldt, fo fund et wol in aller 
welt”. 

° In der Unterfertigung weicht die Dertragsurfunde von der von 1468 
darin ab, daß „Doghede, Hadesperfonen, Adchtundvertig Dorwefer und 
Slüter des ganzen Landes Detmerfch” mit Dullbort des Landes hier unter- 
zeihnen, während in der Urkunde von 1468 „Dogede, Sluter, Sworen, 
Radtgever und dat gantfe gemeine landt Detmerfchen”“ als Dertrag- 
fhließende genannt find. — Inhaltlich ift nur die Beflimmung nen hinzu- 
‚ getommen, daß den wendifchen Städten der Beitritt freiftehen folle. — 
Die „wendifhen Städte” find die Oftfee-Hanfeftädte. 


21° 


524 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


als dem König Ehriftian II. von feinen Unterthanen der Behorfam 
aufgefündigt worden und fein Dater-Bruder Sriedrich, dem bisher 
die Herrfchaft über einen Theil von Holftein und Schleswig ein- 
geräumt gewefen mit dem Titel eines Herzogs, und der nach 
feiner Nefidenz, Bottorp, Herzog von Holftein-Gottorp genannt 
wurde, zur Sicherung feines Anrechtes auf die Königsfrone ftarfe 
Kriegsrüftungen betrieb, entftand dieferhalb eine große Bewegung 
in Dithmarjchen. Ein Eingefeffener zu Hemme, Hans Denders 
Deter, hatte aus Huſum die Nachricht mitgebracht, daß der König 
von Dänemarf, der Herzog Sriedrich und der Bifchof von Schleswig 
fih zu Bufum eingefunden hätten und bei Bösbüll übers Eis in 
Dithmarſchen einfallen wollten. Dieje Nachricht ließ er am Sonn- 
tage Seragefimä im Lande verbreiten. Unverzüglih wurden in 
verfchiedenen Kirchfpielen die Sturmgloden gezogen. Die Kirchfpiele 
£unden, Hemme, Neuenkirchen, Wefjelburen und Büfum traten 
eiligft zufammen und erjchienen am felben Tage um 12 Uhr in 
voller Rüftung zu £unden, um den Seind abzuwehren. Allein, 
es ftellte fich heraus, daß die verfammelten Truppen nach Jütland 
aufgebrochen waren, und man fonnte dann ruhig wieder aus- 
einandergehen, nachdem man zwei Tage zu Lunden fich verweilt und 
davon 1100 Mark Koften gehabt hatte. Elaus Nanne und Boje 
Nannen Llaus waren auf jene Nachricht fogleich nach Stapelholm 
gefandt, um Kundfchaft einzuziehen, und als diefe hier nichts Be- 
ftimmtes hatten in Erfahrung bringen fönnen, war Roden Elaus! aus 
Niefeld (St. Annen) zu Pferde nach Hufum und Slensburg abgeordnet 
und durch ihn dann der Sachverhalt in Erfahrung gebracht worden. 
Um ähnlichen Dorfommniffen zu begegnen, wurde durch Peter 
Swyn die Derordnung ausgewirft, daß ein Einheimifcher, der folche 
lofe Gerüchte ausftreue, fein Leben mit 100 Mark Iöfen, ein 





! Deter Nann, Peter Swyn und Elaus Roden werden zu der Seit als 
Adytundvierziger zu Lunden genannt. Der hier genannte Claus Nann ift 
wohl der Sohn Peter Vanns, der nacdherige Jerufalemsritter; Boje 
Nannen Claus vielleiht Peter Nanns Brudersfohn. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 325 


Sremder in dem Salle zum Seuer verurtheilt fein, hingegen Der- 
jenige, deſſen ertheilte Nachricht begründet gefunden werde, lebens- 
lang verforgt, und deshalb Jeder, der dergleichen Nachricht verbreite, 
bis nach eingezogener Erfundigung angehalten werden folle. 1523 
fchien fi} das Derhälnig zu den Nachbarn befler zu geftalten. 
Herzog Sriedrich von Holftein-Bottorp, der, nach Chriftians II., 
feines Oheims, Entthronung zum König gewählt, zur Behauptung 
des dänifchen Thrones fich nun nach Derbündeten umfehen mußte, 
fchloß mit CLübeck einen Dertrag. Die Lübeder, welche die alte 
Abneigung der Dithmarfcher gegen den Herzog fannten, machten 
dabei jedoch den Dorbehalt, daß, wenn der Herzog mit den Dith- 
marfchern in Krieg geriethe, fie nicht gehalten feien, ihm beizu- 
zuftehen. Durch folchen Dorbehalt im Dertrage mit den Lübeckern 
mag der Herzog veranlaßt worden fein, den Abſchluß eines Bünd- 
niffes mit den Dithmarfchern mit Eifer zu betreiben, damit diefe 
nicht die Partei des unglüdlichen Königs Ehriftian II. gegen ihn 
ergriffen. Am Dienstage nach Palmarım, den 31. März, kam 
zwifchen ihm und feinem Sohne, Ehriftian III., einerfeits und den 
Dithmarfchern andererfeits ein Dertrag zu ftande. Nach demfelben 
fol aller Swift vergefjen fein, der bisher obgewaltet, und die Soll- 
freiheit der Dithmarfcher in Bolftein und Schleswig ungekränkt 
bleiben. Es follen beide Theile bei einander ficher handeln und 
wandeln und Streitigkeiten zwifchen denfelben durch acht holfteinifche 
Adlige und act Dithmarfcher an der Grenze zwifchen Bolftein 
und Dithmarfchen, nämlich am Kufswall oder am Bolitengraben, 
entjchieden werden. Die beiden Sürften gelobten den Dithmarfchern, 
ihnen ihre alten, von vorigen holfteinifchen Landesherren in Holftein 
eingeräumten Privilegien zu gewähtrleiften, gleich als ob diefelben 
wörtlich in gegenmwärtigem Dertrage aufgeführt ftänden, und fie, 
die Dithmarfcher, bei ihrer beider Kebzeiten nicht zu befehden. 
Schließlich verfprechen beide Theile einander Schuß und Hülfe 
wider ihre beiderfeitigen Seinde. Insbeſondere follen die Dith- 
marfcher dem Zuge fremder Völker von der Stör bis zur Eider 


326 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


wehren. Diefes merkwürdige Schuß. und Trußbündnig zwiſchen 
den fürften von Dänemark⸗Holſtein und den Dithmarfchern lautet: 

„Wy Frederick unde Ehriftian, van Bades Önaden Erfnamen 
tho Norwegen, Bertogen tho Schleswid, Holften und Stormarn, 
Grafen tho Oldenborg und Dellmenhorft, doen hirmit apenbar 
belennen vor Uns fammtliden unde befonderen, por alje weme, dat 
wy alſe Ehriftlide Sorfte by Uns betrachtet unde befonnen, wo uth 
eyniicheit unde fruntlifer naburfchop der Sorftendome, Stede unde 
Lande bi einander gelegen, dem Allmechtigen Ehre unde Loff, den 
Ingefeten derfulften Sorftendome unde Lande nutticheyt, diee unde 
frame erwafje; demna, umme vormidinge uprors, unmwillen und 
Ehriftliden blodes verftortinge, hebben wy upgemeldte $orfte, 
fammptlicten unde befunderen, de tydt unſer beyder Ievendes alluth, 
vor Uns unde Unfe Sorftendome, Sleswid, Holften unde Stormaren, 
allen unde ißlichen gram, haet unde wedderwillen, den Wy jegen 
de Erfame acht unde verteih und vorwefers unde ganze gemeine 
Ingefeten des landes Ditmerjchen eyniger mathen hebben gehat, 
edder hebben, neddergelegt, weggenamen unde gedödet, wo Wy od 
in macht deſſes Unjes brefes od fe jegenwardigen nedderlegen, weg- 
nemen unde döden, unde nümmermer willen denden, noch mit nenem 
rechte willen opfpreden, wo Wy dat op de hogefte unde befte forıne 
renuncieren unde uns tho guder eynicheit, frede unde naberfchop 
vorplichten unde begeven, fe mit anlage, veyde effte vyendfchop 
nicht beengften, averfallen effte bedrowen, to nenen tofomenden 
tyden, ſondern fe jegen ere vyende getrumelicden handhaven, be- 
jchutten unde befchermen. Se fchölen averft fi ane Unſe mede- 
weten mit nemand in veyde begeven, de fo grot unde dreplid ſy, 
dat je Unfe hulpe dato bedarven möten. Unde willen darumme, 
dat de Ingefeten des Iandes Ditmerſchen in Unfen Sorftendomen, 
landen unde gebeden mit allem beften vorfordert, eynem idern up fin 
anföfent gebörlichen unde unvortögert des rechtes vorholpen fchöle 
werden, dar oc de ſake grot unde wichtig, effte de parte vor 
dem underſten rechte neen benögen hedden, denne, nha inholdinge 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 327 


unde vormeldinge aller erer Privilegien, alfe alle twedracht, wo! 
je erwafjen effte entſtaen mochten, twifchen beyden landen dorch 
achte Eddelmanns, gebaren des landes tho Holften, unde achte an- 
gebaren Ditmerfchen to enticheden, wo od nha older gewante went 
her gewefen, alfe up dem Kuckwalle effte Holften-Sraven. Und 
vorder, to ſchinbarlicken gnaden, confirmeren, approberen, beftedige 
upt nie unde beveſten Wy, vor Uns, Unfe erven unde nalomelinge 
den upgemeldten ngejeten des landes Ditmerfchen alle und 
isliche privilegia, vryheiden unde rechticheiden, wo fe fien, va 
tollen unde anders, van Unfen Dorfahren, Hertogen, Greven i 
den Sorftendomen Slesmwid, Holſten unde Stormaren, na allen ere 
formen unde gelid alfe hirinne mede gejchreven unde van worde 
to worden inferert worden, der fulvten gang vry to brucdend 
unde in aller erer macht to genetende unde to holdende, od nen 
nien tollen edder unplicht up de berorten Ditmerfchen in Unſem 
$orftendome unde Bertogride upthofettende. Darbaven pripiligeren 
unde begnaden Wy je famptliden unde bejunderen, fo dat fe mi 
eren guderenin Unſem blede Huſum gänßliden van tollen fcholen v 
fin; jedoch, dat fe mit guden truwen handelen willen unde fcholen, 
in erem namen mit frombden gelde edder guderen Uns in Unfen 
tollen nicht to fortende. Desgeliden fchölen od de unfen wedder- 
umme in Ditmerfchen ane alle befchweringe vry handelen unde wan- 
deleen mogen. 

Unde wy acht unde veertig vorwefer unde gemeyne Ingeſate 
des landes Ditmerfchen bekennen hirmit vor uns unde des unf 
nafomelinge, unde alfe weme, dat wy uns wedderumme jege 
de hochgemeldten Sorften gelicker mathen vorfecht hebben, und 
vorfeggen uns od in macht defies fuloten brefes vor fodane vry 
ginge, gnade unde gudicheit alfo, dat wy eren Forſtl. Bnade 
unde derfuloden eren Forſtlichen Gnaden Sorftendomen, lande 
unde lüden willen funderlicdlen gutliden gunnen unde gunftig fi 
unde in erer rechten ſake byplichtig, eren vyenden nha unſerm ver 
mogen wedderſtreven unde wedderſtaen, den toch frombder rytte 

















328 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


unde knechte var der: Störe aff beth up de Eyder hinderen unde 
afweren unde denfuloten, od allen denjennen, fo ißiger Königl. 
Merde van Dänemard künftig thoteende gemeynet edder vorfatig, 
dat de in berorten Sorftendome: eyniger maten unde in anderen 
orden overkomen, na alle unferm uterften vormogende unde mit 
gottlider hulpe wedder to teende. Wy fcholen .owerft darto van 
genomeden Sorften, od dem Erfamen rade to Lubed, gevordert 
werden, unde dar de toch ilende, edder hemeliden, unde ehe fodane 
vorderinge gejchege, an effte overqueme, willen wy uns, wo vor- 
beroret, thor affwere unde nedderlage alles ernftes unde getrumes 
doendes beflitigen, eren $orftl. Gnaden unde underdanen in unſem 
lande Ditmerfchen jeder mennigliden. unvortögertes unde gebörlickes 
rechtes to vorhelpende, de Ingefaten der Sorftendome unde lande 
Sleswid, Holften unde Stormarn, eren Sorftl. Gnaden Underdanen, 
fcholen oc unfes landes vry gebruden mogen, darinne ane tollen 
befchweringe vry kopen, handelen unde wandelen ane vorbedend. 

Deſſe artitul unde vorfchrivinge wol tho holdende unvorbrofen, 
ane jennig behelp, argelift effte niefunde geftlides effte wereltlicdes 
rechten, hebben Wy Srederid unde Ehriftiern, Sorften upgemeldt, 
Unſe Ingejegel witliden an defjen bref doen hengen unde den Acht 
unde veertigen unde gemeynem lande Ditmerfchen vorhändiget unde 
wedderumme in guder bewaringe in glicker maten van velgedachten 
Acht unde veertigen unde ganten lande Ditmerfchen mit erem 
Ingeſegel vorjegelt entfangen. Datum feria secunda post Palmarum, 
Anno Domini millesimo quingentesimo vicesimo tertio.“ So zwingen 
die Dithmarfcher durch Benugung der Seitumftände die Sürften, es 
ihnen fchriftlich zu geben, daß fie Dithmarfchen nicht befehden 
wollen und auf alle Anfprüche an Ditkhmarfchen zu verzichten. 
Demgemäß hat denn auch der Herzog Sriedrich fich in diefem Der- 
trage nicht, wie er fonft in feinen Titeln immer gethan, „Herzog 
der Dithmarfcher” genannt. 

1924 begann in Dithmarfchen die Reformation. Im Jahre 
vorher war zu Meldorf der dortige Pfarrherr, Johannes Reimari 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 529 


(Johann Reimers) aus Büfum, ein eifriger Katholik, geftorben. 
An feine Stelle trat nun M. Nicolaus Boje oder, wie er fich felbft 
zu fchreiben pflegte, Nicolaus Boetii. Diefer hatte kurz vorher 
£uther felbft zu Wittenberg gehört und beeiferte fich jeßt, die 
Intherifche Lehre in Meldorf auszubreiten. Er war ein begabter 
und gewandter Mann, dazu ein geborener Dithmarfcher, und zwar 
aus dem hochangefehenen, mächtigen Gefchlechte der Dogdemannen. 
Das war feinen Bemühungen günſtig. Es wurde durch ihn in 
furzer Zeit eine zahlreiche Iutherifche Gemeinde in Meldorf be- 
gründet. Su den eifrigften Anhängern der KEehre £uthers und 
des Nicolaus Boje gehörte die Wittwe des Achtundpierzigers Elaus 
Junge, Wiebe, geb. Nann, eine Tochter von dem Achtundpierziger 
Dans Peters Nanne oder Peters Hans (Hans Petri) Nanne zu 
Demmerwurth, dem alten Site des vornehmen Gefchlechtes der 
Wurthmannen, das unter fich die beiden Hlufte der Swynen und 
der Vannen befaßte. Sie war nach ihres Mannes Abfterben von 
Hemme, wo Elaus Junge feßhaft geweſen, nach Meldorf gezogen 
und zeigte fich hier nun als einflußreiche Beförderin der Iutherifchen 
£ehre.! Dormehmlich auf ihre Deranlaffung wurde Heinrich von 
Sütphen — Beinrich (Möller?) aus Zütphen — durch M. Nicolaus 
Boje nach Dithmarfchen berufen. Heinrich von Zütphen, Pre» 
diger an der Anfcharsfirche zu Bremen, traf in der Adventszeit 
1524, Sreitag, 2. Dezember, zu Meldorf ein. Am zweiten Sonntage 
im Advent, 4. Dezember, predigte er dajelbit zum erften Male, und 
zwar unter großem Beifall. Er fand viele Anhänger, aber auch 
viele Gegner im Lande. Unter Leßteren war bejonders der Prior 


ı Wiebe Junge fol mit Kuther Briefe gewehfelt haben. (Walther, 
Dithm. Chr.) Eine Cochter von ihr, Margaretha, war an den Adhtund- 
vierziger Reimer Wolderihs zu Lunden verheirathet, deren Tochter Anna 
wieder an den Achtundvierziger und Bürgermeifter Peter Bruhn zu Meldorf 
verheirathet war. Diefe ift die Stammmutter des in Dithmarfchen befannten 
Geſchlechtes der Bruhnen, aus weldhem dem Lande eine Reihe angefehener 
Beamten, Zandvögte, Kirchfpielvögte, Gevollmächtigte ꝛc. erftanden if. 
(Cfr. Bolten III, 230.) 


330 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


der Dominikaner zu Meldorf gegen ihn thätig. Derfelbe, Auguftinus 
Torneborch, hatte ein Gebot der Achtundvierziger an das Kirch- 
fpiel Meldorf, den Bremer Mönch nicht predigen zu laffen bei 
Strafe von taufend rheinifchen Gulden, ausgewirlt. Das Gebot 
ward nach beendigter Predigt dem verjammelten Kirchfpiele fund 
gethan und von diefem gemißbilligt, weil es Sache des einzelnen 
Kirchfpieles fei, diefen oder jenen Prediger zu berufen und zu 
beftellen, nach altem Landesbrauh. Es wurde bejchloffen, den 
von Zütphen auch fernerhin als Prediger zu behalten. Mit dem 
Gebot zugleih war eine Berufung der Bevollmächtigten des 
Kirchfpieles zu einer, am folgenden Montage in Heide zu haltenden 
£andesverfammlung von den Achtundpierzigern eingegangen. In 
der Landesperfammlung erboten fich die Meldorfer zu Recht vor 
Jedermann im Lande und übergaben eine fchriftliche Erklärung 
des Pfarrherrn M. Nicolaus Boje, worin um unvoreingenommene 
Behandlung und gründliche Unterfuchung der Sache gebeten wurde. 
Die Derfammlung fcheint zwiefpältig gewefen zu fein. Auf das 
Schreiben Bojes ward nicht geachtet, und der Eine rief dies, der 
Andere das, fagen die Ehroniften. Nachdem der Kanzler M. Bünther 
Werner vorgetragen, daß die Angelegenheit, die Eehre der Aeligion 
betreffend, demnächft durch ein Konzilium entfchieden werden würde, 
nahın endlich der Achtundvierziger Peter Detlefs von Delve (Detlefs 
Junge Johanns Pater), einer der älteften der Dertreter, das Wort 
und feßte auseinander, daß fie, als Caien, in der Kehre nicht zu 
richten fähig feien und den Spruch des Konziliums abwarten 
müßten, fchon aus politifchen Gründen, damit im Lande fein 
Aufruhr entftehe. Man folle die Sache daher anftehen laffen bis 
Oftern. Mittlerweile werde fih wohl ausweifen, was hier recht 
oder unrecht fei. Diefem ftimmte die Derfammlung zu und befchloß, 
die Sache bis auf nächfte Oftern zu verfchieben. Mit folchem 
Bejchluffe waren auch die Meldorfer zufrieden. Heinrich von Zütphen 
fuhr fort, das Evangelium zu predigen. Der Prior Auguftinus 
Torneborch aber, der nach Berathung mit M. Joh. Snid, dem 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 152%. 351 


Kommiffar des Hamburger Kapitels, mit den Gepollmächtigten 
des Meldorfer Kirchfpieles zur Landesperfammlung nach Heide 
gezogen war, um einen für Beinrich von Zütphen günftigen Spruch 
zu verhindern, begab fich noch am felbigen Tage, in Begleitung 
des Dr. Wilhelmi aus Hamburg, vom Orden der Predigermönche, 
der die lutherifche Lehre in Dithmarfchen unterdrüden follte, von 
Beide nach Eunden zu den dortigen Sranzistanermönchen.! Diefe 
liegen dann einige Achtundvierziger: Peter Nann, Peter Swyn, 
Elaus Rode, zu fih ins Klofter rufen, die dem Prior beiftelen, 
und es wurde nun befchlofjen, daß etwas gegen Heinrich von Sütphen 
unternommen werden inüfje, damit nicht Land und Keute ins Der- 
derben gebracht würden.? Peter Swyn war der Meinung, man 
müffe nochmals an Nicolaus Boje und an Heinrich von Zütphen 


I Die Predigermönche (Dominikaner) vornehmlich machten fich die Aus- 
rottung der Keßer zur Aufgabe. — „Das ift unfere vortrefflichfte Krone, 
daß unfer Orden (der Dominikaner) entftanden ift, die unbußfertigen Ketzer 
mit Eifen und Feuer auszurotten”, fagt Malvenda. (Eyprian, Papftthum, 
5.406.) Gegen die Iutherifche Keßerei waren file zwiefach erboft, da diefe 
wegen des Ablaßhandels ſich erhoben hatte, der faft ausfchlieglih in den 
Bänden der Dominikaner war. Die Haupturheber und Förderer der Be- 
wegung wider Zuther und feine evangelifche Lehre waren Mitglieder des 
Ordens der Dominikaner. Wie Johann Tezel, fo gehörte auch Lajetan 
zum Dominikaner⸗Orden. | 

2 Deter Hann, der hier an der Spite der Bewegung gegen Heinrich 
von Züthen erfcheint, wohnte zu Hemmermwurth, war ein Bruder der Wiebe 
Junge und Dater von Claus Xann, der ein wohlverfuchter Krieger und 
Jerufalemsritter genannt wird, und von Hans Vann, dem fpäteren Acht⸗ 
undvierziger. Don dem Anfehen der Zannen zeugt Geſchichte und Sage. 
Don dem erufalemsritter Claus Nann hat die Sage diefes auf unfere 
Seit gebradit: „Don Hamburg, wo die Dithmarſcher damals fo befannt 
waren, wie fie es jeßt in Beide find, wurde Claus Nann mit Geld und 
Wecfeln für die Neife verfehen; in Jerufalem aber fam fein Wechſel nicht 
zur beflimmten Zeit an. Der Ritter ward verlegen und ging traurig umher. 
Da fragt ihn ein Bettler, warum er fo traurig fee? Xann erwidert: Du 
fannft mir doch nicht helfen. Der Bettler: Das kannſt Du nicht wiffen, 
ih aber glaube es; fage mir Deine Noth. ann: Mein Wedel bleibt 
aus. Der Bettler: Da haft Du Geld (und reicht ihm einen Beutel mit 
Goldftüden), brauchſt Du mehr, fo habe ih mehr. Hann, erflaunt: Dur 


332 ° Dritter Abſchnitt. Dritte Ubtheilung. 


fchreiben, wie fie fich zu verhalten hätten. Der Prior wollte davon 
nichts wiffen und fchlug vor, den Keber, der das Volk in Aufruhr 
bringe, heimlich, ehe das Land davon erfahre, abzufangen und 
unfchädlich zu machen. Auf folchen Bath zog Peter Nann mit 
Hülfe des Landestanzlers einige der Dornehmften aus verfchiedenen 
Kirchfpielen an fih. Diefe wurden in die Wohnung des Kanzlers, 
A. Bünther Werner, zu Neuenlirchen berufen, wo fie dann mit 
den Mönchen und dem Kommiffar des Hamburger Offizials, 
M. Johann Snid (Schned), beriethen, wie fie Heinrich von 
Sütphen fangen möchten. Es waren zur Berathung von den 
Dorftehern des Landes hier anwejend außer Peter Nann und dem 
Kanzler: Henning Swyn (Peter Swyns Sohn) zu £unden, Johann 
Holm zu Neuenkirchen, Lorenz Hennemann und £udwig Hennemann 
zu Wennemannswifch, Baftel Johann zu Tiebenfee, Bojen Claus 
(Bojen Elaus Boje?) von Weffelburen,! Grote Johann zu Walen- 


und warum thuft Du das bei mir? und wie willft Du Dein Geld wieder- 
befommen ? Der Bettler: Ich bin in Deinem Baufe gewefen, du heißeft 
Elaus Yann und wohnft in Kleinlehe, dicht an £unden. Ich fomme nad 
einigen Jahren wieder zu Dir, das Geld felbft abzuholen. Er ftellte fidy 
nah Jahren aud ein, eben zu einer Stunde, als Nann mit vornehmen 
Gäſten zu Tifhe fa. Hann erkennt ihn fhon an der Thür, geht ihm 
entgegen und führt ihn bei der Hand auf den Ehrenplag an der Tafel, 
legt ihm reichli vor und erzählt den verwunderten Gäften die feltfame 
Geſchichte. Bleibens hat der Bettler aber nicht, foviel er auch gebeten. 
wird, zu weilen; er nimmt fein Geld wieder und läßt fi von dem danf- 
baren Nann fein Mehreres aufdringen. Die Gäfte fragen ihn, wie er doc 
bei folhem Reichthume ein ſolches Keben führen möge? Das foll nun aud 
aufhören, erwiderte er. Damit ging er fort, und Niemand hat erfahren, 
wohin er gegangen ift.“ — Die Wiebe Junge heißt bei einigen Ehroniften 
eine Lodıter von Peter Hann. Es ift das ein Jrrthum, der fih auf un- 
genane lDiedergabe der Märtprergefchichte Heinrichs von Zütphen in fpäteren 
Ausgaben der Werke Luthers gründet. Bolten fagt zwar, Wiebe Junge werde 
in £uthers Werfen eine Schwefter von Peter Hann geheißen. Allein in der 
Ballefhen Ausgabe diefer Werke heißt fie eine Tochter Peter Nanns. Die Ab- 
weichung ift hier alfo anf einen Druck- oder Korrefturfehler zurückzuführen. 

ı Bet Walther heißt es: Bojen Elaus Boje. Diefer, zu Süderdeich im 
Kirchſpiel Weſſelburen anfäfftg, lebte damals allerdings nody, und Neocorus 
berichtet, daß er ein hauptgegner der Heformation und Heinrichs von 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 335 


hufen, Marquard Kremer zu Hennftedst, CLütke Johann zu 
Wegling (Weſſeln), Peter Brote, Dogt zu Hemmingfledt. Man 
befchloß, am anderen Tage nach Conceptionis, den 9. Dezember, 
in Hemmingftedt zufammenzutreffen, zur Seit des Abendläutens — 
„wenn man Ave maria läutete”. jeder der Derfammelten follte 
Einige aus feinem Kirchfpiele zu fich zu ziehen fuchen. Zur 
befimmten Zeit famen zu Hemmingſtedt an 500 Mann zufammen, 
nachdem vorher alle Wege nach Meldorf beſetzt worden, damit 
die Meldorfer nichts von Dem erführen, was hier im Werke war. 
Diele von den Zufammengefommenen wollten nicht fortziehen, als 
fie mın erft erfuhren, was eigentlich beabfichtigt werde. Durch 
Drohungen und Dorfpiegelungen bewogen, folgten fie dann doch.! 
Um Mitternacht traf der Zug in Meldorf ein. Die Mönche dort 
waren fchon bereit und gaben Sadeln her. Sie hatten auch 
einen Derräther bei fich, mit Namen Hennings Hans, der ihnen die 
örtlichen Gelegenheiten des Pfarrhaufes verfundichafet hatte. Man 
drang nun — Grote Johanns Maes voran — durch die Boden: 
luke ins Baus ein, in welchem auch Heinrich von Sütphen war.? 
Zütphen gewefen. Aber nah einem an £uther erftatteten Bericht, den 
diefer zum Drud befördert hat, fcheint es hier doch nicht Bojen Elaus 
Boje, fondern Bojen Elaus heißen zu müffen. ac leocorus hätte 
Bojen Claus Boje, der an der Gicht litt, erflärt, er wolle nad; Heide, um 
den Keßer zu verderben, wenn er auch auf der großen Sehe hinhinfen 
mäffe. Er fei dann hinfend von Heide zurüdgelommen. In Neuenkirchen 
hat er fi dann wohl durdy feinen Sohn vertreten laffen. 

ı Jm Baufe eines Claus Peters follen fie mit Bier reichlich regalirt 
worden fein, um fie defto muthiger zu fiimmen. Claus Peters war denn 
wohl Inhaber des Kirchfpielstruges. 

? Das Pfarrhaus war aller Wahrfceinlichfeit nach das frühere Haupt- 
paftorat, jet Mufenmsgebäude zu Meldorf. Das Klofter lag im Nordoften 
an der Stadtmauer. Die Bewohner Meldorfs werden daher von den 
Ereigniffen der Nacht wenig gemerft haben, da die von Hemmingftedt her 
anrädenden Verſchwörer die Stadt faum zu betreten brauchten, um ihren 
Anfchlag auszuführen, — Der jenem Bebäude nahe Papengang war wohl 
einer jener verdedten Gänge, durch welche die Geiſtlichen bei jeder Witte- 


rung unbeläftigt zur Kirche gelangen konnten. Aus dem „verdedten" 
Gang hat dann der Volksmund einen unterirdifchen gemacht. 


354 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Die Eingedrungenen trafen zuerft auf Nicolaus oje, den 
fie durch die Luke auf die Straße hinausftiegen. Darnach fuchten 
fie Heinrich von Sütphen, fanden ihn und warfen ihn gleichfalls 
auf die Straße. und fchleppten ihn dann nach Heide. Ein ftarfer 
Mann, Balle Johann, wurde befonders dazu beftimmt, ihn zu 
leiten. Diefer fchleppte ihn dann mehr, als er ihn führte, auf 
dem halbgefrorenen Wege durch Sumpf und Pfügen, Wafler und 
Eis, jo daß dem Gemißhandelten das Blut aus den Füßen lief. 
Barfuß, nur mit einem Hemd belleidet, mußte er den March 
nach Heide machen. In Beide wurde er in das Haus eines 
Bürgers, Namens BRaldenes (Halvedes P), gebracht. Hier wollte 
man ihn in den Stod legen. Der Hausbeſitzer aber widerfeßte 
fich dem, und der Gefangene wurde in das Haus eines Dieners 
des Hamburger Kapitels, des Geiftlichen Heim. Hoezeken, über- 
geführt und dafelbft in den Keller gefperrt, wo man dann unter 
den Augen einer ihm beigegebenen Wache die Nacht Hindurch 
ihn auf allerlei Weife befchimpfte und verfpottete. Auch famen 
die Pfarrherren Simon (Simon Mofellage) von Bldenwöhrden 
und Ehriftian! von Neuenkirchen zu ihm, mit der Abficht, ihn 
zur Einfehr zu bewegen. Heinrich von Sütphen antwortete ihnen 
aus der Bibel; fie follen aber den Sinn feiner Reden nicht gefaßt 
haben. Außer diefen fam zu ihm M. Günther Werner und fragte 
ihn, ob er an den Bilchof von Bremen gefchidt werden oder 
lieber in Dithmarfchen feinen Eohn empfangen wolle. Darauf gab 
Heinrich von Zütphen zur Antwort: Habe ich was Unchriftliches 
gelehret oder gehandelt, Fönnten fie mich wohl darum ftrafen. Der 
Wille Gottes gefchehe. Worauf Magiſter Günther Werner 
bemerkte: Hört, er will in Dithmarſchen ſterben! Anderen Morgens, 
um 8 Uhr, wurde Heinrich von Zütphen aus Heide hinausgeführt 
und, nachdem Gericht über ihn gehalten, zum Feuer verurtheilt. 





’ Der Zuname diefes Chriftian ift nicht befannt. Der betreffende 
Pfarrherr fommt nur als „Herr Chriftian von der nenen Kirche“ vor bei 
den Chroniften. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 335 


Es fcheint jedoch Niemand die Derantwortlichkeit, diefes Urtheil 
verfündigt zu haben, auf fich zu nehmen, geneigt gewefen zu fein. 
Der Dogt Schöters Maes wurde, wie es heißt, durch 10 Gulden 
dazu vermoct, das Urteil zu verfünden. Jakob Probft jagt, der 
Dogt fei in diefem Jahr nicht Richter in diefer Sache geweſen, 
und habe für die Derfündigung des Urtheils von Demjenigen, 
dem felbige von Amts wegen obgelegen, 10 Gulden befommen. — 
Diefer Dogt Schöters Maes ift ohne Sweifel der Schöters Maes, 
der in der Sehde zwifchen den £undenern und den Wefterdöfftern 
im Jahre 1508 als Sührer der Kebteren genannt wird. Die 
Oberleitung des Heerweiens und die Sührung des Heerbannes 
war urjprüänglih Aufgabe der Neichs - Land- und Schirmvögte. 
Die Führung der Mannfchaft der Döfft fcheint demnach in Dith- 
marjchen auch nach 1447 den Dögten geblieben zu feiu, und jener 
Dogt Schöters Maes ift daher als Dogt der Wefterdöfft anzufehen. 
Aus der Bemerkung des Jakob Probft, daß Schöters Maes in 
dem Jahre nicht Richter gewefen, erhellt, daß die Dögte in diefer 
Beziehung abwechjelnd fungirten. Das Urtheil über Heinrich von 
Sütphen lautete: „Deffe Böfewicht hefft geprediget wedder d 

Moder Bades und den Ehriften-Beloven, uth welfer Orſake id eh 

ordele van wegen mines gnedigften Deren Bifchoppes van Breme 

thom Duere.” Durch das Urtheil des Dogts wurde der rechtliche 

Sormalität genügt, um die Gewaltthat wider Heinrich von Sütphen 
zu einem Juftizmord zu machen.! Aus dem politifchen Derhältniffe 
zum Ersftift ergiebt fich, daß die Dithmarfcher nicht allein aus 


1Noch 1550 erließ der Kaifer Karl V. das „ewige Edift“ wider die 
Kebter, worin er Alle, die über -die heilige Schrift disputiren, von den 
Cheologen zu Löwen verdammte Bücher lefen, oder heimlihe Sufammen- 
fünfte halten, zum Tode verdammt, fo dag im Fall der Belehrung die 
Männer getöpft, die Weiber lebendig begraben, im Fall der Nichtbefehrung 
aber die Keger verbrannt werden follen. Es ift daher einfeitig, wenn zur 
Erklärung der Chat gegen Heinrich von Sütphen nur auf die Sufammen- 
fegung der dithmarſcher Landesverfammlung Bezug genommen wird. 


336 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


blindem Neligionseifer fih der Reformation widerfeßten. Heinrich 
von Zütphen erwiderte auf das UÜrtheil: Das habe ich nicht 
gethan. Doch Herr, Dein Wille gejchehe. Dergieb es ihnen, 
denn fie wiffen nicht, was fie thun. Dein Name ift allein heilig, 
himmlifcher Dater! 
MWiben Junge, die in aller Srühe von Meldorf fich auf: 
gemacht haben muß, nachdem fie von den Ereigniffen der 
Nacht Kunde erhalten, trat nun vor und forderte, daß man den 
Zorn, wenn derfelbe denn durchaus ein Opfer haben wolle, gegen 
fie kehre, die es veranlaßt, daß der Prediger von Bremen her- 
berufen worden, und begehrte, daß man diefen wieder einfege bis 
zum nächften Montag, damit er, bevor er verbrannt würde, vor 
dem Kande verhört werden fönne. Dazu erbot fie fich, 1000 Bulden 
zu büßen. Allein man ftieß fie zu Boden und trat fie mit Süßen. 
Dann fiel man wüthend auf Heinrich von Zütphen ein, fchlug ihn 
mit Hellebarden und Spießen, während er, in Regen und Unwetter, 
nur mit einem Bemde belleidet, vor dem Scheiterhaufen ftand, 
ohne allen Troft und alle Hülfe von Menfchen, fagt ein Ehronift. 
Schließlich banden fie den Märtyrer auf eine Leiter und warfen 
ihn mit derfelben ins Seuer. Aber die Leiter fprang zur Seite 
ab. Da nahm Johann Holm von Neuenkirchen den Saufthammer 
und zerfhlug dem Märtyrer das Herz in der Bruft, fo daß er 
fich nicht mehr regte. So ftarb Heinrich von Sütphen, im 36. Jahre 
feines Alters, am 10. Dezember 1524. Gewöhnlich wird der 
11: Dezember hier angegeben. Das ift falfch. Der 11. Dezember 
1924 war der dritte Adventsfonntag. Am Streitag vor demfelben 
fand der Zug nach Meldorf ftatt und Tags darauf, am Sonn- 
abend, ward Heinrih von Zütphen verbrannt. Der Irrthum 
erflärt fi aus einem Mißverftand: Weil der Zug nach Meldorf 
am Sreitag Abend, am 9. Dezember, nach dem Avemaria-Läuten 
erfolgte, wird derfelbe nach alter Weife, wonach der Tag vom 
Abendläuten an gerechnet ward, von einigen Ehroniften auf den 
10. Dezember gejeßt. Indem man nun damit die Nachricht 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 337 


anderer Ehroniften verband, wonach „anderen Tags” die Der- 
urtheilung erfolgte, ſetzte man irrthümlich den 11. Dezember als 
Todestag Heinrichs von Zütphen. Wird der Sreitagabend zum 
Sonnabend gerechnet, der Tag nach alter Weiſe von Abend zu 
Abend gezählt, fo ift Heinrich von Zütphen am Abend des 10. 
gefangen genommen und felbigen Tags, nadı Sonnenaufgang, 
gerichtet worden Ueber 20 Wunden bededten den Körper des 
Märtyrers. Zwei Stunden lang hatte Heinrich von Zütphen vor 
dem Scheiterhaufen ausharren müflen, weil bei dem Regenwetter 
des Tages das Feuer nicht brennen wollte. Der £eichnam blieb 
unverbrannt, nur angelohlt, liegen bis zum folgenden Tage, 
11. Dezember, an welchem derjelbe bei einem neu hergerichteten 
Seuer völlig verbrannt wurde. Jakob Probft fagt, daß dem 
£eihnam der Kopf, die Hände und Süße abgehauen worden 
feien und man diefe verbrannt, den Rumpf aber, unter Aufführung 
von TLänzen um denfelben, begraben habe. 

Die That der Dithmarfcher murde verfchieden beurtheilt. 
Eifrige Papiften lobten die Dithmarfcher wegen der Hinrichtung 
des Keßers. Andere tadelten fie Hart. Nenner, in feiner Chronica 
von Bremen, fagt: „Dat Lof aver, dat de Ditmerfchen darva 
hadden, was, dat men fe hierna lange tydt Mönnefen-Schmöfe 
nömede." Luther nennt die Mörder Heinrichs von Zütphen dith 
marjcher Beftien; doch war er weit davon entfernt, den Dith- 
marjchern insgefamt die Ermordung des Heinrichs von Zütphen 
zum Dormwurf zu machen. Im Gegentheil fordert er, dag man 
die Ceute in Dithmarfchen in Ruhe laſſe, da es Dielen im 
Lande Aber die Maßen leid fei, daß folcher Mord bei ihnen 
geichehen, und jagt, es fei zu erwarten, daß aus dem unter 
der Aſche glimmenden Funken, ein gutes $euer in Dithmarjchen 
aufgehen werde, wenn man nicht durch ungzeitigen Eifer ihn 
auslöfche. 

Einen wichtigen Beitrag zur Gefchichte der Reformation in 
Dithmarfchen giebt £uther in einer ausführlichen Nachricht über 

Dithmarfcher Gefchichte. 22 


358 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


Heinrichs von Zütphen Märtyrertod.! Die bezüglichen Mittheilungen 
find wahrjcheinlih vom Magiſter Nicolaus Boje zu Meldorf auf. 
gefeßt und von Kuther ın der Saflung, in welcher fie ihm von 
Boje übermittelt worden, zum Abdrud gebradit. Luther fandte 
diefelben nebft einem Troftfchreiben an Heinrichs von Sütphen 
trauernde Gemeinde zu Bremen. &s heißt hier (£uthers fämmt- 
liche Schriften, ed. Walch, Tom. XXI, 94 ff.): 

„Im Jahre unfers Herrn Ehrifti 1522 kam Henricus gen 
Bremen, nicht daß er da wollte predigen, denn er wollte gen 
Wittenberg ziehen, als von Antorf durch die Tyrannen vertrieben 
um des Evangeliums willen: Aber er ward gebeten von einigen 
frommen chriftlichen Bürgern, eine Predigt zu thun; welches er, 
nach chriftlicher Kiebe, nicht weigerte, fondern that die erfte Predigt 
am Sonntage vor Martini. Da ihn das Dolf hörte, daß er das 
Wort Gottes lehrte, ward er fleißig gebeten und gefordert von 
der ganzen Gemeine in derfelbigen Pfarre, ihnen das Wort 
Gottes zu predigen und alſo bei ihnen zu bleiben, welches er eine 
Zeitlang annahm, folches mit ihnen zu verfuchen. 

Da aber die, jo man die Geiftlichen heißt, mit Namen die 
Dombherren, fammt den Mönchen und Pfaffen, des inne worden, 
wandten fie allen Fleiß #08; ihn mit dem Worte Gottes zu dämpfen 
und zu vertreiben, um ihres Geizes willen, als denn die Weife 
it in allen Landen. Deshalb fie den ehrfamen, weifen Rath 
anfuchten, um folchen böfen Keßer zu vertreiben; denn feine Lehre 
und Predigt wäre wider die heilige chriftliche Kirhe.. Da lieg 
ein weifer Rath auf folch Anfuchen vorfordern die Baumeifter und 
Oberften derfelbigen Pfarre, da Henricus predigte, und ihnen 
die Klage des Kapitels ſamt aller Pfafferei vorhalten. 

! Heinrih von Sütphen, von Zuther Bruder Henricus von Zütphen 
genannt, heißt bei Einigen Heinrih Möller von Zütphen. Es ift aber nicht 
unzweifelhaft erwiefen, daß Beinrih Möller, den einige Schriftfteller 
nennen, mit dem Märtyrer Beinri von Zütphen indentifh ſei, diefer 


wirflih Möller geheißen habe. 
: Die „Pfarre” war die Anſcharskirche zu Bremen. 


Don 1500 bis zum Anfange der Heformation — 1524. 339 


Anworteten die Baumeifter der Pfarre darauf, daß fie nicht 
anders wüßten, als daß fie einen frommen, gelehrten Prediger 
hätten angenommen, der fie das Wort Gottes rein und lauter 
lehrete. Wenn aber das Kapitel oder jemand, Klein oder Groß, 
beweijen fönne, daß er etwas wider Gottes Wort, oder fonft Keßerei 
gelehret oder geprediget hätte, jo wollten fie ihn in feinem Wege 
leiden oder behalten, fjondern ihn ſamt dem Kapitel helfen ver: 
folgen. Wenn aber die Herren des Kapitels, famt anderen Geiſt— 
lichen, nichts auf ihn bringen fönnten, das er wider Gottes Wort 
gelehret hätte, und ihn gedächten mit Gewalt ohne alle Schuld zu 
verdrängen, jo wüßten fie das in Feinerlei Wege zu leiden. | 

Baten daher mit aller Unterthänigfeit einen ehrfamen Rath, 
ihnen jolches nicht zuzumuthen, fondern es beim Rechten zu laffen; 
fie wären auch geneigt, ihren Prediger allezeit zum echten zu) 
halten. Solche Antwort ließ ein ehrfamer Rath durch ihre Geſandten 
an das Kapitel gelangen. Als aber die Geiftlichen das merften, 
daß fie mit guten Worten nichts ausrichteten, begannen fie zu 
zürnen und zu dräuen, liefen von Stund an zu ihrem Bifchof 
und zeigten ihm an, wie die von Bremen Keber wären worden, 
wollten der Geiftlichfeit nicht gehorfam fein; mit viel Klagen, * 
zu fürchten wäre, die ganze Stadt möchte verführt werden. | 

Da fchidt der Bifchof zwei feiner Räthe gen Bremen und 
lieg anwerben, daß man ihm den Mönch ſchicken wollte. Wen | 
man aber fragte, aus welcher Urfache man ihn überantworten 
jolle, antworteten fie: er predige wider die heilige Kirche. fragte 
jemand, worin und in welchen Artlifeln? wußten fie nichts zu 
antworten. Unter welchen Räthen war der Weihbifchof de 
Predigerordens, welcher allen Fleiß anmwendete, den fromme 
Henricum zu fangen, fürchtete, fein Kandwert würde vergehen. 
Endlich ward ihnen von einem ehrjamen Rath geantwortet: Nach⸗ 
dem der Prediger, von ihnen angenommen, mit keiner Schrift 
überwunden wäre und auch niemand einen Artikel anzeigen fönne, 
in welchem er unrecht geprediget, jo wüßten fie in feinerlei Weiſe 


227 


540 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


bei ihren Bürgern zu wege zu bringen, daß ihn die Bürger folgen 
würden laffen. 

Wäre daher ihre unterthänige Bitte, der Bifchof, ihr gnädiger 
Herr, wolle feine Hochgelehrten gen Bremen verfchaffen, mit ihrem 
Prediger zu disputiren. Würde er erfunden (als Keßer), wollten 
fie mit ziemlicher Strafe den Prediger weg verfchaffen, wenn aber 
nicht, fo wüßten fie ihn nicht zu verlafien ꝛc. Aber der Weih- 
bijchof antwortete und bat höchlih, um Sriedens willen eines 
ganzen £andes, man follte ihm den Prediger überantworten, und 
proteftirte höchlich, wie er nichts anderes fuchte, als ihrer Seelen 
Seligfeit: hat aber nichts mögen fchaffen, denn die von Bremen 
verharrten auf ihrer erften Antwort. 

Daher ward der Weihbifchof zornig, 309 von Bremen hinweg 
und wollte aus großem Zorn nachmals der Keter Kinder nicht 
firmeln. Da nun der Weihbijchof wieder zu feinem Herrn fam, 
zeigte er ihm folcke Antwort an, und daneben, was er gehört 
hatte von den Pfaffen und Mönchen. Darnach, da täglich neue 
Seitungen famen, wie der Prediger täglich ärger und ärger predige 
wider die Geiftlichkeit, fanden fie einen anderen Rath, fertigten 
ab treffliche ! £eute, die von Bremen zu warnen, in welchen 
Schaden die Stadt des Predigers halben kommen würde; denn 
er wider Päpftlicher Heiligkeit und Kaiferlicher Majeftät Gebot 
predigte: daneben anzeigten, wie er Srauen Margarethen Ge: 
fangener wäre, welches ihnen denn großen Schaden zumenden 
würde. 


— — — — — 


ı In einem ſeltenen plattdeutſchen Bericht über Heinrich von Zütphen fol 
es heißen „dreplife Lüde“. Daher folgert Bolten, daß der hochdeutiche Bericht 
aus dem Plattdeutjchen überſetzt fei. Allein „dreplik“ war fo ungebräuchlich, 
daß es wohl dem „trefflih” entnommen fein möchte. Wenn Bolten aber 
(III, 238) in dem hochdeutfhen Terte das unrecht Ausgedrücdte nach dem 
plattdeutfchen Tert verbeffern will und dann für dreplife Lüde „hübfche 
Bürger“ fett, fo beweift das nur, daß Bolten die Bedeutung des „dreplid” 
völlig verfannt hat. | 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 541 


Bradıten auch bei Srauen Margarethen ! Dräubriefe aus, 
daß fie ihren Gefangenen forderte; hat aber Alles nichts helfen 
mögen. Denn ein ehrfamer weifer Rath allezeit fchriftlich und 
mündlich einem jeglichen unverweisliche Antwort gab. Da erdachte 
der Bifchof mit feinem Haufen einen anderen Rath, damit fie das 
Wort Gottes dämpften: nahmen vor ein Provinzialconcilium, 
nicht zu Bremen, als denn Gewohnheit ift, fondern zu Burftete, 
daß fie Raum hätten, mit Bruder Henrico zu handelen, wie fie 
wollten. Dazu wurden gefordert und gerufen alle Prälaten und 
Gelehrten des ganzen Bißthums, da zu handeln, was man glauben 
und halten follte. 

Zu dem Loncilio ward der Prediger auch berufen, doch mi 
dem Unterjchiede, man wollte mit ihm und wider ihn procedire 
als mit einem Heber, da er doch unüberwunden und unverhö 
war. Daher die Oberſten, famt einer ganzen Gemeine, ihre 
Prediger bei fich behielten, da ihre Bosheit am Tage war. Abe 
Bruder Henricus faßte feine Predigt, was er lehrte und glaubte 
in kurze Artikel und fchichte fie in einem Sendbrief dem Erszbifchof 
und zeigte an feine Unfchuld, famt den Artikeln; erbot fich 
wenn er irrte, daß man es ihm aus der Schrift anzeigen könne 
von folchem Jrrthum abzuftehen und zu widerrufen: Man fol 
aber ihm feinen Irrthum aus der Heiligen Schrift anzeigen 
denn er feine Lehre oder Predigt aus der Schrift wüßte zu be 
weifen. 

Aber folche Erbietung famt den Artikeln verachtete man, den 
ihm feine Antwort ward. Was aber das Urtheil war, mag ma 
dabei erkennen. Denn alsbald darnach ließen fie Papfts Keoni 
des Sehnten famt Kaiferlihem Mandat, zu Worms gefchrieben 
verfündigen und anfchlagen. Derohalben der fromme Predige 
























! ‚grau Margarethe” iſt die Statthalterin der Niederlande, Tochter des 
Kaifers Marimilian I., Tante Karls V. Unter ihr war Heinridy von Sütphen 
in Antwerpen gefangen gewefen wegen feiner evangelifhen Lehre. Er war 
aber aus dem Gefängniſſe entkommen. 


542 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


feine Predigt immer fort führte, und nicht abließ; Daneben allezeit 
bedingete, er wollte bereitwillig jedermann Antwort geben feiner 
Lehre und Predigt. Die Papiften aber hatten feine Ruhe, fandten 
täglich ihre Capellane in die Predigt, daß fie ihn — möchten 
in ſeinen Worten. 

Aber Bott zeigte feine Wunder und bekehrete etliche von den- 
felbigen, daß der meifte Haufe ihrer Lapellane, die fie hinfandten, 
befannt hat, daß folche Eehre und Predigt die Wahrheit und von 
Bott fei, der niemand mwiderftehen könnte; denn fie ihr Leben: 
lang von feinem Menſchen folche Eehre gehöret hätten. Daher 
fie von ihrem Böſen abjtehen und das Wort Gottes nicht verfolgen, 
fondern glauben follten, daß fie felig würden. Aber ihre Bosheit 
hatte fie verblendet, daß fie Ärger wurden, ihrem Derdienft nach. 
&s hat auch bis auf diefen Tag niemand ein Wörtlein aufbringen 
fönnen von allen Mönchen, wiewol fie täglich Keberei, Keßerei 
gefchrieen, vermögen’s auch noch nimmer. 

Da nun Gott der allmächtige die Zeit erfahe, daß der gute 
Henricus mit feinem Blute die Wahrheit, von ihm gepredigt, 
bezeugen follte, fandte er ihn unter die Mörder, die er dazu be- 
reitet hatte. Alfo begab es fich anno 24 der Meineren Zahl (1524) 
nach Ehrifti Geburt, daß er gerufen ward von Nicolao Boye, 
Pfarrherrn, und anderen frommen Chriften derjelbigen Pfarre zu 
Meldorf in Didmar, ihnen das Wort Gottes zu kündigen, und fie 
aus des Antichrifts Rachen zu reißen, denn er gewaltiglich dafelbft 
regierte; welche Berufung er als von Bott annahm und derohalben 
ihnen zufagte, daß er zu ihnen fommen wollte. Darnach, auf 
St. Latharinen-Abend, forderte er zu fich fechs fromme Mitbrüder 
und Bürger, hielt ihnen vor, wie er in Didmar gerufen wäre, 
und zeigte ihnen an, nachdem er nicht allein fchuldig wäre, ihnen 
allein, fondern jedermann, wer’s begehrte, das Wort Gottes zu 
verfündigen, gedächte er, in Didmar zu ziehen und zu warten, 
was Gott mit ihm ausrichten wolle: bat derohalben, fie wollten 
ihm einen guten Rath geben, wie er am füglichften möchte dahin 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 345 


fommen, daß des die ganze Gemeine nicht innen würde, und fein 
Reife verhinderte, als auch denn gejchehen wäre. 

Antworteten die frommen Ehriften darauf und baten ihn 
er wolle bei ihnen bleiben und anfehen, wie das Evangeliu 
noch faft fchwach in dem Dolfe wäre, fonderlich in den umliegende 
Städten, und die Derfolgung noch groß, auch anjehen, daß er vo 
ihnen berufen wäre, Gottes Wort zu predigen. Wollten abe 
die Didmarer einen Prediger haben, daß er einen andere 
dafelbft hinfchiclete, denn fie wußten wohl, was die Didmare 
für ein Dolf waren. Daneben fie ihm auch angzeigten, fi 
wüßten ihn nicht ziehen zu lafjen, ohne Derwilligung einer ganze 
Dfarre. 

- Der gute Henricus antwortete: Wiewol er befennte, daß e 
von ihnen berufen wäre, Doch hätten fie fonft frommer, gelehrte 
Leute genug, die ihnen predigten. Die Papiften wären auch zu 
Theil überwunden, dag num fortan auch Weiber und Kinder ihr 
VNarrheit fehen und richten. Er hätte auch zwei Jahre ihne 
gepredigt; aber die Didmarer hätten feinen Prediger, derohalbe 
er mit gutem Bewifjen ihnen folche Bitte nicht abfchlagen Fönnte 
Daß fie aber anzögen, daß fie ihn nicht lafjen Fönnten, ohn 
Willen und Willen einer ganzen Gemeine, fchlüffe bei ihm nichts 
denn er gedächte, nur eine furje Zeit in Didmar zu predigen 
nämlich einen Monat oder zwei, fo lange, bis er ein Sundamen 
felbft mündlich gelegt, und darnach wieder zu ihnen kommen. 

Wäre derohalben feine Meinung und Bitte, fie follten na 
feinem Abzug der Gemeine feinen Beruf, welchem er nicht widerftehein 
Fönnte, anzeigen, daneben feinen heimlichen Abzug entfchuldigen 
denn er müßte heimlich ziehen, um feiner Seinde willen, die ih 
fchaden möchten, die Tag und Nacht trachten, als fie felbft wo 
wüßten, wie fie ihn umbringen und tödten möchten: auch zeigt 
er an, wie er wollte bald wieder bei ihnen fein. Mit dieſe 
Worten ftellte er fie zufrieden, daß fie ihm zu ziehen vergönnten 
Denn fie verhofften, daß die Didmarer möchten zur rechte 





















344 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Erfenninig des Worts Gottes fommen, die fonft faft vor anderm 
Dolfe mit Abgötterei beladen find.! 

Darnach auf den erften Montag der erften Woche im Advent 
zog Henricus mitten durch das Stift von Bremen in Didmar und 
fam gen Meldorf, da er denn hin berufen war, da er auch mit 
großen Sreuden vom Pfarrherrn, famt andern frommen Chriften, 
empfangen ward. Alsbald er da fommen war, wiewol er noch 
feine Predigt gethan hatte, ward der Teufel zornig mit feinen 
Gliedmaßen, und infonderheit erregte er Auguftinum Tornebordh, 
Prior des fchwarzen Klofters, die (scil. Mönche des Klofters) man 
nennt Jacobiter oder Prediger (= Mönche), welcher von Stund an 
lief zu feinem Mitgefellen, M. Johann Sniden,? des Officials 
von Hamburg Dicarien oder Eommiflarien, hielt Rath, was zu 
thun ftünde, damit ihr Weich nicht unterginge. 

Endlich befchloffen fie, daß fie vor allen Dingen vorkommen 
müßten, daß er nicht predige: Denn wenn er würde predigen, fo 
würde ihre Schalfheit an den Tag kommen und würden fie darnach 
nichts ausrichten fönnen; denn fie wüßten wol, wie es zu Bremen 
zugegangen. Auf diefen Befchluß machte fich der Prior, Prediger: 
ordens, des Morgens früh auf, denn er vor großer Sorge die 
Nacht nicht viel fchlief, und fam gen der Heide, auf den Sonn- 
abend vor dem andern Sonntage des Advents, vor die achtundvierzig 
Regenten des ganzen Landes, und beklagte fich höchlich; und zeigte 
an, wie der Mönch von Bremen fommen wäre, das ganze Land 
Didmar zu verkehren, als er denen von Bremen gethan hätte: 
hatte auch zu Hülfe M. Günther, des Landes gemeinen Eanzler, 
und Peter Nanne, beide große Seinde des Wortes Gottes. Dieſe 
halfen dem Prior mit allem Sleiß und hielten den anderen jechs- 

! Abgöttereien find hier die päpftlichen Irriehren. Das hier gefällte 
Urtheil if ein Ausſpruch nad dem erften Eindrude der an H. v. Zütphen 
begangenen That. Der Derlauf der Reformation in Dithmarfchen zeigt, daß 
die Beladung mit Abgötterei hier nicht größer war, als anderswo. 


? %. Snick — Sniccius, wohl der fpätere evangelifche Paftor J. Schneck, 
Schnid, Schnittler, in Beide. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 345 


undvierzig! Ungelehrten (Laien) vor, wie ein groß Lob im ganzen 
Niederland und wie großen Dank fie infonderheit bei dem Bifchof 
zu Bremen? verdienten, wenn fie diefen ketzeriſchen Mönch zum 
Tode bringen würden. Da die armen ungelehrten Leute folches 
hörten, fchrieben fie bald und befchloffen, ihn zu tödten, den fie 
doch nicht gefehen, viel weniger gehöret und überwunden hatten. 

Endlich brachte der Prior einen Brief oder ein Gebot au 
an den Pfarrherrn, von den achtundvierzig Yegenten, den Mön 
zu verjagen, ehe er predigte, bei der höchiten Strafe nach Gewohn 
heit des Landes. Alsbald, mit Eilen, 309 der Prior mit de 
Gebot gen Meldorf, überantwortete dasfelbe dem frommen Pfarrher 
in der Nacht: denn er verhoffte, er wolle verhindern, daß Henricu 
predige, denn er wußte wohl, was ihm daran gelegen mar. 
Als der Pfarrherr diefen Brief oder das Gebot las, verwundert 
er fich fehr darüber, da es ungewöhnlich war, daß fich die acht 
undvierzig Regenten mit den Kirchen befümmerten, jo doch d 
Regiment, nach alter Gewohnheit des Landes, der ganzen ein 
gepfarrten Gemeine zugehöret. 

Denn es von einem ganzen £ande befcloffen, in lange 
Brauch geweſen ift, daß eine jegliche Pfarrfirche, nach ihre 
guten Willen einen Pfarrberren oder Prediger zu fegen o 
entfeßen, Gewalt habe. 

Diefen Brief gab der Pfarrherr Henrico zu erfennen un 
zeigte ihm daneben, was des Landes Brauch und Gewohnheit wäre 





















ı „Den anderen fechsundvierzig” — diefe Stelle befundet, daß der Landes 
anzler, der immer ein Geiftliher war, zu den Adhtundvierzigern gehörte. 

* Dieje Beziehung auf den Bifhof von Bremen zeigt, daß die Dith- 
marſcher nicht nur aus religiöfen Gründen, fondern auch ans politifher Rückſicht 
gegen die angebahnte Neuerung fidy einnehmen liegen. Gerade das kirchliche 
Derhältniß zu Bremen war oftmals der Landesfreiheit zu flatten gekommen. 

Nach €. Bamsfort (Weftph. 1) haben die Dominikaner zu Meldorf 
wegen Hs. v. Sütphen auch an den Erzbifchof gefchrieben, und wird vom 
Bremer Stift her der Prior, Aug. Tornebord, feine Inſtruktion in der Sadıe 
erhalten haben. 


346 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Benricus antwortete: Nachdem er von einer ganzen Pfarre, das 
Wort Gottes zu predigen berufen wäre, wolle er derfelbigen 
Berufung nachlommen, fo lange es der ganzen Gemeine wohl» 
gefiel; denn man müfle mehr dem Worte Gottes gehorchen, als 
den Menſchen, Ap.&. 5, 29. Wollte Gott Haben, daß er in 
Didmar fterben folle: der Himmel wäre da fo nahe, als anderswo; 
er müßte doch um Gottes Worts willen einmal fein Blut 
vergießen. 

mit folhem Muth trat er auf des Sontags darnach und 
predigte die erfte Predigt von dem Spruch Pauli, Röm. 1, 9: 
Testis est mihi Deus zc. und von dem Evangelium desjelben 
Tages (kuc. 21, 25—56.) Als die Predigt aus war, ward 
die ganze Gemeine der Pfarre zufammen gefordert und dafelbft 
von dem vorgenannten Prior ein Brief überantwortet von den | 
achtundvierzig NRegenten des Landes, daß fie bei Strafe taufend 
Aheinifcher Gulden den Mönch nicht predigen lafjen follten, und 
daneben mit Vollmacht ibre Kegaten zu der Heide fchiden, denn 
da würde um große Urfache ein ganzes Land zufammmen fommen. 

Als fie diefen Brief hörten lefen, wurden fie faft zornig, daß 
wider alle Kandesgewohnheit ihnen ein folches Gebot gejchehen, 
da Doch jede Pfarrkirche Macht hätte, zum Prediger zu erwählen, 
wen fie wollte; und befchlofjen einträchtig, fie wollten den frommen 
Henricum zu einem Prediger behalten und bejchirmen, denn fie 
waren ganz entzündet von der erften Predigt, die fie gehört hatten. 
Nah Mittag that Henricus die andere Predigt, von dem Spruch 
Pauli Röm. 15,1: Debemus nos, qui potentes etc. — wir, die 
wir flark find ꝛ2c. Auf den Montag darnach fandten die von 
Meldorf ihre Legaten zur Heide und erboten fih zu Recht vor 
jedermann des ganzen Kandes, zeigten daneben an, welch chriftliche 
Predigt fie gehört hätten von Benrico. 

Dabei fchrieb der Pfarrherr den achtundpierzig Regenten des 
Landes, wie weder er noch Henricus der Meinung wären, Auf: 
ruhr zu machen, fondern, das reine Wort Gottes zu lehren; berief 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 347- 


fih, er wollte vor jedermann zu Hecht ftehen mit Bruder Henrico 
es wäre daher feine unterthänige Bitte, fie wollten den Wlönche 
nicht Glauben geben, die un ihres Haſſes und Geizes wille 
die Wahrheit gedächten zu unterdrüden, und das Wort Gotte 
nicht verdammen, fondern die Wahrheit aufs Erfte gründli 
erforfchen und niemand unverhört verdammen. Wäre es dann 
dag fie im Unrecht befunden würden, fo wären fie bereit, ihr 
Strafe zu leiden. Dieſe Erbietung, famt dem Zeugniß, verachteten 
fie und gaben darauf feine Antwort, fondern jedermann redete 
einer dies, der andere das. 

Zuletzt antwortete Peter Dethleves,! als einer von den Aelteften 
Wie wohl faft große Zwietraht in allen Landen wäre de 
Glaubens halber und fie, als die ungelehrten und unverftändigfte 
(in der Sache) dies nicht richten könnten; wäre ihre emitlich 
Meinung, folche Sache bis auf ein fünftiges Eoncilium zu fchieben 
welches, wie fie denn von ihrem Landjchreiber, M. Günther, be 
richtet, in Kurzem gehalten werden folle.e Was dann ihre gute 
Nachbarn halten und glauben würden, dasfelbige gedächten fi 
auch anzunehmen. Wäre aber das Wort Gottes, als man fagt 
nicht klar genug gelehrt und jemand könnte dasfelbe klarer un 
lauterer lehren, jo gedächten fie folches nicht zu verbieten, den 
fie gedächten nur, feinen Aufruhr? im Lande zu leiden: Dahe 
jolle jedermann zufrieden fein und bis auf nächtzufünftige Oſter 
die Sache beruhen lafien: in mittlerer Zeit würde fich’s woh 
ausweifen, was recht und unrecht wäre. Auf folche Antwort wa 
ein jeder zufrieden und zogen die Gefandten von Wleldorf heim 
zeigten an mit großen Sreuden folche Antwort einer ganzen Gemeind 
und Hofften, die Sache folle gut werden. 


! Deter Dethlefs oder Detlefs war von Delve, Dater von Dethlefs 
Junge Johann (Xleocorus). 

® Alfo nicht der £chre wegen, fondern aus politifhen Erwägungen nahm 
ſich das Land der Sache an, wie der Landesbefchluß, den Peter Dethlefs 
hier verkündet, zeigt. 


348 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Am Tage Nicolai Episcopt that er zwei Predigten, die erfte 
von dem Evangelium: Homo quidem nobilis etc. £uc. 19,12 u. f., 
die andere über den Spruch: Plures facti sunt sacerdotes etc., 
Hebr. 7,23, mit folchem Geiſt, daß fich’s jedermann vermwunderte 
und fie mit Sleiß Gott baten, ihnen ſolchen Prediger lange zu 
laffen. Am Tage Eonceptionis Mariä that er auch zwei Predigten 
auf das Evangelium: Liber generationis etc., Matth. 1,1 u. f., 
in welchen er anzeigte die Derheißung von Ehrifto, den Dätern 
zugefagt und was für einen Glauben fie (die Däter) gehabt hätten; 
daneben, wie wir auch in ſolchem Blauben müßten felig werden, 
ohne all unfer Derdienfl. Und das alles mit folchem Geift, daß 
jedermann fih des verwunderte und fie Gott danlten, daß er 
ihnen folchen Prediger gefandt hätte, denn nun fähen fie klar, 
wie fie durch Mönche und Pfaffen verführet worden. Baten ihn 
auch mit Sleiß, er wolle die Weihnachten bei ihnen bleiben und 
alle Tage zweimal predigen, denn fie fürchteten, er würde an 
einen andern Ort gefordert. 

In mittlerer Zeit ruhte der Priror famt M. Johann Snid 
nicht. Denn da der Prior fahe, daß feine Bosheit nicht könnte fort. 
gehen, zog er mit Doctor Wilhelm,! Predigerordens, gen Kunden 
zu den grauen Mönchen, die man Barfüßer nennet oder Minores, 
da Hat und Hülfe zu fuchen, wie er feinen Willen vollenden 
möchte, denn diefelbigen Mönche find fehr gefchict, mit ihrer 
Gleisnerei die Armen, Elenden zu verführen. 

Alsbald jchickten die grauen Mönche nach einigen von den 
Aegenten, als mit Namen Peter Nannen, Peter Swin, Claus 
Roden, und zeigten ihnen mit großen Klagen, wie denn ihre 


ı Man hat den Dr. Wilhelm als Mönch von Kunden bezeichnet, wohl 
weil man gelefen hat: Predigerordens zu Kunden, ftatt gen Kunden. — 
In £unden waren feine Predigermönde. Dr. Wilhelm war von Hamburg 
gefommen, wahrſcheinlich Offizial des Erzbifhofs. Don einem folhen fagt 
Ehyträus, daß er Heinrih von Zütphen habe gefangen nehmen laffen. 
Seine Bremer feinde werden dem Heinrich von Zütphen nachgefpürt haben. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 152%. 349 


Bewohnheit ift, wie der Keßer predige und das Dolf verführe 
mwelches ihm zum Theil anhängig wäre; wenn fie nicht dazu ſehe 
würden und den Keßer umbrächten, fo würde Mariä Cob fam 
den zwei heiligen Klöftern zu Boden gehen. Das war die Schrift 
womit fie den Keßer gedachten umzubringen, wie denn gefchah 
Als die anderen unverfländigen Keute das höreten, wurden fi 
zornig und antwortete darauf Peter Swin: Mann hätte de 
Pfarrherrn famt Henrico gefchriben, wes fie fih Halten follten 
wäre es von nöthen, jo wollten fie noch einmal jchreiben.! 

Antwortete der Prior: Nein, ihr müßt der Sache anders 
beilommen. Beginnt ihr, dem Ketzer zu fchreiben, fo wird 
euch antworten und ihr würdet ohne Zweifel auch mit in did 
Keßerei fommen, ehe ihr’s gewahr würdet, denn würde er 
Wort fommen, möchte man ihm nichts anhaben. Da befchlofje 
fie einen Rath, dag man ihn in der Nacht heimlich müßte fange 
und alsbald verbrennen, ehe es das Land inne würde und er 3 
Wort fäme. Solcher Rath gefiehl ihnen allen wohl und jonderli 
den grauen Mönchen. Auf folchen Rath wollte Peter Tannen 
als ein fonderlicher Sreund des Priors, den Dank verdienen, 30 
3m fich etliche Ammeral aus anderen Kirchfpielen, mit Rath un 
Hülfe M. Gunther's. 

Man follte hier billig der Namen jchonen; nachdem fie abe 
Ehre gefucht haben zu erlangen, muß man fie ihrer Ehre nich 
berauben.? Das find die Namen der Bauptleute: Peter Tannen 
Peter Swins Sohn, Henning, zu Lunden, Johann Holm, £oren 
Dennemann, Ludwig Hennemann, Boftel Johann, Bojen Llau 








ı &s erhellt, daß Peter Swyn der Sache ziemlich fühl gegenüberftand. 
Er wird auch nicht unter den Hauptleuten, die bei Heinrichs von Zütphen 
folgender Geſchichte thätig waren, genannt, während er fonft überall voran- 
trat, „der vornehmfte unter den Achtundvierzigern”, den „Hovetlüden.“ 

® Die betreffenden Namen find durch Derfehen der Abfchreiber oder 
der Seßer zum heil entftellt in den gedruckten Nachrichten angegeben. 
Bier find fie nad Neocorus und anderen dithmarfcher Chroniften richtig 
geftellt. 


350 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


von Weslingburen, Grote Johann zu Wafenhufen, Marquard 
Krämer zu Bennftedt, Kütle Johann zu Weſſling, Peter Grot, 
Dogt zu Hemmingftedt. Diefe Hauptleute, famt den andern, die 
fie bei fich Hatten, wurden gefordert auf die Pfarre zu Neuen⸗ 
firchen, und famen in M. Sünther’s,! des Schreibers, Baus zu⸗ 
jammen, hielten Rath, wie fie ihn fingen und nicht zu Wort 
fommen ließen, denn das Urtheil war fchon befchlofien, daß fie 
den fronmen, gottjeligen Henricum verbrennen wollten. 

Beichieden ſich deshalb zuſammen auf den anderen Tag nadı 
Conceptionis gen Hemmingftedt, eine halbe Meile von Wleldorf, 
belegten mit Sleiß die Straßen nach Meldorf, daß fie (die Mel⸗ 
dorfer) niemand warnete. Es ward auch verordnet, daß auf 
allen Dörfern, wenn die Nacht fomme und man Ave Maria 
läutete, man ſich verfammle. An fünfhundert Bauern kamen 
dann zufammen. Als fie verfammelt waren, ward Öffentlih an- 
gezeigt, aus welcher Urfache fie gerufen worden. Denn niemand 
als die Hauptleute, wußte die Urfache und was fie thun follten. Als 
der gemeine Mann das hörte, wollten fie zurüdziehen und fo 
böfe That nicht begehen. Aber die Hauptleute geboten ihnen bei 
Leib und Gut, fortzuziehen. Hatten aud dafelbft gefoffen drei 
Tonnen Kamburger Bier, daß fie defto muthiger wären. Und 
famen in der Mitternacht, um zwölf Schläge, mit gemwappneter 
Hand gen Meldorf. 

Die Jacobiter oder Predigermönche gaben ihnen Kichte und 
Sadeln, daß fie ja fehen Fönnten und der gute Henricus ihnen 
nicht entlaufe. Batten auch einen Derräther bei fich, mit Yamen 
Hennigs Bans, welcher Alles verrathen hatte; fielen mit Gewalt 


! Aus Mißverftand diefer Stelle hat man den Magifter Günther 
Werner unter die Prediger zu Nenenkirchen gerehnet. Allein Günther 
Werner war niemals Prediger, wenn er auch Geiftliher war. Er fol 
aber zu Xeuenfirhen einen Hof gehabt haben. Als Landfanzler hatte er 
feinen Sig in Beide, wofelbft er auch ftarb, 22. März 1546. (Conv. Bolen 
Kalender bei Fehſe, Anh., 38.) 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 351 


in die Pfarre, zerjchlugen alles, was da war, als der vollen un 
jinnigen Bauern Gewohnheit ift, Kannen, Keffel, Kleider, Becher 
was fie aber fanden an Silber und Bold, nahmen fie mit. Siele 
auch zu dem Pfarrherrn ein mit Gewalt, hieben und ftachen un 
jchrien: ſchlag todt, fchlag todt! Einige von ihnen ftießen ihn au 
die Straße, nadt in den Dred, und nahmen ihn gefangen; e 
follte mit ihnen gehen. Die Anderen fchrien, man folle ihn gehe 
laffen, denn fie hätten feinen Befehl, ihn zu fangen. Darnadı 
als fie ihren Muthwillen an dem Pfarrherrn geübt batten, fiele 
fie zu dem guten Bruder Henrich und nahmen ihn nadt aus dent 
Bett, fchlugen, ftachen, nach der Weife unfinniger, voller Bauern 
und banden ihm die Hände hart auf den Rücken, zogen un 
ftiegen ihn aljo lange, daß auch Peter Nannen mit Barmherzigkeit 
bewegt ward, der fonjt ein giftiger Seind des Wortes Gotte 
war, und fagte, man folle ihn gehen lafjen, er würde woh 
folgen; befohlen ihn dann Balke Johann,! ihn zu leiten, der ihr 
mehr fchleppte, als führte. Als fie ihn gen Hemmingſtedt brachten 
fragten fie ihn, wie er in’s Land gefommen wäre und was e 
da fuhe? Er antwortete freundlich mit der Wahrheit, fo daß fi 
auch bewegt wurden und riefen: Nur weg mit ihm; wenn wi 
ihn lange hörten, würden wir mit ihm Keßer werden. Da b 
gehrte er, dag man ihn auf ein Pferd feen wolle, weil er jeht 
müde und matt war und feine Süße ganz wund waren, nachdem 
er in der Kälte im Eife die Nacht nadt und barfuß * 
und geführt war. 

Als ſie das hörten ſpotteten ſie und verlachten ihn un 
ſprachen: Ob man dem Ketzer Pferde halten ſolle, er müße do 
wohl laufen; fchleppten ihn alfo die Nacht bis zu der Heid 


ı „Balke Johann—toh £eiden,” heifeer bei Renner, jagt Bolten und 
meint, daß das etwa Kieth fein folle (III, 266.) Es dürfte hier wohl heißen: 
geven ehn Balfe Johann tho leiden, d. i. ihn zu leiten, und Bolten ift 
auch hier aus Unkunde im Plattdentfhen irre gegangen in feinen Kon- 
jefturen. 


39 2 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Da bradten fie ihn in eines Mannes Haus mit Namen Raldenes 
und wollten ihm einen Stocd mit eifernen Ketten angelegt haben. 
Aber der Hauspater hatte Mitleid und wollte folches nicht leiden. 
Da er ihren Muthwillen nicht gejtatten wollte, brachten fie den 
guten Henrich in eines Paffen Haus mit Namen Herr Reimer 
Hozeden, ein Diener des Officials von Hamburg, jchlofjen ihn in 
einen Keller und gaben ihn den vollen Bauern zu verwahren, 
die ihn fortan die ganze Nacht verjpotteten und verhöhnten. Unter 
Anderen fam zu ihm Herr Simon,! Pfarrherr von Oldenworden, 
und Herr Ehriftian, Pfarrherr von Der neuen Kirchen, beide faft 
ungelehrte Derfolger des Wortes Gottes, fragten ihn, aus welcher 
Urjache er das heilige Kleid abgelegt hättep Welchen er freundlich 
aus der Schrift antwortete; aber fie verftanden es nicht, was 
er jagte. 

Auch fam zu ihm M. Günther und fragte ihn, ob er wolle 
lieber an den Biſchof von Bremen gefchicdt fein oder in Didmar 
jeinen Lohn empfangen? Darauf antwortete Henricus: Habe ich 
etwas unchriftliches gelehrt oder gehandelt, Fönnten fie mich wol 
darum ftrafen; der Wille Gottes gefchehe. Antwortete M. Günther: 
Hört, liebe Sreunde, er will in Didmar fterben. Aber das Volk 
insgemein wartete die ganze Wacht des Saufens.. Des Morgens 
um achte gingen fie auf den Markt zu Rath, was zu thun ftände? 
Da riefen die vollen Bauern: Immer verbrannt, zum Feuer zu | 
jo werden wir heute vor Gott und den £euten Ehre gewinnen; 
denn je länger wir ihn leben laſſen, defto mehr er mit feiner 
‚Keßerei verkehrt. Was hilft viel langes Bedentn? Er muß 
‚doch fterben. Alfo ward der gute Heinrich unverhört zum Seuer 
verdammt. 

Darnach ward ausgerufen: Alle, die ihn hätten fangen helfen, 
jollten mit ihrer Wehr mit zum Feuer hinausziehen. Da waren 
auch die grauen Mönche oder Barfüfler, die ftärften die armen 





" Simon Mofellage, der noch 1529 als Pfarrherr zu Oldenwöhrden 
gefunden wird. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 355 


£eute und Sprachen: Jeßt geht ihr der Sache recht nah! un 
Hegten das arme, elende, trunfene Doll. Da nahmen fie ihn un 
banden ihn an Bals, Süflen und Händen und führten im mi 
großem Gefchrei zum Seuer. Als dies gefchah, ftand eine Fra 
im ihrer Hausthür und fah diefes Elend und den Jammer un 
begann bitterlich zu weinen; da fagte der gute Benricus 3 
ihr: £iebe Srau, weinet nicht über mih. Als er an die Sta 
kam, da das Feuer bereitet war, feßte er fich nieder vor große 
Schwäche. Da kam der Dogt, Schoeters Maes, durch Geld daz 
erfauft, wie man glaublich fagt, verdammte den guten Brud 
Beinrich mit diefer Sentenz oder Urtheil zum Feuer: Diefer Böſe 
wicht hat gepredigt wider die Mutter Gottes und wider de 
Ehriftenglauben, aus welcher Urfache ich ihn verurtheile vo 
wegen meines gnädigen Herrn, Bifchofen von Bremen, zum Sener 
Der gute Bruder Heinrich antwortete: Das habe ich nicht gethan 
doch, Herr, Dein Wille gefchehe; richtete die Augen gen Himme 
und fprach: Herr, vergieb ihnen, denn fie wiffen nicht, was fi 
thun. Dein Name ift allein heilig, himmlifcher Pater! 

Da ging hinzu eine gute chriftliche Srau, Llaus Junge 
Stau, mit Namen Wiebe (Wiebke), eine Tochter Peter Nannen, 
wohnhaft zu Meldorf, vor das Seuer, und erbot fih, man fol 
fie zur Staupen fchlagen, auf daß ihr Som gebüßt würde, daz 
wollte fie taufend Gulden geben, man folle den Mann nur wiede 
einfegen bis auf den nächften Montag, daß er von dem ganze 
£ande verhört würde und dann verbrannt. Da fie das hörten 




















? Sie war nad Kreyenfamp, Leichenpr. auf Elf. Wittmad, geb. Bruhn, 
Scdleswig 1664,4, eine Tochter von Peters Hans Nann zu hemmerwurth, 
Schwefter des in Beinrids von Zütphen Gefchichte genannten Peter ann. 
Als des Letzteren Tochter Fönnte fie in den Jahren furz vor 1500 früheftens 
geboren fein, als Elaus Junge, ihr Mann, fchon ein alter Adytundpier- 
3iger war. Es wird hier ein Drud- oder Schreibfehler vorliegen und es 
heißen follen: Cochter von Peters Hans Hann oder: Schwefter von 
Peter Hann. — Neocorus II, 25, nennt fle ausdrädlih eine Schwefter 
von Deter Hann. 


Ditkmarfcher Befchichte. 25 


354 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 

























urden fie rafend und unfinnig, fchlugen die Srau zur Erden und 
traten fie mit Süßen und fchlugen mit aller Gewalt auf den guten 
Märtyrer Ehrifi. Einer fchlug ihn mit einem Stoßdegen in den 
Hirnfchädel. Aber Johann Holm von der neuen Kirchen fchlug 
ihn mit einem Saufthammer ; die anderen ftachen ihn in die Seiten, 
in den Rüden, in die Arme, wo fie ihm nur erreichen fonnten, 
und nicht einmal nur, fondern fo oft, als er beganı zu reden. 

Da ermahnte und hette das Dolf M. Günter, rief die Leute 
an und fprac: frei zu, liebe Gefellen, hier mwohnet Gott Bei. 
Darnach brachte derfelbe M. Günter einen ungelehrten grauen 
Mönch zu ihm, daß er beichten folle. Uber zu dem ſprach der 
Märtyrer Ehrifti: Bruder, habe ih Dir auch je was zu leide 
gethan oder je Dich erzümt? Der Mönch antwortete: Nein. Da 
fprach der gute Bruder Heinrich: Was foll ich Dir denn beichten, 
daß Du mir vergeben follteft?! Der graue Mönch fchämte fich 
nun und trat zurüd. Das Seuer aber wollte nicht brennen, jo 
oft fie es auch anzündeten. Nichts deftoweniger übten fie ihren 
Muthwillen an ihm und fchlugen ihn mit Helleparten und Spieflen. 
Das verzog fidh wol zwei Stunden lang, in welcher Zeit er im 
Hemd nadft vor den Bauern ftand, mit gen Himmel erhobenen 
Augen. Zuletzt nahmen fie eine große Leiter, auf die fie ihn 
hart banden, um ihn in’s Seuer zu werfen. Da hob der gute 
ärtyrer Chrifti an, feinen Glauben zu fprechen. &s jchlug aber 
einer ihn mit der Sauft auf's Maul und fprah: Erft folle er 
brennen, darnach möchte er lefen, was er wollte. Da trat einer 
mit dem Suß auf feine Bruft und band ihn alfo hart an eine 
Sproſſe an feinem Bals, dag ihm Mund und Naſe biutete, auf 
daß er erfliden follte; denn er fahe, daß er von fo vielen Wunden 
noch nicht fterben konnte. 

: Man hat in diefen Worten eine eigenartige Auffaffung Heinrichs von 
Sütphen von der Beichte erblidlen wollen; allein man hat hier;zu erwägen, daß 
eben die Mönche die Urheber des Unglüds waren und diefelben in feiner 


Beichte die Rechtfertigung ihres Chuns ſuchen modıten, daher eben jene 
Worte den Mönd bewogen, ſich zu fchämen. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 355 


Darnach richteten fie ihn auf mit der Leiter. Da jeßte eine 


die Belleparte an die Leiter, diefelbige helfen aufzurichten, denn 


das Land hat feinen Scharfrichter. Da glitt die Helleparte vo 
der Leiter ab und durchftach den heiligen Märtyrer mitten durch 
Warfen alfo den guten Mann mit der Leiter auf das Holz. Abe 
die Leiter jprang zur Seite ab. Da lief Johann Holm zu, nah 
den Saufthammer und fchlug ihn auf die Bruft, fo lange, bis e 
ftarb und fich nicht mehr regte. Brieten ihn alfo auf den Kohlen 
denn das Holz wollte nicht brennen. 

Das ift fürzlih die wahre Biftorie von dem Leiden de 
heiligen Märtyrers Heinrici von Zütphen.“ 

Diefen Bericht über Heinrich von Zütphen überfandte Luther 
den Bremern mit folgendem, für die dithmarfjcher Reformations- 
gefchichte ebenfalls in mancher Rückficht dienlichen Begleit- oder 
Sendfchreiben: 

„Martinus Luther, Ecclefiaftes zu Wittenberg, allen lieben 
Gottes auserwählten $reunden in Ehrifto zu Bremen. 

Gnade und Sriede von Gott unjerm Dater und Herrn Jeſu 
Chriſto. Allerliebſte in Chriſto, ich habe die Geſchichte und Marter 
des ſeligen Bruders Heinrich von Zütphen, eures Evangeliſten 
die ich durch glaubwürdige fromme £eute habe laſſen erfunden 
und eigentlich erfahren, nicht mögen alfo laffen im Sinftern oder 
Sweifel verborgen liegen, ſondern gedacht, fie an den Tag zu 
bringen, zu Lob und Ehren der göttlichen Gnade, welche zu diefer 
Seit jo reichlich uns Derdammten, Derlornen und Unwürdigen 
gegeben ift, dag wir nicht allein das lautere Wort Gottes haben, 
hören und lejen, und auch an vielen Orten wie die helle Sonn 
jehen aufgehen, fondern auch den Geiſt Gottes daneben fühle 
und fpüren mit fräftigen und mächtigen Thaten folches jein Wort 
wie er von Anbegin gepflegt, beweifen und beftätigen. Sonderli | 
darin, daß er jo muthige und freie Herzen macht, daß beide, 
Prediger und Hörer, an vielen Orten die Zahl der Heiligen täglich 
mehr und größer machen, da etliche ihr Blut vergiegen, etliche: 

25° 


—— — — 


356 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


‚gefangen, etliche von dem Ihren verjagt und allefamt die Schmach 
des Kreuzes Ehrifti tragen, und nun wiederfommen ift die Geftalt 
eines rechten chriftlichen £ebens, das mit Keiden und Derfolgung 
vor der Welt greulich ift anzufehen, aber Föjtlich und theuer vor 
Gottes Augen, wie der Pfalter jpricht: Köftlich ift vor dem Herrn 
der Tod feiner Beiligen, und abermal: Ihr Blut ift Föftlich vor 
feinen Augen. 
Unter welchen freilich diefer euer Henricus Sütphen am aller: 
hellften leuchtet, der fo eine fchändliche Marter um Gottes Worts 
willen in Diedmar erlitten und das Evangelium mit feinem Blute 
jo mäcdhtiglich beftätiget hat. Wiewol die zwei, Johannes und 
Henricus zu Brüffel, auch helle Kichter worden find, durch 
jolchen fchönen Tod, darin fie geopfert find Gott zum Opfer 
eines ſüſſen Geruchs. Bierher gehört auch Laspar Tauber, 
zu Wien verbrannt, und Georg Buchführer, in Ungarn. Und 
jegt neulich, wie ich berichtet bin, zu Prag in Böhmen einer 
verbrannt ift, weil er feinen Orden verlafjen — den Orden der 
unreinen Keufchheit, und fich begeben in den göttlichen Eheftand, 
den Orden der reinen Keufchheit. Diefe und ihres Gleichen find 
| ‚ die mit ihrem Blut das Papftthum, famt feinem Gott, den 
eufel, erfäufen werden. Sie find’s auch, die das Wort Gottes 
ider die unreinen Schänder, die neuen falfchen Propheten, die 
jeßt fich allenthalben regen und einreißen, rein und lauter erhalten 
erden. Denn Gott aus Gnaden ohne Zweifel fie darum läßet 
fterben und ihr Blut vergießen zu diejer Zeit, da fich noch mancherlei 
rrthümer und Rotten erheben, daß er uns warne und durch fie 
ezeuge, daß das die rechte Lehre jei, worin der rechte Geiſt ge- 
eben wird, welche fie gelehrt und gehalten haben und darüber 
geftorben find und die fie mit ihrer Marter bezeuget haben; wie 
vor Seiten auch die heiliger Märtyrer um des Evangeliums 
willen ftarben und uns dasfelbe mit ihrem Blut verfiegelten und 
gewiß machten. 
Solchen Ruhm haben noch nie mögen haben diejenigen, die 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 397 


von Werfen, Mlenfchengerechtigteit und freiem Willen die Mel 
gelehret und verführet haben. Un folcher Kehre willen t8dtet de 
Teufel niemand, fann fie wohl leiden, ja giebt ihren £ehrern 
großen Reichthum, Ehre und Gewalt diefer Welt, daß fie Ruh 
haben und füßes £eben führen. Und ob fie darüber flürben, find 
fie nicht Gottes Märtyrer, fondern ihrer felbft und des Teufels 
wie auch die Heiden um zeitlich Recht, But und Ehre geftorb 
find, wie Paulus fagt, Röm.5, 7, dag um Guts vielleicht jeman 
möchte fterben, das ift un allerlei willen, das die Welt Gu 
nennet als Reichthum, Ehre, Gewalt. Denn um Rechts willen 
faum jemand ftirbet. Aber um Gottes Worts und Glaubens willen 
fterben, das ift der theure, Föftliche, edle Tod, der alleine Gottes 
Kindern zuftehet. Denn folches Sterben in und mit fich bringet 
dag man für die Ungerechten und eben für die, die den Tod an 
legen, ftirbt, und für fie im Sterben bittet, wie es Ehriftus getha 
hat nach ef. 53, 12: Und er bat für die Mebertreter. Daru 
lefen wir auch fein Erempel, daß je ein Ehrift geftorben fei u 
der Lehre willen vom freien Willen und von Werfen oder u 
etwas anderes, als um des Wortes Goltes willen. 

Weil denn nun der barmherzjige Gott euch zu Bremen f 
gnädiglich heimfucht und fo nahe bei euch ift, dazu feinen Geif 
und feine Kraft fo fcheinbarlich unter euch in diefem Henric 
erzeigt hat, daß ihr’s greifen möchtet, habe ich es für gut an 
gejehen, feine Befchichte und fein Leiden an euch zu fchreiben un 
auszulaffen, auf daß ich euer Herz ermahne in Ehrifto, daß ih 
nicht betrübt jeid, noch feinen Mördern in Diedmar übel nashredet 
jondern fröhlich feid und Bott danket und lobet, der euch würdi 
gemacht hat, folche feine Wunder und Gnaden zu fehen und 3 
haben. Denn feinen Mördern ift fchon allzuviel und zu gro 
vergolten, daß fie ihre Hände jo jämmerlich mit dem unfchuldige 
Blute befledt und fich vor Bott fo hoch und fchredlich verfchulde 
haben, alfo dag vielmehr Noth ift, über fie zu weinen und 3 
Magen, als über den feligen Henricum, und für fie zu bitten, da 















358 Dritter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


nicht allein fie, fondern das ganze Dietmarifche Cand befehrt 
werde und zur Erfenntniß der Wahrheit fomme. 

Welche Srucht tröftlich zu Hoffen if, daß fie folgen werde 
aus diefem Keiden Benrici, fonderlich weil bereits viele in dem- 
felbigen Kande des Evangeliums begierig find und denen leid ift 
folcher Mord, unter ihnen begangen. Denn Bott, der den feligen 
Benricum hat wollen da laſſen leiden, hat’s freilich im Sinn, daß 
er nicht allein die Gottlofen, die fich nicht befehren, ftrafen will, 
fondern folchen Mord auch vielen in demfelben Cande heilſam 
machen und ihnen dadurch zum ewigen Keben helfen. 

Derohalben bitte und befehle ich euch, in Ddiefem Fall den 
9. Pfalm zu fingen und zu leſen, welcher eben und eigentlich 
hierher gehört, fo dag man über die Märtyrer nicht betrübt fei, 
fondern fröhlich Bott lobe, um der Srucht willen, die Bott durch 
ihre Marter auf Erden wirkt. Und foll mich zwar nicht ver: 
drießen, denfelben famt euch gegenwärtig im Geift zu überfingen 
und fürzlich auszulegen.! 


Eine furze Auslegung des IX, Pfalms 
von den Märtyrern Ehrifti. 


Ein Pfalm Davids hoch zu fingen, von der Jugend des Sohnes. 

Der Titel zeigt, wovon der Pfalm finget und wie er zu fingen fei. 
Hoch fol man ihn fingen, das ift fröhlih und mit Luſt, und von der 
Jugend des Sohnes, das ift von den Märtyrern Ehrifti, des Sohnes Gottes, 
welche find feine jungen ftarfen Leute durch den Glauben, im Lode recht 
völlig worden. 

D.ı. Ich danke dem Herrn von ganzem Berzen und will Deine 
Wunder erzählen. 

Diefe Wunder find, wie hernad folgt, daß Bott die Welt zwinget 
und ?ehret, nicht mit Bewalt, fondern durchs Blut und Sterben feiner 
Beiligen und überwindet die Kebendigen durch die Sterbenden und Codten. 
Das ift ein wunderlicdher Sieg. 


! Die folgende Auslegung, die allerdings den £uther als einen Doktor 
der heiligen Schrift zeigt, Dem, der’s zu finden vermag, thut zwar zur Ge⸗ 
{dichte eigentlich nichts hinzu; allein des Sufammenhanges und der Doll- 
ftändigfeit wegen wird fie mitgenommen, und in diefer Rüdficht liegt fie 
dann wieder dem Befchichtlihen hier nahe genug. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 359 


D.2. Ich freue mich und bin fröhlich in Dir und lobe Deinen Namen/ 
Du Allerhöchſter. 

Sein Name iſt auch wunderlich, gleichwie das Werk, denn vom Werl 
hat er den Namen, daß er durch den Tod das Keben fördert und damit 7 
einen Herrn fich bemeifet über Leben und Tod. Röm. 14, 9. 

D.3. Daß Du meine feinde hinter fi getrieben haft: fie find ge4 
fallen und umgefommen vor Deinem Angefidt. 

Ein felig Treiben, fallen und Umkommen, weldyes von Gottes An 
geſicht, d. i. durdy feiner Gnaden Erfenntniß, fommt, da die Gottlofen fd 
fallen, daß fle aufftehen und felig werden. j 

D. 4. Denn Du haft mein Reht und meine Sahe ausgeführt, Du 
fiteft auf dem Stuhl, ein rechter Aichter. 

Die Sache ift das Wort Gottes, darüber uns feind find die Bottlofen) 
Aber Gott führt es hinaus, daß unfere Lehre recht bleibt und jene 3 
Schanden werden. Denn er ift ein rechter Richter: Def tröften wir uns 
daß er unfere rechte Sache nicht laſſen kann. 

D.5. Du ſchiltſt die Heiden und bringefi um die Bottlofen, ihren 
,Vamen vertilgeſt Du immer und ewiglich. 

Alſo führſt Du meine Sache aus, daß Du durch Dein Wort ſie ſtraf 
und bekehreſt und all ihr Ding zunichte macheſt, daß man's nicht mehr achtet 

D. 6. Die Schwerter des Feindes haben ein Ende, die Städte kehre 
Du um, ihr Bedädtniß ift weg mit ihnen. 

Das ift, fie laffen ab vom Derfolgen und werden gläubig, daß fid 
nicht mehr ihr voriges Weſen preifen oder desfelben gedenken. 

D. 2. Der Berr aber bleibet ewiglih, er hat feinen Stuhl bereite 

zum Öeridt. 
Das ift, fein Wort und Neich befteht und verdamnet alle Gottloſe 
mit ihrem Wefen. 

D.8. Er richtet den Erdboden mit Recht und regieret die Kandt 
aufrichtiglich. 

Das ift, durch fein Wort führet und lehret er die Welt recht und wohl 

D.9. Der Herr ift der Armen Schuß, ein Schuß zur Seit der Zioth 

Denn ob er ſchon uns läßt anfechten und etliche tödten, fo fchüßet er fi 
doch geiftlich, daß fie muthig find und den Tod nicht fürchten, fondern ih 
überwinden. Dazu erhält er doch daneben, dag wir nicht alle umlommen 
wie die Bottlofen gern wollten. Und bleibt alfo immerdar fein Eäuflei 
und nimmt zu. 

D. 10. Darum hoffen auf Did, die Deinen Namen Pennen; den 
Du verläffeft nicht, Herr, die Dich fuchen. 

Das iſt ein großer Troß und Troft, daß Bott uns zufagt, er verlafl 
nicht, die nach ihm fragen, das find, die fein Wort haben, darinnen fei 
,Vame erkannt und gepriefen wird, nicht unfer Chun oder ame, wie di 
Werfheiligen thun. 


360 Dritter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


D. 11. £obet den Herrn, der zu Sion wohnet, verfündiget unter den 
Keuten fein Chun. 

Das ift, fuchet und preifet nur feinen Namen, prediget fein Dort, 
fo wird er wiederum eudy ſuchen und preifen, wie folget. 

D. ı2. Denn er gedentt und fraget nad ihrem Blut, er vergiffet 
nicht des Schreiens der Armen. 

Er läffet fie tödten und ihr Blut vergießen, ftellet fi, als habe er 
ihrer vergeſſen; aber er gedenket gewaltiglih an fie und fchafft, daß ihr 
Blut gerädt wird, alfo, daß der Gläubigen immer mehr wird und der 
Gottlofen weniger, je mehr fie Blut vergießen. 

D. ı3. Sei mir, Herr, gnädig, fiche an mein Elend unter den Seinden, 
der Du mich erhebeft aus den Thoren des Todes. 

Das ift, fahre fort, wie Du angefangen haft, und hilf immer weiter, 
daß wir durdy den Tod mehr werden. Denn Deiner Art ift, daß Du aus 
des Todes Choren, aus der Gewalt derer, die da tödten, helfeft und fie 
unterdrüdeft. 

D. 14. Auf daß ich erzähle alle Deine Ehre in den Thoren der 
Töchter Sion, daß ich fröhlich fei in Deinem Beil. 

Daß ih aud je mehr fortan zu loben habe, je mehr Du hilfft, damit 
Dein Name und Deine Ehre immer größer werde bei den Blänbigen, wie folgt. 

D. 15. Die Heiden find verfunfen in der Grube, die fie zugerichtet, 
ihr Fuß ift gefangen in dem Netz, das fie geftellt hatten. 

Das ift, mit ihrem Tödten und Derfolgen tödten fie fich felbft und 
bringen fidy felbft um. Denn Gott madt dadurd fein Wort ftärfer, daß 
es mehr £ente befehret, als fonft. 

D. ı6. Der Herr ift erfannt, daß er Recht fchafft; der Gottlofe ift 
verftridt im Werf feiner Hände. 

Er verläßt ja nicht fein Wort, fondern madt’s zulett offenbar, daß 
es recht fei und die Gottlofen mit ihren eigenen Worten und Sprüchen 
gefangen werden. 

V. 17. Es müffen die Gottlofen zur Hölle gefehret werden, alle 
Heiden, die Gottes vergeſſen. 

So follen wir wider fie bitten, daß fie Bott im Bemiffen rühre und 
durch unfer Wort erfchrede, daß fie auch herzufommen. 

D. ı8. Denn er vergiffet der Armen nicht fo gar und der Elenden 
Boffnung wird nicht ewiglich verloren fein. 

Soldyes wollten wohl gerne die Gottlofen, und Gott läffets auch fo 
anfehen und die Gottlofen obliegen. Aber er tröftet uns hier, daß wir 
nidt nach dem Anfehen uns follen richten, fondern nady feinem Wort. 

D. 19. Berr, ftehe auf, daß Menſchen nicht Ueberhand Priegen: laß 
alle Heiden vor Dir gerichtet werden. 

Das ift, wie Du geredet, fo thue, und laß Dein Wort weit erfchallen 
unter allen Heiden, daß fle im Bemwiffen verdammt nud erfchredit werden. 


Don 1500 bis zum Anfange der Reformation — 1524. 361 


D. 20. Seße ihnen, Herr, einen Xehrer, daß die Heiden erkennen) 
daß fie Menſchen find. f 

Wer fi als einen Menfchen erfennt, der weiß, daß er nichts un 
eitel ift vor Gott; darum läßt er fein Toben und feine Dermeffenheit wohl, 
und ift demüthig, von jedermann zu lernen. Soldye Erfenntniß aber bring 
das Wort, daß Außerlich gepredigte. Darum fordert er Kehrer dazu, wi 
Ehriftus fpridt: Bittet den Hausvater, daß er Arbeiter in feine Erndt 
fende, Matth. 9, 38; nicht will er mit Beiftern ohne Lehre oder äußerliche 
Wort an uns handeln, wie jett etliche tolle Propheten narren. | 

Alfo fehet ihr Hier, meine lieben Herren und Sreunde, wi 
diefer Pfalm euch tröftet und hoffen heißt, daß durch das theure 
Blut Henrici Gott viel Gutes und Nutzes fchaffen wird. Darum 
lafjet euch tröften durch folch göttlichen Troft und helfet bitten, 
mit diefem Pfalm, daß fein Name geheiliget und fein Reich ver- 
mehrt werde. | 

Ich bitte euh um Gottes willen, wollet die Keutlein in 
Dietmar euch lafjen befohlen fein, fie freundlich tröften, und helfen, 
daß fie auch herzulommen. Denn ich höre, daß es Dielen auße 
der Maßen leid fei, ſolch Unglüd, durch die Mönche in ihre 
Lande angerichte. Das ift ein guter Funke, von Gott angeftedt. 
Da will wol ein gut Seuer daraus werden, wenn ihr mit freund: 
lichem fanften Geift daran handelt, daß er nicht ausgelöfcht werde. 

Laffet euch auch Jacobum Probit,! euren Prediger, fowie die 
Andern, befohlen fein, welchen Gott mit euch allen Stärfe un 
Gnade gebe, daß ihr bei der Kehre, durch Henrici Blut verfiegelt 
bleibet, und wenn es Gott fordert, ihm fröhlich nachfolget. 

Es grüßen euch unfere Brüder alle in Ehrifte. Bittet für 
uns. Gottes Bnade fei mit euch. Amen. Anno 1525.“ 











Daß es Dielen im Lande leid war, daß folder Mord unter 
ihnen gefchehen, bezeugt auch Muhlius, indem er nach einheimijchen, 
Dithmarfcher Skriptoren anführt, wie Heinrich von Zütphen um- 


ı Jacob Probft ift Jacob von Vpern, der den Bremern von Heinrich 
von Fütphen empfohlen ward und der dann erfter evangelifher Paflor an 
der Marienfirhe zu Bremen wurde, 


362 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


gebracht worden, „ane Weten und Willen des Süderftrandes und 
des Karfpels Meldorp, wo denn oc etlide Karjpel des Norder- 
firandes nicht fchölen darin gemwilligt hebben". 


Vierte Abtheilung. 
Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 
Erfte Cheilung Dithmarfchens. 

Durch Beinrichs von Zütphen Tod ward der Sortgang der 
Reformation in Dithmarfchen unterbrochen und gehemmt. Indes 
war M. Nicolaus Boje zu Meldorf noch da. Diefem fchloß fich 
fein Bruder Marquard Boje (Boetius Marquardi), Ditar zu Bruns- 
büttel, der ebenfalls in Wittenberg ftudirt und Luther gehört Hatte, 
ſowie deſſen Amtsgenofje, Hinrich Diemerbrod, Paftor zu Bruns» 
büttel, an. Zu dieſen gefellte fich der Difar Nicolaus Boje zu 
Weflelburen, ein Detter der vorgenannten beiden Bojen, der zum 
Unterfchted von feinem Meldorfer Detter, als der ältere von beiden, 
gewöhnlih Nicolaus Boje fenior Heißt. Diefer Weſſelburner 
Nicolaus Boje wirkte noch bedeutender als feine beiden Dettern. 
Mit großer Kraft und Eindringlichfeit predigte er das Evangelium 
in feinem eigenen Haufe, zu Südojten am Kirchhofe, anfangs nur 
feinen Hausgenofien und guten Sreunden, endlich Allen, die zu 
hören £uft Hatten. Die Zahl jener Hörer wuchs immer mehr, 
jo daß die Kirche bald leer wurde. Man bedrohte Diejenigen, die 
zu feinen Predigten fich einfinden würden, mit Brüchen. Seine 
Gegner, darunter feine eigenen Gefchlechtsvettern,! ftellten ihm 
ernftlich nach dem Leben, fo daß er fich einige Male im Brunnen 
verborgen halten mußte. Durch Klugheit, Sreundlichfeit und Beredt- 
fanıfeit gewann er aber fchließlich auch feine erbittertften Gegner. 
Ein bewaffneter Haufe feiner Befchlechtsvettern, der ihm gewaltfam 


ı Nicolaus Boje fenior war aus dem Xordervogdemanns-Befchlecht, 
M. Xicolaus Boje aus dem Südervogdemanns-Befclect. 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 363 


ins Haus drang, um fich feiner zu entledigen, wurde durch fein 
unerfchrodenes, freundliches Wejen jo aus der Safjung gebradt, 
dag Niemand aus demfelben ihn frei anzublicken vermochte und 
man bejchämt von dannen ging. Als eines Tages große Scharen, 
auch aus anderen Kirchfpielen, famen, um Nicol. Boje zu hören, 
begaben fich zwei Achtundvierziger des Kirchfpiels Weffelburen, 
Elaus Marquard Barring und Bojen Elaus Thomas, ! auf den 
Churm, um zu fehen, wer die Hinftrömenden wären. Claus 
Marquard Harring wird neugierig, zu erfahren, was der Ketzer 
denn eigentlich Anziehendes zu predigen wiſſe. Er fleigt vom 
Thurm und geht in die Derfammlung, wo Boje redet. Die Predigt 
zieht ihn an, fo daß er als Freund der Reformation die Derfammlung 
verläßt. un war es hier in Weffelburen mit dem Papftthum 
bald vorbei. Nicol. Boje fenior wurde zum Öffentlichen Prediger 
an der dortigen Kirche berufen. Doch lebte er auch als Paftor, 
weil er ein begüterter Mann war, aus eigenen Mitteln und nahm 
feine Befoldung an. Wie Magifter Nicolaus Boje im Süder- 
theil, fo war Nicolaus Boje fenior im Xlordertheil des Landes der 
erfte evangelifche Prediger. Nicol. Boje zu Weffelburen ift auch 
Derfafjer des Kiedes Nr. 998 im alten hochfürftlich fchleswig- 
kolfteinifchen Befangbuh: „® Gott, wir danken Deiner Güte." 
Dasjelbe hat aber in urfprünglicher -Safjung bei Boje Ddiejen 
Wortlaut: 


O Bud, wi danken Diner Böde, 
Dorch Chriſtum unfen Beren,? 
Dor Dine Woldath averfhmwindt, 
Dorch de Du depft ernären 

All, wat den Othem je gewann, 
Hefſt uns de Hothdurft Taten han: 
Di g’fhee Lov, Prys und Ehre. 


1 Bojen Claus Boje, Bojen Elans Maes und Bojen Claus Chomas 
zu Weffelburen, die in diefer Seit bei den Chroniften oft genannt werden, 
waren wohl Brüder, Söhne des Bojen Elaus zu Süderdeidh. 

® Herr: dominus, der Böhere, der Heere, Hehre. Daher „Here“ nadı 
alter Schreibweife richtiger, als unfer „herr“. Beregott — der Hehrgute. 


564 Dritter Abjchnitt. Dierte Abtheilung. 


Als Du nu, Bere, gefpifet heft, 
Den £ichnam, de vordervet, 

So lat de Seel od fyn Din Geft, 
De dordy Di nimmer ftervet. 

Din hillig Wort er’ Spife fy, 
Seth je od gantz erlange Di, 
In Ewicheit vortrume. 


£ov, Ehre und Danf to aller Tyd 
Sy Di, Dader in der Höven, 

De uns der Sunde mafet quit, 
Dordy dat Du givft to gelöven 

An Dinen eingebarnen Sön, 

Up dat wy mit em Kinder ſyn, 
Di ewig prifen. Amen.' 


Diefes Dantlied pflegte feiner Zeit in Dithmarjchen auf 
Hochzeiten und bei fonftigen feftlichen Zufammenfünften nach Tifch 
gejungen zu werden. — Auch in Meldorf fräftigte fich die 
lutherifche Gemeinde bald wieder. M. Nicolaus Boje war auf 
Erjag für Heinrih von Zütphen bedacht. Er berief den Adolph 
Clarenbeck oder Elarenbach, Konreftor zu Osnabrüd, als Kapellan 
nach Meldorf. Clarenbach nimmt den Ruf an, wird aber zu 
Köln als Ketzer ergriffen und, nachdem er ein Jahr gefangen 
gehalten worden, nebft einem Anderen, Peter Sliftede, am 28. September 
1529 öffentlich verbrannt. Boje erbielt dann einen Gehülfen an 
Johann Balversdorp, der ihm als Kollaborator zugeordnet wurde. 


ı „Böven”, Häven, findet man bei Chroniften, die der alten nieder- 
fähfifhen Spradhe wenig fundig waren, in „Höchden“ verunftaltet. Heven, 
Bäven, Himmel (engl. the heaven). — £uther hat diefes Danklied, weldyes 
von Nicolaus Boje felbft in Melodie geſetzt worden, unter feine geiftlichen 
Sieder aufgenommen. Die Dorzüge des Urtertes vor der hochdeutſchen Ueber- 
fegung find nicht zu verfennen. Uebrigens findet fich das „dorch dat Du givft 
to glöven” fchon in plattdeutfchen Geſangbüchern umgeftellt in „dor enen 
faften Gloven“. Es datirt dies ohne Zweifel aus der Zeit der fynergiftifchen 
Streitigfeiten, in der Manche das Objektive des Glaubens in ein Subjeftives 
verfehrten. Gegenüber der hierin hervortretenden Hinneigung zur Werk. 
gerechtigfeit ift jener Gefang ein gutes Befenntnif des Nicolaus Boje auf 
dem Grunde der Iutherifchen Kirche. 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 365 


Die Mönche zu Meldorf, die Hauptanftifter der Bewegung gegen 
Beinrih von Zütphen, vor deren Derfolgung die Lutherifche 
Gemeinde in Meldorf fich zeitweilig zurücgezogen hatte, wurden 
mehr und mehr in ihrem Einflufie beſchränkt und nicht lange 
nachher genöthigt, nun ihrerfeits an Rückzug zu denken und das 
Seld zu räumen. Sie wurden endlich gewaltjam ausgetrieben. 
Das Jahr der Dertreibung der Mönche wird verfchieden angegeben. 
Mit Wahrfcheinlichkeit ift hier 1526 oder 1527 zu fegen. Die 
Mönche follen zunächit nach Eunden gewichen fein. Das Meldorfer 
Klofter wurde fpäter in eine Kandesfchule umgewandelt. Am 
19. Juni 1540 wurden von der Eandesverfammlung zehn Männer 
aus ihrer Mitte beftimmt, das Vöthige zur Einrichtung einer 
gemeinen Schule für die Jugend aus den Einkünften des Klofters 
anzuordnen. Es entftand dann im folgenden Jahre, 1541, die 
Gelehrtenfchule „auf dem Klofterhofe”, welche bis 1861 in den 
alten Klofterräumen verblieb.! In mehreren Kirchipielen, namentlich 
Meldorf, Weflelburen, Brunsbüttel, war nun die Iutherifche Lehre 
zur völligen Herrichaft gelangt. Doch war in anderen Kirchipielen 
die Macht des Papfttkums noch groß. Noch 1529 murde zu 
Wöhrden aufs neue eine Frühmeſſe geftiftet, deren Stiftungsbrief, 
auch in Binficht der damaligen Kandesperfaflung von Interefle, 
inhaltlich folgender ift: „In deme na Ehrifti gebort dufend vy 

hundert in dem negen unde twintigeften jare, up den Sonnaven 

negeft dem dage fanct Ambrofii, is in myner nofarien unde füge 

hyr under befcreven jegenwordicheit perfonlich erftanden de erbar 


! Der erfte Rektor der Schule erhielt 100 Gulden, der Konrektor 100 Mark 
und der Tertius co Mark jährlidh, welches damals eine große Befoldung 
war, fagt Neocorus. — Bauptbeförderer der Schuleinrichtung war Magifter 
Nicolaus Boje zu Meldorf. Jene zehn Komitirten in der Schulfache waren: 
Peter Rode und Bans Barring aus Meldorf, Poppen Reimers aus Weſſel⸗ 
buren, Johann Bolm aus Xeuenfirhen, Reimer Wolderich und Hans Auffe 
aus £unden, Johann Junge aus Delve, Llawes Bumpe aus EBennftedt, 
Peter Martens Larften aus Brunsbüttel und Barthelt Harder aus Marne, 
je zwei aus einer Döfft.. (Kolfter, Aftenft. üb. d. Meld. Schule, 1875.) 


366 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


Fruwe, claus groten grete, unde hefft befannt, myt frygen willen, 
wolbedachtem rade unde mode, togeftan, gefecht, dat je pflichtig, 
jchuldig unde plegende ys hundert gulden to der vromyſſen, de upt 
nyge geftiftet in der kerken ®ldenwurden, updat na erem dode 
neen wrevell, tiwygedracht, darvan entfprote, indem vormals darup 
gegeven, gemaket, vormwifet itlicde fegell und breve van dem Dom- 
praveft to Kamborg unde faligen claus grot, na deſſer tydt alle 
unfchedelicd to blyvende, unde gemeldte groten grete heft to under- 
pandt gejatht vor fodane hundert gulden ere huß unde wurt, alſe 
dat fteenhuß, belegen by den kerkhof faliger claus groten, dar fal 
me fodane hundert gulden ane alle infage, behelpp geiftlides offte 
warltlides rechtes, ynne wachten unde warden, doch myt fodanem 
bejchede, dat grete tydt eres lependes nene renthe hier up vor- 
plichtich fchall fyn, denne van ftund na erem dode fchall renthe 
unde hovetftoel bethalt werden unde up defjem pande ftaen. Dit 
hebben vorfordert de vulmacht to Oldenworden, deſſes to tugen 
getagen de Erfamen kruſe johanns ditleff unde hans voeth jurgen, 
tugen hir befundergen to gheefchet unde gebeden. 

Unde ick Bunterus Werneri Secretarius des Landes Ditmerfchen, 
van paweſtliker unde keſerliker gewalt unde macht in apenbar. 
jeriver unde Notarius, betuge wo bovenfreven, myt defler myner 
eghene handfcrift. 

Gunterus Werneri manu propria subscripsit. 

Surder befenne id, Simon mojellage, clerick monfterjches 

Stichtes van paweftlider gewalt unde macht apenbar. Notarius, 
myt defjer myner egenen handfcrift, dat ick, wo hir bevore fcreven, 
alle hebbe copiret unde ludet van worde tho worden fo dat rechte 
originall, dat mefter gunter! in myner jegewordigheit gefcrepen 
hefft, defies oc find hir mede an unde over geweſen greten hans 
und mollers carften, hir to vor rechte tugen geefchet unde gebeden.“ 


1 „Mefter Gunter." Günther Werner war Magifter (der Theologie 
refp. des geiftlihen Rechts). 


— — ⸗88 


— — — — 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 367 


Diejer nach Simon Mofellages eigener Schrift angeführte 
Stiftungsbrief ift vornehmlich auch deshalb merfwürdig, weil hier 
der Landesfanzler und der Pfarrherr zu Wöhrden bei Ansfertigung 
desjelben als „aus päpftliher Macht und Gewalt öffentliche 
Notare” thätig find. Ein Beweis, daß damals, als die größeren 
Kirdhfpiele fchon der Iutherifchen Lehre gewonnen waren, das 
£utherthum und das Papftthum einander noch fchroff gegenüber: 
ftanden im £ande. Es wird berichtet, daß man in jener Zeit, 
der Seit des Ueberganges vom Alten zum Neuen, gewaffnet zum 
Gottesdienft gegangen fei.! Erfi im Jahre 1532 Drang die 
Reformation völlig durch. Der Meßdienft wurde unterfagt, und 
die Hlöfter wurden aufgehoben. — „Anno 1532, am ande 
Sondage na Pajchen is de Latinifche Miſſa in unfer Kerfen un 
Klofter beflanden und do am fulven Dage wurde de erfte düdeſch 
Miſſe hier erft in der Kerden angehanen. Anno 1533 am Son 
dage vor Jacobi fchach de erfte Epangelifche Predigt in dem 
Klofter dorch den Prädicanten.“ (Henn. Swyn, Russ, Fragm.XXXI.) 
Die evangelifche Lehre wurde in alle Gemeinden eingeführt. 
Diejenigen Geiftlichen, welche derfelben gemäß ihr Amt verwalten 
wollten, blieben in ihren Stellungen. Die anderen wurden ver- 
abjchiedet. Doch beließ man einige bei den Genuß ihrer Pfarr- 
fielen bis an ihr Ende gegen die Derpflichtung, durch einen 
evangelifchen Difar die Amtsgefchäfte verjehen zu lafjen. Die 
proteftantifche Kirchenordnung wird eingeführt. Die Derpflichtung 
gegen den Hamburger Dompropften wird abgeftellt, und evan- 
gelifche Superintendenten werden eingefeßt. Es wurden vier Super- 
intendenten gewählt: Licolaus Boje senior zu Weſſelburen, 
Magifter Nicolaus Boje zu Meldorf, Nicolaus Witte zu Eunden 


ı Xeocorus führt an, daß nad Ausweis von Kirdhenbüdern zu Anfang 
der Reformation die Anhänger der Intherifchen Lehre mit fliegenden Sahnen 
eines ganzen Kirchfpiels überzogen, ausgepfändet und zu willfärlichen 
Brüchen gezwungen worden feien. 


368 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


und M. J. Schned zu Beide! Die Superintendenten ftehen aljo 
in feiner erfichtlichen Beziehung zu den Döften, wenngleich Neocorus 
jagt: it find vor Innehmung des Landes in den veer Döften veer 
Superintendenten gewefen.” Nach Sehfe (Derf. e. Nachr. v. d. evang.: 
luth. Pred. d. Norderthls. Dithm. Slensburg 1769) war Nicolaus 
Boje senior für die Weſterdöft, M. Nikolaus Boje für die Mel— 
dorferdöft, Nicolaus Witte für die Mitteldöft und M. Johann 
Schned für die Dfterdöft beſtellt. Die abgefonderte Stellung der 
Strandmannen zeigt fih demnach auch hier, indem ihre Beiftlichen 
feinen Superintendenten wählen. Bis dahin waren die Kirchfpiele 
in den Angelegenheiten, die nun den Superintendenten unterftellt 
wurden, ohne ®berhaupt gewefen. Die vier Superintendenten 
bildeten ein Kollegium, welches als folches dem Ganzen geiftlich 
vorftand. Die Grenzen der Gewalt des einzelnen der vier Super: 
intendenten find nicht genau zu beftimmen, doch fcheinen diefelben 
nicht fehr ausgedehnte gewefen zu fein. Dielleicht hat der Einzelne 
überhaupt nichts anzuordnen gehabt. Selbft die Macht der Dier 
als Kollegium kann nicht erheblich gewejen fein. Die bedeutendften 
firchlichen Angelegenheiten wurden von der gefamten Geiftlichfeit 
des Landes, unter Mitwirkung einiger Laien, auf dem Kalande 
zu Meldorf, nach Oſtern und nach Michaelis eines jeden Jahres, 
zum Austrag gebracht. Der Kaland zu Meldorf war 1468 gegründet 
von 12 Beiftlichen. In der Solge wurden auch £aien in denfelben 
aufgenommen. Die Mitglieder kamen jährlid; zweimal, auf Oſtern 
und Michaelis, zufammen. Zu den Derfammlungen fcheint auch 
der Hamburger Dompropft feinen Offizial gefandt zu haben. 
Nach der Reformation wurde im Jahre 1533 am Pfingftabend 
ein „Abfchied der Einwohner des Landes Dithmarfchen, geiftlichen 


ı Schned war der hei Heinrichs von Zütphen Hinrichtung thätige 
Kommiflar des Offlzials vom Eamburger Kapitel. Er wurde erfter evan- 
gelifher Paftor zu Beide. 1532 heirathete er eine Tochter von Jürgen Möllers 
Claus zuMeldorf. Seine Söhne waren: Johann, Paftor zu Delve, und 
peter, Diafonus zu Büfum. Er ftarb 1551. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit -- 1559. 369 


und weltlichen Standes“ aufgerichtet, worin die evangeliſche Lehre 
im ganzen Lande angenommen ward. Diefer Abjchied beftimmt 
u. a.: „Dat wy denn alle Schwermerye und ergerlyde £ehre un 

£event forder mögen myden, wyllen wy mit allen Kerdherren 
offt eren Dolmechtigen, des jars twemal thofamen kamen, al 
na Pafchen und na Michaelis, tho Meldorp, de twiſtigen Safe 

tho fchlichten, dar Ichal de Upkumpſt des Calandes tho gebrude 
werden.“ Wie der Kaland freie Stiftung war, fo waren Di 
Einfünfte desfelben freie Gaben, ihrem Urfprunge nah. „Ann 

millesimo quadrigentesimo sexagasimo octavo in die Agatha 

novissima feria post depositionem Alleluja, primo duodecim Sacer 
dotes Meldorpi fraternitatem instituerunt, tandem et seculare 
admissi, qui morientes singuli ditarunt. Un hebben je herrlid 
Inkömſte, Hues⸗Rath, fulverne Beder, Keteln, Difch-Ladens, u 

alles, wat dartho denet, uth allen Orden rillich dartko vorehret. 

(Andr. Brüss, ap. Neocorus.) Die fortlaufenden Einnahmen be 
ftanden neben Eintrittsgeldern neu aufgenommener Mitglieder und 
etwaigen Sufchüfjen der alten, ebenfalls in Gaben, Dermächtniffen, 
Schenfungen für Seelenmefjen ac. Die Mitglieder verpflichteten fich zu 
gottesdienftlichen Werten und zu Werken der Nächitenliebe, wohin die 
Baltung von Seelenmefien, Derabreichung von Almofen 2c. gerechnet 
wurde. Derwandt nach Beftimmung und Einrichtung mit den Ka⸗ 
landen waren die Gilden, deren damals in allen Kirchfpielen mehrere 
beftanden. Nur waren die Glieder der Gilden meift Kaien, 
während die der Kalande vornehmlich Geiftliche waren. Unter 
den Gilden find namentlich befannt geworden die Gilde oder 
Broderfchop fünte Panthaleons zu Kunden, die ordentlicherweife 
dreißig Mitglieder hatte, die Jungfergilde zu Neuenkirchen, die 
alle Kirchenfachen ordnete und auch die Prediger wählte, die 
Gilde unfer leven Droumwen und die St. Nilolaigilde zu Tellingftedt, 
wo außerdem noch als ältere Bilden die Srohnleichnamsgilde, die 
Brüderjchaft St. Antonii und die Brüderfchaft St. Jakobi eriftirten, 
die „hylge CLichnams Bylde", „unfer leven Drouwen Gylde“ und 

Dithmarfcher Geſchichte. 22 


370 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


die „Gylde Sunte Anthonius und funte Gertruden“ zu Wöhrden. 
Die leßtere nahm 1528 folgende Beliebung an: „Na deme dat 
unfe gemeynen gylde, beyde fufter unde broder, hebben eyndrech- 
tigen to herten genomen, dat de gewontlicke Foft unde thering unjer 
gylde na gelegenheit gan ſwar wate herto gefallen ys, unde 
darvaen de armen micht mede delet wert, fo dat na Godes lere 






















wol behoret, So ſynt wy nu jegenwordich over eyn fomen unde 
belevet boven alle vorge bewillinge, dat men unfe loflicke gylde 
Sunte Anthonius unde Gertrudes fchalholden des fondaaes negeft 
na funte Michaelis over dre weten, unde de vorftender der gylde 
fcholen uns befchaffen enen Oſſen van fes marf,! enen guden 
fchinden myt bottern unde brode unde veer tunnen hamborger 
beerß, des fondages al vull thor ftede hebben; darvan ſondach 
nde mandag, de beyden dage, myt famt fuftern unde brodern 
ho hope eten unde Ddrinden. Ock fchollen de gyldeiworen des 
ondages de nygen olderlüde nomen unde dat Foftgeldt upbören, 
es dinredages darna rekenſchop doen, jo dat in allen vorgefetten 
uncten behört; wolden fi oc na deflem dage jennige olderlüde 
öger to unkoſt bereden, Dat fcholen je füloten holden. Datum 
m jar vefteynhundert am achte unde twyntigeften. Am Sondage 
— unde crispiniani mr&." Nach einem Schluß vom Jahre 1522 
jollen die Aelterleute der Bilde alljährlich in der Saftenzeit für 
drei Mark Oel, Brot und Heeringe an Arme vertheilen. — „An 
em jare unſes Heren, do man fchreff vefteynhunder, unde twe 
unde twyntich, do hebben alle unfe broder unde fufter unfer gylde 
ewillet unde floten, dat unfe olderlüde unfer aylde alle jar in 
er vaften, alle de tydt, dat unfe gylde in eren fteyt, dre lüb. Mark 
an unſer gemeen gude fcholen geven armen lüden an olye, brot 
nde herind by tüchnifje erer confiencien.” — Aehnlich lautet ein 
chluß der hylge Kichnams Gylde von 1525: „Item fo hebben 
efje gylde belevet meenlicden, dat je wylt alle jars geven in de 





ı Einen Ochſen zum Preife von fehs Marf. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 371 


hand der armen III mar? unde een grawe laken, dat fcholen arm 
lüde bruden to erer nottroft, wo de olderlüde dyt vorfumen und 
dyt nicht holden boven ſcz., fo jcholen fe der gylde geven ene tunn 
hamborger beers, in anno XXIII.” — Drei Marf aber ware 
eine bedeutende Babe zur Seit, als ein Schlachtochje in Olden⸗ 
wörden (der fchwerften Marſch) 6 Mark koftete. Diermal im Jahre 
mußten die Mitglieder der Gilde für die verftorbenen Mitglieder 
und Bönner der Bilde Pigilien und Seelenmefjen veranftalten, auch 
beftimmte Almofen geben. An den Digilien und Seelenmefjen fonnten 
auch Nichtmitglieder, einheimifche und fremde, theilnehmen, wenn 
fie der Bilde einen rheinifchen Gulden verehrten‘ — „od bewillet 
eft jenich man effte vruwe, infeten unfes gantzen landes edde 
frombet, de in fynem lateften levende vor fynem dode bede unfe 
gylde unde geve to unfer gylde vortjettinge enen rhinfchen gulden 
edder beter, den willen wy laten mede begaen myt vigilien unde 
zelemyfien gelyck unſen olden fuftern unde brodern.” — „Ock unje). 
gemenen broder unde füftern funderlides veermal myt vigilien 
unde zelemyfjen! laten begaen, bynnen den achte dagen der veer 
tyde des jars de alempfjen to geven by pene ene tunne kamborger 
beers funder alle gnade.” — Im HKaland ordnete man die erheb-] - 
lichften innerfirchlichen Angelegenheiten. Die äußerlichen Angelegen- 
heiten des Firchlichen CLebens, bis zur firchlichen Armenpflege hin, 
ordneten die Kirchfpiele und die Bilden und Brüderfchaften in freier 
Dereinigung. &s kann daher die Bedeutung der Superintendenten 
hinfichtlich ihrer Machtbefugnig nur eine befchränfte gemwejen jein. 
In firchlicher, wie in ftaatlicher Beziehung war das Regiment, 
nach wie vor der Yeformation, in Dithmarfchen bei den einzelnen 
Kirchfpielen und deren Gefamtheit, der „Meenheit”. Darauf 
berubte und darın beftand eben die Sreiheit des Landes. Wie 
aber eingreifende Aenderung im Kirchlichen, der Natur der Dinge 


’ Die „Selemyffen”, Seelenmefjen zum Gedächtniß abgefchiedener Seelen, 
haben fi an einigen Orten bis in die Gegenwart erhalten in Geſtalt der 
„Cobtenfeiern”, die ein Reſt der Seelenmeffen find. 


24° 


372 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


und Derhältniffe nach, nicht ohne Wirkung auf das Staatliche 
bleiben fann, fo mußte auch hier durch Einführung der Reformation 
nothwendig manche tiefeingreifende Umgeftaltung ftaatlicher Be- 
ziehungen und Suftände hervorgerufen werden, und zwar um fo 
mehr, als hier in dem Begriff „Kirchſpiel“ Kirchliches und Staat- 
liches nah Umfang wie nah Inhalt zufammenfielen. Daber 
folgte noch ein langer Kampf zwijchen der alten und der ueuen 
Kirchenverfafiung. Iiamentlich bezog fich derfelbe auf die Bund» 
briefe — Derbindungen der Gefchlechter — und auf die Mord: 
firafe.! Die proteftantifche Geiftlichleit fah in den Gefchlechts- 
verbindungen eine Gefährdung der reineren Aeligionsbegriffe. 
Die meiften Gefchlechtsbündnifje lauteten dahin, daß ein Mitglied 
des Gefchlechts durchaus verbunden fein jolle, einzuftehen für die 
anderen und nöthigenfalls für fie zu fchwören. Diefe Beftimmung 
ergab fih aus den beftehenden Bechtsverhältnifien damaliger Zeit 
von ſelbſt. Wurde Einer erjchlagen, und das gefchah bei Sehden 
der Gejchlechter untereinander nicht gar jelten, jo konnte das 
Geſchlecht, dem er angehörte, wenn fein völliger Beweis gegen 
den Thäter vorlag, feinen Verdacht eidlich erhärten, den Er: 
fchlagenen dem Thäter zufchwören, aber nur durch 30 Dolleide. 
Ein Dolleid war ein Eid, der von Zwölfen geleiftet wurde. — 


! Beides, Bundbriefe und Mordftrafe, wurde hier im Sufammenhang 
von Urfahe und Wirkung gedacht, infofern mit Grund, als eben die 
Geſchlechtsfehden Anlaß zu Todtfchlägen wurden. Die übermäßige Werth- 
ſchätzung äußerer Ehre und Anfebens führte, wie in Adelsgefhlechtern, zur 
Anmaßung und gemwaltthätiger Dertheidigung und Jnanfpruchnahme ver- 
meintlicher Dorrechte. So bradıten, wie Ehroniften berichten, die Jjemannen 
zu Süfum, zu einer Seit das gewaltigfte und gröfite Befchlecht der Infel, 
es dahin, daß die Priefter den Gottesdienft nicht eher anfangen dürfen, 
als bis fie da gewefen, und da ein Priefter einftmals ihre muthwillige Der- 
zögerung nicht geachtet, haben fie ihn vor dem Altar erfchlagen. Wie 
leiht zu erachten, mußte hier ein Todtihlag den anderen im Gefolge 
haben und daher ift es begreiflih, wenn im Eifer wider Mißbräuche 
die Geiftlihen in vieler Beziehung zu rigoros gegen die Geſchlechtsbünde 
auftraten. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 373 


Der Thäter konnte nur zum Gottesgericht feine Zuflucht nehmen. 
Don diefen 30 Dolleiden durfte das klagende Gefchlecht nur einen 
einzigen leiften, die übrigen 29 mußten von ebenfovielen anderen 
Sefchlechtern, als Eideshelfern, geleiftet werden.! Sanden 29 Be- 
ichlechter fich willig, fo ftellte jedes von ihnen 12 Mann zu einem. 
Dollede. Das klagende Gefchlecht durfte zu jedem Dolleide die 
Hälfte aus fich felbft ftellen.. Dazu gehörten eigentlich jedesmal 
andere Männer; war das Geſchlecht aber nicht fo ftarf, fo konnten 
auch diefelben Männer bei verfchiedenen Dolleiden fchwören. Die 
Geiftlichen machten nun gegen jene Beftimmung der Bundbriefe 
geltend, daß die Derbundenen fich des von einem Mitbruder be- 
gangenen Böfen theilhaftig machten; daß durch die Eideshülfe zu 
Meineiden Deranlafjung gegeben würde; man beginge Ungerechtig- 
feiten gegen Die, welche durch falfchen Eid gehalten würden, 
Schaden zu erjeßen, und endlich werde durch die Bundbriefe, weil 
ein Beleidigter ohne Einwilligung des ganzen Gefchlechtes fich mit 
feinem Gegner nicht vergleichen dürfe, die Ausföhnung ftreitender 
Parteien erfjchwert. TDiefe vier Punkte wurden in einer Eingabe 
an die Achtundvierziger ausführlich dargelegt, und dabei murde 
von den Geiftlichen zugleih um Abftellung des Uebels gebeten, 
auch ein Entwurf zu einem mehr angemeffenen Bundbriefe bei« 
gelegt. Durch die Beftrebungen der Geiftlichen, die Bundbriefe 
abzufchaffen, wurde vornehmlich eine tiefgehende Erregung im 
Lande hervorgebracht, ein Kampf des Neuen mit dem Alten ins 
Wert gefeßt, der das Land lange Jahre in Unruhe erhalten und 
demfelben tiefe Wunden gejchlagen hat, indem er Zwieſpalt in die 
Gefchlechtsbunde felbft hineintrug, diefe loderte und löſte. In der 


: Das Plagende Geſchlecht ftellte durch den Dolleid den Chatbeftand feſt. 
Die andern 29 Dolleide bezeugten die Glaubwürdigfeit der Eideshelfer des 
Klägers. Die Derpflidytung der Geſchlechtsgenoſſen zur Eideshülfe konnte 
fih natürlich nur fo weit erſtrecken, als fie überzengt waren, daß der Eid 
des Hauptklägers, refp. des hauptſchwörers rein fei. Der Eid des Eides- 
helfers ging nicht anf den objektiven Thatbeftand, fondern nur auf die 
fubjettive Reinheit des Haupteides. 


3574 ‚Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Solge wurde die Derpflichtung, für den Gefchlechtsgenoffen zu 
fchwören, abgethan. Das Eand ließ die Derbindlichkeit der alten 
Bundbriefe durch Peter Swyn auffagen — affeggen. Nun fam 
der Widerftreit der alten und der neuen Anfchauung, der troß 
aller äußerlichen Einigkeit im Innern fortgärte, in blutigen 
Konflitten zum Ausbruh. 1537 erhoben fit große Sehden unter 
den Dithmarfcher Gefchlehtern. Dornehnlich eine Dderfelben, 
zwijchen den Wurthmannen, zu welchen die Nannen und Smwynen 
gehörten, und den Auffebellingern im Kircdhfpiel Kunden, erregte 
große Unruhe. In dieſer Sehde fielen auf beiden Seiten 14 Mann. 
Auch der berühmte Peter Swyn fam in diefer Schde ums Keben. 
Er wurde zwijchen St. Annen und Kunden auf einem Ausritte 
von drei Männern überfallen und mit einem Sauftkammer auf 
dem Pferde erfchlagen. — Die Mörder waren geflohen. Das 
Dferd des Erfchlagenen aber hatte feinen todten Herrn, der vom 
Roß in einen Graben geftürzt war, nicht verlaffen wollen, und 
darüber ward der Leichnam des Ermordeten bald gefunden.! Die 


! Cfr. die Dorftellung auf dem Keichenftein auf dem Lundener Kirdy- 
hofe. Don der obigen Darftellung in einigem abweichend, lautet die Sage: 
„peter Swyn, der vornehmfte Achtundvierziger zu feiner Zeit, fein in Rath 
und frech in That, habe einen Sehsling Shagung mehr auf den Morgen 
gebracht, welche vorhin einen Schilling betragen; deswegen fei man auf 
ihn erbittert geworden, und er habe fi ein ganzes Jahr lang in feinem 
Baufe zu Sroßlehe verborgen gehalten. Eines Tages habe er ſich auf fein 
feld zu feinen Kleiern gewagt, und zwar aus Dorfidht zu Pferde; faum fei 
er aber auf den betreffenden Ader gekommen, fo feien die Kerls aus dem 
Graben gefprungen und hätten ihn ermordet. Der Ader ſei gewefen der 
zwei Wreden öftlih von Lehe an dem Quer⸗ und Booswege rechter Hand 
liegende, und wo noch bis auf diefen Tag der große Stein fteht, da fei die 
Stätte.” Das pferd fommt in der Sage ebenfo vor, wie oben erzählt ift. 
(Claus Harms, Gnom. St. 21.) Die Erzählung von Erhöhung der Schagung 
mag auf Thatfädliches ſich gründen, mit der Gefchlechtsfehde zwifchen den 
Wurthmannen und ARuffebellingern aber hat das jedenfalls nichts zu thun 
gehabt, und im übrigen trägt die Erzählung das Gepräge fpäterer Zeit, 
welche von Geſchlechtsfehden und der verfafiungsmäßigen Stellung und Be- 
fugniß eines Achtundvierzigers wenig mehr wußte. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 375 


Mörder wurden entdecdt und aufs Rad geflochten und geviertheilt; 
die Anftifter des Mordes wurden des Landes verwielen. VNach 
Dans Dethlef war Peter Swyn ein Mann fein im Bath und 
frech in That, und Neocorus nennt ihn den Dornehmften unter den 
Achfundvierzigern und einen Mann von großer Beredfamteit — 
„ve vornehmfte under den Achtundvertigen, ein fehr beredter und 
finem Daderlande ergebener Mann, de od op dem Fürftendage 
to Itzehoe der Dithmarfchen Safe jo ftattlich tracteret, dat em 
Nemand ex tempore darup antworden fönnen.“ Bei Ehroniften 
wird Peter Swyn auch wohl als einer der Ritter von Hemming: 
ftedt bezeichnet, und Neocorus fagt, es habe derjelbe bei Hemming- 
ſtedt rittermäßige Kleidung zur Ausbeute erlangt. Das deutet 
vielleicht auf einen Dorgang auf dem Tage zu Itzehoe 1523. 
Da habe, erzählt Neocorus, das Erfcheinen der Dithmarfcher De- 
putirten in vornehmer Tracht und im Ritterwams die anweſenden 
Adelsherren zu der Srage veranlaßt, wa fie denn Ritterkleidung 
erworben hätten? Darauf habe Peter Swyn furz, auf das 
Wams deutend, erwidert: „Bei Hemmingfteöt, Ihr Herren! Da 
hätten wir auch noch die Hofen nehmen können.“ Der Todes: 
tag Peter Swyns war der 14. Auguft 1537. Die Todesart zeigt 
das Bild auf dem Keichenftein zu Eunden, der jet Feinerlei Inſchrift 
mehr erkennen läßt. Neocorus aber berichtet, daß Peter Swyn 
mit großem Wehllagen des ganzen Landes prächtig „tor Erden] 


ı Einige geben den 15. Auguft als Todestag an, weil diefer nach alten 
Ehroniften auf den Abend Mariä Himmelfahrt fiel, und Mariä Himmelfahrt 
nah dem alten Patholifhen Kalender der 15. Auguft war. Allein der 
Feſtabend war nicht der Abend des Sefttages, fondern der Tag vor dem 
Feſte. Alfo ift hier der 14. Auguft zu feßen. Die Meinung, daß die Er- 
mordung des Peter Swyn gerade am Marienfefte auf den Swiefpalt in 
religiöfer Anſchauung zu beziehen fei, ift übrigens nicht zu begründen, 
ebenfowenig, wie die Konjektur, daß die von Bolten citirte Bemerkung 
bei P. Sarg, wonad die Dithmarfcher im Jahre 1537 einen angefehenen 
Mann graufam verftümmelt hätten — „A .C. 1537 Dithmarienses hominem 
incolam et popularem genitalia amputarunt“ — mit der Ermordung des 
Peter Swyn in Beziehung zu bringen fei. 


376 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


beftediget unde ap finem Liekſteen de Titul „pater patriae“ ut 
gehowen worden”. — Daß das Land um einen Einzelnen feiner 
Söhne getrauert habe, finden wir in der Gefchichte des freien 
Dithmarfchens außerdem noch in zwei Sällen: als Rolf Boykenſon 
gefallen und als Wolf jebrand geftorben war. Pater patriae, 
Dater des Daterlandes, aber finden wir im Sreiftaate Dithmarfchen 
Keinen genannt, als den einzigen Peter Swyn.! 1538 ließ das 
Land Durch Poppen Zeimers Johann einen Artikel feftftellen, 
wonach die bisherigen Geſchlechtseide (Slechts-Nemeede) abgefchafft 
und an deren Stelle der Swölfmannseid gefegt fein folle. Die 
Unruhe im Lande dauerte fort, vornehmlich unterhalten durch die 
Bemühung der Geiftlichen, die alte Weife, den Mord durch 
Schadenerjaß zu büßen, abzuthun. Als die Bojen, die bisherigen 
$Sührer der Geiftlichen, 1542 geftorben waren, feste vornehmlid 
der in des Magifters Nic. Boje zu Meldorf Stelle, auf Melanchthons 
Empfehlung, berufene Paftor Johannes Roger, ein geborener 
Engländer, den Kampf wegen Abftellung von allerlei vermeint- 
lichen oder wirklichen Mißbräuchen, namentlich wegen der Be— 
ftrafung des Mordes, fort. Als er nichts ausrichten fonnte, legte 
er (1547 nach Moller bei Sehfe, wahrfcheinlicher aber 1549 oder 
1550) fein Amt nieder und ging nadı England zurüd, wo er 
dann 1555, 4. Sebruar, als ein Opfer der Königin Maria, 
verbrannt wurde. Aus demfelben Grunde, wie J. Roger, fündigten 
1347 fämtliche Dithmarfcher Prediger den Dienft auf.” Endlich 


—— 





' Die Sage bezeihnet das Haus des „bunten Peſels“ zu Groß-£ehe 
als das des Peter Swyn, und es zeugt für die Bedeutung des Mannes, 
wenn noch nach 300 Jahren auf die Frage nach der Bedeutung des „bunten 
Dejels“, der den Namen „Marcus Swyn“ trug, die Antwort erfolgt: Dar 
hett Peter Swyn wahnt! licht ſowohl der Kunftwerth desfelben, als die 
Pietät gegen den Namen des Peter Swyn hat den „bunten Peſel“ bis auf 
unfere Zeit unverfehrt erhalten in feinem alten Suftande, während andere 
Aäumlichkeiten der alten „Buntheiten” entlecigt wurden. 

” Es fam jedoch zum Ausgleih. Man hätte fie ruhig gehen laffen 
follen, meint ein Dithmarfcher Schriftfteller.. Andere haben ihn deshalb 
getadelt. Wir haben ähnliches erlebt in der Zeit der „Erhebung“. Aber 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcyer freiheit — 1559. 377 


fam es 1554 zu einem Eandesbefchlug, daß künftig jeder Todtfchlag 
mit dem Tode gebüßt werden ſolle. — So fielman, um das eine 
Ertrem zu vermeiden, in das entgegengefegte. Nun war die Re— 
formation in Dithmarfchen vollendet. Aber das Land war 
30 Jahre lang in Unruhe und Sehde erhalten worden. Innerer 
Swiefpalt dauerte fort, zum Derderben des Kandes.! 

Auch das Domlapitel hatte in den Streit eingegriffen. Es 
hatte Proteft erhoben gegen alle, feinen Gerechtfamen zuwider: 
laufenden Neuerungen und war, nachdem es 1525 vergeblich 
verfucht Hatte, durch Kübeds Dermittelung wieder in den Beſitz 
feiner verlorenen Rechte in Dithmarfchen zu gelangen, 1526 bei 
dem Aeichstammergerichte wegen Beinträchtigung feiner echte 
gegen die Dithmarfcher Magbar geworden. Darauf erging unterm 
19. $ebruar 1527 eine offene faiferliche Ladung aus der Reichsftadt 
Eßlingen an die „48 Gubernatoren, Regierer, Richter und Der: 
wefer des Kandes Dithmarfchen*. Die Ladung folle als 2 
Edift zu Kübel, Hamburg, Stade, Burtehude und Lüneburg 
angefchlagen werden, weil felbige nicht durch einen Kammergerichts- 
boten habe übermittelt werden Ffönnen, um „unfichern Zugangs 
und gefährlichen Wagnus willen leibes und lebens“. Die = 
Magten follten am 20. Mai vor dem Kammergericht zu Eßlingen 


das thut zur Sache nichts. Wer die Hand an den Pflug legt, foll nicht 
zurüdfehen. 

ı Das Derderben aus Auflöfung der alten Geſchlechtsbünde zeichnet 
Paftor Claus Harms (in den publiziftifhen Aufjägen 1816) treffend, indem 
er fagt, die Anflöfung der Geſchlechtsbündniſſe habe das Land offer gemadtt, 
arm gemadıt, ſchlecht gemadt und wiederum voll von Armenhäufern, Brut⸗ 
ftätten der Sanlheit und Liederlichkeit. — Wer war verlaffen, als der 
Gejdlehtsbund fidy des Armen, wie des Reihen annahm? Was erzeugte 
Heldenfinn? Der Geſchlechtsbund hielt das Beifpiel der tapferen Ahnen 
vor. Was wahrte Keuſchheit und Scham, madte das Wort unverbrüdlidh, 
öffnete das Herz bei Landesnoth und lodte dazu, für die Nachkommen 
etwas zu thun? — Als Jlluftration zu dem Geſagten fann eine Bemerfung 
des Claus Harms an anderer Stelle dienen: „Der Name Hann erlifcht hier 
mit dem Keben der Wittwe eines Vann, die ihres Endes harrt — im 
hiefigen Armenhaufe.* (harms, Gnom., S. 178.) 


378 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


fih verantworten. Die Dithmarfcher liegen durch einen Anwalt, 
Johann Mactolff, eine Erceptionsfchrift gegen die Ladung ein- 
reichen, in welcher ausgeführt war, daß der Dompropft fich eine 
weltliche Jjurisdiltion angemaßt habe. Die Tönne ihm nicht 
zugeftanden werden, da die freien Dithmarjcher als folche diefelbe 
je und allewege felbjt ausgeübt hätten. Die Jurisdiltion des 
Propftes erftrede ſich nur auf geiftlihe Sachen. Daß ihm aber 
bierin Eintrag gefchehen fei, das möge er vor dem ordentlichen 
Nichter beweifen; vor das Kammergericht gehöre die Sache gar 
nicht. Deshalb möge der Kläger vor den Erzbifhof von Bremen 
verwiefen werden. Gegen die Injurie, daß ein Faiferlicher Bote 
in ihrem Lande nicht ficher fein folle, proteftiren fie entfchieden 
und behalten fich diesbezüglich weiteres vor. In der Replik des 
Bamburger Domlapitels wird die Erceptionsfchrift der Dithmarfcher 
als erdichtet, bejchimpfend und beleidigend bezeichnet und gejagt, 
daß der Erzbifchof in Dithmarfchen gar feine Jurisdiktion habe, 
„venn allein in Blutjachen, da Sein Bnad jurisdictionem sanguinis 
Durch 5 Richter dazu verordnet, vorfieht und ausrichtt, welche 
Nichter aus den Dithmarfchen über das Blut zu richten erwählet 
werden“, und die dem Erzbifchof jährlich 5 Gulden und 8 Schillinge 
Cübſch entrichten. Der Hamburger Propft aber habe über 300 Jahr 
lang fchon in weltlichen und geiftlichen Dingen bis 1523 in Dith- 
marfchen Jurisdiltion geübt.! Der Propft und feine Offizialen 
feien aber durch das aufrührerifche Benehmen der Ditkmarfcher 
genöthigt worden, das Land zu meiden. — Tach weitläufigen 
Derhandlungen wurde endlich am 10. April 1532 zu Speier dahin 
zur Sache erfannt, daß nach dem Dorgebrachten diefelbe am 
taiferlichen Kammergericht nicht angenommen werden fönne, fondern 
vor den ordentlichen Richter zu bringen fei, und daß das klägeriſche 
Kapitel den beflagten Dithmarfchern die erwachfenen Koften und 


: In BHolftein behauptete der hamburger Dompropft die geiftliche 
Jurisdiltion bis zur völligen Einführung der Reformation unter 
Ehriftian III., 1536. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 379 


Schäden nach gerichtlihem Ermefjen zu erjtatten babe. Das Ham- 
burger Kapitel erneuerte nachher, im Jahre 1540, die Klage wider 
die Dithmarjcher beim Heichsfammergericht. Die Klagefchrift wurde 
den Achtundvierzigern vollinhaltlich mitgetheilt in einem Dokument, 
welches deshalb merfwürdig und von hohem hiftorifchen Intereſſe 
ift, weil es in manche firchliche Derhältniffe des Landes zu da- 
maliger Zeit Einbli gewährt. Es lautet dasjelbe: 

„Dit is de Klage und Tofprafe, de de Praveft unde Official 
Lommifjarius unde NWotarius der Pravefty tho Hamborg und 
Deden, Dombherren, Lapitel unde ganze Papheit tho Hambor 
vorflagen vor dem Römiſchen Kayjerl. Cammer-Sericht ower de 
Landes Rath des Landes Ditmerjchen. 

Int erjte beflaget fi de Pravft tho Hamborg, wo ehme üı 
dem Lande Ditmerjchen tobehöre alle richte unde rechte, beyd 
geyftlik unde weltlid, dat difje den 48 Vorweſeren unde Slutere 
des Landes nicht tho famen, hebben em jodane rechte mit egene 
Gewalt gerovet. Unde de Praveite hebben ſodane Gerechtigkeit bavcı 
de 50 unde 100 Jahr unde baven Menſchen Dechtniß in rowliden 
Brufe unde Befittung gehabt. 

Unde de Prapft mit ſynen Official-Notarien hedde de Macht 
alle Ditmerjchen, geyſtlick unde weltlif, um Penninge-Schuld 
Schaden unde alle Safen citeren, laden, bannen, unde hebben d 
Slutere unde acht unde vertige des gang nene Macht tho richtende. 
Dartho hebbe de Praveft alle Bröfe tho nehmende, tho ftraffende 
alje van Dotichlage, Jungfrowen-Schändende, und alle andere Bröfe 

Und de Praveft hedde de Macht, umme Schuld und Bröf 
int Land den Bann tho leggende, alle Badesdenfte, Leremonien 
de Sacramente apentlich tho vorbeden, nicht tho döpen, begraven 
de Kloden tho lüdende, mit mebr groter Dorbedinge in romwliche 
Befitt gehatt unde jo vele Jahr, als baven fcreven. 

Unde alle Jahr twe Synodes geholden im Zande, dar mei 
mofte wrögen, wat vor Bröfe infallen mochten unde fonnen, da 
he Geld mochte nehmen unde manen. 


380 Dritter Abjchnitt. Dierte Abtheilung. 


OF beklaget fi de Praveft, alle jodane Geld, dat de 
Praveft, Official, Notarien pleggen tho nehmende unde tho fchattende 
van den Bröfen, dat hebben nu unde fiet der Tydt, dat de Official 
unde Wotarius uth dem Lande gebleven unde vorjaget, de Richter 
unde Sluter in dem Lande van den Ditmarjchen fulveft gefchattet 
unde upgenahmen, unde fodanes by 22 Jahren upgenahmen unde 
porentholden. 

Ock beflaget ſick de Praveft, dat wanehr en Prefter vorjtorpen 
unde mwedderum en ander Prefter mit ener Kerfen-Dicarie effte 
andern geyitliden £ehne jcholde belehnet werden, de moßte tho allen 
Tyden dem Praveſt geven, jcholde he anders de Dicarie effte Lehen 
in Befitt kriegen, teynde half Mard Lübſch, unde deme Official, 
Notarien unde dem Stalllnecht einem jewelicken dartho noch etlick 
Geld geven, dat je ehm od jo mennig Jahr vorentholden, unde 
de Ditmerjchen hebben fodanes verbaden unde nehmen nu fodanes 
Geld van den Lehnen fulveit in eren Büdel. 

Item fo beflaget fich vorder de Praveft, dat alle de Kercken im 
Lande Ditmerfchen, utgenamen allene veer Kerden, Meldorp, 
Barlt, Bodelnborg unde Heyda, gaen alle vam Praveft tho Lehn 
nnde de hedde de Macht, darmede tho verlehnende unde upthofettende, 
den he darmede belehnen will. Nu hebben de Ditmerfchen alle 
Kerden fülveft ingenamen unde darup Kerdherren, Capellanen 
unde Predicanten gejettet baven des Praveften Willen unde na 
ehrem egenen Gefallen unde fo der Kerden berovet, unde alle 
jahrlid Tinfen, Renten unde Penfion, de man ehm darvan plag to 
gevende, baven de 22 Jahren inne beholden unde julveft upgenamen 
unde gebrucdet, dem Praveft to grotem NWadeel unde Schaden. 

Dorder beflaget ji de Praveft, dat under den Kerden im 
£ande Ditmerfchen noch eine Kerde is, genomet Oldenworden, de 
alleine den Praveften tho Hamborg is incorporeret unde beböret tho 
erer Tafel unde Difch, dar dem Praveft is van betalet alle Jahr 
40 Bulden, dar fe ehm des berovet unde fodane 40 Gulden fulveft 
upgenamen. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 581 


och beklaget ficd de Pravſt, dat he in derjulven Kerden th 
Oldenworden hebbe 4 egene Dicarios unde eine Lommende, de 
fine eigene tho vorlehnende findt unde de Heren, darmede belehnet, 
hebben alle Jahr van den veer Dicarien tho Penfion gehatt unde 
van den Commenden 76 Mard, hebben fe berovet unde innen 
beholden 18 Jahr, boven alle Rechte. 

So beflaget fi mehr de Pravſt, dat de Ditmerfeieit, wat j 
Prapften, Official, Notarien tho einem groten Summen alle Jah 
plegen tho betalende, wo baven gefchreven, hebben je de Dit- 
merjchen, berovet unde inne beholden. | 

Dorder, dat dat Land tho Ditmerfchen tho Hemmingjitedt N 
Llofter gebuvet und ehm verjegelt, alle Jahr ut der Kerden he 
geven 50 Mard, de je noch fchuldig fyn. 

tem, alle Kercdheren im Lande Ditmarjchen weren plichtig 
alle Jahren ein juwelik dem Pravſte tho geven eine Marc, dat ſ 
de Kerden bejeten, de ſyn je fchuldig van 18 Jahren, de de Dit 
merfchen inne beholden. 

Idt beflaget fi noch de Pravit, dat alle Preiter, Pajtoren 
im Lande Ditmerfchen aver dat drudte Jahr mojten ehm ein Schat 
geven, darum, dat he je ſchole vordedigen, in dem Kande by ehre 
olden Gebrud tho bliven, dat hebben je em oc fpolieret 18 Jahr 

Dorder dat alle Kerdherren ehm moften geven jeglid einer 
Gulden, davor dat fe tho Michaelis tho Hamborg nicht tho Lapite 
quemen, des is he oc berovet 18 Jahre unde de Ditmerjchen da 
beholden. 

Ock beflaget fi de Deden unde Capitel tho Hamborg, dat ſ 
hebben 2 Kercden, aljo Meldorp, dar fe alle Jahr van hebbe 
60 Mard £., unde Barlt, dar fe alle Jahr van hebben 60 — 
unde Barlt, dar je alle Jahr 16 Marck var hebben, 
ehnen eigen thofamen unde ingelievet findt, und hebben 
Kerden in rowlider Brufing baven aller Menjchen Gedächtni 
gehat ane alle Injage, unde fe des nu berovet unde de Penfioı 
18 Jahr inne beholden unde genamen ane alle Rechte. 


— — — 


382 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


| Dorder beflaget fich de Deden unde Lapitel, dat fe alle Jahr: 
| lies baven Menjchen Hedächtnig in rowlicken Befitt gehatt hebben 
uth den Kerden alle Jahr, alje van Oldenworden 2 Mark, Weſſel— 
buren 2 Marck, Nienkercken 4 8l., Buſen 6 4l., Süder-Herſtede 
30 Bl., Weddingſtedt 50 A4l., Lunden 6 4l., Hennſtedt 4 4l., 
Hemmingſtedt 3 41. unde dat nu ſpolieret unde innebeholden baven 
‚alle Rechte 18 Jahr. Ock noch boven de 18 Jahr vorentholden 
| unde berovet uth der Kerden tho Meldorp 9 Mard, dem Lapitel 
' alle Jahr thobehörig, noch uth dem Llojter tho Meldorp vorentholden 
unde berovet alle Jahr dat Land 58 Mard, dat Jahr 3 Mard, 
vor dat de Monnike dar wanen. 

Noch beflaget fif de Deden unde Lapitel tho Hamborg, dat 
je in dem £ande tho Ditmerfchen in den Karfpelen Hennftede, 
Tellingftede, beyde Herftede und Hemmingjftede enen fryen Tegeden, 
genomet unfer leven Fruwen Tegenden, baven vele hundert Jahr in 
rowlicken Brud unde Befittinge gehatt, unde de Karfpel fe de 18 Jahr 
des Tegenden berovet unde fpolieret, der Domkerden, dem Deden, 
Capitel tho Hamborg, tho Hoen unde Spott unde ewigen Dordarve. 

Noch in der Kerden tho Meldorp 10 Mard, von St. Oswaldus 
Dicarie, noch in der Kerden tho Meldorp 14 Mard van H. Detlefs 
Dicarie in der Garvekamer alle Jahr, od 18 Jahr beropet. 

Mo fi difjes alles Praveft, Deden unde Lapitel tho Hamborg 
jo hochlicfen beklagen, dat de Ditmerfchen, wo hir boven befchreven, 
wedder alle Billigfeyt und von Römiſchen Kayfern upgerichteten 
£andfreden, mit egener Gewalt jodane geyftlide und weltlid 
Öerechtigheyt, Herden, Dicarien, Lommenden, Kehnen, Tinjen, 
Renten, Penjien, den Tegenden unde funft alle andern olden Brudinge 
berovet, jpolieret unde entjettet unde gewaldiglicden in dem Lande 
beholden. Darup beedende Röm. Kayj. Maj. Dollmechtigen, Com— 
mifjarien, Cammer:Serichts-Sörften unde Hrn. Aſſeſſoren unde ejchen, 
de Ditmerfcher tho declareren, dat je erft baven Romifcher Kaifer- 
liter Maj. upgerichteten Eandfreden und Afjcheiden in de Pene unde 
Bröke des Rickes vorfallen jyn, darin finden unde ordelen und dar 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 383 
























mit na den Mandaten tho holden und mit der Acht unde Opera 
dar tho dwingen, date uns, Prapft, Deden und Lapitel tho Hamborg 
jodane unfere Official unde Notarien laten wedder gebrufen, und 
uns in de Kerden, Dicarien, Lommenden, unde alle aeyftlid 
£ehnen und den Tegenden, wedder fetten unde de ſecker und 
redlich gebrufen laten, unde alle naftaende Gelder, de fe deil 
18 Jahr van dem Richte, Bröfe, van Kerden, £ehnen un 
Tegenden innebeholden, ane einiges Sumend met allen geledene 
Untoften unde Schaden, wes derhalven gefcheen is, betalen, ander 
de Acht unde ®peracht over fe gaen laten, dat alle Sorften, Heren 
Stende, Adel unde Unadel, wo fe findt, de Ditmerfcher möge 
fangen, ehre Güder nehmen, wor fe de belopen unde finden, ſ 
lange beth fe tho fodanen Gehorfam gebracht worden. 

Alfo heft dat Land van wegen des Prapftes, fines Officials 
Eommifjarien unde Notarien, dat fe mit dem Banne der Armod 
afgefchattet, und van den Kerden, Dicarien, Kehnen, unde wat d 
Kerdherren unde Prefter möften betalen, in Summa van diſſe 
18 Jahren vief unde vertig dufend byn dree hundert Marck £üb 
Dier is noch baven, wat de Official und Notarius plegen uptho 
nehmen van Eitaten, Bannbreven unde Abfolution tho fchattend 
Darbaven noch van den Tegenden innebeholden Twintig Hunde 
unde Softeyn Tonn Roggen. 

Dier noch baven, wes de Kerckheren unde Dicarien in Meldor 
alle Jahr tho dreen Reiſen vorthereten. Dar noch baven, wen 
en Prefter ftervet, wat men van Teftamenten mofte geven und 
wat en Prefter geven moßte, wennehr he eine Dicarie belehne 
baven 13 Mark tho gevende ane fine Theringe. Hier noch bave 
wat de Wyhe-Bifchopp van Kerkhave tho confecrerende unde th 
wyhende. Hier noch baven, wat de Stationarien, alfe unjer leve 
Sruven Bade van Hamborg, St. Peters Bade van Bremen, 
St. Antonins, dartho mat de Praveft van NRömifchen Aflate to 
prätenderen.“ | 

„Ick, M. Joh. Schnißer, hebbe deſſe Klage unde Chofprat! 


584 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


wegen der Praveftye tho Hamborg, Deden, Domherren, Eapitel 
unde ganze Papheit tho hamborg opergeven an de Achte unde 
vertigen des Landes tho Detmerfchen. Heyde. A. 1540.”! 
Wenn hier Meldorf, Barlt, Bökelnburg und Heide als nicht 
vom Dompropft zu £ehn gehend bezeichnet werden, fo ift in diefer 
Beziehung zu bemerken, daß Heide eines der jüngjten Kirchfpiele 
des Landes war und in neueren Gemeinden, wie Neuenkirchen 
und St. Annen, die Stifter der Kirche von vornherein das Patronat: 
recht erhielten, und daß in Burg der Erzbijchof von Bremen die 
Pfarritelle verlehnte. — Conrad Bole in feinem Kalender fagt, 
dag er 1515 die Pfarre zu Burg vom Adminijtrator des Bremer 
rzbijhofs befommen: „XVII Kal. Sept. anno Dom. 1515 obiit 
ominus Johannes Gladebeck, hujus ecclesiae verus et perpetuus 
lebanus, cujus anima requiescat. Post obitum Johannis Gladebecken 
e Göttingen, Archiepiscopi Bremensis et Verdensis administrator 


! In einigen Abfchriften findet fi die Jahreszahl 1524 angegeben. 
U. a. haben Bolten (IV, ı6 und 22) und Wislicenus (p. 60) hier diefe 
Jahreszahl. Dabei ift wohl darauf hingefehen, daß Joh. Schniter (Schned‘) 152% 
in der Sadye Heinrichs von Zütphen als Vikar und Kommifjar des Hamburger 
Kapitels fungirt. Allein Schniter, oder Schned, war nachher erfter evan- 
gelijcher Prediger in Heide und ftarb als ſolcher dafelbft 1551, 21. Dezember. — 
„Ao. 1551, ipso die Thomae Apostoli (i.e. d. 21. Dec.) obivit mortem in Heida 
vir venerabilis Magister Johannes Schneck, Pastor ibidem & Superattendens 
Pastorum terrae ditmarsiae, cujus anima in pace requiescat.* (Conrad Bolen, 
Kalender, Fehſe, Anh. 59.) In dem Prozeß vor dem NReichsfammergerichte 
in den Jahren 1526— 1532 heißt es, daß das Kapitel bis 1523 im Lande 
Dithmarfden feine Rechte ausgeübt habe. In der Klagefchrift, die hier 
angeführt ift, wird Befchwerde geführt darüber, daß das Hapitel feit 
18 Jahren in Ausübung aller feiner Gerechtſame behindert worden. Es 
kann alfo auch hiernad; die Schrift nicht von 152+, fondern nur von 1540 datiren. 

° In Weuenfirhen die Todiemannen und Hodiemannen des alten 
Kirhfpiels Weffelburen; in St. Annen Ruſſen Marquart, Heinen Claus 
und Junge Claus Johann aus dem Auffebellingergejchledht des Kirdhfpiels 
Cunden, für fih und ihre Nachkommen. Die genannten Aufjebellinger 
waren des Kirchenbaues wegen zweimal nad Rom gereift, 1500 und 1507. 
Im leßteren Jahre erwirften fie eine Bulle vom Papfte Julius II., das 
Patronatredyt betreffend. Diefe findet ſich bei Fehſe, Nachr. v.d. ev.-Iuth. 
Prediger d. Xorderth. Dithm., p. 545. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 385 


contulit mihi, Conrado Bolen de Munden Moguntinae dioeceseos 
ecclesiam Boekelenborch, quam possedi annos 42.“ — Meldo 
und Barlt aber gingen, wie aus dem Dofument felbft erhellt, 
vom Dechant und Kapitel zu Hamburg zu Eehn. Die auf Ein- 
nahmen aus Sällen, „wenn en Prefter ftarft” bezügliche Stelle des 
Dofuments geht auf einen zum Gewohnheitsrecht gewordenen 
Brauch, wonach der Lehnsherr die Einkünfte erledigter Lehen ganz 
oder theilweife für fich behielt. Der Hamburger Dompropft hatte 
1347 mit den Geiftlichen feiner Propftei das Uebereinkommen 
getroffen, daß er von den Einkünften der Stelle eines verftorbenen 
Pfarrheren den vierten Theil als ein Synodaltecht zu fordern 
haben folle. Dies hat es veranlaßt, daß folgendes Derzeichniß 
der Einfünfte der damaligen Dithmarjcher Pfarrftellen auf unjere 
Seit gekommen ift: 


Taxis Beneficiorum Praepositurae in Thitmarcia. 
Kerterstede.. 124 Brunesbuttel. 244 Hemmingstede ı0 Ä 


Bokelenborch 16 » Merna...... 45 >» Oldenwurden.. 34 > 
Edelacke.... 16 » Meldorpe ... 90 » Langenbroke 
Alverstorpe.. 20 >» est reformandum.? 


ı Qah Weftphalen (Dipl. Ditm.) vergab der Hhamburger Dompropft 
1515 noch eine Dilarie zu Hemmingftedöt. Die Dergebung wird hier nur 
eine Einwilligung des geiftlihen ®beren zur Mebernahme des Amtes fein, 
die für den betreffenden Beiftlichen von Werth fein mochte, aber die freie Wahl 
der Gemeinden nidyt beeinträchtigen konnte. 

? Die Bezeihnung „est reformandum“ hat Bolten zur Annahme ver- 
leitet, daß Langenbrof ein zwifchen Wöhrden und Büfum gelegenes, unter- 
gegangenes Dithmarfcher Kirchfpiel gewefen. Offenbar Hat der betreffende 
Schreiber hier Langenbrod in der damaligen Haſeldorfer Marfch, wofelbft derzeit 
die Zeuendorfer Kirche ftand, aus Derfehen angeführt und dann durd den 
Sujag „est reformandum* fein Derfehen ausgeglihen. Bolten meint, 
Cangenbrok müſſe in Dithmarjchen belegen gewefen fein, da der Bremer 
Erzbifhof dasfelbe an Graf Hinrich von Holftein 1304 verpfändet habe, 
und der Erzbifhof wohl in Dithmarfchen, nicht aber in Bolftein und 
Stormarn, Kirhen zu verpfänden gehabt habe. Allein nördlich der Elbe 
unterftanden dem Erzftift außer Dithmarfchen der fieben Bemeinden (homines 
septem parochiarum ultra Albiam sitarum) der Hafeldorfer Marſch, die fi 
damals bis an die Wildniffe zwifchen Pinnau und Krüdau, von Wedel 
bis Slädftadt, ausdehnte. 


Dithmarfcher Gefchichte. 


td 
„u 


386 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Busen....... 26% Linden...... 48 A 
Weslingeburen 40 » Wetingstede . 30 >» 
Nienkerken .. 16 >» Hanstede.... 24 > 
Hemmer..... 18 >» Repherstede. 


Da der Propft den vierten Theil des Einkommens der Stellen 
zu fordern hatte, fo betrug dieſes das Dierfache der in dem Der- 
zeichniffe aufgeführten Beträge. Nach derzeitigem Geldwerth 
waren die Dithmarfcher Predigerftellen gut dotirt. Melanchthon 
foll Kandidaten der Theologie, die fih um Rath und Hülfe zur 
Beförderung an ihn gewandt, mit Dorliebe nach Dithmarfchen 
gewiejen haben mit der Bemerfung: Hin nach Dithmarfchen, da 
giebt’s gute Eonditiones! Insbeſondere ift befannt, daß der nad 
herige Superintendent Joh. Roger, M. Nicolaus Bojes Nachfolger, 
durch Melanchthon nach Dithmarfchen gefandt wurde mit einem 
Empfehlungsfchreiben an den Superintendenten Joh. Schned zu 
Heide. Uebrigens fjcheinen die Einkünfte der Predigerftellen in 
älterer Zeit nicht firirt gewefen, fondern durch Dereinbarung der 
Gemeinden mit dem jeweiligen Inhaber der Stelle feftgefeßt 
worden zu fein. Gemeinden und Prediger pflegten nämlich auf 
beftimmte Seit einen Kontrakt zu fchliegen, und bei Sehje (Nachr. 
v. Pred. i. Norderthl. Dithm., 695) finden wir, daß die Tellingftedter 
1548, als die Zeit, die ihr Paftor, Nicolaus Kröger, mit der Gemeinde 
fontrahirt hatte, um war, einen anderen, Boetius Jebens, der als 
Dialonus zu Neuenkirchen ftand, auf zwei Jahre annahmen und 
nach Ablauf der beiden Jahre wieder mit dem vorigen Paitor, 
Nicolaus Kröger, um feine Befoldung einig werden „op veer 
Stiege Mark Cübſch, darvor he od Brodt und Wyn op den Altar 
holden fchall”. | 

Die Klagefchrift des Domtapitels bezeugt es, dag auch 
vor der Reformation die Pfarrherren und Kapellane der Kirchen 
in Dithmarfchen von den Kirchengemeinden nach eigenem Be: 
finden angenommen und entlafien worden find, und zu Heinrichs 
von Sütphen Seit wurde behauptet, daß folches vom ganzen Cande 


Don 1324 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 387 


befchlofien und damals in langem Gebrauch geweſen fei.! Das 
fchliegt nicht aus, daß unter normalen Verhältniſſen die Ordnung 
und Zeitung auch der äußeren firchlichen Angelegenheiten durch 
die FTirchlichen Oberen betrieben worden, und konnte namentlich 
das die Geiftlichen mit den Kirchenoberen verfnüpfende Band 
freien Gehorſams nicht löfen. Bierauf laſſen fich Sälle, wie der 
von Lonrad Bole angeführte, der Uebertragung des Pfarramts 
zu Burg auf ihn durch den Adminiftrator des Ersfliftes Bremen, 
beziehen. Am beften bejoldet waren die Pfarrherren zu Meldorf, 
£unden, Marne, Weflelburen und Wöhrden. Hier waren auch 
die Kirchen in befonderem Anfehen. Meldorf hatte wenigftens 
fieben Difarien mit eigenen Altären, Wöhrden fechs und in Weflelburen 
und Kunden waren neun Altäre vorhanden. Marne fam zu hohem 
Anſehen durch das Klofter dafelbft, welches wahrfcheinlich erft im 
15. Jahrhundert nach Meldorf verlegt worden if. 1414 floh 
Otto Schiufel noch ins Klofter zu Mergene, welches nur Marne 
gewejen fein fann. In der Solge finden wir fein Klofter mehr 
zu Marne, dagegen ein folches, von ganzen Eande geftiftet, zu 
Meldorf, welches vorher nicht porfommt. Zwar ift die Meinung 
aufgeftellt worden, dag das Klofter zu Meldorf „Mergenowe“, 
Marienau, genannt worden und als foldhes gleich urfprünglich 
hier geftiftet worden fei; allein dem widerfpricht die Angabe aller 
älteren Ehroniften, wonach das Klofter zu Mergene, Marne, nicht 
zu Meldorf, geftiftet wurde? Auch finden mir feine Spur von 








! Yu mit Schullehrern hielt man es fo. Es wurden fludirte Männer 
angenommen, aud an Dorfſchulen. Neocorus fagt, daß nebft dem Rektor 
an der $ledensfhule „an tein fine gelehrte Scholmeifter” in der Weſſel⸗ 
burner Kirche beim Gottesdienft celebrirten. Die Kandidaten der Cheologie 
waren damals in der Regel, bevor fie ins Kirchenamt traten, an Schulen thätig. 

* Daß die Dominikaner Feine Landwirthfchaft trieben, kann hier nicht 
in Betradht fommen. Als Bettelordensbrüder mochten diefelben in der reich» 
bevölferten Südermarfhy fo bequem zu ihrem Unterhalt gelangen, wie in 
Meldorf, und als herumziehende Prediger, die vornehmlich da wirkten, wo 
es an ftändiger Seelforge mangelte, modıten fie urfprünglich in der Marfch 

25* 


588 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


einem Klofter Namens „Wergenowe" zu Meldorf, und dag das 
Meldorfer Klofter nicht urfprünglich Hier geftiftet worden, dafür 
fpricht eben die Klage des Domlapitels, wenn es in derfelben 
heißt: „uth dem Klofter tho Meldorp alle Jahr 3 Mark vor dat 
de Mönde dar warnen.” Hiernach müflen die Mönche auf Grund 
einer befonderen Erlaubnig und Dergünftigung, nicht auf Grund 
urfprünglicher Stiftung, zu Meldorf gewohnt haben.! Die vor- 
nehmfte und angejehenfte Kirche des Landes blieb jedoch immer 
die alte „Mater ecclesiae“, die Kirche zu Meldorf, die fchon 
äußerlich über alle anderen Kirchen hervorragte. Auf fteil gegen 
die Meeresküſte abfallender hoher Geejftinfel belegen, war fie durch 
ihren ungewöhnlich hohen Thurm von alters her den Schiffern ein 
Merkzeichen für die Fahrt nach der Elbmündung und blieb es 
auch bis zum Jahre 1435, in welchem der Thurm abbrannte, und 
wiederum bis 1444, in welchem Jahre ein ftarfer Sturmwind den 
neuerbauten Thurm ummwarf. Für die Wiederherftellung nach dem 
Brande im Jahre 1455 hatte der Meldorfer Stadtrath, mit Rückſicht 


mehr am Plate fein, als in der alten Mletropole des Landes. Später, als 
auch in den Anftiedelungen der Marſch die kirchlichen Derhältnifie Stabilität 
erlangt hatten, mochten dann Rückſichten allgemeiner Art für die Ueber- 
fiedelung der Mönche nach Meldorf ſprechen. 

I Dietrih Karftens will wiffen, daß das Klofter zu Meldorf, ein 
Dominifanerflofter, 1001 geftiftet worden. Der Orden der Dominifaner 
wurde aber erft 1215 gegründet. Neuere wollen, daß das Klofter zu Meldorf 
geftiftet worden, als diefes Stadt wurde. Dafür, daß das Klofter eriftirte, 
als der Ort Stadt ward, foll es fprehen, daß eines der fünf fog. Diertel 
Meldorfs „Klofterviertel” genannt wird. Allein die „Diertel” find eben 
die Eggen, Eden, die fih in jeder Brtfchaft Dithmarfchens finden und die 
fi fiher in Meldorf ſchon gefunden haben, ehe der Ort Stadt ward und 
ehe an ein Klofter der Dominikaner gedacht werden konnte. Die Bezeihnnng 
„Klofterviertel” ift hier ebenfowenig urfprünglid, wie die Bezeihnung 
Burgviertel, Rofenviertel, Beerviertel. Die urfprünglihen Bezeihnungen 
der Diertel und der Eggen find überall von den Himmelsgegenden entlehnt, 
und das tft ficherlicy auch in Meldorf der Fall gewefen, wenn aud; vielleicht 
das jeßige „Worderviertel” dafelbft jüngeren Urfprungs ift, als die anderen 
„Diertel”. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 389 


auf die Wichtigkeit des Thurmes für die Schiffer auf der Elbe, 
indem derfelbe, wie es in einer Urkunde, Neocorus 1, 635, heißt, 
„en Khedinge was allen vrombden Koplüden, de den Strom der 
Elve in unde uth fjochten”, felbft die Hamburger in Anfpruc 
genommen. Meldorf, die alte Hauptftadt des Landes und bis 
1529 aucd die einzigfte Stadt im KEande, war bis 1447 Ort 
der Kandesverfammlung und Derfammlungsort des weltlichen und 
des geiftlichen Gerichts. Die Geiftlichen follten zwar eigentlich zur 
Abhaltung der Synode beim Dompropften in Hamburg fich einfinden. 
Durch Dergleich aber hatten fie, weil ihnen die Heife nach Hamburg 
oftmals unbequem und unpaffend fein mußte, es dahin gebract, 
daß der Dompropft felbit oder fein Offizial zu ihnen fam und in 
Dithmarfchen, zu Meldorf, Synode hielt und für feine Mühmwaltung, 
fowie für Auslagen, die ihm dadurch entftanden, eine beftimmte 
Entfchädigung bezog. Daher die in der Klagejchrift des Hamburger 
Hapitels beregte Sorderung von einem Gulden „von allen Kerd: 
heren, davor, dat je tho Michaelis tho Hamborg nicht tho Eapitel 
quemen". Schließlich aber war ihnen auch diejes noch zu unbequem 
und fie hatten fich einfach dem Einfluß des Domlapitels entzogen. 
Die zur Sreiheit fo geneigten Dithmarjcher ertrugen auf die Dauer 
die geiftliche Jurisdiltion des Hamburger Kapitels ebenfowenig, 
wie die weltliche des Bremer Erzſtifts. — Wenn es neben jenem 
Artikel des alten Candrechts, nach welchem ein Jeder, der vom 
Dompropft und von Prälaten Befehle auswirfen und publiziren 
ließe, als ehrlos des Landes verwiejen und, gleich ärgften Derbrechern, 
durch Feuer feiner Heimftätte beraubt und friedlos gelegt werden 
follte, noch des Beweifes bedürfte, daß auch vor der Reformation 
die Ditkmarfcher nichts weniger waren, als blinde Anhänger des 
päpftlihen Begiments und der hierarchifchen Einrichtungen und 
Derordönungen, als welhe man fie, anläßlich des traurigen 
Gefchides Heinrichs von Zütphen, hat hinftellen wollen, fo würde 
jolcher Beweis aus diefer Klage des Domlapitels beim Kaiferlichen 
NReichsfammergericht allein fchon erbracht werden können. 


390 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


Auf die Zuftellung folcher Klagefchrift war von den Achtund- 
vierzigern folgendes abgegeben worden: „Wy achtundvertig Dor: 
wefer des Landes Ditmerfchen entbeden dem Kerdiheren to Cunden, 

| dat he deffe Klage apentlid leſe Morgen, Sondag Seragefimä, 
ee dem Kerfpel, und denne dem Köfter by poene 60 Marck, dat 
he et ſtracks bringe dem Kerckheren to Hemme, de up den Dag 
"Purificationis Mariae vör dem Kerfpel lefe, und by poen de Höfter 
bringe dem Kerckheren to Weddingftede, de oc defje Klage leſe 
up den Sondag Wuinquagefimä unde denn de Köſter de bringe 
by poen dem Kerdiheren to Bemmingftede, de defle Klage up den 
Sondag Invocavit vor dem Kerfpel lefe unde by poen de Köfter 
bringe an den Kertheren to Nord-Harftede, de ock vor dem Kerfpel 
lefe de Klage op Temper-Sondag unde darna de bringe tor Heyde. 
Dat. Heyda Sabbatho post convers. St. Pauli. A. C. XL. 
| Gunther Werner.! 


Im übrigen hatte die Klage des Dompropften und des 


! Der Tag „Convers. St. Pauli,“ Pauli Befehrung, ift der 25. Januar. 
Die Klage foll „morgen, Sondag Seragefimä” verlefen werden. Seragefimä 
ift der achte Sonntag vor Oſtern. Zwiſchen Pauli Befehrung und Oftern 
lagen alfo nicht mehr als neun Wochen und Oſtern fiel demnad vor den 
29. März. für 1524 aber fällt Oſtern auf den 25. April. Es ift daher 
falfh, wenn Bolten und Zieuere nah ihm die Klage des Kapitels in 
das Jahr 1524 fegen. für das Jahr 1540 fällt Oſtern auf den 
28. März. Der Sonntag Seragefimä ift hier alfo der 1. Februar und der 
Tag vorher, 31. Januar, ift der Sonnabend nah Pauli Belehrung 
— „Sabbath post Convers. St. Pauli“. Der Tag „Purificationis Mariae,“ 
als der 2. Februar, war demnadh damals der Tag nad Seragefimä. 
Daher war die, am Sonntag Seragefimä in £unden verlefene Klage „ſtracks“ 
nah Hemme, zur Derlefung am Tage Purificationis Mariae zu bringen. — 
Günther Werner wird wohl als „Kandfchreiber um 1524" bei EChroniften 
angeführt. Allein Günther Werner war noch nah 1540 im Amt und ftarb 
in Beide, 22. März 1546. — „Ao. 1546, 22. mart., quae fuit 2 feria post 
Reminiscere obiit in mortem in Heyda vir venerabilis Magister Guntherus 
Werneri de Munden, Moguntiensis dioeceseos, hujus terrae ditmerciae Scriba & 
Secretarius, cujus anima in pace requiescat.“ (Conr. Bolen Cal.; Fehſe, 
Anh. 38.) 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 391 


Kapitels von Hamburg weiter feinen Erfolg. Die Dithmarfcher 
achteten nicht darauf und ließen diefelbe beim Kammergericht auf 
fih beruhen. 

eben den durch die Reformation verurfachten Unruhen im 
Inneren hatten auch die politifchen Begebenheiten der Seit das 
Land in mancherlei Weiſe in Erregung verfeßt und darin erhalten. 
1527 fanden Derhandlungen flatt wegen der Streitigkeiten mit den 
Nordfriefen. Es wurde fchließlich zwifchen Detlef von Ahlefeld, 
Amtmann zu Gottorf, Marquard Seeftedt, Stalleer von Vord—⸗ 
firand, Sivert Harmens, Staller von Eiderftedt, und 36 Dith- 
marfcher Abgeordneten befonders vereinbart, daß vorfallender 
Swift hinfort durch acht Dithmarfcher und acht Eiderftedter ge- 
fchlichtet werden ſolle. Im Jahre 1529 wurde von den Dith- 
marfchern das Bündnig mit Kübel erneuert, und zwar auf acht 
Jahre. In den Jahren 1551 und 1532 war das kand in Be: 
wegung, weil man Unternehmungen gegen die Sreiheit Dith- 
marfchens von feiten der Dänen und der Bolfteiner beforgte. 
König Chriftian Il. von Dänemarf hatte im Sommer des Jahres 
1551 in Oſtfriesland Truppen zufammengebraht zur Wieder: 
einnehmung feiner Reiche. In einer £andesverfammlung auf der 
Beide bei Nüflorf ward befchloffen, daß fich 500 Mann bei 
Brunsbüttel lagern fjollten. Die Mannfchaft aus dem Xorder- 
firand 309 mit Trommeln und Sahnen über Meldorf durch den 
Süderftrand nach Dielshörn. Wlan wollte hier eine Eandung der 
geworbenen Truppen verbindern.! Die Anführer der Dithmarfcher 
waren Wieben Peters und Elaus Marr Eargen. Chriſtian II. 
fchiffte feine Truppen am 26. ©ftober ein nach Norwegen. Acht 
Tage lang follen die Dithmarfcher zu Brunsbüttel verfammelt ge» 
wejen fein, und während diefer Seit fol jeder Mann zwei Gulden, 


: Dem mit $riedrich I. gefchloffenen Bündnißvertrage gemäß waren 
die Dithmarfcher auf der Hut. Uebrigens fürchteten fie wohl nicht gerade 
für ihr Land Seindfeligfeiten und waren Chriftian II. im Grunde geneigter, 
als feinem Begentönig Friedrich 1. 


392 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


jeder Sührer aber vier Gulden vom Lande erhalten haben. Im Jahre 
1532 zogen ftarfe Haufen geworbener Landstnechte aus Dänemarf 
durch BHolftein nach deutfchen Landen zurüd. Um gegen diefe die 
Grenze zu fichern, legten fi} die Dithmarfcher zur Landhöde, aus 
jeder Döfft 300 Mann. Am Sonntage vor Jacobi zogen fie aus. 
Die Mannfchaft der Mitteldöfft und der Wefterdöfft legte ſich in 
die Hamme, die Nordhamminger befegten die Tielenbrüde, die 
Meldorferdöfft, durch Wöhrden verftärtt, nimmt in Meldorf Stellung, 
die Strandmannen nehmen ihren Stand zu „Sandfort” (Sandhorn?) 
und im Oſtermoor, nach Teocorus. — „VNordhamminger“ bezeichnet 
hier ohne Zweifel die Bfterdöffter insgefammt, da es unmwahr- 
fcheinlich if, daß Alberftorf und Südtellingftedt, die mit der 
eigentlichen Torderkamme — Hennftedt, Delve und Nordtellingftedt 
— die Ofterdöfft bildeten, allein zurückgeblieben fein jollten, während 
das Land in Waffen war. Nach Henning Swyn (Fragm. Russ. 
ap. Weitph. IV.) hatten die Dithmarfcher an Befchüß mitgeführt: 
6 halbe Schlangen, 15 Quarteer-Schlangen, 2 AMlörfer, 20 Scherpen- 
tiner (Serpentinen, Schlangen) und 1500 Büchjen, darunter 721 
Hekebüſſen (Balenbüchfen) und 200 Armbrüfte. Sie waren alfo 
nah dem Maße damaliger Seit ganz vorzüglich gerüftet. Das 
Land blieb jedoch von den fremden Truppen unberührt. Wie 
hier, fo überhaupt liegen die Dithmarfcher es nicht an Dorficht 
fehlen und waren beftrebt, fich in jeder Beziehung in guten Der- 
theidigungszuftand zu jeßen. Zu dem Ende war auch die beregte 
Anordnung vom Oswaldustage 1531 getroffen worden, daß hinfort 
alljährlich in der Pfingftwoche über die wehrfähige Mannjchaft 
der Döffte Mufterung gehalten werden folle — zu Ratsmede, (Ratin- 
gesmede, Kirchfpiels Hemme) am Mlontage, über Wefter: und Mlittel« 
döfft; zu Heide am Dienstage über Meldorfer- und Oſterdöfft; zum 
Barlter Ochfencamp am Mittwoch über die Strandmannen, — 
zu welcher Mufterung die Döffte in voller Rüſtung, als wenn es 
dem Seinde gelte, erfcheinen follten. Auch wurde in diefer Zeit 
das Hhammhus verftärft durch Materialien des niedergeriffenen 


. Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher $reiheit — 1559. 393 


Klofters zu £unden.! 1534 unterftüßten die Dithmarfjcher, getreu 
ihrem gejchloffenen Bündniß, die Lübeder, welche nach dem 1533 
erfolgten Tode des Königs Sriedrichs I. von Dänemark, im Derein 
mit dem Grafen Ehriftoph von Bldenburg, für den gefangenen 
König Ehriftian II. eintraten, gegen CEhriftian III, der noch nicht 
auf den Thron gelangt war, fondern nur noch Herzog in Schleswig 
und BHolftein hieß. Sie fchidten den Lübedern Mannfchaft und 
Provifion (an 12000 Markh) und thaten den Holfteinern allerlei 
Abbruch. . 1556, 14. Sebruar, fam zu Hamburg ein Sriede zu 
ftande zwiſchen Ehriftian III. und Lübed, in den die Dithmarfcher als 
Cübecks Bundesgenoffen mit eingefchloflen wurden. Sie follen nach 
Diefem Srieden ungeftört in ihren Sreiheiten und Privilegien ver- 
bleiben, 1538, 29. Juni, fchlofien fie einen Dertrag mit LCübeck 
auf 20 Jahre, der aljo im Jahre 1558 ablief. 1544 zeigte fich 
die Nothwendigkeit folcher Dorficht der Dithmarfcher. König 
Chriftian III. war, wie es fcheint auf Betreiben feines Bruders, 
des Herzogs Adolph, nadıdem am 23. Mai der Sriede zwifchen 
ihm und dem Kaifer Karl V. geichloffen worden, willens, die längft 
von ihm und feinen Brüdern gehegten Pläne auf Dithmarfchen 
ins Wert zu jegen und dazu die durch den Sriedensfchluß ver- 
fügbar gewordenen, noch verjammelten Truppen zu verwenden. 
Er hatte durch Dermittelung Lübeds die Dithmarfcher zu einer 
Suſammenkunft mit feinen Räthen aufgefordert und ließ verlauten, 
daß er auf einer Tagjagung verfuchen wolle, die Dithmarfcher 
zur Anerfennung feiner Herrjchaft in Güte zu bewegen und, wenn 
er feinen Willen nicht erhalte, mit feinen eigenen Streitfräften und 
denen des Grafen Lönjes von Oldenburg, fowie mit 5000 £ands-» 
fnechten, Dithmarjchen von zwei Seiten anzugreifen und es zum 
Gehorfam zu zwingen, entfchlofien fei. Die Dithmarfcher nahmen 
die Einladung zu einem Tage zu Itzehoe an. Der König erreichte 

ı 1539 brah man das Klofter völlig ab zum Zwecke der Derwendung 


der durch den Abbruch desfelben gewonnenen Baumaterialien zur Derftärfung 
des feften Hammhauſes. 


394 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


aber durch die Derhandlung nichts, und es wurde ein neuer Tag 
zu Bamburg anberaumt auf Mariä Bimmelfahrt, 5. Auguft. 
Diefer fam aber nicht zu ftande. Der König entließ die noch 
verfammelten Truppen, und alle Kriegsrüftung wurde plöglih ein- 
geftellt und abgethan. Wie es hieß, hatten fich Andere dazwiſchen⸗ 
geftect.! Die Dithmarfcher fuchten in diefer Zeit die Beftätiguna 
ihrer Privilegien durch den Erzbifchof beim Kaifer nach und fcheinen 
fie durch Wachfamtleit die Abficht des Königs auf Heberfall ver: 
eitelt zu haben. 1545 geriethen die Dithmarfcher in ein fehr 
gefpanntes Derhältnig zu dem Bruder des Königs, Adolph von 
Gottorp. Wieben Peter, ein angefehener Bürger zu Meldorf, hatte, 
wie es fcheint bereits 1535, einem feiner Derwandten, Kame Lies, 
diefem ftreitig gemachte Erbfchaftsanfprüche abgekauft. Er verlor 
aber den von ihm in der Sache angeftrengten Prozeß vorm 
Kirchfpiel und auch vor den Achtundvierzigern. Er will nun die 
Sahe vor die Kandesperfammlung bringen und wird hier 
abgewiejen. in feinem Eifer befteigt er in der Candesverſammlung 
ein weißes Pferd, nimmt das Landesbofe zur Hand und erklärt 
fih, falls ihm nicht nach ſolchem Buch fein Hecht werde, für 
einen Landesfeind. Darauf verließ er mit den Seinigen das Land 
und begab fich ins Bolfteinifche. Bier foll er 1539 das Kandrecht 
zum Druc befördert haben, um daraus fein Recht zu ermweifen, 
und zwar foll er darin Manches gefälfcht haben, um der Sache 
den Anfchein zu geben, als ob in Dithmarfchen die Derbrechen 
firaffrei wären. Das ift im allgemeinen unmwahrfcheinlich, doch 
it in der dem Wieben Peter zugefchriebenen Ausgabe in zwei 
Artileln die Hauptftrafe ausgelafien. Befonders den König 
Ehriftian III. fuchte Wiben Peter zu bemwegen, fich der Sache 
anzunehmen; aber der König zeigte feine Neigung, mit den Dith- 
marfchern deswegen es zu verderben. Auch bei den Bolfteinern 

! Der friedliebende König foll nur von feinem Bruder Adolph wider 


Dithmarfchen angereizt worden fein. Don diefem Smwifchenfall abgefehen, hat 
er fein Wort, die Dithmarſcher nicht befriegen zu wollen, trenlich gehalten. 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 395 


fonnte Wieben peter feine Hülfe finden. Er ging dann ins 
Bremer Ersftifl. Don hier aus fiel er in Dithmarfchen ein, wo er 
dann raubte und brandftiftete. Aus Meldorf raubte er nächtlicher: 
weile, und zwar aus dem Stalle eines Bürgers Hans Dogede, eine 
Anzahl Pferde, nachdem er die Straßen mit Kaff beftreut hatte, 
Damit der Schall vom Huftritt der Pferde gedämpft werde. Zur 
Winterszeit fiel er mit einer Bande von 12 Mann in Dithmarfchen 
ein und legte Schafftedt in die Afche. Dabei verfuhr er fo hinter: 
liftig, wie graufam. Zwei feiner Leute mußten in einem Haufe 
als arme Wanderer Herberge erbitten. Dieſe liegen dann die 
übrigen von der Bande in der Nacht ins Baus. Der Hausherr 
wurde gebunden, die Samilie desfelben in den Bacdofen gefpertt, 
das Baus ausgeplündert und dann angezündet. Wieben Peter 
entfam nach Derübung folcher Unthaten glüdlich über die Elbe. 
1541, im Berbft, wurde er von Dithmarfcher Suhrleuten bei Sege- 
berg erfannt, aufgegriffen und dann in Segeberg feftgejeßt. 
Ehriftian III. verweigerte die Auslieferung des Gefangenen und 
verwies die Sache an den Amtmann Kai Yanzau zu Rendsburg. 
Diefer beraumte nach langen Derhandlungen ein Ding (Koding) 
zu Bendsburg an, auf den 14. März 1542. Dithmarfcher 
Abgeordnete erfchienen hier, legten Proteft ein wider die Derhand- 
lung der Sache vor einem holfteinifchen Bauerngericht und verließen 
Rendsburg wieder. Der Amtmann ließ trodem die Sache ver: 
handeln, und das Ding ſprach Wieben Peter los und fand die 
Mägerifchen Dithmarfcher fchuldig, demfelben für die erlittene 
Befangenfchaft Schadenerjaß zu leiften. Wieben Peter fegte dann 
feine Seindfeligkeiten wider die Dithmarfcher fort. Im Eande 
Kebdingen nahm er zwei Einwohner des Kirchipiels Neuenlirchen 
gefangen, bei Segeberg auf der Heide beraubte er drei andere 
Dithmarfcher und feßte fie gleichfalls gefangen. Lach Dithmarfchen 
felbft getraute er fih nun aber nicht mehr zu fommen. 1544 begab 
er fich nach Speier, um das Rendsburger Urtheil zur Seltung zu 
bringen, und wandte fih Bier auch an den dafelbft gerade 


596 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


anmwefenden Kaifer Karl V. Unterm 4. April erlangte er ein 
faiferliches Mandat an die 48 Regenten des Landes Dithmarfchen, 
bei Pön von 80 Markt Goldes laut des Rendsburger Erfennnt- 
niffes den Wieben Peter Magfrei zu halten, event, Einrede bei dem 
Erzbifchof, als kaiſerlichem Kommifjar in diefer Sache, anzubringen. 
Die Einrede wurde auch bei dem Kommiffar angebradt. Diefer 
überwies die Sache an zwei feiner Räthe. Am 12. September 
hielten die Räthe zu Derden einen Berichtstag. Die Abgeordneten 
der Achtundvierziger erklärten hier, fie gedächten ihre Dollmadht 
nur dem Erzbifchof felbft vorzulegen und nur vor diefen ihre 
Derantwortung vorzubringen, nicht aber vor defien Räthen. Weil 
fie gegen die Räthe Feine gültige Beweiſe beigebradht hätten, 
wurden die dithmarfcher Deputirten fchuldig erfannt, vor den 
Räthen auf die Klage fich zu verantworten. &s wurden neue 
Termine angefegt, aber die Dithmarfcher erfchienen nicht mehr. 
Die Räthe gaben dann am 21. September dahin das Erfenntnig 
ab: Bellagte jeien als ungehorjam in die Pön des Faiferlichen 
Mandats und in die Koften des Derfahrens verurtheilt. Die Acht⸗ 
undpierziger aber hatten fchon am 20. September gegen die Ladung 
von feiten der Räthe Appellation beim Kaifer eingelegt, und zwar 
vornehmlich deshalb, weil der Erzbifchof nicht felbft die Sache 
geführt Habe. Der Erzbifchof remittirte dann die Sache ans 
Kantmergericht, und Wieben Peter erhielt den Bejcheid, daß er den 
Ausgang des Streites über das Rendsburger Erfenntnig beim Kammer- 
gerichte abzuwarten habe. Die Achtundvierziger erhoben zugleich 
Klage gegen Wieben Peter wegen Landfriedensbruchs. Wieben 
Peter habe im Oktober 1544 Dithmarfchern, die in Hamburg den 
Diehmarft bejucht hätten, zu berauben und gefangen zu nehmen 
gefucht, auf öffentlichen Straßen des Neiches, wider die Beftimmung 
des Kandfriedens. Nur weil die Dithmarfcher, gewarnt, mit 
Reitern und Unechten fich verfehen gehabt hätten, wäre das Dorhaben 
des Wieben Peter vereitelt worden. Das Hammergericht erließ 
dann gegen Wieben Peter eine Ladung, und zwar, weil der Beklagte 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 397 


fein ftändiges Heimweſen hatte, mittelft Anfchlages an Pfarrlirchen 
und BRathshäufern in Städten an beiden Seiten der Elbe. Wieben 
Deter aber batte fih im Srühling 1545 mit feinem Bruder und 
16 andern Männern, meift Landsfnechten, nach Helgoland begeben 
und fällt von da aus die Dithmarjcher Küfte und die Dithmarfcher 
Schiffe an. Als HKaperer hatte er fih den Namen Haus 
Dommerenningt, Bans von Pommern, beigelegt. Don ihm ge- 
plünderte Schiffer hatten ihn aber erfannt und die Sache in Dith- 
marfchen fund gemacht. Da entichloffen fich der Achtundvierziger 
Boldes Johann zu Bldenwöhrden, Llaus Dade zu Süderdeich, 
Node Reimer zu Wefjelburen und Reimer Groth zu Büfum, dem 
Kaperer fein Handwerk zu legen. Die drei Letzteren jener Dier 
waren felbft Schiffer; der Erftere, Boldes Johann, hatte einen Sohn, 
welcher Schiffer war. &s wurde vereinbart, daß Jeder von ihnen 
in feinem Kirchfpiel zuverläffige Männer heranziehen folle, fo dag 
im ganzen etwa 100 Mann zufammengebraht würden. Dann 
folle Jeder bei Derluft von Habe und Leben bereit jein, por Sonnen: 
untergang fich einzufchiffen. Die zum Zuge entfchloffene Mann 
fchaft verfammelte fih am Montage vor Pfingften 1545 und ging 
in der Nacht unter Trommelfchlag an Bord.! Mit Proviant für 
einen Monat ausgerüftet, fegelte man in zwei Schiffen, einem Boier 
(Barke), Tieß Reimers Kerften zu Büfum gehörig, und einer 
Jacht des Grote Johanns Maeß zu Schülp, unter Anführung von 
Olde Elaus Suhl vor Sonnenaufgang nach Helgoland ab. Bereits 
um 9 Uhr vormittags erjchienen die beiden Schiffe vor der Inſel. 
Der Boier fuhr an diefer vorbei, indem man hoffte, den Wieben 
Deter zur Derfolgung des Schiffes heranzuloden. Wieben Peter 


! Montag vor Pfingften, 19. Mai, wird als Datum bei einigen Chroniften 
hier angegeben. Der 19. Mai 1545 war aber ein Dienstag, und Pfingſten 
fiel damals auf den ı7. Mat. Die Abfahrt der am Montag Sufammen- 
getommenen wird Dienstag früh erfolgt fein. So erflärt fih jene Angabe; 
nur müßte es hier dann nicht vor Pfingften, fondern in Pfingften heißen. 
Beißt es vor Pfingften, fo ift die Zuſammenkunft zur fahrt nach Helgoland 
am ı1. und die fahrt am ı2. Mat erfolgt. 


598 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


aber hatte 14 feiner Leute ausgejandt, Propiant zu bejchaffen, und 
war nicht ftarf genug zu einem Angriff auf den Boier, den er als 
ein Dithmarjcher Sabrzeug erfannte. Er ftand ingrimmig, mit 
getnotetem Bart, auf dem Kirchhofe der Inſel und beobachtete 
den Boier. Als er nun auch die Jacht herantommen fjah und 
auch diefe als ein Dithmarfcher Schiff fich erwies, merkte er die Abficht 
und gab fich, um einer Auslieferung vorzubeugen, den Helgoländern, 
namentlich dem Paftor der Inſel, offen als den Kandesfeind Wieben 
Deter zu erkennen. Die Dithmarfcher, des Martens müde, landeten 
nun auf Helgoland. Der Prediger, Küder, trat mit ihnen in 
Derhandlung. Sie verlangten, Wieben Peter folle fih ergeben, und 
zwar aufs Dithmarfcher Landredit. Wieben Peter aber wollte feine 
Sache vor den holfteinifchen Grafen zum Austrag gebracht haben. 
Die Dithmarfcher brechen die Derhandlung ab mit der Erklärung, 
wenn der Kaperer fich nicht aufs Dithmarfcher Recht geben wolle, 
jo würden fie ihn auf joches Recht nehmen, und gingen zum 
Angriff. Wieben Peter 309g nun fein Schwert, fchwang eine 
impropifirte Sahne — ein Betttuch an einer Stange — und gab, 
indem er noch feinen Gefährten aus einer hölzernen Kanne zutrank, 
Befehl, auf die Angreifer Seuer zu geben. Er hatte den ummauerten 
Kirchhof in eine Seftung umgewandelt, die mit drei Kanonen 
armirt war. Diefe Kanonen wurden gegen die Angreifenden 
gelöft. Die Kugeln gingen aber über Lettere hinweg, und Diefe 
hatten den Kirchhof genommen, ehe die Kanonen wieder geladen 
werden fonnten. Die Kaperer flüchteten in die Kirche und ver: 
rammelten hinter fid) die Thür. Der Dogt von Helgoland ver- 
ftand fich dazu, die Kirche Öffnen zu laffen. Bevor aber die 
Schlüffel gebracht wurden, erbrachen die Dithmarjcher die Chür 
und drangen in die Kirche ein. Die Slüchtigen waren auf den Kirchen- 
boden geeilt, hatten aber die Keiter nicht nach fich gezogen. An 
der £eiterlufe mochten fie fich der Nachdringenden leicht erwehren. Die 
Dithmarjcher aber fchoffen von unten durch den Kirchenboden, bis Blut 
herabfloß und fich oben nichts mehr regte. Wieben Peter war 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 399 


erſchoſſen. Er lag todt an der Leiterluke. Drei Kugeln waren 
ihm durch den Hopf gegangen. Als Genofjen Wieben Peters 
fand man deflen Bruder Hans, einen Landsfneht und einen 
Schreiber vor. Wieben Peters Bruder, den man verwundet 
antraf und, als er fich nicht regte und auf Sragen keine Antwort 
gab, für einen Simulanten hielt, wurde erfchoffen. Der Landsfnecht 
ward, weil er nicht gutwillig fich gefangen geben wollte, erfchlagen. 
Der Schreiber wurde gefangen genommen. Am Donnerstag traten 
die Dithmarfcher mit dem Gefangenen und den Leichen der ge— 
fallenen Kaperer den Heimweg an. Am folgenden Tage landeten 
fie auf Büfum und zogen am Sonnabend nach Heide, wo an 
diefem Tage die Achtundvierziger und, des Wochenmarktes wegen, 
viele Marktleute aus anderen Kirchjpielen verfammelt waren. Unter 
großem Sulauf und Andrang zogen fie mit dem Gefangenen, der 
zu Fuß geleitet wurde, und den Todten, die auf einem Magen 
mitgeführt wurden, in Beide ein und dafelbft um den Marktplaß 
herum. Nach der Umfahrt wurde der Gefangene enthauptet uud 
auch den Todten der Kopf abgefchlagen. Die Köpfe der Miſſe⸗ 
thäter wurden auf Stangen zur Schau geftell. — Wegen diefer 
That zeigte fich der Herzog Adolph von Holſtein⸗Gottorp ſehr 
wider die Dithmarfcher aufgebraht. Ihm war nämlich in der 
Theilung der Herzogthümer zwifchen dem Könige Ehriftian von 
Dänemark und feinen Brüdern Hans und Adolph, wie fie 1544 
vorgenommen worden, auch die Inſel Helgoland zugejprocen 
worden. Die Dithmarfcher hatten alfo in feinem Lande Gewalt 
geübt gegen einen Mann, der in feinen Schuß geflohen 
war. Das fonnte er nicht vergefjen, heißt es bei Chroniſten 
mit Beziehung auf friegerifche Abfichten des Herzogs. Allein 
der Grund liegt tiefer. Was die Sürften nicht vergefjen konnten, 
war dieſes, daß die Dithmarfcher fie nicht als Herzoge der Dith- 
marſcher refpeftiren wollten. Alles andere war nur Dorwand. 
Schon auf dem Reichstage zu Speier hatten die Sürften durch 
fälfchliche Dorfpiegelung es erreicht, daß Dithmarfjchen auf Brund 


400 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


des Kehnbriefes von 1473, deflen Annullirung von 1481 fie nicht 
vorlegten, in den ZWeichsliften unter „Holftein” veranlagt ward, 
und auf dem Tage zu Worms 1546 erjuchten fie um eine Be: 
ftätigung der Zugehörigfeit Dithmarfchens zu Bolftein. Die 
Beftätigung erhielten fie nicht, weil die Dithmarfcher beim Reichs⸗ 
tage Proteft erhoben und der Zeichstag den drei Fürften nicht 
befonders günftig war. Doch hatten fie durch jene Deranlagung 
erreicht, daß unter „Holftein“ auch Dithmarfchen genannt ward, 
und nun beriefen fie fich Hierauf zum Beweiſe ihres Nechtes auf 
Dithmarfchen. &s kann daher nicht verwunderlich erfcheinen, daß 
Derzog Adolph fih des Dithmarfcher Kaperers annimmt wider 
Dithmarfchen; aber es kann auch nicht zweifelhaft fein, daß es 
auch ohne Wieben Peter dem Herzog Adolph nicht an Vorwand 
zu feindfeligen Unternehmungen gefehlt hätte. Bei der feindfeligen 
Gefinnung der Sürften, namentlich des Herzogs Adolph, mußten 
die Dithmarfcher in jedem Seinde der holfteinifchen Herzoge einen 
natürlichen Derbündeten erblicen. Sie hielten es daher mit den 
Anhängern des vertriebenen Königs Ehriftian II. und verbündeten 
fih mit Sriedrih von der Pfalz, Ehriftians II. Schwiegerjohn, als 
diefer die Krone Dänemarks für ſich beanfpruchte. Peter Tann 
namentlich erfcheint in diefer Beziehung als Dermittler thätig. Er 
war perfönlich beim Pfalzgrafen und fagte ihm zu, daß die Dith- 
marfjcher ihm mit 6000 Mann zu Hülfe fommen würden, wenn er 
Holſtein angreife.? Der Pfalzgraf ward durch die Seitverhältniffe 
von Derwirklichung feiner Abfichten und Pläne abgehalten. Herzog 
Adolph aber und feine Brüder wußten diefe Derhältniffe in ihrer 
Weiſe auszunugen. Adolph ging 1548 zum Kaifer Karl V. nach 
Brüffel und trat bei demfelben in Kriegsdienfte. Hier wußte er 
den Kaifer, bei dem er als Heerführer und auch perfönlich in 
hoher Bunft ftand, zu bewegen, ihn und feine Brüder wider alles 

! Auh mit Lothringen follen die Dithmarfher ein Bündniß ein- 


gegangen fein. (Bolten III, 294 nad huitf., Hoyer u.a.) Die Herzogin 
Chriftine von Lothringen war eine Tochter Chriftians II. von Dänemark. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 401 


Recht mit Dithmarfchen zu belehnen. Es handelte fi um die 
Erneuerung der Belehnung mit Holftein, zu welchem immer 
Stormarn mitgezählt wurde. Adolph ftellte nun den Antrag, im 
Lehnsbrief auch die inkorporirten Lande „Stormarn und Dith- 
marfchen” mit namhaft zu machen, und dem wurde gemillfahrt.! 
Woahrfcheinlih Hat er auch hier wieder den 1481 annullirten 
Lebnsbrief von 1475 als Legitimation beigebraht. Bis 1552 
blieb er in Dienften des Kaifers. Dann fehrte er aus dem Lager 
vor Meß nach Holftein zurüd. Er wollte nun gegen Dithmarfchen 
fih wenden. Allein fein Bruder, König Ehriftian, hielt ihn zurüd. 
Auch konnte Adolph ohne den König feinen Krieg führen, weil 
feine Kafle leer war und er nur auf die Hülfsquellen feines 
Bruders gerechnet hatte. Doch lieg er fein Siel nicht aus dem 
Auge. In Derlleidung ging er noch in demfelben Jahre, 1552, 
unter falfchem Namen — er reifte alfo inkognito — nach Dith- 
marfchen, um die Lofalverhältnifie des Landes auszufundfchaften, 
und fam auch glüdlich wieder zurüd. Als die Dithmarfcher 
nachher merlten, daß fie in feiner Perfon einen Kundfchafter und 
Spion bei fich gehabt hätten, nannten fie ihn einen „Schluder”, der 
das Seine verbracht habe in fremden Eanden und nun nach anderer 
£eute But trachte. Das erbitterte den Herzog noch mehr. Allein 
ee mußte ſich gedulden, weil König Ehriftian den Srieden wollte. 

Auch mit dem Erzbifchof hatten die Dithmarfcher während 
der Seit der Wieben Peterſchen Unruhen Derwidelungen und 
SZwiſtigkeiten. Im Jahre 1540 ließ der Achtundvierziger Peter 
Nann eine Anzahl Bchfen durchs Kedinger Land treiben. Er war 
felbft nebft feinem Sohne, Hans Nann, zugegen und paffirte die 
Hollitätte, ohne fih um den Zoll zu befümmern, da die Dith- 
marfcher auh in den Stiftslanden Sollfreiheit beanfpruchten, 
forderte auch Fein Seichen, wie er, nach Neocorus, wohl hätte 


! Das £ehnsverhältnig Holfteins ward nun dahin geregelt, daß das 
Cand von nun an unmittelbares Reichslehn fein folle. Damit erft erhielten 
die holfteinifchen Landesherren das Recht der Reichsſtandſchaft. 


Dithmarſcher GBefchichte. 26 


402 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


thun follen. Als ihm hierauf drei Leute nachfegten und die Er- 
legung des Solles von ihm verlangten, erjchoß er einen derfelben 
und feßte feinen Weg fort. Auf dem Rückwege wurde er an der 
Zollſtätte mit feinem Sohne feftgenommen. Doch entließ man ihn 
der Haft, nachdem er dem Erzbijchofe eidlich gelobt, eine beflimmte 
Summe als Buße zu zahlen. Sein Sohn wurde mit deflen Su- 
flimmung als Beifel zurüdbehalten. Wieder heimgelehrt, brachte 
er die Sache vor die Eandesverjanmlung, und diefe erklärte eine. 
£osfaufung des Hans Nann für nicht zuläffig, weil dem Candrecht, 
wie den gemeinen faiferlichen echten, zuwider. Bans Nann fei 
ohne weiteres freizulaffen, und die Sache desfelben fei nicht Privat 
fache, fondern £andesfache.! Die Achtundvierziger traten offiziell 
in Derhandlung mit dem Bremer Kapitel und verlangten die Srei- 
lafiung des Hans Hann und emwirlten zudem zu Kübel eine 
Intervention der Hanfeftädte zu Gunſten des Kebteren. Die Der- 
handlungen in der Sache fcheinen fich lange hingezogen zu haben. 
Nach Neocorus hätte fchlieglich die Mutter des Hans Xann die 
Angelegenheit abgethan, indem fie heimlich, ohne Wifjen ihres 
Mannes, fih das Geld zur Köfung des Sohnes zufammengelichen 
und Leßteren dann losgelauft hätte. Das ift an fihh glaubhaft 
und hier wohl um fo weniger zu bezweifeln, als Neocorus ein 
Seitgenofie des Hans Nann war und fchon 13 Jahre zu Büſum 
im Amte geftanden hatte, als Hans Nann 1591 flarb, jo daß nicht 
anzunehmen, daß er hier nach bloßer Muthmaßung erzähle und 
berichte.? Eine weitere Urfache zu Konflitten war die Sorderung 

! Hieraus wird die Bemerkung des Presbyters: „Sie find nicht mädıtig, 
£öfegeld zu geben, wenn fie auch reich find“, erflärlih. Die Geſetze des 
Candes verboten die Kosfaufung, und die Löſung der Gefangenen war nicht 
Sadıe des Einzelnen, fondern Sade des Kandes. 

2 Bans Nann war über 100 Jahre alt, als er 1591 ftarb, war alfo 
zur Seit der beregten Begebenheit ein fünfziger. Peter Nann muß demnach 
damals ſchon ein befahrter Mann gewefen fein, und zeugt daher jene rafdye 
Chat uam fo mehr von der gewaltthätigen VNatur desfelben, des Mannes, der 
fih zum Sührer der Bewegung wider Beinrih von Zütphen und deffen 
Lehre aufwarf. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 403 


des Erzbifchofs im Jahre 1542, daß die Dithmarfcher einen Cheil 
der dem Stifte auferlegten Lürfenfteuer tragen follten. Der Kaifer 
hatte in diefem Jahre eine Neichsfteuer aus Anlag des Cürken⸗ 
frieges ausgefchrieben, und auf einem Landtage zu Stade war 
von der dem Stifte auferlegten Steuer ein Betrag von 1000 Gulden 
auf Dithmarfchen repartirt worden. Biervon wollte die Dit 
marfcher £andesperfjammlung nichts wiffen. Nach langer Der- 
handlung erflärte man fich endlich bereit, die verlangte Summe 
zu zahlen unter der Bedingung, daß das Bremer Kapitel eine 
von der LEandesverfammlung ausgeftellte Quittung unterfchreibe 
und diefelbe dann nach Stade jende, woſelbſt Dithmarfcher Depntirte 
das Geld fodann zur Landeskafle zahlen follten. Das betreffende 
Quittungsformular lautete dahin, dag die TDithmarfcher von 
alters her mit folcher Sreiheit zur Bremer Kirche gehört hätten, 
daß fie niemals mit fonderlichen Zulagen und Auflagen des 
römifchen Reiches von feiten des Ersfliftes befchwert worden feien, 
und daß fie nur für diesmal, unter Proteft für ſich und ihre 
Nachkommen, bereit feien, 1000 Bulden zu zahlen, nicht aus 
Pflicht, fondern aus Gunft, „damit defto ftattlicher dem Cürken 
zu begegnen” und die heilige chriftliche Kirche zu befchirmen. 
Solche Quittung wollte das Kapitel nicht unterfchreiben und mahnte 
die Dithmarfcher an die Zahlung der 1000 Bulden. Die Dith- 
marfcher fandten dasfelbe Quittungsfonzept abermals ein mit dem 
Erfuchen, zu unterfchreiben, damit ihnen aus der Sahlung feine 
Schädigung an ihren Privilegien erwachſe. Als das Ersfift 
hierauf nicht einging, beharrten die Dithmarfcher bei ihrer Weige 
rung. Der Erzbifchof wandte fih 1550 ans Reichskammergericht 
und erwirkte ein Mandat, in welchem den Dithmarfchern geboten 
ward, die 1000 Bulden nunmehr zu zahlen. Aber trogdem blieben 
die Dithmarfcher bei ihrer Weigerung. Wie hier die Derpflichtung 
zur Tragung von Steuern, fo lehnten fie bei anderer Gelegenheit 
au die Derpflichtung zur Waffenhälfe dem Ersflifte gegenüber 
von fh ab. Als der Erzbifchof 1552 mit dem Grafen von 
26° 


404 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Mansfeld Fehde Hatte und dieſer in das alte Land eingedrungen 
war, forderte er Hülfeleiftung von den Ditkmarfchern. Diefe ant- 
worteten, daß fie wegen ihrer Derwandtichaft, mit welcher fie der 
Bremer Kirche zugethan feien, geneigt wären, fomweit fie es nach 
ihren Privilegien fchuldig feien, nach Gelegenheit zu Hülfe zu 
fommen; da fie jedoch vernomnteen, daß der Erzbifchof und der 
Mansfelder in Unterhandlung ftänden und die Truppen bereits 
abzögen, fo hofften fie, daß das fich bewahrheiten werde. Hebrigens 
wollten fie, wenn fie benachrichtigt würden, daß es fich anders 
verhalte, es an Einberufung ihrer Mannfchaft nicht fehlen laſſen. 
— Aber auch im £ande felbft dauerten die Unruhen fort nach 
Wieben Peters Sal. Es traten Andere auf als Landesfeinde. So 
findet fih bald nach Wieben Peter ein gewiſſer Hans Sehrinf, 
oder Sehring, als Landesfeind genannt. Er wird als ein Kundener 
bezeichnet und war in Barding wohnhaft. Diefer brannte inı 
Jahre 1546 die ganze Wefterreihe am Markt in Heide nieder. 
Er hatte in dem Stalle eines Heider Bürgers, Reimer Wolders, 
Seuer angelegt, und infolgedefjen war die ganze Wefterreihe des 
Marktes abgebrannt. Sehrinf nebft zwei HKnechten und einem 
Jungen, der bei der Brandlegung Wache geftanden, wurden in 
Weflelburen feftgenommen. Peinlich verhört, geftand Sehrinf, dag 
er von holfteinifchen Beantten und einigen Bürgern zu Tönning, 
namentlich aber von Hinrich Sunfe zu Huſum, zur Brandftiftung 
in Dithmarjchen angeregt worden fei. Auch die beiden‘ Knechte 
geftanden, von Hinrich Funke zur Brandftiftung gedungen worden 
zu fein. Fehrink fagte außerdem, und zwar nach dem Derhör, 
aus, daß er am Üharfreitag auf Gottorp geweien fei und mit 
den Räthen Heinrich Ranzau, Wulff Pogwifch und Jwe Reventlow 
Unterredungen gehabt, auch von Wieben Peters’ Bruder, Bartelt, 
beftimmt erfahren habe, daß Herzog Adolph 50 Mordbrenner nach 
Dithmarfchen ausgefandt, die den Leuten felbftzündende Eunten in 
die Barben legten, und daß der König Schiffe ausrüfte, um gegen 
Jakobi Dithmarfchen anzufallen. Der befchuldigte Funke war ein 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 405 


oe 


Dithmarfcher, der 1544 wider das Derbot, wonach Niemand bei 
höchfter Strafe aus dem Lande weichen follte, als der König das 
Sand bedrohte, mit Hab und But aus Dithmarfchen gezogen war. 
Es wurde ihm dafür von den Dithmarjchern eine Brüche von 
100 Mark £übfch zuerkannt, und als er nicht zahlte, ward ihm auf 
der Eider eine Ladung Kaufmannsgüter abgenommen. Funke Blagte 
das dem Herzoge Adolph, defjen Unterthan er nun war. Der Herzog 
hatte vergebens verfjucht, die Dithmarfcher zur Herausgabe der ge- 
nommenen Güter zu bewegen. Die Nennung feines Namens in 
der Sehrinkichen Sache gab dem Herzoge nun Gelegenheit, fich in 
diefe zu mifchen. Er fandte einen feiner Räthe nach Heide, der 
einen Aufichub der Hinrichtung des Fehrink erwirkte und fich über 
das Bekenntniß desfelben inftruirte. Am Tage vor der Hinrichtung 
erfchienen zwei Räthe des Herzogs mit einem Henker in Dith- 
marfjchen, wo fie mit dem Achtundvierziger Johann Ruſſe, dem 
befannten Gefchichtsfchreiber, zu E£unden eine Unterredung hatten, 
um durch ihn zu erlangen, daß der mitgebrachte fürftliche Henker 
die Angeklagten einem neuen peinlichen Derhöre unterwerfe, damit 
es nicht heiße, die Dithmarfcher hätten den Sehrint nicht fo verhört, 
wie es fich gebühre. Johann Ruſſe fand das Anfinnen bedenklich, 
verfprach aber, dasfelbe in Heide vorbringen zu wollen. Die 
Achtundpierziger lehnten ein weiteres Derhör durch den holfteinifchen 
Henker entfchieden ab und erflärten, nicht für die Sicherheit des 
Henkers einzuftehen, wenn er fich Öffentlich im Lande fehen lafle. 
Die Gefandten des Herzogs wurden, namentlich von Johann Holm 
aus Xeuenlirchen, in nachdrüdlicher Weife auf das Ungebührliche 
ihres Anfinnens hingewiefen. Nachdem die Angeklagten por der 
£andesverfammlung auf dem Marft zu Heide, im offenen Xinge 
und in Gegenwart der fürftlichen Räthe, trotz Einreden und Dor- 
ftellungen derfelben, ihr Gefländnig wiederholt hatten, wurden fie 
abgeführt und vor der Hamme gerichtet. — Die fürftlichen Räthe 
forderten in Heide Schadenerfaß in der Sunkefchen Sache und Er- 
ledigung diefer vor zufländigem fürftlichen Gericht in Eiderftedt 


406 | Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


oder Stapelholm. Letzteres lehnten die Dithmarfcher ab, weil ihre 
Abgeordneten in Rendsburg thätlichen Angriffen ausgefeßt geweſen, 
und weil die Funkeſchen Güter an der Dithmarjcher Küfte genommen 
worden feien und die Hälfte der Eider ihr Gebiet fei. Dagegen 
erboten fie fich, zu Derhandlungen über Swiftigfeiten mit den Sürften- 
thümern zur Tagfagung am Kulswall oder an einem anderen gelegenen 
Orte zu erfcheinen, doch würden fie wegen eines Schelms, wie Funke, 
allein nicht zu Derhandlungen fich bereit finden. In betreff des, 
von Fehrink befchuldigten Wieben Barthold (Bartelt) fuchten die 
Achtundpvierziger in einem Schreiben an den Herzog Johann zu 
Holftein-Hadersleben die gefängliche Einziehung desfelben und feines 
Bruders Elaus, zu HBadersleben wohnhaft, nach. Wieben Bartelt 
Batte fich gegen den Herzog dahin verantwortet, Daß er feit Drei 
Jahren weder mit Sehrint noch mit Sunfe Verkehr gehabt habe, 
und daß er bereit jei, in Hadersleben vor Bericht fich zu ftellen. 
Berzog Johann lehnte das Anfuchen wegen Derhaftung des Wieben 
Bartelt ab, verſprach aber den Dithmarfchern, ihnen m feinem 
Gerichte gebührliches Recht zu theil werden zu lafjen. König 
Ehrifian wollte um diefe Sache es nicht mit den Dithmarfchern 
verderben. In einem Schreiben, welches auch von den beiden 
Berzögen unterzeichnet worden, drückt er fein Mißfallen darüber 
aus, daß Sehrint nicht nochmals peinlich verhört worden jet, 
bittet, dahin zu jehen, daß die Sürften nicht mehr fo fchändlich 
befchuldigt werden, und erinnert an Erledigung der Sunkefchen 
Sache. In dem Begleitfchreiben zu diefem Schriftftüde an den 
Herzog Adolph drüdt er den Wunſch aus, daß Funke vors 
Recht geftellt werde, da es nicht angebradht erfcheine, fich wegen 
folcher Privatjachen Ungelegenheiten zuzuziehen. Wenn dann die 
Dithmarfcher die Derunglimpfung nicht einftellten, müfje man nach 
Gebühr dagegen handeln. Auf einer Zufammentunft am Kuls- 
walle, im Juni 1550, zmifchen acht dithmarfcher Deputirten und 
fürftlichen Zäthen fam auch die Funkeſche Sache zur Sprache. 
Die Dithmarfcher ließen das zu, obwohl es billig wäre, folche 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher £reiheit — 1559. 407 


Sachen vorher vor niedrigen Gerichten abmachen zu lafjen. Als 
Funke dann feine Sache fchriftlich vorbrachte, erklärten fie fich da- 
gegen und beftanden auf mündlicher Derhandinng. So blieb die 
Sahe wieder unerledigt. Die fürften nahmen dapon Anlaß, 
Dithmarjcher Güter in ihren Landen mit Befchlag zu belegen und 
den Dithmarfchern allerlei Hemmniſſe im Verkehr in fürftlichen 
Gebieten zu bereiten. Endlich im Jahre 1551 wurde die Sache 
abgethan, wie es fcheint, durch, gegenfeitige Nachgiebigkeit. Die 
Dithmarfcher gaben die befchlagnahmten Schiffe und Schiffsgüter 
zurüd. — Im Jahre 1557 trat ein Dithmarfcher Michel Kros 
als £andesfeind auf. Derfelbe wurde, nachdem er große Häube- 
reien verübt, bei HolſtenNindorf von den Dithmarfchern auf: 
gegriffen und dann nebſt drei Mitjchuldigen ebenfalls bei Heide 
gerichtet. 

Die Gefangennahme des Michel Kros zu BHolften-LTindorf 
von feiten der Dithmarfcher gab dem Herzoge Adolph neue 
Gelegenheit, fih in feinen feindfeligen Gefinnungen und Plänen 
gegen die Dithmarfcher zu beftärfen. Des Herzogs Gefinnung fpricht 
fih in Briefen an den König aus, in welchen er u. a. fih auch 
darüber beflagt, daß ein Knabe, mit Namen Rowedder, in Dith- 
‚marjchen ausgebracht habe, er, der Herzog, hätte im legten Um: 
fchlage zu Hiel in der Nikolaikirche bei verfchloffenen Thüren mit 
10—ı12 Mann über Brandfliftung in Dithmarfchen verhandelt. 
Der Hnabe hätte fich in die Kirche eingefchlichen, ehe die Thüren 
gefchlofjen worden feien, und dann, in einem Kirchenftuhl verfteckt, 
alles mit angehört. Herzog Adolph fügt hinzu, daß er das Be» 
fenntniß des Hnaben gefordert habe, ihm dasfelbe aber von den 
Dithmarfchern verweigert worden fe. — Wieviel Wahres an 
diefen und dergleichen Befchuldigungen, läßt ſich nicht ausmachen. 
Bezeichnend ift es aber, daß immer der Herzog Adolph, dem 
felbft fein Bruder, der König, nicht traut, es ift, den man der 
gemeinften Schandthaten gegen Dithmarjchen bejchuldigte und der« 
felben alfo auch für fähig hielt. Adolph dachte nun fehr auf 


408 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Krieg. In eben diefem Jahre, 1557, ließ er durch den gelehrten 
Kanzler Adam Traziger eine Herleitung feiner Anſprüche auf 
Dithmarfchen auffegen und einen Plan entwerfen, wie Dithmarfchen 
am beften beswungen werden könne. Traziger legt dar, daß das 
Bremer Erzftift niemals Hoheitsrechte über Dithmarfchen geübt 
habe, da das Dolf felbft die Souveränität ausübe, und bezeichnet 
die Gewaltthat der Dithmarfcher auf Helgoland als die befte Be- 
legenheit, welche der Herzog benugen fönne, indem er die Dith- 
marfcher des Landfriedensbruchs beſchuldige. Auch erklärt er den 
Herzog für berechtigt, ohne feine Brüder fich des Landes zu be- 
mächtigen und feinen Dortheil wahrzunehmen, wo er könne, und 
als mit Dithmarfchen belehnter Sürft, mit oder ohne feine Brüder, 
fein £ehn in Anfpruch zu nehmen. Außer des Herzogs eigenem 
Kriegsvolfe, Adel und Unterthanen, meint TGraziger, ſeien 
6000 Mann Fußvolk und 2000 Reiter znr Eroberung Dith- 
marfchens erforderlih. Das Cand müſſe von zwei Seiten her, 
von der Geeft und von der Elbe aus, zugleich angegriffen werden. 
ÖBleichzeitig vereinbarte Herzog Adolph mit zwei angejehenen 
Kriegshauptleuten, Jürgen von Holle und Hilmer Monnichhaufen, 
deren „Jeder ein Miethscorps fommandirte, das Nöthige wegen 
Uebernahme ihrer Lorps in feine Dienfte. Allein auch diesmal 
hintertrieb der König die Sache! 1558 ftarb der Erzbiichof 
Ehriftoph von Bremen. Sein Bruder Georg folgte ihm auf den 
Stuhl des Erzftifts. Diefer erhielt auch von den Dithmarfchern 
das übliche „Willlomm“. Im Jahre darauf, am I. Januar 1559, 
ftarb auch der König Ehriftian IL. Sein Sohn, Sriedrich II., 
wurde nun König. Als Adolph die Nachricht vom Tode feines 
Bruders erhalten, reifte er fofort zu dem einftehenden Umſchlage 


I Der gewiflfenhafte König Chriftian III., der die Begierden feines 
windigen Bruders, des Pleinen, gernegroßen Herzogs von BHolftein-Gottorp, 
zügelte, pflegte zu bemerken, daß auch die größten Kriege, das Unglüd 
der Dölfer, meift Feine andere Urfache hätten, als kleinliche Hoffart der 
Sürften. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 409 


nach Kiel und bracdte eine große Summe Geldes zuſammen. 
Gegen Oſtern reifte er in geheimen Angelegenheiten, ohne Be- 
gleitung, zum Berzoge Hinrich von Braunfchweig. Der Erfolg 
beftätigte die Dermuthung, daß auch diefe Reiſe zum Zwede des 
Krieges gegen Dithmarfchen unternommen worden fei. Surüd: 
gekehrt, berief er, als derzeitiger niederfächfifcher Kreis⸗Oberſter, 
einen Kreistag, damit er einen Dorwand erhalte, viele Truppen 
anzuwerben, ohne feine wahre Abficht dabei an den Tag legen 
zu müffen. Er ließ durch Daniel Yanzau einen alten verfuchten 
Krieger, Wolfgang Schönwejen, mit einem Aegiment und den 
Joahim Blankenburg mit einem Gefchwader Reuter in Sold 
nehmen, und zwar ganz im Geheimen, jo daß auch feiner feiner 
Räthe davon wußte. Allein troß aller Heimlichkeit blieben feine 
Nüftungen doch nicht lange unbemerft. Er wendete nun vor, er 
wolle Philipp II. von Spanien wider Heinrich II. von Sranfreich 
helfen. Der Erzbifchof Georg von Bremen fchrieb an ihn, daß 
die Dithmarfcher über feine Rüſtungen, die wider fie gerichtet fein 
follten, fich befchwerten. Er möge, wenn er gegen Angehörige 
des Erzftifts etwas vorzubringen habe, folches in freundfchaftlicher 
Weiſe thun. Adolph erwidert darauf, daß er nur von einem 
chriftlichen Potentaten beftellt fei, ihm mit einer geringen Macht 
Hülfe zu leiften, daß weder der Erzbifchof noch irgend ein anderer 
gehorjamer Reichsftand von ihm befchwert werden ſolle. Aehnliche 
Derficherungen gab Herzog Adolph nachher noch zu wiederholten 
Malen. Der önigliche Statthalter in Holftein, Heinrich Ranzau, 
merkte gleichfalls die Abfichten des Herzogs. Er nteldete das, 
was er in Erfahrung bringen konnte, denn Könige und auch 
feinem Dater, dem Ritter Johann Ranzau. Kebterer that beim 
Herzoge fchriftlich nachdrüdliche Dorftellung und erjuchte ihn, bei 
Seiten zu bedenken, in welches Unglüd ein Krieg gegen Dith- 
marjchen ihn bringen Fönnte, wenn er folchen allein unternähme, 
wodurch er nebft den an und für fich fchon ftarfen Dithmarfjchern 
auch die Lübecker und Hamburger, ja felbft den König und feinen 


410 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


eigenen Bruder zu Seinden befommen möchte. Adolph fertigte 
darauf den Rath Bertram Seeftedt, einen Schwager des Johann 
Ranzau, zu diefem nach Neumünſter ab. Seeftedt fuchte Ranzaus 
Bedenken als übertrieben darzuftellen und erinnerte feinen Schwager 
an fein Derfprechen, felbft wider die Dithmarfcher mitzugeken. 
Allein Ranzau lehnt alles ab, weil der Herzog ihn fchändlich 
getäufcht und hintergangen und noch fürzlich, als er auf Bothcamp 
einen Enkel von ihm zur Taufe gehalten, ganz andere Abfichten 
vorgewandt habe, und weil er, Ranzau, ohne die Genehmigung 
aller drei holfteinifchen Kandesherren niemals ein Land angreifen 
würde, zu welchem fie alle drei gleiche Anfprüche hätten. Bei 
einem vom ganzen holfteinifchen Haufe befchloffenen Kriege wolle 
er mithelfen mit Rath und That.” Dieje Erklärung ließ Seeftedt 
fich fchriftlich geben. Heinrich Yanzau hatte unterdefjen verfchiedene 
geheime Berathungen mit feinem Dater und mit dem Bijchofe zu 
Cübeck, Andreas von Barby, die zu dem Befchlufje führten, in aller 
Eile die königlichen Schlöffer in Holftein wohl zu befegen. Der 
König aber hatte den Herzog Adolph freundlich um Aufklärung 
über feine Hüftungen erfucht und gefragt, ob er vielleicht etwas 
wider Dithmarfchen im Sinne habe. Der Berzog Adolph Hatte 
geantwortet: Swar wäre er bedacht, wie er feine Unterthanen 
vor den Drangfalen, welche die Dithmarfcher ihnen zufügten, 
ſchützen fönne; aber die Dithmarfcher machten ſich doch wohl un: 
nöthige Sorge, wenn fie böſe Abfichten wider fie darin erblichten, 
dag er im Namen des ganzen niederfächfifchen Kreifes einige 
Truppen anwerben lafje. Auch die Städte Kübel, Hamburg und 
Lüneburg wurden auf die Rüſtungen des Herzogs aufmerffam.! 
Sie wandten fih an den Bifchof zu Lübel und erhielten zur 


z „Dithmarfchhen wollen wir winnen, 
Mit Lübed wollen wir’s beginnen, 
Bamborgh das foll uns nit entftahn, 
Küneburgh foll uns in die Hand gahn“ 
bieß es damals. Das zeigt, was die Städte den Fürſten zutranten. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. all 


Auskunft die Mittheilung, daß der König von den Rüſtungen des 
Sottorper Herzogs nichts wifle und nur friedliche Abfichten Habe. 
Die Städte fchienen geneigt zu fein, fih mit den Dithmarfchern 
wider den Herzog Adolph zu verbinden, falls der König dem 
Herzoge nicht beitreten würde. Endlich fah Herzog Adolph fich 
dann doch bewogen, den Dorftellungen des Johann Ranzau nach- 
zugeben und den König und den Herzog Johann von Badersleben 
ins Dertrauen zu ziehen und ihnen anzutragen, mit ihm gemein- 
fchaftliche Sache zu machen wider Dithmarfchen, auf gleiche Gefahr 
und gleichen Gewinn. Die beiden Banzau und den Bilchof von 
Cübeck erjuchte er, durch ihre Derwendung feinem Vorſchlage beim 
Könige eine günftige Aufnahme zu fichern. Der Bifhof begab 
ſich felbft zum Könige. Heinrich Ranzau aber bewog den Brafaı 
Anton von Oldenburg, einige HBülfstruppen für den Herzog an— 
zuwerben. Auch ließ er durch den Droft Hans Barner zu Pinne- 
berg 500 Reiter anwerben und ftellte dem Sranz Bülow für 
Werbungszwede bedeutende Summen zu. Dem gegen den Herzog 
Adolph eingenommenen Könige gab er den Rath, bei Adolphs 
Unternehmen weder jtill zu figen, noch auch fich demfelben zu 
widerjegen, fondern dasfelbe zu feinem eigenen zu machen und mit 
Adolph gemeinfchaftli zu handeln. Diefer Rathſchlag erhielt 
fchlieglich die Zuftimmung des Königs. Es wurde nun zwijchen 
den drei Sürften, dem Könige, dem Herzoge Johann zu Haders- 
leben und dem Herzoge Adolph zu Bottorp, eine Sujammentunft 
zur Befprechung über die Sache in Slensburg vereinbart und diele 
auf den 24. April beftimmt. Der König und der Herzog Johann 
fanden fi} dann auch zu der feftgefegten Zeit zu Slensburg ein. 
Der Herzog Adolph aber blieb aus. Der König fchlug darauf 
eine andere Zuſammenkunft und zwar im Holfteinifchen, zu Jeben⸗ 
fledt, auf den 26. April, vor. Dafelbft erfchienen alle drei Sürften 
mit ihren Näthen. Der König war mit einer Bededung von 
500 Reitern gefommen, weil er dem Herzoge Adolph nicht traute, 
welch Letzterer in Slensburg ausgeblieben war, weil er für feine 


412 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


perfönliche Sicherheit bejorat gewefen. Am 28. April famen die 
Sürften abermals zufammen, zu Nortorf. Hier weilten fie bis 
zum 1. Mai. Adolphs Anfchlag fand Billigung. Man verein- 
barte, daß Dithmarjchen, wenn es gewonnen werde, zu gleichen 
Cheilen als Siegesbeute gehen folle.. Die vom Herzoge Adolph 
aufgewandten Kriegskoſte — 8000 Mann Miethstruppen hatte 
der Herzog ſchon in Dienft genommen — follten vergütet werden. 
Der König wollte die nöthige Aeiterei ſtellen. Zum Seldherrn 
wurde der friegsfundige Johanıı Yanzau erwählt, der ſich zwar 
mit feinem Alter von 67 Jahren entfchuldigen wollte, aber dann 
doch zur Uebernahme der Sührerfchaft fich bereit fand. Als 
Öenerallieutenant wurde diejem, nachdem Bertram Seeftedt die 
Stelle eines folchen abgelehnt hatte, weil er fürchtete, fich mit 
feinem Schwager nicht vertragen zu können, Franz Bülau zu- 
geordnet, und zu WMufterherren, die nebſt dem Seldherrn die 
Truppen muftern und zur Sahne fchwören laffen follten, wurden 
ernannt von feiten des Hönigs: Elaus Ranzau, Amtmann zu 
Steinburg, und der Neichsrath Holger Rofenkranz, von feiten des 
Herzogs Johann: Otto von Tinen und Jaspar von Bodmwold, 
von feiten des Herzogs Adolph: Schele Claus Ranzau und Paul 
Ranzau, des Seldherrn Sohn. Diefen wurden einige Kommiffare 
zur Derwaltung von Sinanzfachen zugeordnet, denen Heinrich 
Yanzau fogleich einen Betrag von 15 000 ZReichsthalern übergab. 
Auch wurde ein Kriegsrath gebildet aus dem Seldherrn Johann 
Banzau, dem Statthalter Heinrih Ranzau, Breda Ranzau, 
Chriftioph Yanzau, Moritz Hanzau, Bertram von Ahlefeld, 
Benedict Ahlefeld, Holger Roſenkranz und Bertram Seefledt. Diefe 
erwählten dann noch zu ihren Beiräthen die drei Oberſten Wolf: 
gang von Schönwefen, Wilhelm von Wallerthumb und Reimer 
von Walde und den alten Hauptmann Ehriftoph von Wrisberg.! 


ı Schönwefen heißt auch Schönewiefe, Wallerthumb findet fi als 
Wallertbum und Waltherthum, Reimer von Walde als Reimer von Wolde 
bei einigen Annaliften. Ä 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 415 


An Truppen wurden noch Joachim Blanfenburg, Jacob Blanten: 
burg, Dird von Holle und Afcan von Holle (Kalle) mit ihren 
Keuten in Dienfi genommen. Der Graf von Oldenburg fandte 
15 Eompagnien über die Elbe zur Unterftügung. Der Herzog 
von Braunfchweig hatte fih fchon früher mit dem Herzoge Adolph 
von Gottorp verbündet. Auch der Herzog von Lüneburg wollte 
Truppen fenden. Aber man lehnte die Anerbietungen weiterer 
Truppenfendungen vorläufig ab, weil man derfelben nicht mehr 
benöthigt war. Es wurde auch befchloffen, feine Einwohner aus 
Holftein mit nach Dithmarfchen zu führen, fondern diefe, die Hol- 
fteinifchen Candſaſſen, zur Befegung fefter Orte und zur Sicherung 
der Grenzen zurüdzulafien. Nicolaus Yanzau zu Steinburg wurde 
über die an Dithmarfchen grenzenden Kremper:- und Wiliter: 
marjchlente, die an der Elbe Wache halten jollten, gefeßt und 
der ältere Hinrich Ranzau über die Nordfriejen geftellt, um mit 
diefen die Eidergrenze gegen Dithmarfchen zu bejegen. Der König 
legte einige Kriegsfchiffe auf die Elbe, um den Dithmarjchern alle 
Zufuhr zu Waſſer abzufchneiden. An Hamburg und Kübed follte 
das Anfuchen geftellt werden, fich als getreue Nachbarn der Fürſten 
zu erweifen und den Dithmarfchern feine Unterftüßung zukommen 
zu laffen. Sür den Nothfall wurde der Adel in Jütland zur 
Kriegsbereitfchaft aufgeboten. Auch waren einige Hauptleute von 
Mietbcorps, die durch den Srieden zwifchen Spanien und Frankreich 
außer Befchäftigung gefeßt worden, in Bereitfchaft geftellt, um, 
fobald? man ihrer bedürfe, mit ihren Eorps über die Elbe zu 
fegen. Jeder der drei Sürften follte fechs Seldgefchüße und zwei 
Belagerungsgefchüge! nebft voller Ausrüftung, dazu acht Räſt⸗ 
wagen, fielen. Taufend Schanzgräber wurden angenommen. 
Diele Schiffbrücden follten zur Stelle gefchafft werden. Auch für 
Derproviantirung wurde wohl geforgt. Jeder Amtmann in Bolftein 

: „Tormenta muralia® fagt Eilicius. Es handelt fi um die Mauern 


der Stadt Meldorf. Die alten Manerbrecher, Sturmböde — Aries, hatten 
ausgedient. Tormenta, Wurfgefchoffe, braden die Mauern. 


41% Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


wurde verpflichtet, täglich ein Beftimmtes zum Heere zu liefern. 
Die Fürſten wollten in Perfon dem Seldzuge beimohnen. Nachdem 
fie fo alles für den Seldzug vorbereitet hatten, fchieden die Sürften 
voneinander. Der König begab fich nach Segeberg und dann 
nach Kolding, wo er den jütifchen und fühnifchen Adel mufterte, 
und war am Tage vor Pfingftien, den 13. Mai, wieder beim 
Statthalter, Heinrich Ranzau, in Segeberg, wo er dann den 
größten Theil des Heeres muſterte. Am zweiten Pfingfitage 
mufterte er in Neumünſter feine £eibgarde, 400 Mann ftarl, 
wobei er einem dänifchen Edelmann, Jürgen Rohen, die Sahne 
übergab und Jens Truidfon Ulfftand zum Marfchall, fowie Joachim 
Broddorp zum Gberftlieutenant ernannte. Am 17. Mai trafen 
die Sürften mit ihren Räthen zu Hohenmweftedt ein. Don hier aus 
erließen fie am 18. Mai den Sehdebrief an die Dithmarfcher, des 
Inhalts: 

„Wy Stederid, van Bades Gnaden Koning to Denemard 
unde wy van denfulden Gnaden Johann und Adolph, alle 
Bertogen to Holften. Vademe gi, de acht unde veertich Rad» 
gevere, wo gi jum nömen unde all unde jede Inwonere unjers 
£andes Detmerfchen uns alfe juwe rechte erflihe KLandesforfter 
unde van Bade porordnete Oprigfeit jegen Bades Bevel und Dor- 
ordning der hohen Oprigkeit, to juwer Seelen Unheyl nicht allein 
vorjattiglig® ungehorfam unde wedderwertig, fondern od in vel 
wege unde unophörlich mit unchriftliden, fchimpliden unde undlied» 
liden handlungen an uns vorfaren, od unfere Hoheyt antorören 
nicht vorfchonet, de Underdanen tom höchften befchweret, roop, 
mord unde vredebrofe geövet, wo denn up unfem Kande, Hillige 
Landt! genömet, dar der kerken nicht vorjchonet und gefdnumet, 
mord darinne datlid to open unde to begaen, unde andere un- 
jegliche, datlicke, gruwſamlicke handlungen, de fchwerlilen to vor- 


! Billige Land — hohes Land. Hilge, helge, halge — Eiland, Hochland 
im Wattenmeer, dann Böhe überhaupt. — Daher die Emporen der Kirdyen 
noch „Bilgen” genannt. 





Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 415 


holden. Unde in deme allen weder recht noch billicheyt geacht, 
oA nicht recht geven edder tolaten willen, damit eine lange tyd 
hero geduldet, blondvorgetend to vorfchonen. Alfe aver unfe lang- 
mödicheyt jumwe halsftarrig, dadlick unde unrecht vornemen unde 
ungehorfam mehr geftärfet unde kene billicheyt to vorhopen, feind 
wy dorch jumwen vrewel unde motwillen bewogen unde groplid 
vororfafet, juwe mit dem jchwert heymtoföfen unde mit Bades 
hulpe juw in unſern gehorfam, wo gi uns vorplicht, to bringen. 
Unfe gehorfame underdanen vor jumwen vrevel gehandhovet und 
vor mord, roop unde vredebrodigem overfall vor juw gefelert. 
Dat wy uns ut Bades bevel fchuldig unde plichtig to fyn erfennen. 
Weren aver der vororfaketen fcharpe und wolvordeneten ftraffe, 
jegen juw ergaen to latende, vel lever vorjchonet geweſen. Unde 
willen uns demna, wowol ſolkes jegen juw, alfe unfe ungehorfame 
underdanen, nicht nödig gemwefen, hiermit famt unfen helpern unde 
helpershelpern nottroftichlich na frieges-gebrud to ehren vorwaret 
hebben. Darna gi juw fo richten. datum Hohenweftede, den 
18 dag Maji, Anno 59." 

Der Sehdebrief von Hohenweftedt wurde ins Seldlager bei 
Heide gefandt. Der Ueberbringer desfelben, ein durch Androhung 
fofortigen Todes im Weigerungsfalle zu folchem Botendienft ge- 
nöthigter Miffethäter — nach alter Sage ein Wilddieb, der auf 
einem Nanzaufchen But ergriffen worden — übergab zitternd 
den Brief an einem weißen Stabe einem der Achtundpierziger, 
der ihm dem Anfehen nach befannt war. Kaum hatte fich das 
Gerücht von dem erfolgten Eingange der Kriegserflärung ver- 
breitet, als fich ein arger Tumult erhob, der fih in Drohungen 
und Derfluchungen gegen die Holfteiner und den Ueberbringer 
des Sehdebriefes erging. Man drang auf den Boten ein und 
wollte ihn erfchlagen. Die Achtundvierziger aber brachten diefen 
in Sicherheit und ließen ihn wohl verpflegen. Durch den Landes: 
ſekretär Herrmann Arverhoff (Schröter) liegen fie dann die Antwort 
auf den Sehdebrief auffegen, mit welcher der Heberbringer des letzteren 


416 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


an die Fürſten zurückgejchidt wurde. Die Antwort der Achtund- 
vierziger lautete: 

„Den Dorchluchtigften, grotmächtigjten dorchluchtigften Hoch- 
gebornen Sorften unde Heren, Heren Srederichen dem andern, van 
Bades Gnaden erweltem Koning to Dennemard, Vorwegen ꝛc. 
und van denfulden Gnaden Johann unde Adolffen, Erven to 
Norwegen, Hertogen to Slegwid, Holften und Stormarn, Greven 
to Oldenborg unde Delmenhorft zc. 

Dorchluchtigfter grotmächtigfter Koning, Dochluchtige Hoch- 
geborne Sorften unde Beren. Ewer Konigl. Maj. und $Sorftl. 
Gnaden fchrieven, darinne angetöget, dat defülden groplic 
























vororfafet, uns unde de gemeyne des landes to Detmerjchen 
mit heeresfraft to operteen unde dord dat jchwert to ge: 
börliden gehorfam to bringen, hebben wy ungern by gegen: 
wordigem Ew. Konigl. Maj. und Sorftl. Gnaden baden entfangen 
unde vorftanden. Darup geven wy Em. Konigl. Maj. und Forftl. 
Gnaden in demoth to erkennen, dat wy denfulven an dent lande 
Detmerjchen feine Gerechticheyt geftändig, fondern wy find mit 
incorporerte Gledmate der hilligen Pferden und des Erz-Stifts 
Bremen, under welfes fchutt unde fcherm wy dorch Bades Gnaden 
in de veerhundert unde mehr jaren gewejen, wo lovlid to erwyjen, 
unde des mit landt unde luden von Romiſchen Paveſten unde 
Kayfern ftattlih privilegeret, und hedden uns to Ew. Königl. 
Maj. unde 5. En. alſe lovliden, chriftlichen unde gadesforchtigen 
Konigen, Heren unde Sorften, hohen herfamens unde ftammes, 
mit nichten vorfehn, nademe wy mit denfulven in ungude nichtes 
to jchaffen, fondern vele mehr allergnädigfter gnädiger bevorderung 
unde naburjchop vortröftet, Dat man uns wedder Bade, foge unde 
recht, jegel unde breve, dorch Em. Konigl Maj. unde $. ©. 
milder gedachtniß Heren unde vadern, Konigen unde Sorften, ut: 
gegeven, jo oc wedder des hilligen Romefchen Rides hoch ver: 
önten Landt:-Dreden, gulden Bulle, fcholde olfo plößglich (wo 
leyder jtzund vorhanden) unovervunnen des rechten mit dem 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 417 


fchwerte overtagen hebben, denn dar wy in unmegen gemefen, 
edder jonft einigerinaten uns vorgrepen hedden, fonnden unde 
moften wy an gebörliden orden, dar wy dingplichtig, erorterung 
des rechten wol geleden hebben unde Iyden fönnen, und weren 
desfalls den rechten hoch und genogfam underworpen; unde willen 
tom operflote uns alje vorhin to gelyck unde allem rechte Praft 
deſſey jchryft erbaden hebben. Im Sall aver boven tovorficht folf 
erbedent jo nicht helpen mochte, unde men uns mit landt unde 
[ude (wo am dage) vorgewaldigen, wyff unde finder, wedewen 
unde wyjen to grundlichem vorderven unde undergange jämmerlich 
bringen, unde bloetvorgetende nicht vorkomen wolde, moften wy 
Bade allmachtigen, unjerm ftridesforjten, befchutter unde grotem 
heylande de ſake heymitellen, denjulven dag unde nacht embfig 
bidden unde anropen, dat he uns ut gnaden fynen hilligen frede 
dorch Ehriftum vorlenen, unde dewyle he Ew. Konigl. Maj. unde 
Sorftl. Sn. od unjer aller herte in fyner gewaldigen handt, 
dejulve mit jynem hilligen Befte regeren wolde, dat Ew. Konigl. 
Maj. und $. G. van defjem ehren unchriftlichen vornemen afftaen 
unde in fol? bloetvorgetend unde groten unradt, alfe (beters Godt) 
vorhanden, nicht vulborten, fondern dat ende, dar Godt erft und 
lets dadorch nicht gering vortonet, ut Hochangeborner Konigl. und 
Sorftl. Sn. gude unde mildicheit behertigen, damit beyderfiets 
landt unde lude, wedewen unde wyjen, wyff unde Find nicht to 
grunde vorderven, fondern in dem vrede na dem willen Bades, 
dem wy Ew. Konigl. Maj. unde $. G. bevehlen, erholden werden 
mögen. Datum am Dage Trinitatis (den 2] Maji), in unferm 
Seldläger unde Pitſchier. Anno etc. 59. 

Ew. Kon. Maj. und F. G. in alle billigfeyt gang willige und 
und unpvordratene Acht unde Deertich vorwejere unde ganke 
Gemeyne des landes Detmerjchen.” 

Die Datirung der Antwort der Dithmarfcher auf den Fehde: 
brief aus dem Seldlager zeigt, daß die Dithmarjcher rechtzeitig 
am Plaß waren zur Landhöde. Unerwartet jchnell war zwar die 

Dithmarfcher Geſchichte. 27 


418 Dritter Abfcynitt. Dierte Abtheilung. 


Kriegsgefahr diesmal hereingebrochen. Aber die kurze Zeit, welche 
für Kriegsrüflungen zur Abwehr des drohenden Meberfalls ihnen 
geblieben, hatten die Dithmarfchen entichloffen benutzt, fih in 
möglichften Dertheidigungszuftand zu fegen. Die Befefligungen 
von Wleldorf, der Lilenbrüde und der Hamme wurden, als man 
die Pläne und Abfichten des Herzogs Adolph durchichaut hatte, 
verftärft; auch wurden an verfchiedenen Stellen, fo gegen die 
Wilftermarfh vor dem Bftermoor und bei Brunsbüttel, neue 
Schanzen aufgeworfen. Die Wege wurden an Stellen durch. 
gegraben oder durch Anbringung von Baumftämmen, Pfählen 
und Wagenrädern gefperrt. Auch Sußangeln wurden gelegt.! 
Aus den Handelsftädten verfah man das Cand mit großem Dorrafh 
an Gewehr und Munition. Die Dithmarfcher wollten aufs 
äußerfte die Freiheit des Eandes vertheidigen. Sie waren -fich 
des Ernites der Lage wohl bewußt. 

Dem FSeinde ftanden reiche Hülfsmittel zur Derfügung, und 
das feindliche Heer wurde vortrefflich geleitet. Herzog Adolph 
hatte fih in den Kriegen des Kaifers, namentlich in der Be: 
lagerung von Meg, als Heerführer große Derdienfte erworben, 
und der berühmte Johann Banzau war einer der erften Seld- 
herren feiner Zeit. Doch zagten die Dithmarfcher nicht. Kein 
Kleinmuth fam unter ihnen auf. Ja, die Zuverficht auf ihre 
eigene Kraft war fo groß, daß Reimer Hod fie des Ueber: 
muths zeiht, indem er fagt, fie hätten fich nicht den alten 
Derträgen gemäß an die Lübeder um Hülfe gewandt, weil ihr 
Nebermuth das nicht zugelafien habe. Die Gberften hätten den 
Anderen vorgehalten, daß Dänen und Holfteiner die Dithmarfcher 
nicht zu überwinden vermöchten. Das hätten deren Dorfahren 
jchon dreimal verfucht und wären jedesmal in Dithmarfchen er- 
ſchlagen worden. Daher fei fein Anlaß zu Sorge und Klein- 


’ £übed hatte drei Tonnen Sußangeln gefhidt. — Die Zeit, in der 
£übel mit Königen von Dänemarf Krieg führte, war vorliber. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 419 


möüthigfeit vorhanden.” Uebrigens war der im Jahre 1538 mit 
Cübeck auf 20 Jahre gefchlofiene Bündnißvertrag abgelaufen. 
Zudem war die Macht der alten Hanfa gebrochen. Cübecks Ein- 
flug war nicht mehr der frühere. Die Städte mußten anf eigene 
Sicherheit denken und leifteten feine Hülfe. Die Dithmarfcher 
waren auf fich allein angewiefen. Etwa 7000 wehrhafte Männer 
hatten fie ins Seld zu ftellen. Miethstruppen nahmen fie wenige 
oder Feine. Den S$remden im Eande, die fich im Laufe der Zeit 
angefunden und niedergelaffen hatten, flellten fie, um fich vor 
Derrath im Innern zu fichern, die Wahl, entweder ihnen Trene 
zu fchwören und dann Gutes und Arges mit ihnen zu theilen, 
oder, mit $reipäffen verfehen, das Land zu verlaffen. Die Meiften 
blieben, gelobten Treue und nahmen fich der Sache der Sreiheit 
eifrig an. Dorläufig hatte man die Hälfte der Mannfchaft zur 
Sandhöde eingerufen und hielt emfig Wache an den wichtigften 
Punften. Wie zu den Zeiten der Däter, fo herrfchte auch jeßt 
unter den Dithmarfchern eine allgemeine Begeifterung für die Der- 
fechtung der freiheit des Daterlandes, und auch auf den endlichen 
allgemeinen Aufruf der Achtundpierziger ftellte fich Alles unter 
die Waffen, und felbft viele beherzte Weiber rüfteten fich zur Cheil« 
nahme am Kampf, während die anderen den Männern rüften 
balfen, die Mannfchaft im Selde verpropiantirten und fie an- 
feuerten und mahnten, nach der Däter Weife muthig zu flreiten 
für die Sreiheit. Auch Kinder famen ins Kager und erinnerten 
Däter und Brüder, Doch ja tapfer zu fechten wider den KLandes« 
feind. Diefe muthvolle Entfchloffenheit zun Widerſtande bewog 
die Sürften eben, den Eroberungsfrieg ohne Zeitverluft zu be- 
ginnen und ohne Verzögerung ins Kand einzufallen. 

Bevor der Heberbringer des Sehdebriefess mit der Antwort 


ı Reimer Kod fagt an anderer Stelle, es hätten unter den „Aelteften“ 
des Kandes Einige fi} dem Könige „verfagt“ gehabt, dazu zu helfen, dag 
der Muthwille des gemeinen Mannes gezüchtigt werde. Das findet ſich aber 
nirgends beftätiat. 

27° 


420 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


der Achtundpvierziger an die Sürften zurückkam, ftanden diefe mit 
dem feindlichen Beer fchon auf Dithmarfcher Boden. Sie waren 
am Montage, den 22. Mai, morgens 9 Uhr, zu ©elichsdorf 
(jet Oelſtorf, Öhlftorf, in der Herrfchaft Breitenburg) bei Itzehoe 
zufammengetroffen, wofelbft die Truppen zu einander ftießen. — 
Der König hatte in der Nähe, auf dem Wanzauifchen Gute 
Mehlbeck, einige Tage verweilt, um hier die Sufammenziehung 
der Mannfchaften abzuwarten. Nachdem die Fürften die Ordnung 
des Zuges beftimmt hatten, brachen fie mit dem Beere auf gegen 
Dithmarfchen. Doran zogen, durch das Eos dazu beftimmt, Ab- 
theilungen von Sußfnechten aus allen Regimentern. Auf diefe 
folgte ein Ueitergefchwader unter Morig Ranzau, darauf famen 
die Schanzgräber und das kleinere Seldgefchüß, dann zwei Regi— 
menter unter Qeimer von Walde und Wolfgang Schönwefen, 
hierauf, in der Mitte, die königlichen und herzoglichen Truppen 
in ftrenger Schlachtordnung, Gregor von Ahlefeld als Banner. 
führer der holfteinifchen Hauptfahne und die Sürften felbft mit 
ihren Keibgarden; den Beichlug machten das Wallerthumbfche 
Wegiment, die Blanktenburgjche Sahne und hundert Reiter unter 
Dietrich von Holle. Das ganze Heer zählte 20000 Mann zu 
Suß.! — Der Graf Anton von Oldenburg mit 15 Sahnen ftieß 
erft fpäter zum Heere der Sürften. Noch am felbigen Tage, 
22. Mai, wurde auf Dithmarjcher Gebiet, bei Alberftorf, jenfeits 
der Au, das Lager geichlagen. Alberftorf felbft ward mit Neiterei 








: Molbedh meint, diefe Zahl fei etwas zu hody gegriffen, da ein 
Regiment damals 3000— 4000 Mann gezählt habe. Doch waren im ganzen, 
mit den Gldenburgern, 4'/s Regimenter Miethstruppen, alfo zu voller 
Stärfe von 4000 Mann das Regiment genommen, an 18000 Mann vor- 
handen, dazu die Schanzgräber und die eigenen Hnechte der Fürften gezählt, 
wird immerhin die Sahl der Sußtruppen auf 20000 Mann fidy belaufen. 
Vach Mickelfen, Urkundenbuch, 139, wären ohne die Oldenburger vier Negi- 
menter Fußknechte und 2000 Reiter von jenfeits der Elbe in Dienft ge- 
nommen werden. Danad würde das Heer über 20000 Mann an fuf- 
fnechten gezählt haben. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 421 


belegt. Zwei Dithmarfcher Dörfer wurden gleich beim Ueber— 
fchreiten der Grenze niedergebrannt. Dielleicht ift auch Alberftorf 
theilweije eingeäjchert worden. Dem dortigen Paftor Eyriacus 
wurden jpäter vom Lande 20 Gulden bewilligt zum Erfag für 
feine verbrannte Bibliothef. Zwei Lompagnien zu Fuß und 200 
Reiter wurden vom Seinde auf Dorpoften geftellt. Doch brachte 
demfelben die erfte Nacht auf Dithmarfcher Boden wenig Ruhe. 
Achtzehn Dithmarfcher griffen mit Keckheit die Dorpoften an, und 
darüber ward das ganze Kager alarmirt, weil die Nachricht von 
den Dorpoften eingegangen war, die Dithmarfcher feien im An- 
rüden und drängen auf das Lager ein. Der Seldömarfchall felbft 
ritt nebft feinen Offizieren zu den Dorpoften hinaus und erft, als 
diefer die Aleldung machte, daß die erbrachte Nachricht von einem 
Angriffe auf das Lager falfch fei, ließ die Mannfchaft fich be- 
ruhigen. Erft am folgenden Tage, 23. Mai, fam es bei den 
Dorpoften zu ernftlicheren Scharmüßeln, wobei auf beiden Seiten 
Einige blieben oder verwundet, Einige auch gefangen wurden. 
Einige Käufer wurden vom Seinde eingeäfchert und mehrere Stüd 
Dieh von der Weide geraubt. Weiter fiel an diefem Tage nichts 
vor. Die Sürften wollten diesmal vorfichtig zu Werke gehen. 
Der Kriegsrath trat zufammen, und es wurde befchlofien, nicht 
eher weiter vorzurüden, als bis man den Stand des Gegners 
erforfcht und das Land genauer ausgetundichaftet habe. 

Zunächſt wurden die gefangenen Dithmarfcher peinlich befragt. 
Die wollten nichts verrathen und wurden zu Tode gemartert. — 
Die Dithmarfcher rächten das, indem fie die gefangenen Seinde 
verfiümmelten und tödteten, und jo herrfchte ein wildes Derfahren 
auf beiden Seiten. Als aus den gefangenen Dithmarfchern nichts 
herauszubringen war, wurden größere Rekognoscirungen unter- 
nommen. Am 24. Mai zogen der Seldmarfchall und die Hriegs- 
räthe zur Refognoscirung aus unter Bededung des Wallerthumbjfchen 
Regiments und der Blanfenburgfchen Schwadron. Ein Dithmarfcher, 
Splet Karring, den Herzog Adolph vor anderthalb Jahren als 


422 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


MWilderer gefangen genommen und zu diefem Swecke aufbewahrt 
Hatte, mußte dabei als Sührer dienen.! Hauptzwecd der Rekog— 
noscirung war Erforfchung der Bejchaffenheit der Tielenbrücke 
und® der Hamme. Die Tielenbrüde fand man nicht fehr ftarf 
befeßt und die Gräben, wie auch die Sunpfgegend an derfelben, 
die das fefte Werk Secdten, durch die große und anhaltende Dürre 
des damaligen Sommers ausgetrocdhet. 

Einige Sührer im Rathe des Seldherrn wollten daher gleich 
zum Angriff übergehen. Aber Johann Ranzau weigerte ſich ent: 
ichieden, dazu Befehl zu ertheilen. Doch ließ er einige mit Gütern 
aus der Marfch nach der Geeſt ziehende Srachtwagen und deren 
Bedefung unter das Seuer der Seldbatterie nehmen. Allein die 
Ditkmarfcher bei Tielenbrügge unterhielten aus 12 Beineren Kanonen 
ein lebhaftes Begenfeuer, fo daß es hier ohne Schaden abging. 
Der Seind z0g dann zur Kundfchaftung nach der Hamme. Dieje 
fand man ſtark befeftigt durch das „Bammhuus”, in einem großen 
Diered erbaut, von hohen Wällen umgeben, mit einem hohen Thurm 
verjehen und von breiten, tiefen Gräben umzogen. Die Dith- 
marfcher eröffneten ein ftarfes Seuer auf die anrüdenden Seinde, 
und diefe machten fich eiligft davon und begnügten fid} damit, 
zur Dergeltung ein an der Hamme liegendes Dorf — wohl Süder- 
holm oder Bennewohld — anzuzünden. Don einem Angriff auf 
die Hamme ward endgültig abgejehen. Der Feind kehrte nach 
dem Kager bei Alberitorf zurüd. 

Den 25. Mai unternahm der Seldherr eine Rekognoscirung 
nah Meldorf. Hierbei bediente man fi als Sührers und Weg— 
weifers eines Holfteiners, der lange vor der Stadt Meldorf gewohnt 
und bei Ausbruch des Krieges das Land verlaffen hatte und nach 


! Hans Dethleff jagt, Splet Harring (Berring) habe den Dithmarſchern 
angezeigt, daß er ihnen den Feind fo bringen wolle, daß fie es nicht beffer 
wünfhen Pönnten, und das hätte er auch gehalten. Es müßte das bei 
anderer Belegenheit gewefen fein, als hier, wo es fi nur um Recognoscirung 
handelt. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 423 


Bolftein gezogen war, fowie auch eines Dithmarfchers, nämlich 
eines Bruders von Wieben Peter, Bartold Peters, oder Wieben 
Bartelt, geheigen, der nach Eilicius einer flreitigen Erbfchaft 
wegen an das Zeichstammergericht appellirt hatte und deshalb 
aus dem Lande hätte weichen müffen. Bei diefer Gelegenheit fiel 
weiter nichts von Bedeutung vor. Nur wurde von einem Dith- 
marfcher, Weinhold Rode, auf Joachim Broddorf gefeuert und 
diefem das Pferd unter dem Leibe erfchoffen.! 

Nachdem der Seldöherr fo mit feinem Stabe die vornehmſten 
feiten Orte des Landes befichtigt hatte, wurde am 26. Mai Kriegs- 
rath gehalten wegen der nun einzufchlagenden Operation. Dor 
einem Angriff auf die Hamme fcheute man fih; man: hatte fie 
zu feft befunden und gedachte mit Grauen der vorigen Seiten. 
Mehrere Näthe, namentlih Breda Ranzau, flimmten dafür, 
zunächft die Tielenbrücfefte anzugreifen, um nach Sorcirung der: 
felben durch die Norderhamme, mit Umgehung der ftarfen Süder- 
hamme, auf Beide zu ziehen. Der Seldherr'aber war dafür, dag 
auch jeßt, wie in früheren Kriegen, der Angriff zunächft auf den 
Hauptort des Kandes, die alte Stadt Meldorf, gerichtet werde. 
Als Stadt mitten im Lande fei Meldorf ein wichtiger Poften, und 
durch Einnahme desjelben fchneide man die Einwohner im Norden 
und im Süden voneinander ab. Ranzaus Stimme gab. den 


I Reinhold Rode war wohl ein Sohn, wenn nicht ein Bruder, des 
Adhtundvierzigers Junge Rode, deffen Dater, der Achtundvierziger Claus 
Rode, neben Peter Hann und Peter Swyn als einer der führer im Rath 
über Beinrich von Sütphen erfcheint. Die beiden vorgenannten Rode find 
wahrfcheinlich im Kampfe für die Sreiheit gefallen; fie werden in der 
Folge nicht mehr genannt. Ein Nachkomme der Roden ift jener Hans 
Rode, der 1626 als Candvogt in Kunden geftorben und deſſen Leichenſtein 
auf dem Lundener Kirchhofe den ernfthaften Sprud zeigt, von dem Claus 
Barms fagt, daß er den Schmerz der Erinnerung dämpfe: 

„O, wo frolih idt wefen mad, 
Dar dufent Jahr is als ein Dady! 
O, wo wildt werden fo ſchwar, 
Dar ein Dad is als dufent Jahr!” 


424 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


Ausihlag. Man fcheute auch die Norderhamme noch, obwohl 
der Zugang zu derfelben bei der Dürre des Sommers erleichtert 
war. Der Angriff auf Meldorf follte nach Ankunft des Grafen 
von Oldenburg mit feinen Truppen, deffen Anrüdung mittler- 
weile im Hauptquartiere der Sürften gemeldet worden war, erfolgen. 
Bis dahin follte das Heer im Lager bei Alberftorf raften. 

Im Lager der Dithmarfcher wurde in diefer Seit zur 
Berathung geftellt, ob man nicht jegt mit aller Macht den Seind 
angreifen folle.e Namentlich der Achtundvierziger Junge ode 
ſprach dafür und rieth dringend zum Angriff. Die Mehrzahl 
aber war dagegen und wollte, dag man in fefter Stellung den 
Feind erwarte. 

Am 30. Mai traf der Graf von Oldenburg mit feiner 
Mannſchaft beim Heere der Sürften ein und fchlug zu Tensbüttel 


bei Alberftorf fein Lager auf.! Inn wurde der Beginn der 
Operation gegen Meldorf auf den 2. Juni feftgefegt. Selbigen 


Tags, 30. Mai, erjchien noch ein Gefandter von Kübel, der 
Sefretär (Protonotarius) Sebaftian Ehrfam, im Lager der Sürften, 
um namens der Hanfeftädte zu vermitteln. Ein Diener desjelben 
ward ins Seldlager der Dithmarfcher an der Hamme abgeordnet, 
um ein ficheres Geleit für den Befandten zu erbitten. Bei diefer 
Gelegenheit geriethen die Dithmarfcher in Streit mit der dem 
Diener des Gefandten beigegebenen Bededung. Ein holfteinifcher 
Reiter wurde erfchoffen und ein lüneburgifcher Edelmann, Spord, 
verwundet. Einige Dithmarfcher follen dabei gefallen fein. Der 
erbetene Geleitsjchein wurde ertheilt. Die Ausfteller nennen fich 
in demfelben: „Wir oberften Kriegs-Lommiffarien, Hauptleute und 


ı $ührer der Oldenburger waren nad Hamelmann (Oldenb. Ehroniß): 
Oberftlieutenant Hans von Hildesheim und die Bauptlente Gerhard von 
Bothmer, Kranz Klende, Arendt Eiverfeldt, Ernft Stindt, Kumpan von 
Roddenfen, Götke Dogel, Gerhard von Edenwacht, Leo Padmoor, Friedrich 
von der horſt, Bruno von Tedlenburg, Claus von Bremen, Magnus 7. 
und Nicolaus von Sparling. — Danad wären die Oldenburger mit 
13 Sahnen angerüdt. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarſcher Freiheit — 1559. 425 


Befehlshaber, fo jeßiger Zeit in der Hamme liegen.” Doch hatte 
inzwifchen der Geſandte fich überzeugt, daß die Fürſten eben nur 
erobern wollten, alfo eine Dermittelung gar nicht möglich war, und 
tehrte dann, ohne von dem Geleitsfchein Gebrauh gemacht zu 
haben, nach Lübeck zurüd. 

Während die Dithmarfcher zu Selde lagen wider die Fürften 
und deren Knechte, fielen die an der Eider poftirten NTordfriefen 
wiederholt zu Raubzügen ins Land. Sie fuchten Beute an Pferden 
und Hornvieh zu machen, ftedten einzelne Gehöfte in Brand und 
zogen fich dann wieder über die Eider zurück. Die zurüdgebliebenen 
Dithmarfcher, Alte, Weiber und Kinder, aber wehrten fich tapfer 
und erfchlugen, als die Sriefen in Kunden und Preiel mehrere 
Bäufer einäfcherten, achtzehn der Ränber. Auch bei Schülp 
landeten die Eiderftedter, um den Ort in Brand zu feßen und zu 
plündern. Da ertönten die Sturmgloden und riefen Bülfe heran. 
Magifter Marcus Wrange, der Paflor von Neuenkirchen, organifirte 
und leitete den Widerftand. Mean jagte den Seinde die geraubte 
Beute, zufammengetriebene Diehherden, wieder ab, und Mlarcus 
Wrange fchidte Mädchen an den Strand, mit der Ordre, die Boote 
der Sriefen vom Lande zu fchieben, damit den Räubern der 
Rückzug verlegt werde und man fie fämtlich erfchlagen könne. 
Sünf Mädchen waren im Begriff, der Anweiſung nachzutommen, 
als die Sriefen die ihnen drohende Gefahr merkten und in Eile 
fih in ihre Sahrzeuge warfen und haftig die Slucht ergriffen. 
Ebenfalls zu Büfum verfuchten die Eiderftedter Sriefen zu rauben 
und zu brennen. . Bier hielt der damalige Rektor, fpäter Diafonus, 
dafelbft, Nicolaus Simonis, Strandwache. Bei Annäherung der 
Stiefen verfammelte er Srauen und Mädchen des Ortes, bewaffnete 
fie mit Spiegen, Schaufeln, Sorten und Ofengabeln, ließ fie fich 
weiße Tücher um den Kopf binden, die im Sonnenfchein hell 
erglänzten, gleich Helmen, und hieß fie dann unterhalb des Deiches 
einherziehen, fo daß nur die Spigen der Waffen und die hell- 
glänzende Kopfbedeckung über den Hamm des Deiches hinausragten. 


426 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Er felbft mit feinen größeren Schülern, zu Pferde, 309 auf dem 
Deiche entlang den Feinde entgegen und fommandirte zum Angriff. 
Die Stiefen, fchon mit Wegtreibung des Diehes befchäftigt, geriethen 
in Beftürzung — fie hielten die Knaben für gewappnete Reiter 
und die Weiber für nachfolgendes Sußvolf — und nahmen, als 
die Knaben ein Angriffsgejchrei erhoben, mit jolcher Haft die Slucht, 
daß Diele von ihnen ins Wafjer geriethen und ertranfen.! Aber 
nicht nur die Eiderftedter, jondern auch andere Nordfriefen wollten 
fih die gegenwärtige Noth der Dithmarfcher zu nutze machen. 
So unternahmen die Nordftrander auf Anregung von feiten des 
nachherigen Stallers von Nordftrand, Peter Nickelſen, einen Einfall 
in Dithmarfchen, wurden aber hier von Alt und Jung jo empfangen, 
da die ganze Schar umlam. — Auch der damalige Hauptmann 
von Nordftrand, N. Wundjen, und deſſen Bruders Detlef Sohn, 
Jens Detlefien, famen in der damaligen Sehde mit Dithmarfchen 
um. Die Dithmarfcher vergalten den Frieſen ihre Ueberfälle bei 
Gelegenheit. Als 3. B. Srauen von Huſum ihren in Kielen 
poftirten Männern auf der Eider Proviant zuführten, wurden fie 
am Stapelholmfchen Ufer von Einwohnern aus Delve abgefangen 
und nach Beide gebracht, wo fie bis nach der Sehde in Gefangen: 
fchaft behalten wurden, unter anftändiger Behandlung.” Dielleicht 
hierdurch noch mehr aufgebracht, zogen die im Kirchfpiele Erfde 
ftehenden Sriefen unter dem Hauptmann Jürgen Knutſen von 
Aufun und dem Sähnrich Ketel Harring von Hadftedt (Battfledt), 


ı Nicolaus Simonis war ein Sonderburger. Er wurde 1564 oder 1565 
Diafonus zu Büfum. 1587, Mittwoch nach Reminiscere, wurde er auf der 
Kanzel vom Scylage gerührt. !Deil er nun feine Predigten ablefen mußte, 
ward er von den Büfumern entlaffen. Sic Busani suos concionatores beant: 
D. Joh. Boliyium, D. Hieron. Willemann, D. Xicol. Simon ıc. fagt 
Xeocorus. 

* Unter der Befangenen war aud Anna Piftorius, Tochter des Paftors 
Theodor Piftorius zu Hufum und Schwefter des Paftors Johann Piftorius zu 
Terenbüll. Deren Gefangennahme veranlaßte einen Briefwecfel des 
Paftors Johann Piftorins und des Diafonus Johann Rifhmann zu Huſum 
mit dem Paftor Ulricns Syadonis zu Delve. Dieth hat einen der des- 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 427 


Amts Aufum, am 3. Juli über die Eider und brannten Wallen 
im, Kirchfpiele Tellingftedt nieder. Als man in Delve und Swyn— 
hufen Wallen in Slammen ftehen fah, rief Hans Küblen, ein 
großer, ftarfer Mann, fpäter Kirchfpielvogt in Delve, den zufammen- 
gelaufenen Einwohnern zu: „Wat je dar doen, dat werden je od 
hier doen willen, wy willen to ehnen hin und uns fehen laten!“ 
Das war ein tollfühner Entfchluß. Die Anwefenden waren theils 
alte Leute, theils Weiber und Kinder, dazu ohne Seuerwaffen; nur 
Spieße, Stangen und Forken ftanden ihnen zur Derfügung. Hans 
£üblen aber ergriff einen Spieß, und mit den Worten: „Dat ein 
gut ehrlich Kerl is, de volget mi nal” ging er entichloffen dem 
Seinde entgegen. Zehn Männer aus Delve und Swynhufen 
folgten ihm. : Die elf Mann flürmten mit Heldenmuth auf die 
aus dem brennenden Dorfe mit fliegender Sahne unter Tromntel: 
fhall am Deiche entlang daherziehenden Sriefen. Dieſe gaben auf 
die Anflürmenden Seuer aus den Hakenbüchſen und vermwundeten 
einige der Angreifer. Das hielt aber den Anſturm nicht auf. 
Jene Elf dringen auf den Haufen ein, erjhlagen die Dorderften, 
darunter den Bauptmann, und zerfpreigen den übrigen Trupp, 
auf deflen in Schreden und Derwirrung gefegte einzelne Haufen 
fie dann mit Hülfe von 25 anderen Dithnarjchern, die von Ser 
Bejagung an der Tielenbrüde herbeieilten, jo einhieben und ftachen, 
daß dieſelben unter Surüdlafjung der Sahne in wilder Haft der 
Eier zuliefen, um auf ihren Boten zu entfliehen. Da aber dieje 


bezüglichen Briefe des Letzteren aufbewahrt, um denfelben in dem zweiten 
Cheil feiner Chronik (der nicht erſchienen ift) zu verwenden. Diefer Brief 
gelangte durch Dieths Sohn an den Paftor J. 5. Sehfe. Syadonis nennt 
fi in demfelben „U. S. Jeverensis, apud Delphos verbi Dni Praeco“. Daher 
iR die Meinung entftanden, daß jene Frauen in Delft (Bolland) gefangen 
gehalten worden feien. Daß hier aber Delve gemeint fei, if nicht zweifel- 
haft, da in einem Schreiben der Delver vom 31. Mai 1559 (cfr. Bolten, IIT, 
425) von gefangenen frauen die Rede ifl. — Uebrigens ift es ein Jrrthum, 
wenn Bolten (III, 350) fagt, Fehſe habe gezeigt, daß hier Delve, nicht 
Delft, zu verftehen fei. Sehfe (771 und 772) läßt die Frage unentfchieden. 


Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


nicht fo rafch flott gemacht werden fonnten, ftürzten fich in ein 
einziges, glüdlich ins Fahrwaſſer gebrachtes Boot fo viele, daß 
dasfelbe mit den Inſaſſen verſank, und die Anderen liefen in 
Angft vor den verfolgenden Dithmarfchern blindlings in die Eider 
hinein, wo fie ebenfalls umkamen, indem fie theils vom Strome 
fortgeriffen, theils von den ihnen nacheilenden Dithmarjchern 
erfchlagen, reſp. untergetaucht und erfäuft wurden. So famen an 
400 Alann um. Diele derfelben wurden am jenfeitigen Eiderufer 
aufgefifcht und auf dem Kirchhofe zu Erfde begraben. Herzog 
Adolph war aufs höchite erbittert über diefe Niederlage feiner 
Stiefen und die Schande, die fie auf fich geladen hatten. Als er 
nach der Sehde mit dem Paftor zu Erfde den Kirchhof befuchte 
und die vielen frifchen Gräber nebeneinander erblidte, fragte er, 
ob da die von den Dithmarfchern in die Eider gejagten Frieſen 
begraben feien, und auf die bejahende Antwort bemerlte er, ob 
die wohl werth feien, da unter frommen Ehriften zu liegen? — 

Am Tage vor der Niederlage der Sriefen bei Wallen, den 
2. Juni, abends 6 Uhr, brach das fürftliche Heer aus dem Cager 
bei Alberftorf auf. Nur der Rumormeifter mit etwa 1000 Mann 
Fußvolk und 40 Reitern blieb im Lager beim Troß zurüd. Um 
die Dithmarfcher irre zu führen und den wahren Swed der unter- 
nommenen Operationen zu verdeden, wurden zwei Sahnensfußvolfs 
mit 200 Reitern als Slantendedung unter Blanfenburg nach der 
Tielenbrüde und eine gleiche Anzahl Sußfnechte und Reiter unter 
den ©berftlieutenant des Blankenburgſchen Regiments nach der 
Damme beordert, mit Befehl, auf beide Pläße eine Stunde vor 
Antunft der Armee vor Meldorf Scheinangriffe zu unternehmen, 
um die Aufmerkſamkeit der Dithmarfcher von Meldorf ab» und auf 
jene Orte hinzulenfen. Die übrige ganze Heeresmacht der Sürften 
30g, mit Schiffsbrüden, Slechtwer? und anderem Mlaterial zu Noth⸗ 
brüden wohl verfehen, gegen Meldorf. Die drei Seldoberften, 
Schönwefen, Beimer von Walde und Wallerthumb, mit ihren 
Heerhaufen nebft der Schwadron Reiter des Dietrich von Holle 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarjcher Freiheit — 1559. 429 


follter nach Befel ziehen und Meldorf von der Tordfeite angreifen. 
— Wieben Bartelt war hier Wegweifer. Der Graf von Olden⸗ 
burg und Stanz Bülau mit ihren Truppen follten an Windbergen, 
welches lints liegen blieb, vorbei, über Ammarswurtk gegen 
Meldorf ziehen und die Stadt von Weiten her angreifen. Das 
Hauptheer aber, aus dem übrigen Fußvolk und der übrigen 
Reiterei mit den LKeibgarden der Fürſten beftehend, wobei Mori 
Ranzau mit feinem Geſchwader als Befchlieger folgte, follte direkt 
auf Meldorf anrüden und von Süden her angreifen. — Wegweiſer 
war hier jener Bolfteiner, der früher bei Meldorf gewohnt hatte. 
Beim Hauptcorps befanden fich die drei Sürften mit zwei Sahnen, 
die in einiger Entfernung von der Stadt Halt machen follten. 
Das Gefchüß, von vier Sahnen gedect, follte auf dem Balgenberge 
vor Meldorf aufgefahren werden. Dasjenige Regiment, welches 
zuerft gegen die Stadt zum Angriff übergehe, jolle durch ein 
Seuerfignal den Angriff Fund geben. Sobald an einer Stelle die 
Bruftwehr erftürmt fei, follten die Sürften eine an der Stadt 
belegene Windmühle in Brand fteden lafjen. — So Hatte Johann 
Ranzau feinen Plan angelegt. 

Die nach der Tielenbrüde und der Hamme beorderten Ab: 
theilungen waren zur rechten Zeit dort angelommen. Die Bejagung 
dafelbft gab beim Anrüden und bei den Scheinangriffen der Seinde 
ihren Eandsleuten durch Seuerfignale Nachricht, daß fie angegriffen 
würde. Ein Hundfchafter der Dithmarfcher Hatte vorher ſchon 
die faliche Nachricht aus dem Lager von Alberftorf gebracht, daß 
der Hauptangriff der Hamme gelte. So waren die Dithmarfcher 
völlig getäufcht. Noch in der Nacht Hatten fie 500 ihrer beiten 
Schügen von Meldorf nach der Hamme entfandt und dadurch die 
Meldorfer Befagung erheblich gejchwächt, und Alles, was an wehr- 
hafter Kraft noch in den umliegenden Kirchfpielen vorhanden war, 
eilte jegt zur Hülfe nach der Hamme. — Die feindliche Haupt: 
armee aber fam ungehindert bald nach Mitternacht vor Meldorf 
an. Das Befchüß verfchanzte fich auf dem Balgenberge. Schönmwefen 


450 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


war der Erfte, der bei Meldorf ins Treffen geriet. Die Dith- 
marfcher hatten die Milebrüde bei Heſel abgebrochen und eine 
Schanze dafelbft zur Derftärfung der Meldorfer Stellung angelegt. 
Schönwefen eilte nun damit, eine neue Brücde über die Aue zu 
werfen, um noch vor Sonnenaufgang zum Angriff auf Meldorf 
zu fommen. Sein Unternehmen wurde aber bemerft. Die Dith- 
marfcher eröffneten ein ftarfes Seuer aus der Schanze. Schönwefen 
ließ feitwärts abfchmwenten, un aus dem Bereiche der Schanze Zu 
fommen. Da Barthold Peters nicht zur Stelle war, ließ er fich 
von einem aus Dithmarfchen gebürtigen Soldaten, der aber lange 
aus den Lande geweſen, führen. Das Regiment gerieth in Gräben 
und Sümpfe, fo daß die Soldaten bis an den Hals im Waſſer 
ftafen und fi} zum Theil nur durch Schwimmen herausarbeiten 
fonnten.! In der höchften Noth kam Dietrih von Holle mit 
feiner Neiterei dem NRegimente zu Hülfe und rettete dasfelbe vor 
gänzlicher Dernichtung durch die Dithmarfcher. Diefe benugten 
die fürchterliche Lage des Regiments zu einem wüthenden Ausfall, 
und fie würden das ganze Fußvolk vernichtet haben, wenn nicht 
von Holles Reiterſchar gegen fie angefprengt wäre. Zweimal 
jedoh wurde die Reiterei zurücgefchlagen. Dietrih von Holle, 
der tapfere Sührer der Reiter, erhielt dabei einen Schuß durchs 
Bein. Schönwefen that mit Unficht und Tapferkeit alles, was 
nur möglich war, um fein Regiment aus der verzweifelten Lage 
herauszubringen. Dom Pferde abgeftiegen, war er zu Fuß immer 
voran, Mühfal und Noth mit den Soldaten theilend® und durch 
Wort und Beifpiel zur Tapferkeit anfeuernd. Da ftredte ihn ein 
Schuß nieder. Eine Saltonettlugel hatte ihn durchbohrt. Zum 
Lode getroffen, mußte er aus der Schlacht getragen werden und 


! Dieth hält den Dithmarfcher, der hier die Feinde führte, für den 
Splet Barring. Es ift das wohl zweifelhaft; doch ift das Gegentheil nicht 
erweislid, ınd es wäre ridyt zu wiffen, wo Splet Barring fein Derfprechen, 
den Feind fo zu führen, daß die Dithmarfher es nicht befier wünſchen 
fönnten, gehalten haben follte, wenn es nicht hier gefchehen wäre. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 431 


ftarb den Tag nachher. Er hatte das Land jehen wollen, wo die 
Schweine aus filbernen Trögen fräßen. Seine £eiche ward unter 
Bedeckung von 40 Mann nach Itzehoe gebracht, weil er gewünfcht 
hatte, in Holftein begraben zu werden, und dort mit großem Pomp 
beerdigt. 

Ehriftopher Wrisberg übernahm nach Schönwefens Fall das 
Kommando des Regiments. Sweimal war der Sturm auf 
Meldorf abgefchlagen worden. Schon aber waren zwei andere 
Regimenter herangefommen. Reimer von Walde und Wallerthumb 
hatten den Uebergang über die Mile bewerkftellig. Es entjpann 
fih der Kampf immer hartnädiger und allgemeiner. Der Feld— 
marfchall aber und der alte Wrisberg liegen jchon feit dem 
Anfange der Noth des Schönwefenichen Regiments vom Balgen- 
berge aus alles grobe Geſchütz, Kanonen und Seldfchlangen, auf 
die Stadt abbrennen und dieſe unausgefegt unter Seuer halten. 
- Als dann auch die Oldenburger herangefommen waren, wagte 
man einen dritten Sturmangriff. Die Dithmarfcher ftritten mit 
großem Beldenmuth. Ein überaus erbitterter Kampf erhob fich, 
und immer blieb es noch ungewiß, welche Partei die Oberhand 
gewinnen werde. Endlich mußten die Dithmarfcher, als ihre 
Reihen durch die feindlichen Gefchoffe immer mehr gelichtet 
wurden, die erften Derfchanzungen aufgeben, die dann vom nach⸗ 
dringenden Seinde eingenommen wurden. Yun gab der Seld- 
marfchall durch Anzündung der Windmühle das Zeichen zum 
allgemeinen Sturm. Als die Soldaten nicht muthig genug vor- 
drangen, ftieg er vom Pferde und führte feften Schrittes die Truppen 
zum Angriff. Die Dithmarfcher ftritten von den Wällen herab 
wie Derzweifelte einen ewig dentwürdigen Heldenfampf für die 
Sreiheit gegen einen zehnfach überlegenen Seind. Obwohl der 
alte Ranzan von der einen Seite mit Macht andrängte und von 
der anderen Seite die flürmenden Regimenter wüthend fortgefeßt 
den Angriff erneuerten, fo vertheidigte dennoch die relativ geringe 
Beſatzung anderthalb Stunden lang die Stadt wider die große 


452 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Uebermadt. Jeder der Dithmarfcher blieb feſt und ftandhaft auf 
feinem Plate und kämpfte auch verwundet noch weiter, bis er 
todt hinſank. „Sie haben fich mächtig gewehrt, denn fie ſetzten 
fih, wie tapfern Männern eignet, und in felcher äußerften Noth 
wohl anftehet, mit ihren ftarten Gliedmaßen und unerfchrodenen 
Herzen halsftarriglich zuwider, und hat Jeder feine Stätte, darauf 
er zu ftehen fam, lieber mit feinem Keibe bedefen und mit dem 
Antlig, welches er dem Seinde geboten, die Erde küſſen wollen, 
als ſolche durch eine fchändliche Slucht verlaffen, und find fie 
nicht auf eine, fondern viele empfangene Wunden gefallen.” Es 
fehlte der Heldenfchar aber der nöthige Erfag für die Gefallenen 
zur Ausfüllung der entjtandenen Lüden in der Dertheidigungslinie. 
Obwohl fie, wie Cilicius (Heinrih Ranzau) als Augenzeuge 
berichtet, mit ihren ftarfen Knochen und breiten Schultern alles 
thaten, was von tapferen Männern in äußerfter Noth und Gefahr 
nur immer gethan werden Tann, und obgleich Jeder von ihnen . 
feinen Plaß mit feinem Leichnam zu deden entichloffen war und 
eine empfangene Wunde nicht achtete, fo wurden die Sejtungswerte 
doch zulegt von ihren Dertheidigen entblößl. — Ueber die 
Leidmame der freien Dithmarjcher erft vermochten die fürftlichen 
Soldfnechte den von Dertheidigern faft entblößten Wall zu erfteigen. 
— Bätten die Dithmarfcher die nach der Hamme und der Tielen- 
brüde entjandten Mannschaften von der Meldorfer Befagung bei 
dem Sturm zur Hand gehabt, fagt Heinrich Yanzau, jo hätten fie 
das Heer vor Meldorf gefchlagen oder doch demfelben einen 
traurigen Sieg gelafjen. Man erbrach nun das Thor, die Zingel,! 
und drang gerade um 11 Uhr vormittags in die Stadt ein. 
Meldorf war genommen. — Bald folgte ein förmlicher Einzug 
der Fürſten und Herren. Doran ritt Herzog Adolph von Bottorp 


" „Singel“ bezeichnete ohne Zweifel urfprünglich den Gürtel (cingulum) 
der Seftung. Bier fcheint der Name auf das Hauptthor übertragen worden 
zu fein. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 435 


mit einigen Begleitern, dann folgten der König und der Statt: 
halter Heinrich Ranzau mit der Garde, darauf die Sahnen der 
beiden Herzöge unter Herzog Johann. Was an Einwohnern noch 
in der Stadt angetroffen wurde, ward von der rohen holfteinifch- 
dänifchen Söldnerbande niedergemegelt.e Kein Alter und kein 
Gefchleht ward verfchont. Kinder in der Wiege wurden erftochen, 
Weiber gemighandelt und erfchlagen. — Ein Eandsfnecht hatte 
in einem verlafjenen Haufe nur ein Meines Kind in der Wiege, 
das, mit einem Strohhalm fpielend, den Söldner lächelnd anjah, 
vorgefunden, und der Unmenſch hatte das Kind erftochen — welches, 
fagt Neocorus, feinem eigenen Befenntnig nach, ihm nachher ftets 
das Herz befchwert, daß er nach begangener That nimmer froh 
werden können. Ueber 30 Weiber, $rauen und Mädchen, follen 
nach dem Sturm erfchlagen worden fein. (Ofius.) Auch in Reih 
und Glied, auf den Wällen der Stadt, waren Weiber gefallen. 
Selbft alte Matronen hatten im Brufthamifch, mit Schwert und 
Canze, auch mit Forken und Meflern bewaffnet, gefämpft, und 
mit Derwunderung hatte man gejehen, berichtet Beinrih Ranzau, 
dag eine Dithmarfcherin mit einem Mefler zwei Soldaten nieder: 
ſtreckte, bevor fie felbfi fill. Mit Erftaunen fah man auf der 
Wahlſtatt, daß unter den gefallenen Dithmarfchern faft Keiner war, 
der nicht mehrere tödtliche Wunden erhalten hatte, bevor er gefallen, 
‚und das Kriegsvolk bezeugte, daß mancher Dithmarfcher auf den 
Wällen Meldorfs erft gefallen, nachdem er von vier oder fünf 
Kugeln, aus nächſter Nähe abgejchoffen, durchbohrt worden. Bei 
der Erftürmung Meldorfs fiel auch der Gefchichtsichreiber Johann 
Ruſſe, der Achtundpvierziger aus dem Auffebellinger-Befchlecht zu 
£unden, von dem Hemrich Ranzau jagt, daß er ein Mann gemwefen, 
der durch feine vornehme Abkunft, Srömmigfeit, Gelehrjamleit 
und Wiffenfchaft zu feiner Seit überall befannt und beliebt war. 
Sein Haus am Nordermarlt wurde niedergebrannt, und feine 
Handſchriften, heißt es, wurden von den Soldaten zerriffen und 
zerftreut. Jaspar von Buchwald, jagt Neocorus, hatte in des 
Dithmarfcher Geſchichte. 28 


454% Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


£icentiaten (Johann Auffes) Haus gefeuert! Der Derluft der 
Dithmarfcher in Meldorf wird auf 400 bis 500 Mann angegeben. 
Der größte Theil der Bejagung war gefallen. — Was nicht 
umgelommen war, flüchtete fi} aus der Stadt nach Südweſten 
hin, verfolgt vom Grafen Anton von Oldenburg. Nach Hans 
Dethleff hätte der Graf zwijchen Meldorf und Windbergen auf 
der Boldeswurth gehalten. Aus Boldeswurth haben Andere 
Bufenwurth gemacht, wohin der Graf anf dem Wege von Wind- 
bergen nadı Meldorf fchwerlich gekommen fein wird. Der Graf 
hätte ‚gezögert, fie anzugreifen; fie aber hätten fich nicht, wie fie 
hätten thun müſſen, in die Marfch begeben, fondern wären an 
den Dünen hin ins freie Seld gezogen und hätten fo dem Olden⸗ 
burger Gelegenheit gegeben, ihnen unbequem zu werden. Die 
Nachrichten bei den Ehroniften find hier unklar und verworren. 
Don der Slucht aufs neue vereinigt und verftärft durch Zulauf 
aus der Südermarfch, ftellen fich die erft eben-dem heißeften Kampfe 
Entronnenen zu neuem Kampfe bei Ammerswurth. Die Dith- 
marfcher zeigen fich hier im Selde.mit 9 Sahnen und 25 Kanonen, 
Zah Oſius waren fie hier an 2000 Mann ftart. Sie unter- 
nahmen einen verwegenen Angriff. Dem Grafen felbft wurde 
dreimal das Pferd unterm Leibe erftochen. Die Dithmarjcher 
liegen fich einen Pulverwagen nehmen, der dann, mit Zündftoff 
verjehen, erplodirte und 40 Seinde in die Luft fprengte. Während 
des Kampfgewühls, in welchem die Dithmarfcher dem ®ldenburger 
hart zujegten und ihn bedrängten, fam Morig Ranzau mit feiner 
Reiterei dem Grafen zu Hülfe, und nun mußten die Dithmarfcher 
unterliegen. Sie liegen 300 Mann, 25 Kanonen, einige Sahnen 
und einen großen Dorrath an Munition auf dem Plage. Mit der 


ı D. Earftens will, daß Rufe, an feiner Geſchichte Dithmarfchens 
arbeitend, umgekommen fei. Allein Ruffes Play war damals anderswo, 
als am Schreibtifche. Dafür war er eben Adytundvierziger. Iſt er im Sturm 
auf Meldorf umgefommen, fo ift er fiherli im Kampfe an der Bruftwenr 


ver Feſtung gefallen. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 435 


Niederlage der Dithmarfcher bei Ammerswurth war erft die Er: 
oberung Meldorfs vollendet.! Die Stadt wurde nun der Plünderung 
preisgegeben — in Anwefenheit der Sürften, die ſich „von Gottes 
Gnaden Herzoge der Dithmarfcher“ zu nennen liebten —, und au: 
der Kirche ward nicht gefchont.” Das Fußvolk fchrieb fich vor- 
nehmlich den Sieg zu und wollte daher auch die Beute für fich 
beanfpruchen. Aber auch die Reiter forderten Antheil an der 
Siegesbente. Darüber entftand eine gefährliche Meuterei, fo daß 
die Sürften felbft den Streit durch perfönliche Dazwifchentunft 
fchlichten mußten. Die dänifch-holfteinifche Aeiterei blieb dann in 
der Stadt. Das Fußvolk mußte ein Lager im Norden derfelben 
beziehen, und Graf Anton von Öldenburg und Ulorig Ranzau 
blieben bei Ammerswurtb. Das Beer lag nun zwei Tage ftille. 
Unterdes begrub man die Todten auf der Wahlftatt und ließ 
Schönmwefens Leiche nach Itzehoe abführen. Auch hielten die Sürften 
inzwifchen Kriegsrath wegen der Sortfegung der Maßnahmen zur 
Eroberung des Landes. — Der nächite Angriff follte, fo ward 
im Rathe der Sürften befchloffen, der Südermarfch, und zwar in 
eriter Linie Brunsbüttel, gelten. Den Angriff vorzubereiten, ward 
jchon jet Reimer von Walde mit einer Compagnie und Blanfen- 
burg mit einer Schwadron auf einem Umwege durch Bolftein 
ach der Wilftermarfch geſchickt, mit Befehl, im Derein mit Claus 


! Hamelmann (Oldenb. Chron.) fagt, wenn die Bldenburger hier die 
Dithmarſcher nicht aufgehalten hätten, würden diefe den Fürſten argen 
Abbruch gethan haben. Es müflen noch die oldenburgifhen Kaufleute in 
Dithmarfhen diefe Worte hören: „Wenns euer Herr nicht gethan hätte, 
follten uns der König und die Fürften Dithmarfchen wohl gelaffen haben.“ 

» In der Kirche zu Boren in Angeln befinden ſich nach Bolten (III, 359) 
zwei große meffingene Altarleuchter mit der Infchrift: „Anno 1559 im 
Ditmarfcher Krieg hat der Edle, Ehrenvefte Junder Bartram Ratlan diefe 
zeuchter aus der Kirche zu Meldorf geführet. Ao. 98 hat diefe Keuchter 
der Edle und Ehrenvefte Bartram Ratlau famt feiner geliebten Hausfrau 
in die Kirhe zu Boren zu Ehre Gottes vorehret.” Bis auf die Altar- 
leuchter erftredite ſich alfo die Plünderung — in einem Kande, weldhes man 
erobern und dauernd in Beflg nehmen wollte. 


28° 


436 Dritter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


RBanzau bei dem Angriff auf Brunsbüttel dem Gegner in den 
Rücken zu fallen. 

Die Dithmarfher, vornehmlich Einwohner der Kirchipiele 
MWöhrden und Büfum, verichanzten fi nach der Einnahme 
Meldorfs bei der Hohenwöhrdener Schleufe, um Hier die XTorder- 
marſch mehr zu deden. Sie fügten von hier aus den Seinden 
manchen Schaden zu, indem fie die Sufuhr abfchnitten, verjchiedene 
Wagen mit Proviant wegnahmen und die Derbindung der feind- 
lichen BHeeresabtheilungen mit dem £ager der Sürften Hinderten 
und erjchwerten. Unter Anderen wurde von ihnen ein Junfer 
von Qualen, der Briefe an den König von der Mutter desfelben 
zu überbringen hatte, erjchoflen. — Don zwei Kugeln getroffen, 
fol der Junker feinen Botendienft noch ausgerichtet haben und 
anderen Tags geftorben jein. 

Am 6. Juni 309 der Seldöherr Johann Ranzau felbft mit 
den Sußtruppen des Grafen von Bldenburg, Wrisbergs und 
Wallertyumbs, fowie mit der Reiterei des Morig Ranzau gegen 
Brunsbüttel. Bier hatten die Dithmarfcher neben einer in die Elbe 
fallenden Au eine Schanze errichtet. Beim Welognosciren wurde 
MWrisberg ein Pferd unter dem Leibe erjchoffen. Die Schanze 
fand man wohl befegt mit fchwerem Gefhüß. Der Feldherr 
wartete bis zum folgenden Tage mit dem Angriff. Zunächſt lieg 
er dann durch einige Reiter unterfuchen, ob es in der Au nicht 
eine feichte Stelle gäbe, wo die Truppen mit Umgehung der 
Schanze und ihrer fumpfigen Umgebung pajffiren fönnten, und 
wirklich fand fich eine folche Stelle, eine erft neulich entflandene 
Sandbant mit feflem Grund, wo Reiter und Fußvolk durch das 
Waſſer ziehen Tonnten. Seit Menfchengedenfen wußte man hier 
nichts .von einer Untiefe. Unerwartet fahen fih nun die Dith- 
wsarfcher umgangen und das feindliche Beer in ihre Stellung 
eindringen. Sie wurden theils erfchlagen, theils zerftreut und ver- 
loren eine Sahne. Don den Serftreuten retteten fich Diele auf in 
der Elbe liegende Sahrzeuge und entlamen ins Bremifche. Der 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 457 


Derlufl der Dithmarjcher wird hier von Beinrih Ranzau auf 
400 Mann angegeben, die Serftreuten eingeredmet. Johann 
Ranzau (Wahrh. u. kurze Derz.) jagt, es feien hier 400 Mann 
auf dem Plaße geblieben, „wurden ihrer denfelben tag bey vier 
hunderten erlegt". Der Seldherr griff darauf (8. Juni) mit den 
oldenburgifchen Truppen Brunsbüttel an, nahm es mit Sturm 
ohne Mühe, weil er nur geringen Widerftand fand. Der Ort 
war faft von Einwohnern entblößt. Alles, was hatte fliehen 
!önnen, war geflohen mit Hab und Gut. Die Dithmarfcher- 
hatten untereinander verabredet, daß, wenn die Südermarjch an- 
gegriffen würde, Davon durch Anzündung einer hochliegenden 
Mühle dem Lager bei Heide und Hemmingftedt Nachricht gegeben: 
werden folle, damit dann fofort die nöthige Hülfsmannfchaft 
entjandt werden könne. Allein diefer Plan wurde vereitelt, und 
die Nachricht von dem Angriff des Seldherrn auf die Südermarfch 
fam erft nach Heide, als der Seind Brunsbüttel fchon genommen 
hatte, Mit dem Seldherrn vereinigten fidh nun die aus der Wiliter- 
marſch angelangten Truppen unter Llaus Ranzau, Reimer von 
Walde: und Blantenbug. Das Blankenburgſche Gefchwader 
wurde vom Feldherrn zum LCager der Sürften, zur Derftärtung der 
Bededung desjelben, naht Meldorf zurüdgejandt. Der Oberft: 
lieutenant des Blantenburgifchen Eorps aber wurde mit 200 Reitern 
naht Bödelnburg und Morig Ranzau mit 300 Zeitern weiter 
nach der Geeft abgefertigt, um den Süderftrandern alle Gelegenheit 
zur Slucht und wohl auch die Derbindung mit dem Norden des 
Landes möglichft abzufchneiden. Der Selöherr nebft dem Grafen 
von Oldenburg übernachtete in Brunsbüttel. Wallerthumb nahm 
in einem nahe an. Brunsbüttel belegenen Dorfe Quartier. Am 
anderen Morgen, bei Tagesgrauen, brach man von Brunsbüttel 
auf. Die Slüchtigen follten nun vollends aufgerieben werden. 
Aber man fand die meiften Ortichaften von den Bewohnern ver- 
lafien. Ein paar Kinder traf man bei einer fumpfigen Niederung. 
Dadurch wurde der Feind auf die Spur einer Anzahl geflüchteter 


438 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Bewohner des Süderftrandes geführt, die auf einer mit Waſſer 
und Sumpf umgebenen Wurth fich zufammengefunden hatten, 
größtentheils wehrloje Menfchen, Weiber und Kinder, etwa 700 
an der Zahl.! Die Slüchtigen hatten in der Nacht eine Schanze 
impropifirt aus Wagen, Betten, Kleidungsftüden ꝛc. Als fie fich 
vom Kriegspolfe umringt fahen, ergaben fie fich bedingungslos. 
Der Seldherr befiehlt, daß den Gefangenen fein Leid zugefügt 
werden folle, und berichtet die Sache fogleih an die Fürften. 
Diefe trafen zufällig perfönlich dort ein, und nun wurde berathen, 
was man mit dem wehrlofen Haufen beginnen folle. Die Berzoge 
und deren Räthe, unter diefen namentlih Breda Ranzau und 
Bertram Seeftedt, waren im Kriegsrathe der Meinung, es habe ein 
fo Halsitarriges und unbarmherziges Doll, wie die Dithmarfcher, 
die in früheren Kriegen, wo fie die Macht hatten, Feine Schonung 
geübt, auf Schonung feinen Anfpruch; man müfje die ganze Brut 
ausrotten. Der König aber erllärte, daß er gegen wehrloje 
Menfchen, die fih auf Gnade ergeben hätten, fein graufames 
Derfahren üben wolle, und als er fah, daß feine Meinung im 
Rathe nicht dDurchdringe, forderte er eine Theilung der Gefangenen 
durch das Eos, damit er dem ihm zufallenden Theile das Leben 
fchenfe. Währenddes kam der Seldöherr, Johann Ranzau, hinzu 
und hielt den beiden Herzogen eindringlich vor, daß die Lieder: 
meßelung wehrlojer Gefangener, die auf Gnade fich ergäben, 
nicht nur unmenfchlich, fondern auch wider allen Kriegsgebrauc 
fei, und daß eine folche für alle Seiten den Namen der Sürften 
mit Schimpf und Schande bededen würde. TDiefer deutliche 
Hinweis auf die äußere Ehre der gewiflenlofen Sürften und Räthe 
und die Sorderung des Königs verfehlten dann ihre Wirkung 


ı „Ded 200 älendige Dythmarffer, meſte parten fmaa Bört, unge 
Dränge og WYuinde-Solf, han fig der havde ſkiult“, fagt Reſen. Eilicius, 
Ueocorus u. A. fegen hier die Zahl auf 400 Mann. Johann Ranzau fagt 
400 Mann, Weiber und Kinder. Es find wohl im ganzen 700 Perfonen 
gewefen — Mann, Weib und Kind. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 459 


nicht. Es wurde befchloffen, dag die vornehmften der Befangenen 
nach Bolftein gebracht werden und daſelbſt bis zur völligen Been- 
dDigung des Krieges verbleiben, die übrigen aber, nachdem fie 
einen Eid abgelegt, daß fie nichts wider die Sürften unternehmen, 
auch ohne deren Erlaubniß nicht zurückkehren mwollten, über die 
Elbe gefchafft und dann ihrem Schidjal überlafjen werden jollten. 
Unter den Gefangenen, die nach Holitein gebracht wurden, war 
auch der Dogt Anten Jacobs Harder zu Brunsbüttel. — Reſen 
nennt ihn „Stades:Dogden af Brunsbyttel”; bei Oſius aber heißt 
er „Senator et Judex in oppidulo Brunsbuttel“; er war demnach 
ohne Sweifel der Dogt der Strandmannsdöfft. Derfelbe wird als 
ein feiner Mann bezeichnet, für den der König befonders ein- 
genommen gewefen fei. Der König ließ ihn auf das Schloß 
Segeberg führen, während die übrigen Gefangenen nach Gottorp 
gebracht wurden. — Sieben Kanonen und anderes Material waren 
an diefem Tage dem Seinde in die Hände gefallen. Wegen der 
Cheilung der Beute, fowie darüber, welcher Theil des Heeres im 
Cager verbleiben und welcher gegen die Dithmarfcher weiter operiren 
folle, entftand ein arger Streit bei den dänifch-holfteinifchen Sold- 
nechten. — Auf Raub und Beute nur war es abgejehen bei 
dem Zuge wider Dithmarfchen, und nur die Ausficht auf fernere 
Beute hielt noch die Miethscorps zufammen. Ein fräftiger 
Dorftoß der Dithmarfcher hätte bei diefer Kage dem Unternehmen 
der Fürſten verhängnißvoll werden können. Daher verbreitete die 
von einigen Meberläufern gebrachte Nachricht von der Dereitelung 
eines Planes der Dithmarfcher auf Heberfall des fürftlichen Lagers 
eine große freude auf feiten des Seindes. 

Die Dithmarfcher hatten während der Erpedition der feind- 
lichen Truppen nach dem Süderftrande einen Angriff auf Meldorf 
geplant. Als die bei der Hohenwöhrdener Schleufe Derfchanzten 
Kunde vom Abzuge des Seldinarfchalls und der vormehmften feind- 
lichen Sührer mit ihren Regimentern nach dem Süden eingezogen 
hatten, wurde in einem Kriegsrathe zu Hemmingſtedt der Befchlug 


440 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


gefaßt, daß man mit der ganzen Stärke des Landes Meldorf von 
drei Seiten, von Hefel, der Milenbrüde und der Sidballenbrüde her, 
angreifen folle.. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni wollte 
man das £ager der Sürften überfallen, und follten die Weiber dann 
Meldorf in Brand fegen. Es war dies der befte Plan, den man. 
entwerfen fonnte, aber es fcheiterte derfelbe in der Ausführung an 
Mangel der Willfährigkeit und der Unterordnung unter die Be» 
jchlüffe des Kriegsraths. Mehrere Kirchfpiele, wie die Vorder⸗ 
hammer und Weffelburen, waren dagegen und ftellten fich zur 
Ausführung des Plans nicht ein; die Büfumer waren zur rechten : 
Seit da, wollten fich aber allein der Gefahr nicht ausfeßen und 
fehrten wieder um. Bei der Schwäche der Meldorfer Befagung, 
die es nicht einmal hindern konnte, daß der Stadt von Dithmarfcher 
Streifcorps die Zufuhr abgefchnitten ward, hätte der geplante 
Neberfall leicht glüdlich ausgeführt werden fönnen. Der Mangeb 
an Einigfeit oder an @inheitlichfeit im Bandeln war hier die: 
Schwäche und das Derderben der Dithmarfcher. Vachdem diefer 
Dlan alfo gefcheitert war, machten die Achtundvierziger nochmals 
einen Derfuch, von Bremen her Unterftügung zu erlangen. Sie 
jandten den Dr. Michael Boje mit einem Schreiben. an das Erz- 
ftift, an Dechant, Ritter und Mannfchaft des Ersftifts Bremen, in 
welchem fie betonten, daß fie der Hülfe bedürften. Das Stift war. 
bei der Lage der Dinge nicht im ftande, helfend einzufchreiten. 
Der Erzbiſchof hatte ſich an feinen Bruder, den Berzog von 
Braunfchweig, gewandt. Dieſer, der bei der Sache nichts ge- 
mwinnen und nichts verlieren fonnte, und den der Herzog Adolph 
jchon vorher perfönlich aufgefucht hatte, verhielt ſich ablehnend, 
indem er in einem Schreiben an den Erzbifchof fagt, es fei ‚nicht 
anzunehmen, daß der König und die Herzoge etwas gegen die: 
Hoheit des Erzftifts vornehmen würden, und in einem zweiten 
Schreiben bemertt, daß Unterhandlungen faum etwas nüßen 
würden, da die holfteinifchen Herzoge fich auf die Belehnung, die 
jie fich verfchafft, beriefen, und zugleich darauf hinweift, daß das 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 441 


Stift ja eigentlich von der Hoheit über Dithmarſchen nie etwas 
profitirt habe. Der Erzbiſchof betheuert den Achtundvierzigern 
gegenüber in feiner Antwort auf die Zufchrift derjelben, welche 
Antwort übrigens erft am 23. Juni eintraf, daß er es gut mit 
Dithmarfchen meine und ficherlich Hülfe leiften wolle, wie und wo 
er nur fönne. 

Die Sürften hielten, nachdem der Süderftrand eingenommen, 
einen Hriegsrath zwecks Seftitellung des Planes für fernere 
Operationen zur völligen Bezwingung des Kandes, und darauf 
wurde, noch am 9. Juni, das Heer nach Meldorf zurüdgeführt. 
Dier wurde einige Tage Haft gehalten. Am 12. Juni bezogen 
die Sürften das Lager bei Alberftorf wieder. Mit großer Loth 
wurde der Marfch dahin bewerfkftelligt. Ein. Cheil der Mannfchaft 
war betrunfen und viele blieben unterwegs liegen, manche famen 
ger nicht über Mleldorf hinaus. Kaum die Hälfte der Truppen 
folgte den Sahnen. Diejenigen, welche wirklich auf den Marſch 
gebraht waren, haderten und ftritten über die Dertheilung der 
Beute, machten dann nach Belieben Halt und weigerten fich, zu 
marfchiren, obwohl der König in den heftigften Sorn gerieth über 
die Dersögerung und zum Sortzuge drängte. Die Sahnenträger 
und Sahnenführer mußten an die Spige des Zuges treten, Damit 
fie im Zuge nicht fortwährend aufgehalten würden, und die 
Mannfchaft wurde dann endlich glüdlich ins Alberftorfer Lager 
gebraht. Um fernerem Streit wegen der Beute vorzubeugen, 
wurde beftimmt, daß Jeder behalten folle, was er erbeute, doch 
folle Niemand vor Beendigung eines Hampfes ausgehen zu 
plünden. Wallertkumb und Moritz Ranzau blieben mit ihren 
Truppen zur Bededung des Lagers in Meldorf zurüid. Es war 
angeordnet worden, daß der Graf von Oldenburg die Bededung 
in Meldorf übernehmen folle. Diefer aber weigerte fich entjchieden, 
folche Stellung zu übernehmen. Er fei nicht hergelommen, um 
Anderen das Lager zu hüten. Der Selöherr mußte nachgeben 
und in diefem Stück feine Dispofition ändern. Beide, Wallertkumb 


442 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


und Mori Kanzau, follten am 13. Juni früh einen Schein- 
angriff gegen Hemmingftedt unternehmen, während die Sürften 
mit dem übrigen Beer nach der Tielenbrüde ziehen würden. — 
Don einem Angriff auf die Nordermarſch war abgejehen worden. 
Der Seldherr wollte fich nicht in den Norderftrand hineinwagen. 

Den 13. Juni, mit Tagesanbrudh, zog das Heer von 
Alberftorf aus, um die Tielenbrüdftellung von zwei Seiten an- 
zugreifen. Der Feldherr ritt mit einem Gefolge vorauf, um 
nochmals alles in Augenfchein zu nehmen. Die Tielenbrüde war 
an und für fich eine fehr fefte Stellung. Nördlich der Tielenau 
ward der Paß gefperrt durch eine Schanze, die durch breite Gräben 
und fumpfiges Moorland gededt war. Nur Ddiefer eine Weg, 
der Tielenbrücpaß, führte hier durch das Sumpfland. Auf der 
Brüde befand fich ein feftes Haus, durch zwei Thore und einen 
Schlagbaum verfperrt, und zu Oſten vor demfelben deckte eine 
Schanze den Zugang. Die Stellung war fo ftarf und jo 
vortheilhaft belegen, daß es faft für unmöglich galt, hier durch: 
zubrechen, und ein angefehener Dithmarfcher foll fich erboten 
haben, mit 200 Mann bier das ganze feindliche Heer aufzuhalten. 
Allein es befand fich jegt nur eine unbedeutende Beſatzung dafelbft, 
faum ausreichend für den Wachdienſt. Die Dithmaricher er: 
warteten den Hauptangriff bei Hemmingftedt und hatten die Be- 
ſatzung dahin gezogen. Ohne Kampf fiel daher die Tilenbrücke 
in Seindeshand. Die zurüdgebliebene Mannfchaft eilte beim 
Anzuge des fürftlichen Heeres über die Aubrücde bei Süderhaftedt 
nach Hemmingftedst. Nun wurde von Hemmingftedt eiligft nach 
der Norderhamme aufgebrochen. Doc inzwifchen, Nachmittags 
2 Uhr, war der Seldherr mit der Aeiterei fchon über die Aubrücke 
gezogen: Der Schlüffel zur Süderhamme war in der Gewalt des 
Seindes. Diefer gedachte jeßt, in Heide feinen Einzug halten zu 
fönnen, und hatte die Anführer Jacob Blanfenburg und Afcan 
von Holle mit ihren Sreiwilligen zur Erkundſchaftung voraus: 
gejchict. Letztere famen zurüc mit der Meldung, daß vier Sahnen 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 445 


Dithmarfcher aus Heide heranzögen. Die Abficht der Dithmarjcher 
ging dahin, die über die Aubrücde eingedrungenen Seinde wieder 
zurüdzumwerfen und die Aubrüde zu befegen. Durch die Nachricht 
eines auf dem Heider Kirchthurm poftirten Predigers, daß fich 
einige hundert Reiter dem Orte näherten, war man zu der 
Meinung gebracht, daß nur der Dortrab der feindlichen Reiterei 
die Brücke überfchritten habe. Die vier Sahnen der Dithmarfcher 
ftiegen unerwartet auf den Seind. Durch einen furchtbaren Reiter. 
angriff von allen Seiten her ins Weichen gebract, faßt die kleine 
Truppe doch bald wieder Stand. Die Sürften, der König in der 
Mitte, die beiden Herzöge an feinen Seiten, waren mit ihren Barden 
auf die Dithmarfcher eingedrungen, und Joachim Blankenburg 
hatte diefe umgangen und fie von Heide abgefchnitten. Glänzend 
wahrten die Umzingelten den alten Ruhm Dithmarfcher Tapferkeit 
in einem mörderifchen Kampfe. Man ſah hier zwei Soldaten, 
wenn fie gefchoffen hatten, vor einem Bauern daponlaufen, be: 
richtet Chr. Eilicins (Heinrich Ranzau). — „Ein Jeder doe de 
Ogen up und de Suefte tho und fchetet nicht, ehe ju ehnen dat 
Mitte in den Ogen fehen, denn wer einen Ditmerfchen fchleit, 
de mag feggen: he befft einen Kerl gefchlagen,” heißt es in einem. 
Tagesbefehl des Herzogs Adolph an die Truppen. Doch fcheuten 
fih die Holfteiner, wie einft die Römer den alten Deutichen gegen: 
über, dem Seinde „unter die Augen zu gehen”, und liefen zu zweien 
vor einem, wenn fie gefchoffen hatten.! Die Dithmarfcher follen 
an Stärfe nicht Menfchen, fondern Teufeln gleichen, fchrieb damals 
die Königin-Witwe von Dänemark an ihre Todıter, die Herzogin 
Elifabeth von Medelnburg. Die dänifch-holfteinifche Reiterei erlitt 


heinrich Ranzau bezeugt es hier, daß die Dithmarfcher in Tapferkeit 
noch über die Regel der Alten für den Einzelfampf, die da lautete: „Einen 
greif an, Zweien halt Stand, Dreien weich aus und vor Dieren ſchäme 
dich nicht zu fliehen“, hinausgingen, indem der Einzelne von ihnen nicht 
nur Sweien Stand hielt im Einzellampf, fordern auch zum Angriff gegen 
Zwei überging. 


444 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


große Derlufte. Befonders wurde auch die Fönigliche Garde ftarf 
mitgenommen. Der König felbfi fam in Lebensgefahr. Der 
Ritter Erich Podebuff fiel an feiner Seite, und ein Dithmarfcher 
war im Begriff, auch ihn, den König, zu tödten, als Bertram: 
von Ahlefeld diefem zur Hülfe fam und ihm Dedung gewährte, 
wobei er felbft vom Pferde heruntergefchoffen wurde und unfehlbar: 
das Keben eingebüßt haben würde, wenn nicht der König ihm 
wiederum Hülfe geleiftet hätte. Troß aller Tapferkeit mußten die 
von der Uebermacht ringsum eingefchloffenen Dithmarfcher doch 
erliegen. Sie liegen an 300 Todte auf dem Plage. Zur 
80 bis 90 Mann von ihnen gelang es, in eine moorige Niederung 
durchzudringen, wo fie vor Neiterangriffen gefichert waren.! In⸗ 
zwifchen hatten die von Hemmingſtedt heranziehenden Dithmarfcher 
fih mehr in Heide gefammelt. Neun Sahnen derfelben rückten ir 
Eile herbei, griffen den Seind, der unterdes auch fämtliche Fuß⸗ 
teuppen über die Aubrüde gezogen hatte, tapfer an und ftritten 
mit großem Muth, Tod und Derderben in den dichten Haufen: 
um fie her verbreitend. Mit Gewalt brechen fie fih Bahn bis zu. 
der Schanze des Hammhuus. Hier wehren fie alle Angriffe ab, 
erbeuten eine Sahne, brechen dann, mit Springftöden über den 
Graben jegend, aus der Derichanzung hervor und fchlagen das. 
feindliche Heer. zurüd. Allgemeine Derwirrung und. Flucht ver- 
breitet fich über Reiterei und Fußvolk. Da fprengt Herzog Wolph 
vor und bringt durch Zuruf die Sliehenden zum Stehen. Kaum. 


! Wie bei Meldorf-Ammerswurth die Oldenburger, fo gaben hier die- 
dem Könige unterftellten Neiterjharen den Ausfhlag. Dod ift es eine 
Entftelung gefhichtliher Wahrheit, wenn gefagt wird, daß Dithmarfchens 
$reiheit durch das feindlich gefinnte Dänemarf flets bedroht und fchlieglich 
vernichtet worden ſei. Der Herzog Adolph von Holftein war es, durch 
deſſen hinterliftige Unfchläge mit Hülfe der dänifhen Macht — der Holfteiner: 
allein hätten die Dithmarſcher fidy leicht erwehrt — die Freiheit des Landes: 
vernichtet wurde, und nicht die Könige von Dänemark, fondern die hol⸗ 
fteinifhen Zandesherren waren es, durch weldye von Alters her die Dit" 
marfcher Sreiheit bedroht und angetaftet ward. 


Don 1524 bis zum Untergange der Ditbmarfcher Sreiheit — 1559. 445 


aber vermochte 'er fie zu neuem Angriffe zu bewegen. Er gab 
Dann dem Pferde die Sporen und ſetzte auf die Dithmarfcher ein, 
indem er einen derfelben durchſchoß. Dieſer aber ging wüthend 
wie ein verwundeter Panther auf den Herzog, der fich bei der 
Dige der Aüftung entledigt Hatte, los und brachte ihm mit der 
Hellebarde zwijchen Hüfte und Rückgrat eine fchwere Wunde bei 
— „daß der Athem aus der Wunde hinausging”, heißt es bei 
alten Chroniften. Der Herzog hatte den Stoß vorhergefehen und 
fih rafch zur Seite gebüdt; fonft wäre er auf der Stelle erftochen 
worden. Er mußte vom Schlachtfeld hinweggeführt werden. 
Man brachte ihn, fo heimlich wie möglich, auf einem Wagen in 
ein jenfeits der Aubrücde gelegenes Dorf, wohl Süderhaftedt,? um 
ihn zu verbinden. Doch verbreitete fich die Tlachricht von der 
Derwundung des Berzogs augenblidlich im Heer. Diefelbe hatte 
aber eine ganz andere Wirkung, als der Herzog befürchtet hatte. 
Die Truppen wurden erbittert, bieben jenen Dithmarfcher in 
Stüde und griffen nun mit Muth an. Die Dithmarfcher, von 
allen Seiten bedrängt, faßten auf einer Wiefe Pofto, wo fie dicht- 
gedrängt aneinander ftanden, und nun wollte feiner der feindlichen 
Truppentheile zum Angriff vorgehen. An 2000 $ußtruppen 
des Dänifch-holfteinischen Heeres verweigerten offen den Dormarfc. 
— Sie hätten, fagt Eilicius, allefamt an den Galgen gehängt 
werden müſſen. Die anderen Mannfchaften des Heeres hielten 
ſich ebenfalls zurüd. Endlich gerieth em Soldat auf den Einfall, 
‚das Geftell eines großen Stückwagens als Dedung zu benußen. 
Er bekam augenblidllich Nachfolger. Man fchob die Geftelle über 
den Wall der Wiefe zum Schuße vor fich her, und nun drang die 
Menge unaufhaltiam, wie eine durchbrechende Sluth, in die Stellung 
Der Dithmarfcher ein. Lebtere wurden zum Theil niedergeftoßen, 
‚zum Cheil über den Wall unter das feindliche. Kriegspolf gedrängt, 

» „Vilsa“ heißt CEilicius das Dorf. Man möcdte hier an Weffeln 


denen, wenn es nicht ausdrüdlich hieße, daß das Dorf fjenfeits der Auübrücke 
“belegen geweſen fei. 


446 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


jo daß fie größtentheils umkamen. Es follen überhaupt bei diejer 
Gelegenheit 400 Dithmarfcher geblieben fein. Sie hatten dem 
Seinde ihr Leben theuer verkauft. — Oſius fchreibt, daß nach 
fiheren Berichten auf einem Plage von zwölf Schritten dreißig 
Leichen gelegen hätten. Die in der Derfolgung der zerjprengten 
Dithmarfcher begriffene feindliche Reiterei drang mit einigen 
Sahnen in Heide hinein. Hier aber leiften die Bürger fräftigen 
Widerftand. Die Reiter wurden mit großem Derluft zurüd. 
gefchlagen, viele derfelben durch wohlgezielte Schüſſe aus den 
Häufern niedergeftredt. Bier wurden auch Niels Truidfen und 
Marquard Rönnau fchwer verwundet. TDiefer, der lebte feines 
Gefchlechts, erlag feinen Wunden nachher zu Itzehoe. Die Heider 
begannen fchon die Derfolgung der Reiterſchar. Inzwifchen war 
Morig Ranzau, durch das ftarfe Gefchüßfeuer und auflodernde 
Brände von feinem Pojten bei Hemmingftedt herbeigelodt, mit 
ca. 60 Reitern herangelommen und verlegte den ihm entgegen- 
fommenden Slüchtigen den Weg in die Marſch. Einen größeren 
Trupp von etwa 300 Mann foll er zum Theil niedergeritten 
haben. Doch wurde ein Theil der Reiter von den Dithmarfchern 
während des Anfturms gefpießt. Unter Anderen wurde bei diefer 
Affäre der Oberſt Dietrich von Holle (Halle), ein Sohn des Dom- 
propften Thomas von Holle, erftochen. Da nun die Wege um 
Heide faft ringsum niit Reiterei und Fußvolk bejeßt waren, er- 
griffen noch viele der in Heide anweſenden Menſchen die Slucht 
nach der Marfh. Während diefer Dorgänge war eine ftärkere 
Sahne der Dithmarfcher, ein „buntes“ S$ähnlein, alfo ein ge- 
mijchtes Eorps, größtentheils Wefjelburner, unter $Sührung von 
Reimer Grote aus Weſſelburen, bis in die Gegend zwifchen £ohe 
und Rickelshof vorgerüdt, um den Heidern zur Hülfe zu fommen, 
hatte aber hier in Unthätigfeit verharrt und war, an dem Erfolg 
verzweifelnd, nicht zum Eingriff in den Kampf zu bewegen gewefen, 
obgleich Marcus Wrange, der Paftor von Neuenfirchen, der als 
Seldprediger fungirte und zum energifchen Widerftand anregte, alles 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 447 


aufbot, die Mannfchaft zu bewegen, ihre Landsleute im heißen 
Kampfe nicht im Stiche zu laffen.! in Theil derfelben unter 
Karften Reimer war zwar gemwillt gewejen, in den Kampf ein: 
zutreten, allein Reimer Grote, der Anführer, hatte die Sahne 
zufammengewidelt und war abgezogen, nach der WMarfch bei 
Wöhrden zurüd. Die Mannfchaft diejer Sahne hätte nah Dar- 
ftellung einiger älterer Ehroniften die Schlacht zu Gunſten der 
Dithmarfcher entfcheiden fönnen, und es fpricht manches für diefe 
Meinung. Die feindlichen Truppen waren vom Streit in der 
Diße des Tages zum Theil völlig erjchöpft und faum noch dienft- 
fähig. Der König wollte daher Raſt halten lafien. Doch Johann 
Ranzau beftand darauf, daß alles in einer Solge zu Ende gebracht 
werde, Damit der Gegner, der fich bei Wöhrden fammelte, nicht 
etwa Zeit gewänne, fich zu erholen und neuen Muth und neue 
Pläne zu faflen. Durch Ranzaus Dorftellungen wurde der König 
bewogen, nachzugeben. &s werden einzelne Truppentheile zurück— 
gelafjen gegen die Haufen der Dithmarfcher, die fich vom Vorder⸗ 
firand heranzogen. Bierzu verwandte man vornehntlich die Reiterei. 
Mit dem gefamten Fußvolk wollte der Seldherr perjönlich den 
Angriff auf Heide machen. Er ließ dann Brandfadeln in den 
Ort hineinwerfen und diefen an mehreren Stellen zugleich in 
Brand feßen, den in hellen Slammen ftehenden Flecken darauf 
bombardiren und nun endlich die ganze Infanterie zum Sturm 
auf den offenen Ort fchreiten. Mit rafender Tapferkeit vertheidigten 
fi} die Bewohner Heides, bis fie entweder unter den feindlichen 


’ Marcus Wrange war aus dem Eodiemannsgefclecht, geboren 1524, 
hatte zu Löwen ftudirt, ward 1548 Schullehrer zu Hodienwiſch, 1556 Diaconus 
und 1559 Paftor zu Xenenfirhen. Er ftarb 1601 als Propf. Wrange 
war ein gelehrter Mann und großer Daterlandsfreund. leben ihm war 
der Superintendent und Paftor M. Henning Muhle zu Meldorf als Feld⸗ 
prediger ihätig. Diefer war zu Epenwöhrden geboren und ermunterte feine 
Sandsleute, alles für das Daterland zu wagen. Er mußte nachher vor 
dem Sorn der Fürften flüchten, wurde aber begnadigt und ward Super- 
intendent des Südertheils und Paftor zu Marne 1560. Er ftarb 1589. 


448 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Befchoffen gefallen oder unter den brennenden Trümmern ihrer 
HBäufer begraben waren im furchtbar wilden Straßenfampf, und 
in folch verzweifelter Begenwehr, in einem Heldentampf faft ohne 
Gleichen, geht hier die lebte ftreitbare Kraft des Kandes zu 
Grunde — am 13. Juni 1559 —. So ward Heide denn ein: 
genommen. Das gänzlich ermattete Kriegspol! — die Truppen 
waren mehr als 24 Stunden im Sattel, auf dem Ularfche und 
abwechfelnd in heigen Kämpfen und Seldjchlachten gewejen, einer 
der königlichen Trabanten fiel vor Ermattung todt vom Pferde 
— mollte an Ort und Stelle, auf den Trümmern des Orts, das 
Nachtlager fchlagen. Allein man fürchtete einen nächtlichen Angriff 
der Dithmarfcher, die zu den tolltühnften Unternehmungen für fühn 
genug gehalten wurden, und 309g das Heer zurüc nach der Aubrücke, 
wo dasfelbe fich lagerte. Das Gefhüg fam an die Spige. Hinter 
diefem lagerte das Fußvolk. Ganz hinten placirte fich die Aeiterei. 
Die Pferde waren jo erfchöpft, daß viele derfelben in der Nacht 
und am folgenden Tage vor Ermattung umkamen. Wie die 
Pferde, jo waren auch die Mannfchaften ſtark mitgenommen. Die 
Holfteiner und Dänen gaben ihren Derluft als gering an. Die 
eiterei follte nur an 300 Mann eingebüßt haben. Allein es 
waren zwei der Kriegsoberften und ein Benerallieutenant gefallen; 
Derzog Adolph, der Graf von Oldenburg und der Selöherr Johann 
Ranzau waren verwundet, und felbft der König war faum dem 
Tode entronnen. Da kann der Derluft des Seindes an Mannichaft 
nicht fo gering gewefen fein. Bamelmann (Oldenburger Ehronif) 
berichtet denn auch, daß die Fürften in Dithmarfchen ſtarke Der- 
Iufte erlitten und Graf Anton von Oldenburg durch den Dith- 
marfcher Krieg über 700 Witwen in feinem £ande beflommen 
habe. Es mögen wohl die Holfteiner und Dänen an eigenen 
Lenten nur 300 Mann verloren haben. Die Sürften führten den 
Hrieg eben mit fremden Eandstnechten. Die Dithmarfcher hatten 
in den Kämpfen des Tages 3000 Mann verloren. — Im Eager 
des Seindes mußten neun Eompagnien die Wache beziehen. So 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559, 449 


wenig hielt man fich gefichert vor einer Unternehmung der Dith- 
marfcher. Diefe Hatten noch die eigentliche Nordermarſch, die 
Kirchipiele Oldenwöhrden, Büſum, Weſſelburen, Neuenkirchen, 
Hemme, £unden und St. Annen, wohin ſich aus den zunächſt 
bedrohten Geeftlirchfpielen vor Ausbruch des Krieges Weib und 
Kind mit der werthoollften Habe zurückgezogen, im Befig. Bierher 
* hatte auch die noch übrig gebliebene Mannfchaft ſich verfammelt. 
Der Zugang zu diefem Theile des Landes war für ein Kriegsheer 
überaus fchwierig, und frühere Kriege hatten es gezeigt, daß auf 
. Eroberung Dithmarjchens nicht gerechnet werden fönne, folange 
die Tordermarfch nicht bezwungen worden. Die ganze Macht des 
£andes, jagt der Presbyter Bremenfis, ift im Norderftrande, wozu 
‘ein Theil des Kirchipiels Meldorf, Oldenwöhrden, Weſſelburen, 
Büſum, Teuenfirchen und Hemme gehört. in diefen Kirchfpielen 
wohnen die Beften, Dornehmiten und Reichſten, und man kann 
fchwerlich (mit Heeresmadt) zu ihnen ziehen. 

Mährend aber die Sürften noch Rath hielten über Kriegs: 
operationen gegen den Vorderſtrand, beriethen die Dithmarfcher 
bei Wöhrden, wohin ſich nach der Schlacht bei Heide die noch 
wehrhafte Mannfchaft verfammelt hatte, über die Wohlfahrt des 
£andes und erwogen, ob man rüdjihtslos alles preisgeben und 
über den Feind herfallen folle, um zu fiegen oder bis auf den 
legten Mann zu fallen, oder ob man Unterwerfung anbieten wolle 
auf annehmbare Bedingungen hin. Erfteres wollten vornehmlich 
die Nordhamminger. Aber gerade die Strandfirchipiele, welche 
am wenigiten vom Kriege gelitten hatten, fcheinen dem Dorichlage 
der Nordkamminger am mwenigiten geneigt gewefen zu fein. Der 
Beſchluß ging endlih dahin, daß man mit den Sürften in Unter 
handlung eintreten und auf annehmbare Bedingungen Unter- 
werfung anbieten wolle. — Saft unvermuthet plößlich Hatte man 
die Dithmarfcher überfallen; durch Befefligung Meldorfs waren 
diefe genöthigt worden, ihre Kraft zu theilen, und Johann Yanzau 
Ratte fie in der Serfplitterung ihrer Streitkräfte zu erhalten gewußt; 

Dithmarſcher Befchichte. 29 


450 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


die Dürre des Sommers hatte die natürlichen Wehren des Kandes 
zum Theil unbrauchbar gemacht; der innere Zufammenhalt der 
Gefchlechtsbünde war jeit der Reformation gelodert und Swiefpalt 
in die Gefchlechter felbft Hineingetragen, jo, troß alles Helden⸗ 
muthes des Einzelnen, die Kraft des Widerflandes im ganzen 
geſchwächt; die einheitliche Leitung fehlte in diefem Kriege bei 
den Dithmarfchern überall, während der Seind nach einheitlichen 
wohldurchdachten Plan von berühmten Seldherren gelenkt und ge- 
leitet wurde. So vereinigte fich alles, was einen unglüdlichen 
Ausgang des Krieges bedingen fonnte, zum Nachtheil der Dith- 
marſcher. Der Paftlor Wilhelm Dunker zu Wöhrden und der 
Paftor Eyriacus von Alberftorf, der beim Einbruch des Seindes 
ins Land nach MWöhrden fich begeben hatte, zwei hübſche, an⸗ 
fehnliche Männer, wie Reſen jagt, wurden dazu beftimmt, als 
Darlamentäre ins feindliche Lager zu ziehen und die zur An- 
Müpfung förmlicher Sriedensunterhandlungen dienlichen Eröffnungen 
zu machen. Die beiden Prediger famen am Abend des 14. Juni 
mit weißen Stäben (auch der Uebringer des Sehdebriefes an die 
Dithmarfcher war mit einem weißen Stabe verjehen) zum Lager 
der Sürften und übergaben ein Schreiben der Achtundpvierziger, 
in welchem um ficheres Geleit für Befandte, die zum Zweck der 
Anktnüpfung von Sriedensunterhandlungen abgeordnet werden 
würden, angefucht ward.! Das Schreiben lautete: 

„Den Dorchluchtigſten Grotmechtigften, Dorchluchtigen Hoch⸗ 
gebomen $orften und Heren, Hern Sredrichen dem Andern, van 
Bades gnaden erweltem Koninge to Dennemarden, Norwegen und 
van denfulven gnaden Johanns und Adolffen, Erven to Xor- 
wegen, Bertogen to Sleßwid, Holften, Stormam unde der Dit« 
merfchen, Greven to ®ldenborg unde Delmenhorft unfern gnedigften 
unde gnedigen Beren, underdenigliden. 


ı Oflus fagt, es feien drei Prediger im Lager erſchienen. Dielleicht 
hat der eifrige Marcus Wrange, der überall zum Beften des Daterlandes 
wirffam erfcheint, ſich den beiden angefcloffen. 


Don 1524 bis zum Ulntergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 451 


Dorchluchtigfter, grotmechtigfter Koning, Dorchluchtige, Hoch 
geborne Forſte unde Heren. In underdenigfeyt hebben wy breves 
togere Bades worts Predicanten an Ew. Kon. Maj. unde $. 6. 
mit mundlicde werbinge affgeverdiget, demna dorch God bittende 
Emw. Kon. Maj. unde $. ©. willen unfere Gefandte to gnedigfte 
und gnediger verhör vorftaden, alle ſaken in rowe unde beftan 
ftellen, unde uns mit eynem Chriftliden, Konigliden unde Forſt 
liden Geleyte aff unde an vorfehen unde to gefprede gnedig 
unde gnedigliden vorftaden, fo willen wy Ew. Kon. Maj. und 
$. G. unfer meyning unde anliggende in underdenigfeyt vorbringen 
der toporficht, Ew. Kon. Maj. unde $. 6, werden uth hod 
angeborner Koniglicder unde Sorftlider göde unde myldigkey 
defien groten jammer unde unrath behertigen, unde uns mit land 
unde Iuden beholden, liev unde gudt in allen gnaden gnedig 
unde gnedig annemen, up dat blodesporftortinge vorhödet, d 
porede geplantet unde Bades allmechtigen ryck gebuvet werde 
Des hebben wy Ew. Kon. Maj. unde $. G. in unferm anligge 
demodigliden willen porbringen, Unde bidden gnedigfte und 
gnedige antwort. datum under unferm undergedrudten Pißer 
den Iöten dag Junij anno 5g."! 

Die Prediger wurden bei ihrer Annäherung zum £ager der 
Sürften durch eine, ihnen vom Könige entgegengefjandte Bededung 
eingeholt und von diefer ins Fönigliche Hauptquartier geleitet. 
Der König empfing fie freundlich und zuvorkommend, gab ihnen 
gute Zuficherungen und empfahl fie damı, bis zur Erledigung 
ihres Anliegens, feinem Hofprediger, Niels Kolding, zur Be: 
wirthung. Nach gehaltenem Kriegsrathe wurde ihnen im Namen 


* Wenn hier bei Anfnüpfung von Sriedensunterhandlung die Fürften 
jhon Berzoge der Dithmarfder genannt werden, fo ift darin nicht ein 
Zeichen der Geneigtheit zu bedingungslofer Unterwerfung zu erbliden, 
fondern ein Aft politifher Klugheit. Man hielt fi” von vornherein die 
Herzoge von Holftein möglichft fern und wahrte die politifche Selbftändigfeit 
des Landes gegenüber dem Kande Holftein, indem man mit „Bertogen der 
Dithmarfher” Derhandlungen einleitete. 


29* 


452 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


der drei Fürften der verlangte Geleitsbrief von dem Seldherrn 
Johann Ranzau zugeftellt, des Inhalts: 

„Beleytsporjecering im namen unde van weghen Kon. Maj. 
to Dennemarcden ıc. unde der $. ©. to Holftenzc. den Ditmerfchen 
medegedelt unde opergeven. 

Nademe de Achte unde veertig, als je fit nömen, vorwefere 
mynes gnedigften unde gnedigen Beren landes Ditmerjchen eyne 
Supplication, by tween erer Predicanten omwerfandt, darinne fe 
underdenigen bitten, etlie der eren an Er. Kon. Maj. und $. ©. 
to vorgeleyten, de des landes anliggen underdeniglicden vordragen 
mochten, So betüge id, Johann Ranzouw, rytter, vorordneter feld- 
marjchald, hir mit deſſem apentlicken geleyte, dat ick uth bevel 
Höchft und Hochgemeldter Kon. Maj. unde 5. G. to Sleßwick, 
Bolften ꝛc. ſolcke Iude, de je anhier int Leger afferdigen willen, 
mwelfere doch morgen, Donnersdages, to twolff fchlegen in Dit 
£eger ankomen fcholen, vry vehelyg aff unde an geleyte, vor alle 
denjennen, de allhier im Leger find: To der nottrofft ick enen 
jegenwordiaen drommeter overfandt. Ick hebbe my od vorfeggt, 
mytlerwyle van defjen friegspolf in deßen Keger keyn angrep 
ichole befcheen. Des to merer Orkunde hebbe id, Johann Ranzouw, 
rytter, van weghen meyner gnedigjten unde gnedigen Heren mit 
mynem angebornem Pißer vorjegelt. Datum im Deldleger by der 
Beyde, den 14. Junij, anno 59.“ 

Mit diefem Geleitsbrief Tehrten die Prediger nach Wöhrden 
zurüd und übergaben denfelben zu Nienwiſch den Achtundpierzigern. ! 

Tags darauf, am 15. Juni, fand eine Kandesverfammlung 
ftatt. Die freien Dithmarfcher waren von dem, was fie zu thun 


! Mach diefen geiftlihen Abgeordneten erjchien eine Anzahl anderer 
Geiftliher und empfahl fih mit Weib und Kind fußfällig der fürftlihen 
Gnade und fürftlihem Schu. Paftor Staphorft aus Heide wird namentlich 
genannt. — Die Geiftlihen waren meift Ausländer, von Geburt fürften- 
diener, die Fein Herz haben Ponnten für die Kreiheit, nachdem fie in 
einfeitigem Eifer wider die alten Bundbriefe fih auf den Standpunkt der 
Widerſacher des Landes gejtellt hatten. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 455 


in Begriff ftanden, fo bewegt und erſchüttert, daß fie jämtlich 
aufs Knie fielen und laut Gott anriefen, entweder einen Sinn 
für Ergebung oder Muth zu fernerer Dertheidigung Allen zu ver- 
leihen. Der Befchluß ging endlich dahin, fich ins Unvermeidliche 
zu fücen. Es wurden fünf Achiundvierziger nebft dem Land. 
fetretär und den beiden genannten Predigern ins fürftliche Lager 
abgeordnet. Die Achtundpierziger waren: Detlefs Junge Johann 
zu Delve, Thomas Boje von Slede, Woldt Reimers von Heide, der 
alte Reimer Dagt und Peter Junge.! Die Abgeordneten zogen, 
begleitet von dem holjteinifchen Trompeter, den fie aus feinem 
Quartier in der Wöhrdener Kirchipielfchreiberei? abholten, nachdem 
fie hier noch einmal herumgetrunfen hatten, befümmert und traurig, 
unter lauten Wehllagen der Menge, zum Lager an der Aubrüde, 
die Prediger zu Wagen, die Anderen zu Pferde. Unter Bededung 
einer nach £ohe ihnen entgegengefandten Aeiterabtheilung, bei 
welcher auch Bartold Peters (Wiben Bartelt) fich befand, der 
ihnen noch allerlei Rathſchläge zu geben fuchte und es nun mit 
feinem Daterlande gut zu meinen fchien, famen fie gegen Mittag 
im Lager an. Bier rief ihr Erfcheinen große Erregung hervor. 
Holfteinifche Soldaten fah man vor Sreuden auffpringen unter 
dem Auf: Gotts dufent, de Buer will fi geven! Andere, die noch 
auf Raub und Plünderung fannen, verlangten, daß man den 
Sriedenmahern furz die Wege weife. Die Dithmarjcher Gejandt- 
jchaft bot durch den Eandesfelretär, Herrmann Averhof (Schröter), 
einen beredten Mann, Unterwerfung an, auf billige Bedingungen 


ı Neocorus nennt neben diefen noch einen Johann Detlef, den Andere 
dann als festen Achtundvierziger zählen. Allein Xleocorus fagt aus 
drücklich, es feien fünf Achtundvierziger abgeordnet worden. Damit flimmt 
auh Eilicius. Es ift demnadh wohl Johann Detlef mit Detlefs Junge 
Johann eine und diefelbe Perfon. 

: Dieth fagt, der Trompeter habe fein Quartier bei einem Prediger 
Gerhard gehabt. Ein Prediger diefes Namens fand aber damals gar nicht 


in Wöhrden. Der Kirchfpielfchreiber hieß Gerhard Hoyer. (cfr. Bolten, 
III, 387.) 


45% Dritter Abſchnitt. -Dierte Abtheilung. 


hin.! Es ward dann im Zelt des noch an feiner Wunde leidenden 
Derzogs Adolph Kriegsrath gehalten über die Bedingungen, unter 
welchen man fich die Unterwerfung der Dithmarfcher gefallen 
laffen Fönne. Die Dithmarfcher Bejandtichaft ward unterdes im 
Selte des Paul Ranzau, eines Sohnes des Seldheren, gebührend 
bewirthet. Im Kriegsrath waren mehrere Räthe der Meinung, 
man müſſe den widerfpenfligen Stamm vernichten. Sie fchienen 
damit vornehmlich im Sinne des Herzogs Adolph rathen zu wollen. 
Zur Derwundermg Aller war aber jeßt Herzog Adolph es, der 
zu einer milden Behandlung rieth. &s mochte ihn wohl auch 
die Klugheit dazu führen, denn es blieb immer höchft gefährlich, 
die Dithmarfcher zur Tolltühnheit der Derzweiflung zu treiben, 
wie die Holfteiner noch von der Schlacht bei Oldenwöhrden her 
wiffen mußten. Sudem murde darauf hingewiefen, daß eine Der- 
nichtung der Einwohner das Derderben des Landes durch Derfall 
der Foftbaren Deich und Entwäfferungsanlagen nach fich ziehen 
würde und daß es thöricht fei, fich auf Jahre hinaus der Srüchte 
und der Einkünfte eines Eandes zu berauben, aus welchem man 
Nutzen ziehen wolle. Nachdem dann fchlieglich, nicht aus Gründen 
der Menſchlichkeit, fondern nur aus gemöhnlicher, jelbftfüchtiger 
Klugheit, Alle im Kriegsrathe der Sürften zu der Ueberzeugung 
gelangt waren, daß den Dithmarfchern ein billiger Sriede zu— 
geftanden werden müfle, wurden die Sriedensbedingungen gleich 
aufgefegt: Die Dithimarfcher follen den Sürften Treue ſchwören 
und die Hauptbanner und Sahnen, welche fie in der Xliederlage 
des Königs Johann und des Herzogs Sriedrich erobert, ſamt 
allen in Dderfelben von ihnen erbeuteten Kleinodien, bei ihrem 
Eide ausliefern, und die Kriegskoſten mit 600000 Gulden 
erftatten; die Sürften follen die Macht haben, drei Seftungen 
im £ande mit Hülfe der Dithmarfcher zu bauen; alle Be- 
fefligungen, welche jeßt im Lande vorhanden, follen geichleift 


! Der Landesfetretär wird von Einigen Averhof, von Anderen Schröter 
genannt. ah Ofius war Schröter nur ein Beiname. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 455 


werden; zu den drei Seflungen follen fopiel Ländereien gelegt 
werden, wie die Sürften für nöthig erachten, und die Unterthanen 
follen zu den drei feften Häufern täglich Dienfte leiften; alle 
Hoheit, Herrlichkeit, Gerechtigkeit, Jagd, Sifcherei 2c. bleibt den Sürften 
vorbehalten; die Dithmarfcher follen alle Waffen und Munition aus: 
liefern und nichts dergleichen ohne Erlaubniß wieder befchaffen; 
die Einwohner follen von ihrem Lande foviel entrichten, wie fie 
jegt davon einnehmen, wenn fie dasfelbe verhänern; alle fchriftlichen 
Urkunden von Kaifern, Päpften zc. follen bei Eiden ausgeliefert 
und im übrigen fraftlos gefchrieben werden; aller Gerichtszwang, 
Gericht und echt, foll durch die Sürften geordnet werden und 
fol Appellation nur an diefe freiftehen, die Brüchgelder follen den 
Sürften gehören; die Dithmarfcher follen; gleich den Holfteinern 
und Stormarnern, Schagungen, £andbede und Landfolge geben 
und leiften und allen Bündniffen, in welchen fie ftehen, entfagen 
und fermerhin feine neue annehmen; es foll, wenn vorftehende 
Artikel angenommen und darauf Gelübde und Eide gethan find, 
mit gebührlichem Fußfall Gnade erbeten und. darauf Brief und 
Siegel gegeben werden, und mittlerzeit, daß folches alles vollzogen, 
follen die Dithmarfcher acht von den gebietenden Achtundpierzigern 
und fechzehn von den Beften und Dornehmften des Eandes zu 
Geiſeln ftellen. Die „Kapitulation“ lautet nach alter Abfchrift: 

„Lapitulation, darup de Inwonere des landes Ditmerfchen 
tho Gnaden upthonemen unde thom vrede tho vorftaden. 

I. De Ditmerfchen fchölen Kon. Maj. unde $. &. tho Holften 
loven unde fchweren, als underdanen van rechts unde gewonheyt 
wegen gebört, unde fcholen de Hövetbaner unde Sahnen, fo in Konig 
Johannfen unde Bertogen Sriedrichs erleginge erovert, famt allen 
kleynoten, fo by enen vorhanden, by eyden overantwerdet werden.! 


ı Bei den Fahnen handelt es fi vornehmlih um das Danebrog. 
Die Kleinode find die Neichskleinodien, weldhe 1500 bei Hemmingſtedt 
verloren gingen: das Siegel, das Hronbarett und das Schwert des Königs 
Johann famt dem goldenen Mundbecher des Bierzogs Friedrich. 


456 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


ll. Tom andern fcholen de Ditmerfchen den vororfaleten 
friegsktoften erfiaden, de up Sösmal hundert dufent gulden fick 
erfiredt. Und fcholen Kon. Maj. unde $. G. macht hebben, dre 
Deften, an orten, de Kon. Maj. unde 5. G. gelegen, in dat landt 
Detmerfchen, mit erer hulpe unde thodoende, tho leggen. 

II. Unde fcholen alle fchange unde vefte, fo jsiger tyd im 
Iande befunden, gengliden gefchleyfft werden. Kon. Maj. unde 
$. 6. willen od hiermed vorbeholden hebben, tho gemeldten dreen 
veften jo vele aeder, wifchen, weyden, grafingen unde holtinge, 
als Er. Kon. Maj. unde 5. 6. tho gemeldten hufern nodig, tho 
gebrufende, unde fcholen de underdanen tho den hufern daglid 
denefte doen unde leyften. 

IV. Idt willen fi od Kon. Maj. unde $. ©. hyrmede alle 
hoheyde, herlicheyt, gerechticheyt, jagten, vifcherye unde wat deme 
anhängig, uthdrudentlich vorbeholden hebben. 

V. Alle gefchutte, munition, gewer unde harnfch fchall Kon. 
Maj. unde $. G. van den Ditmerfchen opergeven unde oper- 
antwerdet unde ahne bemwillinge nichtes wedder getöget werden. 

VI Unde wenn Kon. Maj. unde F. &. de kriegskoſte erleggt 
unde betalet worden, fcholen de inwonere des landes Ditmerfchen 
van eren aedern unde grafingen jarlichs Kon. Maj. unde 5. &. 
als erer Oberkeyt ſovel geven unde entrichten, alje de jetzund dapon 
nemen, fo fe defuloten anderft uthgedaen hebben. 

VI. Alle breve, ortunde van Kayjern unde Bäpften od 
anderen geyftliden unde werltliden, fo by deme lande tho Dit- 
merfchen vorhanden, fcholen in gudem gelopen vormiddels erer 
eyde operantwordet werden, Unde de nicht overantwordet, mede 
breve unde jegelen Frafftlos gefchreven werden. 

VIII. Unde fchol alle richtesdwang, richt unde recht, dorch Kon. 
Maj. unde 5. &. tho Holften vorordnet werden, unde de appelation 
an Kon. Maj. unde $. G. tho Holften, unde nicht ferner, vryſtaen,“ 


ı In vielen hochdeutfchen Heberfegungen hat man aus Mißverftand 
anftatt „tho Holften, unde nicht ferner“ gelefen.: „tho Holſten nicht ferner”. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 497 


Unde de bröfe der Kon. Maj. unde $. 6. blyven, inmaten folds 
allent mede anderen Kon. Maj. unde $. G. underdanen geholden 
werd. 

XI. Idt fcholen od de inwonere des landes tho Ditmerfchen 
med den underdanen des forftendoms Holſten unde Stormarn 
fchattinge unde landbede unde landoolge geben unde leyften. Unde 
aller conföderation unde bundnifje, darinne fe jtiger tyd flaen, 
affeggen unde ſick entlogen unde eynige ferner nicht annemen. 

X. Up vorgefate artifele, wenn de ingerumet, bewilliget unde 
darup gelonte unde eyde gedaen, willen Kon. Maj. unde $. &. 
tho Holften de Ditmerfchen als ere underdanen tho gnaden an—⸗ 
nemen unde by eren guderen Berörter maten biyven laten. Unde 
fchol gnade med gebörlidem voetfall gebeden werden, Scholen od 
de Ditmerjchen breve unde fegel darup geven. Unde mitler tyd, 
dat folfes allent, als boven gemeldet, vollentagen, adıte van den 
gebedenden Achte unde veertigen unde josteyn van den beften unde 
vornemeften des landes tho Gyielern Kon. Maj. unde 5. G. tho 
Holften tho handen ftellen unde operantworden.? 

Diefe Kapitulationsbedingungen wurden den Dithmarfcher 
Geſandten feierlich kundgethan, reſp. überreicht, und follten Keßtere 
auf felbige ihre Willenserllärung abgeben. Die Gejandtjchaft 
erflärte aber, daß fie zu unverweilter und nnbedingter Annahme 
diefer Artikel Leine Vollmacht habe und fie diefelben erft der 








Das wäre gegen das hödjfte Intereffe der Fürften und an fich finnlos, da 
die Dithmarſcher noch gar nicht an holfteinifche Fürften appellirt hatten. — 
Die Meinung ift: es foll an die fürften appellirt werden und nicht weiter, 
nit an Kaifer und Neid. 

» In den meiften, nad Joh. Ranzau (wahrh. zc. Derz.) gegebenen, 
Abfchriften heißt es „zehen“, refp. „teyn“ der Beften und Dornehmften. 
Es ift aber klar, daß hierin ein urſprünglicher Scyreib- oder Druckfehler 
fich fortfchleppt, da naher ausdrädlih von 24 geftellten Seifeln die Rede 
if. (cfr. Reform des old.-ditm. Landrechts, 1559.) Anftatt „gebedenden“ 
wollen Einige „geweſenen“ Adtundvertigen lefen. Es handelt fidh aber um 
Sriedenspräliminarien, die event. angenommen oder verworfen werden, 
alfo kann von gewefenen Acdhtundvierzigern hier gar feine Rede fein. 


4058 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Candesvollmacht und dem Lande zur Befchliegnng vorlegen müſſe. 
So wahrten die Dithmarfcher ihre Würde als Abgeordnete eines 
freien Volkes, das fich feine Sriedensbedingungen diltiren laffen, 
fondern über den Srieden mit den Sürften als gleichberechtigter 
Theil verhandeln wollte. Das mißftel den Sürften in hohem 
Grade, und fie forderten nun wenigftens, daß die Dithmarfcher 
Befandten fchon anderen Tages zu Mittag ihre Erklärung im Namen 
des Landes einbräcten. Auch das lehnten die Befandten ab. für 
Berathung und Meberlegung in fo wichtiger Angelegenheit fei 
folche Zeit zu kurz. Es wurden ihnen dann drei Tage Bedentzeit 
zugeftanden. — Die Abgeordneten der Dithmarfcher wurden darauf 
durch eine berittene Bededung wieder nach Wöhrden zurüdgebract. 
Man führte fie abfichtlich über jenen Theil des Schlachtfeldes bei 
Heide, wo der Kampf am heifeften gewefen, mitten durch die 
haufenweife daliegenden Leichen der gefallenen Freiheitskämpfer, 
um ihnen zu vergegenwärtigen, wie ihre Landsleute „ihren Un- 
gehorfam“ mit dem Tode gebüßt hätten, und um das fich regende 
Bochgefühl der Dithmarfcher etwas zu dämpfen. 

Der König reifte nun, da er den Krieg für beendigt hielt 
und fein Krönungstag herannahkte, tags darauf, den 16. Junt, 
über Alberftorf nach Igehoe zu feiner Mutter, der Königin-Mitwe, 
die dafelbft fich aufhielt, uud kehrte von dort in fein Reich zurüd. 
Den Abfchluß der Sriedensperhandlungen übertrug er vermittelft 
fchriftlicher Dollmacht dem Seldherrn Johann Ranzau, dem Statt- 
halter Heinrich Ranzau und Bertram Ahlefeld. Zugleich übergab 
er diefen eine anfehnliche Summe Geldes zur eventuellen Sort- 
führung des Hrieges und Anwerbung neuer Truppen. 

Den 18. Juni trafen die Bevollmächtigten der Dithmarfcher 
mit der Antwort auf die Sriedensbedingungen wieder im Lager 
der Sürften ein. Sie übergeben fich darin den neuen Herren, 
erflären aber in Beziehung auf die einzelnen Artifel der „Lapi- 
tulation“ ſich dahin: Zu Artikel 1 fagen fie Ja; zu 2, daß ihnen 
die Sorderung der Erftattung der Kriegsfoften unchriftlich, un: 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 459 


thunlich und unmöglich fei; ad 3, daß, wenn fie zu drei Seftungen 
Aecker, Wiefen und Weiden hergäben, die Eigenthümer aus dem 
Befig gejegt würden und aus dem Eande weichen müßten; zu 4, 
Jagd, Sifcherei zc. betreffend, fagen fie Ja; zu 5, betreffend Aus: 
lieferung von Waffen und Munition, ebenfalls, „da es ja einmal 
nicht anders fein fönne”; ad 6 bitten fie, man wolle fie nicht zu 
hörigen Leuten machen, jondern fie ihre Güter, gleich den Sriefen, 
genießen laflen und ihnen gleiche Sreiheit geftatten, wie den 
Sriefen, Kremper- und Wilftermarfchleuten gewährt worden, fie 
nicht mit Hofdienften befchweren; zu 7, Auslieferung der Urkunden 
betreffend, jagen fie Ja; zu 8 ftellen fie es in Erwägung, ob 
ihnen nicht ein Rath verordnet werden möchte, der nach dem 
Landesbuch das Gericht handhabe; ad 9, das Bündnig, welches 
fie mit Lübet und mit Niemand anders haben, foll Fraftlos fein; 
die Landbede, Steuern und Schaßungen betreffend, was desfalls 
die Sriefen, Kremper- und Wilftermarfcher thun, darin wollen fie, 
als gehorfame Unterthanen, ſich „wiffen zu ſchicken“; ad 10 halten 
fie die Geiſeln für unnöthig, ftellen jedoch jolches in das Gefallen 
der Sürften, indem fie nicht zweifeln, dag man mit den Dith- 
marfchern chriftlich und fürftlich handeln, Blutvergiegen vermeiden 
und ihr höchftes Derderben nicht begehren werde. Die Antwort der 
Dithmarfcher lautet: 

„Antword der Ditmerjchen op de overgevene Lapitulation. 

Wy, de inwonere des landes Ditmerjchen, bitten dorch God 
und fyn hilliges dures lieden underdenigs, men wölle uns med 
fande unde lude, famt unfern armen elenden wyvern und finderen, 
wedeven unde weyjen, der thom weynigften vel dufent, in Gnaden 
gnedigft und gnediglich beholden, liev unde gudt annemen, unde 
thom kolden water unde grundlichem undergange und porderven 
nicht bringen noch wyjen. 

1. Unde jeggen thom erften in der Lapitulation vorfateten 
Artikel Ja, unde willen demfulven, wo de na dem bockſtaven Iudet, 
wircklich najfetten. 


460 Dritter Abſchnitt Dierte Abtheilung. 


2. Thom andern Artikel, dat de Ditmerfchen de vororfalete 
Kriegskoftinge, nemlich fosmal Hundert dufent gülden, erleggen 
fcholden, feggen fe, dat enen foldes uuchriftlich, undoentlich unde 
unmuglich, in anfehinge, dat de merer deel inwonere des landes 
erer gudere berovet, entjettet, ere hufer vorbernet, varende have 
genomen, er korn vornichtigt, unde nichtes mer hebben, alfe fe 
gaen unde flaen, med eren kleyderen an wyf unde finderen. 

3. Thom drütten, de landtwere unde fchange tho vornichtigen, 
feggen je Ja. Aver dre vefte tho boumwen, med erer hulpe, dar 
tho aecker, wifchen unde weyden fo vele defjen nodig, tho nemende, 
feggen fe, dat enen datfulvige allenthalven bejchwerlik. Dann 
wann enen tho dreen veften guder, aeder, wijchen unde weyde 
genomen, worden de armen underdanen erer guder entjettet unde 
moften uth deme lande wielen. 

4. Thom verten Artikel, alle boheyt, herlicheyt, gerechticheyt, 
jagten, vifcherye und wat deme anhengig, feggen je Ja. 

5. Belangend, dat je alle munition unde wehre van fid doen 
jcholden, darinne willen je fit underdenigft, da idt anderft ja nicht 
fien fann, willig vorholden. 

6. Angaende, dat de Ditmerjchen van eren aedern unde 
grafingen jarlichs der Kon. Maj. unde $. ©. fo vele geven unde 
entrichten fcholen, alje fe jgund davon nemen, darup erklären fe 
fit alfo, dat fe underdenigft doen bitien, fe de Ditmerfchen nicht 
eygen tho mafende, Sondern fe erer guder, gelyd den Srefen, 
mächtig werden, unde der Dryheide, jo den Srejen, Kremper- unde 
Milftermarfchluden vorgonnet unde gegeven, fe, de Ditmerfchen, 
of geneten mochten:? Unde dat fe med nenem havedenfte be— 


! Die unterthänigen £riefen waren zinsbar gemadıt, aber dody im 
Eigenbefig ihrer Güter geblieben. Sie waren „Sreileute” und „Sreibauern“ 
in dem Sinne, in weldem der Nichtleibeigene unter Fürſtenherrſchaft als 
ein freier bezeichnet wurde. Die Kremper- und Wilftermarfcdleute zahlten 
den Koloniften-Zehnten und befaßen dafür ihre Güter nad dem fog. 
Holländerredht, Meier- oder Koloniftenreht. Die „Sreiheit” der Frieſen 
bedeutet weiter nichts, als daß die Frieſen nicht leibeigen waren. Diefe 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 461 


fchweret, fondern davon entleddiget, inmaten de Srefen, Kremper: 
unde Wilfter-marjchen. 

7. Alle breve, orkunde, privilegia unde vordrage, fo vel der 
vorhanden unde nicht ummelomen, will men overantworden, Unde 
wat nicht opergeven, fraftloß fchriven laten. 

8. tem, den gerichtsdwang, richt unde recht, belangende, 
dat defulvigen dorh Kon. Maj. unde F. &. fcholen vorordnet 
werden, ftellen de Ditmerfchen tho der Kon. Maj. unde $. ©. 
gnedigftem unde gredigem gefalln. Konnde od geftadet 
werden, dat eyn radt, alſe in Eyderftedt, vorordenet unde defulve 
na des landes bode fchedete unne vunde: Jedoch de appellation 
an Kon. Maj. unde $. &. tho appelleren vorbeholden, dat fegen 
de Ditmerjchen vor feynen unradt an. 

9. De Conföderation unde bundniß, fo wy med der jtad 
£ubede unde nemand anders hebben, fchol fraftloeg fyn, unde 
willen uns tho ewygen tyden med nemand ferners vorbinden, unde 
wes fe der Kon. Maj. unde $. G. loven unde fchweren, willen 
fe, alje erlide Iude, holden. De landbede, ftuer unde fchatting 
angaende, wes desfalls de Srefen, Kremper- und Wilftermarfjchen 
doen, darinne willen fi de Ditmerfchen alje gehorfame underdanen 
weten tho fchicen.? 

10. De huldinge, den voetfall unde wes van fegelen unde 
breven gefordert fchol werden, dartho jeggen de Ditmerfchen Ja, 
unde willen alle ere munition unde friegsrüftinge van ſick doen 
unde overgeven. Achten der gyfelen unnodig. Jedoch ftellen je 
foldes tho der Kon. Maj. unde F. G. gnedigften unde gnedigen 








freiheit, von der man in Chroniken fo viel Aufhebens gemadt, als ob fie 
mit wirflidyer Unabbängigfeit, wie fie die Dithmarfcher befaßen, gleich- 
bedeuteud gewefen wäre, beanfpruchen die Dithmarfher nod bei ihrer 
Unterwerfung. 

* Die Friefen und die Einwohner einiger Marfchdiftrikte in Stormarn 
dünkten ſich wunder wie frei zu fein, den leibeigenen Holften gegenüber. 
Die Dithmarfcher wollen fi in die betreffende „Freiheit“ der riefen zc. 
wiſſen zu fchiden. 


462 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


gefallen, ungetwiffelt, men werde Chriſtlick unde Sorftlid med den 
armen Ditmerfchen handelen, blodes vorftortinge ummegaen unde 
eres höchften vordervens nicht begören, fondern wyf unde Find, 
olt unde jung, Hinfürter unbefchediget laten, in betrachtinge, dat 
landt den fchaden, nadeel unde overfall by menfchenleven nicht 
overwinden fonde, unde ahne dat oc vele dufent armer, elender 
wedeven, weyjen unde finder vorhanden, nadet unde blot, de 
bedelen möten unde thom ?Folden water gemwyfet fien unde nimmer 
in de rüfting komen können. De allmechtige God unde Dader 
unfers Beren Jefu Ehrifti wille Ew. Kon. Maj. unde 5. G. herten 
bewegen, dat eyn hilliger, beftendiger und ewyger vrede tho 
erholding der armen underdanen alfo upgerichtt, dat God de 
Allmechtige erft unde legt gelovet unde dat landt unde bedrövete 
underdanen im beften vortgefettet erholden unde gehandhanet 
werden mögen.“ 

Die hierin geftellten Abänderungsporfchläge der Dithmarfcher 
wurden angenommen, indem die Sorderung wegen Erſatz von 
Kriegstoften und Anlegung dreier Seften im Lande fallen gelaffen 
und die Rechtsgleichftellung mit den Sriefen, Kremper- und Wilfter- 
marfchleuten eingeräumt wurde. In leßterer Beziehung ward 
beftimmt: „damit auch die Dithmarfcher mit den Dienften ver- 
gchonet werden, lafjen Königl. Majeftät und Fürftl. Gnaden den 
Articel der Käufer wegen beruhen, jedoch daß fie dasjenige ihrem 
Erbieten nach thun, was die Sriefen, Eiderftedter, Kremper und 
MWilftermarfcher Kön. AM. und F. G. leiften“. Nur die Stellung 
von Geifen wurde nicht erlaffen. Die Sürften hatten 
immer noch zu viel Achtung und Surcht vor den mannhaften 
freien Dithmarfchern, als daß fie ihnen, nun fie ihre Sreiheit 
aufgeben follten, ein zu hartes Joch aufzuerlegen gewagt hätten. 
Nachdem die in der Gegenerflärung von den Dithmarfchern vor: 
gejchlagenen Abänderungen und Einfchräntungen der Sriedens- 
bedingungen ihnen alſo zugeftanden worden, wurden ihre Abgaben 
feftgefeßt zu einem Gulden, gleih 24 Lübfchilling, für jeden 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher $reiheit — 1559. 463 


Morgen Marjchland binnen Deichs, und für das Geeftland auf 
die halbe jährlihe Ausfaat. Die Dithmarfcher verpflichten fich 
zur Entrichtung diefer Abgabe, und die Sürften geloben ihnen 
Dagegen landesherrlichen Schuß.! Die bezügliche Zuficherung der 
Sürften, welche befonders auch deshalb merkwürdig ift, weil fie 
zeigt, welche Sprache fürftlicher Dünfel und fchamlofe Derblendung 
gegen die Befiegten, wegen ihrer bisherigen tapferen Dertheidung 
ihrer Sreiheit und Selbftändigkeit, führten, lautet nach Joh. Ranzau: 
„Derjchreibung, den Dithmarfchern gegeben 
Montags nach Diti, 1559. 

Im Namen der heiligen Deifaltigfeit.e Wir Sriedrich der 
Andere, von Gottes Gnaden zu Dennemard, Norwegen, der 
Wenden und Gothen König, und Wir Johann und Adolph, von 
denjelben Gnaden Erben zu Norwegen, Herzogen zu Schleswig, 
‚Bolftein, Stormarn und der Dithmarfchen, Grafen zu Oldenburg 
und Delmenhorft, Bevettern und Gebrüdern, befennen und thun 
fund für uns, unfere Erben und Nachlommen und fonft Jeder- 
männiglich: Nachdem Wir nach erlangtem Siege wider unfere 
ungehorfame und widerfpenftige Unterthanen, die achtundpierzige 
und gemeine Einwohner unferes Landes Dithmarfchen diejelben, 
fo bei £eben geblieben, und der abgegangenen Erben auf ihre 
demüthige, Mägliche und jämmerliche Bitte wiederum zu Gnaden 
aufgenommen und die verwirfte Strafe ihrer Rebellion und 
beleidigten Majeftät, dadusch fie ihr Leib, Leben, Habe und Güter 
gänzlich verwirft, mit angeborener Königl. und Sürftlicher Mildig- 
feit und Güte gnädiglich erlafien, darauf fie fich gegen uns, 
unjere Erben und Nachlommen verfchrieben, verbrieft und verfiegelt, 
wie folches ihre unter des Landes Inſiegel ausgegebene Der: 
fchreibung, Dienftags nach viti des 59 Jahres datirt, ferner thut 


: Bei Feſtſtellung der „Capitulation”, in welcher den Dithmarfchern 
relativ fo günſtige Sriedensbedingungen gewährt wurden, foll nad Hans 
Dethleff der Achtundvierziger Marcus Swyn befonders thätig gewefen fein. 


464 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


ausweifen,! daß Wir demnach ihnen hinwiederum gnädigft und 
gnädiglich nachgegeben und vergünftiget, nachgeben und vergünftigen 
hiemit und in Kraft diefes Briefes, daß fie, die angeregte gewejene 
acht und vierzig und gemeine Einwohner Unfers Landes Dith- 
marfchen, fo viel der bein: Leben übrig, ihres Keibes und Lebens 
berührter Rebellion und beleidigter Majeftät halben gefichert, und 
aus Sorgen in Ruhe gefeßt fein follen, und follen ihnen alle 
Dermirfungen hiemit gnädiglich nachgegeben und erlaflen fein, 
wie dann hinwiederum zwifchen ihnen und allen denen, fo Uns 
zu diefem Kriege geholfen, gerathen und gedienet, wasgeftalt 
jolhes gefchehen, aller Miderwillen, Seindfchaft und Derdrieß 
gänzlich und gar foll fein aufgehoben, alfo daß die Dithmarfcher 
wider diejenigen, fo uns gerathen und gedienet, dasfelbige nicht 
aufrüden, noch mit Worten oder Werten zu rächen oder zu eifern 
fih unterfteben follen. Neben dem Haben wir aus Gnaden 
bewilliget, bewilligen auch ſolches gegenmwärtiglich in Kraft diefes 
Briefes, daß oftgedachte acht und pierzige und Inwohner des 
Landes Dithmarfchen behalten follen ihre Häufer, Höfe, fahrende 
Babe, Aeder, Wifchen, Gräfungen, Weide und Hölzungen, zu 
allermaßen, wie fie die hiebevor gehabt, darbei Wir fie als bei 
ihrem Erbe und Eigen laffen wollen, jedoch, daß fie Uns davon 
jährlichs auf Nicolai thun und geben, wie ihre ausgegebene Siegel 
und Briefe thun ausweifen: Don dem Marfchlande aber follen von 
jedem Morgen Marfch-Ader binnen Dies Uns jährlihs auf 
diefelbe Zeit, nämlich zu Nicolai, ein Gulden Münze, den Gulden 
zu vier und zwanzig Schilling Kübfch gerechnet, gegeben werden 
und follen für jeden Morgen fünf Ruthen in die Breite und 6 Stiege 
Authen in die Länge, fechszehn Suß auf die Ruthe zu rechnen, 


' Der Hinweis auf eine Derfdhreibung der Dithmarfcher vom Dienstage 
nad viti deutet nicht etwa auf eine unrichtige Datirung; derfelbe beweift 
nur, daß die vom Dienstag nad viti datirte Derfchreibung ſchon tags 
vorher zur Unterzeichnung fertiggeftellt war. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 465 


abgemefjen werden.! Daneben Wir, was Wir der dreier Häufer 
halber, und was dazu am Lande follte gelegt fein worden, gefordert, 
zur Ruhe geftellet, auch mit Wiedererftattung der aufgewandten 
Kriegstoften fie gnädiglich verfchonet. Sie mögen auch auf der 
Eider an ihrer Seiten, jedoch gleich anderen Unfern Unterthanen 
mit Unferm Miffen und Willen, den Strand fifchen. Damit auch 
der Geeftmann foviel befjer bei feiner Nahrung möge erhalten 
werden, haben Wir den Beeftleuten diefe befondere Gnade erzeiget, 
daß fie ihre Hölzungen, Wifchen, Weiden und Gräfungen jollen 
frei haben, und allein zu jährlicher Pflicht und Befänntnig die 
halbe Saat, die fie fäen, jährlich auf Nicolai zu geben fchuldig 
fen. &s follen auch hinfortan die Dithmarfcher in Unfern Sürften- 
thümern und Kanden gleich andern Unfern Unterthanen frei, ficher, 
mit Kaufmanjchaft und andern redlichen Bewerben, zu handeln 
und zu wandeln Macht haben, und wollen Wir fie bei gleich 
und recht fchügen. Binwiederum foll andern Unfern Unterthanen 
frei ftehen, in Unferm Lande Dithmarfchen zu Waffer und zu 
£ande aus: und einzureifen, dafelbft zu beharren und mit des 
£andes Inwohnern redliche Handlung und Gewerbe zu treiben, 
und wollen fonft, wann gemeldte Unfere Unterthanen, die Dith- 
marfcher, ihren Eiden, Belübden und Gebühr, wie Wir uns ver- 
fehen wollen, nachjfegen werden, fie bei gleich und recht ihrer 
Habe und Güter gnädiglich erhalten und fonft ihnen mit Gnaden 
erfcheinen, und ſoll der Dienfte und Buten-Dide halber mit ihnen 
den HKremper- und Wilfter-Marfchen gleich gehalten werden. Die 
Güter, Renten und Sinfe, fo hiebevor bei den Kirchen geweſen, 
follen hinfortan unverrückt dabei bleiben. Und als unter Anderm 
den Dithmarfchern auferlegt, daß fie das Hölzlein, die Hamme 


ı Sedys Stiege, alfo 120 Ruthen Zänge, 5 Ruthen Breite: 600 [) Ruthen 
der Morgen. Man fcheint den Morgen 20 Ruthen lang genommen und 
in jechs Städte, jedes Stüd 5 Ruthen breit, getheilt zu haben. — „Morgen“, 
hier ein beflimmtes Maß, bezeichnet urfprünglih nur ein eingefriedigtes 
Stüd Land. Morgan = einfchränfen, begrenzen ; daher „morganatifche Ehe“. 

Dithmarfcher Gefchichte. 50: 


466 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


genannt, follen umhauen,! haben Wir bemwilliget unde nadıgegeben, 
dag Wolt Reimers und Johann Beimers,? denen das Hölzlein 
erblich zuftehet, das umgehauene Holz an ſich nehmen, dasfelbe 
verfaufen und als mit ihrem eigen Gut damit handeln und 
gebahren mögen, ohne Unfer und jemand anders Derhinderung, 
Solches alles, wie obftehet, geloben uud verjprechen Wir, König 
Sriedrich, Herzog Johann und Herzog Adolph zc., vielgemeldtern 
Unfern Unterthanen, den Dithmarfchern, Königlich und Fürſtlich 
zu halten und zu erfolgen, jedoch, daß fie Hinwiederum auch das 
jenige leiften und thun, damit fie fich, inhalts ihrer Siegel und 
Briefe, gegen Uns verpflichtet. Und haben zu deſſen mehrer 
Urkunde, Sicherheit und fefter Haltung Unfer Königlich und 
Sürftlich Secret wifjentlich laffen hängen an diefen Brief, der 
gegeben in Unjerm Seldlager vor der Heyde, Montags nach Diti, 
im Jahr nach Ehrifti unfers Seligmachers Geburt 1559.” 

Begen diefe Derfchreibung von feiten der Fürſten unter- 
zeichneten dann die Dithmarfcher folgende ihnen vorgelegte Kapitu- 
lationsurfunde, deren Saflung wie die der vorftehenden Der» 
fchreibung wohl das Werk der beiden Yanzau, des Seldherrn und 
des Statthalters, ift: 

Im Namen der Heiligen ungetheilten Dreifaltigkeit. Wir, 
die geweſenen Acht und vierzig Derwefer und gemeine Einwohner 
des Landes Dithmarfchen, befennen und thun fund für uns, 
unfere Erben und Nachlommen und fonft jedermänniglich, denen 


I Die ftarfe Hamme, ein Ort des Grauens für Holftenherren feit 1404, 
war auch jet noch den Fürften ein Gegenftand der Sorge. 

2 Wolt Reimers und Johann Reimers (Johann Reimer) werden unter 
den Adhtundvierzigern genannt. 

? Diefe Derfchreibung, wie audy die folgende, findet ſich in plattdeutfcher 
Sprade bei Chroniften mitgetheilt, aber in theils inkorrekter, theils unver- 
ftändlicher Ueberfegung nad Johann Ranzau. Des Leßteren Wiedergabe 
fann hier als urkundliche Nachricht gelten, da Johann Ranzau, als 
Bevollmäctigter des Königs, felbft die Kapitulation vollzogen hat. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 467 


diefer Brief zu fehen, zu lefen oder zu hören zukommt: Nachdem 
die Durchleuchtigften, Broßmächtigen, Hochgebornen Sürften und 
Herren, Berr Sriedrich der Andere, erwählter König zu Denne: 
mard und Torwegen, Kerr Johann und Herr Adolph, Gevettern 
und Gebrüdern, Erben zu Norwegen, Herzogen zu Schleswig, 
Bolftein, Stormarn und der Dithmarfchen, Grafen zu Oldenburg, 
und Delmenhorft, unfere Gnädigfte, gnädige Herren und Landes: 
fürften, von wegen unſer langwierigen Nebellion, Ungehorfam 
und Widerfpenftigleit, darmit wir uns Ihrer Königl. Maj. und 
Sürftl. G. widerfeßt, zu einer befugten Kriegshandlung verurfacht, 
dadurch wir überzogen und vermittelt Göftlicher Schidung be 
zwangen und überwunden worden, und aber Ihre Hön. Maj. 
und $. ©. aus angeborner Königlicher und Sürftlicher Güte und 
Mildigkeit auf unfer unterthänig, Mläglich und demüthiges Bitten 
und Anfuchen uns mit unfern armen Weibern und Kindern, un- 
angejehen unfere Derwirtung, zu Gnaden aufzunehmen und zu 
unſern Gütern, jopiel der übrig, gnädigſt und gnädiglich zu ver- 
ftatten, bewegen laſſen, dafür wir, nächft Gott dem Allmächtigen, 
zu ewiger Dankbarkeit Ihrer Kön. Maj. und F. ©. nns ſchuldig 
beiennen, daß wir demnach bei unjern Eiden, Ehren, Treuen und 
allem demjenigen, das einen frommen, ehrlichen Mann binden 
fann, uns verpflichtet, verfirict und verjprochen, verpflichten und 
verfprechen uns hiermit und in Kraft diefes Briefes, für uns, 
unfere Erben und Nachlommen, daß wir mit unbewehrter Hand 
famt unfern Weibern, Kindern und Bausgefinde mit einem $uß- 
fa höchfl- und hochgedachter Kön. Maj. md $. 5. unfere 
Demuth erzeigen und um Derzeiumg unfer Miffethat und Der: 
handlung bitten und wir, die gewefene acht und vierzig Derwefer 
des Landes, aller gehabfen Regierung und Derwaltung uns gänzlich 
verzeihen und entäußern wollen. Und follen und wollen folgendes 
Ihrer Hönigl. Maj. als einem Berzoge zu Holftein, famt beiden 
unſere gnädigen Herrren und Landesfürften, Herzog Johannfen 
und Herzog Adolffen, und Ihrer Kön. Maj. und 5. G. Erben 
30° 


468 Dritter Abtheilung. Dierte Abtheilung. 


und Xachlommen am Herzogthum Bolftein,! loben und fchwören, 
als Untertanen von Recht und Gewohnheit gebühret, und Jhrer 
Kön. Maj. und F. &. folchen Eid uns wörtlich werden ftaffiren 
und vorhalten laſſen. Auch wollen wir die Haupt-Banner und 
Sahnen, fo wir in wailand König Hanjen zu Dennemard und 
Herzog Sriedrichs zu Holſtein Niederlage erobert, famt allen 
Kleinoden, fo bei uns vorhanden, bei unjern Eiden überantworten. 
Und follen hinfortan alle Regalia, Hochheit, Herrlichkeit, Gerechtigkeit, 
Jagd, Sifcherei und was dem anhänget, im ganzen Lande Ihrer 
Kön. Maj. und $. 5. zuftehen. Auch fol aller Gerichtszwang, 
Gericht und Recht, durch Ihre Kön. Maj. und F. G., Erben und 
Nachkommen im Herzogthum Bolftein, ohne alle unfere Behinderung 
und Einrede verordnet werden und die Appellation an Ihre Kön. 
Maj. und $. G. als Berzogen zu Holftein, und nicht ferner, frei- 
ftehen,? auch die Brüche und Gerichtsfälle Ihrer Kön. Maj. und 
$. 6. bleiben, inmaßen, wie folches alles mit andern Ihrer Kön. 
Maj. und $. G. Untertanen gehalten wird, und foll bei Ihrer 
Kön. Maj. und $. 6. Willen und Gefallen ſtehen, wie, was- 
geftalt und durch welche Perfonen Ihre Kön. Maj. und $. 6. 
die Gerichte beftellen wollen. Wir follen und wollen auch ver: 
mittelft unferer Eide zu Jhrer Kön. Maj. und 5. G. Bänden 
überantworten alle Briefliche Urkunden, wie die Namen haben 
mögen, von Aömifchen Kaifern und Päpften, auch geiftlichen 
und weltlichen Sürften und Ständen ausgegeben, die bei dem 
Lande Dithmarjchen vorhanden. Und im Sall wo andere mehr, 
welches doch mit unferm Wiſſen und vorfäßlich nicht gefchehen foll, 
hinterblieben und nicht überantwortet würden, des thun wir uns 


ı Als „Berzoge von Holflein” hatten die Fürften fi die Belehnung 
mit Dithmarfchen erfhlihen. Daher mußten fie hier als „Berzoge zu 
Bolftein“ hervortreten. 

° Die „Berzoge zu Bolflein“ machten es, wie andere Dafallen des 
Reiches: Sie fuchten fi} der Reichsoberherrlichkeit zu entziehen, vornehmlich 
aud in der Handhabung des Kedts. Deshalb follte nicht von ihnen weiter 
appellirt werden können ans Neid. | 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 464 


hiermit wiffentlich ohne alle Befährde, weniger nicht, denn ob fie 
namenfundig allhier gemacht oder wörtlich einverleibt wären, bei 
unfern leiblich gefchworenen Eiden und in beftändigfter Sorm und 
Maße, als folches zu Recht gefchehen foll oder mag, hiermit ver- 
zeihen und begeben, diejelben zu feinen Zeiten für uns, unfere 
Erben und Nachlommen in einigem Wege fürzumenden, zu ger 
brauchen, noch jemand anders von unfertwegen in oder außerhalb 
Rechtens fürzumwenden und zu gebrauchen, zu verftatten! In 
Gleichem follen und wollen wir auch alles Gefchüß, Munition, 
Gewehr, Harniſch und Rüſtung herausgeben, zu Jhrer Kön. Maj. 
und $. 8. oder derfelben Derordneten Händen überantworten und 
ohne Ihrer Kön. Maj. und F. G., auch derfelben Erben und 
Nachkommen, Bewilligung Fein anderes wiederum erzeugen. Dir 
wollen auch ohne alle Derweilung alle Schanzen und andere 
Seftlungen im Lande niedereißen und vernichtigen und ohne Ihrer 
Kön. Maj. und F. G., Erben und Nachlommen, Wiffen und 
Willen feine andere wiederum bauen und aufwerfen. Auch foll 
das Hölzlein, die Hamme genannt,? förderlich abgehauen werden, 
jedoch das gefällte Holz denjenigen bleiben, denen es bisanher 
erblich zugehöret. Und als denn Ihre Kön. Maj. und F. ©. 
auf unfere Mägliche demüthige Bitte unfere arme verdorbene Ge⸗ 
legenheit gnädigft und gnädig angejehen und die Wiederlage des 
aufgewandten Kriegsktoftens, ingleichen die Sorderung wegen der 
drei Häufer, die wir im Lande aufbauen follten, auch was an 


ı &s follten die Urkunden zur Gefchichte Dithmarfchens, nad weldhen 
die Treulofigkeit der Bolftenherren den Tafeln der Geſchichte einverleibt 
worden, dem Licht entzogen werden; auch fürchtete man für die Rechts 
gültigfeit der von den „Berzogen von Bolftein“ erfchlihenen Belehnung 
durch Kaifer Karl V. 

? Das „Bölzlein“ hie nidt Bamme, fondern „hammholt“. Die 
hamme war die fumpfige Xliederung, mit und ohne Behölz. Man über- 
trug im gewöhnlichen Spradygebrauh den Namen des Ganzen auf den 
einzelnen heil. Wie anderswo der befeftigte Weg vor dem Hammhaufe 
„Hhamme“ heißt, fo hier das Holz der Hamme. 


470 Dritter Abfdmitt. Dierte Abiheilung. 


Aeckern, Wiefen, Gräfungen, Bolzungen dazu geleget werden follte, 
gnädigft und gnädig zur Ruhe geftellt, und uns bei unfern Gütern 
Erbe und eigen zu laffen, in Gnaden bemilliget, dafür wir Ihrer 
Kön. Mai. und 5. &. in aller Unterthänigfeit danken, follen und 
wollen wir und unjere Erben Jhrer Hön. Maj. und $. G., der- 
felben Erben und Nachkommen, zu jährlicher Pfliht und Be- 
tänntnig geben von jedem Morgen Mlarfchland binnen Dides, 
gebuwet und ungebumet, die Morgen fünf Authen in die Breite 
und fechs Stiege Ruthen in die Länge, die Ruthe fechszehen 
$uß lang gerechnet, jährlichs einen Bülden Münze, den Gülden 
für 24 Schillinge Kübfch gerechnet, und auf der Geeſt die halbe 
Saat, die der Geeftmann fäet. Und follen und wollen an Land- 
folge, Dienfte uud allem andern uns gegen Ihre Kön. Maj. und 
$. &., ihre Erben und Nachkommen, erzeigen und halten, wie 
folches von den riefen, Strandern,! Eiderftedtern, Hremper und 
Wilftermarfchen gehalten wird. Wir wollen auch die Bäündniß, 
fo wir mit denen von Kubed, und fonft Niemand, haben, denen 
von £ubed ohne Mittel auffchreiben und uns aller Derbündnig 
und Eonföderation hinfürter zu ewigen Seiten gänzlich äußern 
und enthalten. Solches alles und jedes, und was jonft mehr 
frommen, getreuen, ehrlichen Unterthanen eignet nnd gebührt, 
gereden und loben wir, die gewefene acht und vierzig und gemeine 
Einwohner des Landes Dithmarfchen für uns, unfere Erben und Nach⸗ 
fommen, bei unjern Eiden, Ehren und Treuen ftets fell und 
unverbrüchlich wohl zu halten, darwider weder mit Gedanken, 
Worten noch Werken nichts zu thun, nichts zu handeln, noch 
jemand anders von unfertwegen zu thun oder zu handeln zu ver- 
flatten, Alles fonder Argelift und Gefährde. Des mehrer Urkund 


ı Strander = Vordſtrander. Strander und Eiderfledter werden zu. 
weilen von den Jnfelfriefen unterfhieden. Es datirt das wohl aus einer 
Seit, in welder Nordſtrand Feftlandsftrand war und man die Sriefen des 
Seftlandes als Strandfriefen von denen der Infeln, als Infelfriefen, unter- 
ſchied. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 471 


Sicgerheit und Wiflenfchaft, Haben wir das Infigel, welches fich 
Das Land Dithmarfchen zur Seit gebraucht, wiffentlih an diefen 
Brief lafien hängen,! der gegeben ift Dienflags nach Viti im 
Jahre nach Ehrifti unfers Seligmachers Geburt fünfzehn hundert 
neun und fünfzig.” 

Der Friede war geichlofien. Dithmarfchen hatte die Fürſten⸗ 
herrfchaft anerkannt. 

Am Tage der Unterwerfung, Dienstags nach Viti, den 20. Juni 
1559, vormittags 10 Uhr, verfammelten fih die Übriggebliebenen 
Dithmarfcher zwilchen Lohe und Nidelshof an der Grenze der 
Nordermarfch, um den Sürften den: Huldigungseid zu leiften und 
ihre Kriegsgeräthe, fowie die Urkunden der Privilegien und Srei- 
heiten des Landes auszuliefern. Gegen 4000 wehrhdfte Männer 
nebft Weibern und Kindern waren erjchienen, alle mit weißen 
Stäben — Seichen friedlicher Abfiht — in den Händen.” Das 


ı &s iſt alfo ein Irrthum, wenn bei Michelſen (Urkundenbuch) es heißt, 
daß diefer „Brief" im Kopenhagener Beheimardiv im Siegel, mit der 
Unterfchrift: „Sigillum terrae Ditmarsiae“, die Madonna in halber Figur 
mit einem Xefjelblattwappen zeige. Ein foldhes Siegel hat das „Land“ 
niemals gebraudt; ein Interimsfiegel, etwa von den fürften dem Kande 
anfgenörhigt, hätte hier nur die Rechtsverbindlichkeit der beurfundeten Alte 
ſchmälern fönnen, und für die Eroberer war das eben die höchſte Benug- 
thuung, daß das alte Landesfiegel zur Befräftigung auf die Unterwerfungs- 
akte gefegt werden mußte. — Jener Irrthum beruht unzweifelhaft auf einer 
falfhen Deutung des Siegels. 

? Die weißen Stäbe hatten die Bedeutung der Parlamentärflagge: 
Der fehdebrief an die Dithmarfcher wurde am weißen Stabe überreicht und 
auch die beiden Prediger, Dunker und Eyriacus, als Parlamentäre der 
Dithmarfcher, trugen weiße Stäbe. — Es follen nah Einigen Weib und 
Kind ohne Ausnahme zur Huldigung erfchienen fein. Allein, das ift faum 
wörtlih zu nehmen. Weib und Kind hätte gar nicht bis zum Buldigungs- 
termin nach £ohe verfammelt werden fönnen, nachdem erft am 19. Juni 
die am 18. Übergebenen Gegenvorfhläge der Dithmarfher angenommen 
worden. Auch konnte Niemand das Erfcheinen oder Nichterſcheinen von 
Weib und Kind Pontrolliren. Es wird fi die Derfammlung der Dith- 
marfcher wefentlih auf die waffenfähige Mannſchaft befchränft haben. 
Diefe fand bei Wöhrden, nicht weit von Lohe, und fonnte auf Aufgebot 
vom 19. am 20. früh zur Stelle fein. 


472 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


ganze fürftliche Heer war wie in Schlachtordnung aufgeftellt, einen 
großen Kreis bildend, in welchen die Dithmarjcher eintreten 
mußten. Als Alle verfammelt waren, erfchienen die Dertreter des 
Königs: der Seldherr Johann Ranzau, der Statthalter Heinrich 
Ranzau und Bertram Ahlefeld, und die beiden Herzoge, Johann 
von Holftein-Hadersleben und Adolph von Holftein-Bottorp, nebft 
den HKriegsräthen und den Zittern, reich geziert auf gefchmücdten 
Roſſen, und nahmen in der Mitte des Kreifes Aufftellung. Die 
Dithmarfcher mußten fich im Halbfreife um fie fcharen und, nachdem 
fie ihe Kriegsgeräth und die Urkunden des Candes ausgeliefert 
hatten, auf ein gegebenes Seichen den vorgefchriebenen Sußfall 
thun und mit entblößtem Haupt folgenden Huldigungseid, den 
ihnen ein Sefretär des Kriegsrathes vorlas, leiften: 

„Wir, die Einwohner des Landes Dithmarfchen, fchwören, 
daß wir und unfere Erben und Nachlommen König Sriedrichen 
zu Dänemard 2c., Herzogen Johannfen und Herzogen Adolffen zc., 
allen als Herzogen zu Holftein, getreu und hold fein wollen, ihr 
Beftes wiffen und Aergftes nach allem unfern Dermögen abwenden 
helfen, weder Rath noch That dazu geben noch thun, das Jhrer 
Kgl. Maj. und Sürftl. Gnaden und Ihren Erben und Nachkommen 
mochte zu Schaden gereichen an Eeibe, Lande, Leuten und Gütern. 
Was mir zu wiſſen befommen, daß Ihrer Königl. Maj. 
und Fürſtl. Gnaden und Ihren Erben und Lachlommen 
zuwider, dasſelbe wollen wir treulich vermelden. Alles, was wir 
uns gegen Ihre Königl. Maj. und Sürftl. En. und Ihre Erben 
verichreiben, für uns und unfere Erben treulich halten und hand⸗ 
baben, und uns fonft in Allem, als treuen Unterthanen gebührt, 
gegen Ihre Königl. Maj. und Fürftl. Gn. und derjelben Erben 
mit Leib und But erzeigen. Als uns Gott helfe und fein heiliges 
Evangelium.” (Johann Ranzau, Wahrhafte und furze Derz.) 

Als die Dithmarfcher, vom Kriegspolf umringt, wehrlos da- 
ftanden, überkam Manchen die Beforgniß, daß die Eroberer ihr 
gegebenes Wort brechen und fie unverfehens niedermegeln laffen 


. Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarſcher Freiheit — 1559. 473 


möchten. Eilicius (der verfappte Heinrich Ranzau) berichtet, einer 
der Dithmarjcher Geiftlichen habe einem Amtsbruder in lateinifcher 
Spracde, von welcher er geglaubt, daß Feiner der Sürften und 
Ritter diefelbe verflehe, feine Beforgnig bekundet, indem er ihm 
zugerufen: „O nos miseri, ad quam servamur lanienam! Jam 
foedere fracto, in nos impetum facient, et veluti pecora ferient 
atque jugulabunt. Totus profecto morte futura palleo atque 
horresco: nam extrema mox passurum me videol® — „Wir 
Elenden, zu welchem Blutbade werden wir aufbehalten! Bald 
werden fie das Bündnig brechen, uns überfallen und wie Schlachtvieh 
niederftoßen. Ich erblafie und fchaudere vor dem nahen Tode, 
denn bald, ich fehe es, werde ich den leßten Stoß erleiden müfjen!“ 
Heinrih Ranzau aber habe das verftanden und darauf erwidert: 
„Quid, tu nos ex vobis judicas? Vos quidem digni essetis, in 
quos saeviretur, at nobis indignum, qui saeviamus, datam nec 
revocamus fidem nec frangemus.* — „Will du uns nach Euch 
beurtheilen? Ihr hättet wohl eine blutige Strafe verdient, aber 
wir wollen fie nicht vollziehen. Treue und Gelübde pflegen wir 
weder zu brechen, noch zurüdzunehmen.” Die edlen Herren hatten 
aljo noch großmüthig gegen die überwundenen Dithmarfcher 
gehandelt. Beinrich Ranzau hat offenbar durch Anführung diefer 
Epifode feiner Eitelkeit fröhnen und das Bedürfnig, das ſchmäh⸗ 
liche Derfahren der Eroberer zu fchmüden, befriedigen wollen, und 
infofern, als diefes der Sall, hat er auch hierin einen Beitrag zur 
Gefchichte des letzten Dithmarfcherfrieges gegeben und wäre nur 
zu wünfchen, daß das, was er von der Treue der Holfteiner und 
der Dänen fagt, auch in Wahrheit hätte gejagt werden mögen. 
Die Sreiheit Dithmarfchens blühte dann heute noch. 

Das an die Sürften übergebene Kriegsgeräth wurde fogleich 
nah Meldorf abgeführt. — An Kanonen follen die Dithmarfcher 
nur noch zehn Stüd abzuliefern gehabt haben, weil die übrigen fchon 
im Kampfe genommen waren. Im ganzen waren 108 gegofjene 
Kanonen auf Rädern, größtentheils Falkonetten und Quartier 


474 Dritter Abſchnitt. Dieste Abtheilung. 


fchlangen, an theils erobertem, theils jeßt ausgeliefertem groben 
Gefchüg vorhanden. Außerdem wurden drei Mauerbrecher, welche, 
wie aus den auf felbigen befindlichen gegoffenen Wappen, die 
das Leffelblatt der Schauenburger zeigten, zu entnehmen, in 
früheren Dithmarfcherfriegen den Holfteinern abgenommen worden 
waren, ausgeliefert nebft mehreren, gleichfalls in früheren Kriegen 
eroberten holfteinifchen Fahnen, der nur noch in Segen vorhandenen 
alten Danebrogsfahne, jowie den bei Hemmingſtedt erbeuteten 
dänifchen Beichslleinodien und dem ebenfalls dort erbeuteten gol- 
denen Wlundbecher des Herzogs Sriedrih.T Bei Abführung des 
Geſchützes und der anderen Waffen, fagen alte Chroniften, weinten 
die Dithmarjcher. Don den abgelieferten Waffen gab man diefen 
viele Speere zurück, damit fie fich herumftreifender Soldfnechte aus 
den Miethstruppen, deren die Sürften fich zur Eroberung des 
freien Landes bedient hatten, erwehren Fönnten. 

Nachdem die gedemüthigten Dithmarfcher den Huldigungseid 
geleiftet hatten, durften fie fich erheben und wurden zu Gnaden 
angenommen, mußten die 24 Geiſeln ftellen, die von den Fürſten 
ausgewählt und nach der holfteinifchen Seftung Rendsburg gebracht 
wurden, und wurden dann in Gnaden entlafien. Herzog Adolph 
aber, der, noch fchwer leidend an feiner Wunde und faum ver: 
mögend, ſich auf dem Pferde zu halten, fich doch den Triumph, 
die freiheitsftolgen Dithmarfcher gedemüthigt zu fehen, nicht hatte 
verfagen wollen, rief ihnen fpöttifch nach: „Xu gaet tho Huus 


— — 





Das Danebrog kam nach dem Schleswiger Dom und ſpäter, als die 
Gottorper nach Kiel überfiedelten, in die Kieler Nikolaikirche. Hier gerieih 
ſelbiges aus Unkunde von ſeiten der Bauleitung bei einer Venovirung 
im Innern der Kirche mit altem Gerümpel auf den Kirchenboden, wo es 
dann zu Grunde ging. (Dahlm., Dorl. üb. dän. Geſch.) Es ift alfo ein 
Irrthum, wenn gemeint worden, daß die Schleswig-Holfteiner bei Edern- 
förde vom „Chriftian VIII.” das alte Danebrog erlangt hätten, um fo mehr, 
als das alte Danebrog niemals als Sciffsflagge gedient hat. Das Danebrog 
Waldemars des Siegers, das Feldzeichen des Dänenheeres unter perfön- 
licher Führung des Königs, ift nirgends genommen worden, als nur in der 
Schlacht bei Hemmingſtedt am 17. Februar 1500, 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarjcder Sreiheit — 1559. 475 


und et’t wat warmen Kohl!”, welches, fagt Neocorus, velen, fo 
ehre angebarne Srieheit leff, fchmertlih tho Berten gegangen. 
Belümmerten Herzens und gedrüdten Sinnes fehrten fie zurüd, 
ein Jeder zu feiner Heimftätte. Ein entjegliches Jammern, Weh— 
klagen und Trauern, jagt Neocorus, herrichte im Lande, als fo Diele, 
die lampfesmuthig mit Hinausgezogen waren zum Schuße der 
Sreiheit und des Daterlandes, nicht wiederkehrten. Allein aus dem 
Kirchipiel Büfum waren, nach Neocorus, 87 Einwohner gefallen, 
— „faft mehrendels olde Lüde" — 14 von Werven, 31 von Dielhufen 
und 42 von Xlorddorp, dem Kirchorte. In anderen Sreiheitskriegen 
hatte man auch um feine Gefallenen getrauert, aber die Sieges-» 
freudigfeit hatte die Trauer gemildert. Jet war die Trauer eine mehr 
als zwiefache: man trauerte um die gefallenen Sreiheitsfämpfer und 
um die verlorene Sreiheit felbfl. Das Erfte nach der Heimkunft war, 
dag man feine Gefallenen auffuchte, jede Familie die Jhrigen, und fie 
felbft der Erde, wo fie eingefcharrt waren, entnabm, um fie nach 
den Gräbern der Däter zu bringen. Sie waren es werth, neben 
diefen zu ruhen; fie hatten die von den Dätern ererbte Tapferkeit 
und Sreiheitsliebe im legten Kampfe bewährt. Die alte Tapfer- 
feit, der alte Sreiheitsfinn, die alte Hingabe und Todesperachtung, 
fe finden fih im legten Sreiheitsfampfe überall wieder bei den 
Dithmarfchern. Es fehlte nur an Einheit, Ueberordnung und 
Unterordnung, die wohl durch den Zwieſpalt der Gefchlechter feit 
Der Reformation verhindert ward, und an der Möglichkeit, die 
natürlichen Bollwerle der Dertheidigung, wie in früheren Kriegen, 
fo auch jeßt, auszunugen. Die ungewöhnlich große Dürre des 
Sommers hatte ihnen in Ddiefer Rückſicht viele der bewährten 
Dertheidigungsmittel genommen, jonft hätten fie fich troß der 
Hriegsfunft eines Johann Ranzau und Herzogs Adolph doch noch 
der Uebermacht erwehrt. Die Trockenheit des Sommers geftattete 
dem Seinde eine ungehinderte Derwendung feiner relativ ſtarken 
Kavallerie — 4000 Mann wohlgeübter und gerüfleter Reiter. 
Das war das Derderben der Dithmarfcher. Ohne die Reiterei 


476 Dritter Abfchnitt. Vierte Abtheilung. 


wäre bei Hefel das Schönwefenfche Regiment vernichtet und gleich 
der erfte Sturm auf Meldorf abgefchlagen, bei Ammerswurth das 
oldenburgifche Eorps aufgerieben und vor Heide das ganze, 
bereits entmuthigte und zum Weichen gebrachte feindliche Beer 
in die Slucht gefchlagen worden. Im ganzen mit 6—7000 Mann 
einer vierfachen Uebermacht im Felde entgegenftehend, hatten die 
Dithmarfcher in der Dereinzelung ihrer Streitfräfte, in die der 
friegserfahrene dänifche Seldherr, Johann Ranzau, fie zu bringen 
wußte, vor Heide, an dem heißen Tage des 13. Juni, felbft gegen 
eine zehn- bis zwanzigfache Uebermacht geftritten, ohne zu wanken, 
bis fie der Wucht des Anpralls flürmender Reitermaffen weichen 
mußten. So waren fie der freien Däter, zu denen die Gefallenen 
verfammelt wurden, wert. Die Kebeine der Däter grünten noch 
immer, da fie lagen; ihr, der Däter, Name ward gepriejen in ihren 
Kindern, auf welche er vererbt war. — Die Ueberlebenden hatten bei 
Heide jeden Sußbreit Kandes dem Seinde flreitig gemacht und fich 
erfi dann nach Wöhrden, von wo einft Sieg und Derderben über 
die Holfteiner ausgegangen, zurüdgezogen, als es unmöglich 
geworden, das brennende und zufammengefchoffene Heide länger 
zu halten. Wer das Leben fich errungen, legt die Waffen würdig 
ab! Die Schmah, die man den Befiegten zufügte am 20. Juni, 
fie fiel zurüd auf die holfteinifchen und dänifchen Eindringlinge. 
Der Ruhm, den diefe von ibrem Eroberungsjuge hatten, war, 
daß fie offen als Räuber und Mordbrenner angeklagt wurden. 
Weil Andere fie nicht lobten, mußten fie es felbft thun. Poeten, 
wie Hieronymus Hofius (Ofius), Eafpar von Ens u.a. mußten 
auf Beftellung Siegeslieder auf den Dithmarſcher Krieg zur 
Derherrlicyung der Sürften dichten. Der königlich dänifche Seldherr 
Johann Ranzau und der Fönigliche Statthalter Heinrich Ranzau 
wurden angeregt, in Profa die Thaten der Eroberer ins Eicht zu 
ftellen.! Die Eroberung Dithmarfchens ift hier nicht ein Raub, 


’ Aus der Quelle, weldyer die beregten beftellten Machwerke entfprangen, 
ift das von holfteinifchen Chroniften neuerlihft noch citirtes „Ense quid 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 477 


fondern eine Strafe von Bott. Heinrich Ranzau fagt: „Wie die 
Dithmarfcher durch ftetess Glück übermüthig und durch die 
Sruchtbarfeit des Landes muthwillig, über die Maßen trogig und 
wütherifch wurden, reizeten fie Gottes Som wider fich und 
empfingen den Lohn, den fie durch ihre langwierige Halsſtarrigkeit 
und Bottlofigkeit verdient Hatten. Ich will verfjchweigen, was 
die allgemeine Sage von der Bauern Neppigfeit und Hoffart, 
von ihrer Unbilligleit und Ungerechtigkeit, von ihren unzähligen 
Mordthaten und Nebelthaten, und wie wenig folche geſtraft worden, 
erzählt, Damit es nicht fcheine, als ob ich nach bloßen Gerüchten 
urtheile. Aber es hatte diefes Doll eine fo unverfchämte Ein- 
bildung von fich felbfl, weil es feine Sreiheit fo lange Zeit 
hindurch befländig vertheidigt und felbft den Namen der Dienft: 
barkeit von ſich abgewandt, fo viele herrliche Heere gefchlagen 
und einige totaliter gefchlagen hatte, daß es meinte, ganz 
unüberwindlich zu fein, und glaubte, in feinem fo befonders, theils 
von Zatur, theils durch Fünftliche Werke, feften Lande weder 
durch Gewalt noch durch Eift beswungen werden zu Fönnen. 
Daher lebte es ohne alle Surcht, und weil es ein fo fettes, frucht- 
bares £and innehatte, wurde es muthwillig, daß es alle Obrigfeit 
verachtete und verfpottete und dafür hielt, es könne durch feine 
Geſetze und Derordnungen, Durch welche andere Nationen regiert 
werden, zur Beobachtung defjen, was ihm zuwider, angehalten 
werden. — Ich bin durchaus der Meinung, daß folches Elend 
durch ein gerechtes Sorngericht Gottes über diefes Dolf gelommen 
iſt.“ So legten fich die getreuen Unterthanen in den Landen der 
Sürften die Moral der Befchichte zurecht. Wie man den Mann 
in der Jugend gewöhnt hat, fo bleibt er auch im Alter, und die 


educto cataphractus? Marte rebelles — Holsatico victos denotat esse viros“ 
abgeleitet, in welchem von Befiegung der Rebellen durch holfteinifche Kraft 
geredet wird, trogdem die drei „Berzoge von Holftein” mit gedungenen 
£andstnechten, „dudeſchen Unechten“, das freie Dithmarfchen überfielen und 
bewältigten. 


478 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


da verftridt find in dem Werke ihrer Hände durchs Wort, wie 
Heinrih Ranzau Hier, die rühmen fich gerne, fagt ein altes 
Königswort, ihres Muthwillens. „Sie fegnen fih ſelbſt und 
läftern. Liegt ihr Seind ihnen ob, fo leiden fie Unrecht; geht 
ihr Muthwille fort, fo ift ihr böfes Werl ein Thun von Gott. 
In ihrer Rede ift nichts Gewiſſes, ihr Inwendiges ift Berzeleid, 
mit ihren Zungen heucheln fie und reden ftolz. Sie freuen fick 
des Schadens ihres Seindes, der gerechter ift, als fie, und trachten 
danach, ihn zu flürzen, lauern auf ihn, wie ein Löwe, der des 
Qaubes begehrt. Mit Denen, die da heucheln um des Bauches 
willen, beißen fie die Zähne zufammen über ihn, fperren das 
Maul auf und rufen, wenn fie ihn im Elend erbliden: Da, das 
fehen wir gern, das ift von Gott! Soldye Weife müflen auch 
umlommen, wie die Narren, daß fie ihrer Chorheit inne werden, 
vom Dünlel genefen und ablafjen von ihrem verkehrten Wege.“ 
Es ift der blinde Haß eines dünkelhaften Adels wider ein freiheits- 
ftolges Dolf, das die unverfchämte Anmaßung desfelben fo oft 
gebührend abgewiefen hatte, der fich in den Worten des Heinridg 
Ranzau Luft macht, der, indem er den Wald vor Bäumen 
nicht fieht, von unverfchämter Einbildung der Bauern fpricht, 
während er felbit ſich einbildet, eine Zuchtruthe Gottes über die Un- 
verjchämtheit wider den Adel zu fein. — Die wirkliche Befinnung 
des Heinrich Ranzau bezeugt ein von Falk (Staatsi. Magaz. 700) 
mitgetheilter Brief desjelben an den König, in welchem er diejen 
bittet, ihn mit ins Feld ziehen zu laflen, damit er fich für der 
Qachtheil, den die Dithmarfcher ihm an feinen an der Grenze 
belegenen Gütern zufügen würden, fchadlos halten köme. &s 
war immer nur auf Raub und Beute abgefehen in den Kriegen 
der Holfteiner wider Dithmarfchen. Don dem Haß wider die 
Dithmarfcher, von der Derrohung des fittlichen Gefühls und der 
Derwilderung des fittlichen Urtheils gerade auf holfteinifcher Seite 
zeugt es auch, dag, wie Hamelmann (Oldenb. Ehronif, 380) 
berichtet, einige kriegsgefangene Dithmarfcher, die der Graf Anton; 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 479 


von Oldenburg in Ketten Hielt, die er aber vom Könige bereits 
losgebeten hatte und nun vom Herzoge Adolph gleichfalls losbitten 
wollte, noch im Eiſen figend, nach geichloffenem Waffenſtillſtand 
von den Holfteinern erftochen wurden, und daß, nach des Neocorus 
Bericht, die Einwohner des Dorfes Reer im Kirchfpiel Schenefeld 
nach wehrlofen Dithmarfcher Slüchtlingen, die vor der rohen 
Söldnerbande bis zum Ende des Krieges jenfeits der Grenze 
Sicherheit zu finden gedacht, wie nach Sielfcheiben gefchoffen und 
Einige derfelben gezwungen hatten, ihr eigenes Grab zu graben, 
vor dem fie dann über den Haufen gefchoffen worden. — Die 
Dithmarfcher fielen weder aus Mangel an Tapferkeit, noch infolge 
von Zuchtlofigkeit. „Sie fielen, weil von allen Seiten Sürften 
und Herren über fie herfielen“, fagt ein Schweizer Gejchichtsfchreiber 
zutreffend, „weil fie jeit Jahrhunderten geheßt wurden, gehebt, wie 
das edle freie Wild des Waldes von der Herren Hunden, die wie 
der unvernänftigen Chiere und ihrer Wohnftätten, fo auch der 
Dölfer und ihrer Länder alleinige Herren und Beſitzer zu fein 
beanfpruchen. Wer ein Herz hat für der Dölfer Sreiheit und 
Selbftändigkeit, für die freie Hraftentfaltung und die dadurch 
bedingte Wohlfahrt der Menfchen, der wird den endlichen Sal 
der Dithmarfcher bedauern und ihren fühnen Kämpfen um der 
Menfchheit höchftes Gut feine Anerkennung zollen und feine höchſte 
Bewunderung.” 

Dithmarfchen war nun fürftliches fand. Die Sürften beeilten 
fich daher, das gedungene Raubgefindel der Eandsfnechte aus dem 
£ande loszuwerden. Das Heer wurde gleich nach der Huldigung 
beurlaubt. Das paßte den Miethsfnechten nicht. Sie wollten 
mehr, als einfachen Sold, und verlangten Theil am Raube und 
an der Beute der Sürften. Als fie am 21. Juni fchon aus dem 
£ager an der Aubrüde bei Süderheiftedt aufbrechen mußten, um 
aus dem Kande zu marfchiren, erhob fich deswegen ein arger Tumult, 
der in offenen Aufruhr überzugehen drohte, fo daß die Sürften fich ge- 
nöthigt fahen, mit der Zeiterei gegen die Sußfnechte vorzurüden 


480 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


und, um es nicht zum äußerften fommen zu laſſen, die troßige 
$Sorderung der Söldlinge von eines vollen Monats Sold über ihre 
Dienftzeit hinaus als Entfchädigung für die ihnen verjprochene 
Beute, die nun von den Herren ihnen vorenthalten wurde, zu 
bewillign. Die beiden Prinzen, Johann von Badersleben und 
Adolph von Gottorp, zogen mit der Reiterei und dem Schön 
wefenfchen Regiment nach Meldorf. Die übrigen Theile des 
Beeres wurden, um ferneren Unruhen vorzubeugen, ohne Artillerie, 
die Sicherheits halber von den Sürften in Meldorf zurüdbehalten 
ward, auf verfchiedenen Wegen aus dem Cande geführt. Der 
Graf von Oldenburg mußte über Elmshorn, Wallerthumb über 
VNeumünſter und Reimer von Walde über Bramjtedt ziehen. Aus 
Dorficht gegen alle Gefahr von feiten meuternder Söldner waren 
fogar die MWälle der Feſtung Rendsburg friegsmäßig armirt 
worden. Wrisberg mit dem Schönwejenfchen Regimente wurde 
noh auf act Tage an die holfteinifche Grenze bei Schafftedt 
verlegt, bis alle übrigen Truppen das Land geräumt hatten; 
dann wurde auch diefes Regiment entlaffen und zu Bramftedt 
abgelohnt. Die Neiterei wurde zu Broßen-Aspe abgedantt. Alle, 
die im Kriege wider Dithmarfchen gedient hatten, wurden wohl 
belohnt, die Sührer fürftlich begabt und beſchenkt. — Es konnte 
das darauf ftehen. Das Gefchäft Hatte es eingebracht.‘ 

Die Kriegstoften für den Eroberungszug, die man, von dem 
eroberten Lande erftattet zu fordern, fich nicht entblödet hatte, die 
dann aber, als die Dithmarfcher die bezügliche Sorderung als eine 
„unchriftliche” bezeichneten und diefelbe verwarfen, aus „angeborner 
fürftlicher Güte und Mildigkeit“ den neuen Unterthanen gefchentt 
wurden, betrugen für einen jeden der drei Sürften 72 000 Reichs⸗ 
thaler. 


' Die Erben des Wieben Peter, deſſen Schidfal auf Helgoland dem 
Herzog Adolph zum Dorwand wider Dithmarfchen diente, wurden audy nicht 
vergefjien. Wie Xeocorus berichtet, mußten die Dithmarfcher ihnen 
6000 Mark als Sühne zahlen. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarſcher Freiheit — 1559. 481 


Die Eroberer Dithmarſchens kamen ſchon Anfang Juli in 
Rendsburg zuſammen und theilten das eroberte Cand unter ſich, 
wie fie Holftein fchon unter fich getheilt Hatten. &s handelte fich 
vorläufig nur um eine Jnterimstheilung. Mit Hülfe der 24 Geiſeln 
und anderer angefehener Männer des Landes, deren aus jedem 
Kirchipiele zwei dazu herangezogen worden, ward Dithmarjchen 
in drei Theile getheilt: einen WMeldorfer, einen Heider und einen 
£undener Theil. Su erfterem wurden gelegt die Kirchfpiele 
Brunsbüttel, Marne (wozu St. Michaelisdonn gehörte), Eddelad, 
Burg, Süderhaftedt und Barlt, fowie die Meldorfer Dörfer Süder- 
und Norderbufenwurth, Eefch, Büttel, Elpersbüttel, Ammersmwurth, 
Windbergen (diefes galt als Dorf der Meldorfer Gemeinde, mit 
eigener Kapelle, reſp. Kirche), Eckſtedt, Wolmersdorf, Niendorf, 
Varnewinkel, Krumftedt, Baringftedt und Gudendorf; zum anderen 
die Kirchfpiele Heide, Alberftorf, Nordhaftedt, Hemmingftedt, 
Wöhrden, Wefjelburen und Büſum, fowie die übrigen Dörfer 
des Kirchjpiels Meldorf; zum dritten Theil die Kirchipiele Eunden 
(mit St. Annen), Neuenlirchen, Hemme, Weddingftedt, Henftedt 
(mit Schlichting), Delve und Tellingftedt. — Meldorf und Eunden 
fcheinen 1559 ftillfchweigend auf das Stadtrecht verzichtet zu haben. 
Beide erſcheinen feitdem als Marftfleden. Der König erhielt den 
Meldorfer- oder Südertheil, Herzog Johann den Heider- oder 
Mitteltheil und Herzog Adolph den Eundener- oder Nordertheil. 
Ueber jeden der drei Eandestheile wurden ein Dogt und acht 
Käthe als Richter gefeßt. Sür den Südertheil wurden ernannt 
Jacobs Harder zu Brunsbüttel (Dielshörn) zum Dogt, und zu 
Näthen: Lies Jacobs Johann und Drewes Johann zu Marne, 
Magens Hans Larften zu Eddelad, Elaus Bruhn und Detlef 
Held zu Meldorf, Schuddinges Srenz zu Süderhaftedt, Johanns 
Maes zu Barlt und Dirdes Maes zu Windbergen; für den 
Mitteltheil Wold Reimers zu Heide zum Dogt, und zu Räthen: 
Jerren Elaus Marks zu Alberftorf, Claus Carften zu Nordhaftedt, 
Maes Ties zu Hemmingftedt, Hans Elaus Hinrichs zu Wöhrden. 

Ditbmarfcher Gefchichte. 31 


482 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


(Wakenhuſen) Earften Johann und Reimer Vagt zu Weffelburen, 
Johann Dirkjen zu Büſum und Johann Neimer zu Heide; für 
den Nordertheil Marcus Swyn zu £imden (Lehe) zum Dogt,! und 
zu Näthen: Junge Johans Earften zu Neuenkirchen, Thomas Boje 
und Hans Nann zu £unden, Elaus Bude zu Hemme, Wiebers 
Carſten zu Meddingftedt (Stelle), Reimer Sede zu Hennitedt, 
Detleffs Junge Johann zu Delve und Hebbeden Peter zu Telling- 
ftedt (SOfterborftel). — Jacobs Harder war vorher Dogt der 
Strandmannsdöfft; Wolt NReimers und Marcus Swyn waren 
Achtundpierziger. Unter den Räthen find Hans Claus Hinrichs, 
Reimer Dagt, Wiebers Carſten, Beimer Sede, Detleffs Junge 
Johann, Thomas Boje und Hans Nann als Achtundvierziger 


! Die Sage will, daß Marcus Swyn mit dem Herzoge Adolph auf einer 
Univerfität (wohl Löwen, die damals von Dithmarfchern ſtark beſucht wurde) 
befannt worden fei und im freundfchaftlihen Derfehr vom Herzoge Adolph 
die Zuſage erhalten habe, daß er, wenn der Herzog einft Dithmarſchen 
erobern würde, Landvogt werden folle. — Jedenfalls ift hieraus zu ent- 
nehmen, daß Marcus Swyn eine gelehrte Bildung genofien, und daß 
die Dithmarfher Kandespertretung Männer unter fih zählte, die zur 
Zeitung eines Bemeinwefens durch gründliche Bildung ſich vorbereitet hatten. 
Bans Dethleff nennt den Marcus Swyn einen befonders gelehrten Mann — 
„Mare Swyn, ein befonder gelahrter Mann, fo de Lapitulation mit tho 
ftellen helpen,: ein Sohns — Sohn des befondern wifen und mächtigen 
Deter Swyn, welter ein Dader des Daderlandes und de vornehmfte under 
den Adtundvertigen gewefen”. Daß er Adhtundvierziger war, berichtet 
Xeocorus: „Hertog Adolph averfi hefft van finetwegen in dem Xlorderdehle 
de Fantvagedie avergeven unde upgedragen od einem, fo vormals under den 
Adtundvertigen mit gewefen, einem Hußmann averft, de fi hen und 
wedder wol vorfaht, mit Namen Marcus Schwien, de finen Gerichtsplaß 
und Wahninge od nha finer Gelegenheit tho Kunden erlanget.“ 

® Junge Johans Earften ift wohl derAchtundvierziger Carften Junge, 
Sohn des Adhtundvierzigers Junge Johann (Johann oder Hans Junge 
Die Junge werden wohl nebft den Seden zu den Itzemannen in Sclichting 
gerechnet; allein das alte mannhafte Geſchlecht der Itzemannen, von dem 
die Mehrzahl 1559 an der Aubrüde fiel, war vordem fo zahlreich, daß es 
cin eigenes Fähnlein ins Feld ftellen Ponnte, und war von Bennftedt über 
Schlichting nah Neuenkirchen hin verbreitet. 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 483 


befannt.! Wahrfcheinlich find, foweit thunlich, die Gerichtsftellen 
überhaupt mit früheren Achtundvierzigern befeßt worden. Diele 
der Achtunvierziger waren in der Fehde geblieben, unter Anderen 
werden beide Achtundvierziger des Hemmer Kirchfpiels, Elaus 
Halken und Llaus Johann, aus dem Sulemannengefclecht, als 
in der legten Sehde gefallen angeführt. Vogt und Näthe hatten 
die bürgerliche und die peinliche Gerichtsbarkeit zu verfehen, nach 
Dithmarfcher Candrecht. — „Duffen hebben wy Macht unde Gewalt 
gegeven tho richten, einem idern Daget und finen acht Rehden in 
finem Drutten Deele in pinliden und borgerliden Saken aver Kief, 
Ehre und Gudt, nha dem befchreven ditmerfcher Recht“ heißt es in 
den fürftlichen Receß, d. d. Rendsborg, Sonnapendes post visit. 
Mariae 1559. _ Auch wurde beftimmt, daß nur geborene Dith- 
marfcher zu Dögten und Räthen follten genommen werden Fönnen. 
Die bezügliche Beftimmung foll vornehmlich durch Marcus Swyns Be» 
mühungen den in der Kapitulationsafte feftgeftellten Begünftigungen 
noch hinzugefügt worden fein.” Ueber Dithmarfcher Blut follten nur 
Ditmarfcher richten fönnen, nach Dithmarfcher Recht. Damit aber die 
Sürften nicht fo oft mit Rechtshändeln bejchwert würden, ward für jeden 








I Reimer Dagt war Kirchſpielvogt in Weffelburen. Johann Dirffen 
(Brote Johann Dirkſen) war Kirdyfpielvogt zu Büſum und ftarb 1587. Johann 
Reimer war eine Seitlang Landvogt in Heide. Wiebers Carſten wird als 
Kirdfpielvogt in Weddingftedt bezeichnet; er flarb den 20. Oktober 1586 
im 66. XKebensjahre. Hebbecken Peter war bis 1589 Kirdyfpielvogt in 
Cellingſtedt. Hans Hann flarb den 15. September 1591 als der Kette der 
Adhtundvierziger, wie die Inſchrift auf dem Leichenfteine der Nannen zu 
£unden befagt: „Olde Peters Hans Hann, Regente, — Olde Claus Hann, 
Jernfalems-Ridder, — Olde Peter Hann, Regente, — Dengentins ann, 
— Claus Hann, — Bans Nanne feliger, ower 100 Jahr old, de letsde van 
de 48 nnd des Keripels £unden Radesvorwante, is Anno 91 den 15. Sep- 
tembris ſalichlike in Godt entflapen.“ 

’ Mardus Swyn legte 1575, erft 50 Jahre alt, die Landvogtei nieder, 
zum Bedauern des Herzogs Adolph. — Diefer fagt in der Konftitution, 
mitielft welcher Marcus Swyn entlaffen wird: „Als weiter ſich verrückter 
Seit zugetragen, daß unfer Landvogt, Marz Schwien, feiner anliegenden 
Gelegenheit halber, deren er uns berichten laffen, unterthänigen und in- 

31* 


484 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


£andestheil ein Gouverneur beftellt, bei dem in zweifelhaften 
Sällen Dogt und Eingefeffene fih Raths und Befcheides erholen 
fönnten. Sür den Südertheil wurde ernannt der Amtmann zu 
Segeberg, Statthalter Heinrich Yanzau, für den Mitteltheil der 
Amtmann zu Rendsburg und für den Wordertheil der Amtmann 
zu Bottorp. Die Cheilung des Landes wurde erft 1568 genauer 
beftimmt. Aus den Aemtern der Gerichtsräthe find in der Solge 
die Kirchfpielvogteien entftanden. Wie die Cheilung des Kandes, 
jo erfolgte auch die Beftellung der Dögte und Räthe unter 
Suziehung der vierundswanzig GBeifeln und der betreffenden Einwohner 
der Kirchfpiele. „Nademe dat Eand Ditmerjchen, beide Marſch unde 
Geeft mit Radt und Chodoende der veer unde twintig Giefelern und 
uth jederm Earfpel twier framer Lüde, fo wi dartho erfordert, in dree 
Deele, tho Behoff der Berichte und fchleuniger Derhelpung des Hechtens 
und nicht thom Grunde einer Erfdehlinge, van einander gefettet und 
geleggt, hebben wi in einem ideren Deele verordnet und gefettet einen 
Dagt und acht Rehde, alle uth dem Kande Ditmerfchen gebaren, unde 
de van bovengemeldten Giefelern und Earfpellüden dartko duchtig 
erfannt und bendmet”, heißt es in dem beregten fürftlichen Receß. 
Das eigene Intereſſe bewog die Sürften zu diefer Rückſichtnahme. 
Sie wußten nur zu gut, daß die Dithmarfcher von jeher es 


ftändig bei uns angefudht, Ihn feiner Eide und Pflicht, die er uns feines 
Amptes halber gethan, zu erlaffen, und Wir in Befindung allerhandt umb- 
ftende endlich dahin bewogen, Ob Wir wohl Jhn bei diefem Dienfte gerne 
behalten hetten, daß dennoch der Billigfeit nach feine fleißigen und embfigen 
Anfuchen ftath zu thun. So haben Wir feine unterthänige Pitte gnädiglich 
eingeräumet und ihn weiter nicht, als auf jegigen gehaltenen Dithmarfchen 
Redtstage mit dem Ampte der Eandvogtei zu befchweren gewilliget.“ Als 
die Uenordnung der Dinge befhafft war und für die Beamten nichts mehr 
übrig blieb, als nach Dorfchrift zu fungiren, mochte dem früheren 2lchtundpier- 
ziger und Enkel des Peter Swyn wohl die Ehre eines Dieners des Fürſten 
drückend werden. Mareus Swyn ftarb am 11. Juni 1585 als Hausmann 
zu £ehe. Er hinterließ Beine Keibeserben. Sein VNachlaß fiel an Seiten- 
verwandte. Seine Bibliothef hatte er fchon 1582 der Kirdhe zu Kunden 
geſchenkt. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfdyer freiheit — 1559. 485 


verfchmäht hatten, vor Sremden ihr Hecht zu fuchen und nad 
fremdem Recht fich richten zu laſſen. Artifel 2 des Kandrechts von 
1447, der mit Beziehung auf die Anfprüce des ordentlichen 
geiftlichen Gerichts für Nordelbingen zu Hamburg beliebt ward, 
beflimmte: „Wer de hier boven na deſſem Daghe breve effte 
farlinen! wynnet van Praveften effte Prälaten unde lefen Ieet, he 
fv wer dat he fy, de fchall gebroden hebben tegen unſe land 
LX £üb. Mark und fchall wejen unfem lande loveloß unde ehrloß, 
und fin Hug fchall men bernen.“ Angefichts deflen blieb den 
Sürften, wenn fie nicht abfichtlih Anlaß geben wollten zu neuer 
„langwieriger Rebellion“, nichts anderes übrig, als hier möglichfte 
Schonung zu üben. Im übrigen waren die Anordnungen und 
Beftimmungen, durch welche die Eroberer ſich des Befiges des 
Landes dauernd zu verfichern trachteten, drafonifch genug. Alle 
Widerjetlichfeit gegen. fie jelbft oder ihre Diener, alle Beleidigung, 
wenn auch nur in Worten beftehend, follte an Dem, der fich der- 
gleichen zu fchulden fommen ließe, und auch an Allen, die dazu 
geholfen haben möchten, mit Derluft Leibes und Guts geftraft 
werden, ohne alle Gnade. „jo jemand worde fi! wedder uns 
efte unfe Erven upwerpen, Uplop unde Müterie malen, effte mit 
Anderen Anjchläge und practicen malen, de uns an Lieve, Levende, 
Lande unde Euden to fchaden gerefeden, effte gerefen mochten, effte 
fi mit untemliden Worden jegen uns vergriepen, effte unfe Dogde, 
Rehde, Schrivers, Baden und Dener, de wy im Lande hebben 
effte dDarhen fenden worden, mit der dath beleidigen worde, de fulve 
ſchall famt allen denjenen, fo darto geholpen effte geraden, ane 
alle Gnade LKief und But vorbroden hebben unde datfulve to 
unſen handen vorfallen ſyn“, wird in dem angeführten Receß 
befimmt. Am Dienstag nach Michaelis desfelben Jahres 1559 
wurde auf Deranftaltung der Sürften zu Rendsburg ei Tag 
gehalten, auf welchem Dithmarſcher Abgeordnete mit den Näthen 


! Karlinen = obrigfeitlihe Erlaffe. Die Bezeichnung foll aus der 
Seit Karls des Broßen ftammen. 





486 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


der Sürften über Angelegenheiten des Landes beriethen und über 
unklare Beftimmungen die Willensmeinung der Sürften vernahmen. 
Johann von Holftein-Hadersleben und Adolph von BHolftein-Bottorp 
icheinen felbft gegenwärtig gewejen zu jein. Hier wurde über 
zehn Punkte, worüber die Dithmarfcher Erklärung nachjuchten, 
entfchieden. Diefelben betrafen die Regulirung von Erbichaften, 
Strafe und Beleit von Todtfchlägern, Wiederaufbau von Kirchen, die 
im legten Kriege niedergebrannt waren, Ordnung der Superintendenten 
und des Kalands, Berichtsverfahren gegen Solche, die auf Eitation 
nicht erfcheinen, Berichtsgebühren, Zölle, Erlegung von Eandfchaß, 
Brüchen, Auslieferung von Gefchüß, Demolirung der Schanzen. 
Es wurde den Dithmarfchern auferlegt, die zerjtörten Kirchen und 
Kirchengebäude eheitens wieder herzuftellen und bis zur Wieder: 
berftellung betreffenden ®rts unter freiem Bimmel den Gottesdienft 
zu balten, den Landjchag nach Laut des Buchftabens des Sriedens- 
traftats zu entrichten, vor Martini alle Sejtungen niederzureißen, 
das Hammholz abzuhauen und was an Geſchütz, Munition und 
Sahnen noch vorhanden, abzuliefern. Die Landvögte erhalten 
Befehl, einen der Räthe mit Aufzeichnung der Brüchpöfte zu 
beauftragen, „damit auf die Brüche fleißig Achtung gegeben und 
Sürftlichen Gnaden als der hohen Obrigkeit nichts veruntreut, 
verfchwiegen oder entzogen werden möge“. Damit die Firchliche 
Aufficht defto befjer gehandhabt werde, wird angeordnet, daß in 
jeder der drei Landfchaften ein Superintendent beftellt werde, und 
befohlen, daß am Dienstage vor Martini gegen Abend drei der 
fürftlichen Räthe und drei Hofprediger, fowie alle Geiftlichen und 
die Dögte Dithmarfchens mit den Kirchen- und Kalandsregiftern 
in Rendsburg fich einfinden follen, damit unter den Dithmarfcher 
Geiftlichen drei zu Superintendenten verordnet und wegen der 
Kirchenordnung die nöthigen Derfügungen getroffen werden könnten. 
Dabei jolle den Geiſtlichen dann ernftlich auferlegt werden, „fich 
in ihrem Beruf und Befehl chriftlich, treulih und wohl zu 
verhalten”. Die Kandespäter jegen fich alfo eigenmächtig ins 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 487 


Kirchenregiment ein. Infonderheit follen die Geiftlichen „die 
Gemeine zu allem chriftlichen Gebet und getreuem Gehorfam gegen 
Ihre Süritliche Gnaden, als ihre von Gott verordnete Obrigkeit, 
fleißig vermahnen”. So will man für politiiche Zwede die Kirche 
gebrauchen und maßt fih an, als von Bott geordnete Obrigkeit 
in das Lehramt der Kirche befehlend einzugreifen. Iſt diefes 
bezeichnend für die Auffafjung der Sürften in Beziehung auf die 
Pflichten des Landesregiments, jo ift es für die materielle £age, 
in die das Land durch den Eroberungs- und Plünderungszug der 
Sürften gebracht worden, bezeichnend, wenn es in Nüdficht auf 
die Zahlung des LCandſchatzes heißt: „die gefuchte Kinderung der 
jährlichen fchuldigen Pflicht halber hätten Sürftliche Gnaden fich 
wohl verjehen, daß Sie über Ihre aufgerichteten Derträge (die 
Kapitulationsafte) nicht weiter jollten bemühet worden fein, und 
willen Ihre Sürftlichen Gnaden über Brief und Siegel Feine 
Neuerung oder Deränderung zu verftatten, fondern laffen es Kraft 
des Buchftabens beruhen. ®b aber Jemand über Zuverficht feinen 
Ader ungebrauht würde liegen lafjen und $. &. darüber an 
Ihrer gebührenden jährlichen Pflicht verfürzet würden; fo werden 
Sie dadurch, wiewol ungern, verurfachet, denfelben anzugreifen 
und mit andern Leuten, fo die Gebühr, wie gehört, darum thun, 
wiederum zu bejegen“. Es mochte in den ausgeplünderten Kirch: 
fpielen der Beeft und des Süderftrandes manches Feld, deffen 
Befiger gefallen, aus Noth unbebaut liegen geblieben fein, fo daß 
den Sürften vornehmlich aus der Geeſt, von woher fie die halbe 
Ausfaat beziehen follten, ein Ausfall an der veranfchlagten Ein- 
nahme drohte. Zugleich erhellt aber auch aus dem Befcheide der 
Sürften, daß die Dithmarfcher fih in der Steuerzahlung nicht 
gerade zuportommend bereitwillig erwiefen haben. Auch mit 
Niederhauung des Hammholzes übereilten fie fih nicht. Die 
Sällung des Holzes wurde in der vorgefchriebenen Zeit nicht voll- 
zogen. Unterm legten Dezember 1560 ward der Befehl zur Be- 
feitigung aller Befeftigungswerle und zur Niederlegung des 


488 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


Hammbholzes erneuert, mit dem Hinzufügen, dag den Fürſten 
unbewußt, in welcher Meinung man folches unterlaffe, und dag 
nunmehr die Befeitigung der Seflungswerfe und des Hammholzes 
vor dem 1. Mai nächften Jahres emftlich geboten werde. Die 
anberaumte Derfammlung zu Rendsburg dagegen fand am be» 
flimmten Termin ftatt, Mittwoch vor Martini, 8. November. 
Als Hofprediger waren anwefend: Johann Grevenbrod zu Krempe 
(der von 1540 bis 1542 Paftor in Büfum, dann bis 1546 Paflor 
in Xeuenfirchen, darauf bis nach 1556 Paftor zu Barlt war), 
Georg Boetius zu Hadersleben und Dolquardus Jonas zu Gottorp, 
als Räthe aber, von Föniglicher Seite Llaus Ranzau, von feiten 
des Herzogs Johann: Ive Reventlow und von feiten des Herzogs 
Wolph: Joachim Ranzau. Bier wurde die Kirchenordnung für 
die Sürftenthümer Schleswig und Bolftein auch für das Sürftenthum 
Dithmarfchen verordnet. „La deme ere Königl. Maj. und Sorftl. 
Dorchl. nichts höger ſick anliggen laten, denn dat in erem 
Sorftendome Ditmerfchen de Lehre des allein falih makenden 
Wordes Bades und des hilligen Evangelii, Iuth der Augspurgifchen 
Eonfeffion, gelid in andern eren Sorftendomen erholden, .... hebben 
Konigl. Maj. und $. D. Rede und Hofprediger van wegen 
der Honigl. Maj. und $. D. tho Holften und der Ditmerfchen 
geordnet und befahlen, damit gelidformige Ordeninge und Regiment 
in allen der Konigl. Maj. und F. D. Landen Kercden geholden, 
dat der Konigl. Maj. und $. D. Kerden-Ördeninge, fo in den 
Sorftendomen Schleswig? und Holſten gebrudlich, in Ditmerfchen 
angenahmen und geholden werden fchall.” (Rendsburger erfte 
Abjchied, d. d. 10. Novbr. 1559.) Dithmarfchen wird hier als 
Fürſtenthum dem Sürftenthume Holftein gegenübergeftellt. Beide 
Sürftenthümer, Dithmarfchen und Holftein, bilden ein Herzogthum, 
„Holftein“.! Zu Superintendenten (Pröpften) wurden beftellt: 





* Wie die fürften immer Dithmarſchen als ihr Fürſtenthum bezeichrret 
haben, fo haben fie für dasfelbe audy flets ein befonderes Wappen im 
Scdilde geführt: den geharnifchten Reuter — ein Sinnbild der Wehrhaftigfeit, 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 489 


Paſtor Hinrich Dimerbrod zu Brunsbüttel für den Südertheil, 
Daftor M. Johann Spelberg zu Weflelburen für den Wiitteltheil 
und Paftor Theodoricus Lanth zu Weddingftedt für den Norder⸗ 
theil.? Die vorhandenen Kirchenregifter wurden von den Geiftlichen 
abgegeben und diefe mußten geloben, falls ſich noch mehr der- 
gleichen fände, folches ebenfalls auszuliefern. Hierdurch ift un- 
zweifelhaft manche wichtige Nachricht zur Dithmarfcher Gefchichte 
verloren gegangen. — „Solgends hebben de Paweſtlicken Prefter 
veles to Papier gebracht und in den Mifjalen angetetenet, wo denn 
folfe dithmerjcher Jahrböfer in grotem Anjehen by den Uthlenderen 
gewejen, alfo dat de Hiftorien derfulven gedenken und ehrer 
Richtigkeit befruchten”, fagt Neocorus. Die Superintendenten 
gaben die Derficherung an Eides Statt, fich ſtets und überall als 
getreue, gehorfame Unterthanen der Sürften zu erweifen, deren 
Beftes zu fördern und was denfelben zum Vachtheil fein könne, 
abzuwenden, geheim und Öffentlich. Gleichermaßen verflichteten fich 
fodann die übrigen Geiftlichen. — Nachdem fo an Stelle der alten 
Selbftbeftiimmung der Kirchipiele und des Landes der Herricherwille 
der Sürften gefegt worden, mußte das alte Landrecht in vielen 
Stüden der Neuordnung zuwider lauten, daher unzeitgemäß erfcheinen. 
Es wurde dasjelbe denn auch in mehreren feiner Beftimmungen 
außer Kraft gefeßt und zugleich ward beftimmt, daß im übrigen 
alles, was in demfelben der heiligen Schrift, dem Befenntnig und 


des Dithmarfcherlandes felbfiverftändlihd. Da ein Wappen den Landen zur 
Zierde verliehen wird, nicht etwa zur Befhämung, fo ift es ohue Sinn, 
wenn der Reuter auf die Eroberer des Landes gedeutet worden. 

? Hinridy Dimerbrod verwaltete die Superintendentur nur ein Jahr, 
bis 1560, und ftarb 1561. Ihm folgte als Superintendent Henning Muhle, 
der in der leßten Fehde nebft Marcus Wrange als feldprediger wirkte und 
1560 vom Könige „begnadigt“ wurde. Theodor Canth ftarb 1561. M. Marcus 
Wrange wird nadher an feiner Statt als Superintendent gefunden. Johann 
Spelberg flarb 1568 und ſcheint bis an fein Ende die Superintendentur 
verwaltet zu haben. Vach 1568 findet fi der Paftor Johann Ereisbad 
zu Wöhrden als Superintendent für den Mitteltheil genannt. 


490 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


den evangelifchen Kirchengebräuchen zuwider, auch was darin 
„Der natürlichen Billigfeit und Dernunft, auch den Briefen und 
Urkunden, zwijchen den Sürften und ihren Unterthanen in Dith- 
marjchen ?ürzlich aufgejeßt”, unangemejjen fei, aufgehoben und 
abgethan fein folle, als wenn es wörtlich als aufgehoben bezeichnet 
worden wäre. Was aber chriftlichem Recht und der natürlichen 
Billigteit gemäß fei, das zu entfcheiden, behielten die Sürften fich 
felbit vor. „Und willen uns, wenn fodane ordel an uns effte unfe 
dartho verordnete Hofrehde, weldes den Parthen frie ftahn fchall, 
gelangen werden, hebben vorbeholden, tho fprefen und tho erfennende, 
wat chriftliden gemenen befchreven echten und natürlichen 
Billigfeit gemete is.“ — Mehr behält fich in Kirchenregiments- 
fachen auch der Papft nicht vor. Der Neuordnung gemäß jollte 
dann auch nur noch bis weiter, und zwar bis zur erfolgten Um- 
arbeitung desjelben, nach dem alten Landrecht geurtheilt werden, 
wofür als Termin Michaelis nächftfolgenden Jahres, 1560, in 
Ausfiht genommen ward. Doch wurde die Umarbeitung des 
Landrechtes erjt im Jahre 1567 vollendet. _Inzwifchen waren die 
Sürften, welche fo durch Umgeftaltung im Innern die Herrichaft 
über das eroberte Cand fich dauernd zu fichern bedacht waren, 
auch nach außen hin nicht unthätig, das zur Sicherung des 
erworbenen Beſitzthums Dienlihe wahrzunehmen. Sie hatten fich, 
den Anfprüchen Anderer auf Dithmarfchen und Widerjprüchen 
gegen die Befignahme des Landes, welches fie nun als eine ihnen 
zuftehende Provinz betrachteten, zu begegnen, beim Kaijer eine 
Beftätigung des mit den Ditkmarjchern gefchloffenen Sriedens- 
vertrages auszuwirken, angelegen fein lafjen. Die gefuchte faiferliche 
Zeftätigung erfolgte denn auch, wie es fcheint, durch Serdinand 1. 
1560, durch Marimilian II. aber anı 29. Auguft 1565. (Neocorus 
I, 237.) 

Noch fuchten einige Dithmarfcher die Landesfreiheit wieder: 
Berzuftellen. Namentlich find in diefer Rückſicht Thede Evefens 
und Johann Tope (Toby, Tobing), Beide aus Eunden, durch ihre 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 491 


Unternehmungen befannt geworden. Thede Evekens hatte bald 
nach der Eroberung, 1560, das Land verlaffen und zur Befreiung 
desfelben mit Seinden der Landesherren Derhandlungen angefnüpft. 
Dornehmlich fcheint er feine Abficht darauf gerichtet gehabt zu 
haben, das wehrlos gemachte Kand wieder mit Waffen zu ver: 
ſehen. Er wurde auf einer Reiſe von Emden nach Hamburg 
erfannt und, nachdem feine Anwejenheit den Sürften verrathen 
worden war, von Häfchern derjelben auf einer Sahrt auf der Stör 
überfallen. Um feinen Derfolgern zu entgehen, ftürzte er fich 
über Bord und ertrant. An achthundert Büchjen follen damals nach 
Dithmarfchen eingefchmuggelt worden fein.! — Das Dermögen des 
Chede Evelens, der, früher ein begüterter Mann, einen Hof 
£andes im Kirchfpiel Kunden beſaß, Hatten die Landesherren als 
das eines Hochverräthers fonfiszirt. Die Srau des Evekens erhielt 
außer ihrem Eingebrachten ein Bett und 100 Gulden auf vieles 
Bitten. Das Uebrige gehörte den fürften. Johann Tope hatte 
fihh zu Anfang des Jahres 1560 nach Nancy begeben und war 
in Dienfte der Herzogin Chriftine von Lothringen, einer geborenen 
Prinzeffin von Dänemark, Tochter Chrijtians U., die ihres Daters 
Krone als Erbin in Anjpruch nahm wider Sriedrich II., getreten, 
um für Befreiung Dithmarjchens zu wirfen. Die Herzogin fchrieb 
unterm 28. Sebruar 1560 auf Anregung von jeiten des Johann 
Tope, bei dem fie jedoch eine Dollmadt, einen „glaublichen 
Scein”, vermißte, an die Dithmarfcher, daß, wenn diefe zu ihr 
ftänden, fie günftige Seit zum Handeln benugen wolle. Der Brief 
der Herzogin wurde durch einen Dithmarfcher Kaufınann, der in 
Geſchäften die Niederlande befucht hatte und dem derjelbe von 
Johann Tope zur Bejorgung mitgegeben worden war, an die 
Dögte des Landes abgeliefert. TDiefe aber, jet durch Eid ge- 
bundene Sürftendiener, brachten die Sache zur Kenntniß der Landes: 


I Chede Evetens gehörte einer der wohlhabendften Familien des Landes 
an. Er felbft ift in einer alten Matritel mit 32 Morgen notirt, ein Brnder 
von ihm mit 181 Morgen. 


492 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


herren. Johann Tope erfcheint fpäter thätig bei Abfchluß des 
Bündniffes zwifchen König Erich von Schweden und der Herzogin 
von Lothringen wider König Sriedrih UI. von Dänemarf und 
vornehmlich in den Grumbachſchen Händeln. Er unterkandelt mit 
Grumbach und dem Herzoge Johann Sriedrich von Sachjen zu 
Gotha, hält fih am Hofe des Pfalzgrafen Johann Georg zu 
Daldenz und an mehreren anderen Sürftenhöfen auf. Nach Unter- 
drücdung der Grumbachſchen Unruhen und der Gefangenfegung 
des Herzogs „Johann Sriedrid; von Sachfen war Lothringen nicht 
mehr in der Lage, feine Anſprüche an die Krone Dänemarf mit 
Erfolg geltend zu machen. Johann Tope erjcheint nun als 
fahrender Ritter, befannt als „Dans von Cunden“, bald hier, bald 
da, jo noch auf dem Kongreß zu Köln, der dem Kriege zwijchen 
Philipp II. von Spanien und den Holländern ein Ende machen 
follte, immer feinen Plan der Befreiung Dithmarfchens verfolgen?d. 
Er kam auch nach Dithmarfchen und unterhielt Verbindungen mit 
den angefehenften Leuten des Landes. Die Fürften brachten jenes 
Schreiben der Herzogin von Lothringen an die Dithmarfcher in 
Beziehung zur Einfchmuggelung von Waffen durch Evekens, fo 
daß hiernach auch Thede Evekens mit Johann Tope im Ein- 
vernehmen gehandelt hätte. Tope wurde endlich auf Betreiben 
des Herzogs Adolph von Holftein-Bottorp, der ihn des Hoch⸗ 
verrathbes befchuldigte, zu Lüneburg, woſelbſt er fein Domizil 
genommen, verhaftet, damit er fich gegen die Anklage Adolphs 
verantworte. Der Rath der Stadt Küneburg zeigte dem Gottorper 


die erfolgte Inhaftnahme des Beklagten an und citirte gleichzeitige 


die Fürften zur Derhandlung und Erhärtung der erhobenen Klage 
zu einem Termin vor Gericht. Das war namentlich dem Herzoge 
Adolph nicht genehm. Die Sürften forderten einfache Auslieferung 
des Tope. Der Rath fchlug foldhe Sorderung ab. Johann Tope 
verantwortete ſich vor Rath und Bürgerfchaft, indem er fich 
öffentlich als einen Holftenherrn-Seind bekannte und darthat, daß 
er niemals einem Holftenheren unterthan gewefen fei, dieje daher 


— + 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 495 


gar fein Recht an ihn hätten, und wurde dann losgefprochen. 
Weitere Kunde über Tope fehlt. Die Derjuche zur Befreiung des 
Landes mußten unter den gegebenen Derhältniffen erfolglos bleiben. 
Doch fonnte es an folchen Derjuchen nicht fehlen, wenn nicht die 
Dithmarfcher fich felbft und ihrer Dergangenheit untreu geworden. 
Daher dient es zur Genugthuung, daß die Gefchichte die Namen 
eines Chede Evelens und eines Johann TLope zu verzeichnen hat. 

Der Erzbifchof Georg von Bremen legte vor Kaifer und 
Reich Proteft ein gegen die Dergewaltigung Dithmarfchens durch 
die drei Herzoge von Holftein, in harten Ausdrüden über das 
fchmähliche Derfahren der Kebteren, namentlich des Herzogs Adolph. 
Der Proteft ift als Beitrag zur Gefchichte der letzten Sehde von 
bleibendem Werth und lautet: 

„Allergnädigfter Herr! Wiewol ich für meine Perfon Ew. 
Römiſche Kaiferl. Majeftät, die anmwejenden Ehurfürften, Sürften 
und Stände des heiligen Römiſchen Reichs, auch derfelben Bot- 
fchafter in dieſen hochmwichtigen Tractationibus des Neiches mit 
meinen Sachen ganz ungerne bemühe — ich wüßte auch, Gott 
£ob, bei mir wol zu ermeflen, daß es fich nicht wohl gebührete; 
dennoch dringet mich dazu mein hohes Anliegen, daß ich, als ein 
Glied des Reichs, zu Ew. Römifchen HKaiferlichen Majeftät, als 
meiner von Gott gejeßten ordentlichen ®brigfeit, und den andern 
Ständen des heiligen Reichs in jegiger Sufammenkunft, Zuflucht 
und Hülfe fuchen muß, und mollen Ew. Römijch-Kaiferliche 
Majeftät gewiß dafür halten, daß ich dies nicht aus Luft oder 
Ciebe zu Hader und Unmwillen oder aus einem eifrigen Gemüth, 
wie es mir vielleicht von Anderen möchte wollen verftanden werden, 
erhebe, jondern daß zum Theil Ew. Kaiferlichen Majeftät, auch 
dem heiligen Reich, hieran mit gelegen ift, und auch meine Eide 
und Pflichten, womit ich meinem &rz.Stifft obligirt bin, mich dazu 
fordern, denn ich, ungerühmt, Zeit meines Lebens, fonderlich in 
meinem jeßigen Alter und geiftlichem Stande, dermaßen zum Srieden 
geneigt, daß ich ungern auch nur den geringiten Stand des heiligen 


494 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Heichs, fofern es nicht zu großem Abbruch meiner mir befohlenen 
Lande und EKeute, dem ich ohne Derlegung meiner gethanen Eide 
und meiner Pflicht nicht zuzufehen vermag, gereichte, irgend worin 
zu nahe treten wollte, und wenn mir ein Gleiches von meinen 
Nächten auch begegnen möchte, fo wäre ich diefer Klage gerne 
überhoben. 

Ich Bitte demnach unterthänigen Sleißes, Ew. Römiſch⸗ 
Kaiferliche Majeftät wollen diefe meine und meiner befohlenen 
Lande und Leute Nothdurft allergnädigft zu vernehmen und aus 
hohem Amt Kaiferlicher Majeftät mir hierin, mit Rath und Zuthun 
der Ehur-fürften, Fürſten und gemeinen Stände, Hülfe und Troft 
zu erweifen, fich unbefchwert finden laſſen. Und weil ich mich 
einiger Bewaltshandlungen wegen, die mir und meinen Unterthanen, 
wider Ew. Aömifch-Kaiferlichen Majeftät und des heiligen Reichs 
hochverpönten Landfrieden, desfelben Erecutionsordnung und Ab- 
fchiede neulicher Jahre und der Zeit Ew. Hömifch- Kaiferlichen 
Majeftät Regierung, über gutes Dertrauen und alle Zupverficht 
widerfahren, über einige benachbarte Potentaten und Süriten, die 
des heiligen Reiches Mitverwandte find, zu befchweren genöthigt 
finde; fo will ich mich gleichwohl defjen hiermit vor Ew. Römifch- 
Kaiferlihen Majeftät und den Ständen des Reiches Öffentlich 
bedingt haben, daß ich mit diefer Darftellung der Gejchichte 
niemand injuriret oder auch etwas zur Derfleinerung jemandes, 
höheren oder fürftlichen Standes, Heputation oder feiner Perjon 
und feines Namens Derunglimpfung gemeint haben will. Dem- 
nach ftelle ich in feinen Smweifel, Ew. Römifch-Kaiferliche Majeftät 
werden in. Ihren und des heiligen Reichs Annalen und Lanzeleien 
gute Nachweifung finden, welcher Geſtalt das Land Dithmarfchen, 
nach Abgang der letzten Erben,! durch Römifche Könige und 
Kaifer, fonderlich durch König Sriedrich den Erften auf einem 


I Ketten Erben. — Es ift hier das Haus Stade gemeint, das mit dem 
Erzbiſchofe Hartwig, legtem Grafen von Stade, 1168 erlofh, worauf der 
mächtige Sadjfenherzog, Heinrich der Löwe, Dithmarfhen in Beflg nahm 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 495 


Reichs: Tag zu Erfurth im Beifein vieler Ehur-Sürften, Sürften und 
Stände des heiligen Reichs im Jahre 1180, Siegfried, Erz.Bijchof 
zu Bremen, durch eine beftändige, freie Donation ift gegeben 
worden, welches hernach von den Nachfolgern, Herrn Philipp, 
auch Römifcher König, und anderen, fowie von Päpften, beftätiget 
worden und alfo dies Land aus gutem Titel, als von Römifchen 
Ksnigen und Kaifern, an das Erz. Stift Bremen gekommen ift. 
Dabei ift felbiges auch einige Jahrhunderte geblieben, daß jeitdem 
die Dithmarfcher die Erzbifchöfe zu Bremen, alle meine Dorfahren 
bis auf mich, für ihre rechten Herren und Obrigkeit erfannt haben, 
auch derfelben geiftlichen und weltlichen Jurisdiction unterworfen 
gewefen find, wie fie denn noch mir, als ich zu dem Stifte Bremen 
gekommen, gleich meinen Dorfahren, den Erzbijchöfen Johann und 
Ehriftoffer, die gewöhnlihe Befänntnig und Anzeige ihrer Sub- 
jection, welche von meinen Dorfahren auf eine namhafte Summe 
Geldes! gejeßt worden, gethan, gegeben und bezahlt, auch andere 
fchuldige Pflicht erzeigt haben, ich auch dagegen ihre Privilegien, 
Gericht und Gerechtigkeit, die fie vom Stifft Bremen tragen, be- 
ftätigt habe, daß aljo desfelben Landes zu Dithmarfchen meine 
Dorfahren und ich rechte Herren, Obrigkeit und Befißer gemwejen, 
Es haben auch feither alle Römifche Kaifer und Könige, namentlich 
die löblichen Kaifer Herren Marimilian, Earl und Serdinand, 
Ew. Aömijch-Kaiferlichen Majeftät Herren Dorfahren, Ahnherren, 
Schwäger und Detter, allerhöchftlöblicher Gedächtniß, meine Dor« 
fahren und mich dafür gehalten und geachtet, fo daß, wenn von 
den Dithmarfchern bei Ihrer Kaiferlichen Majeftät und derfelben 


und im Befi hatte bis zu feiner Aechtung, 1180, in weldhem Jahre der 
Ezbifchof Siegfried einen Lehnsbrief auf Dithmarfcher erlangte vom Kaifer 
Friedrich Barbaroffa. 

ı 500 alte Mark — die Willlommsgabe, gegen deren Entrichtung fich 
die Dithmarfcher 1498 von Johann und 1511, in weldhem Jahre Peter Swyn 
und Elaus Junge „mit ehren Byftenderen” das „Willkomm“ überreichten, 
von Ehriftopher ihre Privilegien und Sreiheiten garantiren ließen. 


496 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Kammergericht oder fonft auf Neichstagen etwas ertraordinär 
gefucht worden, folches gemeiniglich an meine Dorfahreh, als ihre 
ordentliche Obrigkeit, wiederum ift remittirt worden, wie dasfelbe 
unleugbar und Ew. Römijch-Kaiferlichen Mageftät und allen Ehur- 
Sürften, Sürften und Ständen des heiligen Reichs audı wohl fund 
fein wird. Wenn es aber Zweifel haben follte, fo kann es mit guten, 
glaubwürdigen Siegeln und Briefen, von WRömifchen Königen, 
Kaifern und Päpften darüber gegeben, auch mit anderen ftattlichen 
Documenten, beigebracht werden und ift dasfelbe in diefen Orten 
bei allen benachbarten Sürften und Ständen des Reichs public und 
notorifch, die Dithmarfcher felbft auch müffen es geftehen und be» 
fennen, und ob etwa die Einwohner diefes meines Landes fich 
gegen meine Dorfahren aufgelehnt haben, fo find fie doch wiederum 
zur Subjection gebracht, wozu auch ehemals, wie mit glaub. 
würdigen Biftorien zu befcheinigen, Unjeren Dorfahren die Grafen 
zu Bolftein und Oldenburg mit Land und Leuten nach ihrem 
Dermögen geholfen, wodurd; fie zum allerherrlichiten meinen Vor— 
fahren die Ober⸗Hoch⸗ und Botmäßigkeit an und über das Land 
zu Dithmarfchen zugeftanden und anerfannt haben! Nun mag 
wohl fein, daß König Ehriftian L zu Dänemard wailand Kaifer 
Sriedrich dem Ketten vorgebracht hat, daß gemeldetes Land 
berrenlos fei und darauf, mit Derfchweigung meines Stifftes Ge⸗ 
rechtigfeit, erlangt hat, daß es der Grafſchaft Holftein incorporirt 
und mit derfelben zu einem Herzogtum erhöhet und Sr. Königlichen 
Würden und derfelben Erben zu Lehen gereicht worden. &s tft 
aber Hinwiederum notorifch, daß, als nachher Ihro Kaiferliche 
Majeftät warhaft berichtet worden und erfundet hat, daß die Dith- 


ı Graf Adolph II. von Bolftein und Graf Chriftian zu Oldenburg und 
Berzog Heinrich der Löwe zogen ı138 mit dem Erzbiſchofe Adalbero und 
dem Dompropft — bald nachher Erzbifhof — Bartwig gegen die Dith- 
marſcher, welche fih vom Stader Grafenhaufe, dem Hartwig angehörte, 
losgerifien hatten. Adolph II. erhielt einen Sins, und der Herzog erfannte 
Bartwigs Anfprüde auf Dithmarſchen an. 


Don 152% bis zum Untergange der Dithmarfcher Sreiheit — 1559. 497 


marfcher von Alters unter das Stifft Bremen gehörig, höchft- 
gemeldeter Kaifer Sriedrich die gethane Belehnung, Dithmarfchen 
belangend, retractirt und ftatuirt Hat, dag Dithmarfchen beim 
Stifft Bremen gelaflen werden ſolle. &s ift auch hochgedachter 
König darum an den Kaiferlichen Kof zu Recht citirt worden, 
wovon fonder Zweifel in den Kaiferlichen Annalen und Canzelei⸗ 
Büchern weitere Nachweifung fein wird, fowie ich zur Anzeige 
folches, Ew. NRömifch-Kaiferlichen Majeftät davon ein Didimus 
hierbei überreichen lafle, mit M 1. Und obgleich hiernad hoch⸗ 
genannten Königs Ehriftian zu Dänemark Kehnserben und die 
jeßige Königliche Würde zu Dänemarf und Berzoge zu Bolitein 
von Ew. Kaijerlichen Majeftät Dorfahren, die auf Kaifer Sriedrich 
im Reiche gefolgt, Belehnungen auf Dithmarfchen erhalten, fo 
werden doch diefelben auf Kaijer Sriedrichs vorhergehende In— 
corporation und Belehnung fundirt, aljo auf einen hinfälligen 
Grund erbaut, welcher durch die Revocation umgeftoßen worden, 
und find felbige zudem mit der gewöhnlichen Llaufel, daß jolches 
jedermänniglich an feinen Rechten unfchädlich fein folle, gegeben und 
mögen daher mir und meinem Stifft Bremen nichts nehmen und 
den Impetranten geben. Demnah find auch die Dithmarfcher 
feither bei meinen Dorfahren geblieben und haben ſich aljo gegen 
diefelben erzeigt und gehalten, daß meine Dorfahren und ich mit 
ihnen, als Unterthanen, und audy fie hinwieder mit meinen Dor- 
fahren und mir, als ihren rechten Berren, wohl zufrieden gewefen; 
dag aljo in desfelben Landes Adminiftration und deren Hoch- und 
Öerechtigfeit alle meine Dorfahren bis auf mich von vielen Hundert 
Jahren in quieta Possessione vel quasi (im ungeftörten Befiß) 
geweſen find, wie folches Alles Ew. Römifch-Kaiferliche Majeftät in 
Wahrheit — ohnehin den Ehurfürften, Sürften und Ständen des 
Zeiches, auch allen benachbarten Städten, an der Elbe und ſee— 
wärts belegen, fund und offenbar, aljo befinden werden. un 
hat es fich aber zugetragen, wie Ew. Römifch-Kaiferliche Majeftät 
nebft den Ehur-Sürften, Sürften und Ständen des heiligen Reichs 
Dithmarfcher Geſchichte. 32 


498 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


folhes aus dem gemeinen Geſchrei und erfolgten Gefchichten 
wohl vernommen haben werden, daß im vergangenen 59ften Jahre, 
im Srühling, der Durchlauchtig:Broßmächtigfte und Hochgeborne 
Fürſt, Herr Sriedrich II., erwählter König zu Dänemarf ıc. und 
Herren Johann und Adolff, Gebrüder, Erben zu Norwegen und zu 
Schlegwig und Holftein Herzoge, ſich um ein ftattlich Kriegsvolk, 
zu Pferde und zu Suß, beworben und in der Gegend meines 
Ersftiffts Bremen, auch in anderen meinen Stifften und in der 
Umgegend, beftellt und angenommen haben und felbiges an der 
Elbe zufammen ziehen laflen. Als nun hierbei das Geſchrei er- 
fchollen, es folle diefe Kriegs-Werbung wider die Dithmarfcher 
gelten, und die Dithmarfcher folches mir, als ihrem Candesherrn 
und ihrer Obrigkeit, unterthänigft geklagt und fund gethan, habe 
ich alsbald meinen Unterthanen verboten, fih in eine Beftallung 
oder fonft außerhalb Kandes zu begeben, und darauf meines 
Ersftiffts Stände berufen und ungefäumt an hochgedachten Herzog 
Adolff, als des Niederfächfifchen Kreifes, in dem ich meines 
Ersftiffts halber ein Zugeordneter bin, ©berften, gelangen laffen, 
was von diefem HKriegs-Gewerbe durch das gemeine Gefchrei und 
die angebrachte Klage meiner Unterthanen, der Dithmarfcher, des 
Meberzugs wegen, vor mich gelommen wäre und dabei Sr. 
Liebden feines Amts ermahnt und um Abwendung folches Heber- 
zugs zum Sleißigften gebeten, mich auch für meine Unterthanen 
zu gütlicher Handlung, zu Gleich und Hecht, wenn Sr. £. oder 
fonft jemand mit ihnen in Unwillen wäre, erboten, welches meines 
bez. Schreibens Abfchrift ich Ew. Kaiferl. Majeftät hierneben mit A. 
bezeichnet, zu verlefen übergebe. Darauf haben Sr. £iebd. (Herzog 
Adolph) diefe Erklärung, unter ihrer eigenen Hand und Petichaft, 
gethan, daß ich und meine Landjchaft! ganz und gar nichts zu be— 
forgen hätten und dag Sr. £. zu ihrer eigenen Behülf und Nothdurft, 
da fie fich mit einigen ausländifchen Potentaten, jedoch feinen gehor- 


i Die Landſchaft bezeichnet hier Dithmarfchen, von weldyem die Rede 
ift, im Unterfchied von den Bremer Stiftslanden. 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 499 


famen Stand des Reichs zuwider, eingelaflen, einiges Kriegsvolf be» 
ftellt, Sr. Liebd. hätten auch vorgefehen, daß fo lange felbiges in ihren 
Dienften wäre, kein gehorfamer Stand des Reichs durch dasjelbe 
beleidigt oder befchwert werde und haben darauf auch den Durch- 
marſch bei mir nachgefucht mit dem &rbieten, wenn mir etwas 
Widerwärtiges gegen den Kaiferl. Eandfrieden und des heiligen 
Reiches Ordnung begegnen follte, fo wollten Sr. £iebd. fich das 
nicht weniger angelegen fein laffen, als wenn es fie felbft beträfe, 
mit diefem ausdrüdlichen Zufaß der Dithmarfcher halben, daß 
Sr. £iebd. zwar Luft dazu gehabt, da fie derfelben lange fchon 
Urfache dazu gegeben, daß aber Sr. £., ihrer Gewohnheit nach, 
diefe mit Sanftmüthigfeit überwunden habe und daher gar nicht 
darüber ftreiten wolle, wohin die gehörten oder nicht, und ich folle 
mich gewiß darauf verlafjen, daß Sr. £. gegen fie, die Dithmarjcher, 
gar nichts, das dem Kaiſerl. Eandfrieden und des heiligen Reichs 
Ordnung entgegen, vorzunehmen, jemals in ihr Gemüth habe 
kommen laffen, vielmeniger wirklich zu unternehmen gemeint habe, 
alles mit weitläufigbuchftäblicher wörtlicher Ausführung Sr. Liebd. 
Schreibens, mit B. bezeichnet. Saft in gleicher Weife haben fich 
Sr. £iebd. auch gegen den Erzbifchof zu Magdeburg und unfern 
Detter, Berm Sranz Otto, feligen Gedächtniſſes, Herzog zu Braun 
ſchweig und Lüneburg, diefes Kriegspolts halber, ausgelafjen, wie 
die Abfchrift mit C. mit mehrerem ausweifet. Herzog Adolffs 
£iebd. haben auch bald nachher nochmals an mich gefchrieben und 
gebeten, ſolchem Kriegsvolf, welches diefelben ihren Landen zum 
Beiten, ohne einiges gehorfamen Aeichsftandes Nachtheil, geworben, 
den Paß durch mein Erzftifft zu vergönnen, wie aus der Copie 
mit D. zu erfehen. &leichermaßen haben fich auch die Königliche 
Würde zu Dänemarf dahin erflärt, daß fie zur Befchügung ihrer 
Reiche und Lande ein Regiment Knechte in der Berrfchaft Olden⸗ 
burg annehmen laſſen und für diefelben auch den Paß durch mein 
Erzſtifft nachgefuht, nach Ausweis Ihrer Königl. Majeftät 
Schreibens mit E. bezeichnet. Es haben dann auch Graf Anthon 
32* 


500 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


zu Oldenburg und Reimer von Wolde, Oberfter, um Erlaubniß, 
Knechte in unferm Stifft anzunehmen, und um Durchzug für die 
Geworbenen bei mir angehalten, wie die Eopien ihrer Schreiben 
mit F, G. und H. darthun. Als mir nun dieſe berührten 
Erflärungen von der Königl. Würde zu Dänemark und namentlich 
von Herzog Adolff, als des Niederjächfifchen Kreifes Obriſten, zu 
welchem ich mich, nach Sr. Kiebd. hohem Erbieten, feines Argen 
im Allergeringften verſehen konnte, zugelommen, habe ich fowohl, 
als auch meine Stiffts-Stände und die Dithmarfcher, denfelben 
getrauet und guten Glauben gefchentt, ja ich habe auch mein 
Mandat, des Auszugs halber, relarirt, und darauf den Grafen 
Anthon von Oldenburg und andern ©berften, Hauptleuten und 
Aittmeiftern meine eigenen Unterthanen in großer Sahl, zu Roß 
und zu Suß, zuziehen laffen und nachher auc allen freien Pag 
und Durchzug geftattet, den von Bldenburg mit einem ganzen 
Regiment durchziehen laffen und dazu, auf der Königlichen Würde 
zu Dänemarf und Berzog Adolffs Bitte, alle mögliche gute 
Beförderung, auch mit meiner armen Untertkanen wenig Nußen, 
erwiejen, wie Ew. Yömifch-Kaiferliche Majeftät folches aus meinen 
Antworten an die Hönigl. Würde zu Dänemart und Berzog 
Adolff, mit J. und K. bezeichnet, gnädigft erfehen wollen. Da 
ich denfelben doch in anderm Wege Derhinderung hätte thun 
!önnen, wenn ich geglaubt hätte, daß unter diefem etwas anderes 
verborgen fei und daß es mir felbft und meinen eigenen Unter- 
thanen, den Dithmarfchern, gegolten. Als nun folches Kriegsvolk 
über die Elbe zufammen gebracht war und nun immer mehr 
Klagen, auch von den Dithmarfchern, fowie allerlei glaubwürdige 
Anzeigen erfolgten, habe ich noch auf einen Kreistag, von Herzog 
Adolff, als Bbriften des Kreifes, — welches doch fonft im Nieder: 
fächfifchen Kreife nicht gebräuchlih ift — zu Hamburg, den 
Donnerstag nach vocem Jucunditatis, Anno 59, angefeßt nach 
Sr. Ciebd. Ausfchreiben, meine Räthe nebft einigen aus meinem 
Dom-Lapital und meiner Landjchaft gefchicht und obwol im Anfang 





Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 501 


des Kreistages Herzog Adolffs Gejandte ihres Herm Dorhaben 
und Erpedition mit dem Vamen einer Dertheidigung wider die 
Herzoge von Lothringen befleiden wollten, auch unter ſolchem 
Schein von den andern Ständen Zuflucht und Hülfe bitten ließen, 
fo habe ich doch aus getrener väterlicher Sürforge dafelbft mein 
Anliegen, der Dithmarfchen balber, den anderen Ständen Fund 
gegeben und abermals für fie, als meine Unterthanen, gegen jeder: 
mann mich zu Güte, Gleich und Recht, auch zur Handlung, 
erboten, aber es hat mein Erbieten feine Statt finden fönnen, und 
ift auf demjelben Kreistag ausgebrochen, was man im Sinn gehabt, 
daß dem Herrn zu Holftein nach meiner armen Unterthanen (die 
ich in diefer Angelegenheit, weil ich meine Ritter und Unechte 
aus dem Lande ziehen lafjen hatte, in der Eile nicht entfegen konnte) 
Gut und Blut gedürftet hat, da ich mich doch eher des Himmels 
Einfallens verfehen hätte, als daß ich mich, auf die gefchehene 
Erflärung der Königl. Würde und fonderlich des Herzogs Adolf, 
als Öbriften des Nliederfächfifchen Kreifes, eines folchen Widerftandes 
im Öeringften hätte befürchten follen.! Und. haben fih alfo in 
der Solge die Königl. Würde zu Dänemarf und Herzog Adolff 
zu dem Kriegsvolf gethan, meine Unterthanen plößglih und gegen 
alle Erwartung abgefagt, fie mit Heeresmacht feindlich überzogen, 
belagert, ihre Seiten erobert, das Land ausgebrannt und verheert, 
fie gejchlagen, gefangen und bis auf einige tanfend Menfchen 
erbärmlich umgebrad;t, welche leßtere fie dann zu einer unziem- 
lichen Eapitulation genöthigt, ihnen ihr Gefchüg und Munition 
und was fie an Privilegien, Siegeln und Briefen, und fonft Werth 
volles, gehabt, abgenommen, fie gebrandichagt und fonft mit großen 
Auflagen befchwert und die armen Leute, als in eine ewige 


ı Sur Charaßterifirung des Auftretens des „Kern zu BHolftein” und 
des Kriegszuges wider Dithmarfchen als eines Raubzuges und hinterliftigen 
Ueberfalls wäre etwa noch hinzuzufügen, daß der Herr, als fein eigener 
Spion, in DerBleidung in Dithmarſchen gewefen, nm des Landes Gelegen- 
heit auszutundfchaften. 


502 Dritter Abfchnitt. Dierte Abtheilung. 


Servitut, unter ihr Joch gebracht, darunter fie noch gehalten werden. 
Durch diefes thätliche Dornehmen und ſolche widerrectliche und 
gewaltthätige Handlung, deren ich der Zeit nicht vermuthet, denen 
ich mich auch nicht zu widerjegen vermocht, bin ich meines Candes 
Dithmarfchen, welches dem Ersftifft Bremen von den Römifchen 
Hönigen, folgends Kaijern, und Päpſten eigentlich gegeben und 
incorporiret worden, und welches viel hundert Jahre bei und unter 
meinen Dorfahren, bis auf mich und jeßt erzählte Occupation, 
continuirlich geweſen, von hochgedachter Königl. Würde zu Därne- 
mar? und Herren Johann und Adolff, Dettern und Gebrüdern, 
Derzogen zu Bolftein, wider alle befchriebenen Hechte, wider Em. 
Aömijch-Kaiferlichen Majeität und des heiligen Reiches hodh- 
verpönten Landfrieden und deſſen Erecutionsordnung und Abjchiede, 
auch ihren eigenen jchriftlichen Erflärungen ganz und gar zuwider, 
in gutem Glauben und Trauen de facto beraubet worden und 
mir dasfelbe noch vorenthalten. Weil nun dies Alles erzählter: 
maßen fich in Wahrheit jo verhält, begeben und zugetragen hat, 
und durch diefe That und diefe Handlungen die gemeinen Rechte 
Ihrer Römiſch⸗Kaiſerlichen Majejtät und des heiligen Reiches Eand- 
friede, auch desjelben Erecutionsordnungen und Abfchiede, an mir 
und meinem Lande zu Ditbmarjchen, fowie desjelben armen Ein- 
gejeffenen, gröblichit übertreten und gebrochen und dadurch mit 
der That die Pön des Landfriedensbruches verwirkt worden und 
ſolche ungebührliche Handlungen von Ew. Aömifch-Kaiferlichen 
Majeftät und dem heiligen Reiche feineswegs zu dulden, fo gelanget 
demnah an Ew. Zömifch-Kaiferliche Majeftät, als meinem aller- 
gnädigften Herrn und Oberen, meine ganz unterthänige Bitte: 
Ew. ZRömifch-Kaiferliche Majeftät, als ein gerechter Kaifer und 
Beſchirmer aller Befchwerten, wollen fich meiner mir abgedrungenen, 
hochbefchwerten und bedrückten armen Unterthanen, der Dithmarfcher, 
in Bnaden erbarmen und in diefen hochfträflichen Handlungen der 
Kaiferlichen Autorität und Macht gebrauchen, und auf jegigem 
Reichstage mit den Ehurfürften, Sürften und gemeinen Ständen 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher Freiheit — 1559. 505 


des heiligen Reihs auf Wege denken, daß ich, vermöge des 
heiligen Reichs Landfriedens, desjelben Erecutionsordnung, Eoniti- 
tutionen und Abfchiede, meines beraubten Landes Dithmarjchen 
wiederum völlig reftituirt werde und zwar mit Erftattung des» 
jenigen, was demfelben abgenommen und was jeither daraus 
genoflen worden ift, und daß folche Reſtitution völlig erfolge, bei 
den Occupatoren meines £andes ernitlich verfchaffen, jo daß ich 
damit nicht erft an das langwierige Recht des Kaijerlichen Cammer⸗ 
Serichts — da es recens et flagrans ad huc spolium, und die That 
an fich Ew. Nömifch-Kaijerlichen Majeftät, allen Ehurfürften, Sürften 
und Ständen des heiligen Reichs fund und offenbar ift — verwiefen 
werde; falls aber die Reſtitution von den O©ccupatoren nicht 
unverzüglich gefchehen würde, in Kraft des Landfriedens und zu 
defjen Handhabung die Occupatoren, weil fie als Herzoge zu Holftein 
dem Reiche unmittelbar unterworfen find, in die verwirkte Pön 
des Kandfriedensbruchs, worin fie ipso facto gefallen find, auf 
jegigem Heichstage declariren und erklären, und jodann zur Stunde 
die Erecution verordnen nnd befehlen. Sollte aber bei Ew. 
Römifch-Kaiferlichen Majeftät Erlafien, den Ehurfürften, Sürften 
und gemeinen Ständen des heiligen Reichs, ein oder anderes Be- 
denken, wie ich doch nicht hoffen will, eintreten, und hierin der 
gebührende Ernft nicht gebraucht und darin mir und meinen armen, 
vergewaltigten und bedrüdten Unterthanen zur Aeftitution nicht 
verholfen werden können, daß alsdann wenigftens Ew. Römiſch⸗ 
Kaiferliche Majeftät zur Errettung der armen Dithmarjcher eine 
Sequeftration verordnen und vornehmen, und jonft auf alle Mittel 
und Wege, mir zur Reftitution förderlichft zu verhelfen, fich mit 
den Ehurfürften, Sürften und Ständen des heiligen Neichs auf 
dem jet währenden Reichstage verabfchieden wollen. Denn Ew. 
ARömifch-Kaiferliche Majeftät aus hohem Derftande wohl erwägen 
werden, wenn dies den Occupatoren meines Landes fo hingehen 
würde, und ich und meine Unterthanen, die Dithmarjcher, von Ew. 
Aömifch-Kaiferlichen Majeftät und dem Reiche troft: und hülflos 


904 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


gelaffen werden follten, welch befchwerliche, ärgerliche Erempel 
daraus folgen würden, ja welche ewige Serrüttung alles friedlichen 
MWefens, des gemeinen Sriedens und aller guten Ordnung im 
heiligen Weich, um die Ew. NRömifch-Kaiferlichen Majeftät hoch- 
Iöbliche Dorfahren am Reich viele Mühe und Arbeit gehabt haben, 
ehe man es dahin hat bringen können, daraus entftehen, und daß 
dann Niemand mehr auf Ew. Hömifch-Kaiferlichen Majeftät und 
des heiligen Reiches Kandfrieden, desfelben Erecutionsordnung, 
alle Eonftitutionen und Abfchiede hinfort etwas geben und achten 
würde, wie denn davon bereits andere Erempel vorhanden find, 
wogegen Ew. NRömifch-Kaiferlihe Majeftät mit Rath und That 
der Churfürften, Sürften und Stände des heiligen Zeichs, ohne 
mein unterthäniges weiteres Erinnern, Ihren Ernft werden an- 
wenden. Ew. Aömifch-Kaiferliche Majeftät wollen fich, als ein 
hochlöblicher gerechter Kaifer, hiervon durch nichts abwenden laflen, 
jondern fich hierin aljo gnädigft, mildeft und gütigft erzeigen, daß 
ich und meine armen oftberührten Unterthanen, die Dithmarfcher, 
errettet werden und Hülfe bei denfelben finden mögen. Solches wird 
Ew. Römifch-Kaiferlichen Majeftät im ganzen heiligen Römifchen 
eich, weil es zur Bandhabung des genteinen Sriedens dient, 
zu großem KHaiferliben Ruhm gereichen, und wird Gott, der 
Allmäctige, Ew. Römifch-Kaiferlichen Majeftät folches in anderem 
Wege reichlich lohnen, und wo ich es nadı meinem, wiewohl 
geringen Dermögen um Ew. ARömifch-Kaiferliche Majeftät zu ver- 
dienen weiß, da will ich, ungeipart Liebes und Gutes, in Unter: 
thänigfeit wiederum geflifien und willig befunden werden und bin 
hierauf Ew. Römifch-Kaiferlichen Majeftät allergnädigften Befcheides 
auf dem Neichstage gewärtig." — 

Die Erempel dafür, daß Niemand auf des Kaifers und des 
Reiches Landfrieden, Erefutionsordnung, Inftitutionen und Abfchiede 
mehr achtete, wovon in dem Proteft geredet wird, boten die 
damaligen Reichstage, auf welchen nur ZAeligionsbefchwerden der 
Stände widereinander und wider den Kaifer das Intereſſe in 


Don 1524 bis zum Untergange der Dithmarfcher freiheit — 1559. 505 


Anſpruch nahmen. Parteiinterefien verdrängten die Intereſſen des 
Reichs. Diefes war in zwei Heerlager gefchieden, die Macht des 
Kaifers war aufs Tieffte gejunfen. Kaifer Serdinand I. war den 
Türfen tributpflihtig und fein Nachfolger Marimilian II. mußte 
feine ganze Kraft zufammenraffen, um fich nur nothdürftig der 
Türen zu erwehren. Solange einer der Herzoge von Holftein 
König von TDänemarf war, hatten diefe vom Kaifer und Reich 
damals nichts zu befürchten, und daher” fonnte der Proteft des Erz. 
bifchofs auch feinen Erfolg haben. Der Kaifer ftelte zwar auf 
wiederholte Bejchwerde 1576 die Sache zur Unterjuchung durch 
norddeutfche Sürften, und 1579 fand in derfelben auch zu Braun- 
fchweig eine Derhandlung ftatt, in welcher die drei Herzoge von 
Holftein zur Begründung ihrer „Rechte“ nichts anzuführen wußten, 
als dag Dithmarfchen ein Aeichslehn fei und die Kaifer Sriedrich I. 
und deſſen beide Nachfolger gleiches Namens Holftein mit Dith- 
marfchen belehnt und die folgenden Kaifer die Belehnung beftätigt 
hätten, fo daß das Haus im fortdauernden Befiß — continuata 
possessione — geweſen fei. Allein das „Haus Bolftein“, nämlich 
der König von Dänemarf und feine Oheime Johann und Adolph, 
hatte in Machtfragen mehr Gewicht in die Wagfchale zu werfen, 
als der Erzbifchof und viele deutſche Sürften, und für Kaifer und 
Reich konnte es fchlieglich gleichgültig fein, ob Herzoge von Holftein 
oder Erzbifchöfe von Bremen Dithmarfchen zu Zehn hatten. Die 
Derhandlung blieb in der Hauptjache refultatlos.. Die Herzoge 
hatten dem Erzbifchof gegenüber fein Recht, aber fie hatten den 
faßtifchen Befig und den Willen, wie auch, als dänifche Prinzen, 
die Macht, fich im Befiß zu erhalten. Die Anfprüche Bremens 
wurden erft 1585 abgethan, als Johann Adolph von Gottorp 
Adminiftrator des Bremer Erzftifts geworden war und er feine 
Stellung dazu benußte, dem ihm nun unterftehenden Kapitel die 
Anfprüche des Ersftifts auf Dithmarfchen abzuhandeln für die 
Summe von 20000 Reichsthalen. Im 17. Jahrhundert wurden 
die Anfprüche Bremens vollends hinfällig. Das Erzftift wurde 


306 Dritter Abſchnitt. Dierte Abtheilung. 


aufgehoben — im mweftphälifchen Srieden kam Bremen an 
Schweden. 

So ging der Dithmarfcher Kandesfreiheit zu Grunde. Sie 
wurde mit den erfchlagenen Helden zu Grabe getragen. Die Er- 
innerungen der Dorzeit aber bleiben lebendig; fie treten dem mit 
der Spezialgefchichte des Landes Dertrauten auf Schritt und Tritt 
im Lande felbit entgegen und rufen, jagt Elaus Harms, ihm die 
Geiſter der Entichlafenen zurüd, fie heben, lehren und mahnen 
ihn in gleicher Weiſe; „Hebel find fie in der Derfunfenheit, Wecker 
aus dem Schlaf, Tyrolerjtimmen vom Berge, daß fich fammeln, 
die es gut meinen im Thal, die da Hecht und Gerechtigkeit, freie 
Sprace, Derjtand und Herz und Geld behaupten wollen im Lande.“ 
Und jener immergrüne Baum der Dorzeit, das Wahrzeichen alt- 
dithmarfcher Kandesfreiheit, er fol, nach Neberlieferung aus der 
Däter Tagen, wieder auffproffen, wenn das alte Heldengebein 
wieder grünt. Die äußeren Beziehungen zwar find andere 
geworden. Aber von innen her geftalten fich Kebensformen, und 
wenn die Gegenwart das Siel zeigt, fo zeigt doch den Weg dahin 
die Dergangenheit. Daher mochte wohl Neocorus auf fein ab» 
geichlofjenes Werk über dithmarfjcher Befchichte das Wort 5. Mofe 4,9 
jegen: Darum fo höde di nu, und bewahre dine Sele wol, dat 
du nicht vorgetejt de Bejchichten, de dine Ogen gejehen hebben, 
und lat je nicht uth dinem Berten famen alle din Leventlang! 


Vierter Abſchnitt. 


Don 1559 bis zur Gegenwart. 





Erſte Abrbeilung. 
Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. 
Sweite Cheilung Dithmarfcdens. 1580. 

Die 1559 vorläufig getroffene Theilung des Landes wurde, 
nach genauen Dermefjungen, im Jahre 1568 berichtigt zum Zwed 
einer definitiven Auseinanderfegung und Erbtheilung unter den 
drei Landesherren: Im Juli 1568 wurde die TCheilung definitiv 
beflimmt in einer diesbezüglichen Abmachung zu Kiel. Die einzelnen 
£andfchaften Batten nun folgende Beftandtheile: 

Il. Der Südertheil. 

I. Das Kirchfpiel Brunsbüttel (ganz Marjch): Brunsbüttel, 
Wallen, Söftemannshufen, Oſterbelmannshuſen, Wefterbelmanns- 
Rujen, Oling, Norderbelmannshujen, Nordhufen, Groden, Mälen- 
firat, O®ldenborgwöhrden und Oſtermoor. 

2. Das Kirchfpiel Eddelaf, ganz Marſch: Weſterbüttel, 
Bemenhufen, Dingen, Warven und Averlad. 

3. Den größten Theil des Marſchkirchſpiels Marne: Marne, 
Trennewurth, Katrepel, Auenbüttel, Menghuſen, Norderröftkufen, 
Dolfemannskufen, Rugemannshuſen, Wefterhufen, Barjemanns- 
Rufen, Süderröfihufen, Sahrftedt, Dettenbüttel, Diekhuſen und 
Süderwild. 


508 Dierter Abſchnitt. Erſte Abtheilung. 


4. Das Marfchlirchfpiel Barlt: Süderdorp, Camp und 
Norderdorp. 

5. Den größten Theil des Kirchſpiels Meldorf: Meldorf, die 
Marſchdörfer Eeſche, CLütkenbüttel, Elpersbüttel und Ammerswurth, 
ſowie die Geeſtdörfer Windbergen, Niendorp, Bargenftedt, Wolmer⸗ 
ſtorp, Varnewinkel, Krumſtedt und Gudendorp. 

6. Das Geeſtkirchſpiel Burg: Burg, Kuden, Bockholt, Brickel 
und Quickborn. 

7. Das Geeſtkirchſpiel Süderhaftedt: Hopen, Weſtorp, Hindorp, 
Fredſtedt, Groten⸗Harſtedt, Lütken⸗Harſtedt, Eggeſtedt (Eckſtedt) 
und Rade. 

8. Dont Geeſtkirchſpiel Alberſtorf die beiden Dörfer Lens» 
büttel und Röſt. 

9. Das Geeftlirchipiel Hemmingftedt: Hemmingftedt, Ridels- 
have, Cohe, Kieth, Brafen und Neeren. Das Marfchland des 
Kirchipiels wurde jedoch zum Mitteltheil gelegt. 

10. Dom Kirchfpiel Hennftedt das Dorf Seddering mit feinen 
Geeftländereien. 

I1. Die Elbinjel Tötel, auf 34 Morgen geichäßt, und die 
HBülpeshemme an der Eider. (lim eine völlige Gleichheit zu treffen, 
erhielt" der Inhaber des Südertheils aus dem Nordertheil eine Korn- 
hebung im Werth von 64 ZAeichsthalern und 27 Schillingen.) 


I. Der Mitteltheil. 


1. Aus dem Kirchfpiel Marne die Marfchdörfer Darenwurth, 
Helſe, Krummmehl, Norderwifch, Kannenmoor, Hemmingbüttel, 
Klighufen, nebſt £indemarf und einigen Parzellen aus dem Trenne- 
mwurther $elde. 

2. Aus dem Kirchipiel Meldorf die Marfchdörfer Epen- 
mwöhrden, Talingburen, Bardesfleth, Barmswöhrden, Ketelsbüttel 
und Bodigmannshufen nebft Dehling und Streiwifch, fowie die 
Geejtdörfer Eeersbüttel, Sarzbüttel, Odderade und Fiel. 

5. Dom Kirchipiel Hemmingftedt das Marfchland. 


Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. — 1580. 509 


4. Das Marfchlirchipiel Oldenwöhrden: Wöhrden, Nienfrog, 
Walenkufen, Hogenwöhrden, Edemannswiih, Edemannswurth, 
Wennemannswifh, Xannemannshufen, Overwiſch, Poppenhufen, 
Büttel, Wellinghufen, Wallen und Nienwifc. 

5. Den größten Theil des Marfchlirchipiels Weflelburen: 
Weflelburen, Diefhufen, Haffenbüttel, Hafjenbüttler Wiſch, Neins- 
büttel, Süderdiet, Poppenwurth, Jarrenwifch, Hodingwiich und 
Haverwiſch. 

6. Das Kirchſpiel Weddingſtedt, meiſt Geeſt: Wedding⸗ 
ſtedt, Wesling, Borgholt, Stelle, Weddinghuſen, Oſtroh und 
Röſtorp. 

7. Vom Marſchkirchſpiel Neuenkirchen das Dorf Tiebenſee 
und einen Theil von Blankenmoor. 

8. Den FSlecken Heide. 

9. Den größten Theil des Beeftlirchipiels Alberftorf: Albers- 
ſtorf, Schapftedt, Arkebed, Schrum, Süderrade, ©fterrade, Offen: 
büttel, Wennbüttel, Jütsbüttel und Bunfoe. 

10. Das Geeſtkirchſpiel Nordhaftedt: Nordhaftedt, Oſterwohld, 
Rieſe, Wefterwohld, Süderkolm und Bennewohl?. 

11. Die Dorhemme oder Hohemme an der Eider. (Sum 
Ausgleich bei der Cheilung wurde dem Inhaber des Mitteltheils 
aus dem Xordertheil eine Kornhebung im Werth von 95 Reichs⸗ 
thalern und 25 Schillingen zugelegt.) 


Il. Der Rordertheil. 


I. Aus dem Kirchipiel Weflelburen die Dörfer NTorddeich, 
Schülp und Strübbel. 

2. Das Marfchlirchipiel Büfum: NXortorf, Diefhufen und 
Warven. 

3. Den größten Theil des Kirchfpiels Neuenkirchen: Blanten- 
moor, Sommerhujen, a Beumwifch, Todienwiich und 
Bödingmannshujfen. 

4. Das Marfchlirchfpiel Hemme: Ofterhaven, Jarremanns- 


510 Dierter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


haven, Martmannshaven, Unfer leven Fruwen Haven, Wefteregge, 
Senhufen, ©fter-Wefteregge und Hemmerwurth. 

5. Das Kirchfpiel Kunden, größtentheils Marfh: Kunden, 
Krempel, Rehm, Bargen, $lede, Groven, $leder-Wurth, Neſſerdiek, 
Made, Wollerſum, Darenwurth, Oſterortballing, Cütken⸗Cehe, Grot⸗ 
Lehe, Wefter-Dfterfeld, Oſter⸗Oſterfeld, Preiel und Remen. 

6. Das Kirchſpiel Hennſtedt bis auf Feddering, meiſt Geeſt: 
Hennſtedt, Cleve, CLinden, Barkenholm, Süderheidſtedt, Norderheidſtedt, 
Wimerſtedt, Hägen und Schlichting, nebft den Marſchländereien des 
Dorfes Seddering. 

7. Das Kirchfpiel Delve, meift Geeſt: Delve, Swynkufen, 
Hollingftedt und Borgwöhrden. 

8. Das Geeſtkirchſpiel Tellingftedt: Tellingfteöt, Baushörn, 
Wellingbüttel, Eendern, Schelrade, Wefterborftel, Wrom, Delftedt, 
£üdersbüttel, Gfterborftel, Dörpling, Palen, Wallen, Slüfing, 
Hovede, Hederftall, Schallholt und das Seebrod an der Eider. 

Der Rieſewohld wurde der Kandeshoheit des Mitteltheils 
unterftellt; die Nutznießung desfelben aber follte den Einwohnern 
aller drei Kandestheile nach wie vor gemeinfchaftlich zuftehen. 

Die genaue Aufmeflung und definitive Cheilung des Eandes 
hatte fich folange hingezogen, weil der Herzog Adolph wegen der 
Abgrenzung der Tielenhemme gegen das Stapelholmer Gebiet 
Schwierigfeiten macte. Nachdem die Dreitheilung vollzogen, 
follte das £os entjcheiden über die Dertheilung unter die Candes- 
herren. Da aber der König den Südertheil zu behalten wünfchte, 
jo emigte man ſich fchlieglich dahin, daß jeder der drei Sürften den 
Cheil behielt, den er bisher befeflen hatte. Die definitive Erb- 
theilung, in welcher beftimmt wurde, daß der König den Südertheil, 
Herzog Johann den Mitteltheil und Herzog Adolph den Nordertheil 
erbeigenthümlich befigen jolle, erfolgte erft am 24. September 1571. 
Hatten die Dithmarjcher 1559 den drei Sürften gemeinfam den 
HAuldigungseid geleiftet, jo mußten nun die Einwohner eines jeden 
Landestheils ihrem Kandesherrn für ſich huldigen. Vor der ent- 


Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. — 1580. 511 


gültigen Entſcheidung über die Erbtheilung des Landes war ſchon 
die, nach der Eroberung in Anrege gebrachte Aenderung des 
Candrechts bejchafft worden, und zwar 1567, durch den Kanzler 
des Herzogs Adolph, Adam Traziger und den Statthalter Heinrich 
Ranzau. Das Ergebniß der Umarbeitung war das noch jeßt 
geltende Dithmarfcher Eandrecht, welches in vielen Stücken an Stelle 
altdithmarfcher ANechtsgewohnbheiten Beftimmmungen des gemeinen 
Rechts und des Sachjenrechts gefegt hat. So ging auch die alte 
NRechtsverfaffung des Landes verloren. — In der Zeit nach Um—⸗ 
arbeitung des Landrechts wurde auch erit das Derhältnig der 
GBeiftlichen als Kirchendiener zu den Gemeinden ein gefeßlicdh feſt— 
beftimmtes. Bis dahin war dasfelbe im ganzen nur auf Privat: 
ablommen gegründet. Das erhellt aus verichiedenen Nachrichten 
über Befegung von Predigerftellen und vornehmlich aus Prediger: 
chronifen der einzelnen Gemeinden, unter welchen namentlich die 
Büfumer anzuführen ift. Wie der Diafonus Johann Horfter 1556, 
jo ward 1564 der Diafonus Peter Schned von den Büfumern 
vom Dienft gejagt, und der Diafonus Nicolaus Simonts wurde, 
weil er nach erlittenem Schlaganfall auf der Kanzel fich des 
Konzepts bedienen mußte, 1587 ohne weiteres von den Büfumern 
vom Amt entfegt. Der Paftor Johann Trajectinus (Utrecht), feit 
1542 Paftor zu Büfum, wurde, als er eine Erhöhung jeiner 
Bejoldung forderte, 1550, troß aller eingelegten Sürjprache, von 
den Büfumern aus dem Amt gefeßt, was ihn veranlaßte, das 
Diafonat in Weflelburen anzunehmen, wo er 1559 Archidiatonus 
wurde und in demfelben Jahre verftarb. Paftor Johann Bollichius, 
feit 1553 in Büfum, vorher in Wöhrden Paſtor, gerieth in Büſum 
mit Gemeindegliedern, namentlich Marten Johann Reimers und 
Sager Claus, in Swift. Dor das Kirchfpiel berufen, ward er von 
Aeimers zur Ungebühr der Lüge geziehen. Das kränkte ihn fo, 
daß er am nächfifolgenden Sonntag den Reimers vom Abendmahl 
ausihlog und bald darauf feine Predigt auf Büfum einftellte und 
das Land verließ. Er wurde dann Paftor in Itzehoe, Propft zu 


512 Vierter Abſchnitt. Erſte Abtheilung. 


Münſterdorf und als ſolcher auch Generalpropſt (dasſelbe, was 
nachher Generalſuperintendent) für Holſtein. Hieronymus Wille⸗ 
mann, ein Hamburger, ſeit 1557 Paſtor zu Büſum, vorher in 
Beide, ward 1564 von den Büſumern, weil er feſtangeſtellt zu 
werden begehrte und nicht mehr von einem Jahr zum andern 
angenommen fein wollte, einfach vom Dienfte gejagt. Als er an 
einem Sonntage die Predigt begann, trat der Kirchipielvogt Grote 
Johann Dirkſen aus feinem Stuhl und rief: „Herut, herut, dar is 
ein Ander gefordert; de diffen annehmen willen, de mögen idt 
doen, wy willen em nicht holden und hören.“ Es foll dann auch 
der größte Theil der Zuhörer dem Grote Johann aus der Kirche 
gefolgt jein. An Willemanns Stelle trat M. Jacob Budeus, dem 
es an Derfolgung nicht fehlte, nachdem er des Kirchipieloogts Grote 
Johann Dirkſen Schwefter Telfche, die man ihm zur Ehe zugedacht, 
verfchmäht hatte. Doch durfte man ihn nicht vom Dienft jagen, 
weil er in die Samilie des Landvogts Boje heirathete. Nach 1600 
findet fich fein Beifpiel mehr, daß Prediger oder Gemeinden 
einander eigenmäctig den Kontrakt gefündigt hätten. Johann 
Adolph Neocorus, unfer Gefchichtsfchreiber, der auf Nicolaus 
Simonis im Diafonat zu Büſum folgte, konnte, als er wiederholt 
mit den Büfumern in Streit gerathen, 1624 nur mit Zuthun der 
Uegierung vom Amte entfeßt werden. Uebrigens war das Der: 
hältnig zwifchen Predigern und Gemeinden im Lande im ganzen 
befjer, als unter den Büfumern, von denen Neocorus fagt, „daß 
fie allezeit ein ‚wrevelig dreehaarig Doll! gewefen. —"! Die Um- 
geftaltung, Neuordnung und eigenmächtige Anordnung durch die 
Landesherren, die durch Bewalt ins Regiment eingedrungen, mußte 
immer aufs neue die Unzufriedenheit im Kande erregen. Der 
freie Sinn der Dithmarfcher, an Selbftbeftimmung gewöhnt, fo 
daß ihm die höchſte fommunale Sreiheit unter Sürftenherrfchaft, 

! Es mag das wohl mit der vorherrfdjenden Neigung zum ungebundenen 


Leben auf und an dem Meer und mit der vorwiegend ftarfen Beimifchung 
friefifher Elemente bei den damaligen Büfumern zufammengehangen haben. 


Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. — 1580. 513 


die auf der Beftimmung bafirt: „Jede Gemeinde ordnet ihre 
Angelegenheiten felbft innerhalb der Brenzen des Geſetzes“, noch 
als eine Befchräntung erjcheinen mußte, in welcher jchlieglich die 
Gemeinden nicht ordnen, fondern man fie ordnen läßt, konnte fich 
in die neue Lage nicht hineinfinden. Die ungewohnten Steuern 
und Abgaben wurden drüdend empfunden und widerwillig ent- 
rihtet. Man MHagte laut über fchlechte Derwaltung im all. 
gemeinen uud befonders über fchlechte Derwaltung des Finanz: 
weſens. Die Landfchreiber, als fürftliche Hebungsbeamte die 
einzigften nicht aus freier Wahl hervorgegangenen Derwaltungs: 
beamten, und unter diefen Kebteren die einzigften, die nicht aus 
Candeskindern genommen zu werden brauchten, damals die einzigften 
Fremden unter den Derwaltungsbeamten im Lande, wurden offen 
der Ungerechtigkeit, des Betruges und der Untreue bejchuldigt. 
Unmuth und Unzufriedenheit waren allgemein herrichend im Lande. 
Dazu fam noch der Swang zur Heeresfolge im Dienft der Sürften 
zu Kriegen um Dinge, die das Land Dithmarfchen gar nicht 
berührten und die Dithmarfcher gar nichts angingen. 1574 wurde 
die Mannfchaft des Nordertheils und des Mlitteltheils aufgeboten 
wider den Herzog Magnus von Sachjfen-£auenburg, weil der 
zankfüchtige Herzog Adolph von Bottorp mit demfelben haderte 
und Johann von Badersleben in dem Zwiſt zu feinem Bruder 
Adolph hielt. Es ward der vierte Mann vorläufig angemuftert 
und nach der alten Bamme dirigirt. Der Hader unter den fürften 
wurde jedoch ausgeglichen, bevor es zur Eröffming von feind- 
feligleiten zwifchen den gegnerijchen Truppen fam, und der Herzog 
Adolph entlieg die zufammengezogene Mannfchaft, indem er diefelbe 
„auf ihren eigenen Sold“ wieder heimziehen ließ. Schon auf dem 
Binmarfch hatten die Dithmarfcher im Bolfteinifchen Muthwillen 
geübt und namentlich gegen Einwohner des Dorfes Beer an der 
Bolfteinifchen Grenze im Kirchipiel Schenefeld eine feindfelige 
Gefinnung befundet, indem fie fich an denfelben zu rächen fuchten 
für die Unbill, welche in der legten Fehde gefangene oder geflüchtete 
Dithmarſcher Geſchichte. 55 


514 Dierter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


Einwohner Dithmarfchens zu Reer erlitten hatten, indem man nach 
ihnen wie auf flüchtiges Wild gefchoffen und, wie es hieß, einige 
aus ihnen gar gezwungen hatte, ihr eigenes Grab zu graben. 
Auf dem Rüdmarfch wollten fie nun das Dorf abbrennen und bis 
auf den Grund vertilgen. Der Anfchlag wurde aber ruchbar, und 
die Dithmarfcher wurden auf einem anderen Wege in ihr Land 
zurücdgeführt. Die fo unverhohlen befundete Abneigung der Dith- 
marfcher wider die beftehenden Derhältnifje mußte die Sürften zur 
Dorficht mahnen. Sie ließen fich denn auch wohl eben deshalb, 
weil fie fich der Treue und Ergebenheit der Dithmarfcher wenig 
verjichert halten fonnten, noch 1578 vom Kaifer Yudolph I. bei 
Ertheilung der Belehnung mit Bolftein durch denfelben auch die 
Kapitulation der Dithmarfcher von 1559 ausdrüdlich beftätigen.! 
Doch getraute der König Sriedrich II. fich 1579, nach Dithmarfchen 
zu fommen, indem er von Wilfter aus auch feinen Südertheil 
befuchte, freilich unter ſtarker Bededung. Uebrigens war eben zu 
der Seit die Bährung im Kande groß. Auf dem Sriedenstongreg 
zu Köln, den Dertreter des König Philipps II. von Spanien und 
Abgeordnete Hollands im Sommer 1579 zum Zwed der Beilegung 
der fpanifch-holländifchen Wirren abhielten, war plößlich auch 
Johann Tope, „Bans von Lunden”, erfchienen und hatte mit dem 
Herzoge von Terranova, Gejandten Königs Philipp von Spanien 
auf dem Kongreß, Unterhandlungen angelnüpft, die darauf hinaus- 
gingen, den König Philipp IL. zu beftimmen, fih in Dithmarfchen 
feitzufegen, um von da aus die übrigen Marfchländer einzunehmen 
und dadurch den Holländern und Seeländern, die fich gegen Philipp 
empört hatten, die Sufuhr abzufchneiden und zu fernerem Wider- 


ı Bis 1521 belehnte der Biichof von Kübed die holfteinifhen Kandes- 
herren. In diefem Jahre übertrug Kaifer Karl V. das Recht der Belehnung 
mit Bolftein für den herzoglihen Antheil an den König Ehriftian II. von 
Dänemart. 1548 wurde Bolftein unmittelbares Paiferlides Reichslehn, 
mußte nun Reichsfteuern zahlen und vierzig Reiter und achtzig Fußknechte 
zum Reichsheer ftellen. 


Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. — 1580. 515 


ftand unfähig zu machen. Die Macht der Dänen und Holfteiner 
fei leicht zu brechen; die Dithmarfcher allein hätten fich jahr’ 
hundertelang derfelben fiegreich erwehrt; die Dithmarfcher würden 
dem König Philipp Thür und Chor Öffnen, da fie der Herrfchaft 
der Herzoge von Holftein überdrüffig feien, und fo würde es ein 
Leichtes fein für den König, in Dithmarfchen für feine Operationen 
feften Suß zu faffen. Sum Beweife des Kebteren, foweit die Ge- 
finnung der Dithmarfcher in Betracht fam, und zu feiner Legitimation 
legte Tope eine von vierzehn der vornehmften Männer Dithmarfchens 
unterfertigte Dollmacht vor und übergab dann dem fpanifchen 
Gefandten ein fchriftliches Memorandum feiner Dorfchläge zur 
Mittheilung an den König Philipp. Es wurde befchlofien, fofort 
eine beglaubigte Abjchrift der betreffenden Schriftftüde an den 
König zu fenden und nach erfolgter Antwort des Königs weiteres 
in der Sache zu verhandeln und zu vereinbaren. Die Angelegenheit 
ward aber an den Herzog Adolph von Gottorp verrathen. Ein 
früherer heffifcher Major, der mit Cope gemeinfchaftlich Kriegsdienfte 
geleiftet, fam 1580 nach Bottorp und entdeckte dem Herzog Adolph 
den ganzen Plan, weil er dem Dater der Gemahlin des Herzogs, 
einer heffifchen Prinzeffin, Treue für fih und feine Familie gelobt 
habe. Er fagte aus, daß Tope in £üneburg verheirathet fei und 
um Oſtern oder Pfingften dafelbft zum Befuch feiner Srau, die er 
feit Jahren nicht gefehen habe, eintreffen wolle, wenn Nachricht 
aus Spanien vom Hofe des Königs Philipp eingelaufen fein werde; 
von Lüneburg wolle Tope dann auch nach Dithmarfchen fommen, 
um feinen Dollmadhtgebern Bericht zu erftatten. Berzog Adolph 
traute dem fremden Gberft nicht und verwies ihn mit feiner 
Meldung an die Käthe; er fcheint ein Attentat gegen feine eigene 
Derfon befürchtet zu haben. Der Oberſt wurde reich befchentt 
entlafien. Adolph lieg im geheimen in Lüneburg Erfundigungen 
einziehen, und dieſe beftätigten die Ausfagen des Überften; der 
Staller von Kiderftedt, Caspar Hoyer, wurde beauftragt, die 
nöthigen Deranftaltungen zu treffen, um Tope, fobald er ſich 
35* 


516 Vierter Abſchnitt. Erſte Abtheilung. 


im Lande blicken laſſe, zu verhaften. Johann Tope erſchien 
wirklich in £unden zu der vom Oberſten angegebenen Zeit und 
zwar in Begleitung feines Bruders, der ebenfalls auswärts 
Kriegsdienfte genommen hatte. Er fam auch nach Eiderftedt; 
doch entging er allen Nachftellungen, während fein Bruder in 
Tönning in einer Wirthfchaft feftgenommen wurde. Der Bruder 
des Johann Tope — Hans heißt er bei den Ehroniften, vielleicht 
in Derwechfelung mit feinem Bruder, da Johann und Hans ein 
und derjelbe Name ift — ward einem peinlichen Derhör (mit Bein- 
fchrauben) unterworfen und fagte aus, daß fein Bruder mit Dale 
Woller zu Meldorf, Hans Denker zu £unden, Elaus Poppe, einem 
zu Stade wohnhaften Kaufmann aus Dithmarfchen, Boje Nanne 
Denter und anderen angefehenen Dithmarjchern Derbindungen 
gehabt und auch wohl im allgemeinen Pläne zur Wiederherftellung 
der alten Sreiheit des Landes entworfen habe; feine und feines 
Bruders Anwefenheit im Lande habe damit aber nichts zu thun; 
er felbft fei hier wegen Ankaufs von Pferden für den Pfalzgrafen, 
und fein Bruder habe ihn nur begleitet, um beim Abfchluß des 
Handels Bürge zu fein. Als der Herzog Adolph Bericht in der 
Sache empfangen hatte, ließ er zu Lüneburg dem Johann Tope 
auflauern und nachjpüren und beantragte deſſen Derkaftung beim 
Lüneburger Rath. Unterm 22. Juni 1580 zeigte der Yath dem 
Berzoge an, daß „Hans Toby“ aus Kunden verhaftet fei und 
forderte den Herzog auf, nunmehr feine Klage wider den Inhaftirten 
vor dem zuftändigen Gerichte anzubringen. Herzog Adolph wich 
aber der Öffentlichen Derhandlung aus. Der heffifche Oberft wolle 
nicht genannt fein als alter Kriegsgefährte des Johann Tope, und 
er, der Herzog, habe dem ©berften fein Wort gegeben, daß deflen 
Name in der Derhandlung wider Tope nicht genannt werde, auch 
Johann Tope jelbft nicht am Leben geftraft, fondern nur gefangen 
geſetzt werden jolle. Die Sürften verlangten einfach Auslieferung 
des Tope und verjprachen, in vorkommenden Sällen auch ihrerjeits 
dem Rathe der Stadt Lüneburg gegenüber ein gleiches Derfahren 


Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. — 1580. 517 


zu beobachten. Der Rath ließ fich aber auf nichts ein, wies das 
Anfinnen der Sürften furz ab und lud diefe zu einem Termin 
in furzer Srift zur Derhandlung in Sachen wider Johann Tope. 
Der König $riedrich II. meinte, wenn der Rath auf gerichtliche 
Derhandlung beitehe, müßte man die Ladung zum Termine 
refpeftiren. Berzog Adolph aber wird dem nicht zugeftimmt 
haben. Die Sürften erfchienen nicht zum Termin. Johann Tope 
dagegen erklärte fich Öffentlich vor Rath und Bürgerfchaft für 
einen Holftenherren-Seind und wurde dann losgeiprochen. (Neo⸗ 
corus II. 233.) Mag der Herzog Adolph der Sache auch eine 
übertriebene Bedeutung beigelegt haben, fo zeigt diefelbe doch, daß 
die Dithmarfcher die beftehende Ordnung der Dinge nicht als zu 
Recht beftehend anerfannten und nur gezwungen die Sürftenherrfchaft 
trugen. 

In demfelben Jahre, in welchem diefe Topefchen Angelegen- 
heiten die Unruhe im Lande mehrten, trat infolge des Ablebens des 
Herzogs Johann von Bolftein-Hadersleben abermals eine Der- 
änderung in den Aegierungsverhältniffen des Landes: ein. Herzog 
Johann war am 2. Öftober 1580 geftorben und hatte feine 
Descendenten als Erben hinterlajien. Der Herzog Adolph meinte 
nun, der Nachlaß müſſe ihm, als dem Bruder des Erblaffers, 
allein zufallen; davon wollte aber der König nichts willen, der 
nad feinem Dater, dem vorverftorbenen Bruder des Herzogs Johann, 
Erbaniprühe erhob. Endlich verglichen der König und Herzog 
Adolph fihh dahin, daß das Erbe zwijchen ihnen zu gleichen 
heilen gehen folle.. Die nördliche Hälfte des bisherigen Mittel. 
theils Dithmarfchens follte dem Nordertheil des Herzogs Adolph, 
die füdliche Hälfte desjelben dem Südertheil des Königs zugelegt 
werden. Die Dögte und Räthe in Dithmarfchen erhielten Befehl, 
die Grenzſcheide zwifchen dem Föniglichen Antheil und dem herzog- 
lichen feftzuftellen, und hatten ihre diesbezügliche Aufgabe bereits 
im Jahre 1581 erfüllt. Die Genehmigung der bewerfftelligten 
Theilung von feiten der Sürften erfolgte 1582, 12. November, 


318 Dierter Abfchnitt. Erfte Abtheilung. 


indem die bevollmächtigten Räthe: Statthalter Heinrich Yanzau, 
Jürgen Seeftedt zu Kroß-Tordfee und Benedict von Ahlefeld, 
Amtmann zu Steinburg, im Namen des Königs, und die bevoll- 
mächtigten Räthe Benedict von Ahlefeld, Klofterpropit zu Preeß, 
Detlef Ranzau, Amtmann zu Eismar, und Bofmeifter Egidius 
von der ante im Namen des Herzogs den vom KLandichreiber 
Anton Reich entworfenen Theilungsrezeg beftätigten, nachdem fie 
vorher eine eingehende Befichtigung der abgeitechten Grenzſcheide 
vorgenommen hatten. Die bevollmäctigten Räthe nahmen dann 
auch an ftatt der Sürften die Huldigung der neuen Unterthanen 
zu Deide, wo die Beftätigung des Theilungsrezeffes erfolgte, ent- 
gegen. Don dem bisherigen Mitteltheil erhielt 


König Sriedrich II.: 

I. die fieben Dörfer aus dem Kirchfpiel Marne; 

2. die acht Marfch- und vier Geeftdörfer aus dem Kirchfpiel 
Meldorf; 

3. das Marjchland des Kirchfpiels Hemmingſtedt; 

4. die Hälfte des Kirchipiels Oldenwöhrden, nämlich: Nienkrog, 
Wakenhuſen, Wöhrden, Büttel, Wallen und Nienwijch; 

5. das Kirchfpiel Alberftorf; 

6. vom Kirchfpiel Nordhaftedt: Nordhaftedt, Rieſe, Oſterwohld 
und Wefterwohld. 


Herzog Adolph von GBottorp: 


1. die zehn Dörfer aus dem Kirchipiel Wefjelburen; 

2. das Kirchjpiel Weddingftedt; 

3. den betreffenden Theil vom Kirchfpiel Neuenkirchen; 

4. den Flecken Heide; 

5. die Hälfte vom Kirchipiel Oldenwöhrden und zwar: Nanne⸗ 
mannshufen, Wellinghufen, Poppenhufen, Wennemannswifch, Ede- 
mannswiſch, Edemannswurth und Ovperwiſch; 


6. aus dem Kirchipiel Nordhaftedt: Süderholm und Benne- 
wohld. 


Don 1559 bis zum Tode des Herzogs Johann. — 1580. 919 


Es umfaßte demnach nunmehr: 

I. Die Eandfhaft Süderdithmarfchen die Kirchfpiele: 
Süderhaftedt, Burg, Eddelaf, Brunsbüttel, Marne, Barlt, Meldorf, 
Hemmingftedt, die fog. Süderpogtei Wöhrden, das Kirchfpiel Nord» 
haftedt mit Ausnahme von Süderholm und Bennewohld, das 
Kirchipiel Alberftorf und aus dem Kirchfpiel Hennftedt das Dorf 
Seddering, welches zur Kirchfpieloogtei Hemmingſtedt gelegt wurde. 

2. Die Landfchaft Torderdithmarfchen die Kirchfpiele: 
Büſum, Wefjelburen, Neuenkirchen, Hemme, Eunden nebft St. Annen, 
Hennftedt (Seddering ausgenommen) mit Schlichting, Delve, Telling- 
ftedt, Weddingftedt, Heide, die jog. Nordervogtei Wöhrden und die 
Dörfer Süderholm und Bennewohld. 

So war Dithmarfchen nun in zwei Theile gefchieden, einen 
töniglichen unter Sriedrich I. und einen herzoglichen unter Adolph 
von Gottorp. 

Wie zwei Landichaften, fo bildete Dithmarfchen nun aud 
nur zwei Dogteien und zwei Superintendenturen oder Propfteien. 
Im bisherigen Nordertheil war 1573 auf Marcus Swyn der 
Dr. jur. utr. Henning Boje, Thomas Bojen Sohn, als Candvogt 
gefolgt; im Mitteltheil war an die Stelle des Wolt Neimers, der 
am 11. Januar 1569 flarb, Dr. Ehriflian Boje, des Magifters 
Nicolaus Boje zu Meldorf Sohn, getreten, und im Südertlyeil war 
nach dem 1567 erfolgten Ableben des Jacobs Harder der Lic. 
jur. utr. Michael Boje, Harder Bojen zu Brunsbüttel Sohn, Vogt 
geworden. Henning Boje ward nun Dogt über die Norderhälfte, 
Michel Boje über die Süderhälfte des Eandes. Als Superintendent 
fland zur Seit der neuen Theilung, nach dem Tode des Herzogs 
Johann von Hadersleben, im Mitteltheil bisher noch Johann 
Creisbah zu Wöhrden, im Nordertheil M. Marcus Wrange zu 
Neuenkirchen; im Südertheil fland Peter Boje, ein Holfteiner, 
früher Paftor zu Beiligenhafen, den der König 1574 unmittelbar 
an Stelle des Henning Muhle (der 1589 als Paftor zu Marne 
ftarb) zum Paftor in Meldorf berufen und dem er dann auch die 


520 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Superintendentur übertragen Hatte, als Superintendent im Amt. 
Magifter Marcus Wrange ward nun Superintendent der Norder- 
hälfte, Peter Boje Superintendent der Süderhälfte des Landes. — 
Weil Peter Boje fchielte, Johann Ereisbah lahm war und 
Marcus Wrange einen guten Trun? nicht mifachtete, hieß es von 
diefen drei gleichzeitig im Anıte ftehenden Pröpften: 

De Prameft tho Meldorp is fheel und plinket, 


De Praweft tho Wöhrden is lahm und hintet, 
De Pramweft tho Nienkarken is dull und drinket. 


(Neocorns.) 


Zweite Abtheilung. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem £andesherrn — 1723. 


Licht lange nach erfolgter Neuordnung in Anlaß des Ab⸗ 
lebens des Herzogs Johann ftarb Herzog Adolph von Gottorp, 
1. Oftober 1586. Ihm fuccedirte fein Sohn Sriedrich II. Diefem 
ward zu KZunden. gehuldigt am 21. Sebruar 1537; alle über 
fechzehn Jahre alten Einwohner der Norderlandichaft waren zur 
Duldigung morgens 7 Uhr nach £unden entboten und zwar bei 
Derluft Keibes und Buts. Die Huldigung wurde von Kommiffaren 
des neuen Herzogs entgegengenommen. Als Huldigungsgabe von 
feiten der KLandfchaft follte dem Herzoge durch den Candvogt 
Ehriftian Boje ein foftbarer goldener Becher überreicht werden. 
Der Landoogt hatte den Becher aber zurücdbehalten, „unterfchlagen“ 
heißt es bei den Chroniſten. Diejer wurde nachher im Nachlaffe 
des Eandvogts gefunden, und der Herzog „Johann Adolph ſoll dann 
1592 deswegen 16000 ZAeichsthaler aus dem Bojefchen Erbgut 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 521 


an fih genommen haben. &s ift zu vermuthen, daß dem Land- 
vogt Boje die Huldigungstomödie mit obligaten Gefchenten an den 
Landesherrn des Guten zu viel gedäucht habe. Herzog Sriedrich II. 
ftarb bereits 1587, 15. Juni, erft 20 Jahre alt, und fein Bruder 
Philipp ward nun Herzog. Auch diefem mußte zu Eunden, obwohl 
er felbft nicht anmwejend war, feierlich gehuldigt werden, den 
2. Mai 1588. Als Huldigungsgabe brachte die Landfchaft auch 
diesmal einen goldenen Becher dar; zugleich erwirkte fie durch 
Doß Bude, Starte Johanns Ties, Earften Junge und Boje Nann, 
die zu dieſem Zweck bevollmächtigt waren, mit großen Koften eine 
Beftätigung der Kapitulation von 1559. Die Beftätigungsalte, 
vom 4. Januar 1589 datirt, war mit einer gleichzeitig abgegebenen 
Konftitution verbunden, welche verfchiedene Dergünftigungen verheißt, 
fo namentlich Befeitigung aller feit der Eroberung des Landes 
angelegten Hölle, die dem Sriedenstraltat von 1559 zumiderliefen, 
unverzögerte Erefution in liquiden Sorderungen und Aufrecht- 
erhaltung der alten Deichordnung. Es waren aljo fchon 30 Jahre 
nach der Eroberung Bedrüdungen von feiten der Gottorper ab- 
zuftellen, und diefe wurden auf Derlangen der Landfchaft abgeftellt, 
nicht etwa unter Entjchädigung der durch diefelben Betroffenen, 
fondern mit großen Koften diefer für die Abftellung. Im Jahre 1588, 
4. April, ftarb auch der König Sriedrich II., und fein Sohn, 
Ehriftian IV., gelangte zur Krone. Am 3. Dezember 1589 mußten 
die Einwohner des Südertheils Dithmarfchens dem Könige Ehriftian, - 
für den übrigens einftweilen bis zu feiner Mündigfeit feine Mutter, 
die Königin Sophia, in den Herzogthümern regierte, während im 
Königreich der Neichsrath Yas Regiment führte, die Huldigung 
leiften. Der junge Berzog Philipp von Gottorp ftarb fchon am 
18. Oftober 1590. An deſſen Stelle trat jein Bruder Johann 
Adolph. Diefer ließ fich noch in demfelben Jahre huldigen und 
erhielt einen filbernen Tifch von der Kandfchaft. Er beitätigte am 
20. Juni 1592 der lebteren die alten Privilegien. Der Süder: 
landfchaft wurde im Jahre 1595 vom Könige Ehriftian IV. die 


522 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Kapitulation von 1559 beftätig. Die vielen Huldigungen und 
Beftätigungen von Traftaten, die an fich unverleglich fein und 
feiner Beftätigung bedürfen follten, verurfachten den Dithmarfchern 
große Koften. Doch war man unentwegt auf Erhaltung der alten 
Privilegien, foweit fie 1559 gerettet worden, bedacht, troß aller 
Mühen und Koften, die damit verbunden waren. Die Sürften 
dagegen, vornehmlich die Bottorper, waren ftets bereit, die Opfer: 
willigfeit des Landes in diefer Rückſicht in Anfpruch zu nehmen 
und für fich auszunugen. 1595, auf Caspar Hoyers Begräbniß, 
zu welchem, weil Caspar Hoyer, Staller von Eiderftedt, auch den 
Poften eines Gouverneurs für Norderdithmarjchen bekleidet hatte, 
Deputirte aus der Landfchaft entboten worden waren, forderte der 
Herzog Johann Adolph von den Norderdithmarfchern eine Ertra- 
jhagung von 15000 ZLeichsthalern. Don diefer Summe wollte 
er nach zehn Jahren 6000 Thaler zurücdzahlen und bis dahin 
diefelben verzinfen. Auch andere Bottorper Landjchaften mußten 
damals zu folchen Schaßungen fich verftehen. 1596 fandte Süder- 
dithmarjchen zur Krönung des Königs Ehriftian IV. und zur 
Hochzeit der Schweiter des Hönigs mit dem Berzoge Johann 
Adolph Deputirte nach Kopenhagen, die in Dammaft und Seide 
gekleidet fein mußten und natürlih nicht ohne Geſchenke am 
Königshofe erfcheinen fonnten, zum Krönungs- und Hochzeitsfefte. 
Im Jahre 1597 erfchien zum erften Male ein Gottorper Prinz 
ohne Bedeckung in Dithmarfchen, der Erzbifchof Johann Sriedrich 
von Bremen, Bruder des Berzogs Johann Adolph, der am 
17. Mai über die Elbe nach Brunsbüttel fam und von da in 
einer Hutjche, nur von vier Neitern begleitet, nach Heide fuhr, 
wo er übernachtete und am anderen Tage, einem Sonnabend, fich 
den Wochenmarft anjah, und von wo er dann, nachdem er vom 
Lande bemwirthet worden, weiter reifte nach Bottorp. Es gefiel 
den Dithmarfchern, daß er, was noch feiner feiner Dorfahren und 
feiner Brüder gewagt hatte, ohne Bedeckung durchs Land z0g, 
weil er ehrlichen £euten Blauben fchentte, während feine Mutter 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1775. 523 


über folche Kühnheit in nicht geringe Beforgnißg war, fagt 
Neocorus. Der Prinz, als Erzbifchof von Bremen, fonnte übrigens 
unter allen Bottorpern am mwenigiten unliebfame Erinnerungen bei 
den Dithmarjchern weden. 1598 fam auch der König Ehriftian IV., 
in Begleitung feines Bruders Johann, des Prinzen Auguft von 
Brandenburg, des Herzogs Johann des Jüngeren und des Herzogs 
Magnus von Sachlen-Lauenburg und unter Bededung von 
100 Aeitern und einer Abtheilung Sußtruppen, nach Dithmarfchen. 
Er zog am 13. März über £unden und Heide nach Meldorf. 
Bier nahm er Wuartier im Haufe des Landfchreibers Anton Stein- 
haufen. Aus allen Kirchfpielen liefen die Leute zufammen, um 
den König zu fehen. Dieſer habe fich indes mit Derwunderung 
die Dithmarfcher Tracht, namentlich die Kageln, angejehen, er habe 
fih einige Kageln in fein Quartier bringen laffen, auch einen 
ganzen Srauenanzug gefauft, um ihn mit nach Kopenhagen zu 
nehmen, dies alles und das leutjelige Weſen des Königs habe die 
Dithmarjcher angenehm berührt, Migfallen dagegen hätte es erregt, 
daß ein Trompeter des Hönigs zur Beluftigung in Srauenfleidung 
fich Babe fehen laſſen, heißt es in den Ehronifen. Doch war die 
Iracht der Dithmarfcherinnen gar nicht fo ungewöhnlich und 
fpeziell das Kopfzeug, Kageln als Staatstracht und Hoifen als 
Alltagstraht, war auch in den benachbarten Hanjeftädten ge- 
bräuchlih." Am 15. März reifte der König nach Wilfter weiter. 
Der Durchzug desfelben und der kurze Aufenthalt hatten dem 


! Die Hoifen wurden in Hamburg erft im vorigen Jahrhundert ver- 
drängt durch die Fontangen. Als diefe auffamen, verfpottete Kaurenberg 
diefelben als modifhe XNarrheit in einem Reim, in weldhem es heißt: 
„O Bent und Seuf, du brave Draht, der Grotmöhm befte &Sierde, wie 
Rund et doch in hamborg to, als man die noch recht fierte. Denkt, wo de 
Olen ensmals ſchulln ut ehrem Graff upflahn und jehn de junge Welt hier 
nu mit Klütjenferfen (die hohen Fontangen) gaen. © worden fe nicht 
füften doen und diffe Klage föhren: hamborg nu du de Seuk afleggt, ward 
die de Süße röhren!” — „Se geit in Buve und hüll“ galt, von Frauen 
gebraucht, als Bezeihnung niedrigen Standes: Sie trägt fein Kopfzeug, 


524 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Lande an 10000 Zeichsthalern gefoftet. Auf den 18. April 
felbigen Jahres wurden der Dogt und die Gerichtsräthe der 
Norderlandfchaft vom Herzoge Johann Adolph nach Gottorp be- 
fohblen zum Begräbniß der frau des herzoglichen Dice-Kanzlers 
Dr. Nicolaus Junge, eines geborenen Dithmarfchers aus Schlichting, 
Sohnes des früheren Achtundvierzigers Carſten Junge dafelbft. 
Nach dem Begräbniß ftellte der Herzog abermals an die Kandfchaft 
das Derlangen einer außerordentlichen Steuer und zwar diesmal 
im Betrage von 25000 Zeichsthalern. Die Steuer wurde für 
nöthig erflärt vom Herzoge aus folgenden Gründen: Sein Dater, 
Herzog Adolph, habe feine Erblande mit Schulden belaftet antreten 
müflen, und weil er gleich zu einem Zuge wider Dithmarfjchen 
geneigt gewefen, habe er fih an den Hof des Kaijers Karl V. 
begeben, zum Swed der Ausbildung in der Kriegskunſt. Diefes, 
ſowie feine Reife nach England, feine Kriegsdienfte vor Gotha 
und Grimmenſtein im Jahre 1566, die er als damaliger Kreis- 
oberfter habe übernehmen müflen, feine Kriegsdienfte für Spanien 
in den Niederlanden, bei welchen allein er 30 000 Thaler zugefeßt 
und fein Sold habe erhalten können,' fein als Kreisoberfter unter- 
nommener Zug in dem Streit der Herzoge von Sachfen, wofür er 
auch nichts befommen, der Brand des Schlofies Kottorp, die Aus- 
fteuer feiner Tochter, der Aufwand zur Erwerbung der Stifte 
Bremen und Lübed für feine zahlreiche Samilie und anderes mehr 
habe verurjacht, daß fein Dater, Herzog Adolph, viele Schulden 


ift feine Sran aus befjer fituirten Kreifen. (Schüße, Holft. Jdioticon, II, 167.) 
— Die Hoiken waren holländifchen Urfprungs. Don einer befonderen Dith- 
marfder Tracht wußte man längft nichts mehr. Schon Xeocorus fagt : 
De Olden hebben in inlandſche Kledung de eddele Frieheit vordedigt und 
erholden ; wie hebben fe in englifhe Kledung vorlaren! Eine eigentliche 
Nationaltracht hat es wohl bei den Dithmarfcdern überhaupt nicht gegeben, 
wenn auch die Tracht der Dithmarſcher fi von der ihrer Nachbarn, der 
Holfteiner und Frieſen, unterfdied. 

* Die Dithmarſcher hatten aljo zutreffend den Herzog Adolph einen 
„Schluder” genannt, der das Seine in fremden Landen verthan habe. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 17723. 525 


hinterlafjen habe. TDieje wären bei der kurzen Regierung feiner 
beiden älteren Brüder, die in blühendfter Jugend verftorben ud 
zu deren Zeit die Sachen nicht recht wahrgenommen feien, noch 
vermehrt worden. Er felbit, Johann Adolph, habe große Aus: 
gaben gehabt durch die Kriegszüge, die er mitgemacht, ſowie 
durch feine eigene und feiner Schweſter Dermählung. Die Aus» 
fteuer einer anderen Schwefter ftehe ihm bevor, und feine übrigen 
Schweftern, die auch einmal eine Ausfteuer erforderten, wären noch 
zurüd. Die Sinfen wären fo angelaufen, daß, wenn man dem 
Uebel nicht zeitig vorbeuge, Land und Leute in die größte Be: 
ſchwerde gejeßt werden würden. Er hoffe, die Dithmarfcher, welche 
fih gegen ihn und feine Dorfahren im Haufe Bolftein fonderlich 
in getreuem Sleiß und Gehorfam alle Wege rühmlich erzeigt 
hätten, würden fich bei folchen Umftänden der verlangten Summe 
nicht weigern. Die Summe fordere er nicht gleich bar, fondern 
er fei zufrieden, wenn die Landfchaft diefelbe in zehn Jahren ab- 
trage und die jährlich zurüdgebliebene Hauptſumme unterdefien im 
Umjclage verzinfe. — So wurde den Dithmarfchern ganz offen 
zugemuthet, nicht nur zur Dedung der Koften für unmäßigen 
Samilienaufwand des Herzogs Johann Adolph und feiner Dorgänger 
beizufteuern, fondern auch die Ausgaben des Herzogs Adolph, die er 
zur Ausbildung in der Kriegstunft zum Swed der Eroberung Dith- 
marfchens gemacht, zu erftatten. Diefer Sache wegen blieben vier von 
den Dithmarfcher Gerichtsräthen: Boje Nanne Safe Moller, Tarften 
Junge und Bans Raßke, in Gottorp zurüd, welche dann die 
Sorderung auf 20000 Thaler herunterhandelten. Die Landichaft 
hielt mehrere Derfammlungen in diefer Angelegenheit, eine bei 
Stelle, wo man dem Derlangen des Herzogs zu mwillfahren nicht 
abgeneigt fchien, eine andere zu Heide, 2. Mai, wo man zu dem 
Schluß neigte, das Derlangen einfady) abzuweifen, endlich den 
29. Mai die dritte, wieder bei Stelle, wo dann in die Forderung 
des Herzogs gemwilligt ward. Am 11. September diefes Jahres 
traf der Herzog mit feinen Nätken in Eunden ein und fuhr von 


526 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


hier auf dem Deich bis zur Neinsbütteler Greet zur Befichtisung 
der Oertlichkeit, zweds Ausführung projeltirter Deichbauten. 
Don Deranitaltungen zum Empfange und zur Bemwirthung des 
Berzogs wird nichts berichtet. Man fcheint nicht fonderlich 
erfreut gewefen zu fein durch die Anmefenheit des Candesvaters. 
— In diefer Zeit fanden auch wegen der erft fürzlich entftandenen 
Meinen Inſel Diecfand Streitigkeiten ftatt zwifchen den Büfumern 
und Marnern. Zwei Einwohner Marnes hatten fi auf Died. 
fand angefiedelt. Büfumer Schiffer hatten diefelben aber wieder 
abgetrieben und deren Anbauerftellen abgebrannt. Der Landvogt 
des Südertheils, Johann Held zu Meldorf, that deshalb Dor- 
ftellungen bei dem Candvogt des Nordertheils, Boje Nanen, und 
lieg die Büfumer Schiffer durch feine Knechte von Diedfjand ver- 
treiben. Die Büfumer befchwerten fich beim Herzog und erfuchten 
um Schuß in ihren Gerechtfamen. Das Riff, Helmfand und der 
Grund von Dieckſand feien Erbgrund Altbüfums, weshalb fie auch 
auf Diedfand die Balken für die Schiffahrt fchon lange vor der 
Erorberung des Landes unterhalten hätten. Schon Caspar 
Hoyer hätte ihnen aufgegeben, das Spatenreht auf Diedjand 
geltend zu machen. Sie hätten dann die Hovet- oder Hoborg 
angelegt. Es erfolgten Befichtigungen von beiden Seiten. Doch 
blieb der Streit unentfchieden. Die Marner behaupteten für fich 
das ältefte Spatenrecht und beriefen fich auf die Lage von Died. 
fand am Marner Gebiet. Die herzoglichen Räthe befahlen endlich 
den Büfumern, die Föniglichen Unterthanen an der Wieder- 
anfiedelung auf Diedjand zu verhindern, mit Güte und eventuell mit 
Gewalt. Im Jahre 1599 wurde vom Berzoge wieder eine Ertra- 
fteuer von der Candſchaft gefordert in der Höhe von 10000 Reichs- 
thalern. Die Landjchaft berieth deshalb am 3. Juli diefes Jahres. 
1600, im Sebruar, forderte der Herzog eine Derjchreibung, dag 
die als Anleihen erhobenen Steuern von 1595 und 1598 ihm 
und feinen Erben geſchenkt feien. Hierüber ward die Landfchaft 
am 15. Sebruar zur Berathung zufammengerufen. Die Süder- 


Don 1580 bis zur [Diedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 527 


dithmarfcher erhielten zur felben Seit vom Könige den Befehl, 
von je zwei Pflügen — jede der beiden Landfchaften war zu 
212'/a Pflügen veranlagt — einen Wann in Krempe zu ftellen 
zur Inftandfegung der Seftungswerle. Dieje ihnen zugemuthete 
Auflage handelten fie mit Geld ab und zwar für die Summe von 
3000 Reicdhsthalern. Gleichwie der König, fo traf auch der 
Herzog Dorfichtsmaßregeln gegen feindliche Heberfälle.. Weil eine 
Candung der Dünlirchener zu beforgen ftände, mußte vom Mai 
an die Küfte bewacht werden. Am 22. Juni erbot der Herzog 
fich, feinen Dithmarfcher Unterthanen zur Abwehr der Dünkirchener 
Kanonen, Slinten, Spieße und KHellebarden gegen Schuldver- 
fchreibung und Bürgfchaft zu liefern. Die Norderdithmarfcher 
aber fchlugen folches Anerbieten in einer £andesverfammlung zu 
Meddingftedt aus, mit der Bemerkung, daß fie mit Waffen aus« 
reichend verjehen wären, indem fie gewiß ebenfoviel Gefchüg im 
Lande hätten, wie zur Zeit der legten Sehde — in der legten 
Sehde beraubte der Dater des Herzogs Johann Adolph, Herzog 
Adolph, das Land feiner Waffen —, und daß es Denen, die etwa 
daran Mangel leiden follten, bei der Bekanntſchaft der Dithmarfcher 
in den Handelsftädten ein Leichtes fei, fih mit dem Nöthigen zu 
verfehen. So konnte der Herzog hierbei nichts profitiren. Man 
wollte feine Waffen kaufen von demfelben Haufe, welches vor 
vierzig Jahren des Landes Waffen an fich genommen und nichts 
dafür gezahlt Hatte. Mehr, als der vom Berzoge bejorgte Ueber- 
fall von feiten der Dünlirchener, erregte eine Schmälerung der 
alten Sollfreiheit, die im Sriedensvertrage von 1559 dem Cande be= 
ftätigt worden, die Dithmarfcher. Die Samilie Ranzau hatte das 
Gut Hanerau vom Föniglichen Haufe getauft, und die Beſitzer 
des Guts hatten fchon bald nach der Eroberung Dithmarfchens. 
defien Sollfreiheit zu bejchränfen verfucht, ja im Jahre 1574 gar 
Ditkmarfcher Güter fonftscirt. Um nun allen Pladereien wegen 
der Paffage der Zollftätte Hanerau für die Zukunft überhoben zu 
fein, legten die Dithmarfcher, die bis dahin feinen anderen Weg 


528 Dierter Abjchnitt. Zweite Abtheilung. 


nach der holfteinijchen Geeſt gehabt hatten, als über Hanerau, 
mit großen Koften einen neuen Weg an, vom Ediftedter Holz über 
Schafftedt nach Hohenhörn und weiter nach Schönfeld (Schene- 
feß), fo daß fie mit Umgehung der Hanerauer SHollftätte nach 
Holftein gelangen fonnten. 1577 war der „neue Weg“ hergeftellt 
und ein ungehinderter Gebrauch desfelben ward den Dithmarfchern 
beider Landichaften von den Eandesherren zugefichert.! Inzwiſchen 
behaupteten die Befiger des Gutes Hanerau, daß auch andere als 
die Dithmarjcher fi des neuen Weges bedienten und dadurch den 
Zoll zu Hanerau beeinträhtigten. Daher ließ der damalige Be- 
figer von Hanerau, Lay Ranzau, 1601 mit Erlaubniß des Königs 
auf FZöniglihem Grund bei dem neuen Wege eine Kontroliftelle 
einrichten, an welcher die Dithmarfcher frei pafliren, alle Anderen 
aber zurüdgewiefen oder zur Entrichtung des Hanerauer Zolls 
angehalten werden follten. Neben dem Sollwächterhauſe (jet 
Hohenhörn) wurde ein Schlagbaum errichtet. Das war den Dith- 
marjchern zu viel. Sie warfen den Schlagbaum nieder und wollten 
von Sreizetteln, die fie nehmen follten, nichts wiſſen, auch nicht, 
wie von ihnen verlangt wurde, ins Haus rufen. Nach langem 
Hader ward endlich die Sache dahin entfchieden, dag Ranzau das 
Haus beibehielt und die Ditkmarfcher bei demfelben gegen Nennung 
ihres Namens und Wohnortes ungehindert follten pajjiren ?önnen. 
Lay Ranzau verpflichtete fich unterm 22. September 1602 in einem 
Revers an den Herzog Johann Adolph, zu veranftalten, daß den 
Dithmarfchern fernerhin des Solls halber feine Hinderniffe in 
Paffirung des neuen Weges bereitet würden. In den Jahren 
1610 und 1611 wurde in Vorderdithmarſchen der „hundertite 
Pfenning”, als ſog. Kandbede, erhoben. Der Herzog verordnete 
unterm 15. Mai 1611, daß zum Swed der Erhebung folcher 
Steuer die Ländereien nach den Heuerbeträgen und zwar fo, daß 


! Diefer Weg durdy die Niederung der Bolftenau bei Hohenhörn wurde 
bis in die jüngfte Seit auch da, wo derfelbe auf holfteinifhem Boden fich 
hinzog, von den Dithmarfcher Landfchaften unterhalten. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1775. 529 


für je 5 Marl Eeuer 100 Mark Dermögenswerth gerechnet 
würden, angejegt werden follten. Die Häufer zu £unden und zu 
Beide follten nach dem Miethsertrage derfelben, indem auf jede 
3 Mark Miethe 100 Mark Werth gerechnet würde, veranlagt 
werden. Simpeljite Käufer auf dem Lande follten frei bleiben, 
beſſere zu 1000 Mark, die beften zu 1000 Reichsthalern gefchäßt 
werden. Kebendige Habe folle nach dem wirklichen Bandelswerth 
veranfchlagt und Barfchaften, fowie im Handel ftehende Gelder, 
follen getreulich bei dem Eide, den man dem Herzoge geleiftet, an- 
gegeben werden. Käthner und Arbeiter ohne eigenen Befiß ſollen 
einen Thaler, oder, wenn die Derhältniffe eine Ermäßigung an- 
gebracht erfcheinen lafjen, doch einen halben Thaler geben. In⸗ 
betreff der Wohnungen auf dem Lande wurde die Derordnung 
unterm 29. Mai dahin geändert, daß die beften Häufer zu 1000 , 
die anderen, im Derhältniß dazu, zu 500 bis 900 M gerechnet 
werden follten. — Lebteres deutet auf Reklamation gegen die 
früher vorgefchriebene Schäßgung, als eine zu hohe, hin und bietet 
infofern einen Maßftab zur Dergleichung des damaligen Geld—⸗ 
werthes mit dem jeßigen. In Süderdithmarfchen wurde 1611 
vom Könige eine neue Kontribution ausgefchrieben. Die Landichaft 
verpflichtete fich, in vier Jahren 20000 Reichsthaler außerordentlich 
zu fontribuiren und zwar zur Begleichung von Kriegstoften und 
zur Abfindung des Königs mit feinem Bruder, dem Prinzen Ulrich, 
wegen Anfprüche des Leßteren an die deutfchen Lande des Königs 
— Anfprühe auf Grund der fchon zur Zeit der Schanenburger 
üblichen Sitte, die Landeshoheit des Sürften auf defien männliche 
Nachkommen in ihrer Bejamtheit vererbfolgen zu lafjen, welcher 
Sitte gemäß nun König Ehriftian IV. mit feinem Bruder Nirich 
den Töniglichen Antheil an Bolftein hätte theilen müflen. Wie im 
Föniglichen, fo war auch im herzoglichen Antheil an Dithmarfchen 
der Grund der Sorderung erhöhter Steuern und Kontributionen 
der Krieg, m weichen Dänemark mit Schweden verwidelt war. 
Sur Sicherung gegen Ueberfälle wurden in beiden £andfchaften 
Dithmarfcher Gefchichte. 5% 


530 Dierter Abfdynitt. Zweite Abtheilung. 


die Signalftationen in Stand gefeßt, mit Baken, Cheertonnen zc. 
ausgerüftet, und an den Küften fländige Wachen eingerichtet. 
Cetzteres gefchah zunäcft in Brunsbüttel und anderen Küftenorten 
des Süderftrandes, fodann auf Befehl des Herzogs in Vorder⸗ 
dithmarfchen am Strande bei Büfum, Kemmerfiel, Wollerfen u. a. O. 
äugleich wurde die Mannfchaft des Landes bewaffnet und ge» 
muftert, um für alle Sälle bereit zu fein. Trotz aller Kriegs- 
rüftungen vernachläffigte König Ehriftian IV. die innere Derwaltung 
nicht. Su Brunsbüttel wurde 1612 zum Schuße der Deiche ein Stein- 
bollwer? gelegt auf Koften der Landfchaft. Gleich nach Beendigung 
des Krieges mit Schweden im Jahre 1613, 14. April, kam 
Ehriftian felbft nach Dithmarfchen, um durch den Augenſchein fich 
vom Stande der Dinge hier Kenntniß zu verfchaffen. Don Meldorf 
aus begab er fih auch nach Büfum, wie nach der bald darauf 
wieder in Anregung gebrachten Derhandlung zwiichen Räthen der 
Sürften über diefe Angelegenheit zu vermuthen ift, zum Swed der 
Sclichtung der Streitigkeit über die Infel Diecſſand. Don Büfum 
aus fehrte er über £unden nach Kopenhagen zurüd. Im ®ftober 
aber erfchien er fchon wieder in Brunsbüttel und infpicirte das 
hergeftellte Bollwer!, wie die gefamten Uferbefeftigungen zum 
Scuge des Strandgebietes dafelbft eingehend, um an Ort und 
Stelle zu entjcheiden, ob die Anlegung weiterer Bollwerke, die in 
Anregung gebracht worden, wirklich nöthig und nüsglich fei. Gegen 
Mitte Oktober hatte der König in Brunsbüttel Quartier genommen 
in Jürgen Harders Haufe, woſelbſt er wieder über die Kageln 
der Dithmarfcherinnen fich gefreut und beluftigt haben foll. Nach 
Weocorus hat damals die Süderlandichaft für eine Summe von 
18000 Thalern eine Erhöhung der Kontribution abgehandelt und 
dagegen eine Beftätigung ihrer Privilegien erhalten. Auch die 
Diedfander Angelegenheit wurde in diefer Seit erneut in Berathung 
und Derhandlung gebradt. Im Jahre 1614 famen abermals 
die Räthe der Sürften zur Befichtigung der Inſel Diecfand und 
ihrer Umgebung nach Ditkmarfchen. Doch wurde auch jeßt feine 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Eandesherrn — 1773. 531 


Einigung in der Streitfrage erzielt. Dieckſand blieb ein Streit- 
objeft zwifchen |Marnern und Büfumern. 1615 ließ Herzog 
Johann Adolph wieder Mufterung halten über die Mannfchaft 
des Xordertheils, wozu er einen Hauptmann, Steffen Beefchen, 
abgeordnet hatte. Am 27. März wurden die Kirchfpiele Kunden, 
Demme und Weddingftedt in einer Stärle von etwa taufend Mann 
zu £unden auf dem Marktplatz und darauf bei Kehe gemuftert. 
Am 29. März ward Mufterung gehalten über die Weffelburener 
und Neuenlirchener, am 31. März über die Heider, Büfumer und 
Norderwöhrdener und zwar zu Beide. Die Beider werden auf 
fechshundert, die Büfumer auf vierhundert und die Norderwöhrdener 
auf fünfhundert Mann an Zahl angegeben. Die einzelnen Kird» 
fpiele fcheinen aus ihrer eigenen Mitte Sührer und Sähnriche 
geftellt zu haben. Es werden genannt als $ähnrich, reſp. Sührer, 
von Lunden: Johann Heldt und Philipp Strud, von Hemme und 
Meddingftedt der Sährmann zu Hemmerwurth, Jacobs Suhl, der 
unter Herzog Adolph Hauptmann gewefen war, als Sührer, und 
Boje Johann als Sähnrih; von Weſſelburen Carften Popp zu 
Norddeich als Sührer und Hinrichs Elaus zu Poppenfröge als 
Sähnrich; von Neuenkirchen Elaus Reimer als Führer und Tede 
Johann als Fähnrich. Die Dithmarfcher waren aber von dem fürft- 
lichen Hauptmann fchwer zu leiten. Die Tellingftedter widerfeßten fich 
demfelben, weil er ihnen Spieße, die fie aus Stapelholm entliehen 
hatten, abforderte. Er flüchtete in ein Haus, in welches di Telling- 
fteöter dann zu ihm hineinfchoffen. Auch die Hennftedter empörten 
fih wider ihn, als er ihnen einige aus dem Stapelholmifchen be- 
zogene Kraufflafchen abnehmen wollte, fo daß er nur mit Noth fich 
barg und Gott dankte, daß er mit heiler Haut davon Fam. 
Meocorus ad. anno 1615 seq.) — Herzog Johann Adolph ftarb 
im folgenden Jahre 1616, 31. März, und hatte feinen älteften 
Sohn, $riedrich IU., zum Nachfolger. Diefer ließ fih von der 
Norderlandfchaft Huldigen zu Lunden, am 9. September 1616, 
und zwar nahm er perfönlich die Huldigung entgegen. Uebrigens 
34* 


552 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


waren viele Eiwohner nod) nicht angelangt, als die Huldigung 
vor fih ging. Im Namen des Landes hielt Peter Nann, der 
ältere, eine mit großem Beifall aufgenommene Anrede an den 
Herzog, in welcher er berührte, wie das Land vor 57 Jahren 
erobert worden, auf welche Bedingungen hin das Kand fich 
damals der Fürftenherrfchaft unterworfen habe, wie oft die Dith- 
marfcher feitdem den Sürften in Nöthen geholfen hätten und wie 
die Sürften trog alledem immer nur neue Laften dem Lande auf- 
gebürdet hätten, und dann die Sorderung und Bitte an den neuen 
Kandesherrn ftellte, daß derjelbe die Dithmarfcher feines Landes: 
theils bei der ungeänderten Augsburger Konfeffion bleiben laſſe 
und die Abgaben wieder auf den im Sriedensvertrage von 1559 
beftimmten Suß bringe. — Berzog Johann Adolph war den 
Reformirten geneigt gewefen und hatte bei mancher Gelegenheit 
das reformirte Belenntnig gegen das lutherifche begünftig. Daher 
die bezügliche Sorderung des Peter Nann in Beziehung auf die 
Konfeffion. Auch ward inbetreff der von Peter Vann geftellten 
Sorderungen zugleich ein fchriftliches Befuch der Eandfchaft dem 
Berzog übergeben." Der Herzog erwiderte darauf perfönlich und 
gab die Derficherung, daß er das geftellte Derlangen in Ueber⸗ 
legung nehmen und fich dann weiter erllären wolle. Er erhielt 
zum Willlommen 2000 Zeichsthaler und beftätigte die Privilegien 
des Landes und die Kapitulation von 1559, begnadigte auch neun 
Todtfchläger. Die Mutter des Herzogs, die verwitwete Herzogin 
Augufta, hatte in Huſum ihren Sig genommen; ihr übertrug der 
Berzog die Jagdgerechtigfeit in den Kirchjpielen Beide, Wedding: 
ftedt, Bennftedt, Delve und Tellingftedöt. Den Einwohnern diefer 


ı Deter Hann, der ältere, war wohl ein Sohn des Adytundvierzigers 
Bans Xann, deſſen Dater Peter Nann, und Großvater Hans Peters Nann 
zu Hemmerwurth ebenfalls Adytundvierziger waren. In Dithmarfchen iR 
von den Vannen nichts mehr übrig, fagt El. Barms: „Es ſchwinden die 
Zierden vieler Geſchlechter und die alten Lräger des Landes ſinken in den 
Staub. Wer trägt jegoP“ 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem £andesherrn — 1773. 553 


Kirchfpiele ward daher am 22. November dieſes Jahres die Aus» 
übung der Jagd auf ihren Seldmarfen unterfagt. Zu Pahlen 
wurde ein Jagdfchloß errichtet, wo ein ftändiger Hegereiter ge- 
halten ward. Im übrigen trug fih zu der Zeit nichts von 
Erheblichleit zu im Lande. Die Ehroniften berichten nur von 
Sluthen, Seuchen und dergleichen. Um Michaelis und Martini 
1616 farben vornehmlich in Delve viele Menfchen an der Peſt. 
Wohl im Zufammenkange damit ward durch Herzog Sriedrich 
1617 angeordnet, daß die feit einigen Jahren nicht mehr gehaltenen 
jährlichen drei Bußtage vom 21. bis 23. Mai wieder ftatthaben 
follten. Am 31. Oktober wurde in Dithmarfchen ein Reformations- 
Jubelfeft gehalten. 1618, im ©ftober, wurde zu Meldorf noch 
eine Bere und zu Eunden ward am 12. November 1619 eine Sran, 
die fih für einen Mann ausgegeben und ſich auch eine Witwe 
hatte antrauen lafjen, verbrannt. — Politifh herrjchte Ruhe und 
Sriede im Lande. 

Doch dauerte die Ruhe nicht lange. Die Politik feiner Landes» 
herren 309g Dithmarjchen in die Wirren des dreißigjährigen 
Krieges hinein. 1620, 5. April, war der Kronprinz zu Meldorf 
anwefend, und 1621, 30. Juni, infpicirte der König Ehriftian IV. 
ſelbſt die Küften bei Brunsbüttel)! im Intereſſe der Bedeckung 
feiner Länder bei dem Dordringen der faiferlichen Heere. 1623, 
27. Januar, wurde die waffenfähige Mannfchaft des Südertheils 
Dithmarfchens nach Meldorf beordert, wo dann 400 Mann aus» 
gefucht und vom Hauptmann Marquart Ranzau gemuftert wurden. 
Diefe erhielten einen Meldorfer, Hans Peters, zum Sähnrich und 
mußten am Mittwoch nach Kichtmeß in Steinburg erfcheinen. 

ı Ehriftian IV. fam von Steinburg und übernadhtete in Brunsbüttel. — 
Er führt es in feinen Rechnungen befonders an, daß er der Wirthin zu 
Brunsbüttel einen NRofenobel und für die Dienſtmädchen zwei Speciesthaler 
gegeben habe (Alınanaf f. Mar. 1621, Scylegels Sammlung. II., 60). Das 
war damals Pöniglihe Babe! Auch hiernady waren es enorme Werth- 


fummen, welde die Fürſten an, obligaten Gefchenfen, Auflagen, Anlehen 
und Steuern aus dem Kande erhielten und dem Lande entzogen. 


554 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Dier wurden fie vom Könige felbft und zwar mit großem Der- 
gnügen infpicirt. Doch wurden fie fchon am Sonnabend vor 
Imvocavit wieder entlaffen. Bald nachher ließ der König durch 
den Landvogt des Südertheils eine Werbung anftellen. Aus beiden 
Landfchaften Dithmarfchens wurden Truppen angeworben. Die 
Angeworbenen wurden, wie es heißt in ziemlicher Anzahl, um 
Oftern 1624 in der Wilftermarjch ins Quartier gelegt, aber bereits 
um Pfingften bis weiter beurlaubt. 1625 wurden 500 Mann, 
aus anderen Kandestheilen des Königs angeworben, in Dith- 
marfchen einquartirt. Diefelben lagen hier während des Maimonats 
und wurden nebjt anderen, aus der Nähe herangezogenen Fönig- 
lichen Truppen am 28. Mai bei Krumſtedt auf der Heide vom 
Könige jelbft und feinem Statthalter Geert Yanzau nebft vielen 
Offizieren gemuftert. Am elften Sonntage nach Trinitatis zogen 
dänifche Truppen unter dem Hauptmann Drachenburg durch und 
aus Siderdithmarfchen über die Elbe. Auch wurden noch in 
demjelben Jahre zwei Kompanien nach Delmenhorft Zur Befeßung 
beordert. Ob aber Dithmarfcher darunter gewefen, ift unbeftimmt. — 
Herzog Sriedrich III. war indefjen bedacht, zur Bezahlung drückender 
Schulden außerordentlicherweife Gelder zu erheben. Auch an 
die Landichaft Torderdithmarfchen ftellte er ein bezügliches Begehren 
in eindringlichen Worten. Die Landjchaft bequemte fih am 
24. Mai 1624 in einer dieferhalb zu Heide anberaumten Der- 
fammlung zu einer Kontribution von 110000 Zeichsthalern. 
Neber ſolche Summe ftellte fie eine Schuldverfchreibung aus und 
erhielt dafür unterm 31. Juli ihre Privilegien beftätigt, auch 
das Zieht, bei „billigen Bebräuchen und Gewohnheiten“ zu 
bleiben." Auch verficherte der Herzog, daß die bewilligten Gelder 
wirllih zur Bezahlung von Schulden verwandt werden follten. 
Uebrigens vergaß er nicht, auch auf Aüftungen für den Krieg zu 


* „Privilegien“, die, glei „billigen Gebräuden und Gewohnheiten”, 
unantaftbares Recht zur Brundlage hatten und feiner Beftätigung bedurften, 
wurden fo aufs neue erworben, durch Kauf. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesberın — 1773. 535 


denken. Er ließ den vierten Mann in feinen Landen, auch in 
Xorderdithmarfchen, zu Waffenübungen ausheben und einrufen. 
Die Landfchaft wurde, nach Vorſchlag der Einwohner, in Beziehung 
auf diefe Hebungen in vier Hauptquartiere, jedes Quartier aber 
wieder in vier Sahnen eingetheilt. 

Als der König Ehriftian IV. 1625 thatkfräftig in den Kampf 
- gegen die Kaiferlichen eintrat, wurden, wie in den übrigen Fönig- 
lichen und herzoglichen Kandestheilen, jo auch in Dithmarjchen, 
neue Auflagen ausgefchrieben und eine allgemeine Kandes- 
vertheidigung angeordnet. Um Saftnacht 1626 wurde hier alle 
wehrhafte Mannfchaft zwifchen fechzehn und fechig Jahren 
gemuftert durch einen auswärtigen Hauptmann. m Berbft fchaffte 
man von hier die Kornvorräthe nach den Lliederlanden, wodurch 
das Horn in der Solge hier faſt mangelte. Zugleich mußte man 
fchon damals die Kaften der Einquartierung tragen. In Süder- 
dithmarfchen wurde im Herbft 1626 ein ſtarkes Kommando Fönig- 
licher Reiter, deſſen Sührer zu Elmshorn lag, einquartiert, welches, 
nach vielen von demjelben begangenen Exceſſen gegen ‚Pfingften 
1627 von Meldorf aus wieder abzog. Beim Abmarfch traten an 
allen Orten, durch die der Zug ging, die Dithmarfcher unter 
die Waffen, um Ausfchreitungen vorzubeugen. Als aber Lilly 
am 25. Juli 1627 über die Elbe gegangen war, wurde, wie in 
Bolftein, jo in Dithmarfchen, ein allgemeines Aufgebot erlaffen. 
Am 5. Auguft wurden die Norderdithmarfcher zu Beide in Begen- 
wart des Herzogs gemuftert. Der König lieg bei Bramfledt am 
2. Auguft Mufterung halten über fechzehn Sahnen aus Holftein 
und Dithmarfchen. Sie erhielten den in königliche Dienfte getretenen 
General Matthias von Thurn zum Anführer und Jürgen von 
Ahlefeld zum Lieutenant und wurden beftimmt, dem Dordringen 
der Faiferlichen Beere Widerſtand zu leiften. Sie poftirten fich 
anfangs bei £angenhorn in der Nähe von Eppendorf, und nachher, 
als fie hier dem Seinde nicht ftandhalten Fonnten, zwifchen Hamburg 
und Ottenſen. Aber auch hier zogen fie fich bei Annäherung der 


556 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Kaiferlichen zuräd. Sum Theil follen fie fogar auseinander 
gelaufen und heimgegangen fein. Jürgen von Ahlefeld warf fich 
mit den geworbenen Truppen in die Seftung Hrempe. Der Ans 
führer, Graf von Chur, ging mit einiger Mannfchaft nach 
Meldorf. Die Dithmarfcher fuchten fich nun gegen den andringenden 
Seind zu fichern. Weiber und auch viele Güter wurden nach 
Emden, Hamburg und Holland gebradit. Die Deiche wurden 
durchftochen und alles vorbereitet, um das Kand im geeigneten 
Moment unter Wafler zu fegen. An den Häfen und Küften 
wurde Wache gehalten. Don der Entichlofienheit, mit welcher 
die Dithmarfcher in Ddiefer Beziehung handelten, foll der 
König ſelbſt eine Probe erhalten haben. Als er, zu Wafler 
von Glückſtadt fommend, bei Wefjelburner Diefhufen das Land 
betreten, feien die Büfumer und Weflelburner, durch angezündete 
Baken herbeigezogen, zufammengelaufen und mit fliegenden 
Sahnen auf die Anlandenden eingedrungen. Dabei feien die 
Weiber nicht zurüdgeblieben, fondern mit Sorten und Stafen 
bewaffnet gleich den Männern vorgedrungen. Der König fei 
darüber in Lebensgefahr gerathen und nur dadurch gerettet worden, 
daß feine Begleiterin, Chriftine Munk, gerufen: „Schieß nicht, ftich 
nicht; es ift der König von Dänemark!“ Darauf habe der König 
die Wachfamleit der Dithmarfcher gelobt und fich gefreut, daß er 
nun felbft die Herzhaftigleit der Dithmarfcherinnen kennen gelernt. — 
Die Mun? gehört übrigens wohl nicht hierher. Mit diefer im 
£ande herumzuziehen, das wäre doch wohl auch Ehriftian IV. zu 
unföniglich erjchtenen. Der König ging dann über Schülp : und 
£unden nach Tönning und weiter nach Bendsburg. Bier aber 
fonnte er nicht lange weilen. Am 12. September rüdte Wallenftein 
mit dreißzigtaufend Mann zur Belagerung vor die Stadt. Der 
Graf von Thurn wurde mit fechshundert Sranzofen, die in Süder- 
dithmarfchen im Quartier lagen, zur Dertheidigung der Seflung 
nach Hendsburg gezogen. Er rädte von Meldorf über Lunden 
ab und foll noch am 1%. September feinen Einzug in Rendsburg 


Don 1580 bis zur MWiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 537 


bewerfitelligt haben. Die Dithmarfcher freuten fich feines Abzuges. 
Sie hatten von feinen Truppen fo viel zu leiden gehabt, daß jie 
ebenjo gerne offenbare Seinde, als diefe fogenannten Bundesgenoffen, 
im Quartier bei fich fehen wollten. — Da nun Dithmarfchen von 
föniglichen Truppen entblößt war, jchritten die kaiferlichen zum 
Einfall in dasfelbe. Weil ein fteter Oſtwind wehte, der das 
Wafjer von der dithmarfcher Küfte abtrieb, waren alle Bemühungen, 
durch Oeffnung der Schleufen das Cand zu überfhwemmen, ohne 
Erfolg. Die alten Dertheidigungswerle und die feften Stützpunkte 
bei der Dertheidigung aus der Seit der Freiheit waren auf Anordnung 
der Landesherren befeitigt oder unbrauchbar gemacht. Das Land 
lag offen dem Seinde preisgegeben. Noch vor Einrüdung der 
Kaiferlichen flüchteten viele Bewohner über die Örenze, fo daß der 
Herzog fich veranlaßt fah, den Norderdithmarfchern bei Derluft von 
Leib und Gut zu verbieten, das Land zu verlaffen. Er hatte, als 
er den König im Nachtheil jah, die Partei desjelben verlaffen und 
mit den Kaiferlichen ein Separatablommen geſchloſſen. Doch wurde 
auch Xorderdithmarjchen von faiferlichen Truppen überfchwemmt 
und Durch fchwere Abgaben und Einquartierungslaften gedrüdt. 
Am Anfang des Oftobers 1827 fam das Colloredoſche Regiment, 
geführt vom Obriftlieutenant Bodendief, einem Lüneburger Edel. 
mann, von der Wilftermarfch her in Brunsbüttel an und verfchanzte 
fih Bier. Die £andfchaft mußte zum Schanzenbau Erdarbeiter 
ftelen und alles fonft Erforderliche herbeifchaffen zum Bau der 
Schanzen, wie zur Unterhaltung der Mannjchaften. In order 
dithmarfchen aber nahmen zehn kaiſerliche Kompanien Quartier. 
Die Dertheilung derfelben wurde am 19. Oktober zu Heide und 
£unden ausgeführt. Der Herzog hatte ihnen hier das Quartier 
verftattet und zu ihrer Dertheilung und willigen Aufnahme die 
nöthigen Befehle gegeben. Auch in Süderdithmarfchen wurden, 
als die Schanzen, zu deren Befichtigung Wallenftein felbft einen 
Tag in Brunsbüttel fich aufhielt, hergeftellt waren, die Faiferlichen 
Truppen in die Winterquartiere vertheilt. Meldorf mußte eine 


558 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Kompanie des Altringerfchen Wegiments bis in den ®ftober des 
folgenden Jahres zu Itzehoe unterhalten. Am 24. und 25. Sebruar 
1628 verließen die in Norderdithmarfchen befindlichen Kaijerlichen 
ihre Minterquartiere und zogen ab. Die Süderdithmarfcher, welche 
als Unterthanen des Königs, der mit dem Kaifer in Seindjchaft 
lebte, härter behandelt worden fein mochten, befchloflen, fich der 
Einquartierung, als diejelbe gar feine Anftalten zum Aufbruch 
traf, eigenmächtig zu entledigen. Unter den Anftiftern des Dor: 
habens wird ein gewiller Dieths Elaus Paul bejonders genannt. 
Am 18. März ergriff die Bevölkerung der ganzen KLandichaft die 
Waffen und verjammelte fih in der Nacht zu Meldorf. Es war 
beichlofjen, feinem der Faiferlichen Soldaten Pardon zu geben. 
Gleich im erften Auflauf hatte man alle Kaiferlichen, die man 
erreichen fonnte, in ihren Quartieren erfchlagen. Die Aufftändifchen 
theilten fich in zwei Haufen. Der eine 309g früh morgens über 
die Geeſt nach Sriedrichshof, wo die aus zwanzig Mann beftehende 
Beſatzung niedergemaht und der Hof in Brand gejekt wurde, 
worauf der Zug weiter ging nah Eddelak. Der andere Haufen 
zog nach der Marfch, gegen Barlt und Marne. In Marne wollten 
beide Haufen wieder zufammentreffen. Die Kaiferlichen, die man 
auf dem Wege vorfand, mußten über die Klinge fpringen. Faſt 
gleichzeitig trafen beide Haufen in Marne ein. Don hier aus 
fegten fie fogleich ihren Weg nach Brunsbüttel fort, wo fie die 
dort an der Elbe befindliche Schanze der Kaiferlichen überfallen wollten. 
Man glaubte, daß auf ein gegebenes Seuerzeichen die Befagung 
von Glückſtadt, welches nebit Krempe noch in der Gewalt des Königs 
war, Hülfe fenden werde. So hatten die Anftifter des Aufftandes die 
Anderen beredet. Das Seuerzeichen war gegeben durch Anzündung des 
Gutes Sriedrichshof. Aber die Hülfe blieb aus. Auch wurden 
die Betheiligten uneins. Einige fagten fich von weiterer Theil. 
nahme los und zogen ab. Die Mebrigen hingegen wollten das 
Aeußerfte wagen. Sie übernacteten zu Marne und rüdten am 
folgenden Tage gegen Brunsbüttel aus. Allein die Kaiferlichen 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 559 


hatten durch Derrath von den Anfchlägen der Dithmarfcher Nachricht 
erhalten. Sie überfielen die forglos Anrüdenden beim Bruns: 
büttler Zollipeicher und trieben fie auseinander. Diefelben retteten 
fich meiftentheils dadurch, daß fie über die Gräben in die an. 
grenzenden Selder fprangen, wohin die Kaiferlichen nicht folgen 
tonnten. Es wurden nur Einige von ihnen erfchofien. — Ueber 
Hundert von den Kaiferlichen waren am Tage vorher niedergemadht 
worden. Die zerftreuten Aufftändifchen Hatten fich größtentheils 
nach Meldorf gewandt. Dahin zogen nun am 20. März die 
Kaiferlichen. Aber jene waren bereits von da entwichen, als Dieje 
anlangten. Auch die meiften Bewohner des Orts waren geflüchtet. 
Bodendiet, der Faiferliche Gbriftlieutenant, forderte Auslieferung 
der Anftifter des Aufftandes mit der Drohung, im Weigerungsfall 
alle Einwohner niederhauen und den Ort plündern und in Aſche 
legen lafjen zu wollen. Doch ließ er fich durch Dorftellungen be- 
fänftigen und zog dann mit feiner Mannfchaft nach Brunsbüttel 
zurück. Einige Gefangene aber wurden von ihm mitgeführt, 
welche er am Ufer der Elbe Hinrichten ließ. Sie wurden theils 
gerädert, theils gefreuzigt, theils gehängt. Am 21. März trafen 
zwei faiferlihe ©briften, Graf Hannibal von Schaumburg und 
Frenk, mit einigen Offizieren und einem Kommando Soldaten nebft 
einem Seldgeichüß von Itzehoe über Windbergen in Meldorf ein. 
Da fie aber hier entbehrlich waren, zogen fie, nachdem fie einige 
Häufer ausgeplündert, wieder zurüd. Die Kaiferlichen hauften im 
Südertheil jet ärger als vorher. Mehrere Dörfer wurden von 
ihnen rein ausgeplündert. Zugleich wurde die wöchentliche Kon: 
tribution in der ganzen Landfchaft beträchtlich erhöht. Auch 
NXorderdithmarfchen wurde in Mlitleidenfchaft gezogen. Weil die 
Kaiferlichen jeßt gegen die Dithmarfcher mißtrauifch waren, ließen 
fie Norderdithmarfchen, welches faft feit zwei Monaten ohne Ein- 
quartierung gewejen war, wieder mit Truppen belegen. Am 
22. und 23. April famen die zehn Sahnen, die hier vorher gelegen, 
wieder zurüd. In Süderdithmarfchen fcheint nach der Eroberung 


540 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


von Krempe, am 14. November, die Zahl der Truppen vermehrt 
worden zu fein. Das bisher bei Brunsbüttel einquartierte Regiment 
wurde am 15. November nach Meldorf verlegt, wo man bis dahin 
feine Beſatzung gehabt hatte. Am 19. November mußten die Ein- 
wohner von Süderdithmarfchen dem Kaifer huldigen. — Der hol«- 
fteinifhe Adel war ebenfalls zur Huldigung entboten und zwar 
diefer nach Rendsburg. Die eroberten Töniglichen Eänder wurden 
als dauerndes Befigthum des Kaifers angefehen.! — Es ward 
dabei den Süderdithmarfchern verheißen, daß fie fünftig wieder 
unter Bremen ftehen follten. Durch folche Derheißung ift zweifellos 
in Dielen die altdithmarfcher Sreiheitsliebe kräftig angefacht worden. 
Binrih Bruhn, Dr. jur. und Mitglied des Berichts zu Meldorf, 
ein Bruder des Landvogts Nicolaus Bruhn dafelbft, war befonders 
wirffam bei der Huldigung. — Bruhns Dater, Elaus Bruhn, 
war KZandesgevollmächtigter und Lingefeflener zu Meldorf, von 
1972 bis 1580 £andvogt in Süderdithmarfchen; fein Großvater, 
Peter Bruhn, war zur Zeit der lebten Schde Bürgermeifter der 
Stadt Meldorf und Achtundpvierziger; fein Urgroßpater, Larften 
Bruhn, war ebenfalls Acdhtundvierziger und Meldorfer Bürger- 
meifter gewejen. — Es wurde ihm dafür fpäter vom Könige eine 
Brüche von 50 000 Reichsthalern zudiftirt. Die Norderdithmarfcher 
mußten bis zum S$rühjahr 1629 die Kaften der Einquartierung 
tragen. Erſt am 15. März diefes Jahres 309g der kaiſerliche 
Obrift-Kieutenant Cafpar Bram, der Anführer des hier gelegenen 
neuen altringifchen Begiments, mit feiner Mannſchaft von Heide 
ab. Am 22. Mai wurde zwijchen dem Kaifer und dem Könige 
Ehriftian IV. der Sriede gefchloffen. Doch dauerte die Einquar- 
tierung in Süderdithmarfchen fort. Noch am 30. Mai z30g der 


ı Die Sottorper waren bemüht, die Länder des Königs, ihres £ehns- 
herrn, in billiger Weife an fidy zu bringen. Johann Friedrich, Erzbifchof 
zu Bremen, und Adolph, die Brüder des regierenden Berzogs, petitionirten 
beim Kaifer um Belehnung mit des Königs deutfchen d. i. holfteinfcdyen 
Canden; fie wurden gebührend abgefertigt. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 541 


Obrift-£ieutenant Bodendiet mit Truppen durch Beide nach Süder: 
dithmarfchen. Es war an dem Tage, einem Sonnabend, in Beide 
Wochenmarkt und war viel Fuhrwerk mit Gejpann dafelbft ange: 
fammelt. Bodendiet erlaubte den Soldaten, fich der Pferde zu 
bemächtigen. Die Suhrleute widerfeßten fich dem Beginnen der Kaifer- 
lichen und fchlugen und warfen mit Wagenrungen auf die Soldaten. 
Dabei wurde auch der Anführer durch einen Wurf am Arm ge: 
troffen. Aufgebract, ließ er Alarm fchlagen und gab Befehl, auf 
die Suhrleute zu feuern. Dier Dithmarfcher fielen bei der erften 
Salve. Die übrigen warfen fich auf die Pferde oder machten fich 
ohne diefe davon. Bodendiek hielt dann bis Mittag alle Zugänge 
zum Marktplatze befegt, worauf er abzog. Es müflen in Torder: 
dithmarfchen bald andere Faiferliche Truppen eingerüdt fein. Anı 
1. Juni wurde zu Heide vor der Wohnung des Kommandanten 
der Friede verfündigt, wobei die verfammelten Soldaten eine drei: 
fahe Salve abgaben.! Am 12. Juni zogen die legten Mann: 
fchaften des jeßt hier gelegenen Lolloredofchen Regiments fort. 
Der kaiſerliche General-Kommifjar Metfcher forderte zum Abjchied 
noch eine Summe von 30 000 Thalern. Weil die Landfchaft diefe 
nicht gleich aufbringen konnte, wurden der Dr. jur. Nicolaus Dethlevs 
und Nicolaus Siemens von Neuenkirchen als Geifeln mitgenommen. 
Der Erftere der Beiden wurde zur Auftreibung der verlangten 
Gelder nah Hamburg entlaffen, der Letztere mußte bis Caſſel 
mitfolgn. In Süderdithmarfchen hielten an diefem Tage, 


! Die Srende über Herftellung des Friedens wurde getrlibt durch die 
damals graffirende Peft, die, fagt Eudenius, als dritte Strafruthe neben 
Krieg und Thenerung das Zand heimfucte, fo daß in Beide faum fünf 
Häuſer von der Seuche verfchont blieben und zuweilen an adhtundzwanzig 
Menſchen an einem Tage dafelbft beerdigt wurden, ohne die, welche man 
,Vachts heimlich verfcharrte, und allein im Kirchfpiel Heide, wo die Kuft 
fo verpeftet war, daß aufer Schwalben fein Dogel ſich dort aufhielt, an 
anderthalb Taufend Menſchen im Sommer 1629 umlamen durdy die Plage, 
die in anderen Kirchfpielen, als Meldorf, Nenenkirchen, Bemme, £unden, 
und anderen Orten mit ähnlicher Strenge wüthete. 


942 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


12. Juni, königlich dänifche Truppen ihren Einzug, welche auf 
einige Tage die Brunsbütteler Schanze befegten. Am 20. Juni 
befegten 400 Mann Föniglicher Truppen unter dem Oberft-Macht- 
meifter Daniel von Buchwald das herzogliche Heide. Als aber 
bald nachher der König und der Herzog fich miteinander ver⸗ 
ftändigten, wurde Heide im Auguft wieder geräumt. Die lebten 
faiferlichen Truppen zogen erft am 29. Juli aus dem Lande, an 
welhem Tage das KLerbonifhe Regiment von Weddingfledt 
aufbrah. Die Süderdithmarjcher mußten, gleich den Einwohnern 
anderer Kandestheile, aufs neue dem Könige die Huldigung leiften. 
Qunmehr war Dithmarfchen wieder im Befiß des Königs und des 
Herzogs. 

Die beiden Landesherren waren nach Wiederherftellung des 
Sriedens ernftlich beftrebt, die während der Kriegsjahre in Der- 
wirrung gebrachten Gejchäfte zu ordnen. Der König ließ das 
Derhalten Derjenigen, die ihm untreu fich erwiefen, genau unter- 
fuchen und nach Befinden fcharf beftrafen. Dornehmlich auf die 
Befeßung der Aemter mit den geeigneten Perfonen war das 
Augenmer? des Hönigs gerichtet. Dabei wurde ziemlich eigen- 
mächtig verfahren, wodurch viel Unruhe im Lande erregt ward. 
Insbefondere befeßte der König die erledigten geiftlichen Aemter 
nach eigenem Gutdünken. Das erflärte der Propft zu Meldorf, 
Dr. Ehriftian Matthiä, für einen Eingriff in feine und des Landes 
Rechte, und in einer Bittfchrift an den König bezeichnete er es 
als ein ärgerliches und gefährliches Derfahren.! Solche Kühnkeit 
hielt aber der König für ein Signal zu neuem Aufruhr in Dith- 
marjchen. Er ließ den freimüthigen Propften nach Krempe ab- 


ı Matthiae,nady Moller, Beuthner u. A. eigentlich Chiefjen (Matthieffen ?) 
geheißen, foll zu Eppenwöhrden gebürtig gewefen fein. Er wird alfo 
nicht feine, fondern des Landes Gerechtſame gegen Eingriffe von feiten der 
Herren gewahrt haben. Das ift von alters her die Art der einheimifchen 
Beamten des Landes, vornehmlich aud unter den Geiftlichen, geweſen, für 
die Kandesrechte einzutreten. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1723. 543 


führen und dort beim Paftor Wilhelm Alardus in Derhaft feßen. 
Sugleich ließ er die Schrift durch den Kanzler Theodor Buffius 
vier Geiftlichen, zwei Predigern zu Krempe und zwei Seldpredigern, 
und, als diefe die Sache ablehnten, einigen Theologen zu Kopen» 
hagen und anderen Orten zur Unterjuchung vorlegen. Ein gewiffer 
Hans Rode, ein begüterter Mann, fuchte den Propften dadurch 
noch verhaßter beim Könige zu machen, daß er ihn befchuldigte, 
ihm in einer gefährlichen Kranfheit das Abendmahl verweigert zu 
haben. Das wurde dann von Seinden des Predigtamtes gewaltig 
aufgeblafen und nad, in folchen Fällen gebräuchlicher, allbefannter 
Weife ausgenugt. Matthiä wurde verhaftet im Auguft 1629 und 
mußte ein Jahr lang zu Krempe beim Paftor Wilhelm Alardus 
im XArreft bleiben, bis er auf Derwendung vieler Geiftlicher in 
Sreiheit gefeßt wurde. Der König ernannte ihn dann zugleich zum 
Profeſſor an der Föniglichen Alademie zu Soroe. An feine Stelle 
in Meldorf trat der Profefior Dr. Johann Elüwer von Soroe. 
Matthiä ftand in der Solge in hoher Gunft beim Könige und 
wurde noch 1654 zur Dollziehung der Trauung des Kronprinzen 
vor Anderen ausgewählt! Es war nach allem nur darauf ab: 
gejehen, daß in Dithmarfchen der alte Sreiheitsfinn nicht geweckt 
oder gefördert werde. Hans Rode hat, nach Alardus, 1635 wegen 
falfcher Anklage 2000 Chir. Brüche an den König, 1500 M an 
den Derklagten und 1000 & für wohlthätige Swede zahlen müffen, 
worauf er bald vor Derdruß geftorben fein joll. An diefem Beifpiel 
ift erfichtlich, wie verwirrt damals die Zuftände im Lande waren 
und wie der Krieg und die infolge desfelben eingetretene Ab: 
fpannung der Gemüther den Sürften Anlaß gaben, ihren Einfluß 
auf Koften der Gerechtfame des Kandes zu erweitern. Der Herzog 
lieg auf einer Synode der Geiftlichen Norderdithmarjchens zu 
£unden, den 17. November 1629, jeden der Prediger jchriftlich 


1 1641 ward er Paftor im haag und ftarb 1655 in Utrecht. Er war 
geboren 1584, ward 1614 Rektor in Durlach, 1618 Profeffor zu Altorf, 
1622 Paftor und Propft zu Meldorf. 


344 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


feine Meinung abgeben, welchen von drei für die Stelle eines 
Propften vorgefchlagenen Paftoren er für den dazu geeignetften 
halte. Paftor Peter Ludenius zu MWeddingftedt erhielt die meiften 
Stimmen und wurde vom Berzog zum Propft ernannt. Derfelbe 
wurde eingeführt in fein neues Amt den 28. Juni 1630 bei 
Öelegenheit der Abhaltung des Kalands zu Heide, durch den 
Candvogt Johann Diethen. — „Den 28. Juni 1630, ift der Kaland 
zur Heiße in Claus Jacobs Haufe gehalten, und der: neu- 
erwählte Propft, Kir. Petrus KLudenius, von dem Kandvogt, Herrn 
Johann Diethen, jussu Illustrissimi mit gehörigen Solennitäten ein: 
geführt, auch von ihm die Kirchenzeremonien, feiner Introduktion 
gemäß, ad harmoniam zu reduziren, anbefohlen worden,“ heißt es 
bei Melchior £udenius, Sortj. v. Wigberti Kalendarium, Anh. 3. 
Neocorus. Bedeutender noch, als die hier hervortretenden Aende: 
rungen in immerhin doch nur äußerlichen Angelegenheiten firchlicher 
Derwaltung, waren einige in diefer Seit vorgenommene Ym: 
geftaltungen in der Derwaltung innerer Angelegenheiten des Kandes. 
Bisher hatten die Kirchipielvögte und die Landvögte die Kirchfpiels» 
rejp. die Landesgemeinde, wenn über Öffentliche Angelegenheiten 
zu berathen und zu bejchtiegen war, zufammenberufen und derfelben 
die betreffenden Sachen vorgetragen, erörtert und zur Begutachtung 
unterbreitet. Die Gemeinde war dann zufammengetreten und hatte 
nach gehaltener Berathung und Befchlußfafiung bejondere Gevoll⸗ 
mächtigte erwählt, die in der bez. Sache handeln und, ihrer Dollmacht 
gemäß, fchließen Tonnten. Diefe Art der Behandlung der öffent: 
lichen Angelegenheiten wurde nun dem Berzoge als eine Unordnung 
dargeftellt, vielleicht auch als folche von ihm angefehen. Bejonders 
fol ein reicher Candbeſitzer, Johann Sehring zu Weſſelburen, 
ein fchlauer und ränfevoller Mann, der beim Herzoge in Gunſt 
fand, diefen zu überreden gewußt haben, das er in der Norder: 
landfchaft Dithmarfchens einen Kandes-Pfenningmeifter, der die 
Kaffe der Landfchaft verwaltete, und „nach Art der ehemaligen 
Achtundvierziger" für feine Hälfte des Landes vierundzwanzig 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 545 


£andes- und Kirchipiels-Bepollmächtigte verordnete, die für das 
gemeine Wohl in den Kirchfpielen wachen und eine öftere Zufammen- 
berufung der Gemeinde unnöthig machen follten. — Es bekundet 
fich Bier eine große Unflarheit der Auffafjung bezüglich der Stellung 
der Dithmarjcher £andesrepräfentanten, wenn die Ehroniften von 
der Sahl hier auf die „Art“ der Achtundvierziger refleltiren. Die 
Sorge fürs Bemeinwohl der Kirchipiele war Sache der Slüter 
und Swaren, nicht der Achtundvierziger, und fein Achtundvierziger durfte 
zugleich Dorfteher eines Kirchfpiels fein. (Urt. 213des Candr.) Aber auch 
mit den Slütern find die Landes» und Kirchfpiels-Bevollmächtigten nicht 
zu vergleichen, da die vornehmften Gefchäfte der Slüter und Swaren 
auf Landvögte, Berichtsräthe und Kirchfpielvögte übergegangen 
waren. Dem Landfchreiber Hinrich Sager wurde unterm 21. Sep- 
tember 1651 aufgegeben, die Kirchfpiele vor fich zu fordern, ihnen 
die biherige Unordnung porzuhalten und eine unverzögerte Er: . 
mwählung der Bevollmächtigten ernftlich zu gebieten. — Die Einwohner 
mußten gehorchen, und Johann Sehring wußte es einzurichten, daß 
er und feine Anhänger felbft mit zu den erften Bevollmächtigten 
erwählt und vom KHerzoge beftätigt wurden, den 29. Oktober 
desfelben Jahres. In Süderdithmarfchen folgte man dem ge- 
gebenen Beifpiel bald nach. — Ein Landes:Pfenningmeifter wurde 
bier 1659 beftellt, Landes-Bevollmächtigte finden fich dajelbft aber 
fchon 1633. So war der Grund gelegt, daß in ganz Dithmarjchen 
die alte demokratiſche Derfaflung in eine mehr ariftoßratifche fich 
verwandelte. Uebrigens waren die Bevollmächtigten eigentlich 
nur dazu beftellt, daß fie „als von den Kirchipielen dazu ermächtigt, 
beredeten, was fie zur Erhaltung jedweden Kirchpiels, deren Ein: 
wohner und des Landes Wohlfahrt und fonften nöthig zu fein erachteten, 
und ihnen folches zu reiferem Erwegen hinterbräcdten; geftalten 








ı Sehring, fo ehrfüdtig und egoiftifh er immerhin gewefen fein mag, 
fcheint doch in diefem Bandel ungerecht beurtheilt zu werden, wenn man 
ihn furzweg zum Derräther am Lande ftempelt, indem man ihn für die 
Mißbräuce der neuen Einrichtung verantwortlich macht. 


Dithmarſcher Gefcichte. 55 


546 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


auch vor diefem niemalen Schaßungen gejchlagen, die nicht vorher in 
den Kirchfpielen abfonderlich beredet, dabei jedweden, wozu folche 
zu verwenden, fund gethan worden.” Diefe Beftimmung murde 
aber bald außer acht gelaflen. Der Herzog erließ unterm 
7. Januar 1657 den Befehl, daß erledigte Stellen der Landes- 
und Kirchfpielsgevollmächtigten durch Wahl von feiten der Kirch 
fpielvögte und der übrigen Bevollmächtigten befegt werden follten. 
Es waren verjchiedene Stellen durch den Tod der Inhaber erledigt 
worden und unbejegt geblieben. für die Wiederbefeßung fcheint 
fein ntereffe im Publitum vorhanden gemwefen zu fein. Daher 
jener Befehl des Herzogs. An Stelle der Kirchfpiele traten in 
der Solge die fog. Deputirten, Adjunkte, Kapitaliften zc., die nebft 
Dögten und Gevollmächtigten ein Kollegium bildeten, deſſen Su- 
fammentritt die Berufung der Kirchfpiele entbehrlich machen follte. 
Welchen Außen dieſe Umgeftaltung dem Lande gebracht, iſt 
befannt. Schon Sedorf fagt (Ditm. libera): „So lange, vor wie 
nach der Eroberung, die Dorfteher in Dithmarfchen mit einer 
berathenden Stimme fich begnügt haben und den gemeinen Nath 
nicht verachtet (weil oft wuter ihren Wlitbürgern fcharffinnige 
Köpfe, die mehr wiſſen als fünf andere), fondern in gemeiner 
Berathung des Landes Wohlfahrt gefucht und verhandelt, ift es 
wohl hergegangen. Allein fobald eigennügige ftolze Köpfe fich 
hervorgethan, die alles allein oder mit einigen wenigen auf die 
Börner genommen und ihre Mitbürger wenig oder nichts geachtet, 
fondern auf Gewalt, Gunſt oder Gnade bei Hofe, die fie ohne 
des Landes großen Schaden nicht erlanget, fih verlaffen und 
jährlih große Schaßungen angelegt, wozu fie aber wenig bezahlet 
haben, fondern die Armen und den gemeinen Mann tapfer 
erequiren lafjen und es mit den Einnehmern fo durchgejpielt, daß 
jie find überfehen worden, ift das Land in großen Jammer und 
in Schuld gerathen und verderbet worden! Es müffen zwar 


* Offenbar ift hier die angegebene Urſache zur Erklärung des Noth⸗ 
ftandes unzureihend und muß ein gut Cheil der Anfchuldigung wider die 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherru — 1773. 547 


die großen Kriege und Zulagen, die fie dem Berzoge von einer 
Seit zur andern gethan, eine Urſache und Mantel diefer Schuld 
heißen, ift auch nicht ohne, daß fie nicht etwas geholfen haben. 
Allein wenn allemal redliche, getreue und verftändige Patrioten 
und Einnehmer fich gefunden hätten, die gute Menage geführet, 
allen Eigennutz beifeite gefeßet, die Kirchfpielsordnung wohl in 
Acht genommen und darnach gelebt, fo würde Norderdithmarfchen 
lange nicht in folcher Schuld, wie wir jeßt, fteden.! Die aber 
daran jchuldig, deren Kinder und Kindes-Kinder werden es müflen 
büßen, wenn fie felbft noch mit Ehren den Kopf in die Grube 
bringen.” Wenn Sedorf ein Kübeder, der mehrere Jahre in 
£unden lebte, hier auch nach der einen Seite hin etwas ſtark 
uafträgt und die „Sulagen” zur ftets leeren Kaffe der Gottorper 
zu gering fchäßt, fo ift doch im übrigen feine Darftellung zutreffend. 
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts waren die Kirchipiele mit 
Schulden jo belaftet und überbürdet, daß man felbft in den vormals 
reichten Begenden des Landes große Höfe umfonft hingab und 
abtrat, um nur der darauf ruhenden und mit dem Befig derjelben 
verbundenen Laften, refp. Derpfliditungen, überhoben zu fein, und 


Dorfteher und Beamten auf die Beneigtheit, den Knecht büßen zu laffen 
für die Anordnung des Herrn, zurüdgeführt werden. Wenn vorzugsweije 
die Dithmarfcher wider die Derwaltung Klage erhoben, fo erflärt fid} das 
aus der ererbten Xleigung zum „Rechtegang“ — „de hangt ehnen an ehr 
leventlang”, die in ihren Aeußerungen oftmals als Nedhthaberei, eigen- 
finnige Widerfeglichkeit, Hader⸗ und Streitfudht erfheint. Nach alter Er- 
fahrung haben die Beamten in Dithmarfden immer vor anderen einen 
fchweren Stand gehabt, und feit den Tagen des Xeocorus haben gerade 
die hervorragend felbftändigen und pflichttreuen Beamten im Lande von 
eigenfinnigen, felbftfüchtigen und ehrfüdtigen Parteien und Cliquen die 
ärgften Anfeindungen und Derunglimpfungen erleiden und ertragen müffen. 

I Die Schulden, weldye damals, nicht nur in Dithmarfchen, die Kom- 
munen drüdten, waren wohl mehr Wirkung ſchlechter ‚Menage“ der Oberen, 
als der Unteren. Deit £udewig von Sedendorf fagt in diefer Beziehung: 
„In wenig Jahren ſchon (nad Ausbrud des dreißigjährigen Krieges), 
fonderlidy Ao. 1620, 1621, 1622, ift die unerhörte Kipperei verurfadht worden, 

35* 


348 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Niemand, der noch etwas zu verlieren hatte, diefelben antreten 
wollte, fo daß fie für Öffentliche Rechnung verwaltet werden mußten, 
wodurch die Gemeinden dann aufs neue belaftet wurden und noch 
tiefer in Schulden geriethen. — Während durch diefe Umgeftaltungen 
das Land im Innern erregt wurde, dauerten die Beunruhigungen 
von außen her fort. Bald nachdem der Sriede mit dem Kaiſer 
gefchlofien war, wurde der Zwift mit den Kamburgern erneuert. 
Diefe wollten wieder das Dorlaufsrecht für fih auf der Elbe 
behaupten. Der König legte dann im April 1650 drei größere 
Schiffe auf die Elbe und ließ von den Hamburgern Zoll fordern. 
Diefe dagegen vertrieben einige dänifche Sahrzeuge aus dem ib: 
gebiete und nahmen andere mit fich nach Hamburg. Dabei übten 
fie manche Gemwaltthätigleit gegen die Dithmarfcher Küſte. So ver- 
folgten fie ein dänifches Schiff in den Hafen „Eddelafer Port“ 
bei Brunsbüttel, gingen hier ans Land, ließen ihre Kanonen die 
Deiche beftreichen und überfielen die am Hafen wohnenden Unter- 


da der Reichsthaler, der nah Neichsfagung 1'/ Bulden ungefähr gelten 
follte, von anderthalb bis 15 gefteigert und die Scheidemünze dermaßen 
verringert worden, daß fie zulegt in lauter Kupfer beftanden. Die Vach- 
fommen werden faum glauben fönnen, daß von fo hohen BHäuptern und 
deren Miniftern, auch von fo anfehnliden Kommunen und Städten, eine 
fo gar übermäßige Ungeredhtigfeit und Chorheit hätte follen begangen und 
geduldet werden können. Es ftrafte fich aber folder Erceß bald felbft und 
zerfiel nach einiger Seit aller folder Gewinn, da jedermann der untücdhtigen 
Münze müde wurde, indem man für einen Gulden folher Münze Bein 
Buhn und fein Maaf Wein mehr befommen konnte und für ein aut Paar 
Schuhe zwölf bis funfzehn Gulden bezahlen mußte, denn das gute Geld 
war aus dem Lande verpactirt, hingegen Kiften und Kaften mit Kupfer- 
Münze, Pläger, Paphäne, Blaumeufer, und wie fie mehr zugenamet 
worden, gefüllt, die man hernach umfchmelzen und wieder Keffel und 
Pfannen davon madhen müffen. Darüber find dann die Berrfhaften in 
Schulden und fo viel Taufend Samilien um Babe und Gut geflommen, 
wie die Acten und die in großer Menge entflandenen Proceſſe Nachricht 
geben fönnen.“ Steuern und Auflagen nahmen in den verarmten Kommunen 
und Landen ihren Fortgang und wurden immer drüdender. Die dadurch 
erzeugte Erbitterung wandte fi, wie in Dithmarichen, fo auch anderswo, 
in erfter £inie gegen die Bebungsbeamten und Kommunevertreter. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 549 


thanen des Königs, plünderten fie aus und mißhandelten fie. 
In Wiedervergeltung folcher Unbill wurde u. a. im Jahre 1632 
ein Hamburger, nach Spanien beftimmtes Schiff, welches durch 
Sturm bei Brunsbüttel Schaden litt und auf den Sand von Vord⸗ 
Bufen gerieth, angehalten und mitjamt der Ladung pon den 
angrenzenden Dithmarfchern verfauft. In diefem Jahre war auch 
der Faiferliche Seldmarfchall Pappenheim ins Stift Bremen ein- 
gefallen. Die durch feine Plünderungszäge gefchredten Einwohner 
flüchteten zum Theil nach Dithmarfchen. Zur Sicherung hatte 
der Herzog Norderdithmarfchen wieder mit Einquartierung verfehen, 
die jedoch am 25. März 1652 unter Major Bartolfen wieder 
abzog. In Siderdithmarfchen wurde noch im Jahre 1635 eine 
Kompanie ausgeräftet. Auch in Norderdithmarfchen ließ der 
Herzog in Ddiefem Jahre wieder eine Kompanie anmuftern.! 
1636, im Srühjahr, 309 der König den Kandesausfhuß aus 
Süderdithmarfchen nach Blüdftadt, entfandte einige Mannfchaften 


° Außer den für fortlaufende Kriegsrüftung erforderlihden Auflagen 
hatte das Land in diefem Jahre enorme Koften zu tragen zur Wieder- 
herftellung von Deichen und Schleufen. Am ı1. Oftober des vorhergehenden 
Jahres, 1634, hatte die große Fluth, durch weldhe die Infel Nordftrand, 
anf welder und den umliegenden Balligen 6408 Menſchen ertranfen, faft 
ganz fortgefpält worden, die Dithmarfcher Küfte arg befchädigt. Die Deiche 
waren durchbrochen und flellenweife ganz weggerifien worden. In Süder- 
dithmarfhen wurden 10 Schleufen fortgeriffen und wurden dafelbft 291 
Haupt⸗ und Grundbrüche an den Deichen gezählt. 31 Bäufer trieben hier 
fort, 37 Menſchen, ſowie 1195 Stüd Hornvieh, 258 Pferde, 23 Schweine 
und 59 Schafe ertranten, an 12000 Tonnen Korn gingen verloren. In Xlorder- 
dithmarfchen war der Derluft noch größer. Allein im Kirdyfpiel Kunden 
ertranten 65 Menfhen, 225 Stüd Bornvieh, 181 Pferde, 163 Schafe, 
162 Bänfe ıc. und gingen 4383 Tonnen Korn verloren. In Büfum ertranfen 
168 Menfhen und 1360 Städ Dieh und wurden 150 £aft Korn und 102 
Häufer fortgerifien. In Wöhrden ertranten 32 Menfden. Auch Weflel- 
buren und Hemme wurden ftarf gefhädigt. Die Sahl der in diefer Fluth 
in Dithmarfhen umgelommenen Menfhen wird auf 383 angegeben. — 
König Chriftian IV. fam am 29. Juli 1635 nady Brunsbüttel und infpizirte 
dann die neuen Deiche bei Brunsbüttel, Barlt und Wöhrden. 


550 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


desfelben zur Bewachung des Elbftriches zwifchen Glückſtadt und 
Altona und ließ die Uebrigen die Wälle der Seftung befeßen. 
Sie wurden in der Pfingftwoche wieder entlafien. Die Kriegs: 
rüftungen und Grenzbewachungen dauerten fort. Am 8. Januar 
1658 wurde der Candesausſchuß aus beiden Landfchaften in die 
Gegend von Üldesloe verlegt, und am 12. April wurde vom 
Könige über die waffenfähige Mannfchaft aus Dithmarfchen und 
Bolftein Mlufterung gehalten. Um Pfingften ward der Landes» 
ausfchug wieder entlaffen. In Vorderdithmarſchen erhob der 
Berzog in diefem Jahre eine neue Steuer, das fog. Namensgeld, 
eine Steuer, die Jeden traf, deſſen Name in den HKebungsregiftern 
verzeichnet war. Die Steuer foll hauptjächlich durch Johann 
Sehrings Deranlafjung eingeführt worden fein zur Erleichterung 
der Begüterten. Es wird dabei aber wohl überjehen, daß die 
Begüterten, d. i. die Kandbefiger, bereits bis zur Grenze der 
£eiftungsfähigfeit zur Steuer herangezogen waren. Die Steuerfraft 
des Grundbefiges war nahezu erſchöpft. Daher wurde nun der 
weniger begüterte Theil der Steuerpflichtigen ftärter herangezogen. 
Auch die alte Sollfreiheit Dithmarfchens ward in dieſer Seit 
bedroht. Die Landfchaften erhielten jich diefelbe durch Sahlung 
einer Abfindungsfunme an die Kandesherren. Norderdithmarfchen 
zahlte 40000 Thaler, Süderdithmarfjchen entrichtete jpäter, 1640, 
25000 Thaler und außerdem für Befreiung von Wild: und Sifch: 
lieferungen aus den landesherrlichen Sorften und Seen der Kand- 
Schaft nach Blüdftadt noch 2000 Thaler. Um Michaelis 1638 
wurden zwei Kompanien geworbener EZöniglicher Sußtruppen nach 
Süderdithmarfchen gelegt. Diefelben wurden bis Oſtern 1640 auf 
Koften der Landfchaft unterhalten. Dann traten zwei nur halb fo ſtarke 
Kompanien an deren Stelle. Diefe zogen am 10. September 1641 
wieder ab. Als 1645 der Krieg zwifchen Dänemark und Schweden 
ausbrahh und die Schweden unter dem Seldmarjchall Torftenfon 
im Dezember in Bolftein einfielen, rüfteten fich die Süderdithmarfcher 
zur Abwehr eines Einfalles in die Candſchaft. Die order: 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 55 l 


dithmarfcher, deren Kandesherr, der Herzog von Holftein-Bottorp, 
ſich neutral verbielt, Dagegen meinten, von den Schweden nichts 
befürchten zu dürfen, um fo mehr, als der Herzog an Torftenfon 
„für die Schonung feiner Länder“ außer Kriegspöllen und feften 
Pläben 100000 Thaler gab, zu welcher Summe die Norderdith: 
marjcher redlich Hatten beifteuern müffen. Die Süderdithmarfcher 
hielten vornehmlich zu Grünthal und Hohenhörn Grenzwachen. 
Bei Grünthal hatten fie fich nach Kräften, fo gut die Kürze der Zeit 
es zuließ, verjchanzt. Sie waren hier vierhundert Mann ftarf und 
hatten Boje Broderfen aus Barlt zum Anführer. Am 9. Januar 1644, 
nachdem fie vierzehn Tage hier gelegen, wurden fie von einem 
Kommando Schweden — Fußvolk nebft vierzig Reitern, unter dem 
Generalmajor Mortaigne, angegriffen. Es war Sroftwetter ein- 
getreten. Die fumpfige Begend neben der Stellung der Dithmarfcher 
war daher jeßt leicht zu paffiren. Die lebteren fonnten fih in 
der Derfchanzung nicht halten. Sie zogen fich zuräd und wurden 
nun im freien Selde überfallen. Jhr Anführer und fechsundzwanzig 
Mann blieben auf dem Pla; einhundertundfiebzig Mann wurden 
gefangen genommen. Die Schweden drangen dann vor und 
plünderten Krumftedt, Schafftedt und andere Dörfer vor Meldorf. 
Hierauf gingen fie zur Brenze des Landes zurüd. Am folgenden 
Tage fnüpften die beiden Geiftlichen, Propft Naamann Bernhardinus 
und Paftor Gerhard Kamm, aus Meldorf im Namen der EKand- 
fchaft mit Mortaigne Unterhandlungen an, zu Grünthal. Die 
Dithmarfcher löften ihre gefangenen Landsleute mit 4000 Zeichs- 
thalern und erlegten eine anjehnliche Kontribution an Geld, Pferden 
und Korn. Auch verpflichteten fie fich, wöchentlich ein Beftimmtes 
an den fchwediichen ©briften Lohufen nach Hanerau zu liefern. 
Mortaigne ließ darauf zu Meldorf von der Kanzel publiziren, daß 
alles in Seuer und Rauch hätte aufgehen follen, wenn die Geift- 
lichen nicht intervenirt hätten. Uebrigens machten die Schweden 
nicht jo große Beute, wie fie gehofft hatten. Wie aus Bolftein, 
fo waren auch aus Dithmarfchen viele Güter nach Hamburg 


552 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


gebraht worden. Am 2. Sebruar traf aus Glüdfladt ein aus 
einhundertundfünfzig Mann Sußtruppen und einhundertundfünfzig 
Dragonern beftehendes dänifches Kommando in Meldorf ein und 
führte die dort liegenden Schweden, vierzig bis fünfzig Mann, 
einen Kapitän, einen Kieutenant und einen $ähnrich, nachdem nur 
ein Schwede gefallen, in die Gefangenfchaft mit fich zurüd. Der 
Major Beder, von der Beſatzung zu Krempe, machte um dieſe 
Seit in Dithmarfchen, wohin er detachirt worden, fünf Offiziere 
und zwanzig Mann von den Schweden zu Gefangenen. Am 
19. März aber that der fchwedifche Obriſt Eohufen von Hanerau 
aus mit zweihundert auserlefenen Reutern und einer Abtheilung von 
fünfzig Dragonern einen Einfall in Süderdithmarfhen. Er 309 
durch Meldorf in die Kirchfpiele des Süderftrandes. In Bruns- 
büttel, Marne und Eddelaf wurden einige Käufer geplündert und 
mehrere Pferde geraubt. Wegen der tiefen aufgegrabenen Wege 
mußten die Schweden große Beichwerlichleiten ausftehen und 
machten fie fi} noch denfelben Tag wieder auf den Rückweg über 
Eddelaf, Sriedrichshof, Windbergen und Eggeftedt. Lohufen felbf 
langte mit einigen Reitern noch am felbigen Tage zu Hanerau an. 
Der größte Theil feiner ermüdeten Mannfchaft aber mußte zu 
Gofels zurücdbleiben. Am folgende Morgen wurden die Zurüd- 
gebliebenen von dem Kommandanten zu Krempe, ©brift-Kieutenant 
Steinberger, mit fünfhundert Mann überfallen. Einige von ihnen 
wurden niedergehauen, andere famen in den Häufern um, in 
welchen fie fih muthig vertheidigten, bis die dänifchen Truppen 
diefelben in Brand feßten, die übrigen geriethen in Gefangen. 
fhaft und wurden mit den von ihnen geraubten Gütern nach 
Krempe geführt. Zur Wenige waren entlommen. Die Dänen 
befeßten am dritten Tage darnach, am 22. März, Süderdithmarfchen 
wieder mit einigen Truppen, indem der Obriſt Bauer mit einem 
Aeuterlommando nach Barlt verlegt wurde. Zwei Tage fpäter 
folgte der Obriſt Elaus von Ahlefeld mit einem Regiment zu Fuß 
und mehreren Kompanien zu Pferde. Die Reuter wurden in die 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 553 


Marfch verlegt; die Sußtruppen bezogen in Meldorf Quartiere. 
Die neuen Gäſte beobachteten aber nicht viel mehr Necht und 
Ordnung, als die Schweden. Am 19. April 1644 fireiften drei. 
hundertundfünfzig ſchwediſche Reiter vom Kohufenfchen Hegiment 
in Dithmarfchen. Auf dem Rückwege wurden fie zu Hale vom 
Obrift Ahlefeld, Oberft-Kieutenant Steinberger und Zittmeifter 
Dinrich Seeftedt mit den Beſatzungsmannſchaften aus Glückſtadt 
und Krempe überfallen, jo daß nur wenige von ihnen entlamen. 
Adhtig Mann, die fih in einem Bauerhaufe verftecdt hatten, 
wurden durch angelegtes Seuer theils herausgetrieben und dann nieder: 
gemacht theils im Haufe verbrannt. Am Sonntage nach Oſtern, 
den 28. April d. J., drangen abermals einige Mannfchaften der 
Schweden, etwa zweihundert von der Infanterie und dreihundert 
Reuter, mit zwei oder drei leichten Kanonen in Süderdithmarfchen 
ein. Die $Sußtruppen blieben im Tensbüttler Holz im Kirchfpiel 
Alberftorf zurüd, während die Reiterei bis zur Meldorfer Schanze 
vorrücte und einige Geeftdörfer in der Nähe plünderte.. Auf dem 
Rückzuge begriffen, wurden die fchwedifchen Reiter einiger dänifcher 
Dragoner, die fihh auf der Höhe von Nindorf zeigten, faum 
anfichtig, als fie fich anfchidten, diefelben anzugreifen. Die 
dänifchen Truppen zogen fich aber vor der Ueberzahl nach Meldorf 
zurüd, worauf die Schweden Nindorf in Brand feßten und bis 
auf wenige Meine Häuſer in Afche legten. Auf ihrem Zuge über 
die Kagerftätte der zurüctgebliebenen Sußtruppen, welch leßtere fich 
ihnen jet wieder anfchloffen, nach der Grenze wurden noch die 
Ortfhaften Tensbüttel, Röſt und Alberftorf, ausgeplündert. 
Andern Tags, früh am Morgen, nahm die dänifche Kavallerie 
und Infanterie, auf erhaltene Kunde von dem Dorgefallenen, die 
Derfolgung des Seindes auf. Diefer wurde bei Todenbüttel, Kirch- 
fpiels Schönfeld, eingeholt und fofort von der dänifchen Zeiterei 
in einer am Dorfe im Gehölz befindlichen Schanze angegriffen, 
Doch ohne Erfolg. Die Reiterei mußte ſich zurüdtziehen. nzwifchen 
waren die dänifchen Sußteuppen unter ©brift-Lieutenant Becker 


554 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


herangelommen und unternahmen nun einen herzhaften Angriff 
auf die Schweden. Etwa zwanzig der Kebteren fielen, die übrigen 
wurden gefangen genommen. Die jchwedifche Kavallerie hielt 
oberhalb des Dorfes, ohne fih in den Kampf zu mifchen, und 
rettete fich mit geringem Derluft nach Rendsburg. Am 8. Mai 
zogen die dänifchen Truppen aus dem Lande über die Elbe ins 
Stift Bremen. Die fchwediihe Befagung 309 den 27. Mai 
den Poften bei Hanerau nach Rendsburg zurück und brannte das 
Hanerauer Wachtgebäude ab. Ruhe ſchien wieder ins Land ein- 
fehren zu wollen. Allein fchon am 6. Juni fam die dDänifche Infanterie 
aus dem Bremifchen zurüd nach Dithmarfchen, und am 7. Juni 
folgte ihr die Reiterei. Am 16. Juni wurden die hier befindlichen 
Truppen bei Meldorf verjammelt und dann, theils am felben 
Tage noch, theils am folgenden, nach Norden geführt. Doch 
famen fie am 22. und 23. Juni wieder nach Dithmarfchen. Sie 
waren am 17. Juni über die Eider ins Stapelholmifche gerückt 
und hatten wegen eines Einfalles der Schweden in Eiderftedt den 
Rückweg angetreten, auf welchem fie die furz vorher über die 
Eider gefchlagene Schiffbrüde verbrannten. Die Mannfchaften 
lagerten in und um Heide. Am 21. Juli rücten noch elf Eskadrons 
dänifcher Weiter über die Eider in Dithmarfchen ein, wo fie jedoch 
nur bis zum 25. Juli verblieben. An diefem Tage verließen die 
in Dithmarfchen anwefenden Föniglichen Truppen, zwei Regimenter 
zu Suß und fiebzehn Reiteresfadrons, das Land, um fich mit 
den Faiferlichen Heere unter dem Grafen Gallas, welcher zur 
Hülfe des Königs in Holftein erfchienen war, zu vereinigen. Ein 
abermaliger Einfall der Schweden, die bald nach erfolgter Antunft 
des Grafen Gallas Holjtein geräumt hatten, worauf auch Ballas 
das Kand verlafjfen hatte, führte auch nach Dithmarfchen wieder 
dänifche Truppen zurüd. Dom 2. bis zum 12. Sebruar 1645 lagen 
fünf Kompanien vom Ahlefeldichen Regiment zu UWleldorf und 
fiebzehn Eskadrons Reiter in den Geefldörfern des Meldorfer 
Kirchipiels.. Am leßten Sebruar 309 Wrangel, der fommandirende 


Don 1580 bis zur Miedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 555 


General des ſchwediſchen Occupationsheeres, mit feinem ganzen 
Corps in Dithmarfchen ein. Er felbjt mit der Infanterie nahm 
in Meldorf Quartier. Die Reiterei wurde in die Marſch diefes 
Kirchfpiels verlegt. Nur Norder- und Süderbufenmwurth hatten fich 
Sreiheit von Einquartierung verfchafft. Die Schweden plünderten 
das Kand und trieben mit Härte fchwere Kontributionen ein. — 
Wrangel ließ gar in Sällen, wo das Derlangte nicht gleich ver- 
abfolgt wurde, den Betreffenden Seuer unter die Süße legen. 
Barlt allein blieb verfchont, welches einige Reuter zur Beſatzung 
erhalten hatte. Eine bei der hohlen Wetterung, am Holftengraben, 
angeleg:e neue Schanze, die mit dänifchen Truppen nur fchwac 
befegt war, wurde von den Schweden überrumpelt und ein- 
genommen. Don hier aus wollte Wrangei fich der Stadt Wilfter 
und der Wilftermarjch bemächtigen und 309 zu den Ende mit 
einer Zeiterabtheilung Sahin ab. Er wurde aber von dem 
dänischen Major Martin Günther, der mit dreihundert Mann und 
einem Feldgeſchütz ihn tapfer angriff, zum Rückzuge gezwungen. 
Wrangel begab ſich wieder nah Meldorf. Doch ließ er beim 
Holftengraben einen zweihundert Mann ftarfen Poften in befeftigter 
Stellung verbleiben. Starke Sturmwinde veranlaßten die Schweden, 
am 10. und 11. März, die Marfch zu räumen und fich nach der 
Geeſt bei Alberftorf, Nordhaftedt, Eggeftedt und den Meldorfer 
Dörfern zu Öften der Delbrüde zu ziehen. Don hier aus plünderten 
fie dann die anderen Geeftöörfer. Am 18. März folgte Wrangel 
von Meldorf mit dem Fußvolk dahin. Er felbft nahm Quartier 
im Paftorat zu Alberftorf. Den 24. März aber zog er mit feinem 
ganzen Corps aus dem Lande nach Holftein, woſelbſt er die 
Seftung Rendsburg einfchloß. Uebrigens forderte er nachher noch 
Brandfchagungsgelder von den Dithmarfchern des Südertheils, 
welche diefe durch Abgeordnete auf einige taufend Thaler herunter- 
handelten. Lebtere follten zu Hamburg in verfchiedenen Terminen 
entrichtet werden. ach dem Abzuge des Wrangel ſchickte der 
Erzbifchof Friedrich von Bremen, ein Prinz des Föniglichen Hauſes, 


556 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


den Obriſten Hinrih von Buchwald mit zweitaufendfünfhundert 
Mann durch Dithmarfchen nach Eiderftedt, um den Schweden 
bei der Belagerung Rendsburgs die Zufuhr aus dem Eiderftedtifchen 
abzufchneiden. Beim Durchmarfche wurde von Norderdithmarichen 
eine Kontribution feitens der Königlichen gefordert. Sie mußten 
fih aber mit 600 bis 700 Thalern, die in Eile zufammenzubringen 
gewefen waren, begnügen, weil ein fchwedifches Kommando ihnen 
nachfeßte, welches in Weddingftedt und Stelle fich einquartierte und 
am 26. März nach Rendsburg 309. Buchwald ging nach Friedrich⸗ 
ftadt, fand aber dort Mangel an den nöthigften Bedürfniffen und 
fonnte fich dafelbft auf die Dauer nicht verproviantiren. Deshalb, 
und weil er zugleich durch Truppen von Wrangels Eorps bedroht 
wurde, fuchte er wieder durch Dithmarjchen nach Glüdftadt zurück. 
zugehen. Der Obriſt Böttiger aber, von Wrangel mit zwei 
Aegimentern Neitern wider ihn ausgefandt, hatte in vier Stunden 
den Weg von Rendsburg nach Weddingftedt zurüdgelegt und ihm 
dadurch den Paß veriperrt. Als er, nachdem er zu Sedderingen 
fampirt, am anderen Morgen, 25. April, mit Tagesanbruch die 
Aubrücte überfchritten hatte, wurde er von Böttiger, der hinter 
den Anhöhen gehalten, überfallen. Ueber taufend Mann blieben 
dänifcherfeits auf dem Plage. Buchwald gerieth mit mehreren 
Offizieren, circa fechshundert Sußtruppen und hundertfünfzig Reitern 
in die Sefangenfchaft der Schweden. ur eine Standarte entlam 
mit ungefähr hundert Mann. Die Schweden quartierten fich zu 
Meddingftedt und Stelle en. Die Umgegend mußte fie ver 
proviantiren. Die Gefangenen, wie auch die Kranken, wurden 
nach Heide gebraht. Am 6. oder 7. Mai verlegten fie ihr 
Quartier nach Hennſtedt, Oftermoor, Delve, Pahlen, Dörpling 
und anderen Örtichaften jenfeits der Brollandsau, wo fie fich 
fiherer fühlten. Bier lagen fie fieben Wochen. Die Berzoglichen 
Unterthanen wurden hart gedrüdt, obwohl der Herzog dafür, dag 
fein Land von den Schweden verfchont werde, kurz vorher an 
Wrangel eine Derfchreibung auf 46000 Thaler Spezies hatte 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 557 


geben müſſen, von welcher Summe 10000 Thaler binnen drei 
Tagen entrichtet worden waren, die übrigen Gelder in zwei 
Monaten bezahlt werden follten. Auch Süderdithmarfchen mußte 
wöchentlih hierher an die Schweden Ffontribuiren. — Im 
Auguft, nach dem am 13. diefes Monats der Sriede zu Brem- 
febro zwifchen Dänemark und Schweden gefchloffen worden, wurde 
das Land endlich von feindlichen Truppen geräumt. Gegen Ende 
des Auguft traf noch der fchwedifche Obriſt Steinader mit des 
Seldmarfchalls Leibregiment Dragoner in Dithmarfchen ein. Er 
bezog Quartiere in Alberftorf und den nächftgelegenen Ortichaften 
und 309 am 30. Auguft weiter, zum Cande hinaus. Darauf 
rädten in Süderdithmarfchen zwei dänifche Kompanien ein, die 
bis Ende Januar des folgenden Jahres hier im Quartier lagen. 
Am 8. Oftober feierte man zu Mleldorf das Sriedensfef. 1647, 
den 28. Juni, nachdem der ältefle Sohn des Königs, Prinz 
Ehriftian, am 2. Juni geftorben war, ernannte der König feinen 
einzigen jeßt noch lebenden Sohn, den Prinzen Sriedrich, zum 
Statthalter der Sürftenthümer Schleswig, Holftein, Stormarm und 
Dithmarfcen. 

Im Jahre 1648, 28. Sebruar, ftarb der König Ehriftian IV, 
Der Prinz Sriedrich beftieg den Thron als Sriedrich III. Diefer 
lieg fich in Perfon von den Süderdithmarfchern Huldigen. Am 
21. Oftober, fpät abends, traf er mit der Königin, dem Statthalter 
Chriſtian Ranzau, feinem Marfchall, feinem deutichen Kanzler und 
feinem Sefretär zum Zwed der Entgegennahme der Huldigung in 
Meldorf ein. Die Huligung erfolgte am Tage nachher. Knieend, 
mit erhobenen Singern, leifteten die Derfammelten den Hußigungseid, 
nachdem ihnen der Kanzler denfelben vorgelefen hatte, vor der 
Wohnung des Königs im Haufe des Hieronymus Boje, während 
der König mit der Königin am Senfter ftehend der Handlung 
anmwohnte.. Der König gab fein ganz befonderes Wohlgefallen an 
den ihm dargebrachten Huldigungsgaben zu ertennen. Als 1648 
der Sriede zwifchen dem Kaifer und den Schweden gefchlofien 


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558 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


worden war, blieben dennoch zur Sicherung der Ausführung der 
ftipulirten Sriedensbedingungen jchwedifche Truppen in deutfchen 
£anden poftirt. Bei der Dertheilung derjelben in die gelegenften 
Standquartiere wurde auch Dithmarfchen wieder mit Einquartierung 
bedacht. In der Süderlandichaft lag eine Kompanie Reuter vom 
Müllerfchen Regiment nebft einer Abtheilung vom Kammerfteinfchen 
Regiment vom 30. Januar bis zum 9. Öftober. Sie zogen dann 
ab nach Nortorf, wofelbft alle in nordelbingifchen Canden befindliche 
Schweden ihren Abfchied erhielten. — 1657 kam es wieder zum 
Kriege zwijchen Dänen und Schweden. Die Dithmarfcher fchafften 
ihre werthvollften Güter nach Holland, Hamburg und den Seftungen 
Glückſtadt und Krempe in Sicherheit. Xorderdithmarfchen erhielt 
zwölfhundert Mann dänifcher Truppen zur Befaßung, weil der 
Derzog ſich ſtark auf die Seite der Schweden neigte und überhaupt 
darnach trachtete, auf Koften des Königs fi in feiner Herrſchaft 
zu befeftigen und zu heben. Die Dänen lagen fechs Wochen im 
Lande und ließen fich zum Abfchied noch 12000 Xeichsthaler mit- 
geben. Ein durch BHolftein nach Jütland ziehendes fchwedifches 
Heer brandfchatte unterwegs auch Süderdithmarfchen. Der König 
von Schweden, als Befiger der eingezogenen Stifte Bremen und 
Derden, erhob Anfprüche auf Dithmarfchen und forderte die Ab: 
tretung des Pöniglichen Antheils an diefem Lande. Doch entfagte 
er folchen Anfprüchen in dem am 18. und 26. Sebruar 1658 
erfolgenden Toftruper- und Roeskilder Srieden und übertrug die— 
felben förmlich an den König von Dänemark, defien Nachfolger 
und Herzöge von Holftein aus der föniglichen und der Gottorper 
Linie und verjprach die Auslieferung der auf folche Anfprüche fich 
beziehenden Dofumente. Uebrigens blieben die Schweden im Lande 
und übten Brandfchagungen und andere Erprefjungen. In Mleldorf 
wurde am 18. März die rüdftändige Brandfchagung durch zwei- 
taufend Schweden abverlangt. Am 3. Juli erfchienen abermals 
einige fchwedifche Negimenter in Süderdithmarfchen, mwofelbft fie in 
Meldorf, Wöhrden und den umliegenden Ortfchaften einguartiert 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1775. 559 


wurden und fechs Wochen dort lagen. Der Herzog hatte zur 
Bedeckung ein halbes Regiment Infanterie in die Norderlandfchaft 
verlegt. Der Roeskilder Sriede wurde von den Schweden mißachtet. 
Im Auguft 1658 landete der König von Schweden fchon wieder 
auf Seeland und belagerte Kopenhagen. Der Erbprinz von 
Holftein-Sottorp, Chriftian Albrecht, Bruder der Gemahlin des 
Schwedenkönigs, nahm perjönlich an der Belagerung theil. Die 
Schweden in Holftein wurden indes vom Pfalzgrafen Philipp von 
Sulzbach befehligt. Diefer fuchte, im Auftrage des Königs von 
Schweden, während der Belageruna von Kopenhagen die dänifchen 
Truppen in Bolftein aufzuheben. Bei diefer Kelegenheit fam er 
auch nach Süderdithmarfchen. Seine Truppen raubten, plünderten 
und brannten hier ganze Dörfer nieder. Im September aber, 
gegen Michaelis, erſchien der Ehurfürjt Sriedrih Wilhelm von 
Brandenburg mit zweiunddreißigtaufend Mann eigener, Faiferlicher 
und polnifcher Truppen zum Beiftande des Königs von Dänemarf 
in Holftein und nöthigte die Schweden, das Land zu räumen. Die 
Süderdithmarfcher hatten nun an diefe Derbündeten drückende 
Lieferungen zu entrichten. Der Ehurfürft geftand dem Herzog von 
Gottorp eine bedingte Neutralität zu. Doch mußte diefer den 
Allürten des Königs freie Quartiere geben. Xorderdithmarfchen, 
als herzogliches £and, wurde von den dahin verlegten Truppen 
mit Brandfchagung, Plünderung und fchweren Kontributionen 
belaftet. Der Herzog ſelbſt war genöthigt, für feine Perjon in der 
Seftung Tönning Zufluht zu fuchen. Er ftarb hierfelbit am 
10. Auguft 1659. Sein ältefter Sohn, Ehriftian Albrecht, folgte 
ihm in der Regierung. Dieſer beftätigte unterm 4. Dezember 1660 
den Norderdithmarfchern ihre Privilegien. In demfelben Jahre, 
1660, waren wieder dänifche Truppen, wie auch Truppen der 
Alliirten des Königs, in Norderdithmarfchen einquartiert. Die 
Bewohner der Landfchaft mußten es hart büßen, daß ihr neuer 
Candesherr, Ehriftian Albrecht, der Bottorper Herzog, feine 
Sreundfchaft für Schweden an den Tag legte, wodurch der König 


560 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


bewogen ward, den Herzog in Tönning zu belagen. Doch wurde 
1660, am 27. Mai, der Kopenhagener Sriede gejchloffen und 
infolgedefien das Land im Juni fchon von den Brandenburgern 
geräumt. Im Kopenhagener $rieden, wie auch in dem vorherigen 
Stieden von Roeskilde hatte der König dem Gottorper Haufe die 
Souveränität über den fog. GBottorper Antheil am Herzogthum 
Schleswig zugeftehen müſſen. — Das Berzogthum war alfo in 
zwei fouveräne Länder getheilt. Urfprünglich jollte die Theilung 
der Herzogthümer fich nur auf Gerichtsbarkeit, Sinanzverwaltung 
und Polizei beziehen, indem durch den Slensburger Landtags- 
abjchied von 1564 eine gemeinfchaftlihe Regierung für beide 
£Sandestheile angeordnet ward, die alljährlich wechfelte zwijchen 
der Föniglichen und der fürftlichen Kinie. Hiermit noch nicht zu- 
frieden, brachten die Bottorper dadurch, daß fie fich ftets auf die 
Seite der Schweden fchlugen, die Souveränität über den ihnen 
eingeräumten Landestheil an fich, ohne Rückſicht auf das Wohl 
des Landes. 

Nun war ein gutes Verhältniß zwifchen der Föniglichen und 
der goftorpifchen Linie vollends ausgefchlofien. Die Seindfchaft 
zwifchen den beiden Einien dauerte fort, troßdem der Berzog am 
24. Oktober 1667 fich mit der Tochter des Königs, Prinzeſſin 
Sriederica Amalia, ehelih verbunden hatte und in jeder Weije, 
nun mit dem Könige in gutem Dernehmen zu bleiben, bemüht 
war. Nachdem König Sriedrich III. 1670, 9. Sebruar, geftorben, 
war Chriftian V. König geworden. Diefer nahm im Jahre 1675 
den Bottorper Herzog, der am 25. April 1674 wieder mit Schweden 
ein geheimes Bündnig gegen Dänemark gejchlofjen hatte, in Rends: 
burg gefangen und nöthigte ihn am 10. Juli zu dem Rendsburger 
Rezeß, in welchem der Herzog auf die Souveränität und andere, 
1660 erzwungene Dortheile verzichtete und dem Könige bis zum 
Ende des damaligen Krieges mit Schweden alle feine Feſtungen 
überließ. Der König ließ dann durch dazu verordnete Kommiffare, 
wie in anderen herzoglichen E£andestheilen, fo auch in Norder- 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrit — 1773. 5601 


dithmarjchen, die Kontributionen erheben. 1675 lag in order: 
dithmarfchen die dänijche Keibgarde, unter dem Major Hans Sram 
und dem Zittmeifter Niels Krabbe, im Quartier, welche am 
18. September wieder abzog. Um eine Einderung des auf der 
Landichaft laftenden Drudes zu erwirken, wurden um dieſe Seit 
der Kirchipielvogt Peter Hennings von Weffelburen und der Korn- 
fchreiber Jürgen Junge von Palen als Deputirte nah Wismar 
ins dänifche Lager gefandt. Sie famen zurüd am 31. ©ftober, 
Batten aber wenig erreichen können. Im folgenden Jahre wurden 
nicht nur die Kontributionen in Zlorderdithmarfchen vom Könige 
erhoben; es wurden auch die weltlichen Beamten von demfelben 
mit einer außerordentlichen Steuer belegt. Der Herzog ließ am 
2., 9. und 16. Juni Bettage halten, zum Gebet um Derleihung 
des Stiedens. 1678 ordnete der König Kopf, Sins- und Diehfteuern 
an. Sür Norderdithmarfchen ward die Publizirung der bezüglihen 
Derordnung des Königs vom 3. Auguft unterm 1. September vom 
Berzog unterfagt. Im April 1679 war der König mit großem 
Gefolge in Norderdithmarfchen anwefend. Am 15. April wurde 
Fönigliche Artillerie in die Landfchaft gelegt, und dazu wurden 
18 Thaler von jedem Pfluge gefordert. Es herrichten wirre 
Zuflände im Lande. Der König ſetzte Derordnungen des Herzogs 
außer Kraft, und der Herzog verbot, dem Könige und feinen 
Beamten folge zu leiften. Solcher Zuftand dauerte bis zum 
Srieden von Sontainebleau, 2. September. 1679, durch welchen 
der Herzog wieder in den Befig feines Eandesantheils gelangte. 
Am 18. Januar 1680 wurde in Norderdithmarfchen das Sriedens- 
danffeit gehalten. Um diefe Seit erfauften fich die Dithmarfcher aber- 
mals ihre Sreiheit vonZöllen und £izenten, indem fie fich verpflichteten, 
jährlih für folche Freiheit 1500 Thaler zu zahlen. Jndes 
dauerten die Streitigkeiten zwifchen den beiden Linien des Herrſcher⸗ 
Baufes fort und führten bald wieder zu offenen Seindfeligkeiten. 
Den Anlaß zu legteren gab die von dem Herzog in Angriff 
genommene Wiederherftellung der Feſtungswerke von Tönning, die 
Dithmarfcher Gefchichte. 56 


562 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


der König nicht zugeben wollte. Der König fchrieb 1682 im 
November in Norderdithmarfchen wieder Stenern aus und ließ fie 
gewaltfam eintreiben, als der Herzog die Entrichtung derjelben 
unterfagte. 1684 ließ er wieder durch feine Beamten die Gefälle 
erheben und die Kandfchaft mit Zinquartierung verfehen. Das 
dauerte bis 1689, in welchem Jahre der Herzog Ehriftian Albrecht 
durch den Altonaer Dergleih vom 30. Juni wieder in alle feine 
Lande, deren er einige Jahre lang, während welcher Seit er zu 
Bamburg fich aufgehalten, beraubt gewejen war, reftituirt ward. 
Nah Abſchluß diefes Traftats herrichte Ruhe im Lande, folange 
der Herzog Ehriftian Albrecht lebte. 1694, den 27. Dezember, 
ftarb derfelbe, und fein Sohn, Sriedrich IV., gelangte zur Regierung. 
Diefer ließ in der an Dithmarfchen grenzenden Landichaft Stapel» 
holm Schanzen aufführen. Darüber gerieth er in Streitigfeiten 
mit dem Könige. Der Kebtere ließ 1698 eine Truppenabtheilung 
in die herzoglichen Diftrifte einrüden, die Holmer Schanze durch 
diefelbe einnehmen und nebſt anderen Schanzen des Herzogs 
niederreißen. Der Herzog aber ließ die Schanzen 1699 wieder 
herftellen und reizte dadurch den König zum Aeußerftien. Doc 
ftarb Ehriftian V. am 25. Auguft desfelben Jahres. Sriedrich IV., 
fein Sohn, wurde König. Die Süderdithmarfcher erhielten noch 
im Jahre 1699 Befehl, Suhrleute und Gefpanne nach Rendsburg 
zu liefen. Am 18. Sebruar 1700 ftellten fie daſelbſt 151 Wagen 
mit je zwei Pferden und einem Suhrmann. Der König war mit 
dent Kar Peter von Rußland und dem Könige Sriedrich Auguft 
von Polen in ein Bündniß wider Schweden getreten. Als die 
Nachricht vom Einfall des polnifchen Generals S$lemming in 
£ioland eintraf, wurden die Seindfeligkeiten gegen den fich zu den 
Schweden hinneigenden GBottorper Herzog begonnen. Der dänifche 
General, Herzog Serdinand Wilhelm von Württemberg, ließ am 
22. März die Länder des Herzogs in Befig nehmen. In Norder- 
dithmarſchen nahmen an dem Tage vierzehn Kompanien Infanterie 
unter dem Brigadier Bartbaufen und ſechs HKompanien vom 


Don 1580 bis zur [Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 17273. 563 


Schadichen Regiment mit einigen Seldgefchüßen zu Heide Quartier, 
während der Obriſt Schad Broddorf mit einem Aegiment 
Kavallerie ſich zu £unden einquartierte. Die herzoglichen Beamten 
wurden durch Pönigliche erfeßt. Zur Beftreitung der Kriegstoften 
wurde unterm 27. März eine monatliche Pflugfteuer von 6 Reichs: 
thalern ausgefchrieben.. Alle Schanzen und Seftungen des Herzogs 
wurden eingenommen, bis auf die Haupftfeftung Tönning. 

Am 15. April rücte der Obriſt Uterwyk mit einem jütifchen 
Zeiterregiment in Heide ein. Die ganze Landfchaft lieferte Sourage 
dahin, weil die Heider die Laft der Einquarlierung nicht allein zu 
tragen vermochten. Bald nachher begann die Belagerung Tönnings. 
Diefelbe mußte am 2. Juni aufgehoben werden, weil fchwedilche, 
hannöverfche, cellifche und andere Truppen zum Entſatz heran- 
rückten, und der König, diefen entgegenzuziehen, genöthigt war. 
Auch aus den Seftungen wurden Truppen herausgezogen, um fie 
gegen die, zum Entfab von Tönning heranziehenden Derbündeten 
des Herzogs zu verwenden. Die Süderdithmarfcher, wie die Ein- 
mwohner der Wilfter- und Krenpermarfch, dagegen erhielten Befehl, 
zur Befegung von Glückſtadt taufend Mann, auserlefene Leute, 
abzufenden. In Siderdithmarfchen wurden alle Einwohner mit 
Waffen verjehen und fehshundert Mann von da nach Glückſtadt 
abgefertigt. Die herzoglichen Bundesgenofjen brandfchagten Altona; 
die Dänen vergalten das an den herzoglichen Städten Schleswig, 
Kiel, Edernförde u.a. Die Alliirten rächten dies wieder an der 
Pöniglichen Stadt Segeberg, und die Herzoglichen nahmen nun die 
Gelegenheit wahr, im Föniglichen Süderdithmarfchen Seindfeligkeiten 
zu üben und Steuern einzutreiben. Der Kommandant von Tönning, 
Generallieutenant Sreiherr Johann Gabriel von Baner, fandte im 
Juni den Kapitän Mafcalari mit fechsunddreißig Mann nach 
Süderdithmarfchen ab, wo derfelbe zur Unterwerfung unter das 
Regiment des Herzogs aufforderte und zugleich eine monatliche 
Pflugfteuer von 6 Thalern und 1 Tonne Roggen, vom April an 
gerechnet, zahlbar binnen fechs Tagen, ausfchrieb. Zu Seddering 

36° 


964 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


und Wöhrden erfchien Mafcalari mit feiner Mannfchaft felbfl. Im 
übrigen ließ er feine Botfchaft an die Einwohner durch gedruckte 
Datente kundthun. Die föniglichen Unterthanen verfpotteten ein der- 
artiges Derlangen. Die Wöhrdener jagten am 11. Juni den 
Mafcalari fort und bezeigten zum Theil ihre Neigung, die Soldaten 
auf der Stelle zu erfchlagen. Sie berichteten an den König und 
baten um Derhaltungsbefehle und möglichften Beiftand. Unter den 
obwaltenden Umftänden hielten die Süderdithmarfcher es für an. 
gebracht, ihre Büter in Sicherheit zu bringen. Sie verfchifften 
diefelben, befonders von Meldorf und Wöhrden aus, nach Hamburg 
und anderen fejten Pläßen. Der General Baner beorderte nun 
die Kapitäne Mafcalari und Sriefe wieder mit fechsunddreißig 
Mann nach Süderdithmarfchen, damit fie fich der zur Derfchiffung 
bereitliegenden Güter bemächtigten und diefelben nach Tönning 
führten. Bei Meldorf lagen damals drei und bei Wöhrden vier 
der zum Transport von Waren beftimmten Schiffe. Am Sonntag, 
den 13. Juni, trafen die beiden Kapitäne mit ihrer Mannfchaft 
ein. Nachdem fie zu Büfum einige Ever mit Soldaten befegt 
hatten, gingen fie gegen die Schiffe vor. Der vier bei Wöhrden 
bemächtigte fih Mafcalari mit der einen Hälfte der Mannfchaft, 
und der drei bei Meldorf, von welchen jedoch zwei unbeladen 
waren, bemächtigte fich Sriefe mit der anderen Hälfte. Einige 
von Büfum mitgenommene Schiffer leifteten Dienfte bei der Kaperei. 
Mit ihrer Hülfe gelang es Frieſe bald, die See zu gewinnen. 
Mafcalari aber wurde, bevor er fihh aus dem Hafen beraus- 
gearbeitet hatte, von der Ebbe übereilt, fo daß er, troßdem er 
einen fundigen Schiffer von Büfum, nebft vier anderen Schiffs: 
leuten von da, bei fich Hatte, auf den Sand gerieth. Das be- 
nußten die Einwohner der Umgegend. Ueber hundert Mann aus 
Wöhrden, Meldorf, Talingburen, Barsfleth und Ketelsbüttel, nebft 
Weibern und Kindern, rotteten fich zufammen, machten von Wagen, 
mit Dünger beladen, eine Schugwehr und rüdten, indem fie die 
Wagen vor fich herfchoben, gegen die Kaperer an, während fie ununter- 


Don 1580 bis zur WDiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 565 


brochen in die Schiffe hineinſchoſſen. Mafcalari und feine Leute 
vertheidigten fich zwar tapfer, allein fie mußten doch unterliegen. 
Die Angreifer erftiegen, als die Soldaten ihre Munition verjchofien 
hatten, die Schiffe, erfchlugen den bereits mehrfach durch Kugeln 
verwundeten Kapitän und nahmen elf Mann, darunter zwei 
Schiffer, gefangen. Die Gefangenen brachte man nach Glüdftadt. 
Außer Mafcalari waren drei Mann auf feiten der Kaperer ge- 
fallen. Die Wöhrdener und ihre Genofjen hatten zwei Todte und 
einige Derwundete. Die Leichen der vier gefallenen Kaperer wurden 
im Schlid des Hafens eingefcharrt. Doch wurde nachher geftattet, 
daß ein Wöhrdener, Larften Sad, fie ausgraben, in Särge legen 
und beerdigen ließ. Die Leiche Mafcalaris wurde einige Tage 
darauf nach dem benachbarten Weffelburen, welches fchon auf 
herzoglichem Gebiet lag, verabfolgt. Die den Süderdithmarfchern 
von dem Berzoge auferlegte Steuer follte für den erften Monat 
binnen fechs Tagen nach erfolgter bezüglicher Belanntmachung 
erlegt werden. Es erfolgte jedoch nichts in diefer Hinſicht. Daher 
follte den Widerfpenftigen milttärifche Erefution zugelegt werden. 
Aber die Süderdithmarfcher waren willens, die Steuer nicht zu 
zahlen, und verbrannten einen herzoglichen Offizier, welcher folche 
eintreiben follte, lebendig in einem Badofen. Der König Sriedrich IV. 
fandte den Süderdithmarfchern auf empfangenen Bericht umgehend 
zwei Kompanien aus Rendsburg zu Hülfe. Auch famen die 
nach Blüdftadt beordert gewefenen fechshundert Mann aus Süder- 
dithmarfchen jeßt wieder zurüd, und zugleich rücdten aus dem Lager 
bei Elmshorn dreihundertundfünfzig Mann Infanterie und hundert 
Reiter bei ihnen ein. Doc hielten fie fo viele Mannfchaft, die 
ihnen nur läftig fallen konnte, für nicht erforderlich und ließen die 
von Elmshorn gelommenen Truppen fchon am 25. Juni wieder 
zurüdgehen. &s blieben nur die eigene ELandmiliz unter. den 
Kapitänen Bugenhagen, Mirifch und Lufchner, und die beiden 
Aendsburger Kompanien, etwa hundertundfünfzig Mann, unter 
dem Gbrift-Kieutenant von Arenswald und Kapitän Bille, zurüd. 


566 Dierter Abjchnitt. Zweite Abtheilung. 


Cetztere wurden zu Wöhrden und anderen, an das herzogliche 
Norderdithmarfchen grenzenden Ortſchaften einquartiert. Es famen 
mancherlei Gewaltthätigfeiten gegen die herzoglihen Norder— 
dithmarjcher vor. Kine große Derbitterung batte fich der beiden 
Landichaften gegeneinander bemächtigt. — Als der General Baner 
von dem Abzuge der Truppen aus Siderdithmarjchen nach dem 
dänischen Lager Nachricht erhielt, fegte er in der Nacht vom 27. 
auf den 28. Juni mit achthundert Mann Infanterie, hundertund: 
dreißig Mann Kavallerie und zwei Seldftücken über die Eider. Bei 
Tagesanbruch rüdte er in aller Stille in Heide ein. Doch hatten 
die Süderdithmarfcher von der Bewegung Baners Kunde erhalten 
und fich zur Gegenwehr aufgemacht. Baner lieg ohne Aufenthalt 
zum Angriff gegen eine, nicht weit von Heide im Föniglichen 
Südertheil belegene, unbedeutende Schanze fchreiten. Allein die 
Beſatzung derfelben, nur fiebenundvierzig Mann ſtark, hatte bereits 
den Pla geräumt, jo daß die Berzoglichen hier weiter nichts zu 
thun fanden, als die Wälle zu erfteigen und das fchwache Wert 
zu zerftören. Die Königlichen erfannten zu ſpät, daß es ein Sehler 
gewefen, die von Moor an beiden Seiten eingefaßte Schanze nicht 
mit einer hinreichend ſtarken Bejagung verjehen zu haben. Die 
Mannfchaft des Südertheils jammelte fih nun bei Benmningftedt 
und faßte dann Pofto am Schweinemoor, wo fie den Weg durdr- 
geftochen hatte. Aber die Herzoglichen zogen nach Hemmingſtedt, 
ohne die Stellung der Königlichen zu berühren. Die Prediger des 
Ortes boten im Namen der Einwohner Unterwerfung unter die 
Befehle des Herzogs an, und das Kirchipiel ftellte hinreichende 
Bürgfchaft für die Entrichtung der auferlegten Steuer. Doch 
wurden hier mehrere Häufer geplündert und viele Güter geraubt. 
Selbit feßhafte Einwohner des Nordertheils, die mit den herzog- 
lichen Truppen hierher gezogen waren, befonders aus Heide, waren 
beim Rauben und Plündern thätig. Weil man auf feiten der 
DHerzoglichen Bedenken trug, die Königlichen in ihrer vortheilhaften 
Stellung anzugreifen, rücte der Obrift-Kieutenant Hempel, der cin 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Sandesherrn — 1723. 567 


Bataillon Schweden fommandirte — während die Mannjchaften 
aus den Ländern des Herzogs unter Sührung des Majors Grumkau 
ftanden —, nachdem er am „bunten Haufe” einige Mann der 
Gegenpartei vertrieben, über Cieth und dann auf dem Siddeldeich 
entlang nach Ketelsbüttel, von wo er den Kapitän Sriefe mit 
‚hundert Mann Infanterie und dreißig Reitern nach Wöhrden ab- 
fandte. Auch die Wöhrdener fügten fich der Sorderung des Herzogs, 
und Sriefe 309 mit feinen Keuten wieder nach Ketelsbüttel zurüd. 
Dier hatten Soldaten und Einwohner aus dem herzoglichen Antheıl 
von Dithmarfchen inzwifchen noch ärger gehauft, als in Hemming⸗ 
ftedt. Sie hatten alles, was fie gefunden, theils geraubt, theils 
zerjchlagen und zertrümmert. Dornehmlich war es feitens der 
Derzoglichen auf eine Brandfchagung Meldorfs abgefehen. Die 
Königlichen Hatten fich, nachdem Jene ihnen am Schweinemoor 
ausgewichen, nach Barsfleth und dann nach Thalingburen gewandt. 
An legterem Orte waren die Einwohner des Sledens und Kirch: 
jpiels Meldorf zu ihnen geflogen. Der Landvogt von Süder: 
dithmarfchen, Ehriftian Bude, vornehmlich drang darauf, nur 
Meldorf zu deden, zu dem Ende bei der Epenwöhrdener Brüde 
Stellung zu nehmen und dort das weitere Beginnen der Herzog: 
lichen abzuwarten. Die Einfichtigeren flimmten dem bei. Der 
große Haufe aber wollte durchaus fchlagen. Man rüdte aljo vor 
nach Ketelsbüttel, um die Herzoglichen dafelbft, etwa achthundert 
Mann, unverfehens zu überfallen. Doch ordneten diefe fich rafch, 
als jene heranzogen. Sie verließen den Deich und breiteten fich 
auf einem Brachlande aus. Die Königlichen, unter Führung des 
Obrift-Lieutenants von Arenswald, der mit den gemworbenen 
Cruppen voranzog, unternahmen einen Angriff, ohne vorher 
irgendwelche Ordnung zur Schlacht getroffen zu haben, und wurden 
zurüdgeworfen und in die Slucht gefchlagen. Die Berzoglichen 
nahmen fofort die Derfolgung auf. Diele Einwohner aus dem 
Südertheil waren in die Häufer zu Ketelsbüttel geflohen. Sie 
wurden aber entdect und mit dem Bajonette erftochen. Andere 


568 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


hatten im Felde zwifchen dem Getreide und in Gräben fich bergen 
wollen und waren hier umgebracht worden. Obriſt-Cieutenant 
Hempel hatte Befehl ertheilt, nur Soldaten und Landausfchuß- 
männer als Gefangene anzunehmen, den übrigen Slüchtlingen 
feinen DPardon zu geben. Ein ftarfes Gewitter mit Plaßregen 
hinderte endlich die weitere Derfolgung, und die anbrechende Nacht 
machte dem Morden völlig ein Ende. — In einigen Häufern 
Ketelsbüttels fol man nachher zehn bis zwölf getödtete Einwohner 
nebeneinander gefunden haben. Der Derluft an Todten auf jeiten 
der Königlichen wird von Einigen auf vierhundert Mann an- 
gegeben. Johann Blome aber fagt hier von fünfundfechzig 
Todten. Drei Meldorfer Bürger und fünfzehn Kandausichuß- 
männer geriethen in &efangenfchaft und wurden nach Tönning 
gebraht. Don herzeglichen Soldaten jollen nur Wenige, nach 
Dieth nur drei, geblieben fein. KHetelsbüttel wurde von den 
Derzoglichen total ausgeplündert. Was nicht mitgeführt werden 
fonnte an Möbeln und anderem Hausgeräth, das murde zer: 
trümmert; felbft Senfter und Thüren wurden zerichlagen. Einwohner 
aus Norderdithmarfchen, vornehmlich Heider Bürger, wetteiferten 
mit den Soldaten in Graufamleit, Raub- und Serftörungsfuct. 
Dithmarfcher wütheten gegen Dithmarfcher im Dienfte verfchiedener 
£inien eines Sürftenhaufes, die fih um Samilien- und Baus- 
interefjen ftritten. Wie in Bolftein, fo in Dithnarfchen, herrichte 
ein blinder Haß zwifchen Föniglichen und fürftlichen Unterthanen. 
Die Holfteiner waren es von Alters her gewohnt, die National: 
verbindung dem, das Doll zur Sache herabwürdigenden, dem 
Privatrecht gleichgeachteten fürftlichen Erbrecht untergeordnet zu 
fehen. In der Derbindung Dithmarfchens mit Bolftein mußte die 
Selbftändigkfeit und Freiheit des Volks auch in Dithmarfchen jchließlich 
herabfinten zum geficherten Befißftande regierender Landesherren.! 

! Die Unterordnung des Landesrechts unter fürftlihes Erbredht mochte 


wohl dazu führen, das Recht des Dolfes an das prätendirte Recht eines 
Einzelnen zu Inüpfen. Daher konnte dann noch in unferen Lagen das 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem £andesherrn — 1773. 569 


Erft die eintretende Dunkelheit machte der Zerftörung in Ketelsbüttel 
ein Ende. Die Herzoglichen gingen nach Heide zuräd, in der Abficht, 
am folgenden Tage den Sieg weiter zu verfolgen. Die Süder- 
dithmarfcher liegen aber am andern Morgen durch zwei Deputirte, 
die Landesgevollmäctigten Hans Dührfen zu Meldorf und Peter 
Detlefs zu MWindbergen, dem General Baner in Heide ankündigen, 
daß die verlangten Steuern von ihnen abgetragen werden würden. 
Auch wurden noch am felbigen Dormittage mehrere 1000 Thaler zu- 
fammengebracdt und als Abfchlagszahlung gegeben. Wegen des Rüd: 
flandes mußten die Deputirten als Geifel mit nach Tönning folgen. 
Doch ward die Steuer fchon nach wenigen Tagen völlig entrichtet, 
und die Geifeln wurden darauf entlafien. Mebrigens gab man 
den beiden Deputirten die Ankündigung einer neuen Steuer mit 
auf den Heimweg. Die Landfchaft Süderdithmarfchen mußte bis 
zum |. Auguft überhaupt 30000 Thaler an herzogliche Kaffen 
nach Tönning fteuern. Durch den Srieden zu Traventhal, am 
18. Auguft diefes Jahres, erhielt der Herzog von Holftein-Bottorp, 
Stiedrich IV., jeine Länder und GBerechtfame wieder. — Der Herzog 
ging bald nachher mit feinem Schwager, Karl XII. von Schweden, 
nach Polen und wurde dafelbft im Treffen bei Cliſſow erfchoffen, 
den 19. Juli 1702. Sein reichlih 1 Jahr alter Sohn, Karl 
Sriedrih, wurde Herzog unter Dormundichaft feiner Mutter, 
Hedwig Sophie, und feines Onkels, des Biſchofs von Kübed, 
Chriſtian Auguſt. Keßterer, ein Bruder des verftorbenen Herzogs 
Sriedrich IV., wurde Adminiftrator der Bottorper Lande. 

Im Jahre 1709, den 28. Oktober, erllärte der König 
Sriedrich IV. Schweden den Krieg. In Süderdithniarfchen wurden 
infolgedeffen 1710 wieder KHriegsfteuern ausgeſchrieben. Auch 
wurden hier im Winter Truppen ins Quartier gelegt. Im 
Anfange des Jahres 1712 kam der König mit feinem Heere 
„Recht“ eines machtlofen Prätendenten — „mein Recht eure Rettung!" — 


in breiteren Schichten mehr zum patriotifhen Handeln anreizen, als das 
Recht des Kandes an fidh. 


570 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


aus Pommern zurüd und ließ diefes in Holftein und Süder: 
dithmarfchen Winterquartiere beziehen. Zu Meldorf lag Infanterie 
und auf dem Lande die berittene Leibgarde des Königs. Mit 
dem Adminiftrator der herzoglich Bottorper Lande, Ehriftian Auguft, 
ſchloß der König am 5. Januar einen Dergleich zu Kamburg, zu 
welhem am 30. April ein Erläuterungsrezeß zu Rendsburg 
abgefaßt wurde. In dem leßteren wird u. a. eine Differenz wegen 
einer vom Könige eingezogenen Predigerftelle an der Kirche zu 
Nordhaftedt ausgeglichen, indem es in diefer Beziehung heißt: 
„daß Ihre Kön. Maj. den Diaconat:Dienft zu Nordhatftätt im 
Süderdithmarfchen aus Mangel der Subfiftence eingezogen und die 
Revenüen dem Paftorat-Dienft beigelegt, dabei lafjen Ihre Hochfürſtl. 
Durdhl. wegen ihrer dafelbft eingepfarrten Unterthanen, nach 
gefchehener Remonftration, es nicht nur bewenden, fondern wollen 
auch die Derfügung machen, daß von denen in Torderdithmarfchen 
etwa ausitehenden und der XNordhatitätter Kirche zugehörigen 
Capitalien ſeit einigen Jahren reftirende Zinſen ohne weiteren 
Anftand von denjenigen, fo fie zuftehen, ausgezahlet, auch die dem 
p. t. Paftor, als zugleich dem Diaconus loci, dem Herfommen 
nach beilommend gebührliche Accidentien gegönnet und nicht 
weiter entzogen werden follen” zc. — So weit war es in Dith- 
marfchen gelommen während der Sürftenherrichaft, daß da, wo 
fonft, außer mehreren ÖSeiftlichen, ftudirte Lehrer für die Schulen 
angeftellt wurden, ein zweiter Prediger nicht mehr unterhalten 
werden konnte. Im Juli führte der König feine Truppen aus 
Dithmarjchen und Holftein perfönlich ins Herzogthum Bremen 
hinüber, und Dithmarfchen blieb nun geraume Zeit von Ein: 
quartierung frei. Als am 20. Dezeniber 1712 der fchwedifche 
Seldherr, Graf Steenbod, die Dänen bei Badebufch gefchlagen 
hatte und darauf im Januar 1713 nad Bolftein vorrüdte, 
entitand in Süderdithmarfchen eine große Dermwirrung. Jeder: 
mann fuchte feine Habe vor den Schweden in Sicherheit zu 
bringen und war bedacht, fich und die Seinen vor Unbill zu 


Don 1580 bis zur [Diedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 571 


wahren.! Die Xorderdithmarfcher aber verwehrten den Fönig: 
lichen Unterthanen aus Süderdithmarjchen, die in der Xorder: 
landfhaft Schug fuchten, den Uebergang über die Grenze bei 
Androhung von Galgenftrafe.e. — Es war ein Kordon gegen 
Einfchleppung der Peft gezogen und waren HKniegalgen errichtet, 
an welchen man Diejenigen zu hängen drohte, die fich über 
die Grenze fchlichen. Schon in der Mitte des Januars 1713 309 
Steenbod durch Süderdithmarfchen nach Heide. Das Bauptcorps 
feines Heeres blieb auf der Höhe der Geeſt und hielt zu Schaf- 
ftedt, Alberftorf zc. fein Nachtlager, während vierhundert Aeiter 
unter dem Obriſt Baflewig in Meldorf einquartiert wurden. 
Steenbo@ forderte eine Schagung von 100 Thalern von jedem 
Pflug. Doch eilte er ohne Derzug gegen Norden, weıl ihm die 
verbündeten Dänen, Auffen und Sachfen auf dem Suße folgten. 
Auch Nordithmarfchen, obwohl nicht Seindesland, wurde auf dem 
Suge des Schwedenheeres arg gejchädigt.” Am 19. Januar paffirte 
das Heer mitteft einer übers Eis gejchlagenen Brüde bei Sriedrich: 
ftadt die Eider. In Meldorf Hatte Steenbod ein Detachement 
zur Beitreibung des geforderten Geldes und Proviants zurüd: 


— 


ı Dornehmlidh das Schicffal der Stadt Altona zeugte für die Barbarei 
der Kriegsführung des Schwedengenerals und hatte den Namen Steen- 
bods zum Schreden der Kande gemadt. Weil die Einwohner nicht 
100000 Thaler fofort, bevor das vor ihm ftehende Licht abgepußt ward, 
aufbringen konnten, ließ Steenbod die Stadt abbrennen, den 8. Januar 1713. 
„Ehe diefes vor mir flehende £icht abgeputt wird, follen mir 100,000 Thlr. 
gegeben werden oder ich laffe die Glocken läuten, die Trompeten blafen 
und die Pauken ſchlagen. Wenn man das hört, fo nehme ſich ein Jeder 
in Acht und wenn das feuer anfängt, fo bleibe von den Straßen, wer 
nicht erfchoffen oder erflochen werden will.” Das war Steenbods Wort 
an die um Schonung für Altona bittenden Deputirten. Außer der Iutherifchen 
und der reformirten Kirche blieben feine dreißig Häuſer von Altona übrig 

? Die Marfch blieb jedoch verfhont. „lach der Weftfeite konnte ich 
nicht fommen der fchlimmen Wege halber. Mein Dolf war ausgemattet, 
da es wenig zu bredhen und zu beißen hatte, denn die Einwohner waren 
mit Sad und Pad in die Wälder oder in die Marſch geflüchtet”, fagt 
Steenbod (ap. Xordberg III, 512). 


572 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


gelafien. Diejes 309 anı 20. Januar, abends um 5 Uhr, in Haft 
von dannen, um der Armee zu folgen. Weil das Derlangte nicht 
vollftändig hatte befchafft werden Fönnen, nahmen die Schweden 
für den Heft ihrer Sorderung, 11000 Thaler, mehrere Landes- 
gevollmäctigte, unter welchen Reimer Carſtens, Peter Richers, 
Harns Johann und Sranz Blohm genannt werden, als Geiſeln 
mit, die nach erfolgter Bezahlung wieder entlaffen wurden. Ein 
Erlaß des Königs, in welchem verboten war, an die Schweden 
Brandichagung zu zahlen mit den Hinweis darauf, daß ein 
ruffifches Beer im Anmarjch fei, fam zu fpät für die Süder- 
dithmarfcher. Der Durchzug der Schweden hatte der Landfchaft 
einen Koftenbetrag verurfacht, der auf 89071 Thaler 30/2 | ge 
rechnet wurde. Die Schweden hatten faum Hufum erreicht, als 
fchon der dänifche General, Graf von Sponed, und der ruffifche 
General Bauer mit einigen faufend Dänen und Ruſſen in Dith- 
marfchen eintrafen, um die Eidergrenze hier zu bejfegen und den 
Schweden, gegen die das Hauptheer der Allüürten über Hollingftedt 
im Amte Bottorf anrüdte, den Weg über die Eider zu verlegen.! 
Steenbod 309 am 3. Sebruar nach Barding unter großen Befchwerden, 
da Thauwetter eingetreten war, welches die Marfchwege aufweichte. 
Als die Derbündeten am 13. Sebruar Sriedrichftadt erobert hatten, 
verlangte der bedrängte Steenbod, in die Holftein-Bottorper Seftung 
Tönning eingelaffen zu werden. Diefe wurde ihm auch wirflich 
geöffnet. Am 14. Sebruar fandte er vier Regimenter und am 
18. Sebruar das ganze übrige, ihm unterftellte Heer in die Seftung. 
Die Neberlafjung der Seftung Töning an Steenbod war ein offener 
Sriedensbruch feitens des Gottorper Hauſes. Die Derbündeten 
behandelten jeßt die herzoglichen Eandestheile, alfo auch order: 
dithmarfjchen, als Seindesland. Die Norderdithmarjcher mußten 
Brandichagungen und Einquartierungslaften tragen. Steenbock 


! Bauer war, heißt es, eines Einwohners zu Eddelad Sohn, hatte 
ron der Pike auf gedient und fi in ruffifhen Dienften zum General- 
zieutenant hinaufgearbeitet. (Bolten IV, 321.) 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1273. 575 


war willens, über die Eider nach Dithmarfchen zurüdsugehen 
und ſich nach Medlenburg durchzufchlagen. Am 20. Sebruar 
ließ er fünfzehnhundert Mann Sußtruppen und drei Kompanien 
(a 50 Mann) Dragoner unter Strömfeld in Booten über die 
Eider fegen. Die gefamte Zeiterei follte nachfolgen. Allein 
die bei hohem Waſſerſtande hergeftellte Brüde für den Neber- 
gang der Eauptarmee zerbrach bei der darauffolgenden Ebbe. 
Ein flarler Sturm hHinderte die Arbeiten zur Wiederherftellung 
der Brüde. Als der Zar Peter I, der Große, welcher in 
Sriedrichftadt ſich befand, von dem Dorhaben der Schweden 
Kunde erhalten, ſetzte er mit einer großen Macht ruffifcher und 
fächfifcher Truppen über die Eider und rücte am Deiche auf die 
bereits übergefegten, zwifchen Wollerfum und Hemmerfiel ftehenden 
Schweden an. Zugleich ftah man in Dithmarfchen die Deiche 
Durch und feßte das Land zum Theil unter Waſſer. Steenbod 
mußte fein Unternehmen aufgeben. Die nach Dithmarfchen über: 
gejeßten Schweden erftachen ihre Pferde und retteten fich auf ihren 
Booten eiligft durch die Slucht nach Tönning vor den andringenden 
Seinden, nachdem fie drei Tage auf dithmarfcher Boden fich auf 
gehalten hatten. Während die Allirten die Schweden in Tönning 
eingefchlofien hielten, wurden ihre Truppen zum Theil in der 
Umgegend einquartiert. Die fächfifche Kavallerie lag vom 1. bis 
6. März in Süderdithmarfchen. Jeder Pflug Hatte fechs Mann 
zu verforgen und von ihnen in der kurzen Zeit über 100 Mark 
Koften. Die fächfifche Einquartierung wurde von hier nach dem 
Pinnebergifchen verlegt. An ihre Stelle trat ruffifche Kavallerie, 
die am 8. März fo zahlreich eintraf, daß jeder Pflug fünfzehn 
Mann nebft ihren Pferden zugetheilt erhielt. Die Norderdithmarfcher 
waren noch fchlimmer daran, als die Süderdithmarfcher, weil fie 
wegen des Bruches der Neutralität feitens des Herzog-Adminiftrators 
von den Alliirten feindlich angejfehen wurden. Am 13. März des 
Jahres 1713 309 der König Sriedrich IV. alle herzoglich-gottorpifchen 
Länder ein, feßte die herzoglichen Beamten ab und verordnete 


574 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


andere an ihre Stelle. — Am 16. Mai ergab fich Steenbod mit 
feinem ganzen Heere dem König Sriedrich IV. Die ruffifchen und 
jächfifchen Truppen verließen darauf das Land. Am 5. Juni zogen 
die Aufien aus Süderdithmarfchen ab. Sie hatten der Candſchaft 
in drei Monaten 213684 Thaler 22 | Koſten verurſacht. In 
Tönning befand fich noch eine herzogliche Bamifon. Daher dauerte 
die Blockade der Seftung von feiten des Königs fort und blieben 
auch in Dithmarfchen, vornehmlich im Nordertheil, dänifche Truppen 
im@Quartier. 1714, den 14. Sebruar, fielTönning endlich in die Gewalt 
des Königs. Dieſer hatte jeßt alle Befigungen des Herzogs von 
Gottorp eingenommen. Am 8. Juni 1715 wurden alle föniglichen 
Truppen aus Dithmarfchen nach Pommern gejandt. Doch mußte das 
Land auch nachher noch Kriegsfteuern entrichten. Bald trat ein 
allgemeiner Geldmangel ein. 1717 waren Konkurſe und Ledirungen 
von Gütern an der Tagesordnung. Dazu wurden dem Eande 
unterm 1. Sebruar Ddiefes Jahres noch neue Steuern auferlegt: 
eine erhöhte Pflugfteuer von 5 Thalern monatlih, eine Ertra- 
pflugfteuer von 20 Thalern, eine Dermögens: und Nahrungsfteuer 
von 2°/o, eine Kopffteuer, die bei Kindern und Dienftboten im 
Minimaljag 16 Schillinge betrug, bei den Höchftbefteuerten auf 
100 Thaler fich belief, und endlich noch eine Karoffen- und 
Dferdefteuer. Im Umfchlage 1718 erflärten mehrere Kirchfpiele 
fih für zahlungsunfähig. Namentlich das Kirchfpiel Büfum war 
fo verfchuldet, daß die Kändereien desfelben für völlig werthlos 
galten. — Hier hatten Sturmfluthen, welche des Land betrafen, 
dazu beigetragen, das Maß des Elends voll zu machen. Die 
MWeihnadtsfluth von 1717, die am Morgen des erften Sefttages 
einbrach ins Land und alle Marjchlirchipiele unter Wafler feßte, 
hatte vornehmlich großen Schaden angerichtet. In Norderdith- 
marjchen waren 1688 Ruthen des Deiches ganz weggefpült, 
2199'/s Ruthen Deiches waren äußerft befchädigt und 15 1331/2 
Authen waren mehr oder minder fchadhaft geworden. (Öhne die 
octroyirten Koege hatte die Landfchaft 21 635'/s Ruthen Deichs; 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem £andesherrn — 1773. 575 


es waren die Deiche aljo größtentheils weggeſpült oder fehr 
beichädigt und nur ein geringer Theil derfelben war noch in gutem 
Stande) Zu Büfum waren durch den Cinbruch der Sluth 
26 Wehle entftanden, in den Kirchipielen Weffelburen und Neuen—⸗ 
firchen 34, in Hemme 2, in £unden 3, Hennftedt 6, Delve 2, 
Tellingftedt 2 und im Selde von Heide und MWeddingftedt 1, 
zufammen 76 Wehle in Norderdithmarfchen. Süderdithmarfchen 
wurde von der Sluth am flärkiten betroffen, und von den 10440 
Quthen Deichs der Landichaft waren nur einige unbefchädigt 
geblieben. Bier waren Brüche von 33 Fuß Tiefe entitanden, 
durch welche große Schiffe aus: und einfegeln fonnten. An der 
Stelle der Eddelader Schleufe war ein Bruch, die ſog. Eddelader 
Brafe, entftanden, welcher, 22 Ruthen breit und über 30 Fuß tief, 
fich eine viertel Meile weit ins Land erftredte. An Menfchen 
waren durch die Sluth umgelommen: in Brunsbüttel 173, Edde- 
lad 32, Mare 99, Barlt 21, Meldorf 19, Büfum 75, Weflel- 
buren und Neuenfirchen 12, Hennftedöt 3 und im Hedewigenkoog 36, 
im ganzen in Dithmarfchen aljo 468. An Pferden und an 
Hornvieh waren verloren gegangen 3465 Stüd, an Schafen 
und Schweinen 3067. &s waren 279 Gebäude von der Sluth 
fortgerifien und 106° Gebäude waren durch diefelbe ruinirt worden. 
Der Derluft an Haus und Baugeräth, an Sutterftoffen, gedrojchenem 
und ungedrofchenem Korn, an MWinterfaaten, Seuerungsmaterial, 
an Schleufen, Brüden, Wegen und Stegen, Thoren, Heden, Ein- 
friedigungen 2c. ward für ganz unfchäßbar gehalten. Das von 
der Sluth durchträntte Land hatte für mehrere Jahre auch noch 
an Sruchtbarfeit und Ertragsfähigleit eingebüßt. Bepor die Deiche 
ganz wieder hergeftellt waren, brach, am 26. Sebruar 1718, abermals 
die Sluth ein, und nun war die Voth vollends groß. Die Kirch⸗ 
fpiele Brunsbüttel und Eddelack wurden wieder unter Wafler 
gefeßt. In Süderdithmarfchen ertranten diesmal 17 Menſchen 
und gingen 574 Pferde und Kühe, ſowie 212 Schafe und Schweine 
verloren, 204 Häufer wurden weggetrieben und 382 Gebäude 


576 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


wurden ruinirt; in Xorderdithmarfchen waren 21 neue Wehle ent: 
ftanden, 2 Mühlen und 92 Käufer weggerifien und 201 Gebäude 
ruinirt worden, 11 Menjchen waren Hier ertrunfen, 119 Stüd 
Hornvieh, 41 Pferde, 36 Schafe und 22 Schweine umgekommen. 
Im Bedewigentoog waren 3 Wehle entſtanden, eine Schleuje fort: 
geriffen, 28 Häufer weggejpält, 11 ſtark befchädigt, 56 Menfchen, 
70 Pferde, 250 Stück Hompieh und 580 Schafe und Schweine 
waren im Wafjer umgelommen; von dem 1875 Ruthen langen 
Koogsdeih waren 953 Ruthen weggefpült und 586 Ruthen fehr 
befchädigt. In Süderdithmarjchen waren von dem ganzen Deich 
nur noch 905 Authen in gutem Stande. Auch die Kirchen waren 
ſtark bejchädigt; vornehmlich hatten der Kirchthurm zu Weflel- 
buren und die Kirche zu Schlichtig fehr gelitten. Die Deiche 
wurden im jahre 1718 wiederhergeftellt, bis auf die große 
Eddelader Brafe, welche 520 Fuß weit und zwifchen 32 und 58 
Fuß unterm Maifeld tief befunden ward und die man nicht zu 
ftopfen vermochte, obwohl mit großer Anftrengung gearbeitet wurde, 
fo dag man die Koften hier auf täglich 1100 Reichsthaler fchägte. 
Am 30. Juni und am 15. Juli wurde ein großer Theil der hier 
bewerfftelligten Dämmung wieder fortgerifjen, und bei einem heftigen 
Südmeltfturm am 10. Oktober ging die ganze im Kaufe des 
Sommers hergeftellte Arbeit wieder verloren; die Kirchfpiele 
Brunsbüttel und Eddelad, wie auch der öÖftliche Theil des Marner 
Kirchfpiels wurden wieder unter Waffer gefegt. Ein neuer Sturm, 
der vom 10. bis zum 18. Dezember herrichte, bei welchem auch 
die Barlter Schütting durchbrach, trieb durch die leßtere und durch 
die Eddelader Brake fo viel Wafler ins Land, daß bis Bufen- 
wurth hin alles überfchwenmt ward. Im folgenden Jahre, 1719, 
überwies der König die ganze Kontribution aus der Landichaft 
Süderdithmarfchen an die Brake; es wurden an diejer täglich 
Betitunden gehalten, während man mit verdoppeltem Eifer arbeitete. 
Die Durchrammung der Brafe, in welche 80 bis 90 Fuß lange 
Bäume hineingetrieben wrrden, wurde im Sommer vollendet; 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 577 


allein am 5. und 14. Auguſt riß das Waſſer zwei über die Brake 
gefchlagene Brüden und 16 Ruthen vom Bollwerf fort, und am 
23. Sonntage nach Trinitatis, (0. November, erfolgte bei Südwelt- 
fturm abermals ein Durchbruch, der Brunsbüttel, Eddelack und 
Marne bis an die Barlter Schütting überſchwemmte und durch 
den alles, was bisher an die Brafe verwandt war, welches auf 
zwei Tonnen Goldes fich belief, verloren ging. An demfelben 
Sonntage fchlug ein Gewitter während des Hauptgottesdienftes in 
die Kirche zu Brunsbüttel, welche dann bis auf die Mauern 
abbrannte. Am 31. Dezember und am Neujahrstage 1720 ftürzten 
fih bei einem Sturm aus Weften, durch den die Sluth noch faft 
einen Suß höher ftieg, als am eriten Weihnactstage 1717 und 
am 25. und 26. Sebruar 1718, gewaltige Wafjermengen durh 
die offene Brafe ins Land und richteten große Derwüftungen an. 
Bäufer in der Gegend der Brafe wurden weggeriffen, mehrere 
Menfchen kamen dabei ums Leben; das Waſſer flürzte von der 
Brafe her gegen den Hudenjee und riß auch hier eine Brafe, 
die an Stellen über 100 Fuß breit und durchgängig 16 Suß tief 
war und, weil durch diefelbe der Kudenjee austrat, für Dith- 
marfchen wie für die MWilftermarfch verderblih ward. Durch 
die immer größer werdende Voth jah fich der König Sriedrich IV. 
veranlagt, auf befondere Deranftaltungen auf Abhülfe Bedacht zu 
nehmen. Es wurde dem General uud Generallommifjariats: 
DPräfidenten Jobft von Scholten die Aufjicht über die Deich» 
ergänzung übertragen und eine Abtheilung von fünftaufend Mann 
dänischen Militärs zur’ Hülfeleiftung beim Deichbau nach Süder: 
dithmarfchen und der MWilftermarfch fommandirt. Zweitauſend— 
achthundert Mann mußten mit den MWilftermarfchleuten an der 
Südjeite, zweitaufendzweihundert mit den Dithmarfchern an der 
Xordfeite deihen. Zum Schutze bei der Arbeit am Hauptdeiche 
wurden Kajedeiche gefchlagen. Nachdem man vom 10. Mai an 
ununterbrochen gearbeitet hatte, brach in einem Sturm am 17. Juli 
der Hajedeich im Süden und am 18. Juli der Kajedeich im Norden, 
Dithmarſcher Befcichte. 37 


578 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


jo daß der Deich von allen Arbeitern verlaffen werden mußte. 
Man befchloß nun, dem Deiche eine andere Richtung zu geben 
und denfelben von Söflemannshufen nach Jofenburg und von da 
gen Sidoft ans Moor zu ziehen, und zwar zugleich einen Haupt. 
deich und einen Kajedeich in Angriff zu nehmen. Der Kajedeich 
wurde am 31. Auguft glüdlich vollendet, aber in einem Sturm, 
der vom 3. bis 5. November dauerte, größtentheils wieder ver- 
nichtet. Doch fchritt man im nächften Srühling, 1721, rüſtig 
wieder ans Wert. Die „Wefterbüttler Sprant”, ein Arm der bis 
nahe an JJofenburg eingerifjenen Brafe, machte es nöthig, den 
Kajedeich jeßt landwärts zu ziehen; man durchrammte die Sprant, 
verjenfte ein mit Erde gefülltes altes Schiff und ftellte fo ein 
ftarfes Bollwer? gegen den Andrang des Waflers her. Am 
15. November wurde die Arbeit glüdlich vollendet. Doch mußte 
in den Jahren 1722 und 1723 noch eine bedeutende Derftärtung 
der Deiche vorgenommen werden. für die Beihülfe durch die 
Soldaten forderte die Aentenfammer zu Kopenhagen von der 
Landichaft Süderdithmarfchen 100000 Aeichsthaler, doch ward 
die Forderung auf diesbezügliche Dorftellung auf 60000 Aeichs- 
thaler ermäßigt, die dann in fechs Terminen bezahlt wurden. 
Die dem Lande durch die Brake verurjachten Koften wurden auf 
reichlich 6'/s Tonnen Goldes veranfchlagt, worunter der Schaden, 
den die Gegend an der Brake durch Heberfchwemmungen erlitten, 
nicht mitbegriffen war. Außer den Föniglichen Truppen hatten 
auch die Wilftermarfcher, Krempermarfcer, Sriefen, Pinneberger 
und Andere den Dithmarfchern bei der Arbeit Hülfe geleiftet. 
(Bolten IH, 341 f.) 

Mittlerweile war, nachdem Karl XII. von Schweden am 
11. Dezember 1718 vor Sriedrichshall erfchoffen worden, der 
ichwedifche Krieg durch den Sriedensfchlug vom 3. Juni 1720 
beendigt, und das Land Tonnte fich der Hoffnung hingeben, nun 
von den drücenden Kriegsfteuern befreit zu fein. Schweden ver: 
ſprach im Sriedensfchlug, an Dänemark 6 Tonnen Goldes zu zahlen, 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 17735. 579 


für die Zukunft für feine Schiffeden Sundzoll zu erlegen und dem Herzog 
von Gottorp niemals zur Wiedererlangung des vormals gottorpifchen 
Antheils an Schleswig. behülflich zu fein. Schleswig folle auf ewig 
mit Dänemarf vereinigt fein. Diejes alles wurde von feiten Englands 
und Sranfreichs garantirt. Den bisherigen gottorper Antheil an 
Holftein, auch Norderdithmarfchen, erhielt der Herzog von Gottorp, 
Karl S$riedrich, zurüd. (Der Bottorper oder fürftliche Antheil an den 
Berzogthümern befaßte das Herzogthum Schleswig mit Ausnahme 
der Aemter Hadersleben und Slensburg, fowie der Landichaft 
Bredftedt, vom Herzogthum Holftein die Aemter Kiel, Kronshagen, 
Bordesholm, Neumünfter, Oldenburg, Reinbeck, Trittau, Trems⸗ 
büttel und die Kandfchaft Norderdithmarſchen. Der 1713 vom 
Könige eingenommene Gottorper Antheil an Schleswig wurde 1720 
definitiv den Eanden des Königs intorporirt; der Kottorper Antheil 
an der Regierung befchränfte fich feitdem auf die genannten 
holftemifchen Aemter und die Landfchaft Norderdithmarfchen.) 
Die Föniglichen Beamten verliefen am legten Dezember 1720 
Zrorderdithmarfchen, und herzogliche Beamte nahmen im Auftrage 
des Herzogs namens desfelben wieder von der Landfchaft Befiß. 
Der Herzog wählte, nun Gottorp für ihn verloren war, Kiel zu 
feiner Wefidenz. Daher wurde das Gottorper Baus ſeitdem auch 
wohl als £inie Holftein-Kiel bezeichnet. Doch hielt er fich auch 
öfters in Heide auf, wofelbft er ein eigenes Baus für fich Hatte 
einrichten laffen. Er bezeigte eine befondere Dorliebe für die 
Dithmarfcher. 

König Sriedrich I. ftarb 1730, 12. Oktober; fein Sohn, Prinz 
Ehriftian, folgte auf dem Throne als Chriftian VI. Auch Berzog Karl 
Sriedrichitarb fchon im Jahre 1739, 18. Juni; er hatte feinen elf 
Jahre alten Sohn Earl Peter Ulrich zum Nachfolger. Diefer ftand 
unter Dormundfchaft feines Detters, des Bifchofs Adolph Friedrich 
von Lübed, als Adminiftrators der Gottorper Lande. Chriftian VI. 
errichtete 1737 einen Landesausfchuß in den Berzogtkümern. Die 
Süderdithmarfcher wurden dem zweiten Regimente zugetheilt und 

37° 


580 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


bildeten zwei Kompanien, eine Meldorfer unter dem Kapitän 
von Rumor und dem Lieutenant Herbſt und eine Marner unter 
dem Kapitän von Windt und dem Kieutenant Alberti. &s follte 
nach diesbezüglicher Föniglicher Derordnung von je 3°%/ı Pflügen 
ein Mann geftellt werden. Es hieß nun, daß bei der Aushebung 
die Söhne der Kandbefiger übergangen und nur die Befiglofen 
zum Dienft herangezogen würden. Als Baupturheber folchen Der: 
fahrens wurde der Kandvogt von Helm zu Meldorf bezeichnet. 
Zudem behauptete man, der damalige Fönigliche Statthalter in den 
Derzogthümern und Gouverneur von Süderdithmarfchen, Marfgraf 
Friedrich Ernft von Brandenburg— Kulmbach, habe dem Könige 
von Preußen einige Regimenter zugejagt und unter diefen auch 
die Dithmarfcher Landmiliz. Bierdurch wurden ſtarke Unruhen im 
Cande hervorgerufen. Man verweigerte die Erercierübungen, um 
Saftnacht 1740, und als darauf zwei der Miderfpenftigen, Joachim 
Warnholt und Peter Grundmann zu Wöhrden, in Haft genommen 
wurden, befchloß die Marner Kompanie einen allgemeinen Aufftand, 
weil man die Willlür, deren man die Vorgeſetzten befchuldigte, 
nicht länger ertragen wollte. Diele Einwohner, bejonders aus 
den Kirchfpielen Brunsbüttel, Marne, St. Michaelisdonn und 
Barlt, nebft einigen Bewohnern des angrenzenden St. Margarethen, 
fchloffen fich den auffländifchen Ausfchußgmannfchaften an. Baupt- 
führer der Bewegung waren Klaus Schomaler, Ties Garve, Bans 
Hues und Peter Boje. Am Sorintage Judila, 20. März, jagte 
die Mannjchaft ihre Offiziere aus Marne hinaus, und am folgenden 
Tage zogen die Aufftändifchen, einige Hundert Mann ſtark, gegen 
Meldorf. Der Landvogt Helm bot das ganze Meldorfer Kirchfpiel 
zur Gegenwehr auf und ließ die Sturmgloden läuten. Zugleich 
wurden die Prediger Meldorfs den Anrüdenden entgegengefandt, 
um fie zu befänftigen. Allein die Aufftändifchen ließen von ihrem 
Dorhaben nicht ab, und die Einwohner Meldorfs waren nicht 
willens, Jenen mit Gewalt entgegenzutreten. So zogen die Ausfchuß: 
mannjchaften denn ungehindert in Meldorf ein. Der Landvoat 


Von 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 17:3. 581 


gewährte alle Sorderungen derjelben und gab Befehl an den Kirdy 
fpielvogt Klaus Dresfen zu Wöhrden auf fofortige Sreilafjung der 
in Derhaft genommenen Ausfchugleute. Mit diefem Befehl 309 
man nach Wöhrden und erzwang hier unter Drohungen mit 
Gemwalthätigkeit für den Sall der weiteren Derzögerung die Srei- 
laffung der beiden Inhaftirten; hierauf begab man ſich auf den 
Rückweg, und der Ausfchuß löfte ſich auf. Gegen Ende der 
Woche rüdten fünfhundert Mann Dragoner und nfanteriften, 
unter Kommando des Oberſten v. Dehn, in Meldorf ein, um Ordnung 
und Ruhe herzuftellen. Die Kirchipielvögte der Landfchaft wurden 
angewiefen, zum nächften Sonntag, den 27. März, mit einer 
beftimmten Anzahl von Wagen aus den einzelnen Kirchfpielen zum 
Zweck der Beförderung von Bagage, fi in Meldorf einzuftellen; 
die fünfhundert Mann Föniglicher Truppen follten an dem Tage 
nach Marne abrüden. Die angefagten $uhren blieben aber größten- 
theils aus. Darüber entrüftet, gab der Oberſt Befehl, einen 
gewiſſen Kirchfpielvogt fofort zu hängen; doch fam der Befehl 
nicht zur Ausführung, da der Gberft von der Schuldlofigfeit des 
Kirchfpielvogts überzeugt ward; der leßtere foll aber infolge der 
ihm verurfachten Aufregung bald nachher geftorben fein. Die Fönig- 
lichen Truppen wurden dann über die Geeſt in der Richtung auf 
St. Michaelisdonn gen Marne geführt; fie fanden auf dem Wege 
dahin nur geringe Bindernifle, die ihnen von den Aufftändifchen 
bereitet wurden, zu überwinden. In Marne ließ der Oberſt alle 
Sugänge zum Ort befegen, um gegen einen MUeberfall fich zu 
fihern. Am andern Morgen zogen die Auffändifchen, die vor: 
nehmlich durch einen Schmied zu Helſe mit Waffen verjehen worden, 
gegen Marne, um die Befakung des Ortes zu überfallen. Der 
Oberft Dehn z0g ihnen entgegen; als er aber ihre große Anzahl 
gewahrte und fie in fo guter militärifcher Derfaffung erblickte, 
bequemte er fich, den Weg gütlicher Derkandlung einzufchlagen. 
Er erbot fich, etwaigen Ungerectigfeiten, die ihnen widerfahren 
ein möchten, abzuhelfen. Als fie fich überzeugt, daß Dehn den 


582 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Einwohnern zu Mare feine Drangfal angethan, wie fie befürchtet 
hatten, ließen fie fich auch wirklich fo weit befänftigen, daß fie den 
Dorfchlägen des Oberſten Gehör Hehen und ihm auf halbem Wege 
Deputirte entgegenfandten. Der Oberſt vernahm in Sreundlichkeit ihre 
Dorftellungen und Befchwerden und gab im Namen des oberften 
Kriegsherrn, des Königs, das Derjprechen, dag den letzteren, 
foweit fie begründet wären, abgeholfen werden ſolle. Es gelang 
ihm dadurch, die Ruhe vorläufig wiederherzuftellen.. Su feiner 
eigenen Sicherheit fuchte er beim Markgrafen Derftärtung nad; 
feine Bitte um Nachfchub zu begründen, foll er dem Markgrafen 
eine Dithmarfcher Bellebarde überjandt haben, damit derfelbe fehe, 
mit welch furchtbaren Waffen die Aufftändifchen gerüftet feien. 
Am 3. April wurden ihm fiebenhundert bis neunhundert Mann 
zur Hülfe gefandt. Die Mannfchaft ward in Marne, Brunsbüttel, 
Eddelack und Barlt einquartiert. Inzwiſchen Hatten einige der 
Bauptbetheiligten bein Aufftande fich geflüchtet; über vierzig andere 
wurden nach Wendsburg geführt und zu Karrenarbeit verurtheilt. 
Gegen Elaus Schomafer und Lies Barve lautete das Urtheil auf 
Enthauptung durch das Schwert, gegen Hans hues auf Staub- 
befen und Brandmarltung. Peter Boje zu Helfe war glüdlich 
entwichen. Schomaler und Garve wurden zweimal zum Richtplaß 
geführt, aber beide male begnadigt, dann nebft Anderen zu Karren: 
arbeit verurtheilt und nach einiger Zeit freigelaffen. Der Aufftand 
war bald unterdrüdt. Am 12. April verließen die Föniglichen 
Truppen das Kand bereits wieder. Die Landmiliz wurde bei: 
behalten, und die Eandfchaft mußte zue Sühne eine Ertra-Pflugftener 
von einem Reichsthaler erlegen. Doch wurden mehrere Unzuträglich- 
feiten, das Landesausfchußwefen betreffend, abgeftellt. Die Dorf: 
fchaft Sedderingen, als von den Ererzierplägen zu entlegen, wurde 
unterm 16. Januar 1741 von der Konkurrenz zum Landesausfchuß 
‚gänzlich entbunden. — Der Herzog Karl Peter Ulrich, deffen 
Mutter, Anna, eine Tochter Peters des Broßen war, ging 1742 
nah Außland, nahm die griechifche Religion an und ward zum 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem £andesherrn — 17235. 583 


Großfürften und Chronfolger aller Reußen erklärt unter dem Namen 
Deter Sedorowig.! (Seitdem hieß der Bottorper Antheil von 
Holſtein der großfürftliche.) Der Adminiftrator und Bifchof Adolph 
$riedrich aber, der 1745 zum Uhronfolger in Schweden ermwählt 
ward, führte die Adminiftration der gottorpfchen Cande noch fort bis 
1745, in welchem Jahre der Herzog von Gottorp für großjährig 
erflärt wurde. 1746, 6. Auguft, ftarb der König Ehriftian VI., und 
fein einziger Sohn, Sriedrich V., übernahm die Regierung. Unter 
diefem wurde Süderdithmarfchen 1755 vom Candausſchuß befreit 
gegen Erlegung einer jährlichen Kontribution, zu welcher jeder 
Pflug 3 Thaler beifteuern follte. Diefe Kontribution wurde ım 
Dezember 1756 zum erften Male entrichtet. 

Die Kriegsereigniffe in Deutjchland veranlaßten den König 
1758, in feinen deutfchen Eanden einige Truppen zufammenzuziehen. 
In Süderdithmarfchen wurden zwei Aegimenter Kavallerie ein- 
quartiert. Zugleich wurden der Landfchaft, wie auch den übrigen 
Landen des Königs, befondere HKontributionen auferlegt. Jene 
hatte von jedem Pfluge ein Bett, zwei Tonnen Roggen, fünf 
Tonnen Hafer, zwei $uder Heu und zwei $uder Stroh zu liefern, 
fowie auch für die königliche Armee viele Suhren zu leiften. Der: 
gleichen Auflagen hatte die Landichaft in den folgenden Jahren 
wiederholt zu tragen. 1762 kam der Großfürft Peter Fedorowitz 
wirklich, als Nachfolger der am 5. Januar des genannten Jahres 
verftorbenen Kaiferin Elifabeth, als Peter III. auf den ruffifchen 
Thron. Aus Anlaß feiner Chroubefteigung wurde zu Heide am 
21. Sebruar ein Dankfeſt angeordnet, welchen die Kandesvorfteher 
beimohnten und an welchem der Oberkonſiſtorial⸗ und Kirchenrath, 
Propft und Hauptpaftor Georg Hinrich Srendel zu Neuenkirchen, 
eine Dantpredigt halten mußte über den Tert Pjalm 61, 6—--9. 
Peter III. hatte fchon als Herzog die Abficht befundet, eine Wieder- 


! In der Namensänderung follte fih die „Umtaufung” ausfpredhen. Bei 
den Wohlgefinnten kam das Baus Gottorp durch den Uebertritt des Herzogs 
zur griechifcdy-fatholifchen Kirche vollends in Mißkredit. 


984 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


eroberung des vormals herzoglich - gottorpifchen Antheils vom 
Berzogthun Schleswig zu verfuchen, und nun fchien die lange ge- 
heate Hoffnung auf Wiedererlangung des früheren gottorpifchen 
Antheils der Erfüllung ficher zu fein. Der Eroberungsttieg follte 
unverzüglich ins Wert gefeßt werden; der neue Kaifer brannte 
von Haß gegen die Fönigliche Linie feines Stammhaufes.! König 
Sriedrich V. ließ im März ein Lager bei Segeberg bezichen. Die 
in Süderdithmarfchen einquartierten Regimenter rüdten ebenfalls 
nach Segeberg ab. Die Kandichaft mußte aus diefem Anlaß für 
fünfundzwanzig Tage fuhren leiften. Diele Einwohner beider 
Landfchaften Ditbmarjchens flüchteten vor den drohenden Schreden 
des Krieges. Auch regte ſich der Groll zwifchen den Föniglichen 
und den herzoglichen Unterthbanen bereits wieder: die Vorder⸗ 
dithmarfcher Beaniten wollten nun, als Beamte eines Kaijers, 
nicht mehr, wie bisher, den Föniglichen Beamten Süderdithmarfchens 
nachgehen und nachgefegt werden; fie wollten nun den Dorrang 
vor den Beamten des Königs beanfpruchen. Alles deutete auf 
einen gehäffigen, erbitterten Streit und Kampf zwifchen den beiden 
Landfchajten, falls der Krieg zwifchen den beiden Eandesherren um 
den vormals gottorpifchen Antheil an der Regierung von Schleswig, 
der Dithmarfchen gar nicht berührte, zum Ausbruch fommen 
würde. Da: dänifche und das ruffifche Heer ftanden bereits fchlag- 
fertig einander in Mecklenburg gegenüber, als am 9. Juli in 
Außland eine Revolution ausbrah, und Peter IL. mit dem Thron 


! Holfteinifche Junker waren die Sechgenoffen und die Berather des 
Kaifers, der ftumpf- und fhwadhfinnig nur feinen Gelüften nadıging und 
fih beftimmen ließ, auf dem Kaiferthron die Politif eines Herzogs von 
Gottorp zu treiben. Das ruffifche Wefen war ihm fremdartig und zuwider. 
Daher war er von vornherein nur zu geneigt, feinen holfteinifchen Be 
rathern einen übermäßigen Einfluß auf feine Entfchliegungen zu verftatten. 
Die folge davon war, daß er, den feine eigene Bemahlin als einen rohen und 
geiftig verwahrloften Mann veradtete, in kurzem fo allgemein verhaft 
ward, daß es nur eines leifen Anftoßes bedurfte, um die Revolution zum 
Ansbruch fommen zu laffen. 


Don 1580 bis zur Miedervereinigung unter einem Sandesherrn — 1773. 585 


auch, am 17. Juli, das Leben verlor. Seine Gemahlin, Catharina II, 
übernahm die Regierung des gottorpijchen Antheils von Holftein als 
Dormünderin ihres Sohnes, des Broßfürften (und Herzogs von Holftein- 
Gottorp, Paul Petrowiß,! und berief ungefäumt die gegen Dänemarf 
anfgeftellten Truppen zurüd.? Der Prinz Georg Ludwig aus der 
Sottorper Kinie wurde zum Statthalter des großfürftlichen Antheils 
an Holftein ernannt. Als diefer bald nachher flarb, wurde 1763 
fein Bruder, Friedrich Auguft, Bifchof zu Lübed, zum Statthalter 
beftelt. Die dänifche Armee fehrte nach erfolgtem Ableben des 
Kaifers Peter III. in ihre heimifche Barnifon zurüd, und infolge 
defjen wurde auch Süderdithmarfchen im Jahre 1763 gänzlich der 
Laft der Einquartierung entledigt. Der König Sriedrich V. verglich 
fih mit der Kaiferin Latharina von Rußland wegen der An- 
fprüche des Prinzen Paul Petrowig auf den Kottorper Antheil an 


ı Der Großfürft Paul.mwurde wohl ein Sohn des Kaifers Peters II. 
genannt. Peter III. felbft aber, der, gleich feiner Gemahlin, in ehebrecherifchen 
Derhältniffen lebte, erfannte den Payl Petrowig nicht als feinen Sohn an 
und nannte ihn mit Beringfhäßung einen Baftard. Die Kaiferin fidherte 
diefem ihren Sohne dann die Nachfolge dadurd, daß fie fi zum Mittel- 
punkte aller revolutionären Beftrebungen wider ihren Gemahl madıte und 
fih zur Kaiferin-Regentin ausrufen ließ, worauf der überraſchte und be. 
täubte Peter III. der Regierung entfagte. Als GBefangener der Kaiferin 
bat Peter fi die Gnade aus, nad Holſtein zurückkehren zu dürfen. Aleri 
Orloff aber, der Sünftling der Kaiferin, erwärgte am 12. Juni mit Hälfe 
einiger Genoſſen den unglüdlichen Fürften im Sefängniß. 

? Deter III. hatte mit Friedrich dem Großen von Preußen Frieden gemadht, 
nicht, wie man in preußiſchen Geſchichtsbüchern liefl, aus Hochachtung 
gegen den großen Preußenfönig, fondern aus Haß gegen die Föniglidhe 
£inie des Hauſes Bolftein-Dänemarf, um die gegen Preußen aufgeftellten 
ruffifhen Lruppen gegen Dänemark verwenden zu können. Catharina II. 
wollte nach Peters Entthronung den Krieg gegen Friedrich den Großen 
fortfegen; als fie aber bei Durchficht der Korrefpondenz ihres Gemahls mit 
Sriedrich fich überzeugte, daß diefer fie gegen Peter zu entfchuldigen gefucht 
und Letzterem gerathen, ihr mit mehr Achtung zu begegnen, ward fie zu 
Chränen gerührt und hielt Frieden. Die ruffifhe Armee wurde heimwärts 
fommandirt, und Sriedrid der Große konnte nun erfolgreich den fieben 
jährigen Krieg beendigen. 


586 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Schleswig. Die Kaiferin trat in Dormundfchaft für ihren Sohn, 
den Prinzen Paul, den Gottorper Antheil an Holftein und Dith- 
marfchen an den König ab gegen die Stammlande des Königshaufes, 
die Grafichaften Oldenburg und Delmenhorf. Der bezügliche 
Taufch- und Abtretungsvertrag wurde von der Kaiferin zu Moskau 
am 10. Oktober 1767 und von der Fönigl. Regierung zu Kopen- 
hagen am 30. November desfelben Jahres ratifizirt; derfelbe follte 
zur Ausführung fommen nach erfolgter Großjährigkeitserklärung 
des Broßfürften und Herzogs Paul, wenn derfelbe feine Einwilligung 
gegeben haben würde. _Inzwifchen ftarb König Sriedrich V. am 
14. Januar 1766, und erft unter feinem Sohne und Nachfolger 
auf dem Throne, Ehriftian VII, fam jener Dertrag zur Ausführung. 
Der Großfürft Paul Petrowig wurde 1773 mündig, und nun ward 
von ihm alles, was feine Mutter, die Kaiferin, zur Beilegung des 
Zwiftes mit der königlichen Linie des Haufes Holftein- Dänemark 
vorgenommen, gutgeheißen und auch am 31. Mai 1773 zu Sarko⸗ 
Selo eine Abtretungsurfunde ausgeftellt, in der er allen Anfprüchen, 
welche die Bottorper Kinie jemals auf fchleswigfche Bebietstheile 
erhoben, entjagt und dem Könige von Dänemark den Gottorper 
Antheil an Holftein gegen die Grafſchaften Oldenburg und Delmen: 
horft gänzlich und für immer überläßt. Zugleich befahl er allen 
Beamten und Unterthanen der Gottorper Landfchaften, indem er 
ihnen von dem zwijchen der Föniglichen und der fürftlichen Kinie 
des regierenden Haufes getroffenen Abmahung Kunde gab, dem 
Könige die Huldigung zu leiften. Die Grafichaften Oldenburg 
und Delmenhorft überließ der Großfürft, Herzog Paul Petrowiß, 
zum ewigen Befiß an den Bifchof von Kübel, Sriedrih Auguft 
von Holftein-Bottorp, den Sohn des vormaligen Adminiftrators 
Ehriftian Auguft, und der Kaifer erhöhte die beiden Grafichaften 
zu einem Herzogthum. Zur Beförderung des getroffenen Dergleiches 
trat der däniſche Erbprinz Sriedrich zum Beften des Neiches groß- 
mäthig fein Recht auf das Stift Lübed an den Sohn des Bifchofs 
ab. Zu diefem Taufche, wodurch die Länder des Königs völlig 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 587 


arrondirt wurden, Hatte der um Dänemarf fo hoch verdiente 
Miniſter Hartwig Emft, Graf von Bernftorf, den Grund gelegt. 
Die Mebergabe des Bottorper Landes an den König erfolgte am 
16. November 1773 zu Kiel, wofelbft auch die Dorfteher und 
Beamten der Eandfchaft Torderdithmarfchen verfjammelt waren und 
im Damen der Landichaft dem Könige huldigten. — Dithmarfchen 
war endlich nach zweihundertjähriger Trennung und Zerrifienheit 
wieder vereinigt unter einem Kandesherrn. 

Die Eintheilung des Landes in zwei Landfchaften: Vorder— 
dithmarfchen und Süderdithmarfchen, wurde auch nach der Wieder: 
vereinigung beibehalten. 

Die Landfchaft Norderdithmarfchen umfaßte die Kirchfpiele: 

1. Büfum mit dem Kirchort (Norddorp, Nortorf) und den 
Dorffchaften Diethufen, Warverort nebft Kretjentoog, ©efter- und 
Mefterdeichftrich nebft der Süderhälfte des Wahrdammer: oder 
Wartdammer-Koogs. — Büfum ift der Name des Kirchfpiels, der 
vormaligen Jnfel. Diefe wurde 1585 landfeft gemacht, indem ein 
Damm durch den Wartftrom, der die Inſel vom Seftlande trennte, 
geichlagen wurde (Wartdamm — Wahrdamm). Die Kirche, früher 
zu Middeldorp, wurde 1442 nach Norddorp verlegt. Bis 1807 
ftanden noch zwei Prediger hier; im genannten Jahre ging das 
Diafonat hierfelbft ein. An der Ortsichule zu Büfum ftand bis 
1725 ein ftudirter Rektor; feitdem begnügte man fich mit einem 
„Deuffchen Schulmann“, weil für das bisherige Behalt ein ftudirter 
Rektor nicht mehr zu gewinnen war. 

2. Weflelburen mit dem Sleden und den eingepfarrten ©rt- 
ichaften Süderdeich, Hellſchen, Beringjand, Unterfchaar, Norddeich, 
Billgeoven mit dem Norddeicher Hafen, Schülp, Revel (Schülper 
Weide), Schülper Alten: und Neuen-Siel, Strübbel, Hödienwifch, 
Jorrenwifch, Baferwifch, Poppenwurth, Wehren, Ocken, Haſſen⸗ 
büttel nebft Hartenkröge und Bojenfamer, Diefhufen, Reinsbüttel, 
der Xorderhälfte des Wahrdammerloogs mit der Weſterweide 
(Weidhof), fowie einem Theil von Wulfenkufen. — Der Flecken 


588 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


Weſſelburen brannte am 6. Auguft 1736 mit der Kirche ab bis 
auf wenige Häufer, unter welchen das Paſtorat (1619, zur Seit 
des Paftors Martin Dorftius, erbaut) und das Archidiakonat 
(1632, zur Zeit des Archidiafonus Joachim Rachel, erbaut). Das 
jegige Weffelburen ift alfo nicht mehr der „herrliche fchöne Sleden”, 
von welchem Nleocorus fpricht. Die Weffelburner Kirche wurde 
durch freiwillige Gaben wiederhergeftellt und am 17. Juni 1738 
im Beifein des Herzogs Karl Sriedrich feierlich eingeweiht durch 
den Paftor des Ortes, Johann Reinhold von Somm, deflen Bildnig 
im Ehor der Kirche hängt. Die Kirche gilt für die fchönfte des 
Landes; doch foll die abgebrannte alte Bartholomäustirche mit 
dreifachem Ehor und neun Altären fchöner geweſen fein. &s 
ftanden immer drei Prediger an der Kirche. Erft 1805, refp. 1808 
ging die eine der drei Predigerftellen ein. Als der Archidiafonus 
Peter Nicolaus von Horiten 1805 geftorben war, blieb das Ardhi- 
diafonat unbefegt und ward dann 1808 ganz aufgehoben. Das 
Archidialonathaus wurde Wohnung eines Kirchfpielsarztes. An der 
Sledensfchule ftand zur Zeit der MWiedervereinigung unter einem 
£andesherrn noch ein ftudirter („lateinifcher”) Rektor; doch war an 
Stelle des ftudirten Konreftors fchon feit einigen Jahren ein un- 
ftudirter an der Schule thätig. 

3. Nenentirchen mit dem Kirchorte und den Dörfern Sommer: 
hufen, Heumifch, Tödienwiſch, Böddinghufen, Tiebenfee (Depenfee), 
Blantenwoor und Wulfenhufen. — Die Kirche hierfelbft it in den 
Dreißiger Jahren diefes Jahrhunderts erbaut, nachdem die vorige 
durch Blisfchlag in Afche gelegt worden. Im vorigen Jahrhundert 
wurde die Kirche hier zweimal, 1704, den 8. Dezember, und 1729, 
den 27. Oftober, vom Bliße getroffen und zerftört. Unterm leßteren 
Datum brannte auch der Kirchort ab bis auf die beiden Prediger: 
häufer und fieben Heine Wohnungen. Es ftanden immer zwei 
Prediger hier; auch jetzt find noch zwei Predigerftellen vorhanden, 
doch ift das Diafonat fchonfeit Jahren unbefeßt. 

4. Hemme mit dem Kirchort und den Dorffchaften Eiemnter- 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1723. 589 


wurth, Senhufen und einigen Käufern von Bargen und Groven. 
— Die alte Kirche zu Hemme zeugte noch vom ehemaligen Wohl. 
ſtande. Es waren an der Meinen Gemeinde bis 1775 immer 
zwei Prediger angeftellt. Als aber nadı dem Tode des Paftors 
M. Johann Binrich Sehfe der Diafonus Humwaldt 1775 Paftor 
wurde, ging das Dialonat an der Kirche ein, weil, wie fchon 
Sehfe klagte, zwei Prediger dafelbft ihren Unterhalt nicht mehr 
finden fonnten. An Stelle eines ftudirten Rektors war hier fchon 
früher ein unftudirter, der den Titel NRechenmeifter erhielt, thätig 
als Schulhalter. Es fehlten die Mittel, in alter Weiſe fernerhin 
für Kirche und Schule zu forgen. 

5. £unden mit dem Sleden und den Dörfern Darenwurth, 
Slehde, Flederwurth, Groven, Krempel, Broß- und Klein-Kehe, 
Mahde, Neſſerdeich, Torder- und Süderbargen, Preiel, Rehm und 
Wollerfum. — Die Kirche zu Cunden foll nebft dem größten Cheil 
des Fleckens in der Sehde von 1559 in Seuer aufgegangen fein. 
Die Mauern der Kirche deuten aber auf ein höheres Alter, und 
auch der 1783 vom Bliße zerftörte Churm war ein Bauwerk aus 
älterer Zeit. Wahrfjcheinlich ift die Kirche 1559 nur im Innern 
ausgebrannt. Es ftanden an der Kirche immer zwei Prediger; 
an der Ortsfchule ftanden noch 1773 zwei fludirte Kehrer, ein 
Vektor und ein Kantor. 

6. St. Annen mit dem Kirchdorf nebft Niefeld, Oeſterfeld, 
Neuenfiel, Damm, Dammsdeih und Bösbüttel. — St. Annen, 
eine der St. Anna geweihte Kapelle, wurde 1491 auf der Infel 
Bösbüttel gegründet. 1500 wurde von rönijchen Kardinälen zum 
Beften der Kapelle ein Ablaßbrief ertheilt und 1500 den Stiftern 
derjelben vom Papfte das Patronatrecht verliehen (Ablagbrief und 
Bulle des Papftes cfr. bei Sehfe, 540—548). Im Jahre 1571 
(richt, wie es meiftens heißt, 1671) wurde anftatt der Kapelle eine 
Kirche erbaut. Es ftand hier ein Prediger und an der Schule ein 
ftudirter Rektor. Doch war an die Stelle des Eebteren um die Mitte 
des vorigen Jahrhunderts fchon ein unftudirter Schulhalter getreten. 


590 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


7. Schlicting. — Das Dorf Schlichting gehörte in Eivilfachen 
zum Kirchfpiel Hennftedt; auch wurden die Leichen von hier nach 
Hennſtedt zur Beerdigung gebradt. Doch Hatte man hier von 
alters her eine befondere Kirche und einen eigenen Prediger an 
derfelben. 

8. Weddingftedt mit dem Kirchort und den Ortfchaften Stelle, 
MWittenwurth, Büfenwurth, Oſtroh (Oſtroe), Borgholt, Wedding- 
hufen, Röſtorf und Weſſeln. — Weddingftedt war, feitdem Heide 
davon getrennt worden, immer ein kleines Kirchipiel; doch ftanden 
dafelbft bis 1810 noch immer zwei Prediger. Im genannten Jahre 
wurde das Diafonat hier aufgehoben. 

9, Heide mit dem Sleden und einigen Häufen am Dell- 
wege. — Heide wurde in der Sehde 1559 total zerftört; auch die 
Kirche ging damals zu Brunde. Doch wurde lebtere bald wieder- 
hergeftellt. 1596 wurde fie durch Anbau vergrößert; 1611 erhielt 
fie ihren ftattlichen Churm. An der Kirche ftanden zwei Prediger, 
an der Sledensfchule zwei ftudirte Lehrer: ein Rektor und ein 
Konreltor, neben denen ein fog. Rechenmeiſter angeftellt war. 

10. Hennftedt mit dem Kirchort und den Dorfichaften Eleve, 
Barfenholm, Apeldoer, Hehm, Hägen, Horſt, Einden, Nord⸗ und 
Siderheiftedt, Nordfeld, Oeſter⸗ und Weftermoor und Wimerſtedt. 
(Das in Hennftedt eingepfarrte Sedderingen gehörte zur Süder- 
landichaft.) — Die Hennftedter Kirche ift zwar alt, aber öfters 
reftaurirt und. umgebaut. An derfelben ftehen von alters her 
zwei Prediger. An der Ortsfchule flanden fonft zwei fludirte 
Lehrer; doch war feit Mitte des vorigen Jahrhunderts nur noch 
ein ftudirter Vektor hier im Amte, neben dem, an Stelle des Kon- 
reltors, ein fog. deutfcher Schulmann fungirte, der den Titel des 
lateinifchen beibehielt. 

11. Delve mit dem Kirchort nebft Delverort, Borgwöhrden, 
Hollingftedt, Langenhöm und Smwynhufen. — Bis 1563 hatte die 
alte Kirche zu Delve einen ftaitlichen, fehr feften Churm, der zur 
Schugwehr als Grenzfefle gegen feindliche Einfälle vom Stapel- 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 591 


holmifchen her beftimmt war. Auf Befehl des Herzogs Adolph 
von Gottorp mußte der Thurm abgebrochen werden. Die Heine 
Delver Gemeinde (jebt circa zwÖlfhundert Einwohner) hatte immer 
zwei Prediger. Bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war 
der Diafonus zugleich Kirchipielfchreiber. Unter der Regierung 
des Herzogs Karl Friedrich von Gottorp wurde die Kirchfpiel- 
fchreiberei vom Dialonat getrennt und ein eigener Kirchipielfchreiber 
angeftellt. 

12. Tellingftedt mit dem Kirchort und den eingepfarrten Ort⸗ 
fchaften Dellftedt, Dörpling, Oſter- und Wefterborftel, Gaushörn, 
Glüfing, Hohenliet, Hövede, Kindern (Cendern), Küttersbüttel 
(£üdersbüttel), Lerfähr, Oldenfähr, DPahlen, Pahlhude, Rederftall, 
Schaltholt, Schelrade, Tilenhemme, Wellen, Wellenbüttel, Weller: 
hop und Wrohm. — Auch die Tellingftedter Kirche ift alt, aber 
oft renovirt und umgebaut. 1720 wurde fie durch einen Anbau 
erweitert und erhielt durch Anfauf den fchönen Altar aus der 
Tönninger Bamifonsfirche, die damals abgebrochen wurde. Wie 
in anderen Kirchipielen, fo ftand fonft auch hier ein ftudirter 
Rektor an der Ortsſchule; feit Mitte des vorigen Jahrhunderts 
aber mußte man auch hier fih mit einem deutfchen Lehrer 
begnügen. 

Außerdem gehörten nach Süderholm und Bennewohld, aus 
dem KHirchfpiel Nordhaftedt, und die Dörfer der Vordervogtei 
Wöhrden: Nannemannshufen, Edemannswilh, Edemannsmwurth, 
Overwiſch, Poppenhufen, Wellinghufen und Wennemannswiſch, zur 
Candſchaft Torderdithmarfchen. 

Don den zwölf Kirchipielen der Landfchaft bildete, St. Annen 
und Schlichting ausgenommen, jedes eine eigene Dogtei; St. Annen 
gehörte zur KLundener, Schlichting zur Hennftedter Dogtei. Mit 
Norderwöhrden zählte die Landichaft aljo elf Kirchipielvogteien. 

Die Landfchaft Süderdithmarfchen begriff folgende Kirchfpiele: 

I. Meldorf mit dem Sleden und den Ortichaften Barsfleth, 
Böddinghuſen, Ofter- und Wefterdehling mit dem Dufentdümels- 


592 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


warf, Epenmwöhrden, nebft BHeidftieg, Karmswöhrden nebft der 
Kangzelei, Hefel mit dem Meldorfer Moor, Ketelsbüttel, Chaling- 
buren, Ammerswurth, Norderr und Süderbufenwurth, Eeſch, 
Elpersbüttel, Kütjenbüttel, Wolfenbüttel, Bargenftedt, Dellbrügge, 
Sarnemwinkel, Siel, Budendorf, Krumftedt, Eehrsbüttel (Keersbüttel), 
Nindorf, Odderade, Sarzbüttel nebft Delmath und Wolmersdorf. 
— Obwohl Meldorf in feinem Urfprunge bis in die heidnifche 
Seit zurüdreicht, ift es doch in feiner jegigen Geſtalt relativ neuen 
Urfprungs. 1538, den 3. Mai, wurde die Süderhälfte der Ztadt 
durch Seuer zerftört; 1405, 1500 und 1559 wurde die Stadt vom 
Seinde erjftürmt und zum großen Theil eingeäfchert. Das ältefte 
Bauwerk der Stadt, die Kirche, ftammt in jegiger Anlage wahr: 
fcheinlich "aus dem zwölften Jahrhundert. Die Kleinodien der 
Kirche wurden in den Kriegen von Seinde geraubt; die Kirche 
felbft blieb in allen Säbrlichleiten des Krieges erhalten. Der 
ungemein hohe Thurm derfelben wurde 1444 am Andreastage, 
30. Zovember, durch einen heftigen Sturm umgeworfen; der neu 
hergeftellte Thurm murde wieder abgetragen, weil das Mauer: 
wer? im unteren Theile desjelben ſich baufällig erwies und aus» 
zumweichen begann. Man brach den Thurm in ziemlicher Höhe 
über dem Kirchendah ab und feßte auf den Stumpf ein Dach 
mit einer Fleinen Spige. Am 29. Januar 1866, abends kurz 
nach 7 Uhr, fchlug der Bli in diefen Thurm und zeritörte den: 
felben. An Stelle desfelben trat dann der jegige Thurm von 
mittlerer Höhe. An der Meldorfer Kirche ftanden immer drei 
Prediger. Wegen weiter Entfernung vom Kirchorte wurde für 
Norder- und Süderbufenwurtk, Wolfenbüttel und einige Häuſer 
am Deiche zu Norderbuſenwurth eine eigene Kapelle gegründet. 
Diefe befteht feit 1615. Anfangs las der Schulhalter dafelbft 
eiie Predigt vor, fpäter wurde ein eigener Prädifant an der 
Kapelle angeftellt, ° der auch den Schuldienft mitverfah, dem aber 
nachher ein befonderer Schulhalter zugeordnet wurde. — Die 
Dorffchaft Siel hält fih nach Nordhaftedt zur Kirche. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 593 


2. Windbergen. — Es ift hier zur Kirche nichts eingepfarrt, 
als das Kirchdorf. Diefes war früher in Meldorf eingepfarrt. 
In Windbergen fol eine Wallfahrtsfapelle geftanden haben, und 
aus den zu derfelben gefpendeten Opfergaben ſoll nachher hier 
eine Kirche geftiftet worden fein. Statt der früheren Meinen und 
baufälligen Kirche wurde 1742 eine größere aufgeführt durch den 
Simmermeifter Horn zu Bufenwurth. Die neue Kirche ward am 
11. Sonntage nach Trinitatis desjelben Jahres eingeweiht. Es 
fteht hier ein Prediger. 

3. HBemmingftedt mit dem Kirchort und den Ortichaften 
Braafen, Hohenheide, Lieth, Cohe, Nidelshof, Nehren (Neeren) 
und Volkerswurth. — Die alte, aus ftarten Selfen erbaute Kirche 
zu Hemmingftedt hatte einen hohen Thum, der wegen Ban: 
fälligfeit abgebrochen ward. Sür einen Neubau waren die erforder: 
lichen Mittel in der Gemeinde nicht aufzubringen; man ſetzte dann 
eine Spiße anftatt eines Thurmes auf die Kirche. Es ftanden auch 
hier früher zwei Prediger: 1712 wurde aber das Diafonat hierjelbft 
aufgehoben und das Diakonathaus zur Küfterwohnung beftimmt. 
£ohe und Aidelshof halten fich nach Heide zur Kirche. 

4. Nordhaftedt mit dem Kirchorte und den Dörfern Riſe, 
Ofterwohl und Wefterwohld. (Süderholm und Bennewohld ge- 
hören zur Norderlandfchaft.) — Die alte Kirche zu Vordhaſtedt 
verlor durch Blißfchlag am 22. März 1605 den Thurm; fie erhielt 
dann auf dem Dache eine ‚Meine Spike als Erfat. In älterer 
Seit ftand nur ein Prediger hier; 1585 wurde noch ein zweiter 
Prediger angeftellt, der zugleich Kirchfpieljchreiber war, bis fpäter 
ein eigener Kirchfpielfchreiber angeftelt wurde. 1707 ward das 
Diakonat wieder aufgehoben. 

5. Alberftorf mit dem Kirchorte und den Ortſchaften Arkebeck, 
Brahmcamp, Bunjoh (Bunfoe), Düderswifch, Ehlingftedöt, Jmmen- 
ftedterlohe, Jüßbüttel, Offenbüttel nebft Dammsknöll, Hinrichshorn 
und Nordheide, Ofterrade mit Heikenftrud, Riſewohld, Röſt nebft 
Holnborn, £ichtenhof und Nieacker, Schafftedt (Schapftedt), 

Dithmarfcher Geſchichte. J 58 


594 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


Schormoor, Schrum, Süderrade, Tenshüttel, Diertkof und Wenn: 
bitte. — In der Fehde von 1559 wurde Alberflorf zum Theil 
vom feinde abgebrannt. 1594, den 7. Juli, brannte auch die 
Kirche mit ihren beiden fchönen Chürmen nieder. Außer Der 
Kirche wurden achtundswanzig Wohnhäuſer, darunter beide Prediger: 
bäufer, vom Feuer zerfiört. Sum Wiederaufbau der Kirche ward 
von allen Kirchipielen des Landes, Büfum ausgenommen, bei- 
geſteuert. Doch erhielt die Kirche nur einen hölzernen Glocken⸗ 
thurm mit einer Spite. Die Gloden wurden vom Könige 
Ehriftian IV. geſchenkt. Es ftehen Bier von alters hec zwei 
Prediger. 

6. Süderhaftedt mit dem Kirchorte und den Dörfern Eckſtedt 
nebft Edftedter Damm und Bohendonn, Sreftedt, Großenrade, 
£ütjenrade, Bindorf, Hopen, Lütjenhaftedt, Speersdiet und Weſtorf. 
— Die alte verfallene Kirche zu Süderhaftedt wurde 1851 renopirt 
und echielt anftatt eines Churmes eine Dachipige. Bis 1711 
ftanden hier zwei Prediger; im genannten Jahre aber wurde das 
Diakonat hierfelbft aufgehoben. 

7. Burg mit dem Kicchorte und den Dörfern Bocholt, 
Brideln, Kuden und Quicdborn. — An der alten Peterskicche zu 
Surg fanden früher zwei Prediger. Als aber 1719 der Diakonus 
Stanz Joachim Lumann zum Paftorat befördert worden, ward 
das Diafonat aufgehoben. Die Aufhebung geſchah in Ausführung 
einer töniglichen Derordnung vom 1. Auguft 1707, nach welcher 
ungenügend dotirte Stellen, wenn die Aufbeilerung devjelben den 
Bemeinden zu fchwer werde, eingehen fallten bei eintretender 
Dalans. 

8. Brunsbüttel mit dem Sleden und den Dörfern Groden 
nebit Dielshörn, Mälenfirat nebſt Nordhuſen, Ofterbeiuthufen nebft 
Norddorf und Belmemmoor, Wefterbeiinhufen, Oſtermoor mit Alten- 
Ioog, Söftemannshufen, Wallen, Ohling, Brunsbükdler Venenkoog 
und Beunsbättler Hafen. — Brunsbüttel mußte wegen Waſſers⸗ 
gefahr mehrere Male verlegt werden. m gmeiten Brunsbäkttel 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1775. 595 


jollen vierhundert Seuerftellen gezählt worden fein, und der Ort 
ſoll einen bedeutenden Handel bis nach Spanien hin unterhalten 
haben. 1491 wurde Brunsbüttel durch den Landesfeind Claus 
Engel abgebrannt. Auch die Kirche wurde des Öfteren durch Seuer 
und Waſſer zerftört. Die vorleßte Kirche, die erft 1679, den 
11. November, durch den Propft' Hay Ahrends, eingeweiht 
worden war, brannte am 10. November 1719 ab. Der Blig 
hatte an diefem Tage während einer Sturmfluth, die das Land 
unter Waſſer gejeßt, jo daß man in Brunsbüttel mit Kähnen fuhr, 
zur Seit des Hauptgottesdienftes in die Hirche eingefchlagen. Es 
tonnte von der Kirche nichts gerettet werden, als die Kanzel un® 
der Taufftein; die Glocken waren im Feuer gefchmolzen. König 
Sriedrich IV. gab die Gelder zum Wiederaufbau der Kirche her, 
und am Sonntage Eraudi 1724 wurde die neue fchöne Kirche 
eingeweiht. &s flanden an der hiefigen Kirche immer zwei 
Drediger. Der Sledensichule ftanden zwei ftudirte Männer, Rektor und 
Kantor, vor. An Stelle des Kantors war 1770 ein Rechenmeifter 
gefeßt, weil die Einnahme der Stelle für einen ftudirten Lehrer 
nicht mehr ausreicht. — Dom alten Brunsbüttel ging die Sage, 
welche nachher auf Altbüfum übertragen worden ift: „mitünner 
in de holle Ebb, denn füht man von de Hüf’ de Köpp, denn 
hört man facht de Kloden Zlingen, denn hört man facht den 
Kanter fingen, denn geit dat liefen dör de Luft: „Begrabt den 
Leib in feine Gruft!"* (Elaus Groth, Quidborn.) Loch im 
fiebzelnten Jahrhundert wollen &lbfchiffer in dürren Sommern, 
in welchen die Elbe jo wenig Wafler hielt, daß nur bei Sluthzeit 
größere Schiffe aus- und eingehen konnten, die Ruinen von Alt- 
brunsbüttel gejehen haben. 

9. Marne mit dem Sleden und den Dorfidaften Auenbüttel, 
Diekhuſen nebft Mefterdeich, Alten- und Neuendeich, Sahrftedt nebft 
Sahrfledter Alten- und Neuendeich und Dettenbüttel, Helſe mit 
Beljerdeich, Krummehl, Dreeangel, Pitt, Darenwurtk, Hembüttel 
und ZXorderlandfiier, Kannemoor mit Kannemoorerfeld und Hlig- 

38* 


596 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung, 


hufen, Küker, Kattrepel nebjt Kattrepeler Wefterdeich, Kattrepeler- 
wifch, Dielshörm und iefeld, Kroge, Warnerdeich, Menghufen 
mit Wefter- und Oftermenghujen und Menghufener Wefter-Alten- 
und Neuendeich (Platenrönne), Neuenkoogsdeich, Norderwiſch mit 
Barfemannshufen , Boggenhufen, Ramhuſen, Röfthufen nebft 
Behnfen, Schmedeswurth nebft Schmedeswurther Wefter-Alten- 
und Teuendeich, Süderwiſch nebft Süderlandfteig und Mloordeich, 
Trennewurth nebft Trennewurther Landftraße und Alten und 
Tieuendeich, Dolfemannshujen nebft Wefterhufen.. — Marne war 
zur Seit der Wiedervereinigung des Landes unter einem Landes» 
herrn zu einem ziemlich unbedeutenden Ort herabgefunfen. Die 
verfallene, durch Anbau vergrößerte Kirche ſtammte in ihren 
älteften Theilen wohl noch aus der Zeit der erften Gründuna, 
als Marne ein gemwöhnliches Dorf war. Es ftanden immer zwei 
Prediger hier, und an der Fleckensſchule ftand zur Zeit der Wieder: 
vereinigung unter einem £andesherrn noch ein fludirter Rektor. 
An Statt des früheren zweiten „lateinifchen” Lehrers hatte man 
aus Eriparungsrüdfichten bereits einen „deutfchen” Rechenmeifter 
gefeßt. Marne war übrigens außer Meldorf das einzigfte Kirch- 
fpiel der ganzen Süderlandfchaft, wo noch ein eigener Kirchfpiel- 
Schreiber angeftelt war. In den übrigen Kirchfpielen waren 
infolge der öniglichen Derordnung vom I. Auguft 1707 die Kirch- 
fpieljchreibereien mit den Kirchipielvogteien vereinigt worden, jo daß 
die Kirchfpielvögte zugleich auch Kirchfpielfchreiber waren. Ks 
follte der „Zehrftand"” im Lande vermindert werden. Das war 
die wohlgemeinte Abficht bei jener Derordnung. 

10. St. Michaelisdonn, auch Rehediek, Reediek geheißen, eine 
Häuferreihe auf dem Donn, in Xorder- und Süderdonn ınter- 
fchieden. — In bürgerlichen Sachen gehört St. Mlichaelisdornn zu 
Marne, wohin es früher eingepfarrt war. Weil man hier zu 
weit von der Marner Kirche entfernt war, baute man [610 eine 
eigene Kirche, wozu an Gaben und Gefchenten 2388 Markt und 
8 Schillinge eingingen. Am 16. Sonntage nach Crinitatis [611 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 597 


wurde die Kirche vom Propft Stephan Ramm eingeweiht. 
Patron der Kirche ift St. Michael. Daher der ame St. Michaelis» 
donn. 1739 wurde die Kirche vergrößert, 1747 abermals, nad 
Often hin, erweitert und auch mit einer Churmfpige verjehen. An 
der Kirche fteht ein Prediger. 

11. Eddelack mit dem Kirchorte und den Ortſchaften Behmen- 
hufen, Dingen nebft Dielshörn, Sandhägen und Wetternwall, 
£ehe, Jofenburg, Wefterbüttel, Averlad (Averlader Donn) mit 
Sidenfeld, Blangenmoor, Höhnermoor, Bei der alten Schleufe, 
Bei der neuen Schleufe (hier war vor Einholung des Bruns- 
büttler Neuen Koogs ein Hafen), und Warfen (Eddelader Donn) 
mit dem Thedenberge (Cheeberg). — Die alte Eddelader Kirche, 
welche von Heinrich dem Löwen 1150 gegründet fein foll, wurde 
1740 wegen Baufälligfeit abgebrochen bis auf den 123 Fuß 
hohen Thurm an derfelben und an deren Stelle durch den Bau» 
meifter Schott aus Heide, der auch die Wefjelburner Kirche gebaut 
hat, ein neues Gebäude aufgeführt. Der ganze Bau war für 
14000 & veraccordirt. Die Baukoſten wurden ungefähr gedeckt 
Durch den Erlös aus dem Verkauf der Kirchenftühle, der fich auf 
13 532 X belief. Die neue Kirche wurde am 3. Advent 1740 
durch den Paftor des Ortes, Karl Emil Hartnack, eingeweiht. 

12. Barlt mit dem Kirchorte und den Dörfern Altendeich 
nebft Lamp (Lampen), Neuendeich und Horft, jowie den Anbauer- 
ftellen Unterm Eleve, Auf dem fuhlen Hund und Auf dem neuen 
Deih. — Die Barlter Kirche, früher in Süderbarlt, fteht an ihrer 
jegigen Stelle feit 1600. Es ift ein Irrthum, wenn es bei Dieth 
heißt, daß Barlt erft 1600 gegründet worden fei; ſchon im Der- 
trage mit dem Grafen Adolph VII. von Holftein im Jahre 1456 
wird Barlt unter den Kirchfpielen des Landes genannt. Un der 
Kirche ftanden bis 1815 zwei Prediger. 

15. Wöhrden mit dem Kirchorte und den Dörfern Büttel 
(Sroßbüttel) nebft Deichftrich, Hohenwöhrden, Nienkrog, Niewiſch 
(Süderwifch), Wallen, Bruhnsdorf und Wakenhuſen. (Diefe 


398 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


Dörfer mit dem Kirchorte bilden die fog. Südervogtei MWöhrden; 
die übrigen Dörfer des Kirchfpiels zählen zur Vordervogtei.) 
— Die vorige, nach dem Siege über Gerhard den Großen 
von Holftein erbaute Kirche wurde 1785 wegen großer Baufälligkeit 
abgebrochen, und an ihrer Stelle wurde 1786— 1788 die jeßige 
Wöhrdener Kirche erbaut. Diefe hatte urjprünglich einen hoben 
Churm. Derfelbe mußte abgebrochen werden, weil die Kirche ihn 
nicht tragen konnte. An der Kirche ftanden immer zwei Prediger. 
An der Ortsfchule ftand zur Zeit der Wiedervereinigung Dith- 
marjchens noch ein fimdirter Rektor, neben dem ein fog. Schreib- 
und Zechenmeifter fungirte. 

Außerdem gehörte noch das Dorf Sedderingen aus dem Kirdh: 
fpiele Hennftedt zur Süderlandfchaft. 

Don den dreizehn Kirchfpielen der Kandfchaft bildete Meldorf 
anfangs zwei, fpäter drei Kirchfpielvogteien. Es wurde dasfelbe 
in Xorder- und Südervogtei getheil. Die Nordervogtei umfaßte 
die Hälfte des Fleckens und die Dörfer Barsfleth, Böddinghuſen, 
Debling, Epenwöhrden nebft BHeidftieg, Harmswöhrden nebfl der 
Kanzelei, Hejel mit dem Meldorfer Moor, Ketelsbüttel und Chaling- 
buren; das übrige Kirchfpiel bildete die Süderpogtei. Kebtere 
wurde dann wieder in zwei Dogteien, nach Marſch und Keeft, 
getrennt. Zur Süderpogtei Meldorf⸗Marſch gehörten Ammerswurth, 
Norwer und Süderbufenwurth, Eeſch, Elpersbüttel, Lütjenbüttel 
und Wolfenbüttel; zur Südervogtei Meldorf-Beeft gehörten Bargen: 
ftedt, Delbrügg, Sarnewintel, Siel, Budendorf, Krumftedt, Cehrs⸗ 
büttel, Nindorf, ®dderade, Sarzbüttel mit Delmath und Wolmersdorf. 
Don den anderen Kirchipielen der Süderlandfchaft bildeten 
St. Michaelisdonn und Wimdbergen feine Vogtei für fich; diefes 
gehörte zur Dogtei Südermeldorf:Geeft, jenes zur Marner Dogtei; 
jedes der übrigen Kirchfpiele machte eine eigene Dogtei aus. 
Süderdithmarfchen zählte aljo dreizehn Kirchipielvogteien. Doc 
waren Burg nnd Süderhaftedt gemeinfam einem Kirchipiefpogte 
sinterftellt, und die drei Wleldorfer Dogteien wurden von zmei 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Zandesherrn — 1773. 599 


Dögten verwaltet, fo daß im ganzen ef Kirchipielvögte in der 
Landfchaft fungirten, gleichwie in Norderdithmarfichen. — Es gab 
alfjo in Dithmarfchen vierundzwanzig Dogteibezirfe unter zweiund- 
zwanzig Kirchfpielvögten. Die Zahl der Dogteibeirte entiprach 
derjerigen der nach der Eroberung des Landes angeordneten 
Stellen der GBerichtsräthe. 

Außer den Dogteibezirten waren drei oltroyirte Köge m Dith- 
marfchen, die vermöge der ertheilten landesherrlichen Oktroien 
(Privileginmsbriefen) ihre befondere Derfaflung und Jurisdiktion 
hatten: 

I. Der Hedewigenfoog zwifchen den Kirchfpielen Büſum und 
Weſſelburen, aus deren Außendeichsländereien derfelbe entftanden. 
Der Koog, zu welchem auch die kleinen Ortfchaften oder Häuſer⸗ 
gruppen Pernorr ımd Hadftall (Hardftall) am Seedeich zählen, 
wurde zu 747 Morgen 4 Scheffel neuen Maßes geredmet und 
iM 1696 durch den Geheimen Rath Johann Endiwig von Pincier, 
weichem, nebft dem Baron von Königftein, der Herzog Sriedrich IV. 
im Jahre 1695 am 10. Mai Dithmarfcher Außendeichsländereien 
geichenft hatte, und feinen Mitinterefienten, unter welchen namentlich 
auch der Geheime Rath von Wedderlop thätig war, eingedeicht 
worden. Der neugewonnene Hoog erhielt feinen Namen nadı 
der regierenden Herzogin Hedwig Sophia von Holftein-Bottorp. 
Die füärftliche Oktroi ift unterm 17. Auguft 1696 ausgeftellt 
worden. Zum Koogsinfpeltor beflellte man in der Regel einen 
Advolaten zu Heide. Der Koog ftand bis 1775 unter Holitein- 
Gottorp. Die Einwohner hielten fi} zum größten Theil nad 
Weflelburen, zum Pleineren Cheil nach Büfum zur Kirche. 

2. Der Sriedrichsgaber- oder Wasmers-Koog, zwijchen den 
Hirchipielen Wöhrden, Wefjelburen und Büfum belegen und von 
dieſen umſchloſſen, fo dag er nur an der einen Seite eines Deiches 
bedurfte, wurde 1713 eingeholt und ift an 370 Mlorgen groß. 
Die Bedeichung fam vornehmlich durch die Betriebfamtleit des 
nachherigen Föniglichen Konferenzratis und Dice-Kanzlers zu 


600 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung 


Glückſtadt, Jacob Johann von Wasmer, zu ftande Nach ihm 
nennt man den Koog gewöhnlich Wasmerstoog; in der Oktroi 
aber, die der König Sriedrich IV. fchon unterm 14. Juni 1701 
an den Ober⸗Kammerſekretär Ernft Ulrich Dofe (für fi} oder mit 
anderen Partizipanten) abgegeben, ift ihm der Name Friedrichs⸗ 
gabe beigelegt worden. Koogsinſpektor war gewöhnlich ein 
Meldorfer Advolat. Der Koog war zu "/ıo Pöniglich, zu °/ıo 
fürftlich-gottorpifh. Die Föniglichen Unterthanen hielten fich zur 
Kirhe in Wöhrden, die fürftlich-gottorpifchen aber hielten ſich nach 
Weffelburen und Büfum zur Kirche. 

3. Der Sophienloog, am Kirchfpiel Marne belegen, 1717 
eingenommen, erhielt feinen Namen nach der Königin Anna Sophia 
und ward von diefer dem Kammerrath und Landichreiber Dans 
TJebens zu Meldorf in Erbpacht gegeben. Der Koog ward bei 
der Aufmefjung 181 Morgen, 4 Scheffel, 24 DRuthen und 
208!/; DSuß groß befunden und für 170 Morgen in Pacht 
gegeben, indem die übrigen 11 Morgen, 4 Scheffel, 24 Ruthen 
und 2081/s Suß für Hofftellen, Wege, Gräben und Steige 
abgerechnet wurden. Diefer Koog war ausfchlieglich Töniglich. 
Derfelbe hielt fith nach Marne zur Kirche. Derwaltung, Juftiz und 
Polizei ward hier von dem Erbpächter gehandhabt oder beftellt. 

Während die oftroyirten Köge vom Derwaltungs- und Gerichts» 
zwange der Landfchaften ausgenommen waren, hatten im übrigen 
die Kirchfpiele ihre Öffizialen in den Dögten, die in ihren Beszirfen 
die obrigkeitlichen Anordnungen, Entfcheidungen und Befehle zu 
vollziehen Hatten und zu dem Zwecke auch die Polizeigewalt 
repräfentirten. Landvogt und Kirchfpieloögte in ihrer Geſamt⸗ 
heit bildeten das Bericht der Landfchaft, in welchem die Kirchfpiel- 
vögte die Stelle der Berichtsräthe einnahmen. In der erften Zeit 
nach der Eroberung wurden angefehene £andes- und Kirchfpiels» 
eingejeffene, die fih zur Sührung Öffentlicher Angelegenheiten 
beſonders fähig erwiefen hatten, zu Dögten beftellt, mochten fie 
im übrigen fludirte Männer fein oder nicht; Doch wurde es bald 


Don 1580 bis zur [Diedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 601 


für dienlich erachtet, die Dogteien mit Juriften zu befegen. Sumal 
bei Beſetzung der Candvogteien wurde es früh üblich, ausfchlieglich 
auf ARechtsgelehrte zu reflettiren, wie aus dem Derzeichniß der 
Landvögte, die nach der Eroberung im Amte geftanden, erhellt. 
Nach 1559, bis zur zweiten Cheilung des Landes nach dem 1580 
erfolgten Tode des Herzogs Johann, waren Kandvögte 

I: Jm Südertheile des Königs: 

1. Jacobs Harder, Eingefefiener zu Brunsbütteler Dielshörn, 
vor der Eroberung Vogt in der Strandmannsdöfft, der bis zu 
feinem Tode im Jahre 1567 im Amte blieb. 

2. Michael Boje, juris utr. Lic., des vorigen Detter, ein Sohn 
von Harder Boje zu Brunsbüttel und Brudersjohn vom Magifter 
Nicolaus Boje zu Meldorf. Er wurde 1574 einer wider ihn 
erhobenen Klage halber fufpendirt und gefänglich eingezogen. 
Währenddes war Llaus Brubn, ein nicht gelehrter, aber würdiger 
alter Mann, ein Sohn des vormaligen, 1565 geftorbenen Mel« 
dorfer Bürgermeifters Peter Bruhn, Interims⸗Candvogt, nach 
Einigen acht Jahre, nach Anderen nur ein Jahr. 

I. Im Mitteltheile des Herzogs _Jobann: 

1. Wolt Reimers zu Heide, der frühere Achtundpierziger 
diefes Namens, der am 11. Jannar 1569 ftarb. 

2. Dr, Ehriftian oje, fürftlicher Rath, des Magifters Nicolaus 
Boje zu Meldorf Sohn. Er ftand im Amte bis zum Tode des 
Herzogs Johann 1580. 

IH. Im Xordertheile des Herzogs Adolph: 

1. Marcus Swyn, früher Achtundvierziger, des Achtundvierzigers 
Deter Swyn Sohnsſohn (nicht, wie es gewöhnlich heißt, Sohn; der 
Dater Ddesjelben war wohl der Gefchichtsichreiber und jpätere 
Rathsherr zu £unden, Henning Swyn, der ein Sohn von Peter 
Swyn war). Marcus Swyn nahm feine Entlafjung 1573 und 
farb am 11. Junt 1585. : 

2. Dr. jur. utr. Benning Boje, Thomas Bojen Sohn. Er 
ftand noch 1580 im Amte. 


602 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


In des Seit nach 1580 bis zur Wiedervereinigung beider 
£andjchaften, in welche Dithmarfchen nach dem Tode Des 
Herzogs Johann gefchieden wurde, waren Landvögte in VNorder- 
dithmarfchen: 

1. Dr. Henning Boje zu Kunden, der frühere Candvogt des 
Xorderdrittheils. Als Boje wegen eines Steeites mit einem Nicolaus 
Jürgens fufpendirt wurde, ward Johann Reimer, Einwohner zu 
Beide, vor der legten Sehde Achtundvierziger ufd feit 1559 
Öerichtsrath, Interims-Landvogt. 

2. Dr. Ehriftian Boje, der frühere Landvogt im Mittelteile 
des Herzogs Johann. Er ſtarb am 10. Sebruar 1591. 

3. Johann Reimer, Einwohner zu Heide, ward 1594, 17. Juni, 
entlaffen und ftarb am 10. März 1601. Nach Einigen war diefer 
Johann Reimer der vorige Interims-Landvogt, der frühere 
Ahtundvierziger. Das ift aber nicht wahrfcheinlich, da anzunehmen, 
daß Hans Hann, der 1591 ftarb, wirklich, wie er auf feinem 
Keichenftein bezeichnet wird, der Lebte der Achtundpierziger war. 
Dielleiht war diefer Johann Reimer des Interims⸗Candvogts 
Johann Reimer Son. 

4. Boje Nanne Denker, Erbgejefjener zu £unden, wurde 1599, 
18. Januar abgefeßgt, und ftarb im felben Jahre. 

5. Hans Rohde zu Eunden, } 1626, 16. Sebruar, 

6. Johann Diet zu Norddeich, + 50. Mai 1646. 

?. Dr. jur. utr. Johann Boje, + 1668. 

8. Georg Dieth, des vorigen Landvogts Dieth Sohn, Hof— 
Kanzlei und Juftizrath, + 1701, 29. April. 

9. Johann NM, des Dorigen Sohn, + 27. November 
1708. 

10. Paul Paulſen aus Meldorf, war bis 1706 Candvogt in 
Siderdithmarfchen, Etatsrath, Hoflanzler, wirklicher Geheimerrath 
und Ritter des St. Annen-Ördens, geftorben (741. — Sein Sohn 
Ernft. Matthias, Juſtizrath, war ihm 1726 als Dize-Kandvogt 
beigeordnet worden. Derjelbe ftarb 19. Juli 1733. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 603 


11. Chriftian Binrich Paulfen, Som des Eandvogts Paul 
Paulfen, Etats: und Juftizrath, geftorben 1762. 

12. Carl Sriedrih von Lowzow, Sohn des GBeneralmajors 
Kammerherm Chriftoph Binrich von Cowzow auf Dehlböden, ge- 
boren zu Heide, Etats» und Konferenzrath. Diefer ſtand noch bei 
der Uebergabe des GBottorper Antheils an den König im Amte, 
als der letzte großfürftliche Kandoogt in Norderdithmarfchen. 

Im Löniglichen Südertheil ftanden bis dahin, feit dem Tode 
des Herzogs Johann, folgende Landvögte: 

1. Lic. jur. utr. Michael Boje, der nach beendigtem Prozeß 
bei der Landvogtei verblieb bis 1585, in welchem Jahre er fein 
Amt niederlegte. Er ſtarb am 5. Oktober 1601 an der Peft. 

2. Johann Held, geftorben am 24. Mai 1608. 

3. Nicolaus Bruhn, des Kandvogtei-Derwalters Claus Bruhn 
zu Meldorf Sohn, geftorben 1650, 28. März. 

4. Hinrich Wasmer, des Landfchreibers Johann Wasmer zu 
Meldorf Sohn, vorher Bürgermeifter zu Itzehoe, ward un Jo⸗ 
hannis 1630 zum Landvogt beftellt und flarb 1645, 18. Sep- 
tember. 

5. Nicolaus Bruhn, ein Enkel des Kandvogtei:Dermwalters 
Claus Bruhn und Sohn von Johann Bruhn, geftorben am 30. Juli 
1649. 

6. Jacob Bruhn, des vorigen Landvogts Sohn, geftorben 
1670, 5. Januar. 

7. Matthias Johannfen, geftorben 1680. 

8. Ehriftian Bude, des Kirchfpielsfchreibers Johann Bude 
zu Meldorf Sohn, Regierungs:, Kanzlei» und Juftizrath, geftorben 
1202, 15. März. 

9. Paul Paulfen aus Meldorf, Föniglicher Kanzleirath, erhielt 
1206 feine Entlaffung und wurde dann — in Norderdith⸗ 
marſchen. 

10. Friedrich Chriſtian von Etats. und Konferenzrath, 
geftotben 1744. 


604 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


11. Ehriftian Siegfried Eggers, Etats, Konferenz. und Juftiz- 
rath, ftand noch nach der Wiedervereinigung beider Candſchaften 
unter einem Landesherrn im Amte. 

Aus diefem Derzeichniß it erfichtlich, daß auch zu Landpögten 
anfangs nicht ausfchlieglich nur ftudirte Männer genommen wurden, 
daß es aber fchon im 17. Jahrhundert üblich geworden, bei Be—⸗ 
fegung der Landvogteien auf Juriften zu reflektiren. Allmählich 
wurde es auch Brauch, für die Bedienung der Kirchipielvogteien 
juriftifch gebildete Männer heranzuziehen. Lach der Wieder— 
vereinigung unter einem £andesherrn wurden, wie zu der 
Derwaltung der Kandvogteten, fo auch zur Derwaltung von 
Kirchfpielvogteien, nur NRechtsgelehrte genommen und zugelaflen. 
Die Dogteien, fonft lediglich mit Koften für den Inhaber ver: 
bundene Ehrenämter, waren im Kaufe der Seit zu mehr 
oder weniger einträglichen Bedienungen geworden. Hu den 
Kirchfpielvogteibedienungen wurden von den betreffenden Kirch 
fpielen drei Bewerber präfentirt, aus denen dann der Eandesherr 
einen erwählte; zu den Stellen der Kandpögte ernannten die 
Landesherren unmittelbar, ohne vorherige Präfentation. Das’ 
Gericht der Landfchaft trat an beftimmten Tagen, für Norder- 
dithmarfchen zu Heide und Cunden, für Süderdithmarjchen zu 
Meldorf, zufammen. 1642 wurde zwar für die Kirchipiele Marne, 
Brunsbüttel und Eddelack ein befonderes Gericht mit Sig m 
Marne angeordnet, allein diefes Marner Gericht beftand nur kurze 
Seit. 1647 wurde dasjelbe wieder aufgehoben und das Meldorfer 
Gericht für die ganze Kandfchaft wiederhergeftell. In Vorder—⸗ 
dithmarfchen wurde, bald nachdem der Mlitteltheil infolge Ab- 
fterbens des Herzogs Johann 1580 eingegangen war, die Gerichts⸗ 
ftelle zu Heide aufgehoben, doch ward diefelbe anf Derlangen der 
Mehrzahl der Einwohner der Landfchaft, für die Heide gelegener 
war, als £unden, 1589 wiederhergeftellt, und feitdem wurde, bis 
zur Abtretung des Bottorper Antheils an den König, an beiden 
Orten, Beide und Eunden, Gericht gehalten. An jedem diefer 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 605 


beiden Gerichtsorte war ein KLandfchreiber angeftellt, der das 
Gerichtsprotofoll führte. Auch zu Meldorf führte anfangs der 
Landfchreiber das Protofoll beim Gericht; nachher aber wurde 
hier ein befonderer Aktuar, wie folcher nach 1773 auch für das, 
nun ausjchlieglich in Heide gehaltene, Bericht der Torderlandichaft 
fungirte, als Protofollführer beim Gericht beftellt. Das Gericht 
einer jeden Landfchaft erfannte in Eivil- und Kriminalfachen. Der 
£andvogt für ſich allein ertheilte an beftimmten Tagen außer: 
ordentliche Befcheide in Streitfachen, und’zwar in Norderdithmarjchen 
am Sreitag und Sonnabend, in Süderdithmarjchen am Montag 
und Sreitag in den Wochen, in welchen das ordentliche Bericht 
nicht gehalten wurde. Dom Befcheide des Kandvogts konnte an 
das Gericht appellirt werden. Dom Spruche des Gerichts ging 
die Appellation in Civilfachen in Norderdithmarfchen an das 
Iandesherrliche Hofgericht und fpäter an die fürftliche Kanzlei zu 
Kiel, in Süderdithmarfchen aber an die holfteinifche Regierung zu 
Glückſtadt. Weiter ging die Appellation nicht, da durch Ber 
fiimmung der Kapitulation von 1559 die Appellation an die 
Neichsgerichte ausgefchloffen war. — Die Eroberer und ihre Nach» 
fommen bildeten in ihren diesbezüglichen Anordnungen und Ent» 
fchließungen die höchfte Inftanz. Deshalb war die Beftimmung, 
dag nur geborene Dithmarfcher zu Dögten und Räthen des Landes 
beftellt werden follten, doppelt wichtig, zumal da die Kandvögte 
unmittelbar, ohne Präfentation, von den Kandesherren beftellt 
wurden. Diefe Beftimmung gab wenigftens möglichfte Bürgfchaft 
dafür, daß die Derwaltung und Jufliz im Lande nur Männern 
anvertraut werde, die für des Landes Eigenart und für die Be- 
dürfniſſe desfelben Intereffe und Derftändnig befagen. Die hierdurch 
gewährleiftetete Sonderftellung Dithmarjchens, in welcher das Land 
mit eigenem echt, einheimifchen Dögten und Richtern und den 
alten freiheitlichen Kirchfpielsverfafjungen, ſich einen hohen Brad 
politifcher Selbftändigfeit bewahrte, obwohl Bolftein unr noch 
als Provinz des Königreichs galt und alle politifche Selbftändigkeit 


606 Dierter Abfehnitt. Zweite Abtheilung. 


eingebügt hatte, war der eigenartigen gefchichtliden Entwidelung 
des Kandes durchaus gemäß und durch diefe bedingt. Daher 
wurde diefelbe auch von den Dithmarfchern wider ale Angriffe 
treulich gehegt und forgfam gewahrt. WUs Herzog Johann Adolph 
von Gottorp nach dem Tode des Landvogts Dr. Ekriftian Boje 
von jener Beftimmung abwich, indem er unterm 2. März 1592 
den Geerd Steding, einen Bremer, zum Landvogt des Norder⸗ 
theils ernannte, erhoben die Einwohner lauten Proteft gegen folche 
Derleßung verbriefter Rechte und Sufagen, verweigerten die An- 
erfennung des Steding und ruhten nicht, bis der Herzog die er- 
folgte Ernennung rüdgängig machte, worauf dann Johann Reimer, 
ein Dithmarfcher, Einwohner zu Heide, Kandvogt wurde. Seitdem 
ift bei allen Neubefegungen der Landpogteien jene Beftimmung 
von feiten der Landesherren gewifienhaft beobachtet worden. 

Wie auf fommunalem und ftaatlichem Gebiete, jo auch auf 
firchlihem Gebiete, hatten die Kirchipiele ihr urfprüngliches 
Wahlrecht unter der Sürftenherrichaft ziemlich unverjehrt erhalten. 
Die Kirchfpiele als folche hatten und übten das Recht freier Wahl 
zu allen Kirchenämtern, wozu nicht nur die Kirchen- und Kirch- 
ſpielsſchulen, fondern anfangs auch die Kirchfpielsichreibereien, die 
meift von Diakonen mitverwaltet wurden, gehörten. Die Prä- 
fentation zu erledigten Stellen übten die Kirchſpiele in der Regel 
durch gewählte Dertreter, Durch die Kirchen und Kirdhfpiels- 
tollegien, die Wahl geihah anfangs durd die Bemeinden un: 
mittelbar, nachher in »ielen Kirchjpielen ebenfells durch die ver- 
tretenden Kollegien, die in einigen Gemeinden zum Sweck der 
Wahl fih durch eime beftimmte Anzahl von Bemeindegliedern 
verftärften. LKebteres war fchlieglich in Norderdithmerfchen zur 
Regel geworden in allen Kirchipielen, bis auf Hennſtedt und 
Tellingftedt, wo noch fämtliche Eingefeffene wählten. Weder 
Dräfentation noch "Wahl bedurfte der Beftätigung. Diefes Recht 
freier Wahl hat Torderdithmerfchen bis auf die Gegenwart fich 
zu erhalten vermocht. Vachdem die alten Träger des Landes, 








Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem £andesherrn — 1773. 607 


die Nannen, Swynen ıc., in den Staub geſunken, waren es meiſt 
geborene Dithmarfcher unter den Geiftlichen der Kandfchaft, welche 
Die alten Rechte und Sreiheiten der Kirchengemeinden wider firch- 
kche und weltliche ®berbehörden gegen Eingriffe ficherten und 
wahrten. In Süderdithmarjchen war man in diefer Beziehung 
weniger begünfligt. Zwar blieb das Wahlrecht auch hier bei den 
Kirchfpielsgemeinden, aber die Wahl, wie auch die Präfentation, 
bedurfte Hier der landesherrlichen Beftätigung, während in Vorder⸗ 
dithmarfchen anf einfache Anzeige der erfolgten Wahl von feiten 
der Gemeinde der Propft „nomine regis“ die Beftallung für den 
Gewählten auszufertigen Hatte, und zudem war das Präfentations- 
recht, der Wahl an fich gegenüber das größere Recht, hier ge» 
fchmälert. Nur zu den Kompajtoraten, die es nur in Uleldorf 
gab, und zu den Diafonaten präfentirten nämlich in Süderdtth- 
marichen die Gemeinden noch; die Präfentation zu den Paftoraten 
hatte der Kandesherr übernommen, und übte er diejelbe aus durch 
Landvögte und Gouverneure. — Die Gouverneure wurden in der 
Süderlawdichaft beibehalten, während fie in der Norderlandfchaft 
abfamen zur Seit der Anordnung, daß nur Nechtsgelehrte zu den 
Dogteien berufen werden follten, fo dag man bier fchon zur Seit 
des Landvogts Dr. Johann Boje (1646—1668) von Bounerneuren 
nichts mehr wußte. Tach Caspar Hoyers Seit wird fein Gou⸗ 
verneur von Norderdtthmarfchen mehr namhaft gemadt. In 
Süderdithmarfchen find Fönigliche Gouverneure gemejen: 

1. Beinrich Yanzau, Statthalter in den Herzogthümern, Amt- 
mann zu Segeberg, des königlichen Seldherrn Johann Ranzau, 
Des Ueberwinders Dithmarfchens, Sohn. Er ftarb den 1. ar 
nuar 1599. 

2. Jofias von Qualen zu Kofelau, königlicher Landrath, 
Oberſt und Seldmarjhall, Amtmann zu Steinburg. Er wurde 
1581 entlaffen und ward Amtmann des Herzogs Adolph in 
Gottorp, farb 1586, I. Mai. 

5. Benedict von Ahlefeld zu Lehmfiuhlen, Töniglicher Rath 


608 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


und Marjchall, Ritter des Elephanten-Ördens, Amtmann zu Stein- 
burg, geftorben 1606, 5. Sebruar. 

4. Balthafar von Ahlefeld zu Heiligenftedten, Drage und 
Kolmar, Föniglicher Rath und Amtmann zu Steinburg, des 1500 
bei Hemmingftedt gefallenen Ritters und KHriegs-Öberften Hans 
von Ahlefeld Enkel, Burchards von Ahlefeld Sohn und Heinrich 
Ranzaus Schwiegerfohn. Er wurde 1614 Amtmann zu Rends- 
burg und ftarb 1626, 8. März. 

5. Detlef Ranzau auf Panker, Holmar, Heiligenftedten, Drage, 
Baflelburg zc., Föniglicher Geheimer- und Landrath, Ritter des 
Elefanten-O®rdens, Dompropft zu Hamburg und Amtmann zu 
Steinburg, geftorben 1639, 20. März. 

6. Ehriftian, Graf von Penk, Erbherr zu Wandsbec, 
föniglicher Rath und Amtmann zu Steinburg Er war ein 
Schwiegerfohn des Königs Ehriftian IV., mit deſſen Tochter Sophia 
Elifabeth (von der Munf) er verheirathet war. 1649 ward er 
als Amtmann nach Slensburg verjegt und ftarb 1652. 

7. Ehriftian, Graf zu Yanzau, Herr zu Breitenburg, Aitter, 
föniglicher Geheimer Rath, auch Reichs⸗ und Landrath, Statthalter in 
den Herzogthümern, Präfident im Staatstollegium, Affeffor in 
allen Föniglichen Kollegien, Amtmann zu Steinburg, ein Sohn 
vom Statthalter Gerhard Ranzau und Enkel vom Statthalter 
Beinrih Ranzau, geftorben 1665, 8. November. 

8. Sriedrich, Graf von Ahlefeld zu Langeland und Riringen, 
Berr zu Mörsburg, Gravenftein, beiden Seegaarden, Beringsholnt, 
Ballegaard und der Wildnig, Geheimer-Etats- und Landrath, 
Statthalter in den Herzogthümern, Seneralmajor der Infanterie, 
Amtmann zu Steinburg, Föniglicher Großfanzler, Präfident im 
Conſeil, im Staats: und Kanzlei-Kolleginm, auch an der Uni- 
verfität zu Kopenhagen, Ritter vom Elefanten 2c., geftorben 1686, 
7. Juli. 

9. Detlef, Graf zu Yanzau und Eoumwenholm, Herr zu Breiten: 
burg, Drage, Eindemwitt ıc., Ritter vom Elefanten, Beheimer: und 





Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrm — 1775. 609 


Landrath, des Statthalters Ehriftian Ranzau Sohn, geftorben 1697, 
7. September. 

10. Sriedrich, Graf von Ahlefeld auf Kangeland und Riringen, 
Baron zu Mörsburg, Erbherr auf Gravenftein, der beiden See- 
und Ballegaarden und der Wildnig, Aitter, Föniglicher Beheimer- 
und Eandrath, Statthalter in den Berzogthümern, Kammerherr, 
Generalmajor der Infanterie, Amtmann zu Steinburg, des Statt: 
halters Sriedrich von Ahlefeld Sohn, geftorben 1708, 10. Juni. 

I. Chriſtoph Blome, Erbherr auf Sarve und Neversdorf, 
Ritter van Dannebrog, Landrath und Jägermeifter, Beheimer Rath im 
Eonfeil, Amtmann zu Steinburg. Er legte feine Aemter 1721 
nieder und flarb 1729, 2. November. 

12. Hinrich Blome auf Sarve und Xeversdorf, Ritter vom 
Dannebrog, föniglicher Beheimer-Konferenz und Landrath, Amtmann 
zu Steinburg, Derbitter des adligen Klofters zu Itzehoe, des vorigen 
Bouverneurs Sohn. Er ftarb 1736, 9. April. 

13. Sriedrich Ernſt, Markgraf zu Brandenburg. Culmbach, 
Statthalter in den Herzogthümern, geftorben 1762, 23. Juni. 

14. Sriedrich Ludwig, Braf von Dehn, Geheimer Kath, Ritter 
vom Elefanten, Statthalter in den Herzogthümern. Er legte 
feine Aemter 1768 nieder. 

15. Karl, Eandgraf und Prinz von Hefjen-Kafjel, Föniglicher 
Seldmarfchall, Ritter des Llefanten-Ördens, Statthalter in den 
Derzogthümern, ein Schwiegerjohn des Königs Friedrich V., mit 
deſſen Tochter, Prinzeffin Lonife, er vermählt war. Er ftand bis 
zur Wiedervereinigung beider Eandfchaften unter einem Landes» 
bern, 1773, als Bouverneur von Süderdithmarfchen im Amte. 
ach der Wiedervereinigung wurde er Gouverneur des „Sürften- 
thums Dithmarfchen”. 

Diefe Gouperneure, zumal jene aus holfteinifchen Adelshäufern, 
fonnten ihrer ganzen Stellung nah für manche dithmarfcher 
Eigenart faum ein rechtes Derftändnig und für Schonung und Er- 
haltung überfommener altdithmarfcher Jnftitutionen freitheitlichen 

Dithmarſcher Geſchichte. 39 


610 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


Weſens fein Intereſſe haben, und mag wohl darin es zum Theil 
mitbegründet fein, dag Süderdithmarfchen im ganzen in Beziehung 
auf Wahrung der alten fommunalen Selbftändigfeit und Unab- 
bängigfeit weniger glüdlich war, als Norderdithmarfchen. Bor: 
nehmlich in leßterer Landfchaft ift durch die Neuordnung nach 
der Annerion erft das Wahlrecht der Kirchfpielsgemeinden in 
mancher Beziehung nicht unwefentlich gefchmälert und befchränft 
worden. Der Propft wurde in Norderdithmarjchen vom Kandes- 
herrn ernannt auf Dorfchlag von feiten des Gerichts der Cand⸗ 
fchaft (Eandvogt und Kirchipielvögte), welches drei Prediger zu 
präfentiren hatte, und zwar aus den Paftoren des Propfteibezirfes. 
(Die Diakonen waren hier ausgefcloffen; nur in Unkunde der 
bezüglichen Geſetzesbeſtimmungen oder aus Mißachtung derfelben 
fornnte es vorkommen, daß bei einer Präfentation zur Propflei- 
bedienung auch auf Diakonen geftimmt wurde.) Dieſe Präfentation 
durch das Gericht war eine Anomalie, die nicht auf Inftitutionen 
aus der Zeit der Sreiheit zurüdzuführen ift; der urfprünglichen 
Intention gemäß hätte das Landichaftskollegium präfentiren mäſſen. 
In Süderdithmarfchen ernannte der König den Propfl unmittelbar 
aus den Geiftlichen der Propftei. Die Pröpfte beider dithmarfcher 
Landfchaften waren anfangs nicht nur Spezial, fondern anch 
Generalvifitatoren, und Dithmarfchen Hatte mit der holfteinifchen 
Generalfuperintendentur nichts zu thun. Doch wurden in Süder:- 
dithmarjchen bald Difitationen durch den holfteinifchen General: 
fuperintendenten üblich. Norderdithmarjchen dagegen wahrte auch 
in diefer Binficht feine alte Unabhängigkeit während des ganzen 
Seitraumes von der Eroberung und Theilung des Landes an bis 
zur Wiedervereinigung unter einem £Zandesherrn und darüber 
hinaus, bis in diefes Jahrhundert hinein. Erft feit 1817 ift auch 
Norderdithmarfchen dem holfteinifchen Beneralfuperintendenten unter: 
ftellt, infofern als feitdem auch hier durch denfelben Difitationen 
gehalten werden. Doch blieb dem Propft das echt, die neu. 
erwählten Prediger der Propftei zu ordiniren und Dofationen im 





Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 17735. 611 


Damen des Königs zu fonftrmiren. Eebteres fteht feinem anderen 
Propften in den BHerzosthümern zu. — Nach dem 1601, am 
29. September, erfolgten Ableben des Propften M. Marcus Wrange, 
309 zwar der Herzog Johann Adolph die Brdinationen aus 
Norderdithmarfchen nach Schleswig zum dortigen Beneralpropft; 
aber die Landfchaft proteftirte dagegen, als einen Eingriff in ihre 
alten Gerechtigfeiten und Sreiheiten, der dem Kande zu merklicher 
Befchwerde und den Kirchen zu unnöthigen Hoften gereiche, worauf 
dann alles wieder in den alten Stand gefeßt ward und in der 
Solge darin belaffen wurde. Auch in Säderdithmarfchen war man 
gegen die Ordination durch den holfteinifchen Beneralfuperintendenten 
oder GBeneralpropft vorftellig geworden, und Fönigliche Derfügungen 
von 1699, 1707 und 1747 ficherten dem Propft, der übrigens 
nur Speszialvifitator war, während der Propft der Norderlandfchaft 
auch Generalvifitator blieb, wenigftens die Ordinationen zu, und 
feit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden denn auch die 
Ordinationen in Süderdithmarfchen regelmäßig wieder vom Propfte 
ausgeführt. Neben den Pröpften waren die Landvögte Kirchen- 
vifitatoren. In der erften Seit unter Sürftenherrfchaft gingen, 
wie es wenigftens in firchlihen Dingen recht und billig war, die 
Pröpfte den Landvögten vor; nachher aber fehrte fich, wie es nach 
der alten Erfahrung, daß, wenn KHirchliches und Staatliches mite 
‚einander willfürlich verquidt wird, in Kirchenflaaten das Staat- 
liche, in Staats: und Candeskirchen das Kirchliche immer zu kurz 
fommt, nicht anders zu erwarten war, das Derhältnig um, fo daß 
die Landpögte auch als Kirchenpifitatoren den Pröpften vorgingen. 
In Süderdithmarfchen pflegte der König, ohne Zweifel mit Rückſicht 
auf das Pollegialifche Derhältnig der Pröpfte zu den Candvögten 
als Kirchenvifitatoren, den jeweiligen Bauptpaflor zu Meldorf zum 
Propft zu beftellen. Nach Aufhebung der Propftei des Mitteltheils, 
jeit 1580, find in Süderdithmarfchen folgende Pröpfte gemefen: 

1. Peter Boje, Paftor zu Meldorf, ftand im Amte bis an 
jeinen Tod, den 31. Oltober 1597. 

39* 


612 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


2. Stephan Ramm, aus dem Küneburgifchen, war erft Rektor 
zu Jtehoe, ward 1592 Diafonus und 1598 Paftor und Propft 
zu Meldorf, geftorben 24. Dezeinber 1621. 

3. Dr. Ehrifian Matthiä (Larften Chießen) aus Epenwöhrden, 
1614 Rektor zu Durlach, 1618 Profellor der Theologie zu Altorf, 
1622 Paflor und Propft zu Meldorf, wurde 1629 vom Könige 
feines Amtes entjeßt, ward 1650 Profeſſor zu Soroe, ging 1641 
nach Holland, wurde Prediger zu Haag und ftarb ohne Bedienung 
zu Utrecht 1655. 

4. Dr. Johann Llüver, aus Krempe, wurde 1614 Diakonus 
zu Meldorf, 1621 Paftor zu Mare, 1623 Profeflor zu Soroe, 
1630 Paftor und Propft zu Meldorf, geftorben 25. Dezember 1633. 

5. M. Naamannus Bernhardinus, aus Hufum, ward 1619 
Paftor zu Hattitedöt bei Hufum, 1654 Paſtor und Propft zu 
Meldorf, geftorben 20. Dezember 1669. ® 

6. Alerander Chriſtiani, aus Greifswald, Sohn des Profeflors 
M. Alerander Ehriftiani, wurde 1659 Dialonus zu WMWöhrden, 
1661 zu Meldorf, 1670 Paftor und Propft dajelbft, geitorben 1677. 

7. Lajus Arend, aus Kianerau, 1639 Prediger zu Neuendorf, 
1654 Dialonus an der Stadtlirhe zu Glückſtadt, 1661 Paſtor an 
der Schloßlirche dafelbft, 1677 Paftor und Propft zu Meldorf, 
mwofelbft er 1691 farb. 

8. M. Binrich Hahn, aus Grammau in Medlenburg, wurde 
1678 Prediger in Bergen, 1681 Bejandtichafts-Prediger in Paris, 
16853 Prediger zu Beienfletk, war 1684 Hofprediger des Prinzen 
Georg in Kondon, behielt aber jeine Stelle zu Beienfleth, die er 
in feiner Abwefenheit verwalten ließ, wurde nach feiner Rückkehr 
1684 dem Propft Ehriftiani zu Meldorf adjungirt als Dize- 
Propft, wurde 1692 Paftor und Propft zu Meldorf und flarb als 
folder 1703. 

9. Siegfried Benzen, aus Schönfeld, 1686 Prediger im Stellau, 
1688 Paftor in Schönfeld, ward 1704 Paftor und Propft zu 
Meldorf. Er ftarb 1709. 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 613 


10. Peter Sander, aus Altona, 1700 dänifcher Seldprediger, 
1702 Feldpropſt, 1710 Paftor und zugleich Propft in Meldorf, 
wo er 1723 flarb. 

11. Peter Müller, aus Itzehoe, 1 704 dritter Prediger in Meldorf, 
1717 zweiter Prediger dafelbfl, ward 1723, den 23. Oktober, 
vom Könige unmittelbar, ohne Wahl, zum Hauptpaftor und auch 
zum Propft beftellt. Er flarb 1741 als Konfiflorialrath. 

12. Ehriftopk Dog, aus Meldorf, Sohn des dritten Predigers 
Martin Doß dafelbft, ward 1717 Nachfolger feines Daters, 1724 
erfter Kompafltor. Er war ein fehr eifriger und treuer Prediger, hatte 
als folcher viele Gegner in der Gemeinde und ward daher bei der 
Wahl zum Hauptpaftorat, zu welchem der König beide Kompaftoren 
des Ortes und einen auswärtigen Prediger präfentirt hatte, über- 
gangen, indem man den zweiten Kompaftor, Johann von Anden, 
an des Propſtes Müller Stelle zum BHauptpaftor wählte. Der 
König aber ernannte ihn, den erften Kompaftor, und nicht den 
neuen Hauptpaſtor, zum Propſt, 1741, 16. Juni. Er farb 
27. Januar 1742. 

13. Johann von Anden, aus Meldorf, 1724 zweiter Kompaflor, 
1741, 23. Mai, Hauptpaftor, und am 12. Sebruar 1742 auch Propft 
zu Meldorf, ftarb als Konfiftorialrath 1771. 

14. Jacob Jochims, aus Marne, 1745 Paftor zu St. Michaelis» 
donn, 1761 Paftor zu Burg i.D., 1771, 24. Juni, Hauptpaftor 
zu Meldorf und 19. Juli desfelben Jahres auch Propft dafelbft, 
ward 1781 Konfiftorialratk und farb 1790. 

Diefe Pröpfte ftanden alle zu Meldorf im Amte, und zwar, 
mit Ausnahme des Propftes Ehriftoph Doß, welcher als erfter 
Kompaftor zur Propftei berufen ward, als Hauptpaſtoren. 

In Norderdithmarfchen dagegen band man fich bei Beſetzung 
der Propftei an Feine beftimmte Kirche und konnte fih hier auch 
nicht an eine folcdhe binden, wenn das freie Präfentationsrecht 
gewahrt und ausgeübt werden folltee Bier waren Pröpfte 
nach 1380: 


614 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. 


1. M. Marcus Wrange zu Neuenkirchen, ftarb 29. Sep- 
tember 1601. 

2. Johann Schneck zu Neuenkirchen, ward, nachdem die 
Propftei bis dahin unbefegt geblieben, und die Ordination der 
Prediger zu Schleswig erfolgt war, 1606 Propft und farb 1615. 

35. M. Jacob Sabricius zu £unden, wurde 1615 Propft, ging 
aber 1616 als Hofprediger der verwitweten Herzogin Augufta 
nach Huſum, ward 1622 Hofprediger und Beneralpropft zu Gottorp 
und ftarb als folher 1695. 

4. Martin Dorftius zu WMefjelburen, ward 1618 Propft, 
ftarb 1628. 

5. Peter £udenius zu Weddingftedt, 1630 Propit, ftarb 1667. 

6. M. Hinrich Sifcher zu £unden, ward 1667 Propft und 
ftarb 1679. 

?. M. Johann Krüger, wurde Propſt 1680, farb 1681. 

8. Samuel Scultetus zu Beide, wurde 1681 Propft, ging 
1684 als Hauptpaftor an St. Petri nach Hamburg, wo er 
1699 ftarb. 

9. M. Martin Sifcher zu Eunden, wurde 1684 Propft und 
ftarb 1723. 

10. Binrich Engelbrecht zu Heide, ward 1 724 Propft, ftarb 1727. 

Il. Johann Wilde zu Tellingftedt, wurde 1728 Propft, 
17335 Konfiftorial-Affeffor, 1735 Oberlonfiftorial- und Kirchenrath, 
ftarb 1742. 

12. Beorg Binrich Srendel zu Neuenkirchen, wurde 1742 
Propft und 1756 auch ©berkonfiftorial- und Kirchenrath, ftarb, 
nachdem er 1771 fein Amtsjubiläum gefeiert, im Jahre 1773. 

13. Georg Dolquarz zu Kunden, wurde 1775, den 8. Mai, 
Propft, ward 1781 Konfiftorialrath und vr 1784, der re der 
fürftlich«gottorpifchen Pröpfte. 

Auch nach der Wiedervereinigung des Landes, unter tsnig⸗ 
licher Regierung, wurde in Vorderdithmarſchen bei Beſetzung der 
Propſtei nicht auf eine beſtimmte Kirche geſehen. Nach Volquarz 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Eandesherrn — 1773. 6 [5 


waren hier Pröpfte: Johann Nicolaus £eithäufer zu Tellingftedt, 
geftorben 1816, Karl Andreas Schetelig zu Heide, geftorben 1825, 
Albert Jürgens zu Weddingftedt, legte 1838 fein Amt nieder, 
Georg Konrad Schetelig zu Heide, ging 1861 als Paftor nad 
Borsfleth, Simon Gerſtenkorn Simonfon zu £unden, wurde 1864 
Paftor zu Handewith, Karl Auguft Thomfen zu Neuenkirchen, 
1. Auguft 1864 konſtituirt, nachher beftallter Propft, fand noch 
im Amte nach der Annerion der Herzogthümer, der letzte Propft 
der Landichaft unter Herrichaft der Föniglichen Cinie des Haufes 
Oldenburg, rejp. Holſtein Dänemark; in Süderdithmarfchen blieb 
die Propftei anfangs noch nach wie vor bei der Kirche zu Meldorf, 
und zwar bis 18350, nachher wurde auch bier nicht mehr auf 
eine beftimmte Kirche bei Bejegung der Propftei ausfchlieglich 
Wücjicht genommen. Auf Jochims folgten Bier in der Propfter 
Binrich Johann Doß, ftarb 1803, Hinrich Ehriftoph Elafen, wurde 
1830 Paftor zu Tlienftedten, Heinrih Schmidt zu Eddelad, trat 
vom Amte ab 1845, Anton Nicolaus Martens zu Burg, ftarb 
1848, Jacob Hansjen zu Meldorf, bis zum 2. Sebruar 1853, 
Johann Philippfen zu Mare, der lebte Propft der Landfchaft 
vor der Annerion, ftarb 1867. 

An den zwölf Kirchen in Norderdithmarfchen fanden dreiund- 
zwanzig und an den dreizehn Kirchen in Süderdithmarfchen 
einundzwanzig Prediger. Wöhrden, Büfum, Neuenkirchen, Hemme, 
Eunden, Meddingftedt, Heide, Hennftedt, Delve, Tellingftedt, 
Alberftorf, Eddelad, Brunsbüttel, Marne und Barlt hatten je 
zwei, St. Annen, Schlihting, Nordhaftedt, Süderhaftedt, Burg, 
St. Michaelisdonn, Windbergen und KHemmingftedt je einen, Meldorf 
und Weſſelburen je drei Prediger. (Don den Damals noch vor- 
handenen vierundvierzig Predigerftellen des Landes find ſeitdem 
eingegangen: das Diakonat zu Hemme 1775, das Dialonat zu 
Büfum 1807, das Archidiafonat zu Weſſelburen 1808, das Diafonat 
zu Weddingftedt 1810 und das Diafonat zu Bartl 1813, wodurd 
die Sahl der Predigerftellen auf neununddreißig herabging, fo 


616 Dierter Abſchnitt. Zweite Abtheilung. 


dag diefelbe jetzt mit der Stelle im Kaifer-Wilhelns-Koog vierzig 
beträgt. Die eine oder andere der Stellen, wie das Diafonat zu 
Ueuenfirchen, ift wohl zur Seit unbefeßt, doch noch nicht definitiv 
aufgehoben, daher noch mitzuzählen.) Schon zu Anfang des 
vorigen Jahrhunderts waren die damals noch vorhandenen Dia- 
fonate zu Norder- und Süderhaftedt, Hemmingſtedt und Burg 
aufgehoben worden. Das Diafonat zu Nordhaftedt ging 1707 
ein, das zu Süderhaftedt 1711, das Hemmingſtedter 1712 und 
das zu Burg 1719. Grund der Aufhebung war, daß die betreffenden 
Gemeinden zwei Prediger nicht mehr angemeffen befolden konnten, 
und am Ende des Zeitraumes, furz vor der Wiedervereinigung 
des Landes, war es mit den Einkünften der Prediger, nanıentlich 
in der gottorpifchen Norderlandſchaft, fo fchlecht beftellt, daß fie nicht 
mehr zum nothdürftigen, flandesmäßigen Unterhalt hinreichten. 
Bolten (1V, 399) fagt: „Seitdem die Preife geftiegen, und Die 
Gemeinden nicht mehr im Wohlftande wie vormals, find nur 
einige Prediger wohl verforgt, wogegen andere, falls fie nicht 
eigenes Dermögen befigen, nicht den nothdürftigen Unterhalt haben“, 
und Sehfe Machr., p. 589) bemerkt: „Jetzt können zwei Prediger 
hier (in Hemme) ihren Unterhalt nicht haben und flerben in 
Schulden. Bei dem vormaligen Anjehen aber haben alle Hausleute 
ihre Söhne ftudiren laflen. Sie waren dabei felbft Sreunde von 
Gelehrten und forgten, dag Kirchen und Schulen mit begabten 
Männern verjehen würden.” „Anfehnliche Männer,” fährt Sehe 
fort, „haben hier bei der Schule das Rektorat befleidet, welche 
auch weiter befördert worden, als Herr Johann Beiendorf, ward 
1589 Prediger zu Nordhaftedt, Air. M. Stephan Scultetus, ward 
Diafonus zu Hemme und von da Paftor an der Beil-Beift-Kirche 
zu Hamburg, Herr Johann Wilde, ward Paftor in Heide, Herr 
Hermann Groffermann Prediger zu Tetenbüll. Jetzt fteht ein 
Einziger, und zwar feit 1750 gar ein Unftudirter, der Schule vor, 
der den Titel eines Schreib» und Rechenmeiſters hat." Mit dem 
Kirchen- ſank auch das Schulwefen. In den meiften Kirchipielen 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Landesherrn — 1773. 6 17 


hatten ſich aus der Blüthezeit der Sreiheit her neben den ge 
mwöhnlichen Orts: und Diftriktsfchulen noch Kirchipiels-Lateinfchulen 
erhalten mit ftudirten Rektoren, deren manche, wie die zu Heide, 
Weffelburen, Wöhrden, Eunden und Bennftedt, außer dem Rektor 
noch einen ftudirten zweiten Kehrer als Konreltor oder Kantor 
hatten, fo daß es in Dithmarfchen für die Eingefefienen immer 
noch ein Leichtes war, ihren Kindern eine höhere und felbft gelehrte 
Bildung zu geben. Zur Sörderung der Studien dienten Stiftungen 
mancherlei Art, von welchen aus der legten Zeit der Sreiheit die 
Stiftung des Chriftian Bed, eines vom Kaifer Karl V. in den 
Reichsfreiherrenftand nobilitirten Dithmarfchers aus dem Dogde- 
mannengefchlecht, der als Kantor am Paiferlichen Hofe, Kanonifus 
an St. Peter zu Löwen und Pfarrer zu Gouda 1540, 21. Sep- 
tember, zu Löwen ftarb, auf die Gegenwart erhalten worden ift. 
Ehrifiian Bed beftimmte durch Teflament vom 16. Juli 1539 und 
Kodicille vom 13. und 15. September 1540, einen großen Theil 
feines Dermögens zu vier Stipendien (Burfen), die völlig freies 
Studium gewähren, für Studirende der Philofophie, des Rechts 
oder der Iheologie, auf je vier Jahre zu verleihen, zunächſt an 
Anverwandte des Stifters, Die das Wappen der Dogdemannen 
beibringen, fodann für Dithmarfcher überhaupt, und wenn folche 
nicht um diefelben konkurriren, an unbemittelte Studirende von 
Gouda und Köwen. Das zu Weffelburen hinterlegte Diplom der 
Stiftung, welch leßtere, nach Tleocorus, noch vom M. Marcus 
Wrange und M. Henning Muhle, die Beide zu Löwen fludirten 
und dafelbft auch die Magifterwürde erlangten, genofjen worden, 
ift zwar verloren gegangen; die alten Beftimmungen aber find 
bei Wiedereröffnung der Univerfität 1817 durch ein aréête royale 
aufrecht erhalten worden. So war es auch weniger bemittelten 


I In dem „ardte royale“ heißt es: Fondateur Chretien Becke en 1539. 
Objet, Etude de la philosophie, droit ou theologie. Ont droit: ı. les parents 
du fondateur, 2, les habitants du comt€ de Ditmars, 3. les etudiants pouvres 
de Gouda et Louvain. Les proviseurs sont les cur€s de Notre Dame, dite de 


618 Dierter Abfchnitt. Zweite Abtheilung. ' 


Einwohnern ermöglicht, ihre Söhne zu höheren Studien zu bringen. 
Aber auch hier machte ſich der Rückgang im Wohlflande des 
Landes, und zwar in hervorragendem Maße, bemerkbar. Die 
Gemeinden waren nicht mehr im ftande, die Befoldung der Lehrer 
an den Lateinfchulen auf angemefjener Höhe zu erhalten, es fanden 
ſich daher bei entitandenen Dafanzen der betreffenden Schulftellen 
feine Bewerber mehr aus den Kreifen ftudirter Männer, eraminirter 
und promopirter Theologen und Philologen, auf welche reflektirt 
wurde, und man mußte in der Solge nothgedrungen anftatt der 
bisherigen lateinifchen £ehrer fog. deutjche Schulmänner nehmen. 
Dadurch wurden die Kirchjpiels -Lateinfchulen zu gewöhnlichen 
Dolfsfchhulen, deren Kehrer den alten lateinifchen Titel der Dor- 
gänger weiterführten. Die Lateinjchulen gingen aus Mangel an 
Subfiftenzmitteln, zunächit in Pleineren Kirchipielen, wie Hemme 
und Büſum, dann auch in den größeren Kirchfpielen, allmählich 
ein. Als 1775 das Rektorat zu Büfum in den Zeitungen als 
vafant ausgefchrieben ward und man unter Herrechnung der damit 
verbundenen Einkünfte und Derrichtungen bejonders qualifizirte 
Männer zur Bewerbung um dasfelbe aufforderte, erregte das 
öffentliches Auffehen und veranlaßte gar eine befondere Schrift, 
voll Wis und Satire, welcher ein Entwurf zu einem Heldengedicht, 
der Rektor zu Büfum, beigefügt war: „Sendfchreiben an die 
Kirchenvorfteher und die übrigen Einwohner zu Büjum in Xorder: 
dithmarfchen, fleißig durchzulefen, ehe fie zur Wabl eines Rectors 
ſchreiten. Nebſt einem Heldengedicht: der Rector zu Büfum“, 
worauf von einem Dithmarfcher Derfafjer in einer Schrift: „Zu—⸗ 
fällige Gedanken über die zu Büſum beporjtehende Rectorwahl“, 
1775 in 8, geantwortet ward, worin das Derlangen des Kirchipiels 
Büfun nach einem ftudirten Mann zum dortigen Rektorat gerecht: 
fertigt, bezw. entjchuldigt wurde. Büfum befam aber feinen 


Vleminecke Capelle a Louvain. — Aus fpäterer Zeit find zu nennen: das 
Tiesſche, Bruhnſche, Krahmerſche und Kloftermannfche Stipendium. Das 
Rixenſche datirt erft von 1792. (Paulfen, Stipend., Schleswig 1863.) 


Don 1580 bis zur Wiedervereinigung unter einem Kandesherrn — 1773. 619 


ftudirten Rektor wieder, fondern mußte ſich mit einem unftudirten 
einrichten, neben welchem ein Rechenmeifter fungirte. Aehnlich wie 
Büfum in diefer Beziehung erging es anderen Kirchfpielen des 
Candes, und von den ehemaligen Kirchipiels-Lateinfchulen gelangte 
faum eine auf unfere Zeit — | 
Das Land, defien Reichthum fprichwörtlich war zur Zeit der 
Sreiheit, war unter Sürftenherrichaft materiell fo heruntergefommen, 
daß die Einwohner nicht mehr das aufrecht erhalten fonnten an 
Kirchen und Schulen, was die Dorfahren geftiftet und gegründet 
hatten. Candplagen, fchlechte innere Derwaltung und Untreue der 
Dorfteher und Bebungsbeamten des Landes werden in diejer 
Rückſicht von Ehroniften zur Erklärung herbeigezogen. Allein all 
diefes und dergleichen gab es in freien Dithmarfchen auch. Land» 
plagen, wie fie von alters her fih immer wiederholt haben, 
fonnten den gemeinen Wohlſtand nicht leicht untergraben, wo von 
gefegneten Jahren her für fchlechte Seiten Vorrath aufgefammelt 
war, und der Untreue von Derwaltern ind Beamten zi begegnen, 
war eben Sache des Kandesregiments. Die Beträge aber, welche 
dem Kande Durch Kontributionen, Schaßungen, Ertra-Auflagen 
und «Zulagen, Dorjchüffe und Darlehen, Einquartierungs-, Zoll 
und Accife-Ablöfungen, wiederholte Beftätiaungen von an fich un- 
verbrüchlichen Derträgen, Sreiheiten und Privilegien, fortdauernde 
Lieferungen an Sreund und Seind in den langwierigen Kriegen 
zwifchen den beiden Kinien des regierenden Haufes, Brand- 
fchaßungen zc. dauernd entzogen wurden, fie repräfentiren eine 
Summe, bei deren auch nur annähernd genauer Dergegenwärtigung 
es begreiflih wird, daß im Kaufe der Jahrhunderte im freien 
Dithmarfchen ein Maß des Wohlftandes fich anhäufte, welches 
den Neid der Nachbarn erregte und Anlag wurde zu der. Rede 
von dem Lande, wo die Säue aus filbernen Trögen fräßen. Die 
Sürftenherrfchaft, die das Kand in zwei wider einander feindlich 
geftimmte Theile zerrifien, hatte dasjelbe auch zum materiellen 
Ruin geführt. Dem elenden Zuftande der Zerriſſenheit wurde 


620 Dierter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


durch den Derzicht der Kottorper ein Ende gemacht. Ditkmarfchen, 
durch den Stammovater der Gottorper Linie, den Herzog Adolph, 
vornehmlich um freiheit und Einheit gebracht, erlangte durch den 
Derzicht diefer Linie auf die Herrfchaft wenigftens die Einheit 
zurüc, und das durch den fortwährenden Streit der Bottorper mit 
der Föniglichen Einie fchwer gefchädigte Land erhob fih in der 
Solge, unter einheitlichem Föniglichen Regiment, aus dem Zuftande 
der Dürftigkeit, in welchen es gerathen war, zum heil wieder zu. 
früherem Wohlitande. 


Dritte Abtheilung. 

Don 1273 bis auf unfere Zeit. — Befeitigung der Herrfchaft 

der Herzoge von Holftein ans dem Haufe der Eroberer des Landes 
über Dithmarfcden. 

Mit der Uebergabe des Bottorper Antheils an der Regierung 
an die Fönigliche Linie fchließt die Weihe der infolge der Cheilung 
Dithmarfchens von 1559 eingetretenen UImgeftaltungen ab. Nachdem 
das Land durch den Derzicht der GBottorper die 1559 mit der 
Sreiheit ihm geraubte Einheit wieder erlangt, Tönnen die Er- 
eignifje der Solgezeit, nach 1773, die Dithmarfcher Befchichte, 
fofern diefelbe Landes: und nicht nur Provinzial»Befchichte ift, nur 
infoweit angehen und berühren, als fie das durch die Eroberung 
des Landes 1559 an die Stelle der Altdithinarfcher Landesfreiheit 
gejegte Unterthanenverhältniß der — zu den Herzogen 
von Holſtein betreffen. 

Seit 1773 war der König Chriſtian VII. alleiniger Regent 
in den Herzogthümern. Der Statthalter im bisherigen Föniglichen 
Antheil und Gouverneur von Süderdithmarfchen, Landgraf und 
Prinz Earl von Heſſen⸗Caſſel, wurde zum Statthalter beider Herzog⸗ 
thüämer und zum Gouverneur des Sürftentyums Dithmarfchen 
beftelt. Die Herzogthümer hatten ihre gefonderte Derwaltung, 


Don 1773 bis auf unſere Zeit. 621 


Dithmarfchen hatte fein eigenes Gouvernement. Tie Eigenart der 
Provinzen wurde gefchont, und Zufriedenheit herrichte im Kande. 
Der Wohlftand hob fich unter fürjorglicher Derwaltung, und mit 
der materiellen Kultur ftieg auch die intelleftuelle. Kunft, Wiſſen⸗ 
ſchaft und allgemeine Dolfsbildung wurden kräftig gefördert, und 
eine wohlgeordnete Sreiheit herrſchte auf allen Gebieten des Staats» 
lebens. Es war eben damals die für Dänemarks innere Der- 
. waltung fo glorreiche Seit des Wirfens eines Peter Bernftorf im 
Anbruc, des jüngeren Bernftorf, defjen Tod am 21. Juni 1797 
als ein Unglüf für Dänemark nicht nur, fondern auch für Zuropa 
galt, und dem der Hiſtoriker Kammerkerr P. F. Suhm den 
Nachruf und die Grabfchrift weihte: „Bernftorff ward uns ent- 
rifien! — und es klagten die Mufen, das Daterland und die 
Tugend. Die Religion fpricht: Klaget nicht, Schweftern! nicht 
entrifjen ward er, nur verſetzt. Ihr Mufen, finget fein Lob! 
Daterland, des Schußengel er war, heilig ſei dir fein Andenken! 
Tugend bilde Diele ihm gleich. Jch führe ihn in höhere Woh- 
nungen ein, in die glüclichen Befilde der Seligen, damit er dafelbft 
den Srommen GBejeße gebe.“ Der frühere Gegenſatz zwifchen fürft- 
lichen und Löniglichen Unterthanen verjchwand bald in gemein: 
famer Hinneigung zum Königshaufe, und nach dem Zeugniſſe der 
Gefchichtsfchreiber damaliger Seit zeichneten fich vornehmlich die 
freiheitliebenden Dithmarfcher durch eine ftarfe Fönigstreue Ge: 
finnung aus, den alten Normannen gleich, die ein Dichter zwar 
zutreffend fprechen läßt: „uns gilt das Szepter gar nicht viel, nicht 
mehr halt, als ein Befenftiel: Der König fei der begre Mann, ſonſt 
fei der beßre König!", die aber niemals ihre Könige im Stich 
liegen. Die Könige von Dänemarf bewahrheiteten durch die That 
das Wort, daß das abfolute Königthum, in rechten Händen, ein 
fiherer Hort wahrer Dolfsfreikeit if, während fonft wechjelnde 
Majoritäten die jeweilige Minorität drücden und tyrannifiren. Die 
freibeitlichen Inftitutionen und freikeitlichen Privilegien der Dith- 
marſcher, von holfteinifcher Seite immer mit Scheelfucht und Mißgunſt 


622 Dierter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


betrachtet, auf Anregung von diefer Seite her aus „Gründen der 
Parität“ fpäter, unter fonftitutionellem Regiment, auch theilweife 
aufgehoben und befeitigt, fie fanden, wenn die Dithmarfcher in 
Pafftvität Ddiefelben nicht ftillfichweigend preisgaben, fchließlich 
immer fräftigen Schuß bei dem durch Feine Tonflitutionelle Rück⸗ 
fihten beengten und beſchränkten Landesherrn, als Herzog der 
Dithmarfcher. Hatten die Dithmarfcher bis dahin immer als 
Wappen den filbernen geharnifchten Reuter im rothen Selde 
geführt, fo feßten fie nun, nach der Dereinigung unter einen 
Landesherrn, das dänifche Kreuz anftatt desfelben auf ihre Slaggen. 
Bolten (I, 180) fagt fchon in Beziehung auf die Zeit um 1780: 
„Jetzo kommt es jedoch bei den dithmarfifchen Seefahrern fehr ab, 
den Reuter auf ihre Slaggen zu nehmen, wogegen fie faft durch- 
gängig das dänifche Kreuz fegen.” Uroß der nominellen Zu- 
gehörigfeit mit Holftein zu einem Herzogthum neigten die Dith- 
marfcher immer noch, wie einft zur Seit der Unabhängigfeit, mehr 
zu Dänemark, als zu Holftein hin; niemals bedienten fie fich hol- 
fteinifcher Wappenzeihen. Weil in dem damaligen Holftein zu 
freier Kraftentfaltung für Dithmarfchen mit der Erinnerung feiner 
großen Dergangenheit nicht der geeignete Spielraum gefunden 
werden konnte, hatten die Dithmarfcher nach der Eroberung fich 
in Ordnung ihrer Angelegenheiten immer möglihfi von ihren 
Nachbarn ifolirt gehalten und von denfelben wenig Notiz ge- 
nommen. Die alte ererbte Abneigung gegen Holftein machte fich 
immer noch ſtark geltend, und eine Aenderung in diefer Beziehung 
erfolgte erft allmählich, nach der Zeit der deutfchen Sreiheitstriege, 
zu Anfang diefes Jahrhunderts, zumal nach der zweiten fran- 
3öfifchen Wevolution, als wie überall fonft in deutichen Canden, 
fo auch hier der verlodend klingende Auf nach repräfentativer 
Derfafiung laut wurde. 

Als mit Aufhebung des deutfchen Reichsperbandes, 1806, die 
bisherige Befchränfung des Landesregenten für das Herzogtkum 
Holftein durch die Reichsverfaſſung aufhörte, wurde Holftein, durch 


Don 1773 bis auf unfere Zeit. 625 


Patent vom 9. September desfelben Jahres, der dänifchen Monarchie 
imforporirt. Das hierdurch gefchaffene Derhältniß dauerte bis 1814, 
bis zur Errichtung des Deutfchen Bundes, dem der König 
Sriedrich VI., der am 13. März 1808 feinem Dater, Lhriftian VII., 
auf dem Thron gefolgt war, als Herzog von Holſtein beitrat. 
Holftein wurde eine landftändifche Derfafiung verheißen, gemäß 
Artilel 13 der Bundesalte von 1815. Die Dermwirllichung der 
bezüglichen Derheißung ließ aber lange auf fich warten, in Holftein 
wie in Norddeutfchland überhaupt. Während in Süddeutjchland 
in den Jahren 1815 —1820 zeitgemäße Aepräfentativ-Stände ein- 
geführt wurden, zeigte fih Norddeutfchland, mit Ausnahme 
Weimars, für politifche Reformen wenig empfänglich. Hier blieb 
es meift bei Wiederherftellung alter Sormen und Gerechtfame. 
Cheils blieben die alten, das eigentliche Dolf ausfchließenden land- 
ſtändiſchen Rechte der Prälaten, Ritter und privilegirten Städte in 
Geltung, theils wurden neue Derfaflungen im alten feudaliftifchen 
Geift gegeben, theils wurden alle Derfuche der Regenten, die alte 
Derfafjung abzuändern, vereitelt durch Widerftand der Ariftofrotie, 
welche fich der Neuerung mehr abgeneigt zeigte, als die Kandes- 
regenten, die in vielen Stüden durch die alten Landftände mehr 
befchränft waren, als durch das volfsthümliche Nepräfentativ- 
ſyſtem. In Preußen wurden nach langem Zögern Propinsial- 
ftände, die ohne Neichsftände beftehen follten, eingeführt, während 
in ©efterreih es beim Alten verblieb. Mit der Zuſage des 
Artifels 13 der Bundesafte auf Einführung einer ftändifchen Der- 
fafjung war das Alles wohl vereinbar, indem der Wortlaut in 
diefem Artikel: „in allen Bundesftaaten wird eine landftändifche 
Derfafjung Statt finden”, es ganz unbeftimmt ließ, ob wirkliche 
zeitgemäße Aepräfentativftände oder veraltete Seudalftände, be- 
fchließende Reichs⸗ oder bloß berathende Propinzialftände verheißen 
feien und ob das Derheißene früh oder fpät in Erfüllung gehen 
ſolle. Hierauf geftüßt, widerftrebte die Ddänifche Regierung be= 
harrlich den Sorderungen Bolfteins wegen Erfüllung des Artikels 13 


624 Dierter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


der Bundesalte, jowie auch den Wünfchen und dem lautwerdenden 
Derlangen des dänifchen Dolls nach repräfentativer Derfaflung. 
Sie hatte, trog wohlmeinendfter Abfichten und liberalfter Geſinnung, 
die triftigften Gründe dazu. Das Aufblühen des Fonflitutionellen 
Lebens lieg überall in Deutfchland das Derlangen nach nationaler 
Einheit ftärfer laut werden, und das ſchreckte und erbitterte Diele, 
zumal nach den Schrecensicenen der Ermordung Koßebues durch 
Sand am 23. März 1819 und des bald darauf erfolgten Mord: 
verfuchs des Apothelers KLöning gegen den naflauifchen Präfidenten 
von Ibell, und machte auch wohlmeinende Sürften der Gewährung 
repräfentativer Derfaflung abgeneigt. Wo, wie in deutjchen Eanden, 
nur eine ariftofratifche Partei der Einführung folcher Derfaflung 
widerftrebte, da erreichten die Kandesherren, welche den ernten 
Willen der Wechtsgewährung hatten, ihr Ziel, joweit die Politif 
der europäifchen Mächte es geſtattete. Wo aber, wie in Den 
Niederlanden, ungleichartige Dölkergruppen die Befanıtheit bildeten, 
herrfchte Zwietracht im Volke felbft, gegründet auf Derfchiedenkeit 
der hiftorifchen Rechte, der Sitten, Intereffen und Sprachen, und 
bier war es der Begierung unmöglich, eins zu werden mit der 
Nation, weil das, was für den einen Theil liberale Rechts⸗ 
gewährung war, den andern als Raub und Srevel an verbrieften 
Rechten abftieg und empörte; hier brachte die Konftitution, trotz 
wohlwollendfter Geſinnung des Kandesherrn, Spaltung, Unheil 
und Derderben anftatt erhofften Segens. Dadurch gewarnt, mochte 
wohl die dänifche Regierung mit der Einführung ftändifcher Der- 
fafjung zögern. Nach der Julirevolution von 1830 in Paris, 
deren Ausbruch als eine allgemeine Lofung zu Erneuerung der 
Sreiheitsbeftrebungen erfchien, machte fi die Sorderung nach Re— 
formen überall in Deutfchland mit erneuerter Stärke vernehmbar; 
in mehreren deutfchen Ländern, wie Braunfchweig, Kurheflen und 
Sachen, machte fie fich gewaltfam geltend. In Holftein wurde 
die Sorderung nach Reformen vornehmlich durch den Sriefen Uve 
Jens Kornjen, einen Jenenfer Burfchenfchafter, in Schrift und 


Don 1773 bis auf unfere Zeit. 625 


Wort zum Ausdrud gebradt. LCornſen, der eigentlich nur die, in 
Holftein damals noch neuen Ideen und Sorderungen der deutfchen 
Burfchenfchaft freimüthig vertrat, wollte nicht Kosreißung der 
Derzogthümer von Dänemarf; er forderte nur Wiederherftellung 
der im Privilegiumsbriefe Ehriftians I. von 1460 gemwährleifteten 
Selbftändigfeit und der landftändifchen Derfafjung der Berzog- 
thümer. — König CEhriftian I. hatte am Tage feiner Erwählung 
zum Herrn der Lande Schleswig und Holftein, am Mittwoch nach 
Jnoocapit 1460, für Schleswig und Holftein einen Privilegiums- 
brief ausgeftellt; er beftätigte darin die Weife der Regierung nach 
der const. Waldemariana: der König ift nicht als König von 
Dänemart Herr und Sürft der Lande Schleswig und Bolftein, 
fondern aus bloßer Gunſt; es foll, fo lange der Mannsitamm des 
Königs dauert, immer ein Sohn, und wenn fein Sohn vorhanden, 
einer der nächften Erben des lektverftorbenen Regenten zum Berrn 
der Lande gewählt werden; der König beftätigt fodann in dem 
Privilegiumsbriefe den Prälaten, der Geiftlichfeit, der Ritterſchaft 
und allen Einwohnern ihre Nechte; Schleswig und Holftein follen 
ewig beifammen bleiben ungetheilt, der König will feine Steuern 
auferlegen ohne Einwilligung der Stände; die Einwohner der 
Lande follen nicht vor ein auswärtiges Gericht gefordert werden 
und nicht außerhalb Landes Beeresfolge zu leiften haben; Geiſt— 
liche und Ritterfchaft befommen für ihren Bedarf Sollfreikeit. 
Zu diefen Sreiheiten fommen dann noch befondere Dergünftigungen 
für den Bauernftand. Noch einen Privilegiumsbrief fertigte der 
König aus 1460, am Sonntage Palmarum, zu Kiel: Der König 
wi feinen Krieg führen ohne der Stände Zuftimmung ; jährlich 
follen die Stände vom Könige zum Landtage zufammengerufen 
werden, für Holftein im Felde bei Bornhöped, für Schleswig auf 
dem Urnefelde.! Bierauf bezog ſich Eornfens Forderung. Letztere 


! Diefe Beftimmung zeigt deutlih, daß an ein „Schleswig-Bolftein“ 
gar nicht gedacht wurde und daß die Beftimmung: „fe follen beifammen 
bleiben ewig ungetheilt" nur befagt, daß die beiden Eande einheitlich regiert 


Dithmarfcher Gefchichte. +0 


626 Dierter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


an fi war faum von Bedeutung. Doch mochte die Regierung 
aus der freien Sprache Lornjens entnehmen, daß das Derlangen 
nach repräfentativer Derfafiung ein tiefergehendes geworden, und 
fie gewährte wenigftens Provinziallandtage. Unterm 28. Mai 1831 
erließ der König ein allgemeines Gefeg wegen Anordnung 
von Provinzialftänden in den Herzogthümern. Es wurde die 
für Bolftein verheißene ftändifche Derfafiung eingeführt und 
zugleih auch für Schleswig die Einführung einer gleichen Der: 
faffung angeordnet. Die Holfteinifchen Stände traten am 
1. Oftober 1835 in Itzehoe zujammen, die "fchleswigfchen am 
11. April 1836 in der Stadt Schleswig. Dithmarfchen, in feinen 
Candeskollegien im Grunde, bei feiner befonderen Derfaffung, hin- 
länglich repräfentirt, ftand der Einrichtung holfteinifcher Provinzial» 
ftände ziemlich fühl gegenüber, und daß es in Dithmarfchen wohl 
ftand, auch ohne holfteinifche Propinzialftände, dafür zeugt es, 
wenn gerade ein Dithmarfcher, wie Klaus Harms, der ftets frei« 
müthig für Recht und Wohlfahrt des Landes eintrat, fich des 
Wortes annahm: „Heiße gern die Konftitution eine Blüthe der 
Zivilifation, ihre Srucht ift die abfolute Monarchie. Der abfolute 
Monarch ift felbft ein Sivilifirter und herrfcht über Zivilifirte, 
zwifchen welchen und ihm edlere, feitere Bande gefnüpft find, 
Bande des Dertrauens und der Hingebung, denen der Ehe gleich, 
und Bande der Religion. An den beiden Enden der Sivilifation 
liegt das abjolute Königthum, an dem unteren, wenn fie auffprießt, 
und an dem oberen, wenn fie volllommen ausgebildet ift; in der 
Mitte hat das Konftitutionelle feinen Wandel. Keine Rüdichritte ! 
Sind irgendwo Stufen überfprungen von den Dorfahren, fo laffe 
die Gegenwart es ihr Beftreben fein, durch Sortichritte in der 
Sivilifation den gefchehenen Ueberfprung als nicht gethan aus der 
Geſchichte wegzubringen, nicht aber als Zeugniſſe davon wiederum 
Konſtitutionen aufzurichten.“ Don endgültiger Beſeitigung einiger 


werden, nicht, wie unter den Schauenburgern mit Holftein geſchehen war, 
an verfchiedene regierende Herren vertheilt werden follten. 


Don 1773 bis auf unfere Zeit. 627 


Privilegien abgefehen, ift denn auch in Bezug auf Dithmarfchen 
aus dem Wirken der damals ins Leben gerufenen holfteinifchen 
Propvinzialftände gerade Fein befonders nennenswerthes Ergebniß zu 
verzeichnen geweſen. Die Befchidung der holfteinijchen Provinzial. 
ftändeverfammlung von feiten der Dithmarfcher hatte jedoch zur Solge, 
daß durch gemeinfames Wirken zum Wohle der Gefamtheit der alte 
Gegenfaß zwifchen Dithmarfchern und Holfteinern an Schärfe verlor. 
Dornehmlich war diejes der Sal infolge der Berbeiziehung der 
Erbfolgefrage für Dänemark und die Herzogthümer in die Der- 
handlung der holfteinifchen Stände. Der König Sriedrich VI. ſtarb 
1839, 3. Dezember, und fein Detter Ehriftian VII, Entel 
Sriedrichs V., folgte auf dem Thron. Chriftian VIII. hatte nur 
einen Sohn, den Kronprinzen Sriedrich Carl Ehriftian, und diefer 
lebte in finderlofer Ehe. Es ftand aljo das Erlöfchen des Manns- 
ſtammes der älteren Föniglichen £inie des regierenden Haufes zu 
erwarten. Im Königreiche war nach dem fog. Königsgefeß von 
1660 die Krone in männlicher und weiblicher £inie des Regenten⸗ 
haufes erblih; in den Berzogthümern aber follte, laut des 
Privilegiumsbriefes Ehriftians I. von 1460, der Regent der Lande 
immer aus dem Mannsftamme des Königs Ehriftian genommen 
werden. Diefes wurde, mit Beziehung auf die finderlofe Ehe des 
Kronprinzen, in der holfteinifchen Ständeverfammlung von 1842 
zur Sprache gebracht. Auf die Bemerfung hin, daß es unmotipirt 
und voreilig fei, auch in Hinficht auf die lebenden Mitglieder des 
Königshaufes als taltlos erjcheinen müffe, diefe Sache zu ver- 
handeln, wurde diefelbe fallen gelaffen, fein Antrag geftellt und fein 
Beſchluß gefaßt. Doch hatte die Anregung der Sache in der 
Ständeverfammlung zur Solge, daß nun in der Tagesprefle, in 
Schriften, in Derfammlungen und Zufammentfünften die Erbfolge- 
frage ernftlih verhandelt wurde. Es trat dabei als freudige 
Hoffnung einer Partei ziemlich unverhehlt die Anficht hervor, daß, 
wenn der Mannsflamm der regierenden älteren Linie ausflürbe, 
im Königreiche der weibliche Stamm diefer Einie, in den Berzog- 
40° 


628 Dierter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


thümern aber der Mannsftamm der jüngeren föniglichen Einie zur 
Aegierung kommen werde, und fo durch Trennung der Regierung 
der Herzogthümer von der des Königreichs die Selbftändigkeit 
der Lande Schleswig und Holftein ohne weiteres hergeftellt fein 
würde.! Durch die Öffentliche Derhandlung der Sache angeregt, 
beantragte die jütifche Ständeverfammlung von 1844 eine Erklärung 
der Regierung über die für beide Landestheile, das Königreich 
und die Herzogthümer, gleichermaßen gültige Erbfolge. Der 
Regierungskommiſſar erflärte darauf, daß der König zwar das 
Sufanımenbleiben aller Eandestheile wünfche, dag aber durch eine 
einfache Erflärung hier nichts zu erreichen fei, da die Erbfolge 
auch durch den König nicht einfeitig geändert werden fönne. Die 
jütifche Ständeverfammlung wurde im September geſchloſſen. Im 
Ofttober desjelben Jahres traten die Stände der dänifchen Inſel⸗ 
länder zufammen, und diefe beantragten nun, der König wolle zur 
öffentlichen Kenntniß bringen, daß die ganze Monarchie ein unzer- 


1 Die „jüngere Kinie" des Königshaufes ift die Sonderburger Linie, 
von König Ehriftians III. Sohne Johann geftiftet. Chriftians III. Sohn 
Friedrich II. wurde König und feßte als foldher die Hauptlinie fort. Er 
räumte 1564 feinem Bruder Johann „als reichlidye Apanage” die Fürften- 
thämer Sonderburg und Plön ein, und diefer wurde dann Stifter der 
Uebenlinie Sonderburg- Plön. Johann hatte 10 Söhne, von denen 4, 
Alerander, Friedrich, Philipp und Joahim Ernft, das Geflecht fortſetzten 
und ebenfoviele Sweiglinien ftifteten. Alerander ftiftete die Linie Sonder- 
burg, Friedrich die Linie Xorburg, Philipp die Linie Slüdsburg, Joachim 
Ernft die Linie Plön. Die Zweiglinie Sonderburg theilte fi unter 
Aleranders Söhnen wieder in 5 Linien: Johann Chriftian ftiftete die Linie 
Sonderburg-Sonderburg. (Weil er verfduldet war, übernahm der König 
feine Befigungen, bezahlte die Schulden und gab das Uebrige an den Sohn 
des Schuldners, Chriftian Adolph, der dann Franzhagen in Lauenburg 
faufte — Linie Sranzhagen.) Alerander Heinrih wurde katholiſch und 
ftiftete die fchlefifche oder papiftifche Einie. Ernft Günther ftiftete die Linie 
Sonderburg-Auguftenburg, Auguft Philipp die Linie Sonderburg-Bed und 
Philipp Ludwig die Linie Sonderburg-Wiefenburg. — Alle diefe Linien 
find ausgeftorben, bis auf Sonderburg-Auguftenburg und Sonderburg-Bed, 
welch lettere zufolge königlichen Diploms vom 6. Juli 1825 den Namen 
Sonderburg-Ölüdsburg führt. 


Don 1773 bis auf unfere Zeit. 629 


trennbares Reich fei, welches in untheilbares Erbe gehe, und daß 
der König Deranftaltungen zu treffen wiflen werde, um für die 
Zukunft jedes Unternehmen zu verhindern, welches darauf hinaus- 
gehe, die Derbindung zwifchen den einzelnen Staatstheilen zu Iöfen, 
worauf der Fönigliche Kommiſſar die Erflärung abgab, daß der 
König ohne Zweifel den Antrag der Derfammlung gerne entgegen- 
nehmen werde, und daß die Regierung des Königs fich wohl für 
verpflichtet erachten fönne, zur Beifeitigung der Bedentklichfeiten in 
der Erbfolge zu energifchen Maßregeln zu fchreiten. Kebtere 
Erflärung rief in BHolftein in manchen Kreifen ernfte Beforgniß 
hervor. Es war eben damals die holfteinifche Landesvertretung 
verfammelt. An diefe ergingen zahlreiche Petitionen und Dorftellungen 
aus dem Lande, und die Solge war eine vom 21. Dezember 1844 
datirte Aechtsverwahrung von feiten der holfteinifchen Stände. 
verfammlung gegen jeden Eingriff in die flaatsrechtliche Stellung 
der Herzogthümer, worin als Hauptpunkte eines fchleswig- 
holfteinifchen Staatsrechts die drei Säße aufgeltellt werden: Die 
Herzogthümer find felbfländige Staaten; der Mannsſtamm herrfcht 
in den Herzogthümern; die Herzogthümer Schleswig und Kolftein 
find feſt miteinander verbundene Staaten. „Auf das echt,“ 
heißt es in dieſer Nechtsperwahrung, „it Ew. Majeftät Thron 
gegründet, das Hecht allein, nicht ein Lönigliches Machtgebot, 
muß der Fünftigen Chronfolge zur Seite ftehen. Was unrecht 
ift, kann nicht beftehen. Die Gewalt Tann die dadurch erregten 
Gefühle des Schmerzes und des Unwillens niederhalten; fie werden 
um fo heftiger früher oder fpäter zum Ausbruch fommen und die 
Auhe des Staats gefährden.” Zu einer foldhen Wärme der 
Stellungnahme, wie fie hier hervortritt, fonnte das Recht der 
einen oder der anderen Linie des Königshaufes auf die Erbfolge 
an und für fich nicht treiben; es war die Ausfiht auf Selbft- 
ftändigkeit der Herzogthümer unter eigener Regierung, die man 
fi} machte, welche zu dieſer Parteinahme in der Sache veranlaßte. 
Die hier in Ausficht genommene Wirkung des in Anfpruch ge 


650 Dierter Abſchnitt. Dritte Abtheilung. 


nommenen Rechts konnte Dänemarf aber immerhin durch Ber- 
beiführung des Derzichts des weiblichen Stammes der älteren 
föniglichen £inie auf die Erbfolge verhindern, durch welchen die 
legtere auch im Königreihe auf den in den Berjogthümern 
berechtigten Mannsſtamm der jüngeren Linie überging. Solge 
jener ANechtsverwahrung war das Derbot jchleswig.holfteinifcher 
Sahnen, Wappen ıc., die damals auflamen, Beſchränkung 
des Derjammlungsrechts nnd manch andere Beichräntung. Unterm 
8. Juli 1846 erließ der König einen „offenen Brief", worin die 
Dorftellungen der holfteinifchen Stände zurückgewieſen werden, die 
behauptete Selbftändigkeit der Herzogthümer, zumal in Abficht 
auf Schleswig, verneint und für alle Theile der Monarchie die 
gleiche Erbfolge ausgejprochen wird. Damit war ein Derbot ver- 
bunden, wonach die im offenen Briefe beregten Sachen nicht wieder 
zum Öegenftande von Anträgen und Erörterungen gemacht werden 
follten. In Holftein entrüftete man fich hierüber. Doltsverfammlungen 
wurden gehalten und gegen den offenen Brief Protefte erhoben. 
Die Derfammlungen wurden unterfagt, und wo fie dennoch ftatt- 
fanden, auseinander getrieben; Tagesblätter und Schriften, welche 
die Bewegung unterhielten, wurden verboten und unterdrüdt. Die 
bolfteinifchen Stände richteten zwar nochmals eine Adrefje an den 
König, diefe wurde aber nicht angenommen, und die Stände 
befchwerten fich beim deutfchen Bund, freilich ohne Erfolg. Auch 
n der jchleswigichen Ständeverfjammlung von 1842 proteſtirte 
man gegen den offenen Brief in einer diesbezüglichen Adreffe an 
den Hönig, die Übrigens nicht angenommen wurde. Drei Ab: 
geordnete der fchleswigfchen Stände, unter denen der Herzog 
Ehriftian von Auguftenburg, ftellten drei weitgehende Anträge, 
nämlich auf eine gemeinfame fchleswig-holfteinifhe Derfaflung, 
Aufnahme Schleswigs in den dentſchen Bund und Trennung 
der gejamten Derwaltung der Herzogthümer von der des König- 
reihs. Diefe Anträge wurden zum Beſchluß erhoben. Der 
Regierungsbevollmächtigte erflärte fich außer ftande, folchen Befchlug 


. Don 1775 bis auf unfere Seit. 651 


entgegenzunehmen, und die Derjammlung löfte fih auf. Der 
zweite jener Anträge bemweilt, daß man in Hoffnung auf Hülfe 
des Bundes es zum offenen Bruch mit der Yegierung bringen 
wollte, da es den Antragftellern, namentlich dem Herzoge von 
Auguftenburg, nicht zweifelhaft fein konnte, daß jeder König von 
Dänemark gehalten fei, einen Derfuch, Schleswig in den deutjchen 
Reichsperband zu ziehen, mit Gewalt zurüdzuweifen. Die Re— 
gierung hielt indes feft an der Idee des dänifchen Geſamtſtaates 
und richtete, im Intereſſe der Selbfterhaltung Dänemarks gegen- 
über den Beftrebungen nach £oslöfung Schleswigs von der 
Monarchie, zugleich ihre Abficht mehr und mehr auf Trennung 
der früher begünftigten Derbindung Schleswigs mit Holftein, da 
fie nun, im Binblid auf das Erwachen des nach Einheit ftrebenden 
deutfchen Nationalgeiftes, nicht mehr hoffen fonnte, Holftein dauernd 
im Derbande der dänifchen Monarchie zu erhalten. Die dies» 
bezüglichen Entjchliegungen und Maßnahmen der Regierung, fo 
natürlich und felbftverjtändlich diejelben unter den gegebenen Der: 
hältniffen für Dänemarf auch waren, mußten doch auf der andern 
Seite als Bedrüdung empfunden werden, unter welcher nun, in der 
Derbindung mit Holftein, auch Dithmarfchen zu leiden hatte. Damit 
war für leßtere, Holftein und Dithmarfchen, die Bemeinfchaft des 
MWiderftandes gegeben, und daher datirt erft die engere Beziehung 
der Dithmarfcher zu Holftein, wie fie in der Bewegung der leßten 
Decennien vor Anneltirung der Berzogthümer hervortrat. Die Er- 
regung der Gemüther war aufs höchfte geftiegen, und unter Bunft 
äußerer Derhältnifje fam es, wie faft überall in Deutjchland, fo auch 
in Bolftein, im Jahre 1848 zur Erhebung wider die beftehende 
Regierung. Ehriftian VIII. farb am 20. Januar 1848, und fein 
Sohn, Friedrich VII, folgte in der Regierung. Der König Sriedrich 
übernahm es, die längft geplante Gefamtverfaffung einzuführen. 
Am 28. Januar erfchien ein fönigliches Reftript wegen Einführung 
der Derfaffung. Erfahrene Männer aus allen Provinzen follten 
zu Berathungen nach Kopenhagen abgeordnet werden. Stände: 


632 Dierter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


mitglieder aus beiden Herzogthümern befchloffen in einer Der- 
fammlung zu Kiel am 17. Sebruar: Man wolle zwar Abgeordnete 
zu der nach Kopenhagen berufenen Derfammlung erfahrener Männer 
wählen, aber nur, um gegen jede auf der Idee des dänifchen 
Gefamtftaates beruhende Derfafjung zu proteftiren, und in einer 
Derfammlung zu Bendsburg am 18. März befchloffien Stände: 
abgeordnete aus beiden Herzogthümern, dem Könige in einem 
Anliegen das Bedrohliche der Lage vorzuftellen, und als geeignete 
Mittel zur Beruhigung der Bemüther die Berufung eines fchleswig- 
holfteinifchen Landtages mit Dorlegung eines Konftitutionsentwurfs, 
völlige Preßfreiheit, Derfammlungsrecht, Dollsbewaffnung, Eintritt 
Schleswigs in den deutfchen Bund und Abberufung des Regierungs- 
präfidenten vorzufchlagen; der Graf Reventlow zu Preeß, Advokat 
Befeler in Schleswig und Advofat Bargum in Kiel wurden 
beauftragt, die Ereignifje zu beobachten und, wenn nöthig, die 
Ständemitglieder zufammenzurufen. Das dem Befchlußg gemäß 
formulirte „Anliegen wurde durch eine befondere Kommiffion 
nah Kopenhagen überbradit. Bevor aber eine Antwort des 
Königs eintreffen fonnte, war in Holftein fchon der Aufftand gegen 
die Regierung ins Werk gefegt. Eine Pollsverfammlung zu 
Kopenhagen im dortigen Kafino am 20. März hatte die Einfeßung 
eines energifcheren Mlinifteriums für nothwendig erklärt, und am 
21. März hatte man in einer Dollsbewegung den König beftürmt, 
ein anderes Minifterium zu ernennen und das alte Recht Däne- 
marks auf Schleswig voll aufrecht zu erhalten. Die Solge war 
die Einfeßung eines neuen Minifteriums, des fog. Kafino- 
Minifteriums. Advokat Befeler brachte die Nachricht von diefen 
Ereigniffen in Kopenhagen am 23. März nach Kiel. Don Kiel 
aus wurden Boten an den Grafen Beventlow-Preeg und an den 
Prinzen Sriedrich von Auguftenburg-Toer geſchickt. Befeler begab 
fi} dann in die Kieler Bürgerverfammlung, wo er Mittheilung 
machte von den Dorgängen in der dänifchen Haupftftadt, und ging 
darauf zu dem Kommandanten des in Kiel flehenden lauenburgifchen 


Don 1773 bis auf unfere Zeit. 633 


Yägercorps, Gberfl-Lieutenant von Hoegh, um denfelben dahin 
zu beflinmen, den Kieler Bürgern Waffen verabfolgen zu laflen, 
zum Swed der „Aufrechterhaltung der Ordnung”. Inzwifchen 
waren Weventlow und der Prinz von Toer in Kiel eingetroffen. 
Beide begaben fich mit Befeler zu Bargum in deffen Wohnung 
zur Berathung. Bier erfchienen dann zwei ©ffiziere der Kieler 
Garnifon, meldeten dem Prinzen von Noer, daß der Gberft- 
£ieutenant von Hoegh das Kommando der lauenburgifchen Jäger 
niedergelegt habe, und übertrugen dasfelbe im Namen des Eorps 
ihm, dem Prinzen. In der mittlerweile in der Kieler Bürger: 
verjammlung auf dem Rathhauſe gehaltenen Berathung hatte man, 
weil der Eandesherr von den „Demagogen“ der Hauptfladt „unfrei” 
gemacht worden, die Einfeßung einer proviforifchen Regierung für 
nothwendig erfannt. Die von der Derfammlung defignirten Mit. 
glieder der Regierung, unter welchen Reventlow, Beſeler und der 
Kaufmann M. €. Schmidt, Kommandant der Kieler Bürgerwehr, 
waren, begaben fich dann in „Brands Hotel”, und hier entwarfen 
Reventlow, Befeler und der Prinz von Voer die Proflamation 
der neuen Begierung. Um Mitternacht ward die Proflamation 
der Bürgerverfammlung auf dem Hathhaufe zur Genehmigung 
vorgelegt. Gegen 1!/s Uhr nachts erfchienen dann die anwefenden 
Mitglieder der propiforifchen Regierung vor dem NRathhaufe und 
brachten die Proflamation zur Derlefung, während die lauenburger 
Jäger, Turner und Studenten auf dem Rathhausmarkte verfammelt 
waren. Tlachdem fo die proviforifche Regierung proflamirt 
worden, wurde auf Anordnung des Prinzen von Voer ein Bote 
nach Bendsburg an den dortigen Eifenbahndireltor abgefertigt 
mit der Meldung von der Einfegung der propiforifchen Regierung 
und der Anzeige, daß noch felbigen Dormittags der Prinz mit dem 
lauenburgifchen Jägercorps eintreffen werde, um Aendsburg zu 
befegen. Der Eifenbahndiretor traf darauf Maßregeln, die es 
geftatteten, Daß der von Kiel fommende Zug ohne Hindernig in 
die Seftung hineinfahren fonnte.e So war alles von längerer 


654 Dierter Abfchnitt. Dritte Abteilung. 


Band her vorbereitet, und die Befegung Hendsburg gelang leicht 
und unblutig durch Ueberrumpelung der jchwachen Bejaßung. 
Durch Befignahme von der Seftung Rendsburg fiel die Hauptlaffe 
des Landes und ein mit Waffen und Munition gefülltes Arjenal 
in die Hände der propiforifchen Yegierung, und jo gewann diefe 
eine geficherte ®perationsbafis, Waffen und peluniäre Mittel zur 
Sortführung der Bewegung. Der Sik der propiforifchen Regierung 
wurde noch jelbigen Tages von Kiel nach Rendsburg verlegt. 
Der Derlauf der Bewegung, defjen Darftellung in die fchleswig- 
bolfteinijche Provinzialgefchichte gehört, führte aber zur Wieder: 
herjtellung des früheren Derhältniffes der Herzogthümer zum 
Königreich und zur Ausfchliegung der Samilie Auguftenburg von 
der Erbfolge im Königshaufe. Der Weiberftiamm der älteren 
föniglichen Einie verzichtete auf die Erbfolge in der Regierung, 
und jo ging diefe über auf die jüngere Fönigliche Linie, Die 
£inie Holftein- Sonderburg, von der nur noch die beiden 
Samilien Auguftenburg und Slüdsburg (früher Sonderburg-Bed) 
eriftirten.. Aus dieſer Einie wurde Prinz Chriftian von Holftein- 
Sonderburg-Ölüdsburg, Sohn des am 17. Sebmar 1831 ver: 
ftorbenen Herzogs Sriedrich Wilhelm Paul Leopold und Bruder 
des Herzogs Earl, zum Chronfolger nach dem Könige und Herzog 
Sriedrich VII. defignirt und durch Chronfolgegefeg vom 31. Juli 1853 
zur Nachfolge berufen unter Zuftimmung und Anerfennung von 
feiten der Broßmächte. Damit war, nachdem das Wahlrecht der 
Stände fchon 1608 aufgehoben worden, formell auch der Be: 
fimmung in dem Privilegiumsbriefe Chriftians I. von 1460 genügt, 
wonach allemal einer der Söhne oder in Ermangelung von Söhnen 
einer der nächften Anverwandten des leßverftorbenen Regenten aus 
dem Mannsftamme Ehriftians I. zum Herrn der Lande Schleswig 
und Holftein gewählt werden follte. Die Familie Holftein-Sonder- 
burg-Auguftenburg, die man bejchuldigte, den Aufftand wider den 
regierenden König und Herzog gefhürt und geleitet zu haben, um 
gewaltiam das Regiment in den Berzogthümern an fich zu bringen, 


Don 17723 bis auf unfere Zeit. 635 


weil fie den Tod des regierenden Herzogs Sriedrich VII. nicht habe 
abwarten fönnen, wurde des Landes verwiefen.! Der Chef der 
Samilie, Herzog Chriftian Auguft, verzichtete auf alle Erbfolge: 
anfprüche, fowie auf feine Befigungen im Lande, für fich und feine 
Samilie, gegen eine Entjchädigung von 1'/s Millionen däntfchen 
Thalen. Als dann Sriedrich VO. am 15. November 1863 ftarb, 
trat Prinz Ehriftian von Glüdsburg die Regierung an als König 
und Herzog Ehriftian IX. In den Herzogthümern aber fuchte der 
Erbprinz Friedrich Chriftian Auguft von Auguftenburg, defjen 
Dater, der Herzog Lhriftian Auguft, noch am Leben war, die 
Erbrechte feines Daters, auf welche diefer felbft verzichtet Hatte, 
für fich geltend zu machen, indem er fich durch den Derzicht nicht 
für gebunden erachtete, weil er, der zur Seit des Derzichts fchon 
mündig war, zu demijelben feine Einwilligung nicht gegeben habe. 
Er erflärte am (6. November 1865 feinen Hegierungsantritt in 
den Herzogtkümern unter dem Namen Berzog Sriedrich VII. Doch 
war er nicht in der Lage, feine erhobenen Anfprüche zu realifiren 
und die Regierung thatfächlih auszuüben. In der erften Seit 
nach dem Tode Sriedrichs VII. übte noch der König, Berzog 
Ehriftian IX., die landesherrliche Gewalt in den Herzogthlimen 
aus. Vach Eintritt der fchon am 1. Oftober 1865 befchlofienen 
Bundeserefution m Bolftein und Lauenburg*’gegen Ende desfelben 
Jahres und der fpäter erfolgten öfterreichifch-preußifchen Occupation 
Scleswigs trat für Holftein-Kauenburg ein Bundesregiment durch 
Bundestommiffare und für Schleswig eine von den beiden deutfchen 
Großmächten eingefegte „oberfte Sivilbehörde” proviforifch an die 
Stelle des Candesherrn. In Ausführung der befchlofjenen 


ı Mit der Möglichkeit eines Derzichts des Weiberſtamms des Königs- 
haufes auf Erbfolge in der Regierung, infolgedefien die Krone auf den 
Berzog Chriftian von Auguftenburg übergehen könnte, fcheint man damals 
noch nicht gerechnet zu haben auf feiten der Auguftenburger. Auch war 
damals die Möglichkeit noch nicht ausgefchlofien, daß König Friedrich VII. 
noch männliche £eibeserben befommen Pönnte. 


656 Dierter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


Occupation Schleswigs durch die beiden Brogmächte, zum Zweck 
der Derhinderung einer Inforporation des Berzogthums in die 
dänische Monarchie, kam es zum Kriege der beiden Mächte mit 
Dänemarf, infolgedefjen der König Chriftian IX. im Srieden vom 
50. Oktober 1864 die Herzögthümer Schleswig, Holftein und 
Lauenburg an ©efterreich und Preußen abtreten mußte. Anftatt 
der Bundestommiffare und der herzoglichen Landesregierung für 
Bolftein-£auenburg und der Faiferlich-Öfterreichifchen und königlich 
preußifchen oberften Zivilbehörde für Schleswig wurde eine 
oberfte Sipilbehörde für alle drei Herzogthümer und eine fchleswig- 
holfteinifche Landesregierung angeordnet, die beide (feit dem 
I. Sebruar 1865) ihren Siß in der Stadt Schleswig hatten. 
Durch eine am 14. Auguft 1865 zwifchen den beiden deutfchen 
Großmächten zu Gaftein gefchloffene Konvention wurden die Re—⸗ 
gierungsverhältniffe in den Berzogthümern dahin geregelt, daß 
Preußen die Regierungsgewalt in Schleswig, ©efterreich diefelbe 
in Bolftein ausüben, Rendsburg aber von beiden Mächten ge- 
meinfam befegt gehalten und Preußen nebft mancherlei fonftigen 
Dergünftigungen in Holftein eine Marineflation an der Kieler 
Bucht eingeräumt werden follte. Diefe Ordnung trat am 15. Sep« 
tember 1865 in Kraft und dauerte bis in den Juni 1866, obwohl 
die beiden Kontrahehten fchon längere Seit einander feindfelig 
und friegsbereit gegenüberftanden. Am 7. Juni 1866 rüdten die 
Preußen von Schleswig aus in Bolftein ein, der bisherige öfter: 
reichifche Statthalter in Holftein, Seldmarfchalllieutenant von Bablenz, 
verließ mit der Öfterreichifchen Befagung in der Nacht vom 11. 
auf den 12. Juni das Land, und Preußen ſetzte fich in das Re— 
giment über alle drei Herzogthümer. Die holfteinifche Regierung 
wurde aufgelöft, und die Sivilverwaltung, unter der Militärgewalt 
des preußifchen Gouverneurs, dem Baron Carl von Scheel-Pleffen 
als ©berpräfidenten, anfänglich für Holftein allein, nachher auch 
für Schleswig, übertragen. Infolge des gegen Preußen gerich- 
teten Antrags Oefterreihs auf Mobilmachung am Bundestage, 


Don 1723 bis auf unfere Zeit. 637 


welchen Preußen für bundeswidrig erflärte, und infolge der An 
nahme diefes Antrags in der Bundesverfammlung vom 14. Juni 
1866 erklärte Preußen den Bund für gefprengt und ließ feine 
Truppen in Hannover, Kurhefjen und Sachfen, deren Regierungen 
fih, wie die von Bayern und anderen deutjchen Landen, Oefterreich 
angefchloffen Hatten, einrüden. Damit war der Bürgerkrieg in 
Deutfchland gegeben, der nach raſchem Siegeslauf der Preußen 
feinen Abfchluß fand im Srieden zu Nilolsburg am 26. Juli 1866. 

Oefterreich verzichtete im Sriedensihlug auf alle An: 
fprüche an den Mitbefig der Herzogthümer, und diefe wurden 
darauf dem preußifchen Staate angefchlofen — anneltirt. So 
war ein hiftorifches Aecht für ein von Dänemarf getrenntes 
Schleswig-Holftein gefchaffen, welches durch jene Beftimmung in 
dem Privilegiumsbriefe Ehriftians I. von 1460, daß die Kande 
Schleswig und Holftein zufammen bleiben follten, ungetheilt, nicht 
gegeben werden fonnte, da diefelbe weder eine Inkorporation 
Holfteins in Dänemarf (wie fie 1806 erfolgte) ausfchloß, noch 
auch das Lehnsverhältniß des Herzogthums Schleswig zur Krone 
Dänemarf aufhob, ja gerade letzteres Derhältnig (welches fpäter 
zwar alterirt, ducch den Derjicht der Gottorper aber voll wieder 
hergeftellt ward) zur Dorausjegung hatte, indem fie vom Könige 
CEhriftian I. als ®berlehnsherrn von Schleswig gegeben ward, in 
Beziehung auf den kurz zuvor fundgethanen Entfchlug desfelben, 
das erledigte Lehn für immer wieder mit der Krone zu verbinden 
und aus aller Derbindung mit der Grafichaft Holftein zu löfen, 
wenn er nicht etwa ſelbſt Nachfolger jeines Oheims, Adolphs VIH., 
in der Graffchaft würde. Mit der Forderung der Bineinziehung 
Scleswigs in den deutfchen Bund war, wie mit der Inforporation 
Holfteins in das dänifche Reich, der Boden des hiftorifchen Rechts 
verlafjien. Daher ift es auch wenig zutreffend, mit Rückſicht auf 
die Annerion der Herzogthümer als ein Ergebniß der Entjcheidung 
des Streits mit Dänemarf in der Appellationsinftanz der ultima 
ratio der Könige, in Reſignation zu fagen, die geit fei über das 


638 Dierter Abfchnitt. Dritte Abtheilung. 


hiftorifche Recht Schleswig-Bolfteins von 1460 hinweggegangen; 
vielmehr gilt es auch hier: „Das Hecht wächſt fich zurecht und 
wandert fich zurecht, indem immer die andere Generation wie der 
andere Ort dazu thut und davon thut, mit demjenigen Recht dapou 
und von demjenigen echt dazu, welches in den Menſchen lebt. 
Dasjenige Recht aber, welches Einer oder der Andere in fich trägt, 
in feinem Herzen, Gewiſſen oder Gefühl trägt, und fleigt ihm 
von da zu Kopf, das ift ſchwerlich jemalen das rechte Hecht, als 
welches rechte echt, wie Jemand davon jagt, ein Glaube ift, 
eine Unterlage für Dinge, die man hoffet, und eine „Heberzeugung 
von Dingen, die man nicht fiehet“.! Durch die Einverleibung 
in den preußifchen Staat waren die Herzogthümer der Herrfchaft 
der Herzoge von Bolftein, oldenburgifchen Stammes, definitiv ent- 
zogen, und damit war auch die Herrfchaft der Kebteren über Dith- 
marfchen aufgehoben und befeitigt. Hierin liegt die Bedeutung 
der Bewegung aus Anlaß der Srage der Erbfolge im Baufe 
Ehriftians I. für die Dithmarfcher Gefchichte.e An und für fich 
fonnte jene zu Ddiefer feine Beziehung haben, da die durch die 
Eroberung 1559 gegebene und durch Traktate rechtlich geficherte 
Stelung Dithmarjchens von der Erbfolge in dem Stamme 
Ehriftians I. und von dem Derhältniffe Holfteins zu Schleswig 
oder Schleswig-Holfteins zu Dänemark im Grunde nicht berührt 
wurde; im Zufammenhange der Bewegung mit der Annerion der 
Berzogthümer aber, zu welcher jene die veranlafjende Llrfache 
wurde, war die Beziehung zur Dithmarfcher Gefchichte gegeben, 
infofern, als durch die Annerion auch die durch die Eroberung 
1559 inftallirte Herrfchaft der „Herzoge von Holftein” über Dit 


ı „Eine gewiffe Suverfiht” — nicht eine ungewiffe, fondern gewiſſe — 
it der Glaube, eine fee Ueberzeugung von Dingen, die nicht in die Sinne 
fallen. Der Glaube ift ein vernünftiger, wenn er auf Demunftwahrheiten 
fih gründet, ein hiftorifher, wenn er auf gefhichtlihe Brände und That- 
ſachen ſich fügt. Daher ift hier mit gutem Fug das Recht als ein Glaube 
bezeichnet. 


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Don 1273 bis auf unfere Zeit. 659 


marfchen abgethan ward. Zwiefach bedeutfam, auch für die 
Dithmarfcher Gefchiähte, war die Annerion der Herzjogthümer 
infofern, als diefelbe in der Weiterentwidelung politifcher Geſtal⸗ 
tung nur eine &tappe bildete auf dem Wege der Wiederher: 
ftellung des Deutfchen Reichs. Nur infolge des Streits um das 
fchleswigfche £ehn war Chriftian I. auch zur Herrfchaft in Holſtein 
gelangt, und infolgedeflen allein hatten die „Herzoge von Holftein“, 
geftüßt auf die relaliv ftarfe Macht Dänemarfs, fich von Kaifer und Reich 
einen Titel auf Dithmarfchen zu Wege zu bringen gewußt und, im Der- 
folg diefes Titels, Dithmarfchen zu unterwerfen und unter ihrer Berr- 
fchaft, „als in einer ewigen Serpitut”, zu erhalten vermocht. In diefer 
Rückſicht muß gs als eine Sühne der Gefchichte erfcheinen, daß 
die auf Grund der Schwäche des Reichs ermöglichte und ins 
Wert gefeßte Herrfchaft der „Herzoge von Holftein” über Dith- 
marjchen endgültig abgethan worden im Wege der Wieder- 
herftellung des Reichs zu urfprünglicher Kraft und Machtfülle, 
ohne daß es gerade nöthig wäre, fih nun in überfchwenglichen 
Erwartungen von der „Dereinigung zu einem größeren Bemein- 
wefen“ zu ergehen, als ob das Heil im Reichsperbande von außen 
her uns zumwachfen könnte. Das innere Gedeihen des Landes hat 
immer feine ficherfte Grundlage gehabt in den _Inftitutionen aus 
der Zeit altdithmarfcher Kandesfreiheit — den freien Kirchfpiels- 
inftitutionen, die in ihrer Erhaltung unter Sürftenherrfchaft und 
in ihrer Neberlieferung auf die Gegenwart, wie einerfeits Denk⸗ 
mäler der Erinnerung, jo auch andererfeits, als Seugen der Pietät, 
die da hält ob altem Brauch und Däterfitte, Bürgen find für die 
Zukunft, denn wenn auch manches im Wandel der Zeiten ver- 
altet, fo ift das Bewährte doch immer ein Altes und „moribus 
antiquis res stat romana virisque“ — feinen Beftand hat Rom 
durch Däterfitten und Männer. 








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